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Im Leid mit Gott - Christentum und Kultur

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<strong>Im</strong> <strong>Leid</strong> <strong>mit</strong> <strong>Gott</strong> ringen<br />

Eine literarische <strong>und</strong> dokumentarische Aufarbeitung des<br />

Theodizee-Problems<br />

Arbeit zum Wettbewerb „<strong>Christentum</strong> <strong>und</strong> <strong>Kultur</strong>“<br />

der evangelischen <strong>und</strong> katholischen Kirchen in Baden-Württemberg<br />

2007/2008<br />

Kathrin Schölch<br />

Hardtweg 1<br />

74838 Limbach<br />

Burghardt-Gymnasium, 74722 Buchen


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort<br />

A Literarischer Teil<br />

I. „Wo ist <strong>Gott</strong>? Wo ist er?“<br />

Selbstverfasste Gedichte <strong>und</strong> Kurzgeschichten<br />

II. Künstlerische Annäherung<br />

Bilder <strong>und</strong> Zeichnung <strong>mit</strong> meditativen Gedanken<br />

B Dokumentarischer Teil<br />

I. <strong>Gott</strong> rechtfertigen – Die Theodizee - Frage<br />

II. Gesichter des <strong>Leid</strong>ens<br />

III. Theodizee als Schicksalsort der <strong>Gott</strong>esfrage<br />

- Antwortstrategien <strong>und</strong> Lösungsansätze -<br />

IV. „An einen „lieben <strong>Gott</strong>“ kann ich nicht mehr glauben“<br />

- Kinder <strong>und</strong> Jugendliche nehmen die Theodizee-Problematik<br />

wahr -<br />

V. Die Theodizee im Spiegel der Literatur<br />

Wolfgang Borchert „Draußen vor der Tür“<br />

VI. Die Theodizee-Frage im Alten Testament<br />

- Das Buch Ijob -<br />

C I. Dokumentation der methodischen Vorgehensweisen<br />

<strong>und</strong> Arbeitstechniken<br />

II. Persönliche Stellungnahme<br />

Anhang<br />

I. „Ohne meinen Glauben könnte ich dies alles nicht aushalten“<br />

<strong>Im</strong> Gespräch <strong>mit</strong> dem Leiter der Hospizgruppe Buchen, Stefan<br />

Jany<br />

II. „Überall ist <strong>Leid</strong>“<br />

Fotographien von Bittschriften in der Marienkapelle Kloster<br />

Engelberg, Miltenberg<br />

III. „Mein <strong>Gott</strong>, mein <strong>Gott</strong> warum hast du mich verlassen?“<br />

Darstellungen r<strong>und</strong> um das Kloster Engelberg<br />

IV. Denkanstöße<br />

- Zitate -<br />

Literatur- <strong>und</strong> Quellenverzeichnis<br />

Selbständigkeitserklärung<br />

1<br />

20<br />

24<br />

27<br />

30<br />

39<br />

44<br />

52<br />

61<br />

65


Vorwort<br />

„Ich schreie zu dir, <strong>und</strong> du erwiderst mir nicht“<br />

Auf der Suche nach <strong>Gott</strong> in der Finsternis….<br />

Ijob 30, 20


A I. „Wo ist <strong>Gott</strong>? Wo ist er?”<br />

-Selbstverfasste Gedichte <strong>und</strong> Kurzgeschichten-<br />

Als unsere Träume noch Flügel hatten<br />

In der Straßenbahn, in einer Stadt, in der ich die Sprache der Menschen nicht kannte, habe ich nach<br />

mehr als 30 Jahren sein Gesicht gesehen. Er nickte mir zu - falls er ein Wort zur Begrüßung sagte,<br />

hatte ich es in der Distanz überhört. Selbst als sich die Plätze um uns herum leerten, gingen wir nicht<br />

zueinander <strong>und</strong> ich wusste nicht, ob ich je wieder <strong>mit</strong> ihm gesprochen hätte, wenn wir nicht beide an<br />

derselben Station ausgestiegen wären: „Hauptbahnhof“. Draußen, in der Nacht reichte er mir seine<br />

Hand <strong>und</strong> sie fühlte sich fremd <strong>und</strong> beinahe kraftlos an. Ich erschrak, wie alt er aussah, unter dem<br />

gelblichen Licht der Straßenlaterne, wie faltig sein Gesicht <strong>und</strong> wie müde sein Blick geworden war <strong>und</strong><br />

ich fragte mich, ob ich mich ebenso sehr verändert hatte <strong>und</strong> vielleicht auch unbemerkt alt geworden<br />

war.<br />

„Geht es dir gut, Amanda?“ - „Ja“, ich antwortete wie zu einem Fremden, „natürlich“, als hätte ich den<br />

Mann vor mir noch nie umarmt, als hätte ich ihn noch nie geküsst <strong>und</strong> ihm nie gesagt, dass ich ihn<br />

liebte. Wir schwiegen <strong>und</strong> er erinnerte sich vermutlich wie ich an jene St<strong>und</strong>en, Tage, Monate, die<br />

Jahrzehnte zurücklagen, in denen unsere gemeinsame Zukunft greifbar war <strong>und</strong> wir beide noch<br />

glaubten, dass das Leben planbar sei. Damals konnten wir noch nicht ahnen, dass der Boden, der uns<br />

bis dahin getragen hatte, brüchig ist, dass Glück bedeutet, lachen zu können <strong>und</strong> dass Weinen<br />

unbemerkt verhallen kann. Damals hatten unsere Träume noch Flügel <strong>und</strong> wir hatten es noch gewagt,<br />

einen Anspruch auf Liebe, auf Freiheit <strong>und</strong> Glück an das Leben zu stellen. Wir sind bescheiden<br />

geworden, beide vermutlich, anspruchsloser, oder eben weniger utopisch. „Wohin gehst du?“ - „Nach<br />

Hause“, <strong>und</strong> sein zu Hause waren die engen, nüchternen Hotelzimmer in den Großstädten der Welt,<br />

seit Jahren.<br />

Die meinen auch, <strong>und</strong> ich kenne die Lichter fast jeder Stadt in der Dunkelheit <strong>und</strong> habe mich an<br />

beinahe jedem Ort gleichermaßen einsam <strong>und</strong> verloren gefühlt, wenn ich nachts durch die Fenster<br />

blickte <strong>und</strong> seit ich am frühen Abend meine Arbeit verlassen <strong>und</strong> kein Wort mehr gesprochen hatte.<br />

Wir gingen in die selbe Richtung, wir wohnten im selben Hotel, der Mann im langen schwarzen Mantel<br />

neben mir <strong>und</strong> ich, die ich meinen Kragen hochgeschlagen hatte aus Angst, meine Stimme könnte in<br />

der Winterkälte zittern - wir redeten kein Wort, den langen Weg.<br />

Später saßen wir uns gegenüber, er aß noch zu Abend, nachts um viertel nach elf <strong>und</strong> ich wärmte<br />

meine Hände an meiner Teetasse. Vielleicht erschien es uns beiden angenehmer, <strong>mit</strong> jemanden<br />

zusammen zu sitzen, der über Jahrzehnte vom Geliebten zum Fremden gewordenen war, als alleine<br />

über den Dächern der Stadt einzuschlafen; vielleicht war es die einzige Alternative zu dem Gefühl,<br />

von diesem Abend nichts mehr erwarten zu können. Ich wich seinem Blick aus, wenn er mir in die<br />

Augen sehen wollte, <strong>und</strong> ich sah ihn genau an, sobald er seinen Kopf senkte, um von etwas zu essen,<br />

wovon wir beide vermutlich noch nie den Namen gehört hatten. Ja, er war erschreckend alt geworden<br />

<strong>und</strong> plötzlich bekam ich Angst, er könne dasselbe über mich denken, solche Angst, dass ich<br />

versuchte, mein Gesicht im Fensterglas zu erkennen - aber ich sah nur das junge Gesicht eines<br />

Mädchens, das seine Augen erwartungsvoll auf ihrem Gegenüber richtete, mein Gesicht von damals.<br />

„Ich habe gelernt, dass es nicht möglich ist, an <strong>Gott</strong> zu glauben. Mein Resümee aus mehr als 30<br />

Jahren, dass das Leben jedem <strong>Gott</strong>esglauben widerspricht“. Seine Stimme klang leise, aber fest <strong>und</strong><br />

sicher <strong>und</strong> er blickte erst jetzt zu mir auf. „Was hat dein Leben dir <strong>mit</strong>geteilt, Amanda?“ Einige<br />

Momente konnte ich seinem Blick standhalten <strong>und</strong> konnte Enttäuschung <strong>und</strong> Ernüchterung darin<br />

lesen, ähnlich wie früher, als ich erkennen konnte, wenn er sich eine Umarmung wünschte. Seine<br />

Frage hatte mich überfordert, genau wie die Erinnerungen, die plötzlich alle in mir erwachten - aber<br />

ich musste eingestehen, vielmehr noch überfordert hatte mich seine Aussage. Ich schwieg. Ich hatte<br />

Ähnliches erlebt wie er, darüber war ich mir sicher, aber ich wusste in diesem Augenblick nicht, ob<br />

seine Antwort auf das <strong>Leid</strong>en am Leben auch die meinige war.<br />

Kathrin Schölch, 18. Juni 2008


Warte, bis nächsten Sommer<br />

Ihr Zimmer zu betreten, hieß eine Welt zurückzulassen. Eine Welt, die meine Welt war. Sie atmete<br />

gleichmäßig, langsam aber kraftlos <strong>und</strong> hatte die Augen geschlossen. Wenn sie sie öffnen würde,<br />

würde sie das bleiche Weiß der Decke <strong>und</strong> Wände nur daran erinnern, dass sie nicht mehr zu Hause<br />

lag, ihr Zimmer würde ihr nicht einmal verraten, ob es Morgen oder Abend war. Alles war immer<br />

gleich, die zur Hälfte herabgelassenen Rollläden ließen den Raum im Halbdunkeln, die angenehme<br />

Wärme <strong>und</strong> die Sonne der letzten Septembertage waren nach draußen verbannt, nur ein gelblichkünstliches<br />

<strong>und</strong> düsteres Licht neben ihrem Bett bewies, dass sich überhaupt jemand hier aufhielt.<br />

Meine Welt war laut <strong>und</strong> fröhlich <strong>und</strong> hell <strong>und</strong> warm <strong>und</strong> vor allem unbeschwert, die St<strong>und</strong>en flogen<br />

wie Luftballone leicht <strong>und</strong> bunt gegen den Himmel <strong>und</strong> mein Tagebuch war <strong>mit</strong> Goldrand gerahmt.<br />

Ich half in meinen letzten Ferientagen hier aus, ein Altenpflegeheim, das mir viel eher ein<br />

Krankenhaus zu sein schien <strong>und</strong> ich hatte damals nicht gewusst, dass mich die vielen alten<br />

Menschen, für die es keinen Weg aus diesen engen Zimmern geben würde, das blasse Neonlicht der<br />

Flure <strong>und</strong> schweigende Pfleger mich so betroffen machen konnten. An manchen Abenden öffnete ich<br />

für sie das Fenster <strong>und</strong> wollte der alten Frau ein wenig von dem geben, was für mich so<br />

selbstverständlich war <strong>und</strong> die laue Wärme <strong>und</strong> das angenehme Licht der langen Sommerabende<br />

hereinströmen lassen. Kurze Zeit später drehte sie ihren Kopf in Richtung des Fensters, um dem<br />

Gesang der Vögel <strong>und</strong> den Stimmen, die vom Dorf herauf hallten, zu lauschen. „Es ist noch immer<br />

Sommer draußen. Aber es ist nicht mehr mein Sommer. Es gab eine Zeit, da gehörten sie mir, die<br />

langen erdrückend heißen Tage <strong>und</strong> die endlosen Abenden. Es war die Zeit, als eine der Stimmen,<br />

die du jetzt lachen <strong>und</strong> fröhlich durcheinander reden hörst, die meinige war.“ Davon redete sie oft, fast<br />

ausschließlich, wenn sie überhaupt redete: Vergangenheit, Erinnerung, das war die Welt, in der sie<br />

jetzt lebte, eine andere kannte sie vermutlich nicht mehr. Sie sprach ruhig <strong>und</strong> langsam <strong>und</strong> ihre<br />

Stimme brach häufig <strong>mit</strong>ten im Satz vor Erschöpfung in sich zusammen. Ich erfuhr Bruchstücke ihrer<br />

Biographie: Ihren Mann hatte sie noch im Krieg verloren, fünf Kinder alleine erzogen, Armut,<br />

Hilflosigkeit, Entbehrung. Obwohl sie direkt neben mir saß war ihr Schicksal meiner eigenen Erfahrung<br />

so fremd, dass ich sie beinahe aus spürbarer Distanz sprechen hörte. Ich hatte damals nicht<br />

verstanden, wie jemand überhaupt die Kraft haben konnte, in solchen Zeiten weiterleben <strong>und</strong> sich jetzt<br />

noch immer die Wärme des Sommers in sein Zimmer wünschen konnte. Ich begann in jenen Tagen,<br />

die alte Frau, die vor mir krank <strong>und</strong> hilflos <strong>und</strong> schwach in einem Bett lag, das nicht einmal das Ihrige<br />

war <strong>und</strong> die nichts mehr vom Leben zu erwarten hatte, zu bew<strong>und</strong>ern.<br />

Manchmal hatte ich sie leise beten hören, zumindest glaubte ich, dass sie betete, wenn sie<br />

nahezu geräuschlos zu sich selbst sprach. Sie blickte dabei auf das Holzkreuz, das gegenüber<br />

ihrem Bett angebracht worden war - vermutlich das einzige Andenken an ihre Wohnung oder ihr Haus,<br />

das sie <strong>mit</strong> in dieses Zimmer nehmen konnte. „Glauben sie denn an <strong>Gott</strong>?“ Ihre Stimme klang an<br />

jenem Abend ein wenig kräftiger, ihr Händedruck war ein wenig fester <strong>und</strong> ich wagte es daher eine<br />

Frage zu stellen <strong>und</strong> mehr als nur zu zuhören. „Natürlich“, antwortete sie nur <strong>und</strong> nickte, „natürlich“,<br />

<strong>und</strong> ich ahnte in diesem Augenblick zum ersten Mal, dass ihre Selbstverständlichkeit nicht die Meinige<br />

war. „Wieso fragst du, mein Kind?“ Ich wollte andeuten, dass ihr Schicksal allein in meinen Augen<br />

bereits Einwand <strong>und</strong> Widerspruch, oder zumindest Gr<strong>und</strong> zu zweifeln, darstellte. „Nach allem, was Sie<br />

erlebt haben…, ich meine, was Sie mir alles erzählt haben…, ich meine, mir würde es wahrscheinlich<br />

schwer fallen…“ - „Ja, natürlich, du hast Recht. Traurige Zeiten führen den Menschen zu <strong>Gott</strong> <strong>und</strong><br />

Schicksalsschläge zeigen dir den Weg zu ihm. Vielleicht hätte ich nicht einmal zu ihm gef<strong>und</strong>en, wenn<br />

mein Leben anders verlaufen wäre, vielleicht…“, <strong>und</strong> sie verstummte <strong>und</strong> schien nachzudenken, wo<br />

sie heute stehen würde, wenn sie all das nicht erfahren hätte, was ihr Leben hart <strong>und</strong> einsam gemacht<br />

hatte. „Es ist immer jemand da, zu dem du sprechen kannst, auch wenn dir niemand gegenüber sitzt<br />

<strong>und</strong> zuhört. Ich war damals oft alleine <strong>und</strong> habe gezweifelt, ob ich am nächsten Morgen überhaupt<br />

noch aufstehen konnte <strong>und</strong> so für die Kinder da sein, wie ich es gerne wollte <strong>und</strong> mich gefragt, wie<br />

lange ich es noch aushalten würde, niemanden zum Reden zu haben. Dass <strong>Gott</strong> sich niemals<br />

abwandte, hat mir geholfen - ich habe zu ihm gesprochen, zu ihm geweint <strong>und</strong> manchmal auf eine<br />

Antwort gewartet, wie Menschen sie dir geben…“ - „Sie haben in dieser Zeit also, … zu <strong>Gott</strong><br />

gef<strong>und</strong>en? Sie waren nie unsicher, sie haben nie gezögert?“ - „Mein Kind, ich habe <strong>Gott</strong> angeklagt, ich<br />

habe mich von ihm verlassen gefühlt <strong>und</strong> die Verantwortung bei ihm gesucht. Manchmal war es<br />

unglaublich schwer, <strong>Gott</strong> als denjenigen anzunehmen, der <strong>Leid</strong> zulässt <strong>und</strong> es überwindet, der deine<br />

Hilflosigkeit <strong>mit</strong> ansehen <strong>und</strong> zugleich den Namen Beschützer für sich beanspruchen kann.“ - „Genau<br />

dann einzuwilligen - das hätte ich vermutlich nicht geschafft.“ - „Der Krieg hat meinen Mann als Opfer<br />

gefordert, nicht <strong>Gott</strong>, der Krieg hat unsere Familie zerrissen, nicht <strong>Gott</strong>, <strong>und</strong> mir gelehrt, was<br />

Einsamkeit bedeutet. <strong>Gott</strong> abzulehnen, hieße das nicht, die Schuld an den heranzutragen, der<br />

unschuldig ist?“ Ich hatte nicht geantwortet <strong>und</strong> hatte vermutlich auch nichts entgegenzusetzen. Sie<br />

schien sich in Gedanken noch einmal zu vergewissern <strong>und</strong> im Nachhinein noch einmal zu zustimmen.<br />

„Natürlich glaube ich an <strong>Gott</strong>, natürlich.“ Sie flüsterte ihre Einwilligung immer wieder zu sich selbst


oder in den leeren Raum, als hätte ich nicht nur einmal, sondern immer wieder gefragt oder als hätte<br />

sie nichts mehr zu sagen, als ihren Glauben zu bekennen.<br />

Ich habe nie wieder einen Menschen getroffen, der so überzeugt <strong>und</strong> vorbehaltlos im Glauben Halt<br />

finden konnte, wie diese alte kranke Frau, deren Leben die starken Einwände gegen <strong>Gott</strong> in ihre<br />

Hände gelegt hatte. Gerade in diesen Dingen, die meine Argumente gegen den Glauben an <strong>Gott</strong><br />

gewesen waren, hatte sie den Weg zu <strong>Gott</strong> gef<strong>und</strong>en. Ein solches Verständnis war mir bis zu jenem<br />

Abend fremd <strong>und</strong> unbekannt gewesen <strong>und</strong> ich begann damals, die Kluft zwischen meiner kritischprovokativen<br />

Sicht <strong>und</strong> der Lösung, die die Kranke für sich gef<strong>und</strong>en hatte, zu begreifen.<br />

Seit jenem Abend hatte ich nie mehr <strong>mit</strong> ihr darüber gesprochen. Sie öffnete meist nicht einmal mehr<br />

die Augen, wenn ich das Zimmer betrat. Ihre Haut wurde täglich blasser, ihr Blick dunkler <strong>und</strong> ihre<br />

zitternden Hände kraftloser. Dass es mein letzter Tag war, an dem ich hierher kam, wusste sie <strong>und</strong><br />

durch das offene Fenster drängte bereits kühle Luft <strong>und</strong> statt der fröhlichen Stimmen hörte ich die<br />

leisen Regentropfen auf dem Fensterbrett. Die eingefallenen Augen der alten Frau schienen<br />

sehnsuchtsvoll darauf zu warten, dass etwas von der Lebendigkeit, die sie in den letzten Wochen<br />

sehen, fühlen, riechen <strong>und</strong> hören konnte, durch das Fenster in den Raum hinein geflogen kam.<br />

„Warte, bis nächsten Sommer.“<br />

Ich kehrte zurück, im nächsten Sommer, aber ich fand sie nicht mehr dort vor ihrem Fenster. Sie war<br />

gestorben, kurz bevor es Frühling wurde.<br />

Kathrin Schölch, 29. Juni 2008


Mit dem Rücken zur Wand<br />

„Es ist leicht, <strong>Gott</strong> anzuklagen. Der dir nicht widerspricht. Der sich nicht verteidigt. Oh, es ist so<br />

einfach, seinen Vorwurf gegen jemanden auszusprechen, wenn du ihm dabei nicht in die Augen<br />

sehen musst, wenn du ihm nicht gegenüberstehst <strong>und</strong> ihm nicht ins Gesicht schreien kannst. Es ist<br />

beinahe Feige. Würdest du noch immer so reden, wenn er neben dir säße <strong>und</strong> dein Arm den seinen<br />

berührte, so unerbittlich, so radikal. Würdest du dann noch immer die Last der Verantwortung für das<br />

<strong>Leid</strong>en der Welt in seinen Schoß legen? Würdest du noch immer das Wort „Schuld“ auf seinen<br />

Rücken schreiben?“ Er wusste, seine Worte waren hart, im Gr<strong>und</strong> unzumutbar für einen Menschen,<br />

der gerade vor den Trümmern seines Hauses stand in dem er sein Kind verlor, der immer wieder dort,<br />

wo die Türe war bevor sie nieder brannte, nach innen stolperte <strong>und</strong> ein paar Steine zur Seite legte, als<br />

ob er sein Kind noch in der Asche finden könnte oder die Mauern wieder aufbauen. Er wusste es <strong>und</strong><br />

es fiel ihm schwer, so zu sprechen.<br />

„Was wirfst du mir vor?“, seine Stimme zitterte <strong>und</strong> bebte <strong>und</strong> sein Blick suchte verstört nach Halt, in<br />

einer Welt, die gerade um ihn herum zusammen gebrochen war. „Was wirfst du mir vor? Dass ich<br />

frage, wo <strong>Gott</strong> gewesen ist, als das Feuer ausbrach, ob er die Flammen nicht gesehen hat <strong>und</strong> den<br />

Schrei meines Kindes nicht gehört? Ich klage ihn nicht an, als den Verursachenden, als den Urheber<br />

des <strong>Leid</strong>es, ich klage ihn an als den Duldenden, den Zulassenden. Und diese Klage ist berechtigt,<br />

siehst du, diese Klage ist berechtigt.“ Und er warf ein Stück zerbröckelten Beton gegen eine<br />

Glasscheibe, die klirrend zersprang <strong>und</strong> sank auf die Knie, als täte es ihm weh, an dem völlig<br />

niedergebrannten Haus auch nur irgendwas zerstört zu haben. „Richte deinen Vorwurf nicht gegen<br />

<strong>Gott</strong>, richte ihn an den Menschen. Verlangst du, dass <strong>Gott</strong> einsteht für die Fehler der Menschen? Du<br />

hast von Kriegen gesprochen, von Unfällen, von Trauer <strong>und</strong> du stehst vor den Trümmern deines<br />

Hauses, am Grab deines Kindes - sind es nicht die Menschen, die hier versagen? Die Asche unter<br />

unseren Füßen <strong>und</strong> der Rauch den wir hier noch atmen, bezeugen das Scheitern des Menschen -<br />

deine Anklage verhallt, wenn du sie an <strong>Gott</strong> richtest.“ - „Sicher, weil <strong>Gott</strong> schweigt, weil er schweigt,<br />

wenn die Menschen um Hilfe rufen <strong>und</strong> verstummt, wenn sie ihn um dieses Schweigens Willen<br />

anklagen. Müsste <strong>Gott</strong> nicht trotzdem einschreiten? Wenn die Menschen versagen, meine ich, müsste<br />

er doch eingreifen, oder zumindest, wenn Unschuldige die Opfer sind.“<br />

Er sprach nicht weiter für einen Moment, er kapitulierte vor dem, was er forderte. „Die Menschen sind<br />

schrecklich gutgläubig, oder blind, oder hilflos, wenn sie <strong>Gott</strong> loben <strong>und</strong> preisen <strong>und</strong> irgendwann<br />

erwachen <strong>und</strong> einsehen, dass die schützende Hand <strong>Gott</strong>es, die sie in den Kirchen besingen, sie nicht<br />

schützt. Was verlangst du, das ich tue? Dass ich mich je wieder von den verbrannten Schutthaufen,<br />

der meine Existenz ist, aufrichte <strong>und</strong> <strong>Gott</strong> dafür danke, dass ich noch am Leben bleiben durfte, um<br />

mein Kind noch in den Trümmern des Hauses, das ich erbaute, zu suchen? Lausche nach einem<br />

Bekenntnis zu <strong>Gott</strong> in den Krisengebieten der Welt, in den Krankenzimmern oder irgendwo sonst, wo<br />

Menschen leiden - du wirst genau hinhören müssen <strong>und</strong> gerade hier neben dir werde ich schweigen.“<br />

Beide spürten die Kälte die sie plötzlich <strong>mit</strong> dem Hereinbrechen der Dunkelheit umgab <strong>und</strong> ihre Körper<br />

zittern ließen. Beide sehnten sich nach der Geborgenheit <strong>und</strong> der Wärme eines Hauses, genau wie<br />

das, das unter ihnen niedergebrannt war <strong>und</strong> nach der Stimme eines Kindes, die daran erinnert, dass<br />

man glücklich sein kann. „Es fällt mir so schwer, noch an <strong>Gott</strong> zu glauben. Ich stehe <strong>mit</strong> dem Rücken<br />

zur Wand.“<br />

Kathrin Schölch, 03. Juli 2008


Nach<strong>mit</strong>tage auf der Kellertreppe<br />

Er schrieb häufig in jenen Wintertagen. Manchmal ein Vers, manchmal ein Gedicht, manchmal wusste<br />

er nach St<strong>und</strong>en über dem weißen Papier lediglich, worüber er schreiben wollte. Die späten<br />

Nach<strong>mit</strong>tage <strong>und</strong> frühen Abende verbrachte er daher meist auf der Kellertreppe. Über den Stufen lag<br />

ein dichter Teppich <strong>und</strong> hinter der dünnen Wand an der er lehnte, wärmte der Kachelofen aus dem<br />

Wohnzimmer nebenan.<br />

Einen Bogen Papier <strong>und</strong> sein Bleistift - mehr benötigte er nicht über St<strong>und</strong>en hinweg: Gedichte waren<br />

immer vorläufig, deshalb benutzte er keine Tinte. Er erhob sich erst, wenn er seine Frau in der<br />

Wohnung <strong>mit</strong> dem Geschirr klappern hörte, genauer: Wenn er bemerkte, dass sie das Besteck auf die<br />

Teller legte. Meistens war dies auch die Zeit, in der der Raum zu dunkel wurde <strong>und</strong> der schwache<br />

Lichtschein, der durch die Spalte der Tür hinter ihm auf sein weißes Blatt fiel, überanstrengten seine<br />

müden Augen, obgleich er zum Schreiben seine Brille trug. Danach ging er in die Küche <strong>und</strong> setzte<br />

sich zu seiner Frau, <strong>mit</strong> der er nun seit über 50 Jahren zu Abend aß. „Ich war in der Stadt <strong>und</strong> im<br />

Kino…“ oder „Vorhin habe ich unseren Vermieter getroffen <strong>und</strong>…“ oder „Der Weihnachtsschmuck von<br />

Familie…“ - so ähnlich begann seine Frau fast täglich belanglose Gespräche, die erst nach ein paar<br />

Minuten ein wenig an Bedeutung gewannen, wenn sie einander wieder näher gekommen waren, der<br />

Mann, der die St<strong>und</strong>en zuvor schweigend auf der Kellertreppe verbrachte <strong>und</strong> die Frau, die in der<br />

Stadt oder bei Fre<strong>und</strong>en oder beim Einkaufen die Gesellschaft gesucht hatte.<br />

„Ich mag es, wenn du mir Gedichte vorträgst“, meinte sie manchmal, niemand anders könnte Texte so<br />

ruhig <strong>und</strong> betroffen vorlesen.“ Und er lächelte dann zu ihr hinüber <strong>und</strong> schien sich da<strong>mit</strong> zu bedanken<br />

für die seltenen Augenblicke, in denen sie aussprach, dass sie seine Arbeit schätzte oder es auch<br />

wirklich nur dann tat.<br />

„Zu emphatisch“, kommentierte sie, wenn er von Liebe schrieb, oder „zu kalt <strong>und</strong> sachlich“ „Du machst<br />

die Menschen nur traurig“, meinte sie seine dunklen Gedichte <strong>und</strong> „Mitleid ist immer zu wenig“. In<br />

diesen Momenten ging er dazu über, das Essen zu loben <strong>und</strong> die Mühe, die sie dafür aufgewendet<br />

hatte oder erk<strong>und</strong>igte sich tatsächlich nach dem Weihnachtsschmuck von nebenan. Er wusste, dass<br />

sie nur desinteressiert zugehört hatte <strong>und</strong> ihre verbitterten Urteile nur Verlegenheit <strong>und</strong> mangelnden<br />

Literaturverständnis entstammten. Meist waren es eigentlich Belanglosigkeiten, die ihn inspirierten,<br />

aufgr<strong>und</strong> derer er plötzlich den Titel eines Gedichtes vor sich sah, Nebensächlichkeiten, die andere<br />

unbemerkt passierten <strong>und</strong> die in seinem Kopf Gegenstand der Literatur, Ansatzpunkt des<br />

Analysierens <strong>und</strong> Problematisierens wurden.<br />

Einmal in diesem Winter war eine solche Nebensächlichkeit eine Todesanzeige in der<br />

Wochenzeitung, die der neben ihm im Bus Sitzende vor sich nach oben hielt. Er kannte weder den<br />

Verstorbenen, noch die Angehörigen, er las nur den Spruch in der rechten oberen Ecke des schwarz<br />

gerahmten Kastens, oder vielmehr eine Frage: Warum <strong>Gott</strong> einen Menschen wegnehmen, oder es<br />

zulassen konnte, sinngemäß. Der alte Mann ahnte das Gewicht dieser Überlegung. Er hastete durch<br />

die grauen, überfüllten Straßen, Hut <strong>und</strong> Mantel waren bald vom Regen, auch auf der wollenen<br />

Innenseite, durchnässt <strong>und</strong> er setzte sich zu Hause auf die teppichweichen Kellerstufen <strong>und</strong> hielt die<br />

Bleistiftmine über das weiße, leere Blatt.<br />

Er rang nach Worten, er suchte nach Worten, selbst wenn ihm sonst die Sprache versagt blieb,<br />

konnte er ein paar Verse immerhin <strong>mit</strong> „Wortlos“ oder „Ohne Titel“ überschreiben.<br />

An jenem Nach<strong>mit</strong>tag war es anders - „Frage nach <strong>Gott</strong>“, schrieb er, dann „Frage an <strong>Gott</strong>“,<br />

Variationen von Titeln <strong>mit</strong> „Vorwurf“, „Anklage“ usw. Auch nach St<strong>und</strong>en hatte er noch immer den<br />

Eindruck <strong>und</strong> das beängstigende Gefühl, kapitulieren zu müssen. Zum ersten Mal erschien er beim<br />

Klirren des Geschirrs nicht in der Küche <strong>und</strong> erst, als seine Frau mehrere Male seinen Namen rief,<br />

ging er langsam auf den Tisch zu. Er sah ungewohnt alt aus an diesem Abend, merkwürdig erschöpft<br />

<strong>und</strong> trostlos <strong>mit</strong> seinem leeren Papier in den Händen. Sie schwiegen.<br />

„Meine Gedichte geben keine Antwort mehr“, bemerkte er plötzlich, „sie fragen nicht einmal mehr, sie<br />

problematisieren nicht, sie stoßen nicht an, sie schweigen.“ Die Frau gegenüber blickte ihm in die<br />

Augen, irgendwie hilflos, irgendwie überfordert, vermutlich war ihr klar, dass sie an diesem Abend<br />

nicht ihre üblichen nichtssagenden Neuigkeiten preisgeben konnte <strong>und</strong> sie schwieg <strong>und</strong> er schätzte<br />

dieses Schweigen so sehr, dass er ihr zum ersten Mal überhaupt erzählte, worüber er nachdachte <strong>und</strong><br />

schreiben wollte. Sie schwieg noch immer, die ganze Zeit während der Mann redete, manchmal mehr<br />

zu sich selbst Fragen aufwarf, Gedanken einbrachte, Erkenntnisse formulierte <strong>und</strong> zurücknahm.<br />

Nach dem Essen erhoben sich beide, schweigend - sie hatte den Überlegungen ihres Mannes nichts<br />

Eigenes entgegenzusetzen; er war abgewandt <strong>und</strong> vertieft.


