Newsletter 01/02/2010 http://www.katnet.de
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Am Beispiel <strong>de</strong>s Diskurses um das ?Eisenbahnunglück von 1842 auf <strong>de</strong>r<br />
Paris-Versailles-Linie? erörtert Esther Fischer-Homberger, wie die<br />
Massenpresse das Unglück zu einem Medienereignis wer<strong>de</strong>n ließ. Beson<strong>de</strong>rs<br />
interessant sind hier jedoch Fischer-Hombergers Randbemerkungen zur<br />
Konstruktion von Kontinuitäten. Die Eisenbahn gilt als ?Inbegriff von<br />
glattem Funktionieren?, Fahrpläne prozessieren Erwartbarkeiten, erst an<br />
ihnen wer<strong>de</strong>n Abweichungen sichtbar. Dies alles führe zu einer<br />
?Ausklammerung <strong>de</strong>s Unfalls aus <strong>de</strong>m Bewusstsein? (S. 81), ein Umstand,<br />
<strong>de</strong>r für die Mo<strong>de</strong>rne charakteristisch sei. Dieses konstitutive Verhältnis<br />
wird viel zu selten hervorgehoben. Auch Peter Glaser macht in seinem<br />
Beitrag auf die sprachliche Aufladung <strong>de</strong>s Gleises aufmerksam: ?Das<br />
G(e)leis ist aufgela<strong>de</strong>n mit Gewohnheit, Rechtmäßigkeit, Konventionalität<br />
und Traditionalität, die Entgleisung folglich mehr im Sinne eines<br />
Werturteils mit Normabweichung o<strong>de</strong>r gar Normbruch, mit Unfall, Unglück<br />
o<strong>de</strong>r Katastrophe? (S. 190). Der Unfall wird <strong>de</strong>mentsprechend in<br />
literarischen Texten, wie Glaser am Beispiel von Thomas Manns Erzählung<br />
?Eisenbahnunglück? zeigt, auch immer wie<strong>de</strong>r dazu benutzt <strong>de</strong>n<br />
?zeitgenössischen normativen Horizont? zu thematisieren, zum Beispiel<br />
dort, wo <strong>de</strong>r Affekt <strong>de</strong>n disziplinierten bürgerlichen Körper erfasst und<br />
die Grenzen <strong>de</strong>r Selbstbeherrschung sichtbar macht.<br />
Beson<strong>de</strong>rs hervorzuheben ist unter <strong>de</strong>n zahlreichen gelungenen Beiträgen<br />
<strong>de</strong>r Artikel von Nicolas Pethes, ?Acci<strong>de</strong>ntal Experiments?, da er versucht<br />
die Differenz zwischen ?erkenntnistheoretischem Bruch und konkretem<br />
Unfallereignis? (S. 388) herauszuarbeiten. Zufällige Versehrungen<br />
führen, wie Pethes etwa an einem Beispiel zeigt, zu Öffnungen im Körper,<br />
die so Anlass zu experimentellen Untersuchungen geben, da die ?black<br />
box? nun buchstäblich geöffnet ist und die Gehirnzentren zum Beispiel<br />
elektrisch stimuliert wer<strong>de</strong>n können. Gera<strong>de</strong> die Konzentration auf die<br />
Inter<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nz zwischen epistemologischem Bruch und Unterbrechung ? die<br />
wie im Falle <strong>de</strong>s Unfalls ganz konkret sein können ? wäre ein<br />
Forschungs<strong>de</strong>si<strong>de</strong>rat, da die Determiniertheit von Laborversuchen in<br />
Beziehung zu nicht prognostizierbaren Störungen gesetzt wird. Der<br />
Begriff <strong>de</strong>r Kontingenz könnte so historisch besser konturiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Alles in allem versammelt <strong>de</strong>r Band durchwegs interessante Aufsätze, die<br />
sich nicht allzu weit von <strong>de</strong>m im Vorwort abgesteckten Spannungsfeld<br />
entfernen und so eine durchwegs anregen<strong>de</strong> Lektüre im Rahmen <strong>de</strong>r<br />
Fragestellung ermöglichen. Etwas vermissen könnte man allerdings Walter<br />
Benjamin und seinen an Freud angelehnten Begriff <strong>de</strong>s ?Chocs?, <strong>de</strong>r an<br />
keiner Stelle erwähnt wird. Nichts<strong>de</strong>stoweniger stellt <strong>de</strong>r Band eine<br />
nicht zu unterschätzen<strong>de</strong> Anstrengung dar die Kategorie <strong>de</strong>r<br />
Dysfunktionalität in systematischer Weise und über die Kybernetik hinaus<br />
zu einem Gegenstand wissenshistorischer Analysen zu machen.<br />
Anmerkungen:<br />
[1] Vgl. exemplarisch etwa Albert Kümmel / Erhard Schüttpelz (Hrsg.),<br />
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