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Zeit1 - Regionale10

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28 — 29<br />

Adam Budak<br />

Kateřina Šedá<br />

Es gibt kein Licht am<br />

Ende des Tunnels,<br />

2010<br />

auf dem Land durchgeführt wurden, wären noch weitere zwei Beispiele für<br />

Šedás Kritik an Gentrifizierung, Landbesitz und globalen Ökonomien, die<br />

die Ursache für Stadtsanierungen bilden und die Entscheidungen von multinationalen<br />

Konzernen beeinflussen. In beiden Fällen wird durch lächerliche<br />

Baumaßnahmen entweder die Landschaft vor Ort zerstört oder die<br />

Bewegungsfreiheit und der Komfort der Anwohner ernstlich getrübt. Das<br />

dunkle Metalltor eines neuen Eigentümers versperrt den Weg und nimmt<br />

dem Bereich jedes Sonnenlicht; eine neu errichtete Industriezone mit einer<br />

riesigen Autofabrik nimmt auch ihre Umgebung in Beschlag, indem sie sie<br />

etwa mit einer aggressiven Flut künstlichen Lichts blendet. Das Gefühl von<br />

Resignation und Hoffnungslosigkeit angesichts der Macht der politischen<br />

Autorität überwiegt in Kateřina Šedás emotional aufgeladenen Untersuchungen<br />

des Scheiterns und der Absurdität. Die Unmöglichkeit von Kommunikation<br />

(einschließlich des Scheiterns des Zusammengehörigkeitsgefühls),<br />

Ignoranz, Menschenrechtsverletzungen, Nichtachtung der Privatsphäre –<br />

das sind die wichtigsten Themen von Kateřina Šedás Projekten, die quasi<br />

als Lautsprecher fungieren, für vorwiegend marginale Gemeinschaften/<br />

Gemeinden, die von Global Playern unter Druck gesetzt wurden.<br />

Die Künstlerin beschreibt die Entstehungsgeschichte ihres neuen für die<br />

Ausstellung Der schaffende Mensch. Welten des Eigensinns in Auftrag<br />

gegebenen Projekts als in der Tat neue Erfahrung, die sich wirklich von<br />

ihren bisherigen Projekten, die vorwiegend mit Tschechien zu tun hatten,<br />

unterscheidet: Als sie die einheimische Bevölkerung des Ennstals darauf<br />

ansprach, erfuhr sie, dass in dieser (geografisch und politisch) offenbar<br />

idyllischen Landschaft keinerlei Wunsch oder Bedürfnis nach Veränderung<br />

besteht. Darüber hinaus wird das alles beherrschende Naturschauspiel, der<br />

Grimming, nicht als Barriere betrachtet, von der Landschaft und Menschen<br />

voneinander getrennt werden, sondern vielmehr als zentrale Schnittstelle,<br />

die alles auf den Punkt bringt: Von der Künstlerin aufgefordert, sich vorzustellen,<br />

was sich hinter dem Berg befindet und das, was sich genau hinter<br />

dem Berg befindet, zu zeichnen, lieferten die Einheimischen der Künstlerin<br />

ein perfektes Bild von hoher Präzision. Der Berg schien durchsichtig zu<br />

sein; der Sichtbarkeits- oder Wahrnehmungstest der Künstlerin scheiterte<br />

… oder war letztendlich ganz unerwartet erfolgreich! Jedenfalls brachten<br />

weitere Nachforschungen Kateřina Šedá auf den wahren Kern der entdeckten<br />

lokalen Kontroverse: der geplante Bau des größten Kreisverkehrs<br />

Österreichs, und zwar mitten in einem Ortszentrum, mit dem zwar der Transitverkehr<br />

erleichtert und das Problem mit dem Durchzugsverkehr gelöst<br />

sein, aber die bestehende Raumorganisation zerstört würde, das Dorf<br />

praktisch durchschnitten und somit das Leben der Bewohner schwieriger<br />

würde. Diese Entscheidung wurde nun schon seit beinahe drei Jahrzehnten<br />

heiß debattiert und konnte bislang von Interessensgruppen, Bürgerinitiativen<br />