Am folgenden Tag schlürfte der alte Mann beim Klappern der Teller in seinen durchgelaufenen<br />

Pantoffeln wieder von der Kellertreppe zum Küchentisch. Er hielt ein Papier in der Hand, beschrieben,<br />

<strong>mit</strong> Tinte. Er reichte es seiner Frau.<br />

„Wovon wir nichts wissen“, war die Überschrift der Verse, die die müden Augen der alten Frau<br />

langsam <strong>und</strong> andächtig lasen. Das Gedicht war ein einziges Eingeständnis menschlichen<br />

Unvermögens. „Mein Gedicht gibt keine Antwort“, bemerkte der Mann. „Das braucht es auch nicht“,<br />

sie sah ihn lange <strong>und</strong> ehrlich an, „das braucht es auch nicht.“<br />

Kathrin Schölch, 17. Juli 2008


Du fehlst mir morgens, wenn ich aufwache<br />

<strong>und</strong> lausche, bis ich deine Schritte<br />

im Nebenzimmer höre;<br />

du fehlst mir die langen, leeren Tage,<br />

an denen ich mich zwingen muss,<br />

zu arbeiten, zu lesen, zu Mittag zu essen,<br />

zuzuhören, zu lachen - ohne dich;<br />

Die Stimme der Trauer<br />

du fehlst mir am Abend,<br />

wenn ich in die stillen, dunklen Räume zurückkomme,<br />

die doch immer so lebendig waren;<br />

du fehlst mir in der Nacht,<br />

selbst wenn ich von den schönsten <strong>und</strong> hellsten St<strong>und</strong>en<br />

des Lebens träume<br />

<strong>und</strong> im Schlaf deinen Namen rufe<br />

- du fehlst mir noch immer so sehr,<br />

dass ich es mir nicht vorstellen kann,<br />

dich nie wieder zu sehen.<br />

Ich verbringe St<strong>und</strong>en am Tag in deinem Zimmer, das noch immer dir gehört <strong>und</strong> an den ich es nicht<br />

wage, etwas zu verändern oder auch nur hochzuheben, aus Angst, es nicht so ablegen zu können,<br />

wie du es zurückgelassen hast. Ich wage nicht, das Fenster zu öffnen, weil ich fürchte, dein Duft<br />

könnte verschwinden.<br />

Deine Kleider auf deinem Bett; Postkarten <strong>und</strong> Grüße von Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Verwandten an der Wand;<br />

Südafrika - dein Traumziel - die Decke, die Schränke, selbst deine Holztüre, überfüllt <strong>mit</strong> Postern <strong>und</strong><br />

Bildern von Orten, an denen du noch nie gewesen bist; dein Buch liegt noch aufgeschlagen auf dem<br />

Tisch, gerade so, als ob du heute Abend darin weiterlesen würdest…<br />

Du bist so nahe <strong>und</strong> wirklich, dass ich mich umdrehe, weil ich glaube, du würdest jeden Moment das<br />

Zimmer betreten. Deine Kleider sind beinahe zerknittert, wie immer, <strong>und</strong> ich überlege, wie ich es dir<br />

nur beibringen soll, Dinge aufzuräumen, bevor mir einfällt, dass ich dich nicht mehr schimpfen kann,<br />

dass ich dich nicht mehr kritisieren kann, nicht mehr anschreien <strong>und</strong> verletzen <strong>und</strong> dass ich auch von<br />

dir nie mehr angeschrien <strong>und</strong> verletzt werden würde. Ich werde dich nie mehr umarmen, nie mehr<br />

trösten, wir werden nie mehr zusammen weinen <strong>und</strong> am Ende wissen, dass doch eigentlich alles gut<br />

ist, solange wir nur zusammen sind, ja, das solange alles gut sein wird.<br />

Lange halte ich es nicht aus, in deinem Zimmer, in dem wir immer zu zweit waren, oder allenfalls du<br />

alleine warst, ich jedenfalls nie, in dem ich nie alleine war. Ich glaube dann zu ersticken, sodass ich<br />

nicht einmal mehr weinen kann, weil du hier drinnen so lebendig bist, dass ich für Sek<strong>und</strong>en vergesse,<br />

dass du genau dies nie mehr sein wirst. Die Menschen sprechen nicht mehr zu mir, sie reden verwirrt,<br />

sinnlos, belanglos an mir vorbei, sie erwähnen nicht einmal deinen Namen. Ich so einsam, so<br />

schrecklich einsam - wie konntest du mich nur so alleine lassen? Verzeihung, ich wollte dir nichts<br />

vorwerfen, ich verstehe nicht mehr, wie ich dir überhaupt jemals irgendetwas vorwerfen konnte…<br />

vielleicht bin ich den anderen auch nur zu schweigsam geworden, ja, vielleicht bin ich zu still<br />

geworden, zu schwierig oder zu traurig, <strong>und</strong> dabei wünsche ich mir doch nur, reden zu können wie<br />

früher, bedeutungslos, nebensächlich; lachen zu können, wie früher <strong>und</strong> den anderen ein Lächeln ins<br />

Gesicht zu zaubern - ich habe begriffen, wie herrlich <strong>und</strong> leicht <strong>und</strong> farbenfroh mein Leben gewesen<br />

ist.<br />

Inzwischen weiß ich nicht mehr, dass es ein Wort wie „Zukunft“ gibt. Ich lebe in der Vergangenheit<br />

<strong>und</strong> in diesem Moment <strong>und</strong> hier verwischen die Grenzen, wenn ich mir sicher bin, dass du mir im<br />

nächsten Moment um den Hals fallen wirst <strong>und</strong> es gleich darauf so schrecklich real ist, dass du nicht<br />

mehr lebst.<br />

Seit wie vielen Tagen nicht mehr, Wochen? Oder sind es erst ein paar St<strong>und</strong>en, seit ich an deinem<br />

Grab stand <strong>und</strong> mich zwingen musste, daran zu denken, dass du es bist über den sie ihre Blumen<br />

werfen <strong>und</strong> den sie <strong>mit</strong> Erde ersticken, dass du es bist, der du doch eben noch geredet, gelacht <strong>und</strong><br />

vor allem mich zum Lachen gebracht hast. Ich glaubte damals wirklich, du würdest zu Hause auf mich


warten, wie immer, wen ich von einer Beerdigung zurückkam, auf die du mich nie begleitet hattest. „Zu<br />

traurig, ich kann es nicht <strong>mit</strong> ansehen“ - waren deine Worte <strong>und</strong> sie waren so verdammt ehrlich <strong>und</strong><br />

offen. Als ich zurückkam, hast du nicht dort gesessen, wie sonst, <strong>und</strong> ich bin durch die Wohnung<br />

gerannt <strong>und</strong> habe dich gesucht <strong>und</strong> deinen Namen in die leeren Zimmer gerufen <strong>und</strong> geweint, wie ich<br />

noch nie zuvor geweint hatte. Und an diesem Tag wurde es dunkel <strong>und</strong> du warst noch immer nicht<br />

wieder zurück, als es Abend wurde, Nacht <strong>und</strong> …<br />

-Abriss-<br />

Kathrin Schölch, 15. Juni 2008


Lass uns die Sterne zählen<br />

Fast immer war es still, wenn er nachts nach Hause kam <strong>und</strong> vorsichtig den Schlüssel umdrehte. Auf<br />

den kalten Fliesen tastete er sich im Dunkeln zur Küche, wo die knarrende Holztüre kein Licht in das<br />

Zimmer ließ, in dem seine Frau seit St<strong>und</strong>en schlief. Vier Scheiben Brot, Milch, Käse stellte sie immer<br />

für ihn bereit - während der Arbeit blieb ihm nie Zeit, zu Abend zu essen. 20 Minuten saß er jede<br />

Nacht alleine in der halbdunklen Küche <strong>und</strong> obwohl ihm die Augen vor Müdigkeit zufielen <strong>und</strong> die<br />

Kälte an seinen Beinen nach oben schlich, fühlte er sich geborgen <strong>und</strong> willkommen. „Hier ist mein<br />

Platz“, dachte er jeden Abend, „genau hier an diesem Tisch“, von dem er danach aufstehen würde<br />

<strong>und</strong> zusehen, wie sich sein kleiner Sohn unter seiner großen warmen Hand schläfrig zu ihm umdrehte,<br />

um dann selbst neben seiner Frau einzuschlafen.<br />

An diesem Tag war die Wohnung nicht völlig dunkel, als er leise die Tür öffnete. Schwaches Licht<br />

entkam aus dem Zimmer seines Kindes <strong>und</strong> er schritt geräuschlos dem Lichtkegel entgegen. Mit dem<br />

Rücken an die Wand neben dem Fenster gelehnt, war der kleine Junge auf seinen angewinkelten<br />

Knien eingeschlafen, die Nachtlampe brannte. Er hatte seine Füße <strong>mit</strong> seinen kurzen Armen umarmt<br />

<strong>und</strong> sein Gesicht dem Licht zugewandt - der friedliche, aber allzu leicht verletzbare Gesichtsausdruck<br />

eines Kleinkindes. „Papa“, flüsterte seine leise Stimme, als er näher kam <strong>und</strong> die Bettdecke nach<br />

oben zog, „ich habe auf dich gewartet, Papa“, <strong>und</strong> es schien ihm fast peinlich darüber eingeschlafen<br />

zu sein. „Lieb von dir“, er redete langsam <strong>und</strong> ruhig <strong>und</strong> möglichst ohne seine Erschöpfung allzu<br />

deutlich werden zu lassen. „Lieb von dir, aber was wolltest du mir denn so spät noch sagen?“ Der<br />

Kleine hob den Kopf <strong>und</strong> schien für einen Augenblick nachzudenken, was denn der Gr<strong>und</strong> dafür<br />

gewesen war, weshalb er seien Vater zum ersten Mal nachts noch antreffen wollte, wenn dieser<br />

heimkam. „Der liebe <strong>Gott</strong> ist nicht mehr lieb, Papa, er hat Tiger überfahren lassen. Dann kann er doch<br />

nicht länger lieb sein, Papa, oder, wenn er <strong>mit</strong> ansehen kann, wie ein kleines Kätzchen überfahren<br />

wird - dann kann er doch nicht mehr lieb sein, oder?“ Trotz seiner Müdigkeit spürte der Mann, dass es<br />

diesmal nicht einfach sein würde, eine Antwort zu geben, er ahnte es zumindest, freilich ohne zu<br />

wissen, wie die Erklärung, die in den nächsten Sek<strong>und</strong>en von ihm erwartet wurde, aussehen würde.<br />

„Weißt du“, setzte er an, „weißt du“, <strong>und</strong> er zögerte <strong>und</strong> überlegte <strong>und</strong> sah in die kleinen,<br />

verschlafenen, traurigen Augen, die sachte verrieten, dass hinter ihnen eine zerbrechliche Welt<br />

gerade einen Riss erlitten hatte <strong>und</strong> plötzlich wusste er genau, was er zu antworten hatte. „Natürlich<br />

ist der liebe <strong>Gott</strong> lieb, er ist immer lieb <strong>und</strong> er ist trotzdem lieb. Er kann nur nicht ständig überall sein<br />

<strong>und</strong> alle im Auge haben. Manchmal - ganz selten allerdings - ist er vielleicht ein klein wenig<br />

überfordert <strong>und</strong> schafft es einfach nicht, jeden Menschen <strong>und</strong> überhaupt jeden Winkel der Erde<br />

gleichzeitig zu beobachten. Er ist ja auch schon alt <strong>und</strong> da fallen ihm manchmal die Augen zu, so wie<br />

dir vorhin die Augen zugefallen sind, obwohl du doch eigentlich auf mich warten wolltest. Das<br />

verstehst du doch, oder? Wie schnell das manchmal geht? Und dann passieren solche Dinge, wie,<br />

dass eine kleine Katze überfahren wird, in diesen Augenblicken - aber sonst ist <strong>Gott</strong> immer<br />

aufmerksam <strong>und</strong> schützend.“ - „Und immer lieb?“ - „Ja, deshalb ist <strong>Gott</strong> trotzdem lieb. Lass uns die<br />

Sterne draußen zählen - du wirst merken, dass es viel zu viele sind. Auf alle die muss <strong>Gott</strong> aufpassen.<br />

Solange du die Sterne nicht zählen kannst, wirst du immer wissen, dass <strong>Gott</strong> lieb ist.“ - Weil er zu viel<br />

zu tun hat, Papa, richtig?“ - „Genau, weil er zu viel zu tun hat!“<br />

Das Kind zog die Decke fest zu sich heran <strong>und</strong> seine kleinen Hände klammerten sich im weichen Stoff<br />

fest. „Papa, ich habe es auch gar nicht so richtig geglaubt, dass der liebe <strong>Gott</strong> nicht lieb sein soll,<br />

meine ich, das habe ich auch gar nicht so richtig geglaubt.“ - „Solange du die Sterne nicht zählen<br />

kannst“, wiederholte er, „kannst du immer sicher sein, dass <strong>Gott</strong> lieb ist.“ Die letzten Worte hatte der<br />

Junge schon nicht mehr gehört.<br />

Er knipste das Licht aus <strong>und</strong> tastete sich im Dunkeln zur Türe <strong>und</strong> ließ zum ersten Mal in dieser Nacht<br />

sein Abendessen unberührt auf dem Küchentisch stehen. Er war müde - schrecklich müde <strong>und</strong><br />

drückte sich erschöpft in das Kissen neben dem Bett seiner Frau. Ihr Atem war langsam <strong>und</strong> ruhig<br />

genau wie der seines Sohnes in diesem Moment im Nebenzimmer sein würde. Und damals fühlte er,<br />

dass er das Richtige gesagt hatte. Ja, für diesen Augenblick war es das Richtige gewesen. Sein<br />

Magen knurrte, aber er schlief sofort ein, obwohl er sonst nie hungrig schlafen konnte.<br />

Kathrin Schölch, 23. Juni 2008


Erinnerung in tiefblau<br />

Ihre Augen getuscht,<br />

ihr Abendkleid über der Bettkante,<br />

in die Stadt hinaus zu hasten, in die Nacht.<br />

<strong>Im</strong> nächsten Sommer: Spätzug, Zwischenstationen,<br />

ein verlassener Ort an der Küste,<br />

wo man das Wort „Horizont“ nicht kennt.<br />

Briefpapier, Füller,<br />

Grüße zu beantworten,<br />

Wiedersehen zu versprechen.<br />

Tanz auf dem Klavier<br />

- Melodien,<br />

die Erinnerung <strong>und</strong> Zukunft vermischen.<br />

Blicke, Gedanken, Worte,<br />

die nach der Gewissheit suchten,<br />

dass das Leben planbar sein wird.<br />

Sie wusste damals,<br />

dass sie sterben musste.<br />

Ich habe auf ihre Träume<br />

„irgendwann, vielleicht“<br />

geantwortet.<br />

Kathrin Schölch, 16. Juli 2008


Zwischen Abschied <strong>und</strong>…<br />

Eine stumme Umarmung<br />

im nasskalten Novembernebel,<br />

Kulisse von Menschen <strong>und</strong> Stimmen.<br />

„10 Tage…“<br />

„Ja!“<br />

Ein Unfall.<br />

10 Tage - ich warte<br />

<strong>und</strong> schreie mein „Ja“<br />

in die Stille, in die Leere,<br />

die du hinterlässt,<br />

in dein Gesicht,<br />

das mir noch immer<br />

so nahe <strong>und</strong> wirklich ist.<br />

Ich schreie mein „Ja“<br />

gegen die Einsamkeit,<br />

<strong>und</strong> weine mein „Ja“<br />

an deinem Grab<br />

<strong>und</strong> flüstere es nachts in dein Kissen.<br />

Nach 10 Tagen<br />

suchte ich dein Lächeln<br />

unter den winkenden Menschen<br />

<strong>und</strong> stand genau dort, wo ich dich verabschiedete,<br />

alleine.<br />

Kathrin Schölch, 17. Juni 2008


Bitten, um Liebe<br />

Von meinem Fenster aus<br />

habe ich ihn gesehen:<br />

<strong>Gott</strong>, der anklopft<br />

an die zerbrechlichen Türen der Armen<br />

<strong>und</strong> um Einlass bittet.<br />

In den Krankenzimmern<br />

habe ich ihn getroffen:<br />

<strong>Gott</strong>, der sich fragt,<br />

wie lange er noch einen Platz<br />

am Bett jedes Einzelnen haben wird.<br />

Wie <strong>Gott</strong> mühevoll darum kämpfen muss,<br />

dass die Trauernden am offenen Grab<br />

ihn nicht in die Erde stoßen<br />

oder seine Stimme sich in ihrer Klage verliert<br />

habe ich beobachtet.<br />

Und dass er den Einsamen<br />

seinen Namen zuflüstert<br />

da<strong>mit</strong> sie sich wieder an ihn erinnern,<br />

an <strong>Gott</strong>, der vom Verzweifelten fordert,<br />

trotz seiner Tränen gesehen zu werden.<br />

Heute trat <strong>Gott</strong> zu mir heran <strong>und</strong> bat,<br />

geliebt zu werden<br />

- ich habe das <strong>Leid</strong>en der Welt gesehen <strong>und</strong> gewusst,<br />

dass <strong>Gott</strong>, bis ich antworte,<br />

geduldig sein muss.<br />

Kathrin Schölch, 02. Juni 2008


Zugleich<br />

Ich habe zum Himmel geblickt<br />

<strong>und</strong> in die Weite gesehen,<br />

in seinem Blau stand Freiheit geschrieben<br />

<strong>und</strong> die Sterne haben zueinander<br />

von Hoffnung gesprochen.<br />

Ich habe zum Himmel geblickt<br />

<strong>und</strong> <strong>mit</strong> ihm tausend Tränen geweint,<br />

er hat sich in Schweigen gehüllt<br />

<strong>und</strong> ich konnte die ziehenden Wolken<br />

nicht festhalten.<br />

Ich glaube an einen <strong>Gott</strong><br />

hinter diesem Himmel<br />

<strong>und</strong> ich schreie in das Grau<br />

dass ich seine Stimme nicht höre.<br />

Kathrin Schölch, 09. Juli 2008


Was offen bleibt<br />

Ich hatte zwei Träume, heute Nacht:<br />

Ich träumte<br />

<strong>Gott</strong> wäre gut<br />

<strong>und</strong> ich träumte,<br />

das Leben wäre schön.<br />

Am Morgen habe ich die Augen geöffnet<br />

<strong>und</strong> gewusst,<br />

dass der zweite Traum<br />

nicht die Wahrheit ist.<br />

Über den ersten Traum<br />

bin ich mir nicht sicher<br />

- ein Leben ist nicht lange genug,<br />

es herauszufinden.<br />

Kathrin Schölch, 05. Juli 2008


Dir eine Welt zu widmen<br />

Ich wollte dir zeigen,<br />

wie man Liebe buchstabiert,<br />

dass Vertrauen das Wort „endlich“ nicht kennt<br />

<strong>und</strong> dass du „Verzeihung“ aussprechen kannst.<br />

Du musst noch wissen,<br />

dass Tränen dir die Luft nehmen können,<br />

dass du lernen wirst, wegzusehen<br />

<strong>und</strong> dass deine Einsamkeit für andere unsichtbar ist.<br />

Ach ja, ich hätte vielleicht noch erwähnen sollen,<br />

dass es die Welt <strong>Gott</strong>es ist,<br />

die ich dir widmen wollte,<br />

dass du an ihn glauben kannst<br />

<strong>und</strong> zugleich an ihm zweifeln wirst.<br />

Ja, das hätte ich noch erwähnen sollen,<br />

dass diese Welt die Welt <strong>Gott</strong>es ist.<br />

Kathrin Schölch, 27. Juni 2008


Die Stimme der Engel<br />

Schenkt den Menschen Flügel<br />

-sie sollen für einen Moment sehen,<br />

dass <strong>Gott</strong> sie liebt.<br />

Kathrin Schölch, 27. Juni 2008


Anmerkung<br />

Notiz eines Anonymen:<br />

dass wohl in einem meiner Gedichte<br />

zwei Worte in einer Zeile stünden,<br />

die nicht nebeneinander denkbar wären:<br />

<strong>Gott</strong> <strong>und</strong> Liebe<br />

- merkwürdig<br />

ich hatte bisher geglaubt,<br />

sie seien austauschbar.<br />

Kathrin Schölch, 14. Juli 2008


Verblasst<br />

Ich wollte eine Welt malen,<br />

eine Wahrheit…<br />

In die Anony<strong>mit</strong>ät der Menschen,<br />

in die leeren Straßen<br />

<strong>und</strong> den trostlos grauen Himmel<br />

habe ich auf die noch feuchten Farben<br />

das Wort „<strong>Gott</strong>“ geschrieben.<br />

St<strong>und</strong>en später,<br />

konnte ich die weißen Buchstaben<br />

nicht mehr erkennen,<br />

auf dem düsteren Gr<strong>und</strong>.<br />

Kathrin Schölch, 06. Juli 2008


Annonce<br />

Ich biete Schweigen <strong>und</strong> Stille<br />

im Tausch gegen<br />

Lärm <strong>und</strong> Lebendigkeit<br />

<strong>und</strong> tausend Tränen<br />

gegen ein Lächeln.<br />

Die Fähigkeit, wegzusehen<br />

<strong>und</strong> zu vergessen<br />

würde ich gerne besitzen<br />

<strong>und</strong> die Kunst des Verdrängens.<br />

Stattdessen<br />

vergebe ich willig<br />

Mitleid, Betroffenheit<br />

kostenlos<br />

Lieben statt leiden,<br />

hoffen statt warten<br />

- die Worte sind gleichlang<br />

ein Tausch wäre fair<br />

<strong>und</strong> beiläufig dürfte jeder<br />

ein paar Silben meiner Einsamkeit<br />

<strong>mit</strong> fortnehmen.<br />

Vielleicht<br />

würde ich so meinen Glauben in <strong>Gott</strong><br />

zurückgewinnen<br />

oder zumindest<br />

den ununterbrochenen Anstoß zu zweifeln<br />

verlieren.<br />

Kathrin Schölch, 11. Juni 2008


A II. Künstlerische Annäherung<br />

-Bilder <strong>und</strong> Zeichnung <strong>mit</strong> meditativen Gedanken-<br />

Gedanken zur Zeichnung „Verlassen“<br />

Ein leeres Zimmer<br />

kahle Wände - nackter, kalter Boden<br />

- kein Zuhause mehr-<br />

In der finsteren Ecke<br />

zusammengekauert <strong>und</strong> elend<br />

ein alter Mann<br />

Gleich dem Zimmer - nackt <strong>und</strong> kahl -<br />

Seine müden Augen<br />

stellen bohrende Fragen<br />

schreien lautlos verzweifelte Klagen<br />

Wo bist du, <strong>Gott</strong>?<br />

Fremder <strong>Gott</strong>, wo hast du dich verborgen?<br />

Erkläre dich!<br />

Beende dein schmerzhaftes Schweigen!<br />

Ich will dir meine Not vor die Füße werfen.<br />

Warum lässt du das alles zu?<br />

Was soll deine Willkür, dein Unrecht?<br />

-Sieh, was aus mir geworden ist-<br />

Ich dachte, du wärst anders<br />

Doch auch du lässt mich allein<br />

Allein?<br />

Kathrin Schölch, 13. Juni 2008


B I. „theon dikein“-<strong>Gott</strong> rechtfertigen – Die Theodizee-Frage<br />

Sie lässt Gläubige, <strong>Leid</strong>ende, Theologen stutzen, zweifeln, verbittert um eine Auflösung ringen oder<br />

an ihr scheitern: 1697 prägt <strong>Gott</strong>fried Wilhelm Leibnitz für eine christliche Gr<strong>und</strong>problematik den<br />

Begriff der Theodizee 1 , bezugnehmend auf eine Kernfrage/Fragestellung, die schon viel älter ist, jene<br />

nach der Vereinbarkeit von <strong>Leid</strong> <strong>und</strong> Übel in der Welt <strong>mit</strong> dem Glauben an einen liebenden <strong>Gott</strong>.<br />

Demnach liegt der Theodizee-Problematik eine innere Widersprüchlichkeit zweier Aussagen<br />

zugr<strong>und</strong>e:<br />

1. die Erfahrung entsetzlichen Unheils<br />

2. die Annahme der Allgüte <strong>und</strong> Allmacht <strong>Gott</strong>es,<br />

woraus hervorgeht, dass nicht das Nebeneinanderbestehen von irdischem <strong>Leid</strong> <strong>und</strong> der Existenz<br />

eines <strong>Gott</strong>es die besagte Antithetik hervorruft, sondern vielmehr die speziellen Attribute <strong>und</strong><br />

Wesenszüge, die der christliche Glaube in <strong>Gott</strong> annimmt. Erst wenn <strong>Gott</strong> Allgüte <strong>und</strong> Allmacht als<br />

dessen Eigenschaften zugesprochen werden, erst wenn von dem spezifisch christlichen <strong>Gott</strong>esbild<br />

eines liebenden <strong>und</strong> guten <strong>Gott</strong>es ausgegangen wird, scheinen beide Aussagen der Unvereinbarkeit<br />

ausgesetzt.<br />

Dabei wagt es die Theodizee, diesen Bruch einzugestehen, zunächst (im Gegensatz zu<br />

verschiedenen Antwortstrategien) keine der beiden Komponenten zu relativieren, abzuschwächen<br />

oder gar zu leugnen <strong>und</strong> ganz ohne die Problematik als bloßen Scheinwiderspruch abzutun.<br />

Wie kann der Mensch daher „ja-sagen zur Welt <strong>und</strong> zu <strong>Gott</strong>“ 2 ? Die Theodizee fordert dabei heraus,<br />

<strong>mit</strong> <strong>und</strong> um <strong>Gott</strong> zu ringen, ihn den leidvollen Strukturen der Welt abzuringen; aus der Theodizee<br />

heraus erwachsen Zweifel, gerät der <strong>Gott</strong>glaube ins Wanken, gerade da aus der<br />

Erfahrungswirklichkeit heraus <strong>Leid</strong> real <strong>und</strong> „unbedingt“ besteht, d.h. der ersten Aussage nur schwer<br />

ein Abbruchgeben oder sie eingeschränkt werden kann.<br />

Ist <strong>Gott</strong> daher gerecht? Ist er allmächtig? Existiert er überhaupt? Die Theodizee-Problematik profiliert<br />

sich als „Schicksal der <strong>Gott</strong>esrede“ 3 , da <strong>Leid</strong> als existentiell stärksten Einwand den <strong>Gott</strong>esglauben in<br />

Frage stellt oder sich gar als schwerstes Argument für dessen Ablehnung herauskristallisiert:<br />

Die Theodizee zwingt nahezu, anzuzweifeln, unsicher zu werden, zu schwanken, fordert den<br />

Menschen heraus <strong>und</strong> irritiert oder erlaubt scheinbar gar eine logisch aufgebaute<br />

Argumentation/Untermauerung, <strong>Gott</strong> (dessen Existenz oder auch wesentliche Gr<strong>und</strong>züge) zu leugnen,<br />

zu negieren, zu verweigern - ein Muster, welches im Folgenden völlig unvoreingenommen betrachtet<br />

<strong>und</strong> auf dessen Stichhaltigkeit hin untersucht werden soll. Zumindest <strong>und</strong> in jedem Fall aber stimmt<br />

sie nachdenklich <strong>und</strong> trägt selbst an den unbeirrt Glaubenden die Aufgabe heran, seinen<br />

<strong>Gott</strong>esglauben neu zu definieren, zu überdenken oder schließlich zu festigen, will er ihn nicht in<br />

Widersprüchlichkeit <strong>und</strong> Zwiespalt verlieren. Aus diesem <strong>Im</strong>puls heraus oder allein aufgr<strong>und</strong> der<br />

Herausforderung, die die Theodizee-Frage stellt, wird unerschöpflich versucht, diese „uralte<br />

Menschheitsfrage“ zu beantworten, aufzulösen, ihren inneren Bruch aufzuheben, Gr<strong>und</strong> genug, einen<br />

Blick auf die lange Tradition differenzierter Antwortstrategien zu werfen.<br />

Gerade da diese Streitfrage letztlich zumindest nach kritisch begründeter Auseinandersetzung <strong>und</strong><br />

f<strong>und</strong>ierter Reflexion verlangt, erscheint eine präzise Definition <strong>und</strong> Abgrenzung ihres Charakters<br />

unerlässlich, wobei allein schon die etymologische Untersuchung des Theodizee-Begriffes Aufschluss<br />

über Gr<strong>und</strong>züge der Problematik liefert, sowie Anstoß- <strong>und</strong> Anknüpfungspunkt für weitere<br />

Präzisierung darstellt.<br />

Als Begriff, Ende des 17. Jhd. von <strong>Gott</strong>fried Wilhelm Leibnitz (1646 - 1716), einem deutschen<br />

Philosophen, der selbst zahlreiche theoretische Abhandlungen bezüglich dieser Streitfrage vorlegt <strong>und</strong><br />

so ihr Wesen entscheidend (<strong>mit</strong>)prägt, eingeführt, leitet sich „Theodizee“ von den beiden Worten<br />

griechischen Ursprungs ab: „theon dikein“, was bedeutet „<strong>Gott</strong> rechtfertigen“ 4 . In seiner klassisch<br />

gewordenen Definition bezeichnet die Theodizee nach Leibnitz’ Verfahren, also die aus der<br />

„apologetischen Perspektive“ 5 herausgeführte Rechtfertigung <strong>Gott</strong>es angesichts des <strong>Leid</strong>ens <strong>und</strong> der<br />

Unvollkommenheit der Welt - eine theoretisch-abstrakt anklingende Vorgehensweise, die derart<br />

1<br />

Griech. Rechtfertigung <strong>Gott</strong>es hinsichtlich des von ihm in der Welt zugelassenen Übels.<br />

2<br />

„<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 74<br />

3<br />

Ebd. S. 72<br />

4<br />

„Warum lässt uns <strong>Gott</strong>es Liebe leiden“, G. Greshake, S. 37<br />

5 Ebd S. 45


unkommentiert in den Raum geworfen, weiterer Erläuterung <strong>und</strong> Analyse bedarf. Es gilt also, <strong>Gott</strong> zu<br />

rechtfertigen, d.h. zu verteidigen oder gar zu entlasten von dem an ihn herangetragenen Vorwurf, für<br />

irdisches <strong>Leid</strong>en verantwortlich zu sein, sei es in der aktiven Form als Urheber oder in der passiven<br />

des Zulassens <strong>und</strong> Nicht-Verhinderns. Auch ohne theologisches Hintergr<strong>und</strong>wissen <strong>und</strong> ganz ohne<br />

auf theologische Argumentationsstrukturen zurückzugreifen zu müssen, wird schnell klar, dass dieses<br />

Vorhaben „aneckt“, unbefriedigt lässt, <strong>und</strong> nicht völlig unproblematisch zu sein scheint:<br />

Wem obliegt es überhaupt, Anklage gegen <strong>Gott</strong> zu erheben?<br />

Ist es nicht eine Anmaßung, <strong>Gott</strong> verständlich machen zu wollen <strong>und</strong> seine Wege zu begründen?<br />

Und schließlich der jahrh<strong>und</strong>erte alte Vorwurf, der die Theodizee-Frage seit ihrer derartigen Definition<br />

zu begleiten scheint: Ist es überhaupt möglich oder vielmehr noch: Sind wir dazu legitimiert, <strong>Gott</strong> „vor<br />

dem Gerichtshof der menschlichen Vernunft“ zu rechtfertigen?<br />

Würde dies in letzter Konsequenz bedeuten, <strong>Gott</strong> in die begrenzten Strukturen der menschlichen<br />

Vernunft zu zwängen <strong>und</strong> seine Transzendenz aufzuheben, zu leugnen? Zwischen Anmaßung <strong>und</strong><br />

menschlicher Hybris auf der einen <strong>und</strong> der Überzeugung, es handle sich um ein für den Menschen<br />

durchaus berechtigtes Vorhaben, auf der anderen Seite steht das Ziel, welches eine derartige<br />

Beschäftigung <strong>mit</strong> der Theodizee-Frage zumindest im Ansatz doch zu legitimieren scheint: die<br />

Vergewisserung über seinen Glauben <strong>und</strong> über <strong>Gott</strong>, Auflösung (wirklicher oder nur scheinbarer)<br />

Glaubenswidersprüche <strong>und</strong> die Bewältigung von <strong>Leid</strong> <strong>und</strong> Sinnlosigkeit. Auf diese Weise konkretisiert<br />

<strong>und</strong> ausgelegt wird deutlich, dass wir bereits, wenn wir die scheinbar einfache Frage: „Warum lässt<br />

der liebe <strong>Gott</strong> uns leiden?“ stellen, die Theodizee-Problematik anschneiden. Sobald <strong>Leid</strong> nicht als<br />

selbstverständlich hingenommen, sondern - unter christlichen Gesichtspunkten - problematisiert wird,<br />

wird <strong>und</strong> wurde die Theodizee zur Unumgänglichkeit - angefangen von Ijob, der bereits im Alten<br />

Testament <strong>mit</strong> <strong>Gott</strong> ringt, bis in die jüngste Zeit, in der exemplarisch von Hans Jonas versucht wird,<br />

sich angesichts des „<strong>Gott</strong>esbegriffs nach Ausschwitz“ 6 neu im Glauben zu vergewissern. Gerade weil<br />

Menschen die Theodizee-Problematik so leicht berührt <strong>und</strong> diese so sehr betroffen macht kann sich<br />

eine tiefere Einsicht als aufrichtend oder zumindest lehrreich erweisen, weshalb im Folgenden eine<br />

möglichst variierte Annäherung geschaffen werden soll.<br />

Um schließlich nach diesem Umweg bezüglich der Legitimation des klassisch definierten Theodizee-<br />

Problems auf den konkreten historischen Ausgangspunkt zurückzukehren: Den Theodizee-Begriff<br />

entscheidend prägend, kommt Leibnitz in seinem Werk „Essais de Theodicée sur la bonté de Dieu, la<br />

liberté de l’homme et l’origine du mal“ zu der Einsicht, dass diese Welt „die beste aller möglichen<br />

Welten“ sei <strong>und</strong> daher das „Böse in der Welt nicht der Allmacht <strong>und</strong> Güte <strong>Gott</strong>es widerspreche“ 7 ,<br />

nachdem bereits seit Platon eine Traditionslinie zur Annäherung an diese Gr<strong>und</strong>problematik<br />

erkennbar ist, wenn beispielsweise bereits Boethius (490 - 524) im 5. Jh. n. Chr. die Frage aufwirft: „Si<br />

quidem deus est, <strong>und</strong>e male? Bona vera <strong>und</strong>e, si non est?“ (wenn <strong>Gott</strong> ist, woher das Böse? Woher<br />

aber das Gute, wenn er nicht ist?” 8 ). Die Überlegungen des vorchristlichen Philosophen Epikur 9 (341 –<br />

270 v. Chr.), später eingegangen in die christliche Theologie des Laktanz, konstituieren sich als<br />

nahezu gr<strong>und</strong>legende programmatische Abfassungen zur Theodizee-Frage, sodass nicht<br />

ungerechtfertigt auf folgende Zeilen als die klassische Formulierung der Aporien, in die die Theodizee<br />

führt, Bezug genommen wird“ 10 .<br />

Ohne dass dieser näher bzw. endgültig definiert <strong>und</strong> präzisiert wäre, stoßen sich Menschen, stößt sich<br />

die menschliche Vernunft seit Alters her am Zwiespalt zwischen einer Welt, welche sie als leidvoll<br />

erfahren, <strong>und</strong> ihrem <strong>Gott</strong>glauben, welcher <strong>mit</strong> ihrer unbestreitbaren Erfahrungswirklichkeit absolut<br />

nicht vereinbar zu sein scheint. Erst der Königsberger Philosoph <strong>Im</strong>manuel Kant wagt in Anlehnung<br />

<strong>und</strong> Tradition des etymologischen Begriffsursprungs eine umfassende, präzisierende Definition der<br />

Theodizee: „Unter einer Theodizee versteht man die Verteidigung der höchsten Weisheit des<br />

Welturhebers gegen die Anklage, welche die Vernunft aus dem Zweckwidrigen in der Welt gegen<br />

jenen erhebt. Man nennt dieses die Sache <strong>Gott</strong>es verfechten…“ 11 , wie Kant in seiner Abhandlung<br />

„Über das Misslingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee“ ausführt.<br />

Auch <strong>Im</strong>manuel Kant ermutigt folglich zu einer Abhandlung der Theodizee-Problematik aus rein<br />

apologetischer Perspektive, das heißt <strong>mit</strong> dem Ziel, <strong>Gott</strong> zu rechtfertigen <strong>und</strong> zu verteidigen <strong>und</strong><br />

dessen „höchste Weisheit“ den leidvollen/ unheilvollen Strukturen dieser Welt abzuringen, dabei in<br />

keinem Falle auf der Stufe einer Anklage an <strong>Gott</strong> verharrend. Kant thematisiere, so M. Böhnke in<br />

