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Zeit1 - Regionale10

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16 — 17<br />

Adam Budak<br />

24<br />

Richard Sennett: The<br />

Craftsman, S. 213.<br />

Terrain, in dem Zusammengehörigkeit und Zugehörigkeitsgefühl mit der<br />

Sturheit und der egozentrischen Welt der Eigentümlichkeit ringen, wo das<br />

Verlangen nach Gemeinschaft auf die Manifestation ganz individueller<br />

Glaubensgrundsätze und Wahrheiten trifft. Wie lässt sich die Matrix eines<br />

solchen Glaubens darstellen? Wie lässt sich eine solche Haltung umreißen?<br />

Was sind die historischen Perspektiven und die zeitgenössischen Bedingungen<br />

einer solchen Örtlichkeit? Wie wird lokales Wissen produziert?<br />

Diese Ausstellung ist aber auch eine Fallstudie von lokaler Widerständigkeit,<br />

von Stolz, Emanzipation und Selbstermächtigung. Wir sind die schaffenden<br />

Menschen, Schmiede der Wirklichkeiten, Produzenten des Alltags,<br />

Kinder der Tradition, Schöpfer noch kommender Zukunften und Bildhauer<br />

von Orten. Als Studie performativer Zugehörigkeit geht diese Ausstellung<br />

der Frage nach, ob der Homo faber in der Welt des Eigensinns überhaupt<br />

möglich ist; ihre Anatomie einer (lokalen) Vita activa ist gleichzeitig eine<br />

Anatomie des Eigensinns, der Schauplätze seiner Aktivität, seiner auf<br />

lokale Sehnsüchte und Ambitionen zugeschnittenen Utopien im kleinen<br />

Maßstab. Wie lassen sich Dinge, Köpfe und Denkweisen formen? Die Ausstellung<br />

stellt sich der Herausforderung, in die Organisation des Privatlebens<br />

des „Lokalmatadors“ und seinem Sinn für die Gemeinschaft, deren<br />

teil er ist, hereinzuzoomen. Wie kann man an der Welt des Eigensinns teilnehmen?<br />

Was lässt sich über traurige Versuche des gezwungenen Engagements<br />

für die sogenannten – fremden – allgemeinen Belange hinaus tun?<br />

Eigensinn ist ein Flickwerk aus heroischen Taten und konservativen Ansichten,<br />

ein Land der Enge, des Stolzes und der Selbstbehauptung, wo lokaler<br />

Gemeinschaftsgeist, das Streben nach Autonomie und Emanzipation und<br />

die Vorstellungskraft des schöpferischen Geistes, der nach Senett 24 von<br />

Widerständigkeit, Ambiguität und Intuition geprägt ist, mit Sturheit und<br />

einem Willen zur Distanz und zum Ausdruck seiner eigenen Andersheit im<br />

Wettstreit liegen.<br />

Im Rahmen der künstlerischen Freiheit des Eigensinn-Syndroms reist der<br />

Prototyp des Homo faber, Odysseus mit verbundenen Augen durch dieses<br />

Land des Sturheit, in der Hoffnung, die ihm Pandoras Büchse gegeben<br />

hat, der Hoffnung, die Welt neu zu erbauen und Kultur und Zivilisation zu<br />

erneuern, im Mitgefühl mit der tragischen Figur Hephaistos, dem lahmen<br />

Gott der Handwerker, „berühmt für Erfindungen“, Erbauer aller Gebäude auf<br />

dem Olymp, Friedensbringer und Zivilisationsschaffer.<br />

Diese Ausstellung ist eine von sechs partizipatorischen und gemeinschaftsbasierten<br />