wie LIEB, NETT und der Kampagne „Stop Transitschneise Ennstal“<br />

erfolgreich verhindert werden. Mit ihrem Projekt Es gibt kein Licht am<br />

Ende des Tunnels erweitert Kateřina Šedá ihr Interesse an Metaphern des<br />

Franz Kapfer<br />

Zentaur, 2004/05<br />

37<br />

Katerina Seda: Es gibt kein<br />

Licht am Ende des Tunnels,<br />

Projektbeschreibung.<br />

38<br />

Roger M. Buergel in: Franz<br />

Kapfer/Emil Varga, Katalog.<br />

Fotogalerie Wien, 2003.<br />

Lichts und der Blendung, der Sichtbarkeit und der Transparenz, als Instrumente<br />

einer aktiven Kritik an Modernisierung und Industrialisierung. „Der<br />

geplante Kreisverkehr, genauso wie die Autofabrik mit ihrem Licht, blendet<br />

die Anwohner und die Menschen können sich durch die Dunkelheit gar nicht<br />

sehen“, meint die Künstlerin und stellt sich die Aufgabe „eine Möglichkeit<br />

zu finden, wie die größtmögliche Personenanzahl durch das blendende<br />

Licht (den Kreisverkehr) verbunden werden und auf diese Art und Weise ihr<br />

Blick nur in eine Richtung gelenkt werden kann.“ 37 Šedá organisiert eine<br />

ganz besondere performative Zeichensession von kollektiver Urheberschaft,<br />

indem sie die Einheimischen dazu auffordert, den Kreisverkehr mit<br />

verbundenen Augen mit Buntstiften zu zeichnen. Diesem Konzept folgend,<br />

zusammengefügt und geschichtet, bieten die überlappenden Zeichnungen<br />

eine „einheitliche“ Sicht auf einen höchst problematischen Gegenstand –<br />

einen metaphorischen, beinah halluzinatorischen Knoten aus den verschiedensten<br />

Vorstellungen und Erwartungen. Hier in diesem kritischen Akt der<br />

Gruppentherapie betritt das Individuum die kommunale Ebene und erreicht<br />

auf auf diese Art und Weise möglicherweise die Neuverhandlung oder<br />

Erweiterung der Grenzen des Eigensinns.<br />

Franz Kapfer<br />

“Sieh-Dich-Für” oder: “My Home Is My Castle”, einmal umgekehrt<br />

Die Untersuchung von Klischeedarstellungen bildet die Grundlage für viele<br />

Projekte des in der Steiermark geborenen Künstlers Franz Kapfer. In seinen<br />

bildhauerischen Interventionen und auf Video, inszenierter Fotografie<br />

und Performance beruhenden Arbeiten werden in einem Akt der Herstellung<br />

der ganz persönlichen Privatmythologie des Künstlers – einem subjektiven<br />

Theater der männlichen Identität, da, in den Worten Roger M. Buergels,<br />

Kapfer „mit der dynamisierten Pose, der Maskerade oder der Dramatisierung<br />

seiner eigenen Erscheinung arbeitet“ 38 – antike und christliche Ikonografien<br />

einer Neubetrachtung unterzogen. Seine Kunstpraxis beruht auf einer Performativität,<br />

die auf die Tradition der Performancekunst und der Body Art<br />

der 1970er-Jahre verweist. Es finden sich auch Anklänge an die Poetik des<br />

mittelalterlichen Theaters und sie erinnert auch an die Figuren der Commedia<br />

dell‘ arte mit ihrer für das Bachtinsche Karnevaleske typischen Körperlichkeit,<br />

Groteskheit und ihrem so genannten „Realismus auf einer niedrigeren<br />

Ebene“. (Männliche) Körperpolitik und Sexualität stehen im Zentrum<br />

seiner kritischen Untersuchungen von Identitätsbildung (Gender-Diskurs),<br />

Gesellschaftsstrukturen (Faschismus, Familie) und Religion (Katholizismus),<br />

die er in Form einer Reihe von performativen Travestie-Tableaus zur<br />

Aufführung bringt. Indem er in Rollen aus der Mythologie oder der Weltgeschichte<br />

schlüpft, Rituale nachstellt und deren Symbolsprache hinterfragt,<br />

untersucht Kapfer die Darstellungsmuster, von denen unsere Vorstellung<br />

und Wahrnehmung der Welt geprägt ist. Mal als mythologischer Pan verkleidet,<br />

der seine Freundin verführen möchte, mal als Zentaur, der seiner

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