6<br />

„Warum lässt uns <strong>Gott</strong>es Liebe leiden“, G. Greshake, S. 62<br />

7<br />

„<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 73<br />

8<br />

Ebd. S. 73<br />

9<br />

griech. Philosoph, Begründer des Epikureismus<br />

10<br />

„<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 74<br />

11<br />

„Warum lässt uns <strong>Gott</strong>es Liebe leiden“, G. Greshake, S. 37


seinem Beitrag zum Theodizee-Problem, „die Theodizee in einem theologischen Horizont“ 12 , innerhalb<br />

dessen Böhnke sich <strong>mit</strong> dem Ausdruck des Zweckwidrigen auf das Böse <strong>und</strong> das Übel beziehe.<br />

B II. Gesichter des <strong>Leid</strong>ens<br />

Sicherlich bietet eine theoretische Abhandlung des <strong>Leid</strong>s zumindest genügend Angriffsfläche, um<br />

umstritten zu sein.<br />

Natürlich wird an sie die Anschuldigung herangetragen werden, „dem <strong>Leid</strong>enden etwa so viel<br />

zugeben, wie dem Hungernden <strong>und</strong> Durstenden einer Vorlesung über Lebens<strong>mit</strong>telchemie“ 13 - <strong>und</strong><br />

jegliche rein geistige Annäherung muss sich entweder gegen diese Art der Anklage zur Wehr setzen<br />

<strong>und</strong> ihre Sinnhaftigkeit verteidigen oder aber schweigend die moralisch-ethische Problematik dieses<br />

Vorhabens eingestehen.<br />

Hierzu eine kurze Legitimierung des folgenden Abschnitts, dazu dass er überhaupt abgefasst wurde<br />

<strong>und</strong> nicht einmal am Ende aus dem Gesamten verbannt: Jedes, womöglich schrittweise,<br />

Bewusstwerden erfordert Reflexion, setzt eine gedankliche Beschäftigung voraus, um letztlich erst zur<br />

vollen Einsicht zu gelangen, um etwas bewusst zu begreifen <strong>und</strong> dessen unbedingte Realität zu<br />

erfassen. Vielleicht kann diese theoretische Bestandsaufnahme der Gesichter des <strong>Leid</strong>ens ein wenig<br />

besser in diesem Sinne verstanden werden, als Reflexion, als Nachdenken über die Gesichter des<br />

<strong>Leid</strong>s, die in keiner Weise versucht, <strong>Leid</strong> <strong>und</strong> Schmerz zu „abstrahieren“, das heißt es abstrakt <strong>und</strong><br />

unwirklich erscheinen zu lassen, es zu systematisieren oder in Kategorien zu zwängen, die den<br />

Eindruck erwecken, <strong>Leid</strong> sei beherrschbar <strong>und</strong> an den Maßstäben dessen, was Menschen rational<br />

erfassen <strong>und</strong> katalogisieren, um es „handhaben“ zu können, messbar. Ein derartiges Wagnis, wäre es<br />

nicht Schmach <strong>und</strong> Beleidigung für jeden vom <strong>Leid</strong> Getroffenen, für den seine Verzweiflung, sein<br />

Schmerz so entsetzlich real, so wirklich ist, dass er eine „Theoretisierung des <strong>Leid</strong>ens“ nicht einmal<br />

erahnen kann?<br />

An dieser Stelle soll zudem auf das Gesamte verwiesen werden, auf die Theodizee-Problematik, <strong>mit</strong><br />

der auch dieser Abschnitt überschrieben ist: Eine Auseinandersetzung <strong>mit</strong> der Theodizee-Frage muss<br />

zwangsläufig immer geistig <strong>und</strong> abstrakt erfolgen (übrigens Gr<strong>und</strong> genug für viele, die Sinnhaftigkeit<br />

dieses Vorhabens gr<strong>und</strong>sätzlich anzuzweifeln oder gar zu negieren, was daher untersucht werden<br />

soll).<br />

Deshalb wird auch eine theoretische Betrachtung des <strong>Leid</strong>s gewissermaßen zur Notwendigkeit - auch<br />

diese wieder gewagt unter dem Vorzeichen des Sich-Bewusst-Werdens, aber eindeutig <strong>mit</strong> dem Ziel<br />

einer begründend/f<strong>und</strong>ierten <strong>und</strong> verantworteten Reflexion der Theodizee-Problematik. Zweifellos<br />

kann sich geistiges Nachsinnen nicht engagieren, sich nur begrenzt solidarisch erweisen, sodass<br />

Kardinal Lehmann gar anklagend von „abstraktem Mitleid“ 14 spricht - aber eine Überlegung kann zum<br />

Ausgangspunkt wirklichen Mit-<strong>Leid</strong>ens oder auch aktiven Engagements/Einsatzes werden, zumindest<br />

aber zu einem umfassenderen Nachsinnen über die Theodizee beitragen. Auf diese Weise seien die<br />

folgenden Zeilen möglicherweise ein wenig gerechtfertigt <strong>und</strong> legitimiert, in diesem Lichte sei ihnen<br />

ihre Sinnhaftigkeit zugesprochen.<br />

12 „<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 74<br />

13 „Warum lässt uns <strong>Gott</strong>es Liebe leiden“, G. Greshake, (H. Küng) S. 20<br />

14 Ebd. S. 21


Zunächst soll eine scheinbar einfache Frage<br />

vorangestellt werden: „Was ist eigentlich <strong>Leid</strong>? -<br />

Was bedeutet es zu leiden?“<br />

Krankheiten, Trauer, Einsamkeit, Hunger oder<br />

Gewalt - an die Ketten der Beispiele, der<br />

un<strong>mit</strong>telbaren Erfahrungswelt der Menschen<br />

entnommen, ließen sich beliebig weitere Glieder<br />

anfügen <strong>und</strong> dennoch niemals alle Facetten des<br />

<strong>Leid</strong>ens erfassen. Nicht nur aus diesem Gr<strong>und</strong><br />

bliebe eine Aneinanderreihung der<br />

verschiedenen Arten, in denen das <strong>Leid</strong> im<br />

Menschen weint, unbefriedigend, verlangt die<br />

Frage nach dem <strong>Leid</strong> doch ebenso oder vielmehr<br />

eine Erfassung des Gr<strong>und</strong>charakters von <strong>Leid</strong>,<br />

will wissen, was den Menschen überhaupt zu<br />

einem leidfähigen Wesen macht <strong>und</strong> erk<strong>und</strong>igt<br />

sich, nicht zuletzt, nach den so verschiedenen<br />

Ausdrucksformen des <strong>Leid</strong>ens. „Ein Übel ist das,<br />

was schadet“ 15 , könnte der Kirchenlehrer<br />

Augustinus zitiert werden.<br />

Und M. Böhme fügt in seinem Beitrag „Die Theodizee-Frage“ hinzu: „Von <strong>Leid</strong> kann erst dort sinnvoll<br />

gesprochen werden, wo die Natur auf ein empfindsames <strong>und</strong> leidfähiges Lebewesen trifft“ 16 , was<br />

bedeutet, dass an dieser Stelle <strong>Leid</strong>en nicht als gegeben existierend angenommen wird, sondern der<br />

Akzent von der Frage noch dem Charakter des <strong>Leid</strong>ens verschoben wird hin zu den Vorbedingungen,<br />

welche die Fähigkeit zu leiden überhaupt erst ermöglichen. Innerhalb dieses Zusammenhangs wird<br />

deutlich, dass, sobald, von <strong>Leid</strong> des Menschen gesprochen wird, dieser als ein schmerzempfindliches<br />

<strong>und</strong> leidfähiges Wesen vorausgesetzt wird, das heißt, dass der Mensch über die biologische<br />

Fähigkeit, leiden zu können, überhaupt verfügt. Jegliche biologischen, psychologischen oder<br />

soziologischen Bedingungen, die den Menschen erst angreifbar <strong>und</strong> sensibel machen, seien an dieser<br />

Stelle gerecht-<br />

fertigt zu vernachlässigen, betont sei lediglich die <strong>Leid</strong>fähigkeit des Menschen in vielerlei Hinsicht.<br />

Erst aus dieser heraus kann <strong>Leid</strong> überhaupt erfahren werden, im weitesten Sinne differenzierbar<br />

zwischen<br />

− physischen <strong>Leid</strong> (Schmerz <strong>und</strong> Mangelempfindungen) <strong>und</strong><br />

− psychischen <strong>Leid</strong> (Angst, Trauer, Verzweiflung, Sinnlosigkeit)<br />

Nach ganz anderen Kriterien kategorisiert H. Kessler, wenn er jegliches Übel nicht nach dem „Ort“ der<br />

Betroffenheit für den Menschen, sondern rein nach ihren Ursachen <strong>und</strong> Entstehungsfaktoren in fünf<br />

Gruppierungen strukturiert 17 :<br />

1. „Malum physicum“, das natürliche Übel, das aus den vorgegeben, nicht vom Menschen<br />

herbeigeführten Strukturen der Wirklichkeit, theologisch gesprochen, „von der Schöpfung<br />

her“ 18 entgegentritt (Naturkatastrophen, Krankheiten, usw., existierend <strong>und</strong> nicht menschlich<br />

verursacht). Bereits an dieser Stelle sei die Frage vorweggenommen, ob diese Form des<br />

<strong>Leid</strong>ens gerade im Rahmen der Theodizee, im Hinblick auf die Rechtsprechung <strong>Gott</strong>es,<br />

erheblich größere Schwierigkeiten bereitet als die folgende Art von <strong>Leid</strong>.<br />

2. „Malum morale“, das moralische Übel, das heißt das vom Menschen schuldhaft gesetzte,<br />

sittlich Schlechte oder Böse (Krieg, Gewalt, Unrecht).<br />

3. Malum metaphysicum“, das metaphysische Übel, sich auf die menschliche Begrenztheit in all<br />

ihren Ausdrucksformen beziehend: Endlichkeit, Irrtumsfähigkeit, Fehlbarkeit, Vergänglichkeit<br />

oder Sterblichkeit.<br />

15<br />

„<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 70<br />

16<br />

Ebd. S. 69<br />

17<br />

Ebd. S. 70<br />

18<br />

„Warum lässt uns <strong>Gott</strong>es Liebe leiden“, G. Greshake, S. 36<br />

Käthe Kollwitz, „Kind im Arm des Todes“


Käthe Kollwitz, „Eltern am Grab“<br />

4. „Strukturelles Übel“, welches durch<br />

(gesellschaftliche, rechtliche, politische,<br />

wirtschaftliche, ideologische) Strukturen<br />

bedingt ist, die von Menschen<br />

geschaffen sind, aber die sich ihnen<br />

gegenüber verselbstständigt haben.<br />

5. „Theologisches Übel“, - das<br />

Abgeschnitten <strong>und</strong> Getrenntsein von<br />

<strong>Gott</strong>, dem wahren Lebensgr<strong>und</strong>, eine<br />

Kategorie, die aus dem Standpunkt des<br />

Glaubens heraus hinzugefügt wurde.<br />

Eine solche wissenschaftliche Klassifizierung kann sichtlich nur von jenen vorgenommen werden, die<br />

von keiner Form des <strong>Leid</strong>ens un<strong>mit</strong>telbar betroffen sind, eine derartige strukturelle Analyse setzt eine<br />

gewisse Distanz voraus. Allein aus jenem Standpunkt heraus kann <strong>Leid</strong> nüchtern <strong>und</strong> unbeteiligt<br />

problematisiert werden - un<strong>mit</strong>telbares Mitansehen verlangt Solidarität <strong>und</strong> aktives Engagement;<br />

un<strong>mit</strong>telbares Betroffensein lässt keinerlei Theoretisieren der entsetzlich nahen unheilvollen<br />

Lebenswirklichkeit zu. Eine derartig rationale Erfassung des <strong>Leid</strong>s kann schmerzliche Einzelschicksale<br />

lediglich in Umrissen erahnen, in keinem Falle jedoch nachempfinden lassen oder verstehbar machen.


B III. Theodizee als „Schicksalsort der <strong>Gott</strong>esfrage“<br />

-Antwortstrategien <strong>und</strong> Lösungsansätze-<br />

Die Unvereinbarkeit zwischen menschlicher <strong>Leid</strong>erfahrung <strong>und</strong> der Existenz eines guten <strong>und</strong><br />

allmächtigen <strong>Gott</strong>es ist aufgehoben; die Widersprüchlichkeit im Nebeneinanderbestehen beider<br />

Aussagen aufgelöst, ohne dass einer der beiden Komponenten im Ansatz einen Abbruch getan oder<br />

gar geleugnet wurde <strong>und</strong> ohne den Zwiespalt zu akzeptieren. In letzter Konsequenz kann sich der<br />

Gläubige seines Glaubens vergewissern <strong>und</strong> ihn bestärken, muss er ihn doch nicht länger inneren<br />

Widersprüchen aussetzen.<br />

Eine solche Annahme <strong>und</strong> Hoffnung für den, der die Auseinandersetzung <strong>mit</strong> der Theodizee-Frage<br />

wagt, wird sich als Illusion erweisen. Seit Jahrh<strong>und</strong>erten bleibt die Theodizee als letztlich ungelöste<br />

Problematik, als noch immer offene Frage bestehen, lässt Theologen <strong>und</strong> Gläubige sich noch immer<br />

an ihr w<strong>und</strong> reiben oder völlig scheitern <strong>und</strong> mutet Christen weiterhin die Unausweichlichkeit einer im<br />

Keim unlösbaren gr<strong>und</strong>legenden Glaubensfragen zu.<br />

Allen bisher entwickelten Antwortstrategien - von <strong>Im</strong>manuel Kant, der die Begrenzung der Vernunft<br />

durch die Metaphysik in den Mittelpunkt rückt <strong>und</strong> daher für die prinzipielle Unlösbarkeit der<br />

Theodizee-Frage eintritt, bis zu Hans Küng, der anstatt der Suche nach rationalen Lösungen für<br />

unbedingtes Vertrauen in <strong>Gott</strong> plädiert - blieb eine allgemeingültige Lösung unzugänglich, sie weichen<br />

den zu Gr<strong>und</strong>e liegenden Widersprüchen aus, vernachlässigen Notwendiges, verschieben den Akzent<br />

der Problematik oder präsentieren Alternativen zu einer Lösung der Theodizee. Mehr oder minder<br />

kommt in allen Versuchen das Verfahren der Depotenzierung 19 zum Tragen. Angewandt bedeutet<br />

dies, dass entweder das <strong>Leid</strong> in der Welt relativiert oder abgeschwächt wird, sodass <strong>Gott</strong> schließlich<br />

die Last der Verantwortung genommen werden kann, bzw., dass die Wesenszüge <strong>Gott</strong>es neu<br />

durchdacht <strong>und</strong> definiert <strong>und</strong> auf diese Weise entkräftet <strong>und</strong> eingeschränkt werden, sodass auch in<br />

jenem Fall <strong>Gott</strong> gerechtfertigt werden kann. In letzter, radikalster Konsequenz, wird die Existenz<br />

<strong>Gott</strong>es völlig negiert: Die Theodizee als Ausgangspunkt des Atheismus. Weitere<br />

Argumentationstechniken haben sich herauskristallisiert <strong>und</strong> etabliert, unter anderem auch mehr oder<br />

minder begründete “Ausweichstrategien“. Gr<strong>und</strong>sätzlich jedoch kann im Kern zwischen zwei<br />

gegensätzlichen Strömungen unterschieden werden: Die der affirmativen <strong>und</strong> die der negativen<br />

Theodizee. Erstere umfasst alle Argumentationsstrukturen, die letztlich auf den Schluss hinauslaufen,<br />

<strong>Gott</strong> könne selbst angesichts des <strong>Leid</strong>ens gerechtfertigt <strong>und</strong> daher gerecht gesprochen werden, wobei<br />

die negative Theodizee, aus welchen begründend-argumentativen Mustern auch immer sich einer<br />

Rechtfertigung <strong>Gott</strong>es verweigern: <strong>Gott</strong> könne im Licht des real existierenden Übels nicht verteidigt<br />

werden.<br />

Auf wesentliche Antwortstrukturen soll im Folgenden möglichst unvoreingenommen <strong>und</strong> objektiv<br />

eingegangen werden, wobei die Selektion nicht willkürlich, sondern entsprechend den<br />

Hauptströmungen vorgenommen wurde <strong>und</strong>, angesichts der Pluralität historischer <strong>und</strong> aktueller<br />

Antworten, zudem an der jeweiligen „Glaubwürdigkeit“ bzw. am Abstraktionsgrad festgemacht werden<br />

musste. (An dieser Stelle sei so<strong>mit</strong> zugegeben, dass einzelne, allerdings schwach vertretene Theorien<br />

bewusst vernachlässigt wurden, da derartige Ansätze nur schwerlich zu verantworteten<br />

Auseinandersetzung <strong>mit</strong> der Theodizee-Frage auffordern <strong>und</strong> kaum glaubwürdige oder sogar<br />

widersprüchliche Lösungen bereitstellen). Jegliche subjektive Bewertung soll dennoch unter Wahrung<br />

der Unvoreingenommenheit vermieden werden, was allerdings begründete Kritik bzw. Aufzeigen der<br />

Schwachstellen nicht ausschließt.<br />

1. „Die Übel sind so übel nicht“ 20 - <strong>Leid</strong> wird relativiert<br />

Ein derartiges Vorhaben wird ungewöhnlicher Überzeugungskraft <strong>und</strong> argumentativer Stärke<br />

bedürfen, um Glaubwürdigkeit aufzubauen <strong>und</strong> aufrecht zu erhalten, weckt es doch den Skeptiker in<br />

jedem nach Antwort Suchenden. Menschlichem <strong>Leid</strong> soll sein negatives Vorzeichen aberkannt oder<br />

zumindest zum Teil abgetönt werden? Die un<strong>mit</strong>telbare Erfahrungswirklichkeit konstituiert sich als<br />

härtester Einwand: <strong>Leid</strong>en <strong>und</strong> Schmerzen der Menschen sind in ihrer Entsetzlichkeit so unbedingt, so<br />

real, dass sie keinerlei Entkräftung <strong>und</strong> Relativierung zulassen. Gerade aus diesem Gr<strong>und</strong>, um sich<br />

nicht in argumentative Widersprüche <strong>mit</strong> der Erfahrung <strong>und</strong> Vernunft des Menschen zu verstricken,<br />

versucht diese Antwortstrategie auch meist nicht, den Charakter, das heißt den Schweregrad des<br />

<strong>Leid</strong>s zu entkräften, sondern seine Negativität vielmehr dadurch abzuschwächen, dass dem <strong>Leid</strong> ein<br />

Sinn unterstellt wird. Durch eine derartige „Instrumentalisierung des <strong>Leid</strong>s“ wird <strong>Leid</strong> umgedeutet <strong>und</strong><br />

19 depotenzieren: Lat. des eigenen Wertes, der eigenen Kraft, Potenz berauben<br />

20 „<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 76


neu interpretiert, überschrieben von einem letztlich guten Zweck – unter Umständen gar gewichtiger<br />

als das <strong>Leid</strong> selbst - wird das Übel als „verkannte Bonität 21 “ präsentiert, beispielsweise durch:<br />

− „Pädagogisierung des <strong>Leid</strong>ens“ - ein Ansatz nach dem „das Negative als der Reifung <strong>und</strong><br />

Erziehung des Menschen dienend“ 22 betrachtet wird: ein Plädoyer für die in manchen Fällen<br />

sicher zutreffende Tatsache, dass Menschen an <strong>Leid</strong>erfahrungen wachsen <strong>und</strong> aus ihnen<br />

lernen, dass Schmerzen Menschen vervollkommnen <strong>und</strong> moralisieren. Konkret umgesetzt<br />

schließt diese Pädagogisierung z.B. die nicht selten vorgetragene Aussage, eine überstandene<br />

Krankheit habe einer Person erlaubt, ihr Leben völlig neu zu definieren <strong>und</strong> zu wertschätzen,<br />

d.h. sie diene der Läuterung des Menschen, ein.<br />

− „Ästhetisierung des Übels“, wonach „die Negativität des Übels als notwendiges<br />

Kontrast<strong>mit</strong>tel zur Erkenntnis des Guten“ 23 fungiere. Allein durch die Erfahrung von <strong>Leid</strong>, durch<br />

Negativerfahrung könne der Mensch das Gute überhaupt erfassen <strong>und</strong> dankbar anerkennen,<br />

nur durch Hinzufügen des Dunklen könne das Helle als solches wahrgenommen werden.<br />

Der folgende Ansatz, die sogenannte Privationslehre, fällt ebenfalls in den Bereich der<br />

Depotenzierung des Übels, wobei allerdings in diesen Fall der Akzent dahingehend verschoben ist,<br />

dass <strong>Leid</strong> nicht mehr instrumentalisiert <strong>und</strong> ihm ein Sinn unterstellt wird, sondern dass vielmehr eine<br />

Aussage über den Charakter des <strong>Leid</strong>s gemacht <strong>und</strong> diese als das Übel relativierend eingestuft wird:<br />

die „Ontologische 24 Depotenzierung des Negativen“, wonach dem Übel kein eigenständiges Sein<br />

zukomme, sondern es sich vielmehr nur als Mangel an Guten (privatio/boni) <strong>und</strong> Verneinung des<br />

Guten erweise. Auf diese Weise sei, so die Vertreter dieser Annahme, das Wesen des <strong>Leid</strong>s<br />

geschwächt <strong>und</strong> die Welt könne gr<strong>und</strong>legend als eine gute <strong>und</strong> harmonische angenommen werden,<br />

da ja das Negative dem Guten nicht länger auf gleicher Höhe gegenüberstehe, sondern vielmehr gar<br />

nicht eigen- ständig existiere.<br />

In den größeren Rahmen der Theodizee gestellt, wird erkennbar, dass die, wie auch immer erfolgte,<br />

Relativierung des <strong>Leid</strong>s darauf abgezielt, <strong>Gott</strong> zu entlasten, <strong>und</strong> ihn so zu rechtfertigen <strong>und</strong> in letzter<br />

Konsequenz die Theodizee-Frage aufzulösen. Dennoch ist dieses Verfahren gerade für den<br />

<strong>Leid</strong>enden in keiner Weise aufrichtend oder hilfreich, sondern kann eher nahezu als Kränkung<br />

aufgelastet werden, da menschliches <strong>Leid</strong>en scheinbar entdramatisiert <strong>und</strong> banalisiert wird. Die<br />

Relativierung des Negativen hinterlässt den Eindruck der Theodizee-Problematik auszuweichen, wenn<br />

sie doch versucht den Widerspruch dadurch aufzulösen, dass einer Komponente ihre Unbedingtheit<br />

abgesprochen wird.<br />

2. In die Freiheit gestellt - Missbrauch der Freiheit <strong>und</strong> <strong>Leid</strong>en<br />

„Der Preis der Liebe“ - unter diesem ausdrucksstarken Titel veröffentlicht Gisbert Greshake 1978 eine<br />

theologische Abhandlung zur Theodizee-Thematik, in der er die These vertritt, dass in der Schöpfung<br />

die „Möglichkeit von <strong>Leid</strong> notwendig als Preis der Liebe <strong>Gott</strong>es <strong>mit</strong>gegeben 25 “ sei.<br />

21 Bonität: Ruf einer Person/Firma in Bezug auf ihre Zahlungsfähigkeit, Kreditwürdigkeit<br />

22 „<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 77<br />

23 „<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 77<br />

24 Ontologie: Wissenschaft vom Seienden<br />

25 „Warum lässt uns <strong>Gott</strong>es Liebe leiden“, G. Greshake, S. 42


Christa Purschke, Liebe 1<br />

Dies ist ein weiterer Lösungsversuch der Theodizee, der<br />

nicht nur <strong>Gott</strong> zu verteidigen gedenkt, sondern auch das<br />

<strong>Leid</strong> begründend erklärbar zu machen versucht <strong>und</strong><br />

Verantwortung an den Menschen heranträgt.<br />

<strong>Gott</strong> habe die Welt „aus Liebe zur Liebe“ erschaffen,<br />

weshalb Freiheit die einzige <strong>und</strong> absolute „Sinnspitze der<br />

Schöpfung“ sei - so der Ausgangspunkt einer<br />

Argumentationsstruktur, die gerade diese von <strong>Gott</strong><br />

geschenkte unbedingt gewahrte Freiheit hervorhebt. Da<br />

wirkliche Liebe nur ohne Zwang überhaupt existieren<br />

könne, verwirkliche <strong>Gott</strong> den Spielraum menschlicher<br />

Freiheit, da<strong>mit</strong> diese Kraft ihrer<br />

Entscheidungsunabhängigkeit das Angebot der Liebe<br />

<strong>Gott</strong>es annehmen oder sich in ihr verewigen könne. Um<br />

der Liebe zwischen <strong>Gott</strong> <strong>und</strong> seinen Geschöpfen willen,<br />

sei der Mensch in die Freiheit gestellt, eine<br />

Ungeb<strong>und</strong>enheit, die nicht nur ein souveränes Ja zu <strong>Gott</strong><br />

zulasse sondern auch - als Kehrseite der menschlichen<br />

Selbstbestimmung - negative Freiheitsentscheidungen,<br />

den Missbrauch der eigenen Freiheit dulde.<br />

Derartig verfehlte Freiheitsentscheidungen betreffen das Subjekt selbst, welches auf diese Weise<br />

schuldig wird, <strong>und</strong> prägen den Charakter der Welt, indem sie ihre Gr<strong>und</strong>züge in leidvolle verwandeln.<br />

<strong>Leid</strong>en Konstituiere sich demnach als Missbrauch der von <strong>Gott</strong> aus Liebe geschenkten Freiheit, als<br />

Konsequenz verfehlter Freiheitsentscheidungen des Menschen. Innerhalb dieser<br />

Argumentationsstruktur wird überzeugend ersichtlich, dass das Negative nicht der Intention <strong>Gott</strong>es<br />

unterstellt werden kann, sondern dass dieser die Möglichkeit des Freiheitsmissbrauchs<br />

notwendigerweise in die Schöpfung integrieren muss, sobald er den Menschen Freiheit schenkt, die<br />

unerzwungene Liebe in ihrer dialogischen Strukturen zu <strong>Gott</strong> <strong>und</strong> den Menschen erst zulassen kann.<br />

<strong>Leid</strong>en sei, so Gisbert Greshake „in keiner Weise Gegenstand göttlichen Wollens (…) sondern<br />

vielmehr die allein vom Menschen verschuldete Kehrseite seiner unendlichen Güte“ 26 . Durch diese<br />

leidverursachenden Verfehlungen wird der Mensch für die Konsequenzen seines Handelns<br />

verantwortlich <strong>und</strong> schuldig - eine Schuld, die dadurch als Möglichkeit gegeben ist, dass der Mensch<br />

von <strong>Gott</strong> zur Freiheit <strong>und</strong> Eigenwirken befreit ist <strong>und</strong> „aufgr<strong>und</strong> seiner Endlichkeit hinter dem Guten<br />

zurückbleibt <strong>und</strong> das Böse willentlich setzt“ 27 .<br />

Vertreter dieses Lösungsansatzes zur Theodizee-Problematik resümieren folglich, dass dieses „<strong>Leid</strong>,<br />

welches der Sünde entspringt, (…) in seiner Möglichkeit wesensnotwendig <strong>mit</strong> der Freiheit des<br />

Menschen gegeben [ist] <strong>und</strong> daher keinen Einwand gegen <strong>Gott</strong>es Allmacht <strong>und</strong> Güte“ 28 darstellt. Aus<br />

diesem Gr<strong>und</strong> sei <strong>Gott</strong> angesichts des bestehenden <strong>Leid</strong>ens zu rechtfertigen <strong>und</strong> gerecht zu<br />

sprechen.<br />

Allerdings ist auch diese Antwort auf die Theodizee-Frage angreifbar oder zumindest bezüglich ihres<br />

Anspruchs auf universale Gesamtgültigkeit einzuschränken, da die Widersprüchlichkeit der<br />

Theodizee-Thematik allein für das vom Mensch schuldhaft gesetzte sittlich Schlechte aufgelöst<br />

werden kann, im Hinblick auf das strukturelle verschuldete existierende <strong>Leid</strong> besteht sie jedoch<br />

weiterhin.<br />

26<br />

„Warum lässt uns <strong>Gott</strong>es Liebe leiden“, G. Greshake, S. 45<br />

27<br />

Ebd. S. 74<br />

28<br />

„<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 48


3. Ein gütiger <strong>und</strong> allmächtiger <strong>Gott</strong>? - <strong>Gott</strong>es Wesenszüge werden<br />

neu durchdacht<br />

„Wann bist du eigentlich lieb, lieber <strong>Gott</strong>? Warst du lieb, als du meinen kleinen Jungen von einer<br />

brüllenden Bombe zerreißen ließt? (…) Wo warst du da eigentlich, als die Bomben brüllten, lieber<br />

<strong>Gott</strong>?<br />

W. Borchert<br />

Allzu leicht lässt die Erfahrungswirklichkeit des <strong>Leid</strong>ens die Menschen an <strong>Gott</strong>es Eigenschaften<br />

zweifeln, wenn der „liebe <strong>Gott</strong>“ zu schweigen scheint <strong>und</strong> scheinbar alleine lässt oder seine Macht<br />

wohl doch nicht ausreicht, einzugreifen <strong>und</strong> zu verbinden.<br />

An diesem Punkt setzt ein weiterer Lösungsversuch der Theodizee-Frage an, der die entscheidenden,<br />

<strong>mit</strong> dem <strong>Leid</strong>en der Welt unvereinbaren Eigenschaften <strong>Gott</strong>es hinterfragt oder gar relativiert <strong>und</strong> auf<br />

diese Weise <strong>Gott</strong> rechtfertigt, kann er doch ohne die angenommene Allgüte <strong>und</strong> Allmacht nicht länger<br />

zur Verantwortung gezogen werden.<br />

a) Infragestellung der Allmacht <strong>Gott</strong>es<br />

„Ein <strong>Gott</strong>, der Auschwitz aus Liebe <strong>mit</strong> ansieht, nur weil er die Freiheit des Menschen respektiert?“ 29 .<br />

„Und da sage ich nun; nicht weil er nicht wollte, sondern weil er nicht konnte, griff er nicht ein“ 30 .<br />

Gerade im Hinblick auf den Freiheitsmissbrauch<br />

der Menschen, auf das willentlich gesetzte Böse<br />

wird <strong>Gott</strong> aus der Verantwortung nicht<br />

entlassen. Müsste er sich nicht Kraft seiner<br />

Allmacht als derjenige erweisen, der<br />

leidbringende menschliche Verfehlungen<br />

mildert, korrigiert oder gar abwendet?<br />

Ein angetragenes Postulat, dem <strong>Gott</strong> nicht<br />

gerecht zu werden scheint, wenn unschuldige<br />

Mobbingopfer an psychischer<br />

Gewaltanwendung verzweifeln, wehrlose<br />

Kriegsflüchtlinge zu <strong>Leid</strong>tragenden werden,<br />

angesichts der Machtfülle des Despotismus<br />

oder wenn ein Kind durch verkehrswidriges<br />

Verhalten eines anderen stirbt- willentlicher<br />

Freiheitsmissbrauch <strong>mit</strong> entsetzlichen<br />

Auswirkungen auf Unbeteiligte, der kaum noch<br />

Anknüpfungspunkte für<br />

begründeten Glauben an <strong>Gott</strong>es Allmacht liefert. Auch der Ansatz, <strong>Gott</strong> seine in ihm geglaubte<br />

Allmacht abzuerkennen, um die Theodizee-Frage zu lösen, zerbricht ohne die zuerkannte Allmacht als<br />

wesentliches Kennzeichen der Göttlichkeit <strong>Gott</strong>es, denn so kann nur schwerlich von einem <strong>Gott</strong><br />

gesprochen werden: Auf ihren Trümmern lässt sich jedoch die im Folgenden angedeutete Annahme<br />

einer göttlichen Allmacht, die sich um den Preis der Liebe <strong>und</strong> Freiheit der Menschen zurücknimmt,<br />

erbauen- <strong>Gott</strong>es Allmacht besteht weiterhin, die Theodizee-Frage bleibt noch immer unbeantwortet.<br />

Vom Paradoxon (Widerspruch) der menschlichen Freiheit <strong>und</strong> Allmacht <strong>Gott</strong>es: Zum Streitgegenstand<br />

bezüglich der Frage nach <strong>Gott</strong>es Allmacht konstituiert sich die menschliche Freiheit: das Verhältnis<br />

von Selbstbestimmung <strong>und</strong> Fremdbestimmung durch <strong>Gott</strong>, von Eigenwirken des Menschen <strong>und</strong><br />

<strong>Gott</strong>es Handeln. Sollte <strong>Gott</strong> nicht aufgr<strong>und</strong> seiner Allmacht den menschlichen Freiheitsraum<br />

beschneiden dürfen, um leidverursachendes Schuldigwerden des Menschen zu unterbinden? Wenn<br />

das freie Ja der Menschen zu <strong>Gott</strong>, wenn ein dialogisches Verhältnis wirklicher, zwangsfreier Liebe als<br />

oberstes Sinnziel der Schöpfung bestehen solle, müsse <strong>Gott</strong> seine Allmacht bewusst so weit<br />

zurücknehmen, dass die zugestandene Freiheit nicht eingeschränkt werde. Die göttliche Allmacht<br />

dürfe ihre Geschöpfe nicht erdrücken, in Abhängigkeitsverhältnisse fesseln, sondern müsse sie<br />

befreien. <strong>Leid</strong>ensverursachender Freiheitsmissbrauch sei daher um der menschlichen Freiheit <strong>und</strong><br />

Liebe willen unvermeidbar.<br />

b) Infragestellung der Güte <strong>Gott</strong>es<br />

29 „Warum lässt uns <strong>Gott</strong>es Liebe leiden“, G. Greshake, S. 54<br />

30 „<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 83


„ Und siehe, ich bin bei euch bis an der Welt Ende“ (Mat. 28,16)<br />

„Viele beten <strong>Gott</strong> an, aber warum dürfen sie dann Wale töten, <strong>und</strong> warum gibt es Hochwasser <strong>und</strong><br />

Krankheiten? Ich wünsche mir, <strong>Gott</strong> würde uns helfen“<br />

Zum <strong>Gott</strong>esbild von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

Obwohl mediale oder un<strong>mit</strong>telbare <strong>Leid</strong>enssituationen einem vorwiegend oder ausschließlich positiv<br />

konnotierten <strong>Gott</strong>esbild zu widersprechen scheinen, erweist es sich als problematisch, <strong>Gott</strong> die Allgüte<br />

abzusprechen, wie es zuvor unmöglich war, ihm seine Allmacht zu entsagen. Gerade diese beiden<br />