Kunstprojekten, eine fast wie in einem Kriminalstück<br />

von Pirandello orchestrierte Fallstudie, Erzählung der Region und Bestimmung<br />

ihrer einheimischen Protagonisten. Sie ist Probe, Untersuchung und<br />

Mise-en-scène von Geschichte, Tradition und Kontemporanität, ein Tableau<br />

vivant einer widerständigen Identität. Die an Sechs Personen suchen einen<br />

Maria Papadimitriou<br />

Untitled (T.A.M.A.), 2000<br />

Dreaming the New<br />

House, 2004<br />

Autor (1921) erinnernden eingeladenen Künstler machen sich auf die Suche<br />

nach einem modernen Hephaistos, indem sie der Eigentümlichkeit einer<br />

Region nachspüren, die schon immer als besonders eigensinnig galt. Die<br />

Projekte sind in der Tat Beispiele für kritischen Regionalismus – und sind<br />

ebenso dynamische Belege für einheimisches Leben, das sich seiner selbst<br />

bewusst ist. Die Psychogeografie dieser Ausstellung navigiert zwischen den<br />

verschiedensten Aspekten des Lebens der Region: Landschaftsarchitektur<br />

und die Organisation des Privatraumes (Franz Kapfer), das sprühende<br />

Leben ganz gewöhnlicher Bewohner dieser Region als soziale Skulptur<br />

(Pawel Althamer und seine Studierenden), die Bildung einer eigensinnigen<br />

Mentalität anhand der Fallstudie zu baulicher Neugestaltung in der<br />

Region (Kateřina Šedá), das Phänomen des Genius loci mit einem Verweis<br />

auf Natur und Brauchtum der Region (Maria Papadimitriou), Schlossarchitektur<br />

als Phantasmagorie (L/B) und die Produktion von realem und symbolischem<br />

Wert, wie sie sich in der Tradition eines einheimischen Gewerbes<br />

findet (Christian Philipp Müller).<br />

Maria Papadimitriou<br />

„Alpine Altar“ oder: Rituale des Alltags<br />

Maria Papadimitrious Feldforschungen folgen einer Methode, die von der<br />

Intensität von bestehenden oder neu begründeten menschlichen Beziehungen<br />

und Verbindungen befeuert wird. In ihrer Erforschung der zerbrechlichen<br />

Bereiche einer „emotionalen Topografie” legt die griechische<br />

Künstlerin ihr Augenmerk auf die Randexistenzen und Unterprivilegierten<br />

innerhalb einer gegebenen Gesellschaftsstruktur. Die Politik des sozialen<br />

Raumes, die suburbane Landschaft und der Bereich des häuslichen Lebens<br />

stehen im Mittelpunkt ihrer interdisziplinären und gemeinschaftsbasierten<br />

Projekte und bilden in erster Linie den thematischen Rahmen für ihr<br />

kollektives Langzeitprojekt T.A.M.A. – Temporary Autonomous Museum for<br />

All – eine flexible Quasi-Struktur, die in Menidi, einem heruntergekommenen<br />

Viertel im Westen von Athen, spontan ins Leben gerufen wurde und<br />

von Wanderpopulationen wie den Roma und den Vlach-Rumänen aus Veria<br />

praktisch als Zweitwohnsitz genutzt wird. Als mobile postindustrielle Stadt<br />

ist T.A.M.A., (das im Griechischen so viel wie feierliches Versprechen, eine<br />

Geste der Gabe, der Dankbarkeit oder des Versprechens bedeutet), ein weiterer<br />

künstlerischer Versuch der Aufstellung eines Wertesystems bei der<br />

Auseinandersetzung mit Themen von bestimmter gesellschaftlicher und<br />

politischer Dringlichkeit wie Einwanderung, Armut und Menschenrechte im<br />

Allgemeinen. Beinahe unter Anwendung von Camouflage-Strategien tritt<br />

Maria Papadimitriou in Gemeinschaften und Gesellschaftschichten ein,<br />

nimmt allmählich deren Alltagsgewohnheiten an, dringt ganz tief in deren<br />

Lebensbedingungen ein und diagnostiziert auf der Basis ihrer Erfahrung<br />

den Status quo dessen, was tunlichst ausgelassen wird oder was allen<br />

Strategien oder Ökonomien der offiziellen gesellschaftlichen Zugehörigkeit

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