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Im Leid mit Gott - Christentum und Kultur

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Das <strong>Leid</strong>en der Welt ist der härteste Einwand<br />

gegen den <strong>Gott</strong>esglauben - „Die einzige<br />

Entschuldigung für <strong>Gott</strong> ist, dass er nicht<br />

existiert“ 34 , d.h. <strong>Gott</strong> könne allein dadurch<br />

gerechtfertigt werden, dass er nicht ist. Georg<br />

Büchner legt einen Protagonisten in seinem<br />

Revolutionsdrama „Dantons Tod“ folgende<br />

Worte in den M<strong>und</strong>, <strong>mit</strong> denen die<br />

„Voraussetzung“ für Göttlichkeit impliziert, auf<br />

der anderen Seite das Argument des<br />

Atheismus angeführt wird: „Schafft das<br />

Unvollkommene weg, dann allein könnt ihr<br />

<strong>Gott</strong> demonstrieren“. (Auf die schweigend<br />

angenommene Prämisse, dass die Existenz<br />

<strong>Gott</strong>es überhaupt beweisbar sei, sei an<br />

dieser Stelle nicht näher eingegangen).<br />

Büchner legt nahe, dass im Angesicht eines<br />

<strong>Gott</strong>es, das Unvollkommene, das Negative,<br />

nicht bestehen dürfe, dass also ein <strong>Gott</strong> in<br />

jedem Fall gütig <strong>und</strong> allmächtig sein müsse,<br />

um das Unvollkommene zu verbannen. Ein<br />

nicht-gütiger <strong>und</strong> nicht-allmächtiger <strong>Gott</strong> wäre<br />

zuvor <strong>mit</strong> dem <strong>Leid</strong> der Welt vereinbar, aber<br />

nicht länger göttlich. Folglich könne <strong>Gott</strong> also,<br />

da das Unvollkommene besteht, nicht<br />

existieren.<br />

Christa Purschke, Nacht<br />

In radikalster <strong>und</strong> extremster Konsequenz wirft die erhobene Theodizee-Frage den Menschen auf den<br />

Atheismus, auf die Annahme der Nicht-Existenz <strong>Gott</strong>es, zurück - <strong>Leid</strong>en etabliert sich zum „Fels des<br />

Atheismus“, zum vielleicht einzigen, zumindest aber zum stärksten Ansatzpunkt, an den sich die<br />

Atheisten argumentativ klammern.<br />

6. Theodizee - Ein sinnloses Unternehmen?<br />

Zwischen Scheitern <strong>und</strong> Alternativen<br />

Alle bisher kommentierten <strong>und</strong> diskutierten Ansätze versuchen die Widersprüchlichkeit der Theodizee<br />

argumentativ aufzuheben. Stillschweigend <strong>und</strong> selbstverständlich wird dabei vorausgesetzt, dass eine<br />

Rechtfertigung <strong>Gott</strong>es gelingen wird oder zumindest unternommen werden kann <strong>und</strong> vor allem soll:<br />

Weder wird der Mensch auf seine Befähigung zu antworten hin befragt, noch wird die Sinnfrage<br />

aufgeworfen.<br />

<strong>Im</strong> 17 Jhd. publiziert <strong>Im</strong>manuel Kant eine philosophische Abhandlung deren Titel allein alle<br />

angenommenen Selbstverständlichkeiten erschüttert: „Über das Misslingen aller philosophischen<br />

Versuche in der Theodizee“. Der Aufklärer untersucht Befähigung <strong>und</strong> Urteilskompetenz der<br />

menschlichen Vernunft, <strong>mit</strong> der allein sich der Mensch rational der Theodizee-Problematik annähere:<br />

Einzig aus Gründen <strong>und</strong> <strong>mit</strong> Mitteln der Vernunft beabsichtigt er eine Aussage über <strong>Gott</strong> zu machen.<br />

Nach umfassenden Abwägungen kommt Kant dennoch zum Schluss, dass die Ratio des Menschen<br />

an allem Metaphysischen <strong>und</strong> so<strong>mit</strong> nicht rational Erfassbaren scheitern werde <strong>und</strong> dabei nicht in der<br />

Lage sei, über die <strong>Gott</strong>esfrage zu entscheiden.<br />

„Dass unsere Vernunft zur Einsicht des Verhältnisses, in welchem eine Welt, so wie wir sie aus<br />

Erfahrung immer kennen mögen, zur höchsten Weisheit stehe, schlechterdings unvermögend sei“,<br />

formuliert der Denker, um die mangelnde Tauglichkeit der reflektierenden Instanz des Menschen zu<br />

präzisieren. In theologischem Sinne verweist Kant auf die Transzendenz <strong>Gott</strong>es, auf dessen<br />

Unergründlichkeit, wonach <strong>Gott</strong> jede menschliche Erfahrung <strong>und</strong> Erkenntnis übersteige. Gerade<br />

gegenüber der Vernunft, deren Erkenntnisvermögen auf die Welt der Erfahrung beschränkt sei, bleibe<br />

der erfahrungs- <strong>und</strong> welttranszendente <strong>Gott</strong> verborgen, der ganz „Andere“.<br />

Nicht allein die Tauglichkeit der menschlichen Vernunft wird in Frage gestellt, sondern die<br />

Sinnhaftigkeit des gesamten Theodizee-Bemühens wird angezweifelt oder gar völlig bestritten. Als<br />

konsequenter Verfechter der letzteren Behauptung prägt E. Zenger ein eindrucksvolles Argument,<br />

welches im Hin-blick auf die entsetzliche Wirklichkeit des <strong>Leid</strong>ens auf die Nachrangigkeit des<br />

Sinnfrage verweist <strong>und</strong> vielmehr solidarisches Engagement fordert: „In der Arena des <strong>Leid</strong>s ist das<br />

34 „<strong>Leid</strong> erfahren - Sinn suchen“, M. Böhnke S. 87

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