Eigenschaften konstituierten sich doch als so wesentliche Gr<strong>und</strong>züge des christlichen <strong>Gott</strong>es, dass<br />

ohne sie ein Festhalten am christlichen <strong>Gott</strong>esbild kaum begründet wäre. <strong>Gott</strong> wäre zwar entschuldigt,<br />

aber zugleich seiner Göttlichkeit beraubt. Dennoch versuchen verschiedene Ansätze im Hinblick auf<br />

die <strong>Gott</strong> einbeschriebene Allgüte die Theodizee-Problematik zu lösen, indem<br />

− <strong>Gott</strong>es Güte seiner Gerechtigkeit gegenübergestellt wird <strong>und</strong> menschliches <strong>Leid</strong>en als<br />

gerechte Strafe für Fehlverhalten, Ungehorsam gegenüber <strong>Gott</strong>es Geboten oder Sünde<br />

interpretiert wird. Allerdings ist diese Strategie dem Einwand ausgesetzt, dass das <strong>Leid</strong> häufig<br />

in keinem Verhältnis zur Schuld des Betroffenen steht <strong>und</strong> nicht länger von einem gerecht<br />

strafenden, sondern von einem willkürlich strafenden <strong>Gott</strong> ausgegangen werden muss, der<br />

allerdings für den christlichen Glauben nicht tragbar ist: Die Annahme eines willkürlich<br />

strafenden <strong>Gott</strong> kann die Theodizee-Problematik kaum lösen.<br />

− Auf die Unerforschlichkeit <strong>und</strong> Transzendenz <strong>Gott</strong>es verwiesen wird, wonach <strong>Gott</strong>es Güte nicht<br />

<strong>mit</strong> menschlichen Begriffen erfassbar <strong>und</strong> nicht an irdischen Maßstäben messbar ist. Diese<br />

Darlegung untersteht letztlich der Annahme, dass - <strong>mit</strong> Verweis auf die Transzendenz <strong>Gott</strong>es -<br />

dieser gegenüber der menschlichen Vernunft der „ganz Andere“ bliebe, was im Gesamten auf<br />

eine negative Theodizee hinausliefe.<br />

4. „Mit ihm (dem leidenden Menschen) bin ich im <strong>Leid</strong>“ Psalm 91,15<br />

- Der <strong>mit</strong>-leidende <strong>Gott</strong><br />

Diese Annahme gedenkt nicht, die Wirklichkeit <strong>und</strong> Entsetzlichkeit menschlichen <strong>Leid</strong>ens<br />

abzuschwächen oder zu relativieren; sie will in keinem Fall gr<strong>und</strong>legende Wesenszüge des<br />

christlichen <strong>Gott</strong>es anzweifeln - die zentrale christliche Antwort auf die Theodizee-Frage verweist auf<br />

die Solidarität <strong>und</strong> Nähe <strong>Gott</strong>es zu den Menschen in der Passion, um, in der Konsequenz, Schmerz<br />

bestehbar <strong>und</strong> überwindbar zu machen.<br />

Auch ein <strong>Gott</strong>, der menschliches <strong>Leid</strong> bewusst übernehme <strong>und</strong> <strong>mit</strong> seinem Geschöpfen leide, könne<br />

diese nicht von der Schwere ihres <strong>Leid</strong>ens entlasten oder gar befreien, die leidvollen Strukturen nicht<br />

aus der Welt verbannen - so ein zumindest nachdenklich stimmender Entwurf, der den<br />

Argumentierenden stutzen lässt <strong>und</strong> auf den bereits hier zu Beginn eingegangen werden soll: Trotz<br />

des Eingeständnisses, dass irdisches <strong>Leid</strong> durch <strong>Gott</strong>es Solidarität nicht ausgewischt <strong>und</strong><br />

aufgehoben wird, erfährt diese Antwort keinen Abbruch, da sie an <strong>Gott</strong> nicht die Forderung richtet,<br />

<strong>Leid</strong> zu exterminieren, sondern vielmehr aus der Absicht heraus gewählt wird, <strong>Leid</strong>, als existierend<br />

anerkannt, zu bestehen.<br />

Zugegeben: Der der Theodizee-Frage zugr<strong>und</strong>e liegende Widerspruch kann höchstens dadurch<br />

gelöst werden, dass es schwerer fällt, <strong>Gott</strong> des Negativen anzuklagen, woran er selbst willentlich<br />

Anteil nimmt: „Wenn <strong>Gott</strong> selbst leidet, ist das kein <strong>Leid</strong>, kein Einwand mehr gegen <strong>Gott</strong>“ (Kaspar, S.<br />

85). <strong>Gott</strong>es, dem <strong>Leid</strong> der Welt widersprechende Charakterzüge, werden hierbei nicht in Frage gestellt<br />

<strong>und</strong> auch das <strong>Leid</strong> braucht nicht länger reaktiviert zu werden, sondern wird faktisch anerkannt -<br />

vielmehr sei bestehendes Übel, so die Wortführer, viel leichter oder gänzlich <strong>mit</strong> den <strong>Leid</strong>enden<br />

solidarisiert. Dennoch wird der Akzent der Theodizee-Frage dahingehend verschoben, dass das<br />

Nebeneinander des <strong>Leid</strong>ens <strong>und</strong> eines guten <strong>Gott</strong>es akzeptiert wird <strong>und</strong> es viel eher gilt, <strong>Leid</strong><br />

bestehen zu können <strong>und</strong> zugleich an <strong>Gott</strong>es Liebe nicht zu verzweifeln. Zumindest zu einem gewissen<br />

Grad seien auf diese Weise die <strong>Leid</strong>en der Welt <strong>und</strong> die Liebe <strong>Gott</strong>es nebeneinander denkbar.


Unbekannter Künstler, Passion<br />

Ein <strong>Gott</strong>, der am Schmerz der Menschen<br />

Anteil nimmt <strong>und</strong> beisteht? Weinende <strong>und</strong> ihre<br />

Bitten an <strong>Gott</strong> artikulierende Menschen<br />

fühlen sich von <strong>Gott</strong> im Stich gelassen,<br />

empfinden Einsamkeit <strong>und</strong> Distanz viel eher<br />

als die Nähe <strong>Gott</strong>es. In radikalster Form<br />

versucht der jüdische Denker H. Jonas unter<br />

dem Titel „<strong>Gott</strong>esbegriff nach Auschwitz“<br />

„einen <strong>Gott</strong> [zu] verstehen, der sich<br />

angesichts des millionenfachen Mordes an<br />

den in Europa lebenden Juden in Schweigen<br />

gehüllt hat“ 31 . Und dennoch: Die Bibel<br />

bezeugt einen <strong>Gott</strong>, der aus Liebe <strong>mit</strong>-leidet,<br />

<strong>und</strong> dieses <strong>Leid</strong> nicht aus Schwäche heraus<br />

ohnmächtig <strong>und</strong> passiv erträgt, sondern<br />

willentlich <strong>und</strong> bewusst auf sich nimmt. Der<br />

ersten Annahme, der eines <strong>Gott</strong>es, der<br />

wehrloses Opfer wird, ließe sich kaum noch<br />

Trost <strong>und</strong> Unterstützung für den Menschen,<br />

der selbst dem <strong>Leid</strong> ausgeliefert ist,<br />

abgewinnen.<br />

Ein <strong>Gott</strong> jedoch, der aktiv wollend Opfer bringt, sich absichtlich vom <strong>Leid</strong> treffen lässt, anstatt getroffen<br />

zu werden, zeugt nicht von Schwäche oder eigener Ohnmacht, sondern von einer Größe, die noch<br />

alles menschliche <strong>Leid</strong> bergen kann, die Hilfestellung gibt <strong>und</strong> stützt. Indem sich <strong>Gott</strong> <strong>mit</strong> den<br />

<strong>Leid</strong>enden solidarisiert <strong>und</strong> diese sich ihm gegenüber öffnen, sei der Mensch aus der Ausweglosigkeit<br />

<strong>und</strong> Dunkelheit herausgerissen, sei das <strong>Leid</strong>en in einem völlig neuen Sinnzusammenhang gestellt <strong>und</strong><br />

vom „befreienden Licht der Hoffnung“ 32 erhellt. „Nicht um das <strong>Leid</strong> zu verdoppeln“ 33 , sondern um<br />

aufzurichten <strong>und</strong> zu überwinden, verlagere <strong>Gott</strong> das <strong>Leid</strong> der Menschen in sich selbst. Kaum<br />

eindrucksvoller kann <strong>Gott</strong> seine bis ins <strong>Leid</strong>en durchgehaltene Liebe bezeugen, <strong>und</strong> diese zur letzten<br />

Solidarität motivierte Liebe <strong>Gott</strong>es ist es, die Hoffnung <strong>und</strong> den Glauben an einen neuen Anfang<br />

gewährt.<br />

„In all ihrem <strong>Leid</strong> geschah ihm <strong>Leid</strong>“ (Jesaja 63, a). Bereits im Alten Testament wurzelt die Theologie<br />

des sich erbarmenden <strong>Gott</strong>es, die im Neuen Testament anschaulich in Leben <strong>und</strong> Sterben Jesu<br />

hervortritt: Jesus wendet sich den Kranken zu, wie <strong>Gott</strong> den <strong>Leid</strong>enden beisteht, <strong>und</strong> heilt - „Nicht die<br />

Ges<strong>und</strong>en brauchen den Arzt, sondern die Kranken“ (Markus 2, 17) -, predigt Mitleid <strong>mit</strong> dem<br />

<strong>Leid</strong>enden, wie er es selbst gezeigt hat - „Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid <strong>mit</strong> ihnen,<br />

denn sie waren müde <strong>und</strong> erschöpft“ (Matthäus 9, 36) -, oder er lehrt <strong>und</strong> fordert in Gleichnissen, wie<br />

dem des barmherzigen Samariters oder des verlorenen Sohnes, solidarisches Engagement <strong>und</strong><br />

Anteilnahme am <strong>Leid</strong> des anderen: Leben <strong>und</strong> Wirken Jesu lässt <strong>Gott</strong>es Liebe <strong>und</strong> Opferbereitschaft<br />

für die Menschen durchscheinen <strong>und</strong> <strong>Gott</strong>es Nähe, insbesondere zu <strong>Leid</strong>enden, sichtbar werden. Dies<br />

ständig artikulierte <strong>und</strong> umgesetzte Mitleid wird zu einem wahren Mit-leiden am deutlichsten im Kreuz<br />

Jesu Christi. Indem er seinen eigenen Sohn dem Martyrium <strong>und</strong> der Passion aussetzt, offenbart <strong>Gott</strong><br />

un-überbietbar sein Eingehen in die <strong>Leid</strong>ensgeschichte der Menschen aus Liebe.<br />

31 „<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 82<br />

32 „Warum lässt uns <strong>Gott</strong>es Liebe leiden“, G. Greshake, S. 87<br />

33 „<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 82


5. <strong>Leid</strong>en - „Fels des Atheismus“<br />

Entnommen aus:<br />

Ich wünsch Dir gute Träume,<br />

S. 38<br />

Vom zaghaften Infragestellen der Güte <strong>Gott</strong>es bis zum konsequenten Anzweifeln seiner Existenz: Für<br />

Fürsprecher dieser Richtung kann der christliche <strong>Gott</strong>, sobald er der Theodizee ausgesetzt ist, nur<br />

einbüßen, da die Wirklichkeit des <strong>Leid</strong>ens der Welt nicht relativierbar oder zu leugnen sei.<br />

Das christliche <strong>Gott</strong>esbild sei nicht haltbar <strong>und</strong> werde vom Gewicht der ihm gegenübergestellten<br />

<strong>Leid</strong>en verletzend erdrückt oder gar völlig zerbrochen: Die Aberkennung der Güte <strong>und</strong> Allmacht<br />

<strong>Gott</strong>es, die <strong>Gott</strong> letztlich seiner <strong>Gott</strong>heit berauben würde, oder das zur Verantwortung Ziehen für das<br />

Negative, das unausweichlich ad absurdum führen würde, wird noch einmal radikalisiert durch die<br />

Negation der Existenz <strong>Gott</strong>es.


Das <strong>Leid</strong>en der Welt ist der härteste Einwand<br />

gegen den <strong>Gott</strong>esglauben - „Die einzige<br />

Entschuldigung für <strong>Gott</strong> ist, dass er nicht<br />

existiert“ 34 , d.h. <strong>Gott</strong> könne allein dadurch<br />

gerechtfertigt werden, dass er nicht ist. Georg<br />

Büchner legt einen Protagonisten in seinem<br />

Revolutionsdrama „Dantons Tod“ folgende<br />

Worte in den M<strong>und</strong>, <strong>mit</strong> denen die<br />

„Voraussetzung“ für Göttlichkeit impliziert, auf<br />

der anderen Seite das Argument des<br />

Atheismus angeführt wird: „Schafft das<br />

Unvollkommene weg, dann allein könnt ihr<br />

<strong>Gott</strong> demonstrieren“. (Auf die schweigend<br />

angenommene Prämisse, dass die Existenz<br />

<strong>Gott</strong>es überhaupt beweisbar sei, sei an<br />

dieser Stelle nicht näher eingegangen).<br />

Büchner legt nahe, dass im Angesicht eines<br />

<strong>Gott</strong>es, das Unvollkommene, das Negative,<br />

nicht bestehen dürfe, dass also ein <strong>Gott</strong> in<br />

jedem Fall gütig <strong>und</strong> allmächtig sein müsse,<br />

um das Unvollkommene zu verbannen. Ein<br />

nicht-gütiger <strong>und</strong> nicht-allmächtiger <strong>Gott</strong> wäre<br />

zuvor <strong>mit</strong> dem <strong>Leid</strong> der Welt vereinbar, aber<br />

nicht länger göttlich. Folglich könne <strong>Gott</strong> also,<br />

da das Unvollkommene besteht, nicht<br />

existieren.<br />

Christa Purschke, Nacht<br />

In radikalster <strong>und</strong> extremster Konsequenz wirft die erhobene Theodizee-Frage den Menschen auf den<br />

Atheismus, auf die Annahme der Nicht-Existenz <strong>Gott</strong>es, zurück - <strong>Leid</strong>en etabliert sich zum „Fels des<br />

Atheismus“, zum vielleicht einzigen, zumindest aber zum stärksten Ansatzpunkt, an den sich die<br />

Atheisten argumentativ klammern.<br />

6. Theodizee - Ein sinnloses Unternehmen?<br />

Zwischen Scheitern <strong>und</strong> Alternativen<br />

Alle bisher kommentierten <strong>und</strong> diskutierten Ansätze versuchen die Widersprüchlichkeit der Theodizee<br />

argumentativ aufzuheben. Stillschweigend <strong>und</strong> selbstverständlich wird dabei vorausgesetzt, dass eine<br />

Rechtfertigung <strong>Gott</strong>es gelingen wird oder zumindest unternommen werden kann <strong>und</strong> vor allem soll:<br />

Weder wird der Mensch auf seine Befähigung zu antworten hin befragt, noch wird die Sinnfrage<br />

aufgeworfen.<br />

<strong>Im</strong> 17 Jhd. publiziert <strong>Im</strong>manuel Kant eine philosophische Abhandlung deren Titel allein alle<br />

angenommenen Selbstverständlichkeiten erschüttert: „Über das Misslingen aller philosophischen<br />

Versuche in der Theodizee“. Der Aufklärer untersucht Befähigung <strong>und</strong> Urteilskompetenz der<br />

menschlichen Vernunft, <strong>mit</strong> der allein sich der Mensch rational der Theodizee-Problematik annähere:<br />

Einzig aus Gründen <strong>und</strong> <strong>mit</strong> Mitteln der Vernunft beabsichtigt er eine Aussage über <strong>Gott</strong> zu machen.<br />

Nach umfassenden Abwägungen kommt Kant dennoch zum Schluss, dass die Ratio des Menschen<br />

an allem Metaphysischen <strong>und</strong> so<strong>mit</strong> nicht rational Erfassbaren scheitern werde <strong>und</strong> dabei nicht in der<br />

Lage sei, über die <strong>Gott</strong>esfrage zu entscheiden.<br />

„Dass unsere Vernunft zur Einsicht des Verhältnisses, in welchem eine Welt, so wie wir sie aus<br />

Erfahrung immer kennen mögen, zur höchsten Weisheit stehe, schlechterdings unvermögend sei“,<br />

formuliert der Denker, um die mangelnde Tauglichkeit der reflektierenden Instanz des Menschen zu<br />

präzisieren. In theologischem Sinne verweist Kant auf die Transzendenz <strong>Gott</strong>es, auf dessen<br />

Unergründlichkeit, wonach <strong>Gott</strong> jede menschliche Erfahrung <strong>und</strong> Erkenntnis übersteige. Gerade<br />

gegenüber der Vernunft, deren Erkenntnisvermögen auf die Welt der Erfahrung beschränkt sei, bleibe<br />

der erfahrungs- <strong>und</strong> welttranszendente <strong>Gott</strong> verborgen, der ganz „Andere“.<br />

Nicht allein die Tauglichkeit der menschlichen Vernunft wird in Frage gestellt, sondern die<br />

Sinnhaftigkeit des gesamten Theodizee-Bemühens wird angezweifelt oder gar völlig bestritten. Als<br />

konsequenter Verfechter der letzteren Behauptung prägt E. Zenger ein eindrucksvolles Argument,<br />

welches im Hin-blick auf die entsetzliche Wirklichkeit des <strong>Leid</strong>ens auf die Nachrangigkeit des<br />

Sinnfrage verweist <strong>und</strong> vielmehr solidarisches Engagement fordert: „In der Arena des <strong>Leid</strong>s ist das<br />

34 „<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 87


<strong>Leid</strong>en kein Problem, sondern die Wirklichkeit“. Jegliche theoretische Problematisierung des <strong>Leid</strong>s im<br />

Sinne der Theodizee vermöge nicht zu trösten, zu lindern oder die Not zu bekämpfen; Reflexion über<br />

Gründe <strong>und</strong> Zwecke sei höchstens Reaktion der Distanzierten <strong>und</strong> selbst dann durch den Vorwurf<br />

mangelnder Solidarität angreifbar. <strong>Leid</strong> wolle nicht verstanden, sondern bestanden werden, oder wie<br />

Hans Küng radikalisierend formuliert: Abstraktes „Argumentieren gebe dem <strong>Leid</strong>enden etwa so viel,<br />

wie dem Hungernden <strong>und</strong> Durstenden eine Vorlesung über Lebens<strong>mit</strong>telchemie“ 35 . Der Theologe<br />

bezeugt nicht allein die Kapitulation, das Versagen der Theorie vor der Wirklichkeit, die Einsatz statt<br />

Überlegungen fordert, sondern verweist auch auf die Schmach <strong>und</strong> die Beleidigung einer abstrakten<br />

Diskussion des <strong>Leid</strong>s im Angesicht der Hilfsbedürftigen. Provokativ <strong>und</strong> jegliche Skepsis gegenüber<br />

der Theodizee-Erörterung überbietend äußert sich Kardinal Lehmann, wenn er von einem<br />

„theologischen Missbrauch <strong>mit</strong> dem menschlichen <strong>Leid</strong>en“ 36 spricht <strong>und</strong> vielmehr der praktischen<br />

Dimension solidarischen Einsatzes <strong>und</strong> Mit-<strong>Leid</strong>ens höchste Priorität zuweist, welche sich jedoch<br />

weigert nach einer Lösung des Theodizee-Problems zu suchen. Engagement gegen <strong>Leid</strong> statt<br />

Reflexion über <strong>Leid</strong> - so das Postulat derer, die die Theodizee-Bemühungen überzeugend ablehnen.<br />

Allerdings sei auch an dieser Stelle ein kleiner Einwand oder besser Zusatz zur Verteidigung der<br />

Theodizee-Bemühungen angebracht: Die Theodizee kann <strong>Leid</strong> zwar nicht aktiv bekämpfen, aber<br />

dennoch helfen, es zu bestehen, wenn sich zweifelnde Gläubige nach begründeter Theodizee-<br />

Reflexion in ihrem Glauben vergewissern <strong>und</strong> so in <strong>Gott</strong> wieder Halt <strong>und</strong> Erbauung finden.<br />

7. Der Theodizee verhaftet - Von Antworten, die ihre Frage verfehlen<br />

Die ungeheure Pluralität der Antwortsuche, aus der freilich nur ein Teil angeführt werden konnte,<br />

bezeugt eindrucksvoll die letztliche Unlösbarkeit des Theodizee-Dilemmas zwischen der rational<br />

erfassten Erfahrungswelt <strong>und</strong> dem christlichen <strong>Gott</strong>esverständnis.<br />

Alle bisher von Menschen gef<strong>und</strong>enen Ansätze scheitern, sobald sie das <strong>Leid</strong>en relativieren oder<br />

auch das <strong>Gott</strong>esbild auf <strong>mit</strong> der Theodizee-Frage vereinbare Wesenszüge modifizieren bzw.<br />

reduzieren <strong>und</strong> auf diese Weise vor der Schärfe der Theodizee-Widersprüchlichkeit kapitulieren.<br />

Ebenso versagt letztlich auch die Strategie, Alternativwege zur Auflösung der Theodizee-Problematik<br />

anzubieten, da diese vielmehr eine ausweichende oder bewusst begründete Umgehung oder Flucht<br />

als ein Sich-Stellen beinhalten.<br />

Und dennoch oder gerade deshalb lässt die Theodizee als konsequente Schlussfolgerung aus der<br />

biographischen <strong>und</strong> medial ver<strong>mit</strong>telten Lebenswirklichkeit den Menschen in ihrer Herausforderung<br />

nicht los, die Problematik bleibt unabgeschwächt bestehen, auch wenn menschliche Antworten zu<br />

kurz greifen. Sie verlangt keine Resignation von der ihr immanenten Radikalität, sondern will vielmehr<br />

wahrgenommen, ausgehalten <strong>und</strong> ins Leben integriert werden. Für den Menschen, der sich an ihr<br />

w<strong>und</strong> reibt, wird sie zum Stein des Anstoßes sowohl einer kritischen Anfrage an das eigene<br />

<strong>Gott</strong>esverständnis als auch einer hintergründigen Auseinandersetzung <strong>mit</strong> un<strong>mit</strong>telbar oder <strong>mit</strong>telbar<br />

bestehendem <strong>Leid</strong>.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> fordert Johann Baptist Metz eine gewisse „Theodizee-Sensibilität“, das heißt<br />

eine Empfindlichkeit des Menschen gegenüber dem Theodizee-Dilemma, da insbesondere die<br />

Theodizee-Frage das Bewusstsein für immer neu errungene Reflexion über das Verhältnis, über die<br />

Spannung zwischen dem christlichen bzw. eigenen <strong>Gott</strong>esbild <strong>und</strong> einer leidbehafteten Welt wach<br />

hält: Die Theodizee will weder die Tragik der Welt verleugnen noch <strong>Gott</strong> anzweifeln, sondern diese<br />

Spannung aushalten.<br />

Anzumerken bleibt lediglich, dass existentielle geistige Erwägungen über die Theodizee ein aktiv<br />

solidarisches Engagement nicht ausschließen, sondern sehr wohl bewusst zulassen.<br />

35 „<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 20<br />

36 Ebd. S. 21


B IV. „An einen `lieben <strong>Gott</strong>´ kann ich nicht länger<br />

glauben“ – Kinder <strong>und</strong> Jugendliche nehmen die<br />

Theodizee-Problematik wahr<br />

Sobald menschliches <strong>Leid</strong>en - in direkter Konfrontation erlebt oder medial ver<strong>mit</strong>telt erfahren - von<br />

Kindern als unbedingter Bestandteil der Wirklichkeit erfasst wird, kann das kindliche<br />

<strong>Gott</strong>esverständnis eines „lieben <strong>Gott</strong>es“ erschüttert werden. Lebensrealität <strong>und</strong> ein ausschließlich<br />

unter positivem Vorzeichen stehendes <strong>Gott</strong>esbild prallen in der Wahrnehmung Heranwachsender<br />

(freilich in unterschiedlichem Alter) aufeinander - ein nahezu unumgänglicher Anstoß zur Reflexion.<br />

Bereits in der Formulierung (scheinbar) einfacher Fragen wie „Warum lässt <strong>Gott</strong> die Not so vieler<br />

Menschen zu?“ schneiden Kinder <strong>und</strong> Jugendliche die Theodizee-Problematik an <strong>und</strong> empfinden<br />

durchaus das Spannungsverhältnis beim Versuch, eine leidvolle Welt <strong>und</strong> einen guter <strong>Gott</strong><br />

nebeneinander zu denken.<br />

<strong>Im</strong> folgenden Abschnitt wird sowohl das ursprüngliche, vom christlichen Glauben unreflektiert<br />

übernommene kindliche <strong>Gott</strong>esbild als auch die Überlegung, was die Theodizee-Frage im kindlichen<br />

Alltag wirklicher aufbrechen lässt, zum Gegenstand näherer Betrachtung. Ebenfalls soll folgerichtig<br />

eine Untersuchung der so differenzierten <strong>und</strong> variierenden alltagstheologischen Umgangs-, <strong>und</strong><br />

Bewältigungsansätze des Theodizee-Dilemmas nicht vernachlässigt werden.<br />

Die folgenden empirisch er<strong>mit</strong>telten Ergebnisse, sowie die zentralen entwicklungspsychologischen<br />

Koordinaten sind dem Dissertationsprojekt von Eva Stögbauer entlehnt, wobei Kommentierung <strong>und</strong><br />

Analyse an dieser Stelle eigenständig <strong>und</strong> vertiefend vorgenommen werden sollen. 37<br />

Die Integration dieses Abschnitts in das Gesamte der Arbeit sei vom abgesteckten Rahmen dieses<br />

Wettbewerbs her gerechtfertigt, Ein von Jugendlichen wahrgenommener Schülerwettbewerb, sollte<br />

gerade diese auch zu Wort kommen lassen.<br />

a) „Ich stelle mir <strong>Gott</strong> vor als einen älteren Mann <strong>mit</strong> Bart…“<br />

- der positiv besetzte kindliche <strong>Gott</strong>esbegriff als Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

Prämisse des Theodizee-Dilemmas<br />

Insbesondere das <strong>Gott</strong>esbild des Kindesalters wird geprägt von unkritischer <strong>und</strong> unreflektierter<br />

Übernahme des traditionellen christlichen Verständnisses <strong>und</strong> der äußeren dargebotenen<br />

Annäherungsmuster, d.h. vom Rahmen der religiösen Sozialisation. Innerhalb des kindlichen, bzw.<br />

altersentsprechenden Gedankenhorizontes werden von außen übernommene Strukturen besetzt <strong>und</strong><br />

in Beziehung gebracht, so wie beispielsweise den angenommenen Eigenschaften <strong>Gott</strong>es<br />

entsprechende personifizierende Synonyme zur erleichterten <strong>Gott</strong>esdarstellung Anwendung finden.<br />

Charakteristisch ist nicht das Abstrakte, jede konkrete Vorstellung Ablehnende, sondern die<br />

Personifizierung <strong>und</strong> ein Vergleich <strong>mit</strong> dem Vertrauten <strong>und</strong> Sicherheit Gebenden.<br />

„Ich stelle mir <strong>Gott</strong> als eine allgegenwärtige Vertrauensperson vor, die mir hilft, schwierige Situationen<br />

zu meistern“ 38 - geradezu klassisch für ein derartiges, noch nicht von der Lebenswirklichkeit<br />

erschüttertes <strong>Gott</strong>esbild ist der Vorstellungskomplex des Schöpfergottes, welcher durch die<br />

Gestaltung eines guten Anfangs das Leben einem Sinnpotential unterstellt <strong>und</strong> sich für eine<br />

endgültige Vollendung der defizitären Welt verbürgt. Ebenso Sicherheit versprechend sind<br />

anthropomorphe Anschauungen, wie die des alten Mannes oder Vatergottes, welcher insbesondere<br />

<strong>Gott</strong> als Dialogpartner <strong>und</strong> Helfer suggeriert <strong>und</strong> dessen Nähe <strong>und</strong> Kraftquelle intensivierend<br />

hervorhebt. Eine magisch-mythische Erhöhung <strong>Gott</strong>es ist für das kindliche Gedankengefüge in<br />

gleicher Weise charakteristisch wie die Einschätzung <strong>und</strong> Erwartung eines belohnenden,<br />

bewahrenden oder sanktionierenden direkten Eingreifens <strong>Gott</strong>es, um die von <strong>Gott</strong> angelegten<br />

Strukturen als gute zu erhalten. Nur ein solches nahezu ausschließlich positiv besetztes<br />

<strong>Gott</strong>esverständnis kann sich überhaupt als Widerspruch zur rational erfahrenen, leidverhafteten<br />

Wirklichkeit etablieren. Als solches - hier liegt der Gr<strong>und</strong> für die zuvor durchgeführte Nachzeichnung<br />

des kindlich-christlichen <strong>Gott</strong>esbildes - wird es zum Ausgangspunkt der Theodizee-Frage, sobald sich<br />

die <strong>Gott</strong> zugesprochenen Attribute an die Wirklichkeit nicht mehr verifizieren lassen 39 .<br />

37 Eva Stögbauer: „Die Theodizee-Frage bei Jugendkichen wahrnehmen“. Eine qualitativ-empirische Spurensuche(Universität<br />

Regensburg)<br />

38 „<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 147<br />

39 Vgl. „<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 152


Entnommen aus: „Ich wünsche dir gute Träume“, S. 8<br />

Allein vor dem Hintergr<strong>und</strong> des positiv<br />

koordinierten christlichen <strong>Gott</strong>esbildes, welches<br />

von Kindern übernommen <strong>und</strong> womöglich gar<br />

noch intensiviert wird, kann die Theodizee-<br />

Frage überhaupt gestellt werden.<br />

b) Was lässt die Theodizee-Problematik aufbrechen?<br />

- Ausgangspunkt <strong>und</strong> Anbindung des Dilemmas in der Lebenswelt<br />

von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

„Ich kann nicht an ihn glauben, wenn ich daran denke, wie schlecht es vielen Menschen in der Welt<br />

geht“ - „Ich stelle mir <strong>Gott</strong> vor <strong>und</strong> frage mich, ob es ihn wirklich gibt…“. Bereits Kinder <strong>und</strong><br />

Jugendliche sind schmerzlichen Erfahrungen ausgesetzt, wenn Fre<strong>und</strong>schafts- oder<br />

Liebesbeziehungen zerbrechen, eine nahestehende Bezugsperson stirbt oder sie selbst zum Opfer<br />

des steigenden Leistungsdrucks werden. Neben direkter persönlicher Konfrontation wird auch<br />

die entfernte Umwelt als defizitär wahrgenommen, wenn Massenmedien, Natur- <strong>und</strong> daraus folgende<br />

Menschheitskatastrophen vermelden, Forscher vor der Klimakatastrophe warnen oder Hilfswerke<br />

Armut, Hunger <strong>und</strong> Krankheit ins kollektive Gewissen rufen. Derartige Traumatisierung oder leidvolle<br />

Erfahrungen<br />

verlangen primär nach Bewältigung, Milderung oder Integration in die eigene Lebenswirklichkeit;<br />

Jugendliche greifen laut den erhobenen Daten der dieser Abfassung zugr<strong>und</strong>e liegenden Studien auf<br />

differenzierte Verarbeitungsstrategien zurück: Sie führen die Unterstützung von Familie oder<br />

Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> die Hoffnung auf begrenzte Dauer des <strong>Leid</strong>ens an oder nennen eine „religiöse<br />

Sinngebung“ als Unterstützung, welche „konstruktive Momente der <strong>Leid</strong>verarbeitung“ eröffnet.<br />

Schlagartig oder schrittweise erfolgt die Ernüchterung <strong>und</strong> Desillusionierung des jungen Menschen;<br />

dennoch muss in dieser Zeit die Theodizee-Frage nicht zwangsläufig oder notwendigerweise<br />

aufbrechen. Insbesondere Gläubige oder in religiöser Sozialisation gefestigte Jugendliche müssen<br />

feststellen, dass an ihrem bisherigen <strong>Gott</strong>esbild nur schwer festgehalten werden kann <strong>und</strong> dieses, am<br />

Maßstab der Realität gemessen, nur allzu leicht versagt.<br />

Die Wahrnehmung der Theodizee-Problematik fällt im Leben Heranwachsender nicht zufällig vom<br />

Himmel, sondern ist „die konsequente Schlussfolgerung aus der biographischen <strong>und</strong>/oder medial<br />

ver<strong>mit</strong>telten Erfahrungswelt“, sobald das übernommene traditionell christliche <strong>Gott</strong>esbild am Maßstab<br />

der Wirklichkeit nicht länger verifiziert werden kann.<br />

Zum Stein des Anstoßes der Theodizee-Frage in der Alltagswirklichkeit etabliert sich gemäß den<br />

erhobenen Angaben die biographische, direkte <strong>und</strong> medial ver<strong>mit</strong>telte Konfrontation, <strong>mit</strong> singulären<br />

<strong>und</strong> universalen/globalen <strong>Leid</strong>, dem „male morale“, d.h. dem vom Menschen schuldhaft gesetzten<br />

Schlechten, <strong>und</strong> dem „male physicum“, natürlichem, vom Menschen nicht verursachtem <strong>und</strong> nicht zu<br />

verantwortendem <strong>Leid</strong>. Obwohl persönliche schmerzliche Momente nur selten als Ausgangspunkt des<br />

Aufbrechens der Theodizee-Frage angeführt werden - was die Autorin der angesprochenen Arbeit<br />

anmerkt <strong>und</strong> auf Zurückhaltung aufgr<strong>und</strong> der Datenerhebung verweist -, kann existentiell<br />

widerfahrenes <strong>Leid</strong> am intensivsten für die Auseinandersetzung <strong>mit</strong> der Theodizee sensibilisieren.<br />

Dieser Richtung entsprechend <strong>und</strong> diesen Ansatz bestätigend betont eine weitere Erkenntnis die<br />

Relevanz der <strong>Gott</strong>esfrage, aber auch des Gegenkonzeptes zur Theodizee, der Hinwendung zu <strong>Gott</strong>,<br />

in schwierigen <strong>und</strong> problematisch erlebten Zeiten: „Die Theodizee, aber auch das Gebet“, so Eva


Stögbauer 40 , „sind weniger im Alltag als in den Brüchen <strong>und</strong> Grenzen desselben präsent.“ Gerade<br />

diese kontrastierenden Reaktionen, die des Zweifelns, die der Rückbindung in <strong>Gott</strong> auf erlittenes <strong>Leid</strong>,<br />

verweisen auf differenzierte Verarbeitungsstrategien Jugendlicher <strong>und</strong> lassen bereits die variierenden<br />

