Im Leid mit Gott - Christentum und Kultur
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B IV. „An einen `lieben <strong>Gott</strong>´ kann ich nicht länger<br />
glauben“ – Kinder <strong>und</strong> Jugendliche nehmen die<br />
Theodizee-Problematik wahr<br />
Sobald menschliches <strong>Leid</strong>en - in direkter Konfrontation erlebt oder medial ver<strong>mit</strong>telt erfahren - von<br />
Kindern als unbedingter Bestandteil der Wirklichkeit erfasst wird, kann das kindliche<br />
<strong>Gott</strong>esverständnis eines „lieben <strong>Gott</strong>es“ erschüttert werden. Lebensrealität <strong>und</strong> ein ausschließlich<br />
unter positivem Vorzeichen stehendes <strong>Gott</strong>esbild prallen in der Wahrnehmung Heranwachsender<br />
(freilich in unterschiedlichem Alter) aufeinander - ein nahezu unumgänglicher Anstoß zur Reflexion.<br />
Bereits in der Formulierung (scheinbar) einfacher Fragen wie „Warum lässt <strong>Gott</strong> die Not so vieler<br />
Menschen zu?“ schneiden Kinder <strong>und</strong> Jugendliche die Theodizee-Problematik an <strong>und</strong> empfinden<br />
durchaus das Spannungsverhältnis beim Versuch, eine leidvolle Welt <strong>und</strong> einen guter <strong>Gott</strong><br />
nebeneinander zu denken.<br />
<strong>Im</strong> folgenden Abschnitt wird sowohl das ursprüngliche, vom christlichen Glauben unreflektiert<br />
übernommene kindliche <strong>Gott</strong>esbild als auch die Überlegung, was die Theodizee-Frage im kindlichen<br />
Alltag wirklicher aufbrechen lässt, zum Gegenstand näherer Betrachtung. Ebenfalls soll folgerichtig<br />
eine Untersuchung der so differenzierten <strong>und</strong> variierenden alltagstheologischen Umgangs-, <strong>und</strong><br />
Bewältigungsansätze des Theodizee-Dilemmas nicht vernachlässigt werden.<br />
Die folgenden empirisch er<strong>mit</strong>telten Ergebnisse, sowie die zentralen entwicklungspsychologischen<br />
Koordinaten sind dem Dissertationsprojekt von Eva Stögbauer entlehnt, wobei Kommentierung <strong>und</strong><br />
Analyse an dieser Stelle eigenständig <strong>und</strong> vertiefend vorgenommen werden sollen. 37<br />
Die Integration dieses Abschnitts in das Gesamte der Arbeit sei vom abgesteckten Rahmen dieses<br />
Wettbewerbs her gerechtfertigt, Ein von Jugendlichen wahrgenommener Schülerwettbewerb, sollte<br />
gerade diese auch zu Wort kommen lassen.<br />
a) „Ich stelle mir <strong>Gott</strong> vor als einen älteren Mann <strong>mit</strong> Bart…“<br />
- der positiv besetzte kindliche <strong>Gott</strong>esbegriff als Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />
Prämisse des Theodizee-Dilemmas<br />
Insbesondere das <strong>Gott</strong>esbild des Kindesalters wird geprägt von unkritischer <strong>und</strong> unreflektierter<br />
Übernahme des traditionellen christlichen Verständnisses <strong>und</strong> der äußeren dargebotenen<br />
Annäherungsmuster, d.h. vom Rahmen der religiösen Sozialisation. Innerhalb des kindlichen, bzw.<br />
altersentsprechenden Gedankenhorizontes werden von außen übernommene Strukturen besetzt <strong>und</strong><br />
in Beziehung gebracht, so wie beispielsweise den angenommenen Eigenschaften <strong>Gott</strong>es<br />
entsprechende personifizierende Synonyme zur erleichterten <strong>Gott</strong>esdarstellung Anwendung finden.<br />
Charakteristisch ist nicht das Abstrakte, jede konkrete Vorstellung Ablehnende, sondern die<br />
Personifizierung <strong>und</strong> ein Vergleich <strong>mit</strong> dem Vertrauten <strong>und</strong> Sicherheit Gebenden.<br />
„Ich stelle mir <strong>Gott</strong> als eine allgegenwärtige Vertrauensperson vor, die mir hilft, schwierige Situationen<br />
zu meistern“ 38 - geradezu klassisch für ein derartiges, noch nicht von der Lebenswirklichkeit<br />
erschüttertes <strong>Gott</strong>esbild ist der Vorstellungskomplex des Schöpfergottes, welcher durch die<br />
Gestaltung eines guten Anfangs das Leben einem Sinnpotential unterstellt <strong>und</strong> sich für eine<br />
endgültige Vollendung der defizitären Welt verbürgt. Ebenso Sicherheit versprechend sind<br />
anthropomorphe Anschauungen, wie die des alten Mannes oder Vatergottes, welcher insbesondere<br />
<strong>Gott</strong> als Dialogpartner <strong>und</strong> Helfer suggeriert <strong>und</strong> dessen Nähe <strong>und</strong> Kraftquelle intensivierend<br />
hervorhebt. Eine magisch-mythische Erhöhung <strong>Gott</strong>es ist für das kindliche Gedankengefüge in<br />
gleicher Weise charakteristisch wie die Einschätzung <strong>und</strong> Erwartung eines belohnenden,<br />
bewahrenden oder sanktionierenden direkten Eingreifens <strong>Gott</strong>es, um die von <strong>Gott</strong> angelegten<br />
Strukturen als gute zu erhalten. Nur ein solches nahezu ausschließlich positiv besetztes<br />
<strong>Gott</strong>esverständnis kann sich überhaupt als Widerspruch zur rational erfahrenen, leidverhafteten<br />
Wirklichkeit etablieren. Als solches - hier liegt der Gr<strong>und</strong> für die zuvor durchgeführte Nachzeichnung<br />
des kindlich-christlichen <strong>Gott</strong>esbildes - wird es zum Ausgangspunkt der Theodizee-Frage, sobald sich<br />
die <strong>Gott</strong> zugesprochenen Attribute an die Wirklichkeit nicht mehr verifizieren lassen 39 .<br />
37 Eva Stögbauer: „Die Theodizee-Frage bei Jugendkichen wahrnehmen“. Eine qualitativ-empirische Spurensuche(Universität<br />
Regensburg)<br />
38 „<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 147<br />
39 Vgl. „<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 152