<strong>und</strong> zum Teil auch gegensätzlichen Lösungspotentiale des Theodizee-Dilemmas erahnen.<br />

c) Konsequenzen der Theodizee-Wahrnehmung:<br />

Zwischen dem Ringen um <strong>und</strong> zweifelnden Anfragen an das eigene<br />

<strong>Gott</strong>verständnis<br />

Die Auseinandersetzung <strong>mit</strong> der Theodizee kann in der Lebenswirklichkeit Heranwachsender<br />

unterschiedliche Positionen besetzen, nicht zuletzt von religiöser Selbstwahrnehmung <strong>und</strong> der<br />

Position zu <strong>Gott</strong>, genauso wie sie die eigene <strong>Gott</strong>esbeziehung beeinflusst, ob diese als plausibel,<br />

ambivalent oder unsicher empf<strong>und</strong>en wird. Die lange Kette verschiedener Reaktionen reicht von der<br />

Unempfindlichkeit gegenüber der Theodizee, wenn <strong>Leid</strong> <strong>und</strong> die Frage nach <strong>Gott</strong> in Beziehung<br />

gesetzt werden, über das radikalste Verhaltensmuster, welches <strong>Leid</strong> zum stärksten Argument gegen<br />

den <strong>Gott</strong>esglauben gr<strong>und</strong>sätzlich deklariert, bis zur Wahrnehmung der Theodizee als<br />

Herausforderung, als Prüfstein des Glaubens.<br />

Verschiedene entwicklungspsychologische Analysen betonen unterschiedliche Konsequenzen der<br />

Theodizee-Wahrnehmung: Die Theodizee wird als „erste, zentrale Einbruchstelle für Verlust des<br />

Glaubens“ bezeichnet, eine aus ihrem Dilemma resultierende Überzeugung der Nichtexistenz <strong>Gott</strong>es<br />

wird als „Protest-Atheismus“ völlig verworfen oder die Relevanz der Theodizee für den Glauben<br />

Heranwachsender wird als Gr<strong>und</strong>legend “gering“ eingestuft.<br />

Diese breite Palette der Möglichkeiten Jugendlicher, <strong>mit</strong> der Theodizee-Frage umzugehen <strong>und</strong> ihre<br />

Widersprüchlichkeiten zu lösen, spiegle, so die Autorin, die „Individualisierung <strong>und</strong> Säkularisierung“<br />

der Welt <strong>und</strong> des Glaubens auf der einen Seite, <strong>und</strong> bezeuge auf der anderen Seite den<br />

„Entwicklungsprozess der <strong>Gott</strong>esvorstellung Heranwachsender, dessen weiterer Verlauf nicht<br />

eindeutig zu prognostizieren ist“ 41 . Ein alternativer Umgang <strong>mit</strong> der Theodizee wird angedacht,<br />

relativiert <strong>und</strong> verworfen; persönliche Deutungen in produktivem Dialog <strong>mit</strong> klassisch christlichen<br />

Antworten lassen diese erweitern, f<strong>und</strong>ieren, modifizieren. Ebenfalls wurde festgehalten, dass<br />

unterschiedliche Argumentationsstrukturen altersabhängig als, besonderes attraktiv erscheinen, wobei<br />

zugleich gewarnt wird, die Reaktion Jugendlicher nicht auf Altersstufen zu fixieren <strong>und</strong> daher zu<br />

schematisieren <strong>und</strong> reduzieren, sondern viel eher der „reellen Selbsteinschätzung <strong>und</strong> Sozialisation“<br />

Beachtung zu schenken <strong>und</strong> aktuelle biographische Ereignisse <strong>und</strong> deren Einfluss auf die<br />

Antwortsuche zur Theodizee zu berücksichtigen.<br />

Ein Argumentationsmuster, welches sich unter allen konstruktiven Lösungspotentialen eindrücklich<br />

etabliert <strong>und</strong> bei Heranwachsenden durchsetzt, ist die, durch Umfragen bestätigte, Arbeit am<br />

<strong>Gott</strong>esbild, die Modifizierung der Wesenszüge <strong>Gott</strong>es, dass diese <strong>mit</strong> einer leidvolleren<br />

Lebenswirklichkeit leichter <strong>und</strong> rational zu vereinbaren sind.<br />

40 Eva Stögbauer: Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Religionspädagogik, Universität Regensburg<br />

41 „<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 158


Entnommen aus: „Ich wünsche dir gute Träume“, S. 72<br />

Die Tendenz junger Menschen ist gerade nicht<br />

darauf ausgerichtet, das <strong>Leid</strong> einem letztlich<br />

guten Zweck zu unterstellen oder es zu<br />

beschönigen, sondern viel eher in seiner Härte<br />

als bestehend anzuerkennen <strong>und</strong> ihr<br />

ursprünglich ausschließlich positiv besetzten<br />

<strong>Gott</strong>esverständnis auf Vereinbarkeit <strong>mit</strong> der als<br />

unvollkommen wahrgenommen Welt hin zu<br />

befragen. Jugendliche oder bereits Kinder<br />

versuchen die Spannung zwischen realer<br />

Erfahrungswelt <strong>und</strong> ihrem eigenchristlichen<br />

<strong>Gott</strong>esbegriff abzubauen, indem sie diesen<br />

modifizieren <strong>und</strong> der Tatsache des <strong>Leid</strong>ens<br />

anpassen, wie das folgende Beispiel, welches<br />

einem eher kindlichen Verstehenshorizont<br />

entstammt, beweist: Das bisherige<br />

Gedankenmuster eines „alten Mannes <strong>mit</strong> Bart“<br />

wird dahingehend verändert, dass dieser<br />

aufgr<strong>und</strong> seines „hohen Alters“ <strong>und</strong> seiner<br />

„Einzigartigkeit“ zu gestresst <strong>und</strong> <strong>mit</strong> allen<br />

unheilvollen Komponenten der Welt schlicht<br />

überfordert sei - eine Modifikation, die den<br />

<strong>Gott</strong>esglauben nicht preisgibt, sondern die<br />

Existenz von <strong>Leid</strong> <strong>und</strong> einen guten <strong>Gott</strong> wieder<br />

nebeneinander denkbar macht.<br />

In analogen Strukturen ringen viele junge Menschen um ihren Glauben, der für sie zu kostbar ist, um<br />

ihn zugunsten einer als leidvoll erfahrenen Welt aufzugeben. Eine Option, die Arbeit am <strong>Gott</strong>esbild,<br />

wird für sie zur gangbaren Alternative: Durch Abwendung von traditionell christlichen <strong>Gott</strong>esattributen<br />

<strong>und</strong> bewusste Setzung neuer teils kontrastierender Prädikate wird innerhalb des Vernunftrahmens von<br />

Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen das aufgezeigte Theodizee-Dilemma gelöst <strong>und</strong> <strong>Gott</strong> vor allem für sie<br />

wieder verstehbar.<br />

Eva Stögbauer verweist zudem auf die durch empirische Er<strong>mit</strong>tlungen bestätigte Tatsache, dass junge<br />

Menschen häufig eine Verbindung der Theodizee zu weiteren für sie relevanten theologischen bzw.<br />

philosophischen Fragen knüpfen. Die Auseinandersetzung <strong>mit</strong> dem Theodizee-Dilemma geht stark <strong>mit</strong><br />

Reflexion über die Sinnfrage einher: Jugendliche wollen trotz der Theodizee-Widersprüchlichkeit an<br />

<strong>Gott</strong> als „begleitendem Sinnpotential <strong>und</strong> Hoffnungshorizont“ festhalten, die Zukunft nicht als sinnlos,<br />

leer <strong>und</strong> gefährdend wahrnehmen, sondern ihren Glauben auch gegen die Theodizee verteidigen. In<br />

strukturell ähnlicher Weise sind Jugendliche dazu geneigt, von der Theodizee angestoßen, den<br />

Rahmen der Theodizee-Auseinandersetzung zu verlassen <strong>und</strong> darüber hinaus das<br />

Spannungsverhältnis von menschlicher Autonomie <strong>und</strong> göttlicher Heteronomie auszuhalten:<br />

Insbesondere ältere Jugendliche weisen <strong>mit</strong> Blick auf die Wahrung der Freiheit des Menschen eine<br />

direkte Intervention <strong>Gott</strong>es zur Vermeidung menschlicher leidverursachender Verfehlungen zurück.<br />

Dennoch stehe, so die Autorin, der „<strong>Im</strong>perativ, dass <strong>Gott</strong> einschreite“, um <strong>Leid</strong> zu verhindern weiterhin<br />

im Raum, sodass selbst der „Rekurs auf menschliche Handlungsfreiheit (…) <strong>Gott</strong> nicht von der<br />

Letztverantwortung“ entlaste. In dieser Richtung bewegen sich die gr<strong>und</strong>sätzlichen Erwägungen der<br />

Jugendlichen bezüglich der menschlichen Freiheit <strong>und</strong> der im Gr<strong>und</strong>e abgelehnten, aber in manchen<br />

Fällen dennoch gerechtfertigten Beschneidung dieses Freiheitsraumes durch <strong>Gott</strong>es Eingreifen.<br />

Die Wahrnehmung der Theodizee-Problematik wird folglich zum Ausgangspunkt <strong>mit</strong> weiteren<br />

religionsphilosophischen Fragestellungen. Das Qualifikationsprojekt empirisch er<strong>mit</strong>telter <strong>und</strong><br />

ausgewerteter Ergebnisse bezüglich der Wahrnehmung der Theodizee-Frage bei Kindern <strong>und</strong><br />

Jugendlichen belegt eindrucksvoll, dass insbesondere junge Menschen nicht vor der Radikalität des<br />

Theodizee-Dilemmas kapitulieren, sondern sich existentiell <strong>mit</strong> der Spannung ihrer Erfahrungswelt <strong>mit</strong><br />

dem eigenem <strong>Gott</strong>verständnis auseinandersetzen.


Innerhalb ihres jeweiligen<br />

Verständnishorizonts bemühen sich<br />

junge Heranwachsende um konstruktive<br />

Lösungspotentiale, zumeist in der<br />

Absicht, ihr <strong>Gott</strong>esverständnis, welches<br />

angesichts einer mehr <strong>und</strong> mehr<br />

realisierten leidvollen Wirklichkeit nicht<br />

länger verifiziert werden kann, zu<br />

verteidigen. Ihr ursprünglich<br />

ausschließlich positiv konnotiertes<br />

<strong>Gott</strong>esbild wird erschüttert von der<br />

Wahrnehmung einer defizitären <strong>und</strong><br />

da<strong>mit</strong> <strong>mit</strong> ihrem <strong>Gott</strong>begriff<br />

unvereinbaren Welt, hinterfragt <strong>und</strong>,<br />

insbesondere von jüngeren,<br />

dahingehend modifiziert, dass die<br />

Widersprüchlichkeit des Theodizee-<br />

Dilemmas in ihren Augen aufgehoben ist;<br />

selten wird die Theodizee-Problematik<br />

zum härtesten Argument gegen die<br />

Existenz <strong>Gott</strong>es – vielmehr reiben sich<br />

junge Menschen, von der Wirklichkeit<br />

angestoßen, an der rational nicht<br />

auflösbaren Widersprüchlichkeit, da sie<br />

sich weigern, <strong>Gott</strong> <strong>und</strong> da<strong>mit</strong> einen<br />

sinngebenden Horizont ihres Lebens <strong>und</strong><br />

ihrer Zukunft leichtfertig aufzugeben.<br />

Entnommen aus: „Ich wünsche dir gute Träume“, S. 58


B V. Die Theodizee im Spiegel der Literatur<br />

Der Hilferuf eines Kriegsheimkehrers an einen schweigenden (als<br />

schweigend erfahrenen) <strong>Gott</strong> in Wolfgang Borcherts „Draußen vor<br />

der Tür“<br />

Fieberkrank <strong>und</strong> gebrochen kehrt 1945 der erst 24-jährige Wolfgang Borchert von der Ostfront in die<br />

Trümmer Hamburgs zurück: Knapp zwei Jahre werden seine Kriegsleiden den jungen Mann noch<br />

überleben lassen, knapp zwei Jahre werden dem von Krieg <strong>und</strong> Gefangenschaft Gezeichneten noch<br />

bleiben, um zu einer der erschütterndsten Stimmen der un<strong>mit</strong>telbaren Nachkriegszeit zu werden.<br />

„Wann hast du dich jemals um uns gekümmert, <strong>Gott</strong>“ 42 - im Spätherbst 1946 legt der junge todkranke<br />

Autor dem Protagonisten seines einzigen Dramas diese Worte in den M<strong>und</strong> - <strong>und</strong> lässt die Theodizee<br />

zum Thema werden in der Literatur nach der „St<strong>und</strong>e Null“.<br />

Nicht allein sachlich-dokumentativ, sondern kreativ <strong>und</strong> un<strong>mit</strong>telbar im fiktivem oder realen<br />

Geschehen situiert, erlaubt die Literatur eine Annäherung an die Theodizee-Problematik: Sie bietet<br />

Gestaltungsspielraum für lebendiges Ausspielen differenzierter oder gegensätzlicher Positionen, sie<br />

kann Lösungsansätze gefahrlos durchprobieren, anwenden <strong>und</strong> scheitern lassen oder/<strong>und</strong> zur<br />

Projektionsfläche aktueller <strong>und</strong> wirklicher Geschehnisse, in denen die Theodizee-Frage aufbricht:<br />

sicherlich genügend Ansatzpunkte, die eine nähere Betrachtung der Theodizee im Spiegel der<br />

Literatur zumindest rechtfertigen <strong>und</strong> im Rahmen dieser Arbeit angebracht erscheinen lassen. „Wie<br />

wird das Theodizee-Dilemma gestalterisch dargestellt?“ - „Wie wird die Frage thematisch<br />

aufgearbeitet <strong>und</strong> welche möglichen Umgangsformen werden aufgezeigt?“ - „Ist ihr Aufbrechen<br />

typisch für einen bestimmten literaturhistorischen Hintergr<strong>und</strong> oder Autor?“ - Fragen <strong>und</strong> potentielle<br />

Untersuchungsgebiete ließen sich weiterführen, verdeutlichen aber vor allem auch, dass in diesem<br />

Kapitel nicht länger Charakter <strong>und</strong> einzelne Facetten der Theodizee im Mittelpunkt stehen werden,<br />

sondern der Betrachtungsschwerpunkt sich nun viel mehr auf die höhere Ebene des Umgangs, der<br />

Verarbeitung der Theodizee-Frage verlagert .<br />

Wolfgang Borcherts Nachkriegsdrama „Draußen vor der Tür“ thematisiert die Theodizee-Frage nicht<br />

als Hauptgedanke oder Leitfrage, dennoch kommt sie zur Sprache, wird angerissen <strong>und</strong><br />

problematisiert, was allerdings nicht einmal als zeittypisch betrachtet werden kann: Die Erschütterung<br />

durch den<br />

Zweiten Weltkrieg, Exil, Völkermord <strong>und</strong> Holocaust oder die Soldatenexistenz lassen die Theodizee<br />

nicht zwangsläufig <strong>und</strong> notwendig zum literarischen Thema werden, wie die Werke der Exil- <strong>und</strong><br />

Nachkriegsliteratur beweisen. Bei Borchert jedoch bricht sie auf, innerhalb einer sinnentleerten <strong>und</strong><br />

nur noch zum Tod hin offenen Existenz des literarischen Hauptcharakters, aufgr<strong>und</strong> der völligen<br />

menschlichen Inhaltslosigkeit eines Lebens <strong>und</strong> der äußeren Trostlosigkeit, sowie tiefster innerer<br />

Verzweiflung abgerungen. Die Erfahrung äußerster Grausamkeit <strong>und</strong> Hoffnungslosigkeit sowohl des<br />

Protagonisten als auch des jungen Autors radikalisieren die Theodizee in dem Maße, dass sie zur<br />

existentiellen Frage werden <strong>und</strong> jeden Lesenden erschüttern <strong>und</strong> betroffen machen muss.<br />

a) „Schreiben im Wettlauf <strong>mit</strong> dem Tode“<br />

- Die Stimme Wolfgang Borcherts-<br />

Wolfgang Borchert, geb. am 20. Mai 1921 in Hamburg, war zuerst Schauspieler, dann Buchhändler,<br />

bevor er 1940 von der Gestapo verhaftet <strong>und</strong> 1941 zur Soldatenausbildung eingezogen wurde. Die<br />

Erfahrung von Drill <strong>und</strong> Unmenschlichkeit des Soldatentums <strong>und</strong> der Eindruck des nahe gelegenen<br />

KZ Buchenwald schürten seine Ablehnung gegenüber dem nationalsozialistischen Staat. 1941, im<br />

Jahr des Überfalls auf die Sowjetunion, wurde er an die Ostfront geschickt, wo er auch zum Einsatz<br />

kam <strong>und</strong> seit 1942 an Gelbsucht erkrankte. Aufgr<strong>und</strong> „staatsgefährdender“ Briefe verbrachte er acht<br />

Monate in Haft, wurde wieder zum Tode verurteilt <strong>und</strong> schließlich freigesprochen, um 1945, nach<br />

mehreren Krankheitsanfällen <strong>und</strong> Lazarettaufenthalten, ins kriegszerstörte Hamburg zurückzukehren.<br />

Nach erneuter Theaterarbeit war er seit dem Winter 1945/46 bis zu seinem Tod fast vollständig ans<br />

Bett gefesselt. An einer Leberkrankheit leidend <strong>und</strong> vom Krieg <strong>und</strong> Russlandeinsatz aufgezehrt,<br />

verfasste der todkranke Borchert in den folgenden zwei Jahren sein gesamtes Werk: 24 Erzählungen<br />

<strong>und</strong> Kurzgeschichten, einen Gedichtband <strong>und</strong> sein einziges Drama „Draußen vor der Tür“, welches er<br />

innerhalb weniger Tage niederschrieb. Am 20. November 1947 starb Wolfgang Borchert, <strong>mit</strong>tlerweile<br />

42 „<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 142


zur wichtigsten Stimme der deutschen Nachkriegsliteratur geworden, in einem Spital in Basel - einen<br />

Tag bevor „Draußen vor der Tür“ in Hamburg uraufgeführt wurde. „Er hatte keine Zeit <strong>und</strong> er wusste<br />

es“ - „über die Schwelle des Krieges war ihm nur eine kurze Frist gegeben“, schreibt Heinrich Böll<br />

1955, „um den Überlebenden zu sagen, was die Toten des Krieges, zu denen er gehört, nicht mehr<br />

sagen konnten.“ 43<br />

„Trümmerliteratur“ <strong>und</strong> „St<strong>und</strong>e Null“ - die un<strong>mit</strong>telbare Nachkriegszeit (kurzer<br />

Abriss)<br />

8. Mai 1945 - bedingungslose Kapitulation des besiegten Deutschland, das noch im selben Jahr auf<br />

der Potsdamer-Dreimächte-Konferenz in vier Besatzungszonen eingeteilt wird. Die erschütternde<br />

Bilanz von sechs Kriegsjahren: 55 Millionen Menschen sterben europaweit, ca. 6,3 Millionen Opfer<br />

fordert der Holocaust, Deutschland beklagt 7,8 Millionen Tote der Kriegs- <strong>und</strong> der un<strong>mit</strong>telbaren<br />

Nachkriegszeit. 10 - 11 Millionen deutsche Soldaten befinden sich bei Kriegsende in<br />

Kriegsgefangenschaft, von denen die letzten 1956 aus der Sowjetunion heimkehren. Durch Flucht <strong>und</strong><br />

inhumane Vertreibung müssen weitere 12 -14 Millionen Menschen aus den deutschen Ostgebieten in<br />

die zerbombten Städte des ökonomischen auf eine Tausch- <strong>und</strong> Naturalwirtschaft zurückgeworfenen<br />

Deutschland integriert werden. Ziffern helfen jedoch wenig, um die Gesellschaft <strong>und</strong> das kulturelle<br />

Leben, das sich langsam nach 13 Jahren Unterdrückung der Naziherrschaft wieder zu regen begann,<br />

zu charakterisieren, das Umfeld, in dem <strong>und</strong> für das Wolfgang Borchert eine kurze Zeit schrieb.<br />

Bestandaufnahme <strong>und</strong> Neuanfang konstituieren<br />

sich zu dominierenden Tendenzen der Literatur;<br />

„Kahlschlag“ oder „Trümmerliteratur“ prägen als<br />

Schlagworte die kurze intensive Periode bis<br />

1947, in der eine neue Generation von<br />

Schriftstellern die Sprache vom Gestrüpp der<br />

nationalsozialistischen Propagandasprache<br />

befreit, was zu einer Verkargung der Sprache,<br />

zum „Kahlschlag“ führt. „Die Kahlschläger fangen<br />

in Sprache, Konzeption <strong>und</strong> Substanz von vorne<br />

an.“ Während die ältere Generation sich in<br />

Vergangenheitsverdrängung, Aufbaueuphorie<br />

<strong>und</strong> „Wirtschaftsw<strong>und</strong>er“ flüchtet, setzten sich<br />

junge Autoren kritisch <strong>und</strong> analytisch <strong>mit</strong> der<br />

jüngsten Vergangenheit auseinander, eine junge<br />

Generation, die nach Kriegsende lange<br />

geschwiegen hat <strong>und</strong> von der viel mehr Anklage<br />

erwartet wird an die Älteren, die die deutsche<br />

Demokratie der Ideologie der Nationalsozialisten<br />

preisgegeben haben. In diese Erwartungshaltung<br />

hinein publiziert Borchert 1946 sein Drama: „Die<br />

oft gestellte Frage, „Wo bleibt die Jugend?“ ist<br />

schlagartig beantwortet worden,“ kommentiert die<br />

„Hamburger Freie Presse“ am 26.02.1947, „aus<br />

dem M<strong>und</strong> eines jungen talentierten Dichters hat<br />

die Jugend gesprochen, klar <strong>und</strong> aufrüttelnd. Aus<br />

tiefster Not <strong>und</strong> in vollster Bedrängnis stellt sie<br />

die große Frage nach dem Sinn <strong>und</strong> Zweck<br />

dieses Lebens, Antwort von <strong>Gott</strong> <strong>und</strong> den<br />

Menschen fordernd.“<br />

43 „<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 115<br />

Deutschland nach dem Krieg 1945


) „Ein Mann kommt nach Deutschland…“<br />

- Die Thematik -<br />

1946: Nach 3 Jahren ist der Unteroffizier Beckmann vom Krieg gezeichnet <strong>und</strong> verletzt von der<br />

Ostfront in die Trümmer seiner Heimatstadt Hamburg zurückgekehrt. „Einer von denen, die nach<br />

Hause kommen <strong>und</strong> die dann doch nicht nach Hause konnten, weil für sie kein Zuhause mehr da ist“,<br />

44 charakterisiert der Autor jene Kriegsheimkehrer.<br />

Traum <strong>und</strong> Wirklichkeit verschwimmen im scheiternden<br />

Selbstmordversuch Beckmanns, der sich ohnmächtig<br />

<strong>und</strong> erschüttert vor seiner zerbrochenen Existenz<br />

wiederfindet: Sein kleiner Sohn - Todesopfer des<br />

Bomben-hagels; sein Platz an der Seite seiner Frau -<br />

Beckmann ist ersetzt durch einen Fremden, die Tür<br />

eines sicheren Zuhauses –verschlossen. Wolfgang<br />

Borchert lässt seinen Protagonisten verstört <strong>und</strong> ohne<br />

Halt im Leben durch die finsteren <strong>und</strong> kalten Gassen<br />

der zerstörten Stadt irren, der „Andere“, der „Ja sagt,<br />

wenn du Nein sagst, der antreibt, wenn du müde wirst“<br />

45 - die zur Todessehnsucht Beckmanns<br />

gegensätzliche personifizierte Bewusstseinsebene -<br />

wird zu seinem einzigen Begleiter, dessen Plädoyer für<br />

individuelle Sinngebung im Leben er dem<br />

sinnvernichtenden Nihilismus des Todes abzuringen<br />

versucht. Eine Gasmaskenbrille,<br />

die er selbst jetzt noch zu tragen gezwungen ist <strong>und</strong> die andern allein den Verständnislosen <strong>und</strong><br />

spottenden Kommentar „Der Krieg ist doch vorbei!“ entlockt, wird zum charakteristischen Symbol<br />

seiner Soldatenexistenz, die noch immer unverblasst <strong>und</strong> traumatisierend in sein Leben hineinragt.<br />

Illusionslos <strong>und</strong> unermüdlich wird Beckmann in diesem Sinne von seiner schuldbehafteten<br />

Vergangenheit eingeholt, seit in den Kampfhandlungen bei Stalingrad „elf Männer seines Spähtrupps<br />

<strong>und</strong> so<strong>mit</strong> seiner Verantwortung unterstehenden fehlten“, sodass Beckmann ein nächtliches Martyrium<br />

grotesker Träume <strong>und</strong> Anklagen durchlebt, welches ihn letztlich um den Schlaf bringt. Nur „um endlich<br />

mal wieder schlafen“ 46 zu können, versucht er die Verantwortung für seine Kriegsschuld an seinen<br />

Vorgesetzten zurückzugeben - einen jener militärischen Eliten, die sich bereits kurz nach Kriegsende<br />

wieder existentiell <strong>und</strong> ökonomisch etabliert hatten, <strong>und</strong> jegliche Aufarbeitung <strong>mit</strong> der Vergangenheit<br />

mieden. In die Reihe dieser Opportunisten reiht der Autor weiterhin einen Kabarett-Direktor, der<br />

„Wahrheit“ <strong>und</strong> nüchterne Bestandsaufnahme der Jugend fordert <strong>und</strong> dennoch für Beckmanns<br />

Wahrheitsbegriff - seinen ungeschönten menschlichen Zerfall - zu feige ist, <strong>und</strong> Frau Kramer, deren<br />

Weltbild allein an Besitzverhältnissen festgemacht ist, ein. An beiden Repräsentanten einer<br />

eigennützigen Gruppierung der deutschen Nachkriegsgesellschaft kann Beckmanns Hilferuf nur<br />

scheitern <strong>und</strong> abprallen - Borchert gibt diese verdrängende <strong>und</strong> vorwärtsfliehende Generation<br />

unerbittlicher Kritik preis.<br />

„Ich will das alles nicht mehr aushalten“ 47 : Allein der Körper schleppt sich vom „Andern“ unermüdlich<br />

aufgerissen <strong>und</strong> angetrieben noch wenige Meter vorwärts, sein Geist ist erfüllt von einem „schönen,<br />

w<strong>und</strong>erschönen Traum“ 48 von einer für ihn einzig im Tod noch offen gehaltenen Tür <strong>und</strong> unerreichbar<br />

für den Lebenswillen des „Anderen“ - das Leben schlechthin ist für Beckmann „weniger als Nichts“.<br />

Nachdem er <strong>mit</strong> dem personifizierten „Lieben <strong>Gott</strong>“ zusammengetroffen ist - seine <strong>Leid</strong>erfahrung hat<br />

den Glauben <strong>und</strong> jede sinngebende Jenseitshoffnung längst verunmöglicht -, wird Beckmann, durch<br />

Personen repräsentiert, <strong>mit</strong> den Stationen seiner Rückkehr konfrontiert. All jenen weist der <strong>Leid</strong>ende<br />

das Maß ihrer Schuld an seinem Elend zu, alle jenen, die ihm „in aller Güte (…) umgebracht“ 49<br />

haben, „gehen an meinem Tod vorbei“ 50 . Am Ende der Reihe der Vorbeigehenden, hinkt ein<br />

„Einbeiniger“: „Du hast mich ermordet, Beckmann“ 51 - Beckmann, der Mörder, Beckmann, das Opfer,<br />

44 „Draußen vor der Tür“, Wolfgang Borchert S. 8<br />

45 Ebd. S. 15<br />

46 Ebd. S. 25<br />

47 Ebd. S. 38<br />

48 Ebd. S. 45<br />

49 Ebd. S. 45<br />

50 „Draußen vor der Tür“, Wolfgang Borchert S. 45<br />

51 Ebd. S. 52


ingt existentiell um die Aussage: „Wir werden jeden Tag ermordet <strong>und</strong> jeden Tag begehen wir einen<br />

Mord“ 52 , <strong>und</strong> um die eigene Verstrickung von Täterschaft <strong>und</strong> Opferdasein.<br />

Später erst wurde auf das Drama, als den „Aufschrei Borcherts“ Bezug genommen, eine radikale<br />

Charakterisierung, die vom Ende her zu rechtfertigen sind:<br />

„Wo ist der alte Mann, der sich <strong>Gott</strong> nennt?<br />

Warum redet er denn nicht?<br />

Gebt doch Antwort!<br />

Warum schweigt ihr denn? Warum?<br />

Gibt denn keiner eine Antwort?<br />

Gibt keiner Antwort???<br />

Gibt denn keiner, keiner Antwort???“ 53<br />

Beckmann schreit seine verbitterte Frage nach<br />

dem Sinn dieses Lebens in die noch<br />

zertrümmerte, aber bereits ohne Rückblick<br />

aufbrechende Nachkriegsgesellschaft, er sucht<br />

taumelnd <strong>und</strong> klagend nach Orientierung <strong>und</strong><br />

Halt in einer erschütterten Welt <strong>und</strong> verlangt<br />

unerbittlich eine Auseinandersetzung <strong>mit</strong> der<br />

Frage nach Schuld. Bewusst verneint Borchert<br />

den Tod seines Helden nach diesen letzten<br />

Zeilen des Drama; vielmehr hält er einzig am<br />

Nachhall dieses Aufschreis fest.<br />

Edvard Munch, „Der Schrei“<br />

Als „Spiegel der Zeit <strong>und</strong> Abdruck des Jahrh<strong>und</strong>erts“, räumte die Literaturkritik Borcherts Drama der<br />

„Verzweiflungsliteratur“ aufrüttelnde <strong>und</strong> eindrucksvolle Gültigkeit ein. Wolfgang Borchert gab den<br />

Heimkehrenden des Zweiten Weltkriegs ein Gesicht <strong>und</strong> wagte es, die Wahrheit eines Krieges<br />

auszusprechen, von der in gleichem Maß die Biographie des Autos selbst zeugt.<br />

c) Die Theodizee in Borcherts Drama<br />

- Spurensuche <strong>und</strong> Analyse<br />

„Wo ist der alte Mann, der sich <strong>Gott</strong> nennt? Warum redet er nicht?“ - eine der vielen Fragen, die<br />

Beckmann am Ende des Dramas aus tiefstem <strong>Leid</strong>en in die Trümmer seiner kriegszerstörten Welt<br />

hinausschreit, die verhallt <strong>und</strong> auf die er keine Antwort bekommt.<br />

Die Frage nach dem Schweigen <strong>Gott</strong>es, nach der so verspürten Abwesenheit <strong>Gott</strong>es auf einen<br />

menschlichen Hilferuf in den letzten Zeilen des Stücks bezeugen, dass die Theodizee auch hier zum<br />

Thema wird, sobald die Erfahrung des <strong>Leid</strong>ens den Glauben an die Güte <strong>Gott</strong>es erschüttert.<br />

In ganz besonderer Weise problematisiert Borchert die Theodizee in „Draußen vor der Tür“ in der<br />

Schlussszene seines Werkes: Er lässt seinen Protagonisten nicht innerlich um <strong>Gott</strong> ringen <strong>und</strong> an der<br />

Unlösbarkeit deines Dilemmas scheitern, sondern er lässt <strong>Gott</strong> in Gestalt eines alten Mannes als<br />

direkten Dialogpartner Beckmanns auf die Bühne treten <strong>und</strong> sich selbst definieren. Hinter dieser<br />

Selbstoffenbarung <strong>Gott</strong>es verbirgt sich nicht etwa - <strong>und</strong> nur unter dieser Prämisse kann die weitere<br />

Betrachtung erfolgen - die Erkenntnis letzter Wahrheiten über <strong>Gott</strong>, sondern einzig das subjektive<br />

<strong>Gott</strong>esbild des Autors. Der <strong>Gott</strong> des Dramas ist folglich Ausdruck des menschlichen Glaubens <strong>und</strong><br />

<strong>Gott</strong>esverständnisses <strong>und</strong> als solcher notwendigerweise spekulativ. Durch Gestaltung der<br />

Selbstenthüllung <strong>Gott</strong>es gelingt es Borchert aber dennoch, menschliches Bemühen um die Theodizee<br />

sowie eine mögliche Antwort auf die Theodizee-Frage zu verweben: Beckmanns Fragen, Beckmanns<br />

Unverständnis spiegeln den Umgang des Menschen <strong>mit</strong> dem Dilemma der Theodizee, während der<br />

Autor in den Worten <strong>Gott</strong>es eine - allerdings seine subjektive - Lösung anbietet.<br />

52 Ebd.<br />

53 Ebd. S. 54


Von dieser Struktur ausgehend, soll im Folgenden zuerst die Person Beckmanns betrachtet werden,<br />

um danach den Blick auf die von Borchert dargebotene Antwort im personifizierten <strong>Gott</strong> zu lenken.<br />

Beckmann, der einen „Lieben <strong>Gott</strong>“ zu verstehen versucht…<br />

Zunächst bleibt festzuhalten, dass der Protagonist im gesamten Verlauf des Dramas von jeglicher<br />

Reflexion über sein <strong>Leid</strong> distanziert <strong>und</strong> unberührt bleibt: Beckmann leidet, er leidet existentiell <strong>und</strong><br />

dieses <strong>Leid</strong>en - seine Einsamkeit, seine Schuld, sein Hunger <strong>und</strong> seine Lebensmüdigkeit - ist für ihn<br />

so wirklich <strong>und</strong> nimmt ihn in einer solchen Absolutheit ein, dass er sich nicht einmal im Ansatz davon<br />

lösen <strong>und</strong> gewissermaßen darüber nachdenken kann. Für ihn ist sein Schicksal nicht Problem,<br />

sondern un<strong>mit</strong>telbare <strong>und</strong> entsetzliche Realität. Zur Theodizee-Frage gelangt er daher nicht von<br />

selbst, d.h. aus eigener Reflektion heraus, für die ihm seine Not keinerlei Raum lässt, sondern er wird<br />

vielmehr angestoßen durch das Erscheinen eines alten Mannes, der ihn an <strong>Gott</strong> erinnert.<br />

Beckmanns Bemühungen um die Theodizee erfolgt in schrittweiser Steigerung, vom Zusammenprall<br />

seines naiven, ungetrübten <strong>Gott</strong>glaubens <strong>mit</strong> der Realität bis zur offenen Anklage. Zunächst muss er<br />

feststellen, wie leicht es für die „Zufriedenen, die Satten, die Glücklichen“ 54 ist, auf einen guten <strong>und</strong><br />

schützenden <strong>Gott</strong> zu bauen, da dieses <strong>Gott</strong>esbild sich in keiner Weise an der Wirklichkeit, an ihrer<br />

Wirklichkeit reibt oder einen Bruch erfährt. Eine unbelastete Lebensrealität scheint das ausschließlich<br />

positiv konnotierte <strong>Gott</strong>esbild gar zu bestätigen <strong>und</strong> in keiner Weise in Frage zu stellen. Freilich folgt<br />

daraus, dass erst die Erfahrung von <strong>Leid</strong>, das Erlebnis einer defizitären Welt zum Prüfstein des<br />

Glaubens wird - eine Erkenntnis, die stark an das alttestamentliche Buch Ijob erinnert. „Ist Ijob ohne<br />

Gr<strong>und</strong> gottesfürchtig?“ 55 - muss sich <strong>Gott</strong> vom Satan fragen lassen, der dadurch eine gewisse<br />

Eigennützigkeit <strong>und</strong> Selbstgefälligkeit von Ijobs Glauben vorwirft. Durch die Erfahrung von Unheil<br />

werde sich, so die Spekulation des Satans, Ijobs <strong>Gott</strong>vertrauen nicht länger bewähren <strong>und</strong> „er wird dir<br />

[<strong>Gott</strong>] ins Angesicht fluchen“ 56 . Sobald Beckmann zugeben muss: „Ich kenne keinen, der ein lieber<br />

<strong>Gott</strong> ist“ 57 hat sein Glaube <strong>und</strong> <strong>Gott</strong>esverständnis bereits eine Erschütterung erfahren: Die<br />

ursprünglich <strong>Gott</strong> zugestandenen Attribute wie Güte oder Gerechtigkeit lassen sich an der Wirklichkeit<br />

nicht länger verifizieren, Beckmanns un<strong>mit</strong>telbare <strong>Leid</strong>erfahrung scheint seinem <strong>Gott</strong>esbild von einst<br />

zu widersprechen. Diese Unvereinbarkeit, dieses Unverständnis führt folgerichtig in eine kritische<br />

Anfrage an die Güte <strong>Gott</strong>es, die sich nun angesichts der Lebenswirklichkeit bewähren muss <strong>und</strong> nicht<br />

länger als bestehend angenommen werden kann: „Wann bist du eigentlich lieb, lieber <strong>Gott</strong>?“ 58 .<br />

Beckmann hat den Blick von seinem eigenen Martyrium erhoben <strong>und</strong> versucht, <strong>Gott</strong> angesichts der<br />

Schreckenswirklichkeit des Krieges zu rechtfertigen. Auffallend hierbei ist der kindliche Fragecharakter<br />

<strong>und</strong> die Ansprache an <strong>Gott</strong> durch „du“, sowie die Anrede „lieber <strong>Gott</strong>“: Alle Äußerungen dieser<br />

Dialogszene <strong>mit</strong> <strong>Gott</strong> bezeugen keine radikale Absage an den alten Mann, der vor ihm steht, sondern<br />

vielmehr das Bemühen <strong>und</strong> dem Erhalt des Bezugs, ein verzweifeltes Festhalten oder die Sehnsucht<br />

nach Geborgenheit, wie auch die bittende Klage „Wann hast du dich jemals um uns gekümmert,<br />

<strong>Gott</strong>?“ 59 bestätigt.<br />

Dennoch: Beckmanns Ringen um <strong>Gott</strong> steigert sich in einen offenen Vorwurf, die Anklage, das Übel<br />

passiv duldend zuzulassen. Der Kriegsheimkehrer weist dadurch <strong>Gott</strong> nicht die Verfügungsgewalt<br />

über das Böse zu oder bringt ihn ursächlich <strong>mit</strong> existierendem <strong>Leid</strong> in Verbindung, sondern beklagt<br />

vielmehr dessen Schwäche <strong>und</strong> Ohnmacht angesichts der Radikalität des <strong>Leid</strong>ens - eine auf der einen<br />

Seite anklagende, auf der anderen Seite apologetische Aussage, die sich von nun an durch alle<br />

Äußerungen Beckmanns zieht. Der „Märchenbuchliebegott“ komme, so Borchert <strong>mit</strong> „unseren langen<br />

Listen von Toten <strong>und</strong> Ängsten nicht mehr <strong>mit</strong>“ 60 , er sei zu „unmodern“ 61 . Der Protagonist formulieret<br />

seine Erklärungsversuche als Vorwurf, aber auch als Entlastung <strong>Gott</strong>es, der in seinen Augen aufgr<strong>und</strong><br />

seines hohen Alters <strong>und</strong> seines Alleinseins völlig überfordert sei <strong>mit</strong> der Not der Menschen <strong>und</strong> nur<br />

noch schwach <strong>und</strong> hilflos der Eigendynamik des <strong>Leid</strong>ens zusehen könne, das dem „alten Mann“<br />

längst entglitten sei. Innerhalb seines (menschlichen) Verstehenshorizontes bestätigt er die Aussage<br />

<strong>Gott</strong>es („Ja, das ist es, <strong>Gott</strong>. Du kannst es nicht ändern“ 62 ) <strong>und</strong> reiht sie in seine<br />

Argumentationsstruktur ein. Beckmanns Bitterkeit <strong>und</strong> Verzweiflung gipfelt schließlich in dem<br />

Glauben, sich besorgt um den hilflosen alten Mann kümmern zu müssen (vgl. S.43),wo<strong>mit</strong> er auf<br />

diese Weise sein letztes Vertrauen auf eine sinngebende Perspektive im Leben durch <strong>Gott</strong><br />

dementiert. <strong>Gott</strong> ist für den leidenden Beckmann „funktionslos“ geworden, die Problematik der<br />

Theodizee auf diese Weise aufgehoben.<br />

54 „Draußen vor der Tür“, Wolfgang Borchert S. 41<br />

55 Ijob 1, 9<br />

56 Ijob 1, 10<br />

57 „Draußen vor der Tür“, Wolfgang Borchert S. 42<br />

58 Ebd.<br />

59 Ebd.<br />

60 Ebd.<br />

61 Ebd.<br />

62 „Draußen vor der Tür“, Wolfgang Borchert S. 43


Festzuhalten bleibt, dass Borcherts Held von einem gr<strong>und</strong>sätzlich positiven <strong>Gott</strong>esbild nicht abweicht,<br />

aber seine Verbitterung nur noch wächst, dadurch dass <strong>Gott</strong> jeglichen vertrauenswürdigen <strong>und</strong><br />

sinnstiftenden Anhaltspunkts enthoben ist.<br />

Anzumerken sind zudem noch zwei weitere Aspekte bezüglich der Analyse von Theodizee-Bemühen:<br />

Durch seinen gesamten Dialogteil zieht sich eine Anklage <strong>und</strong> Verweigerung der Theologie, wenn z.B.<br />

<strong>Gott</strong> ernüchternd als ein „weinerlicher Theologe“ 63 charakterisiert wird oder er gegenüber den<br />

Theologen den Vorwurf formuliert, sie lasse <strong>Gott</strong> „alt werden“ 64 . Beckmann empört sich auf diese<br />

Weise über einen „Apathie-Gehalt“ der Theologie, über ein Argumentieren <strong>und</strong> Reflektieren „am<br />

Leben vorbei“ <strong>und</strong> verlangt konkret solidarischen Einsatz der Kirche aus der Perspektive des real<br />

<strong>Leid</strong>enden, der eine theoretische Problematisierung von <strong>Leid</strong> nicht verstehen kann.<br />

Ebenso ist der Charakter des <strong>Leid</strong>ens zu definieren, anhand dessen in „Draußen vor der Tür“ die<br />

Theodizee reflektiert wird: Beckmann spricht ausschließlich das so genannte „malum morale“, d.h. das<br />

vom Menschen selbst schuldhaft gesetzte sittlich Schlechte oder Böse an, nicht das <strong>Leid</strong>, welches<br />

strukturell vom Menschen unbeeinflussbar in der Welt als gegeben existiert. Unter psychologischen<br />

Vorzeichen betrachtet, bedeutet dies, dass selbst für menschliche Verfehlungen <strong>Gott</strong> nicht aus der<br />

Verantwortung entlassen <strong>und</strong> von Beckmann stattdessen erhofft <strong>und</strong> erwartet wird, dass <strong>Gott</strong><br />

sanktionierend, abmildernd oder abwendend eingreift, um die Entstehung des „malum morale“ zu<br />

verhindern. Diese menschliche Erwartungshaltung, wie sie von Beckmann repräsentiert wird, bildet<br />

jedoch einen krassen Widerspruch zu dem <strong>Gott</strong>, der sich in Borcherts Drama selbst offenbart.<br />

Ein <strong>Gott</strong>, der verstanden werden will…<br />

Noch einmal sei an dieser Stelle daran erinnert, dass die Umrisse dieses <strong>Gott</strong>esbildes allein das<br />

<strong>Gott</strong>esverständnis des Autors durchscheinen lassen <strong>und</strong> der <strong>Gott</strong>, wie er sich dem Leser öffnet, als<br />

Ausdruck des speziellen <strong>Gott</strong>esglaubens von Borchert betrachtet werden muss.<br />

Dieser „literarische <strong>Gott</strong>“ tritt im Stück in Gestalt des „Alten Mannes“ auf; es handelt sich hierbei um<br />

ein beliebtes anthropomorphes <strong>Gott</strong>esbild, welches alle vom christlichen Glauben in <strong>Gott</strong><br />

angenommenen Attribute in sich vereinigt. Bereits die ersten Worte eines <strong>Gott</strong>es, der um seine<br />

leidenden Geschöpfe trauert <strong>und</strong> sein verzweifeltes „Kind“ 65 Beckmann beweint, zeugen von einem<br />

ausschließlich guten <strong>und</strong> liebenden <strong>Gott</strong>. Jegliche Spekulation eines von ihm bewusst gesetzten<br />

Bösen weist er von sich <strong>und</strong> leugnet selbst im Ansatz jede ursächliche Beteiligung an der Tragik<br />

dieser Welt (vgl. S. 42). In absolutem Kontrast zu einer solchen Annahme steht die Aussage <strong>Gott</strong>es:<br />

„Ich kann es nicht ändern! Ich kann es doch nicht ändern!“ 66 , <strong>mit</strong> der er seine völlige Einflusslosigkeit<br />

<strong>und</strong> Ohnmacht gegenüber dem sich verselbstständigenden leidverursachenden Verfehlungen des<br />

Menschen. Borchert zeichnet einen <strong>Gott</strong>, der unter Wahrung des menschlichen Freiheitstraumes in<br />

den Lauf der Geschichte nicht direkt eingreifen <strong>und</strong> dabei das so genannte „malum morale“ unmöglich<br />

verhindern kann. Der sich an dieser Stelle offenbarende <strong>Gott</strong> verweigert es, als „deus ex machina“ die<br />

menschliche Autonomie durch göttliche Heteronomie 67 zu beschneiden <strong>und</strong> zu ersetzen; vielmehr will<br />

er seinen Menschen die ihnen zugestandene Wesensfreiheit erhalten.<br />

63 Ebd. S. 42<br />

64 Ebd. S. 43<br />

65 Ebd. S. 42<br />

66 Ebd.<br />

67 Heteronomie: freiwilliger Willensgehorsam gegenüber natürlichen Autoritäten


Christa Purschke, „Dort“<br />

In letzter Konsequenz muss er daher auch menschlichen<br />

Missbrauch der Freiheit <strong>und</strong> die Entscheidung des<br />

Menschen gegen <strong>Gott</strong> respektieren - <strong>und</strong> an diesem<br />

Fehlverhalten, an der Abwendung des Menschen, leidet<br />

der <strong>Gott</strong> des Dramas bitterlich.<br />

„Keiner glaubt mehr an mich. Du nicht, keiner. Ich bin der<br />

<strong>Gott</strong> an den keiner mehr glaubt“, 68 muss er beklagen <strong>und</strong><br />

so seine Ohnmacht, seine Abhängigkeit von der Liebe der<br />

Menschen eingestehen. Zugleich konstituiert er sich aber,<br />

als der <strong>Gott</strong>, der dennoch existiert, der sich den Menschen<br />

anbietet <strong>und</strong> von ihnen angenommen werden will. Wenn<br />

die Menschen sich ihm zuwenden würden, wenn sie ihn<br />

hören würden, so scheint <strong>Gott</strong> zu suggerieren, könnte er<br />

ihnen sinngebende Perspektiven eröffnen, Hoffnung stiften<br />

<strong>und</strong> sie begleiten. Nicht er habe sich von der Welt<br />

abgewandt <strong>und</strong> sie der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs<br />

preisgegeben, sondern die Menschen sich von ihm,<br />

wodurch alles „malum morale“ erst ursächlich entstehe.<br />

Borchert zeichnet einen <strong>Gott</strong>, der an der Sünde der<br />

Menschen <strong>und</strong> <strong>mit</strong> dem Schmerz der dadurch unschuldig<br />

Betroffenen leidet.<br />

d) Schlusswort zu einer literarisch geleiteten Reflexion<br />

Auch nach dieser werkimmanenten Analyse, die zum Umgang <strong>mit</strong> der Theodizee-Problematik<br />

innerhalb des Dramas untersucht, bleiben darüber hinausgehende Fragen offen, die nach der<br />

Ver<strong>mit</strong>tlungsintention Borcherts beispielsweise oder die Möglichkeit der Zeittypik. Ansätze zu<br />

Antworten, die die Grenzen des literarischen Werkes transzendieren, sollen hier aufgezeigt werden.<br />

Unbestritten gelingt Borchert in der Schlussszene von „Draußen vor der Tür“ die authentische<br />

Darstellung eines Theodizee-Bemühens, indem er im Dialogteil seines Protagonisten ein erbittertes<br />

Ringen um die Bewährung des christlichen <strong>Gott</strong>esbildes am Maßstab der Wirklichkeit dokumentiert.<br />

Seine besondere Dynamik erfährt diese existentielle Auseinandersetzung <strong>mit</strong> der <strong>Gott</strong>esfrage als<br />

Theodizee-Frage dadurch, dass nicht nur innerlich reflektiert, sondern <strong>Gott</strong> selbst kritisch angefragt<br />

wird. In der literarischen Gestaltung <strong>Gott</strong>es ver<strong>mit</strong>telt Borchert nicht nur sein <strong>Gott</strong>esverständnis,<br />

sondern lässt die Szene transparenter erscheinen für sein Lösungsangebot zur Theodizee: Auch<br />

wenn sich das Bild eines „lieben <strong>Gott</strong>es“ an der empirischen Wirklichkeit reibt <strong>und</strong> dessen Plausibilität<br />

infrage stellt, fällt es dem Autor schwer, die Güte <strong>Gott</strong>es oder gar seine Existenz zu leugnen. Der<br />

Autor modifiziert das <strong>Gott</strong>esbild eher in der Hinsicht, dass er diesem die Allmacht abspricht, in<br />

menschlichen Freiheitsspielraum <strong>und</strong> in leidverursachendes Schuldig-Werden direkt einzugreifen, um<br />

es so der Tatsache bestehenden <strong>Leid</strong>ens anzupassen.<br />

Ein Schritt in den Atheismus fiel Borchert aufgr<strong>und</strong> seiner Biographie <strong>und</strong> vor dem konkreten<br />

Kriegshintergr<strong>und</strong> offenbar zu schwer: Obwohl die unbeschreiblichen Auswirkungen des Zweiten<br />

Weltkriegs auf die Einzelschicksale sicher für viele Einwand <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong> gegen <strong>Gott</strong>esglauben lieferten<br />

<strong>und</strong> der Glaube zur Bewältigung von <strong>Leid</strong> <strong>und</strong> Sinnlosigkeit freilich einbüßte, hielt Borchert womöglich<br />

gerade aus den Gründen der Kriegserfahrung <strong>und</strong> der eigenen Todesnähe an der Existenz eines<br />

guten <strong>Gott</strong>es fest: Menschliche Möglichkeiten, die Negativität des <strong>Leid</strong>ens auszuhalten, wären<br />

überfordert, wenn es keinen <strong>Gott</strong> mehr gäbe. Auch wenn seitens des Autors der Hoffnung auf direkte<br />

leidverhindernde Intervention <strong>Gott</strong>es in der Welt eine Absage erteilt wurde, kann die Existenz eines<br />

guten <strong>Gott</strong>es als sinnstiftender Hintergr<strong>und</strong> Halt geben, um die Welt nicht der Absurdität<br />

preiszugeben. Dies könnte der kleine Hoffnungsschimmer sein, der aus Borcherts finsterem Drama<br />

entgegen strahlt.<br />

Am Ende bleibt die Frage zu beantworten, ob die Auseinandersetzung <strong>mit</strong> der Theodizee als Motiv der<br />

Literatur einen weiteren Schritt in Richtung einer breit gefächerten <strong>und</strong> f<strong>und</strong>ierten Reflektion der<br />

Theodizee-Problematik darstellt. Dahingehend gilt es anzumerken, dass die Literatur authentische<br />

Anstoßpunkte aufzeigen kann, an denen die Theodizee-Frage möglicherweise aufbricht <strong>und</strong> die der<br />

Leser nie erfahren konnte, wie in Borcherts Drama das Kriegserlebnis. Ebenfalls ist es ihr möglich,<br />

differenzierte Arten der Auseinandersetzung <strong>mit</strong> diesem Dilemma zu ver<strong>mit</strong>teln, anhand derer der<br />

Außenstehende seinen Weg der Reflektion erweitern, modifizieren oder auch f<strong>und</strong>ieren kann. Literatur<br />

kann eine religionsphilosophische Frage ebenso gut erläutern, debattieren <strong>und</strong> reflektieren wie ein<br />

darstellender Sachtext <strong>und</strong> zudem die alltagstheologische Verortung der Theodizee-Frage im Leben<br />

häufig authentischer <strong>und</strong> näher verdeutlichen, an der nie vorbeiargumentiert werden darf. Gerade im<br />

68 „Draußen vor der Tür“, Wolfgang Borchert S. 42


Hinblick auf die Erweiterung des eigenen Verständnises <strong>und</strong> Reflexionshorizontes ist die<br />

Beschäftigung <strong>mit</strong> der Theodizee im Spiegel der Literatur sicher ein mühevoller, aber in jedem Fall<br />

lohnender Schritt.


B VI. Die Theodizee-Frage im Alten Testament<br />

- Das Buch Ijob<br />

1. <strong>Leid</strong>erfahrungen der Bibel - wesentliche Gr<strong>und</strong>aussagen<br />

Vom Menschen wird <strong>Leid</strong> als das Desintegrierte, das Widernatürliche zur gr<strong>und</strong>sätzlich guten <strong>und</strong><br />

sinnstiftenden Weltordnung <strong>Gott</strong>es wahrgenommen - die Heilige Schrift bezeugt jedoch das Gegenteil:<br />

Menschliche Not steht in keiner Weise im Widerspruch zur Bibel, sondern erweist sich vielmehr als<br />

integraler Bestandteil derselben. <strong>Leid</strong> <strong>und</strong> Unglück werden als Teil der Schöpfung, als Teil der<br />

menschlichen Existenz dargestellt. Dass bereits die Bibel <strong>Leid</strong>erfahrungen kennt, stellen diese den<br />

christlichen Glauben nicht in Frage - eine Aussage von besonderer Relevanz, die insbesondere<br />

Professor Ludger Schwienhorst-Schönberger vertritt, da gerade immer wieder dazu geneigt wird, das<br />

<strong>Leid</strong> <strong>und</strong> die Heilige Schrift als das Unvereinbare anzunehmen.<br />

Ist die Theodizee so<strong>mit</strong> aufgebrochen, ist ihr<br />

Dilemma aufgelöst? Auch wenn wir <strong>Leid</strong> nun als<br />

Bestandteil der Bibel betrachten können, steht<br />

weiterhin die Aussage im Raum: „<strong>Gott</strong> ist die<br />

Liebe“ 69 . Die Widersprüchlichkeit zwischen<br />

dieser Annahme eines guten, lieben <strong>Gott</strong>es <strong>und</strong><br />

dem <strong>Leid</strong> der Menschen bleibt noch immer<br />

bestehen, auch wenn diese Teil der Heiligen<br />

Schrift sind, ist die Theodizee nicht beantwortet.<br />

Aber die Bibel führt uns ein anderes Verständnis<br />

der Aussage „<strong>Gott</strong> ist Liebe“ vor Augen: <strong>Gott</strong>es<br />

Liebe führt nicht am <strong>Leid</strong> vorbei, sondern aus<br />

dem <strong>Leid</strong>en heraus, <strong>Gott</strong> bewahrt die Menschen<br />

nicht vor Not <strong>und</strong> Schmerz, sondern hilft, es zu<br />

bestehen. So wie <strong>Gott</strong> sein Volk aus Ägypten<br />

heraus <strong>und</strong> sicher durch die Wüste führte,<br />

eröffnet <strong>Gott</strong> den Menschen im Glauben, in<br />

seinem Sohn, der <strong>mit</strong> ihnen solidarisch <strong>mit</strong>-leidet,<br />

einen Weg aus der Not heraus. Auf diese Weise<br />

will die Heilige Schrift die Liebe <strong>Gott</strong>es<br />

verstanden wissen: Nicht als Weg am <strong>Leid</strong>en<br />

vorbei, sondern aus dem <strong>Leid</strong> heraus. Unter<br />

diesem Gesichtspunkt soll auch die folgende<br />

Auslegung des Ijob-Buches erfolgen: <strong>Gott</strong><br />

bewahrt seinen untadeligen Diener Ijob nicht vor<br />

seinem Unglück, aber in größter Not hilft diesem<br />

sein unbedingtes <strong>Gott</strong>esvertrauen <strong>und</strong> seine<br />

Glaubensgewissheit, sie zu bestehen.<br />

2. Das Buch Ijob<br />

a) „<strong>Im</strong> Lande Uz lebte ein Mann…“ 70 - Der Inhalt<br />

Willi Jaeckel, „Ijob“,<br />

Lithographie von 1917<br />

Ein Gespräch im Himmel zwischen <strong>Gott</strong> <strong>und</strong> dem Satan bildet Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Voraussetzung des<br />

Ijob-Geschehens: Der Satan behauptet, der <strong>Gott</strong>esglaube des Ijob, eines „untadeligen“ <strong>und</strong><br />

rechtschaffenen Mannes, sei eigennützig <strong>und</strong> bewähre sich nur, so lange <strong>Gott</strong> ihn beschütze.<br />

69 1.Joh. 4, 16<br />

70 Ijob 1, 1


William Blake, „Satan schüttet die Plagen über Ijob aus“, 1826<br />

Er fordert <strong>Gott</strong> zu einer Prüfung der Glaubensfestigkeit seines Dieners heraus, wozu dieser einwilligt<br />

<strong>und</strong> Ijob dem Satan überlässt, unter der Bedingung, das Leben des Mannes zu schonen. Von nun an<br />

wird Ijob von schrecklichem <strong>Leid</strong> getroffen, welches zuerst seinen Besitz, seine Diener <strong>und</strong> Kinder trifft<br />

<strong>und</strong> später in gesteigerter Form sogar ihn selbst. Ijobs Reaktion jedoch bestätigt den Verdacht Satans<br />

nicht, denn er bleibt trotz allem der gottergebene Duldende: „Der Herr hat gegeben, der Herr hat<br />

genommen, der Name des Herrn sei gepriesen“ 71 . Nach einem Besuch seiner Fre<strong>und</strong>e, welche Ijob<br />

theologisch f<strong>und</strong>ierte Deutungsangebote, basierend auf der traditionellen Vergeltungslehre, darlegen,<br />

bricht die Klage über die Sinnlosigkeit seinen <strong>Leid</strong>ens <strong>und</strong> die Anklage gegen <strong>Gott</strong> aus ihm heraus,<br />

die jedoch trotz allem im Unschulds- <strong>und</strong> Glaubensbekenntnis Ijobs gipfelt: „Ich aber weiß, mein<br />

Erlöser lebt“ 72 . In dieser Situation öffnet sich <strong>Gott</strong> (Jahwe) Ijob <strong>und</strong> tadelt zugleich dessen Freude:<br />

Ijob muss erkennen, dass er ohne Einsicht gesprochen hat, <strong>und</strong> erfährt den Ausweg aus seinem <strong>Leid</strong>:<br />

„<strong>Gott</strong> schauen“. Am Ende wird Ijob von <strong>Gott</strong> wieder hergestellt <strong>und</strong> erhält das zurück, was der Satan<br />

zerstört hat.<br />

Nach aller Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei dem Ijob-Buch um eine fiktionale Erzählung: Ijob<br />

wird zum Bedeutungsträger. Dem Ijob-Geschehen liegt folgende strenge Gliederung zugr<strong>und</strong>e:<br />

I Prolog<br />

II Dialog<br />

III Epilog<br />

Der <strong>mit</strong>tlere Dialogteil kann jedoch noch weiter unterteilt werden, wie folgendes Schema beweist:<br />

- Ijobs Monolog: Klage<br />

- Gespräch <strong>mit</strong> Fre<strong>und</strong>en (3 Redegänge)<br />

- Ijobs Monolog: Herausforderung <strong>Gott</strong>es<br />

- die Elihu-Reden<br />

- zwei Reden Jahwes <strong>und</strong> Ijobs Antworten<br />

Prolog <strong>und</strong> Epilog sind hierbei in Prosa verfasst, während der Dialogteil in Poesie gehalten ist.<br />

Form, Sprache <strong>und</strong> Inhalt deuten darauf hin, dass das Buch Ijob nicht von einem Autor, sondern in<br />

einer längeren Entstehungszeit verfasst wurde, die die meisten Exegeten auf das 6 - 2 Jhd. v. Chr.<br />

festlegen. Ein dreiphasiges Entstehungsmodell unterscheidet zwischen der ältesten<br />

71 Ijob 1, 21<br />

72 Ijob 19, 25


Rahmenerzählung, welche in zwei Schritten um den Dialogteil <strong>und</strong> später um die Elihu-Reden<br />

erweitert wurde.<br />

b) Interpretation/Auslegung ausgewählter Textstellen<br />

- Der biblische Ijob 73<br />

„<strong>Im</strong> Lande Uz lebte ein Mann <strong>mit</strong> Namen Ijob. Dieser Mann war untadelig <strong>und</strong> rechtschaffen, er<br />

fürchtete <strong>Gott</strong> <strong>und</strong> mied das Böse“ 74<br />

Mit diesem Portrait des Ijob wird die Erzählung eingeleitet, indem dieser als gottergebenen <strong>und</strong><br />

glaubensstarken Mann beschrieben <strong>und</strong> weiterhin seine familiären <strong>und</strong> wirtschaftlichen Verhältnisse<br />

hervorgehoben werden. Neben „7.000 Stück Kleinvieh, 3.000 Kamelen, 500 Rinder, 500 Eselinnen<br />

<strong>und</strong> einer großen Dienerschaft“ 75 sind Ijob 7 Söhne <strong>und</strong> 3 Töchter geboren. Diese reiche<br />

Nachkommenschaft ist vor dem Hintergr<strong>und</strong> der altisraelitischen Gesellschaft als besonderer Segen<br />

zu verstehen, sichern sie doch das Auskommen der Eltern im Alter <strong>und</strong> den Fortbestand der Familie.<br />

Zum Namen Ijob sei anzumerken, dass die Einheitsübersetzung ihn <strong>mit</strong> Ijob wiedergibt, während die<br />

lateinische Bibelübersetzung die Schreibweise Job verwendet <strong>und</strong> Martin Luther von Hiob schreibt.<br />

Als ein Mann voll innerer <strong>Gott</strong>esfurcht <strong>und</strong> äußerer Vollkommenheit wird Ijob zum Angriffsziel des<br />

Satans <strong>und</strong> Gegenstand von dessen Prüfung.<br />

- <strong>Leid</strong> als Prüfstein des Glaubens 76<br />

“Ist Ijob ohne Gr<strong>und</strong> gottesfürchtig? Beschützt du ihn nicht, sein Haus <strong>und</strong> alles, was ihm gehört, von<br />

allen Seiten? (…) Aber steck doch deine Hand aus <strong>und</strong> rühr alles an, was ihm gehört. Wahrhaftig, er<br />

wird dir ins Angesicht fluchen!“ 77<br />

Dies sind die Worte des Satans, der behauptet, Ijobs Glaube sei eigennützig <strong>und</strong> im Gr<strong>und</strong>e wertlos,<br />

da er nur in guten Zeiten der Unversehrtheit Bestand habe, <strong>und</strong> daher leicht entgegengebracht<br />

werden könne. In der Notsituation aber <strong>und</strong> schweren Zeiten würde sogar Ijob, der gottergebene<br />

Diener, von seiner Glaubensgewissheit abfallen, dann nämlich, wenn er von seiner <strong>Gott</strong>esfurcht nicht<br />

länger selbst profitiere. Ein derartiges Argumentationsmuster, wie es der Satan hier anführt, verweist<br />

auf menschliche Schwächen <strong>und</strong> ist sicher auch heute noch vielen nicht fremd: Wie leicht fällt es uns<br />

doch, auf <strong>Gott</strong> zu vertrauen <strong>und</strong> zu glauben, solange wir glücklich sind, ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> von keinerlei<br />

existentiellen Sorgen belastet? Schließlich gibt es keinen un<strong>mit</strong>telbaren Gr<strong>und</strong>, <strong>Gott</strong>es Güte in Frage<br />

zu stellen. Sobald der Alltag, unsere Existenz, allerdings brüchig wird, wird unser Glaube erschüttert,<br />

Zweifel an der Gerechtigkeit <strong>Gott</strong>es kommen auf <strong>und</strong> wir beginnen, kritische Fragen aufzuwerfen:<br />

Warum bin ausgerechnet ich von <strong>Leid</strong> betroffen? Wie kann eine guter <strong>Gott</strong> seine Menschen leiden<br />

lassen?<br />

Auch Wolfgang Borchert greift diesen Gedanken auf, indem er seinem Protagonisten Beckmann<br />

folgende Worte in den M<strong>und</strong> legt: „Die im Sonnenschein gehen, verliebt oder satt oder zufrieden (…),<br />

die können sagen: Lieber <strong>Gott</strong>! Lieber <strong>Gott</strong>! 78 , er jedoch, der gebrochene Kriegsheimkehrer<br />

Beckmann, kann <strong>Gott</strong> nur noch schwerlich als „lieben <strong>Gott</strong>“ anreden.<br />

<strong>Leid</strong> <strong>und</strong> Schmerz werden folglich zur stärksten Herausforderung für den <strong>Gott</strong>esglauben des<br />

Menschen, da sie den härtesten Einwand gegen die Güte <strong>und</strong> Liebe <strong>Gott</strong>es darstellen. Auf diese<br />

Angreifbarkeit, auf diese Verw<strong>und</strong>barkeit des Glaubens durch <strong>Leid</strong>erfahrung, greift nun der Satan des<br />

Ijob-Buches zurück: <strong>Leid</strong> wird zum „Prüfstein des Glaubens“<br />

<strong>Im</strong> weiteren Verlauf der Himmelsszene willigt <strong>Gott</strong>, überzeugt von der Unerschütterlichkeit des<br />

Glaubens Ijobs, ein, die Treue seines Dieners zu prüfen, <strong>und</strong> legt alle Lebensumstände Ijobs, außer<br />

ihn selbst, in die Hand des Satans.<br />

Auch an dieser Stelle sei eine etymologische Namenserklärung hinzugefügt: Der hebräische Ausdruck<br />

„Satan“ bedeutete ursprünglich in säkularem Sinne „sich anfeinden, feindlich gesinnt sein“, wandelte<br />

sich jedoch in der Zeit des Exils (586 - 538) zur Funktionsbezeichnung des himmlischen Anklägers.<br />

Die griechische Entsprechung „diabolos“ kann am ehesten <strong>mit</strong> der Übersetzung „derjenige, der<br />

Zerwürfnis stiftet“ wiedergegeben werden. Und in diesem Sinne erhellt die Übersetzung die<br />

73 Ijob 1, 1-5<br />

74 Ijob 1, 1<br />

75 Ijob 1, 3<br />

76 Ijob 1, 6-12<br />

77 Ijob 1, 10-11<br />

78 „Draußen vor der Tür“, Wolfgang Borchert S. 41/42


Ijob-Erzählung: Der Satan versucht, zwischen <strong>Gott</strong> <strong>und</strong> Ijob ein Zerwürfnis zu stiften.<br />

- Ijob, der Duldende 79<br />

Eine weitere Schlüsselszene beschreibt die Reaktion auf die Prüfung des Satans. Von schrecklichen<br />

Unglücksfällen - dem Tod seiner Kinder <strong>und</strong> wirtschaftlichen Ruin - die ihm alle durch Boten<br />

(→ „Hiobsbotschaften“) überbracht werden, heimgesucht, bleibt Ijob dennoch seinem Glauben treu.<br />

Nach vollzogenen Riten der Trauer, spricht er einen Lobpreis auf <strong>Gott</strong>, durch den er nicht nur den<br />

gebenden sondern auch den nehmenden <strong>Gott</strong> ergeben anerkennt: „Der Herr hat gegeben, der Herr<br />

hat genommen, der Name des Herrn sei gepriesen“ 80 . Unverzichtbar bleibt dabei die Anmerkung,<br />

dass Ijob von der vorausgegangen „Wette“ nichts weiß. Jegliche gegen Ijob gerichtete Argumentation,<br />

er könne die <strong>Leid</strong>en im Bewusstsein einer zeitlich begrenzten „Prüfung“ durch den Satan leicht <strong>und</strong><br />

ohne <strong>Gott</strong>eszweifel ertragen, muss daher misslingen. Ijob hat keine Kenntnis davon, dass sein<br />

Unglück vom Satan <strong>und</strong> nicht von <strong>Gott</strong> verursacht, dass es lediglich Bestandteil einer Prüfung ist.<br />

Berechtigung, an der Güte <strong>Gott</strong>es zu zweifeln <strong>und</strong><br />

Einwand gegen <strong>Gott</strong>esvertrauen wäre ihm folglich<br />

ebenso gegeben, wie jedem anderen, der <strong>Gott</strong>es Liebe<br />

aufgr<strong>und</strong> erfahrenen <strong>Leid</strong>ens in Frage stellt.<br />

Ebenso könne eingewandt werden, Ijobs<br />

Unglück sei allein aus dem Fehlverhalten der<br />

Menschen hervorgegangen, das so genannte<br />

„malum morale“ also, von dessen<br />

Verantwortlichkeit <strong>Gott</strong> zumindest bedingt<br />

freigesprochen werden könne, da es der Sünde<br />

des Menschen entspringt. Ijob könnte demnach<br />

leicht seinen Glauben erhalten, da er wisse,<br />

dass nicht <strong>Gott</strong>, sondern der Mensch seine<br />

Notsituation verursache. Auch dieser<br />

Argumentation zu Ungunsten Ijobs muss<br />

scheitern.<br />

In gleiche Maße, wie Ijob am „malum morale“ leidet, erfährt er das „malum physicum“, das <strong>Leid</strong> der<br />

Natur, welches strukturell <strong>und</strong> vom Menschen unbeeinflussbar der Schöpfung <strong>Gott</strong>es innewohnt. In<br />

diesem Punkt kann Ijob <strong>Gott</strong> nur schwerlich aus der Verantwortung entlassen; ebenso Gr<strong>und</strong> genug<br />

für die Erschütterung seines Glaubens. Trotz alledem bleibt er der gottergebene Duldende <strong>und</strong> „stieß<br />

keine Verwünschungen aus gegen <strong>Gott</strong>“ 81<br />

- Vom Scheitern der verschärften Prüfung 82<br />

„Noch immer hält er fest an seiner Frömmigkeit, obgleich du mich [<strong>Gott</strong>] gegen ihn aufgestachelt<br />

hast“. 83<br />

Dieser Triumph <strong>Gott</strong>es in einer zweiten Himmelsszene, die nahezu wörtlich <strong>mit</strong> der<br />

vorausgegangenen übereinstimmt, ist das zentrale Resümee der bisherigen Handlung. Satans<br />

Verdacht hat sich als Täuschung erwiesen, weshalb er eine Verschärfung der Probe fordert, welche<br />

<strong>Gott</strong> ihm ebenfalls, unter der Bedingung, Ijobs Leben zu schonen, zubilligt: Ijob selbst, nicht nur sein<br />

Besitz <strong>und</strong> seine Familie, wird nun von entsetzlicher Krankheit angegriffen.<br />

Ohne Klage, ohne ein Aufschrei gegen <strong>Gott</strong> lässt er auch dieses <strong>Leid</strong> über sich ergehen: „Das Gute<br />

sollen wir annehmen <strong>und</strong> <strong>Gott</strong> <strong>und</strong> das Übel sollen wir nicht annehmen?“ 84 - Ijob dementiert in kaum<br />

zu überbietender Deutlichkeit einen eigennützigen Glauben, <strong>und</strong> bleibt selbst dann standhaft, als<br />

seine Frau ihn auffordert, <strong>Gott</strong> zu verfluchen, da sein Glaube sich doch als nutzlos erwiesen habe.<br />

Ijobs Glaubensüberzeugung übersteigt jedes menschenmögliche Maß: Selbst am Tiefpunkt seines<br />

<strong>Leid</strong>ens hadert er nicht ein einziges Mal <strong>mit</strong> <strong>Gott</strong>.<br />

79 Ijob 1, 13-22<br />

80 Ijob 1, 21<br />

81 Ijob 1, 22<br />

82 Ijob 2, 1-10<br />

83 Ijob 2, 3<br />

84 Ijob 2, 10


- Ijobs Klage 85<br />

Der Dialogteil des Buches eröffnet <strong>mit</strong> einer großen<br />

Klage Ijobs: Er verwünscht den Tag seiner Geburt,<br />

allein der Tod bedeutet für ihn noch Erlösung. Ijob,<br />

der um seine Unschuld weiß, weint aus der zutiefst<br />

verspürten Sinnlosigkeit seines <strong>Leid</strong>ens, weint über<br />

die Unerträglichkeit seiner Not <strong>und</strong> seine<br />

Ausweglosigkeit. Er klagt zu <strong>Gott</strong> <strong>und</strong> er klagt über<br />

<strong>Gott</strong>, wobei er deutlich anklingen lässt, dass er <strong>Gott</strong><br />

in der Verantwortung für sein Elend sieht (vgl. Ijob<br />

6,4). Dieser Aufschrei kann als Wendepunkt der<br />

Entwicklung Ijobs aufgefasst werden: Von Annahme<br />

des <strong>Gott</strong>gegebenen wandelt sich seine Reaktion in<br />

aufbegehrende Klage, selbst der Duldende von einst<br />

kann sein Unglück nicht länger schweigend über sich<br />

ergehen lassen.<br />

Aus den Blickwinken der Psychologie erweist sich<br />

Ijobs Verhaltensmuster als ein typisch-menschlicher<br />

Ablauf der Reaktionen. Die Tauerforschung hat in<br />

diesem Zusammenhang festgestellt, dass auf eine<br />

un<strong>mit</strong>telbare <strong>Leid</strong>erfahrung zuerst ein einige St<strong>und</strong>en<br />

oder gar Tage andauernder Zustand der<br />

Empfindungslosigkeit folgt, eine Art Gefühlsschock,<br />

welcher dem zutiefst getroffenen Menschen jede<br />

emotionale Reaktion verunmöglicht. Erst daran reiht<br />

sich die<br />

Werner Habedank: Hiob, Holzschnitt<br />

Phase des Aufbrechens der Emotionen, sobald sich der Mensch des Ausmaßes seines Unglücks voll<br />

<strong>und</strong> ganz bewusst wird. Eine analoge Verhaltensstruktur ist also auch bei Ijob überliefert: Sie ist in<br />

keiner Weise als Bestätigung des Verdachts des Satans einzustufen, sondern lediglich als natürlich<br />

menschliches Reaktionsverhalten.<br />

-Deutungsangebote der Fre<strong>und</strong>e Ijobs<br />

Die Ansprache der Fre<strong>und</strong>e Ijobs sind es durchaus wert, näher analysiert zu werden , nicht, weil sie<br />

eine Verhaltensänderung Ijobs herbeiführen oder seine Resonanz auf erfahrenes <strong>Leid</strong> in irgendeiner<br />

Weise beeinflussen würden, sondern allein aus dem Gr<strong>und</strong>, dass sie allgemein menschliche<br />

Erklärungsversuche widerspiegeln.<br />

„Wer geht ohne Schuld zugr<strong>und</strong>e“ 86 - Diese zentrale Frage verweist auf ein Deutungsmuster, welches<br />

aus der theologischen Perspektive als „Tun-Ergehen-Zusammenhang“ bezeichnet wird. Er besagt,<br />

dass es einem Menschen so ergeht, wie er sich verhält. Daraus folgt zwangsweise, dass <strong>Leid</strong> die<br />

Folge menschlichen Fehlverhaltens <strong>und</strong> der Sünde ist, dass aber untadeliges, rechtschaffendes<br />

Verhalten ausnahmslos ein in jeder Hinsicht vollkommenes Leben nach sich ziehen muss. Bereits an<br />

dieser kompromisslosen Logik des „Tun-Ergehen-Zusammenhangs“ strauchelt der Mensch: Nur<br />

selten entspricht das Ausmaß des <strong>Leid</strong>ens dem Maß der vorausgegangenen menschlichen Schuld;<br />

sind Unschuldige, wie Kinder, etwa von <strong>Leid</strong> <strong>und</strong> Schmerzen ausgenommen? Und ist es nicht häufig<br />

zu beobachten, dass rücksichtslose, böswillige Menschen sich einen einwandfreien Lebensstil<br />

erhalten können? Der „Tun-Ergehen-Zusammenhang“ bleibt lediglich eine Theorie, geboren aus dem<br />

Erklärungsbedürfnis des Menschen, <strong>und</strong> vielleicht auch aus dem Wunsch heraus, die Theodizee-<br />

Problematik aufzulösen.<br />

Das <strong>Leid</strong>en einer schuldhaften Person wird in unseren Augen <strong>und</strong> an menschlichen Maßstäben<br />

gemessen für gerechtfertigt oder gar gerecht betrachtet <strong>und</strong> widerspricht folglich nicht einem guten<br />

<strong>Gott</strong>, der den „Tun-Ergehen-Zusammenhang“ letztlich aufrechterhält. <strong>Im</strong> Rahmen des Ijob-Buches<br />

bedeutet die Anwendung des „Tun-Ergehen- Zusammenhangs“,dass Ijob leidet, weil er gesündigt hat,<br />

was von den Fre<strong>und</strong>en nicht als direkten Vorwurf formuliert, sondern vielmehr als Frage <strong>und</strong><br />

möglichen Erklärungsangebot in den Raum gestellt wurde. Ijobs Antwort jedoch ist überwältigend: Der<br />

traditionelle Vergeltungsglaube ist unvereinbar <strong>mit</strong> seinem persönlichen Schicksal. Er hält weiterhin<br />

überzeugt an seiner Unschuld, an seiner Rechtschaffenheit fest <strong>und</strong> stößt sich an einem <strong>Gott</strong>, der den<br />

Gerechten schlägt, freilich ohne sich trotz dieses Unverständnisses auch nur im geringsten von<br />

seinem Glauben zu distanzieren, wie die folgende zentrale Stelle des Ijob-Buches beweist.<br />

85 Ijob 3, 1-10<br />

86 Ijob 4, 7


Marc Chagall, „Hiob in der Verzweiflung“, 1960<br />

- „Ich aber weiß: Mein Erlöser lebt!“ 87<br />

Zweifellos ist dies der bekannteste Vers des Ijob-Buches, der bereits eine enorme<br />

Wirkungsgeschichte entfaltet hat. Eine vierzeilige Versgruppe des 19. Kapitels bündelt das zentrale<br />

Vertrauensbekenntnis des biblischen Ijobs zu <strong>Gott</strong> <strong>und</strong> zugleich die Gewissheit, dass er trotz seiner<br />

Klage zu <strong>und</strong> über <strong>Gott</strong> von seiner früheren Glaubenssicherheit keinen Moment abgewichen ist:<br />

„Ich aber weiß: Mein Erlöser lebt!<br />

Als letzter erhebt er sich über dem Staub.<br />

Ohne meine Haut, die so zerfetzte,<br />

<strong>und</strong> ohne mein Fleisch werde ich <strong>Gott</strong> schauen“ 88 .<br />

Der Erlöser, an den Ijob zutiefst glaubt, ist <strong>Gott</strong><br />

selbst, in ihn gründet er all seine Hoffnung. Noch<br />

auf dem Höhepunkt irdischer Not, verleiht er an<br />

dieser Stelle seinem Vertrauen zu <strong>Gott</strong>, seinem<br />

Glauben durch ein eindrucksvolles Bekenntnis zu<br />

seinem Erlöser Ausdruck. Gerade dadurch dass er<br />

sich auf <strong>Gott</strong> <strong>mit</strong> dem Wort „Erlöser“ bezieht,<br />

bezeugt er sein Glauben, der hier bereits in<br />

„Wissen“ übergeht, dass <strong>Gott</strong> ihn erlösen, dass er<br />

ihn von allen <strong>Leid</strong>en befreien wird. Ijob stellt sein<br />

<strong>Gott</strong>esglauben nicht in Frage, sondern bekräftigt<br />

seine unbedingte, selbst im <strong>Leid</strong> noch<br />

durchgehaltene Treue. Dieser an<br />

Überzeugungskraft unmöglich zu überbietende<br />

Ausruf schließt aber auch einen Prozess der,<br />

allerdings nur bedingten, Wandlung seines<br />

<strong>Gott</strong>esbildes ab.<br />

Marc Chagall, „Der betende Hiob“, 1960<br />

Vor seiner <strong>Leid</strong>erfahrung war <strong>Gott</strong> für Ijob der ausschließlich „gute <strong>und</strong> gerechte“ <strong>Gott</strong>, im <strong>Leid</strong> tritt<br />

eine weitere Komponente hinzu, die jedoch die erstere in keiner Weise entkräftet: die ursächliche<br />

87 Ijob 19, 25<br />

88 Ijob 19, 25


Beziehung zwischen <strong>Gott</strong> <strong>und</strong> dem <strong>Leid</strong>en des Menschen. Jetzt überspannt das Bekenntnis zu<br />

seinem Erlöser beide Größen - die Wirklichkeit des Erlösergottes wird zum wichtigsten <strong>und</strong> letzten<br />

Wesenszug <strong>Gott</strong>es. Selbst, wenn der „gute <strong>und</strong> gerechte“ <strong>Gott</strong> die <strong>Leid</strong>en Ijobs zulässt, wird er ihn<br />

wieder erlösen; von dieser Gewissheit zehrt Ijob, sie erhält seinen Glauben selbst in Notsituationen.<br />

Die Erlösung liegt für Ijob darin, „<strong>Gott</strong> (zu) schauen“ - eine Erlösung, die für ihn freilich noch nicht<br />

Wirklichkeit wurde, aber die ihn hoffen <strong>und</strong> glauben lässt.<br />

- Die Elihu-Reden<br />

Noch einmal meldet sich ein Fre<strong>und</strong> Ijobs zu Wort, Elihu, von dem der Leser bisher nichts erfahren<br />

hat: Obwohl Ijob gerade in einem eindrucksvollen Bekenntnis seine Hoffnung auf Erlösung durch <strong>Gott</strong><br />

artikuliert hat, geht dieser noch auf die zuvor immer wieder <strong>und</strong> in vielfältigen Variationen<br />

vorgetragene Klage Ijobs ein, warum <strong>Gott</strong>es Antwort ausbleibt.<br />

Elihu bietet Ijob eine überraschende Deutung: <strong>Gott</strong> wendet sich im Verborgenen den Menschen zu, er<br />

schweigt nicht, sondern spricht zu ihnen, es sind vielmehr die Menschen, die sein Wort nicht<br />

beachten. Elihu erbringt das „Modell einer therapeutischen orientierten spirituellen Theologie“, ein<br />

Trost, aber auch eine Aufforderung an Ijob, noch bevor er von <strong>Gott</strong> selbst unterbrochen wird.<br />

- Die Jahwe-Reden<br />

In zwei langen Ansprachen wendet sich <strong>Gott</strong> nun direkt an Ijob. Allerdings leitet die Bibel diese Reden<br />

nicht als die Worte <strong>Gott</strong>es, sondern als die des Jahwe ein. Dieser Wechsel von der<br />

<strong>Gott</strong>esbezeichnung zum <strong>Gott</strong>esnamen Jahwe ist bereits Hinweis <strong>und</strong> eine Antwort auf die Klage Ijobs.<br />

In Exodus 3, 14 offenbart <strong>Gott</strong> dem Mose die Bedeutung seines Namens: „Ich bin der: Ich-bin-da“, <strong>und</strong><br />

dies ist der Kern biblischer <strong>Gott</strong>eserfahrung: <strong>Gott</strong>es Wesen ist Da-sein, ein Da-sein, das allerdings<br />

nicht verfügbar ist. Diese Anspielung ist Trost <strong>und</strong> Aufrichtung für Ijob: <strong>Gott</strong> ist gegenwärtig, auch<br />

wenn er dem Menschen, wie in <strong>Leid</strong>situationen, verborgen ist.<br />

Der weitere Verlauf der <strong>Gott</strong>esreden allerdings verwirrt. Wie kann ein Vortrag über die Entstehung der<br />

Erde, über Ordnung <strong>und</strong> Wesen der Welt den leidenden Ijob trösten? Der Schlüsselsatz zum<br />

Verständnis dieser Antworten ist folgender:<br />

„Wer ist es, der den Ratschluss verdunkelt<br />

<strong>mit</strong> Gerede ohne Einsicht?“ 89<br />

Abzielend auf Ijob bedeutet diese Aussage: Jahwe führt Ijob sein Nicht-Wissen vor Augen, er<br />

konfrontiert ihn aufs härteste da<strong>mit</strong>, dass alles irdische Wissen in Bezug auf <strong>Gott</strong> nur vermeintlich ist.<br />

Der schmerzvolle <strong>und</strong> langwierige Prozess der Bewusstwerdung des eigenen Nichts-Wissens, der<br />

Einsicht Ijobs dauert an, solange <strong>Gott</strong> zu ihm spricht. Als die Worte <strong>Gott</strong>es verstummen, hat Ijob eine<br />

Wahrnehmungsveränderung durchlaufen, einen veränderten erweiterten <strong>und</strong> aufgeklärten<br />

Bewusstseinszustand erlangt. Davon, von dieser inneren Wandlung ausgehend, könnten die<br />

Antworten Jahwes verstanden werden: <strong>Gott</strong> hilft, <strong>Leid</strong> zu bestehen, er zeigt einen Weg durch das <strong>Leid</strong><br />

hindurch. Obwohl sich an der äußeren Realität, an der Wirklichkeit des <strong>Leid</strong>ens nichts ändert, kann<br />

das <strong>Leid</strong>en durch Veränderung des inneren Bewusstseins bestanden werden. Genau wie Ijob von<br />

fälschlicher Wahrnehmung zur Einsicht in sein eigenes Unvermögen gelangt, muss die zum <strong>Leid</strong><br />

unangebrachte Einstellung, die klagende, an <strong>Gott</strong> zweifelnde Haltung, überw<strong>und</strong>en werden. In<br />

welcher Richtung diese innere Bewusstseinsveränderung verlaufen soll, zeigt der folgende Abschnitt<br />

als Lösung des Ijob-Buches.<br />

Zudem kann gerade in Bezug auf das Verständnis der Jahwe-Reden angemerkt werden, dass Ijob<br />

auch die von <strong>Gott</strong> beschriebene Weltordnung, das Leben nicht länger als sinnentleert <strong>und</strong> finster (vgl.<br />

Ijobs Klage) wahrnehmen soll. Stattdessen wird er aufgefordert, die Welt <strong>und</strong> das Leben in<br />

sinnstiftendem Verweis auf <strong>Gott</strong> anzuerkennen <strong>und</strong> sich darüber klar zu werden, dass alles, die guten<br />

Seiten seines Lebens wie schwere Zeiten, seine gesamte Existenz auf <strong>Gott</strong> hin bezogen ist.<br />

89 Ijob 38, 2


- <strong>Gott</strong> schauen 90<br />

Rainer Oberhansli-Widmer, „Hiob-Hiob-Hiob“<br />

„Von Hörensagen nur hatte ich von dir<br />

vernommen; jetzt aber hat mein Auge dich<br />

geschaut“ 91<br />

Dies ist die Lösung, die das Ijob-Buch anbietet,<br />

<strong>und</strong> zugleich die Bewusstseinsveränderung, auf<br />

die die Jahwe-Reden metaphorisch anspielen.<br />

Ijob kontrastiert an dieser Stelle in Bezug auf die<br />

Wahrnehmung <strong>Gott</strong>es die beiden<br />

„<strong>Gott</strong>eserfahrungen“ durch „hören“ <strong>und</strong><br />

„schauen“, auch sein eigenes „hören“ von einst<br />

<strong>und</strong> sein „Schauen“ der Gegenwart. <strong>Gott</strong> zu<br />

„hören“ bedeutet eine äußere, passivaufnehmende<br />

Wahrnehmung <strong>Gott</strong>es,<br />

beispielsweise die Aufnahme von <strong>Gott</strong>eswissen,<br />

welches narrativ durch Tradition ver<strong>mit</strong>telt wird.<br />

<strong>Gott</strong> zu „schauen“ bezieht sich dagegen auf<br />

einen inneren Vorgang aktiver Einsicht, welcher<br />

<strong>mit</strong> einer Bewusstseinserweiterung einhergeht.<br />

Mit dem Ausdruck des <strong>Gott</strong>-Schauens wird eine<br />

existentielle <strong>Gott</strong>eserfahrung aufgegriffen,<br />

beispielsweise die Erfahrung der Anwesenheit<br />

<strong>Gott</strong>es selbst im <strong>Leid</strong>, so wie Ijob sie erleben<br />

darf. Nicht verwechselt werden darf dieses<br />

„Schauen“ allerdings <strong>mit</strong> einem äußeren Sehen<br />

von <strong>Gott</strong>esbildern: Es ist ausschließlich Metapher<br />

für einen inneren Vorgang.<br />

In tiefstem <strong>Leid</strong> hat Ijob in einem einzigartigen Vertrauensbekenntnis seine Gewissheit ausgedrückt:<br />

„Ich aber weiß: Mein Erlöser lebt“ (…) ich [werde] <strong>Gott</strong> schauen“ 92 . Diese Hoffnung ist nicht enttäuscht<br />

worden: Ijob darf die Anwesenheit <strong>Gott</strong>es existentiell erfahren.<br />

Das Ende des Buches Ijob bezeugt auch seine äußere Wiederherstellung: Ijob erhält nicht nur seine<br />

Kinder, sondern auch seinen materiellen Besitz zurück. Erst viel später stirbt er hochbetagt <strong>und</strong> satt<br />

an Lebenstagen“ 93<br />

c) Die Botschaft des Buches Ijob<br />

Das alttestamentliche Buch Ijob behandelt das Menschheitsthema <strong>Leid</strong>, nicht theoretisch, sondern<br />

persönlich <strong>und</strong> existentiell in der Person des Ijob. Es will keine Antwort auf die „Frage nach dem <strong>Leid</strong>“<br />

geben, menschliches <strong>Leid</strong>en nicht abstrakt problematisieren, sondern vielmehr die Thematik des<br />

Umgangs <strong>mit</strong> dem <strong>Leid</strong>, das Verhalten im <strong>Leid</strong> ansprechen. Daher macht der Verfasser dieser<br />

Erzählung nicht nur gr<strong>und</strong>legende Aussagen über den Menschen, sondern auch über <strong>Gott</strong>: „<strong>Gott</strong> führt<br />

den Menschen nicht am <strong>Leid</strong> vorbei, sondern weist ihm den einen Weg aus dem <strong>Leid</strong>en heraus“,<br />

scheint die zentrale Botschaft zu sein, die die Bibel an dieser Stelle durch das Buch Ijob wiedergibt.<br />

<strong>Gott</strong> liebt seinen rechtschaffenen Diener Ijob <strong>und</strong> lässt dennoch zu, dass ihm durch den Satan Unheil<br />

widerfährt genau wie <strong>Gott</strong> die Menschen liebt <strong>und</strong> sie dennoch nicht vor allem <strong>Leid</strong> bewahrt.<br />

Ob in diesem Zusammenhang die aus dem Ijob-<br />

Buch abgeleitete mögliche Aussage, dass <strong>Gott</strong><br />

bewusst <strong>Leid</strong>en in die Welt integriert, um den<br />

Glauben der Menschen zu prüfen, gehalten<br />

werden kann, soll an dieser Stelle nicht erörtert<br />

werden. Genau wie das Buch Ijob seinen<br />

Schwerpunkt auf die Frage nach dem Bestehen<br />

des <strong>Leid</strong>s setzt, soll sich die Auslegung vielmehr<br />

auf die Gr<strong>und</strong>aussage des Buches<br />

konzentrieren: „<strong>Gott</strong> führt aus dem <strong>Leid</strong> heraus“.<br />

In den beiden Jahwe-Reden am Ende des<br />

Dialogteils bezeugt <strong>Gott</strong> eindrucksvoll seine<br />

Anwesenheit, indem er sich dem <strong>Leid</strong>enden<br />

direkt offenbart. Wie der <strong>Gott</strong>esname bereits<br />

90 Ijob 42, 1-6<br />

91 Ijob 42, 5<br />

92 Ijob 19,25-26<br />

93 Ijob 42, 17


suggeriert, wendet sich <strong>Gott</strong> den Menschen zu,<br />

er will von ihnen erhört <strong>und</strong> angenommen<br />

werden, er bietet sich ihnen an, <strong>und</strong> seine Nähe<br />

kann erfahren werden, solange sich der Mensch<br />

nicht von <strong>Gott</strong> abwendet. Die Aussage, die das<br />

Ijob-Buch über den Menschen macht, lehnt sich<br />

an Ijob als zentrale Person <strong>und</strong><br />

Bedeutungsträger. Gleich zu Anfang bezeugt der<br />

Satan, dass <strong>Leid</strong>en für Ijob <strong>und</strong> so für jeden<br />

Menschen zur härtesten Herausforderung seines<br />

<strong>Gott</strong>esglaubens werden wird: <strong>Leid</strong>en gilt als der<br />

„Prüfstein des Glaubens“, im <strong>Leid</strong>en muss sich<br />

der Glaube bewähren <strong>und</strong> festigen.<br />

Redlich-Kocks, „Hiob“<br />

Ijob ist Abbild des „leidenden Gerechten“, weshalb die traditionellen Antworten auf die Sinnfrage des<br />

<strong>Leid</strong>ens, welche <strong>Leid</strong> als die Folge menschlicher Schuld interpretieren, bereits am alttestamentlichen<br />

Ijob scheitern <strong>und</strong> sie zudem von <strong>Gott</strong> in keiner Weise legitimiert, sondern eher getadelt werden.<br />

Selbst im Moment äußerster Not weicht Ijob nicht im Geringsten von seiner Glaubensfestigkeit ab,<br />

auch wenn er zu <strong>und</strong> über <strong>Gott</strong> klagt, auch wenn sich sein Verstand an einem <strong>Gott</strong> stößt, der<br />

Gerechte <strong>und</strong> Unschuldige leiden lässt. Ijob verharrt im Glauben <strong>und</strong> durchlebt sein <strong>Leid</strong> in der<br />

Hoffnung, ja gar in der Gewissheit auf Erlösung. Selbst in seiner äußersten Krise, in der er nach dem<br />

Sinn seines <strong>Leid</strong>ens fragt, ist Ijob ein Glaubender geblieben <strong>und</strong> nur auf diese Weise kann er die<br />

Zeit des <strong>Leid</strong>ens überstehen. Am Ende erhebt sich sein Verhältnis zu <strong>Gott</strong> gar auf eine neue Ebene:<br />

Vom bedingungslosen Glauben, der Hoffen, Vertrauen, ja nahezu Gewissheit ist, zum Schauen<br />

<strong>Gott</strong>es, der existentiellen Erfahrung der Nähe <strong>Gott</strong>es im <strong>Leid</strong>. Ijobs äußerer Zustand erfährt keine<br />

Veränderung, sein <strong>Leid</strong> besteht in all seiner Radikalität weiter. Es ist vielmehr der Mensch, der ein<br />

anderer wird, dessen innere Transformation 94 nach dem „Schauen <strong>Gott</strong>es“ ihm die Kraft <strong>und</strong><br />

Gewissheit gibt, das <strong>Leid</strong> bestehen zu können. Daher lautet der Appell des Ijob-Buches an den<br />

Menschen: Auch wenn sein Verstand im <strong>Leid</strong>en keine Befriedigung erfährt (da der Mensch sich <strong>mit</strong><br />

der Theodizee auseinandersetzt, ebenso wie sich Ijob am unschuldigen <strong>Leid</strong>en reibt), muss der<br />

Mensch im Glauben verharren. Das Buch Ijob bezeugt den Glauben eindrucksvoll als einen Weg<br />

durch das <strong>Leid</strong>, als einen Weg aus dem <strong>Leid</strong>.<br />

94 Transformation: Umformung, Umwandlung, Umgestaltung


C I. Dokumentation der methodischen Vorgehensweisen<br />

<strong>und</strong> Arbeitstechniken<br />

a) Motivation<br />

Als uns zu Beginn der 11. Klasse der Wettbewerb „<strong>Christentum</strong> <strong>und</strong> <strong>Kultur</strong> 2007/2008“ vorgestellt<br />

wurde, zog ich sofort in Erwägung, daran teilzunehmen.<br />

Er sprach mich besonders deshalb an, weil die Arbeitsweise, die Thematik <strong>und</strong> überhaupt die Art der<br />

Darstellung offen gelassen <strong>und</strong> genügend Freiraum für eigene Ideen <strong>und</strong> eigene Gestaltung gewährt<br />

wurde. Der Wettbewerb regte dazu an, eigenverantwortlich an einem selbst gewählten Thema zu<br />

arbeiten <strong>und</strong> sich über längere Zeit <strong>mit</strong> Dingen auseinanderzusetzen, die Jugendliche interessieren -<br />

wofür gerade im Schulalltag häufig keinen Platz mehr bleibt.<br />

Persönlich war für mich wichtig, nicht nach vorgelegtem Konzept arbeiten zu müssen <strong>und</strong> eine bereits<br />

festgelegte Thematik unter von vornherein fest definierten Gesichtspunkten zu untersuchen, sondern<br />

mich eigenständig für einen Aufgabenbereich entscheiden zu können, diesen selbst zu konzipieren,<br />

zu gestalten <strong>und</strong> auszuarbeiten. Natürlich war mir bewusst, dass diese Art der Vorgehensweise ein<br />

hohes Maß an Kreativität, Ausdauer <strong>und</strong> Eigenverantwortung erfordern würde, aber ich betrachtete<br />

es als eine Herausforderung, die ich entschlossen war, aufzunehmen.<br />

Nach der ersten Euphorie kam dann die nüchterne Überlegung, dass ich aufgr<strong>und</strong> meines Zeitplans<br />

im nächsten Jahr, welcher <strong>mit</strong> Nach<strong>mit</strong>tagsunterricht, Unterrichtsst<strong>und</strong>en zum Erwerb des<br />

Führerscheins, Nachhilfe für einen jüngeren Schüler sowie einem geplanten Ferienjob in den<br />

Sommerferien schon ziemlich ausgereizt war, wohl doch lieber von einer Teilnahme absehen sollte.<br />

Dennoch ließ mich die Sache nicht los, <strong>und</strong> ich beschloss, eine abschließende Entscheidung von der<br />

Themenfindung abhängig zu machen.<br />

Dass ein Bereich, <strong>mit</strong> dem ich mich über ein Jahr hinweg so intensiv auseinandersetzen würde, zu<br />

meinen Interessenschwerpunkten gehören musste <strong>und</strong> echte Wissbegierde erforderte, war mir<br />

bewusst. Gerade deshalb entschied ich mich, im Rahmen dieses Wettbewerbs Antwort auf eine Frage<br />

zu suchen, die mich seit längerer Zeit beschäftigte, <strong>und</strong> meine Arbeit dafür zu nutzen, mich <strong>mit</strong> einer<br />

Problematik auseinanderzusetzen, die immer wieder, selbst im Alltag, angestoßen wird <strong>und</strong> daher<br />

immer aktuell ist: „Wie kann eine guter <strong>Gott</strong> zulassen, dass so viel <strong>Leid</strong> in der Welt existiert?“ Es war<br />

eine Frage, auf die ich täglich in irgendeiner Weise traf, selbst, wenn ich am Abend in den<br />

Tagesthemen sah, dass beispielsweise eine Naturkatastrophe wieder einmal die Ärmsten der Armen<br />

nicht verschont hatte, eine Frage, die sich jeder stellen konnte <strong>und</strong> bei der jeder um eine Antwort ringt.<br />

Auch ich bemerkte bei solch einer Konfrontation <strong>mit</strong> der Thematik in mir eine Mischung aus<br />

Unverständnis, Enttäuschung, vielleicht sogar Zorn oder Ablehnung <strong>und</strong> musste zugeben, dass sich<br />

dazu immer mehr Fragen auftürmten. So hoffte ich letztendlich auch für mich in diesem Dilemma<br />

Klarheit zu gewinnen auf die Frage: Stehe ich aufgr<strong>und</strong> all dessen eigentlich noch hinter meinem<br />

Glauben,- wo stehe ich eigentlich?<br />

Der Wettbewerb wurde für mich so<strong>mit</strong> auch zur Chance, mich vor einer wichtigen<br />

Entscheidungsfindung zeitlich <strong>und</strong> sachlich ausführlich <strong>mit</strong> der Thematik beschäftigen zu können.<br />

Meine Motivation, mich <strong>mit</strong> diesem Thema zu befassen war so<strong>mit</strong> auf der einen Seite eine ganz<br />

persönliche, auf der anderen Seite die dramatische Aktualität dieser Problematik, die nie verblassen<br />

würde. An dieser Stelle erst erfuhr ich, dass meine Frage, die an so verschiedenartigen Situationen<br />

aufbrach, eine der Kernfragen des christlichen Glaubens war <strong>und</strong> einen eigenen Namen trug: Die<br />

Theodizee-Frage.<br />

So entschied ich mich jetzt endgültig zur Teilnahme am Wettbewerb <strong>und</strong> dafür, den Ferienjob auf das<br />

nächste Jahr zu verschieben, da ich aufgr<strong>und</strong> der oben genannten Gründe die Hauptarbeit zu meinem<br />

Beitrag in die Sommerferien legen wollte.


) Arbeitsweise<br />

Dass die Aufarbeitung einer derartigen religionsphilosophische Frage unvergleichbar schwieriger ist,<br />

als die Darstellung eines Sachthemas, wurde mir bereits in den Anfängen meines Arbeitens bewusst.<br />

Eine solche Problemstellung verlangt nicht allein reine Analyse, reine Dokumentation oder lediglich<br />

die Beschreibung eines „Ist-Zustandes“, sondern sie erfordert darüber hinaus eigene Reflexion <strong>und</strong><br />

kritische Auseinandersetzung. Mir wurde schnell klar, dass ich zu diesem Aspekt nicht einfach „nur“<br />

recherchieren, mich informieren <strong>und</strong> gef<strong>und</strong>ene Ergebnisse wiedergeben konnte - eine derartige<br />

ausschließlich rezitierende Arbeitsweise würde zu kurz greifen <strong>und</strong> der Komplexität meines Themas<br />

weitaus nicht gerecht werden.<br />

Zu Beginn fühlte ich mich daher schnell überfordert: Ich spürte, wie diese Frage mich selbst ansprach,<br />

an mich gerichtet war <strong>und</strong> mich selbst herausforderte. Gerade daher konnte meine Arbeit keinesfalls<br />

ausschließlich darin bestehen, Tatsachen <strong>und</strong> Fakten aus literarischen <strong>und</strong> religiösen Quellen<br />

wiederzugeben. Die Frage nach einem guten <strong>Gott</strong> angesichts des <strong>Leid</strong>ens der Menschen verlangte<br />

einen Schritt mehr, gewissermaßen zusätzlich auf einer höheren Ebene zu arbeiten. Obwohl ich mir<br />

dessen recht schnell bewusst wurde, bestand die erste Phase meines Arbeitens aus langwierigen<br />

Überlegungen, aus kritischem Nachdenken bezüglich einer Möglichkeit, wie ich mich dieser<br />

religionsphilosophischen Frage im Rahmen meiner Wettbewerbsarbeit am ehesten annähern konnte,<br />

um ihrem hohen Anspruch gerecht zu werden. Da dieser Anspruch wie gesagt insbesondere auch an<br />

mich selbst gerichtet war, entschloss ich mich dazu, meine Arbeit in zwei Teile zu gliedern, um beiden<br />

methodischen Vorgehensweisen, die der persönlich-reflektierten Gestaltung <strong>und</strong> die der Analyse <strong>und</strong><br />

Dokumentation, Raum zu bieten.<br />

Ich entschied mich folglich also für eine ganz besondere Arbeitsweise. <strong>Im</strong> ersten Teil wollte ich die<br />

angesprochene Problematik selbst reflektieren <strong>und</strong> eine literarische Aufbereitung wagen, während der<br />

zweite Teil aus einer möglichst umfassenden <strong>und</strong> differenzierten Annäherung in Form von Analyse<br />

<strong>und</strong> Darstellung von verschiedenartigen Quellenmaterial bestehen sollte. Dabei war es mir besonders<br />

wichtig, dass der oben angesprochene erste Teil dem zweiten vorausgehen sollte: Bevor ich<br />

überhaupt fremdes Material, fremde Antworten <strong>und</strong> Darstellungen lesen bzw. bearbeiten wollte, hatte<br />

ich vor, eigene Gedanken, das Ergebnis selbstständigen Nachsinnens zu Papier bringen. Ich bemühte<br />

mich folglich um keine Literatur, näherte mich keinem Quellenmaterial, bevor ich nicht meine eigenen<br />

Überlegungen zu Ende geführt <strong>und</strong> niedergeschrieben hatte!<br />

Mein derartiges Vorgehen war ein Experiment: Würde ich meine Betrachtung, meine mögliche Antwort<br />

ändern, modifizieren, umformulieren, nachdem ich theologisch <strong>und</strong> philosophisch f<strong>und</strong>ierter<br />

Quellenmaterial sichten würde? Müsste ich das Resultat meines Nachdenkens einschränken oder gar<br />

ganz widerlegen, falls ich zur Ansicht kommen würde, dass meine Anschauungen letztendlich wertlos<br />

seien? Oder würden sie sich, zumindest in Ansätzen, <strong>mit</strong> denen der Theologen decken <strong>und</strong><br />

übereinstimmen, sodass ich sie f<strong>und</strong>ieren <strong>und</strong> ausbauen konnte? Um all dies beantworten zu können,<br />

müsste ich eigene Gedanken möglichst umfassend, möglichst detailliert festhalten.<br />

Ich wählte, wie bereits erwähnt, die literarische Aufbereitung, das heißt ich wollte meine Thematik in<br />

Form eines kleinen literarischen Werkes eigenhändig analysieren. Meine anfängliche Begeisterung<br />

wurde bald auf eine harte Probe gestellt, als verschiedenartige literarische Rahmen zur Ausgestaltung<br />

meiner Thematik andachte <strong>und</strong> wieder verwarf, als ich die Anfänge mehrerer<br />

„Hintergr<strong>und</strong>erzählungen“ niederschrieb <strong>und</strong> bis zu zehn Seiten, eine halbfertige Erzählung, im<br />

Papierkorb landete, weil ich feststellte, dass der literarische Rahmen sich zur Aufbereitung meines<br />

Themas doch nicht eignete, zu sehr ablenkte oder unglaubwürdig war.<br />

Herausforderung <strong>und</strong> Zeitaufwand waren dermaßen groß, dass ich immer wieder daran zweifelte, den<br />

richtigen Weg gewählt zu haben <strong>und</strong> mich fragte, ob ich denn beide Dinge zugleich, eine Erzählung<br />

<strong>und</strong> eine religionsphilosophische Problematik, bearbeiten konnte. Trotz allem habe ich mich nach<br />

reiflichen Überlegungen, bei denen so viele Fragen <strong>und</strong> Schwierigkeiten aufbrachen, die ich hier gar<br />

nicht alle erwähnen kann, letztlich dann doch dazu durchgerungen, mich dem Thema in Form von<br />

Kurzgeschichten <strong>und</strong> Gedichten zu nähern.<br />

Dies hatte den Vorteil, die Problematik von mehreren Seiten reflektieren zu können <strong>und</strong> verschiedene<br />

stilistische Mittel zum Tragen kommen zu lassen. Zudem denke ich, dass sich auf diese Weise auch<br />

der Leser leichter <strong>und</strong> gezielter zum Nachdenken anregen lässt, als durch eine seitenlange Erzählung<br />

bei der man als Verfasser doch sehr auf der Hut sein muss, dass diese nicht ermüdend wirkt <strong>und</strong> ihre<br />

Aussagekraft verliert.<br />

Dennoch hatte ich auch beim Abfassen der Gedichte bzw. Kurzgeschichten einige Niederlagen zu<br />

verzeichnen. So empfand ich einmal das Niedergeschriebene als zu kitschig, das andere Mal fehlte<br />

der dem Thema entsprechende Tiefgang. Ich ging dann dazu über, das Geschriebene tagelang aus<br />

der Hand zu legen <strong>und</strong> es dann erst nochmals zu lesen bzw. zu überarbeiten. Da ich mich auf diese<br />

Weise mehrmals <strong>und</strong> sehr intensiv <strong>mit</strong> den beschriebenen Situationen auseinandersetzte, kam mir die<br />

Idee, meine weiterführenden Gedanken bildlich zu Papier zu bringen.


Obwohl ich in dieser Hinsicht nicht unbedingt die Begabteste bin, drängte es mich doch dazu, mir<br />

meiner Gedanken <strong>und</strong> Empfindungen durch das Malen noch bewusster zu werden <strong>und</strong> ggf. noch zu<br />

vertiefen. So entstanden noch zwei Bilder bzw. eine Zeichnung <strong>mit</strong> meditativen Gedanken, die neben<br />

den, zum sachlichen Teil meiner Arbeit, ausgesuchten Bildern aus Büchern bzw. dem Internet sowie<br />

einigen gesammelten Fotographien ganz nebenbei die Arbeit etwas auflockerten.<br />

Trotz diesem „eigenen“ Anteil an meiner Arbeit hatte ich das Gefühl, dass etwas fehlte, das den<br />

praktischen Bezug zu dieser Thematik, die ja ein vor allem praktisches <strong>und</strong> lebensnahes Problem<br />

aufgreift, herstellen könnte.<br />

Ich kam auf die Idee, einen Außenstehenden zu interviewen, der <strong>mit</strong> dem Thema <strong>Leid</strong> <strong>und</strong> dem<br />

Umgang da<strong>mit</strong> vertraut war. Dabei wagte ich jedoch nicht einen un<strong>mit</strong>telbar Betroffenen zu befragen,<br />

obwohl ich doch von solchen Menschen in unserer Umgebung wusste. Zum einen fand ich es<br />

irgendwie unpassend <strong>und</strong> entwürdigend, sie für meine Arbeit zu ihrer Situation zu befragen, zum<br />

anderen kann man auch schlecht einschätzen, was man bei den Betroffenen da<strong>mit</strong> auslöst.<br />

So kam ich darauf, den Leiter der hiesigen Hospiz Gruppe in Buchen, Herrn Stefan Jany, für ein<br />

Interview anzusprechen. Über ihn <strong>und</strong> seine Tätigkeit wurde vor einige Zeit in der „Rhein-Neckar-<br />

Zeitung“ berichtet. Ich möchte mich an dieser Stelle bei Herrn Jany, der meiner Arbeit sofort sehr<br />

aufgeschlossen gegenüberstand, <strong>und</strong> sich für das Gespräch viel Zeit nahm, sehr herzlich bedanken.<br />

Nach Fertigstellung des extrem zeitaufwändigen <strong>und</strong> arbeitsintensiven literarischen <strong>und</strong><br />

künstlerischen Teils, folgte dann erst die Arbeit am zweiten Teil, dem Sachteil.<br />

Auch bezüglich dieses Bereichs meiner Arbeit möchte ich nun zusammenfassend mein methodisches<br />

Vorgehen <strong>und</strong> die von mir angewandten Arbeitstechniken darlegen. Die an dieser Stelle durchgeführte<br />

Vorgehensweise kontrastiert sich allerdings stark zu der vorangehend beschriebenen Technik des<br />

ersten Teils. Während dort kreatives Arbeiten <strong>und</strong> eigenständige Reflexion bezüglich der Theodizee-<br />

Problematik gefordert wurden, verlangte dieser Sachteil nun analytisches Ausarbeiten<br />

verschiedenartiger Literatur <strong>und</strong> anschließende Dokumentation/Darstellung der gewonnenen<br />

Ergebnisse.<br />

Am Beginn einer Reihe aufeinander folgender Arbeitsschritte stand die Recherche im Internet,<br />

Büchereien <strong>und</strong> dem Angebot verschiedener religiöser Verlage, wie dem Schwaben- oder Herder<br />

Verlag, <strong>mit</strong> dem Ziel der Auswahl <strong>und</strong> Beschaffung von schriftlichem Quellenmaterial. Allein dieser<br />

Schritt eröffnete mir eine breite Übersicht über den so differenziert behandelten Gesamtkomplex der<br />

Theodizee, sodass bereits aufgr<strong>und</strong> des zwangsläufigen Selektierens der so vielfältigen literarischen<br />

Quellen an dieser Stelle eine Festlegung über die künftigen Schwerpunkte meiner Arbeit<br />

unumgänglich wurde. In dieser Hinsicht <strong>und</strong> auch bezüglich eines ersten Einlesens wurde die<br />

themenbezogene Internetrecherche zum wichtigen Hilfs<strong>mit</strong>tel, welches mir anhand kurzer Berichte<br />

oder veröffentlichter Kommentare zum einen, einen groben Überblick, zum anderen, bereits Einblick in<br />

zentrale Aspekte meiner künftigen Arbeit bot.<br />

Nach intensiver Beschäftigung <strong>und</strong> Auseinandersetzung <strong>mit</strong> darstellender theologischer Literatur galt<br />

es zunächst zu konzipieren, den genauen Rahmen abzustecken <strong>und</strong> die von mir zu behandelnden<br />

Inhaltspunkte einzugrenzen <strong>und</strong> näher zu definieren.<br />

Die nun von mir angewandte Methode zur Verwertung des schriftlichen Quellenmaterials war die des<br />

Exzerpierens (lat. herausklauben), eine Textverarbeitungstechnik, nach der in mehreren Schritten der<br />

wesentliche Gehalt eines Textes herausgearbeitet <strong>und</strong> in komprimierter Form zusammengetragen<br />

wird. Auch bei der Fassung meines Textes fanden verschiedene Techniken fachlichen Arbeitens<br />

Anwendung, wie beispielsweise korrekte Zitierweise <strong>und</strong> weitere formale, bzw. stilistische<br />

Besonderheiten, die es zu berücksichtigen galt. Bei der eigenen Textzusammenstellung kann ich im<br />

Nachhinein als besondere Schwierigkeit den Sprachwechsel von der frei kreativen, literarischen<br />

Ebene des ersten Teils zu dem sachlich-nüchternen Stil, welchen die analytische Vorgehensweise<br />

erforderlich machte, nennen, ebenso wie die angemessene Präzisierung, welche angesichts des<br />

philosophischen Charakters mehrerer Beiträge erschwert wurde.<br />

Die größte Herausforderung lag allerdings in der Wertung <strong>und</strong> Selektion der verschiedenen<br />

Antwortstrategien auf die Theodizee-Problematik, da sich im Hinblick auf eine nahezu<br />

unübersichtliche Vielzahl schriftlicher Lösungsansätze eine Auswahl als absolut unumgänglich<br />

herausstellte. Hier<strong>mit</strong> sei zugegeben, dass eine gewisse Subjektivität hinsichtlich der Selektion<br />

unvermeidbar wurde, <strong>und</strong> dass Theorien absolut unglaubwürdigen Charakters, bewusst<br />

vernachlässigt wurden.<br />

Um dem Ziel einer umfassenden <strong>und</strong> möglichst differenzierten Annäherung an die Theodizee-<br />

Problematik weitgehend gerecht werden zu können <strong>und</strong>, da im ersten Teil bereits auf die Literatur als<br />

Darstellungs<strong>mit</strong>tel zurückgegriffen wurde, entschloss ich mich, auch in der bestehenden Literatur nach<br />

dem Motiv der Theodizee zu suchen. Als Gegenstand meiner Analyse wählte ich Wolfgang Borcherts<br />

Nachkriegsdrama „Draußen vor der Tür“, eine Analyse, die nun auch wieder eigenständiges Arbeiten


<strong>und</strong> Interpretieren notwendig machte, da ich nicht auf die Gr<strong>und</strong>lage von Sek<strong>und</strong>ärliteratur<br />

ausweichen konnte <strong>und</strong> wollte.<br />

<strong>Im</strong> Hinblick auf die Gesamtheit meiner Arbeit kann ich abschießend festhalten, dass die Thematik der<br />

Theodizee sehr differenziert <strong>und</strong> auch zum Teil kontrastierende Vorgehensweisen <strong>und</strong><br />

Arbeitstechniken erforderte, dass aber gerade diese die Gr<strong>und</strong>lage einer umfangreichen <strong>und</strong><br />

variierenden Annäherung an die Theodizee-Problematik legten.


C II. Persönliche Stellungsname<br />

Das <strong>Leid</strong> der Menschen als Anstoßpunkt für die Frage nach <strong>Gott</strong>.<br />

Am Anfang meiner Arbeit stand eine einfache Frage, etwas, dass ich nicht verstehen konnte <strong>und</strong> das<br />

auch nach Phasen langen Nachdenkens nicht erklärbarer oder weniger widersprüchlich wurde: „Wie<br />

kann ein guter <strong>Gott</strong> die Menschen leiden lassen?“ Ich begriff diesen Wettbewerb als Chance, als den<br />

Rahmen für eine tiefere Auseinandersetzung, für einen weiterführenden Denkprozess, wobei dieser<br />

Rahmen beliebig vergrößert, gedehnt <strong>und</strong> von mir geformt werden konnte. Ich schätze, ich habe ihn<br />

als Raum genutzt, nicht nur ein Thema zu bearbeiten, das mich interessierte, sondern eine Suche zu<br />

beginnen, nach einer Antwort.<br />

Nun schreibe ich die letzten Sätze meiner Arbeit, ich bin gewissermaßen am Ende meiner Suche<br />

angekommen - die Konsequenz daraus wäre, inzwischen eine Antwort zu gef<strong>und</strong>en haben.<br />

Ich habe keine Antwort gef<strong>und</strong>en, in dem Sinne, dass die Widersprüchlichkeit meiner Frage, die<br />

Widersprüchlichkeit zwischen einem guten <strong>Gott</strong> <strong>und</strong> dem <strong>Leid</strong>en der Welt für mich nun aufgehoben<br />

ist; auf eine solche Lösung bin ich auch während meiner langen Suche nicht gestoßen.<br />

Aber dennoch war dieser Weg nicht wertlos: Was ich sammeln konnte, sind neue Erkenntnisse, die<br />

Gewissheit beispielsweise, dass ich <strong>mit</strong> meiner Frage nicht allein stand <strong>und</strong> dass sie seit dem Buch<br />

Ijob im Alten Testament immer wieder angedacht wurde, <strong>und</strong> dass Menschen genauso oft um eine<br />

Erklärung gerungen haben.<br />

Ich durfte ebenfalls erkennen, dass diejenigen, die un<strong>mit</strong>telbar vom <strong>Leid</strong>en betroffen sind, sich kaum<br />

um eine Antwort auf die Theodizee bemühen können, <strong>und</strong> dass diese für sie überhaupt nur schwerlich<br />

zum Problem wird - darüber nachdenken zu dürfen ist folglich, das Privileg derer, die ein wenig<br />

außerhalb stehen, aber doch nicht soweit, dass sie blind sind für das <strong>Leid</strong> der anderen. In diesem<br />

Sinne wurde mir bald bewusst, dass ich mich glücklich schätzen konnte, überhaupt darum ringen zu<br />

dürfen.<br />

Allerdings stimmt es nicht, wenn ich nun behaupten würde, noch immer so unbeholfen <strong>und</strong> ratlos zu<br />

sein, wie zu Beginn meiner Suche - ich fand zwar keine abschließende Erklärung, keine endgültige<br />

Lösung, sondern für mich eine andere Antwort.<br />

Die Antwort, die schon zu Beginn meiner Arbeit aus meinem literarischen Teil hindurch scheint,<br />

damals zwar nur als reine Vermutung, meinerseits zwar reflektiert, aber noch nicht der theologischen<br />

Untersuchung ausgesetzt, die ich im zweiten Teil vorgenommen habe:<br />

„Wir können keine Lösung finden - dies allein ist die Antwort“.<br />

Seitdem ich den Beginn meiner Arbeit schrieb, habe ich den Charakter des Theodizee-Problems<br />

analysiert <strong>und</strong> Lösungsansätze betrachtet <strong>und</strong> abgewogen, ich habe die Frage von Seiten der Bibel<br />

beleuchtet <strong>und</strong> untersucht, wie sie den Menschen unseres Jahrh<strong>und</strong>erts begegnet. Zudem bin ich<br />

über die Erklärungsversuche anderer Jugendlicher gestoßen.<br />

Natürlich habe ich Antwortversuche entdeckt, die meinen eigenen Blickwinkel im Wesentlichen<br />

erweiterten <strong>und</strong> meinen Weg <strong>mit</strong> immer neuen Erfahrungen erhellten: Dinge, die ich zuvor nicht<br />

bedacht hatte <strong>und</strong> die alle gemeinsam den Widerspruch ein wenig abmilderten <strong>und</strong>, zumindest<br />

stellenweise, seine Härte nahmen, obgleich er noch immer besteht.<br />

Ich hatte nie erwägt, dass das von Menschen verursachte <strong>Leid</strong> Folge eines Schuldig -werdens ist,<br />

welches in der menschlichen Freiheit gründet oder dass es nicht nur die Menschen sind, die leiden,<br />

sondern dass <strong>Gott</strong> selbst in Jesus <strong>mit</strong> ihnen leidet, genauso wie ich nicht überdacht hatte, dass das<br />

Verharren im Glauben trotz des eigenen <strong>Leid</strong>s, dass dieser Appell des Bedeutungsträgers Ijob für<br />

manche ein Weg aus der Theodizee-Problematik darstellen konnte.<br />

Dies alles, diese gesamten Ansätze <strong>und</strong> Lösungsversuche, diese weiteren Thematisierungen der<br />

Theodizee waren Trittsteine auf meiner Suche, auf die ich meinen Fuß setzen konnte <strong>und</strong> die es mir<br />

ermöglichten, weiterzugehen. Ohne diese neuen Einblicke <strong>und</strong> Erkenntnisse wäre ich der<br />

Unsicherheit des Anfangs verhaftet geblieben <strong>und</strong> obgleich sie für mich vielleicht keine Lösung waren:<br />

sie waren mein Weg.<br />

Mein Weg, der mich nicht zu Georg Büchners Zitat „<strong>Leid</strong> ist der Fels des Atheismus“ , also ins Nichts<br />

<strong>und</strong> zur Abwendung von <strong>Gott</strong> geführt hat, sondern der mich in einer anderen Sphäre des<br />

Nichterklärbaren, des „ewig Geheimen“ ankommen ließ <strong>und</strong> da<strong>mit</strong> die Suche zu einer Entdeckung hat<br />

werden lassen.<br />

Ich konnte meine zu Beginn der Arbeit angedachte Antwort halten, aber - <strong>und</strong> das ist der<br />

entscheidende Unterschied - ich kann sie nun begründend vertreten. Ich habe mich so intensiv <strong>und</strong><br />

über einen langen Zeitraum hinweg <strong>mit</strong> der Theodizee befasst, dass ich nicht länger an meiner<br />

Antwort, die ich während meiner Suche bekräftigen konnte, zweifeln muss.<br />

Aber meine Arbeit ist nicht nur mein rein persönlicher Gedankengang. Sie soll umfassende<br />

Annäherung <strong>und</strong> Erörterung der Theodizee sein, für alle die, die - genauso wie ich es tat - nun selbst


um eine Antwort ringen <strong>und</strong> in denen die Theodizee-Frage aufbricht. Sie soll - wie für mich - ein Weg<br />

zu dem erhellenden Gefühl sein, sich <strong>mit</strong> der Theodizee auseinander gesetzt zu haben.


I. „Ohne meinen Glauben könnte ich dies alles nicht<br />

aushalten“<br />

-<strong>Im</strong> Gespräch <strong>mit</strong> dem Leiter der Hospizgruppe<br />

Buchen, Stefan Jany<br />

Sonntag, den 17. August 2008<br />

Beschreibung seiner Tätigkeit<br />

Die freiwillige Aufgabe von Herrn Jany ist die Sterbe- <strong>und</strong> Trauerbegleitung. Menschen, die vor dem<br />

Tod stehen, würden nicht alleine gelassen, sie müssten nicht alleine sterben, erzählt Herr Jany, die<br />

Trauerbegleitung umfasse die Begleitung der Angehörigen vor <strong>und</strong> nach dem Ableben der Patienten.<br />

Die Begleitung der Betroffenen erfolge ambulant in Krankenhäusern, Altenheimen <strong>und</strong> Wohnungen.<br />

Ein stationäres Hospiz existiere nicht. Die Begleiter stände den Betroffenen nach Absprache zur<br />

Verfügung. Hierbei richte sich die konkrete Begleitung nach den Vorstellungen der Patienten <strong>und</strong><br />

deren Angehörigen. Oft würde um Beistand gebeten bei physischer <strong>und</strong> psychischer Erschöpfung der<br />

Angehörigen, bei Unstimmigkeiten unter den Verwandten, sowie bei Überforderung des gesamten<br />

Umfeldes des Betroffenen <strong>mit</strong> einer akuten oder schon länger andauernden Krankheit.<br />

Die Begleiter seien oft einfach nur da <strong>und</strong> überläsen die Art <strong>und</strong> Weise der Begleitung ganz <strong>und</strong> gar<br />

den Patienten, natürlich nicht ohne ein umfassendes Handlungskonzept im Hintergr<strong>und</strong> bereit zu<br />

halten. Sie seien fähig <strong>und</strong> auch willens, den Sterbenden <strong>und</strong> deren Angehörigen umfassend in allen<br />

Nöten, Fragen <strong>und</strong> Zweifeln zur Seite zu stehen.<br />

Welche leidvollen Erfahrungen machen Sie bei Ihrer Arbeit?<br />

<strong>Leid</strong>volle Erfahrungen gäbe es zur Genüge: Langsames Sterben eines Patienten, schwere<br />

Erkrankung eines jungen Menschen, Tod eines Elternteils <strong>mit</strong> noch kleinen Kindern, Streitigkeiten<br />

unter den Angehörigen, Eheprobleme eines Patienten, unausgesprochen Erwartungen, ein<br />

Sterbender/Angehöriger kann nicht loslassen, Problemverdrängungen.<br />

Sehr belastend seien auch folgende Vorkommnisse: Der Betreute <strong>und</strong> die Angehörigen wüssten<br />

unausgesprochen um den Zustand des Betroffenen, jedoch würden wichtige Tatsachen tabuisiert.<br />

Selbst der bevorstehende Tod werde verdrängt <strong>und</strong> man flüchte sich gemeinsam in<br />

Oberflächlichkeiten. Auch die Ärzte seien nicht aufrichtig gegenüber dem Patienten <strong>und</strong> läsen den<br />

Angehörigen gegenüber die tatsächlichen Gegebenheiten unausgesprochen. Selbst im Angesicht des<br />

Todes tausche man nur Worthülsen <strong>und</strong> Floskeln aus.<br />

Nicht selten komme es vor, dass die Patienten nicht <strong>mit</strong> ihrer Umgebung über das bevorstehende<br />

Ende reden können. Schweigen umgebe sie. Darauf angesprochen bräche es aus ihnen heraus.<br />

Erleichterung über das stattgef<strong>und</strong>ene Gespräch, Wut <strong>und</strong> Zorn über die Angehörigen mache sich<br />

breit.<br />

Wie bewältigen Sie die Konfrontation <strong>mit</strong> menschlichem <strong>Leid</strong>?<br />

Stefan Jany berichtet, dass auch nach all den Jahren als Krankenpfleger, Sterbe - <strong>und</strong> Trauerbegleiter<br />

in ihm immer wieder die Frage nach dem „Warum; weshalb lässt <strong>Gott</strong> das zu“? aufkomme. Manchmal<br />

stiegen auch Verzweiflung <strong>und</strong> Wut auf. In Momenten des Alleinseins werde ihm aber immer wieder<br />

die Katastrophe von Lockerbie 1988 bewusst, als der Kardinal beim Requiem die gleichlautende<br />

Frage stellte <strong>und</strong> zur Antwort gab: „Aber <strong>Gott</strong> war <strong>mit</strong> in diesem Flugzeug, <strong>Gott</strong> ist <strong>mit</strong> abgestürzt“.<br />

Beim Sterben Kinder <strong>und</strong> Jugendlicher lasse sich beobachten, wie diese innerhalb kurzer Frist<br />

heranreifen <strong>und</strong> oftmals eine Weisheit erlangen, die der Erwachsenen übersteigt. Durch die<br />

Hospizarbeit stehe für ihn fest: Die Patienten sterben an einer Krankheit, aber dies sei nicht das Ende.<br />

Das Leben gehe weiter, nur in einer andern Form. Diesbezüglich habe sich <strong>mit</strong> der Zeit bei ihm eine<br />

gewisse Gelassenheit breit gemacht. Beispielhaft sei für diesen auch der Jahreskreislauf, das Werden<br />

<strong>und</strong> Vergehen in der Natur. Weiterhin das Gleichnis vom Samenkorn, das in die Erde fällt <strong>und</strong> stirbt…<br />

Spielt für Sie bei der Begegnung <strong>mit</strong> <strong>Leid</strong> die Frage nach <strong>Gott</strong> eine Rolle?


„Für mich unbedingt! <strong>Gott</strong> ist unser Ursprung <strong>und</strong> zu ihm gehen wir zurück. Ohne meinen Glauben<br />

könnte ich dies alles nicht aushalten, ja, ich hätte keine Motivation für meine Arbeit“, erklärt Herr Jany,<br />

bei all seinen offenen Fragen wisse er sich dennoch geborgen in <strong>Gott</strong>. <strong>Im</strong> Wissen um die Gegenwart<br />

<strong>Gott</strong>es fände Herr Jany oftmals eine Entgegnung auf dessen Zweifel <strong>und</strong> Suche.<br />

Hat <strong>Leid</strong> für Sie einen Sinn?<br />

Herr Jany verstehe <strong>Leid</strong> eher aus der Sicht eines Krankenpflegers. <strong>Leid</strong> in der Form, wie sie ihm<br />

begegne, muss bekämpft werden <strong>mit</strong> dem Ziel, es weitest gehend auszuschalten. Dies sei sein Beruf<br />

<strong>und</strong> so sehe er auch seine Hospiztätigkeit: Der Tod sei unausweichlich <strong>und</strong> den Weg dorthin möchte<br />

er <strong>mit</strong> möglichst viel Sinnhaftem erfüllen. „Wenn dies geschieht, <strong>und</strong> die Sterbenden das hinter, sowie<br />

das vor ihnen liegende Leben zumindest teilweise annehmen können, erfahre ich einen Schimmer<br />

davon, dass <strong>Leid</strong>en einen Sinn haben kann“, so der Leiter der Hospizgruppe.<br />

Wie gehen Patienten <strong>mit</strong> <strong>Leid</strong> um, Gläubige <strong>und</strong> Ungläubige?<br />

Herr Jany erklärt, er habe bereits schon alle Facetten von totaler Ablehnung bis zur bewussten<br />

Annahme erlebt. Gläubige täten sich in der Annahme des <strong>Leid</strong>s leichter, dies sei aber durchaus nicht<br />

die Regel. Allein durch die Art <strong>und</strong> Weise der <strong>Leid</strong>bewältigung, könne man keine Schlüsse daraus<br />

ziehen, ob der Patient Vertrauen in <strong>Gott</strong> besitze. Auch Nichtgläubige wüssten sich bei<br />

entsprechendem Umfeld gehalten <strong>und</strong> angenommen. Oftmals erlebe Stefan Jany, wie Sterbende in<br />

der permanenten Wiederholung eines Gebets (z.B. „Amen, Amen, Amen…“) verharren, seien es<br />

Gläubige, oder Ungläubige. Dies werde als Abschluss eines Lebens <strong>und</strong> gleichzeitig als Zwiesprache<br />

<strong>mit</strong> <strong>Gott</strong> bzw. einem unbestimmten „Höheren“, verstanden.


II. „Überall ist <strong>Leid</strong>“<br />

- Fotographien von Bittschriften in der Marienkapelle<br />

Kloster Engelberg, Miltenberg-


III. „Mein <strong>Gott</strong>, mein <strong>Gott</strong> warum hast du mich verlassen?“<br />

- Darstellungen r<strong>und</strong> um das Kloster Engelberg-


V. Denkanstöße - Zitate<br />

Gibt deinen Schmerz Worte.<br />

Harm, der nicht spricht, erstickt<br />

das volle Herz <strong>und</strong> macht es brechen<br />

Friedrich Schiller<br />

Der Schmerz ist der große Lehrer<br />

der Menschen.<br />

Unter seinem Hauche entfalten sich<br />

die Seelen<br />

Marie v. Ebner, Eschbach<br />

Das <strong>Leid</strong>en verwandelt Materie in<br />

Geist, Schatten in Licht, Hartes in<br />

formbares Leben<br />

Teilhard de Chardin<br />

Nie erfahren wir unser Leben stärker<br />

als in großer Liebe <strong>und</strong> tiefem Schmerz<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Der Schmerz ist ein heiliger Engel,<br />

durch ihn sind Menschen größer<br />

geworden, als durch alle Freuden<br />

dieser Welt.<br />

Adalbert Stifter<br />

Man kann das Böse leugnen, aber<br />

nicht den Schmerz,<br />

nur der Verstand kann <strong>Gott</strong> beweisen.<br />

Georg Büchner<br />

Warum leide ich? Das ist der Fels des<br />

Atheismus. Das leiseste Zucken des<br />

Schmerzes, <strong>und</strong> rege es sich nur in<br />

einem einzigen Atom, macht einen Riss<br />

in der Schöpfung von oben bis unten<br />

Georg Büchner<br />

Die SS erhängt in Auschwitz einen<br />

Jungen. Sein Todeskampf dauert eine<br />

halbe St<strong>und</strong>e.<br />

„Wo ist <strong>Gott</strong>? Wo ist er?“ - „Hier ist er.<br />

Er hängt hier am Galgen.“<br />

Elie Wiesel<br />

Und da sage ich nun: Nicht weil er nicht<br />

wollte, sondern weil er nicht konnte, griff<br />

er nicht ein<br />

Hans Jonas - <strong>Gott</strong> nach Auschwitz<br />

Woher kommen all die Übel, <strong>und</strong> warum<br />

nimmt <strong>Gott</strong> sie nicht hinweg?<br />

Epikur nach Laktanz


Literatur- <strong>und</strong> Quellenverzeichnis<br />

� Böhnke, Michael u.a.: <strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen, Das Problem der Theodizee, Freiburg<br />

(Herder), 2007<br />

� Borchert, Wolfgang: Draußen vor der Tür, Hamburg (Rowohlt Taschenbuch Verlag), 2007<br />

� Braukmann, Werner: Die Facharbeit - Pocket Teacher, Berlin (Cornelsen), 2001<br />

� Greshake, Gisbert: Warum lässt uns <strong>Gott</strong>es Liebe leiden?, Freiburg (Herder), 2007<br />

� Hahne, Peter: <strong>Leid</strong>, Warum lässt <strong>Gott</strong> das zu?. Lahr (St.-Johannis-Druckerei), 2007<br />

� Kaiser, Johannes: Abitur-Training Religion, Freising (Stark), 1998,<br />

Band 1 <strong>und</strong> 2<br />

� Passende Worte im Trauerfall, Mannheim (Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG),<br />

2007<br />

� Wissenschaftlicher Rat der Duden Redaktion: Duden, die Deutsche Rechtschreibung, Mannheim<br />

(Duden-Verlag) 21. Auflage<br />

Internetquellen<br />

� http://www.kath-pfarrgemeinde-gimborn-nochen.de/aktuelles2003.htm<br />

Dr. von Stasch, Klaus: <strong>Gott</strong> <strong>und</strong> das <strong>Leid</strong>. Eine Suche in den Spuren Ijobs, entnommen am<br />

13.08.2008<br />

� http://www.suesske.de/hiob_presse.htm<br />

Godeberg: Der verzweifelten Klage können Freude <strong>und</strong> Dankbarkeit folgen, entnommen am<br />

13.08.2008<br />

� http://www.predigtpreis.de/predigpreis2001/predigten2001/birkelbach.html<br />

Predigtpreis 2001-Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG, entnommen am 13.08.2008<br />

� http://www.bistummainz.de/bistum/bistum/kardinal/texte/texte_2007/hospiztag.html<br />

Kardinal Karl Lehmann, Bischof von Mainz. Der Mensch in <strong>Leid</strong> <strong>und</strong> Schmerz - Bemühungen um<br />

eine <strong>Leid</strong>minderung aus christlicher Sicht, entnommen am 14.08.2008<br />

� http://www.dittmar-online.net/religion/gott/weristgott.html<br />

Wer ist eigentlich <strong>Gott</strong>?, entnommen am 17.08.2008<br />

� http://www.danews.de/danreli/exzerpte/theodizee_haerle.htm<br />

Ahrnke, Daniel: Der Ort der Theodizee im Aufbau von Härles Dogmatik, entnommen am<br />

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� http://www.joerg-sieger.de/gallinat/texte/981220.htm<br />

Predigten, <strong>Gott</strong>esdienste <strong>und</strong> Vorträge Predigten von Marieluise Gallinat-Schneider, entnommen<br />

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Kollwitz, Käthe. Kind im Arm des Todes, entnommen am 16.08.2008<br />

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Purschke. Christa. Liebe, entnommen 13.08.2008<br />

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Bild des Monats: «Hiob-Hiob-Hiob», entnommen am 13.08.2008<br />

� http://www.lexi-tv.de/script/printpage.asp?loc=/lexikon/thema.asp?InhaltID=2415


Blake, William. Satan schüttet die Plagen über Hiob aus, entnommen am 13.08.2008<br />

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Purschke, Christa. Nacht, entnommen am 13.08.2008<br />

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Purschke, Christa. Dort, entnommen am 13.08.2008<br />

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Passion, entnommen am 17.08.2008<br />

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Kollwitz, Käthe. Eltern am Grab, entnommen am 16.08.2008<br />

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entnommen am 17.08.2008<br />

� http://www.wlb-stuttgart.de/sammlungen/bibeln/bestand/besondere-stuecke/zar-peter-bibel/willijaeckel-hiob/<br />

Jaeckel, Willi. Hiob, entnommen am 13.08.08


Selbständigkeitserklärung<br />

Hier<strong>mit</strong> versichere ich, diese Wettbewerbsarbeit ohne fremde Hilfe angefertigt <strong>und</strong> nur die im<br />

Literaturverzeichnis angeführten Quellen <strong>und</strong> Hilfs<strong>mit</strong>tel benutzt zu haben:<br />

Limbach-Scheringen, den 05. September 2008<br />

Kathrin Schölch

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