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Magazin 01/2010 - bei den Doxs

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Depression<br />

Auf dem Weg zur Volkskrankheit<br />

Psychosomatische<br />

Versorgung<br />

Krankenhausabteilung<br />

der Hardtwaldklinik II<br />

Gegen <strong>den</strong><br />

demografischen Wandel<br />

Kommunen im Schwalm-Eder-Kreis<br />

„Wegkommen<br />

vom Prinzip der<br />

Sachleistungen“?<br />

Kontroverse Diskussion um<br />

Kostenerstattung in der GKV<br />

<strong>Magazin</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>0<br />

<strong>Magazin</strong> Winter 2009<br />

1


2<br />

Inhalt<br />

IMPRESSUM<br />

<strong>Magazin</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>0<br />

Editorial 3<br />

kurz & bündig 5<br />

Depression: auf dem Weg zur Volkskrankheit 6<br />

DOXS im Gespräch: „Unterversorgung Depressiver wird teuer für die Gesellschaft“ 8<br />

Leitline und Integrierte Versorgung<br />

Hausarzt ist Vertrauensperson Nummer 1 11<br />

Interview: Dr. Manfred Schäfer, Bündnis gegen Depression in Nordhessen e. V. 13<br />

Kolumne: fern gesehen 15<br />

Psychosomatische Versorgung in Nordhessen<br />

Hardtwaldklinik II betreibt Krankenhausabteilung 16<br />

Die DOXS in der Region, Teil 2:<br />

Abschied von der Kirchturmpolitik im Schwalm-Eder-Kreis 18<br />

A H1N1 – (Was) lernen wir von der „Schweinegrippe-Pandemie“? 22<br />

Flussdiagramme in der Praxis 24<br />

Gemeinsame, sichere und einheitliche Verträge<br />

– Hausarztzentrierte Versorgung ab dem 1.4. in Hessen attraktiv 25<br />

Neue Serie: Praxis & Personal<br />

Teil 1: Konflikte nicht aussitzen 27<br />

„Wegkommen vom Prinzip der Sachleistungen“?<br />

Kontroverse Diskussion um Kostenerstattung in der GKV 29<br />

Kommentare: Pro und Contra Kostenerstattung 32<br />

Kleinanzeigen – Stellenangebote – Stellengesuche 35<br />

Herausgeber: DOXS eG<br />

Ständeplatz 1, 34117 Kassel<br />

Tel.: (0561) 766 207-12, Fax: (0561) 766 207-20<br />

info@doxs.de, www.doxs.de<br />

Vorstand: Priv. Doz. Dr. Erhard Lang, Dr. Stefan Pollmächer<br />

Vorsitzender des Aufsichtsrates: Dr. Detlef Sommer<br />

Redaktion: Gundula Zeitz, info@gundulazeitz.de<br />

Redaktionsteam: Michael Froelich, Dr. Stefan Pollmächer<br />

Autoren dieser Ausgabe: Irene Graefe, Dr. Klaus Meyer, Dr. Ingo<br />

Niemetz, Ralf Pasch, Dr. Stefan Pollmächer, Dr. Uwe Popert, Dr.<br />

Manfred Schäfer, Martin Wortmann, Gundula Zeitz<br />

Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die<br />

Meinung des Herausgebers wieder.<br />

Gestaltung: Reinhold Weber, e-bildwerke<br />

Titelbild: „Stelzenläufer“ in Homburg/Efze, Skulpturen<br />

von Ernst Groß, www.kunstwerkhof.de<br />

Druck: Grafische Werkstatt GmbH<br />

Anzeigen: DOXS eG Geschäftsstelle, Tel. (0561) 766 207-12<br />

Erscheinungsweise: 4-mal pro Jahr / Druckauflage: 1200 Stück<br />

Herausgeber und Redaktion haften nicht für Druck- und Satzfehler,<br />

nicht für verspätete Auslieferung durch die Druckerei und<br />

nicht für unverlangt eingesandte Bilder und Manuskripte. Termin-<br />

und Adressagaben sind ohne Gewähr. Nachdruck nur mit<br />

schriftlicher Genehmigung der Redaktion.


Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

die Nachricht ist alarmierend: „Die nordhessische BKK B. Braun will die elektronische Gesundheitskarte<br />

ausrollen“, meldete das Fachmagazin für Telemedizin E-HEALTH-COM Mitte<br />

Februar. Danach will die Krankenkasse die E-Card bis Ende 2<strong>01</strong>0 an ihre 15.000 Versicherten<br />

weitergeben. Und das trotz der ablehnen<strong>den</strong> Haltung der KV Hessen, der Landesärztekammer<br />

und der letzten Ärztetage gegenüber dem umstrittenen Projekt.<br />

Auf Bundesebene ist die E-Card ins Stocken geraten, nachdem Bundesgesundheitsminister<br />

Philipp Rösler im November 2009 für ihre weitere Entwicklung ein „unbefristetes Moratorium“<br />

verhängt hatte. Wenig später ruderte er zurück und kündigte die zunächst<br />

schrittweise Einführung einer Version an, <strong>bei</strong> der neben dem Foto des Versicherten und<br />

einem Auslandskrankenschein nur Stammdaten gespeichert sind – wie <strong>bei</strong> der bisherigen<br />

Versichertenkarte. Doch langfristig soll die elektronische Gesundheitskarte die Ausstellung<br />

elektronischer Rezepte und <strong>den</strong> Zugriff auf elektronische Patientenakten ermöglichen.<br />

Derzeit wird die Karte in sieben Testregionen erprobt.<br />

Derweil laufen immer mehr Ärzte, darunter viele DOXS-Mitglieder, aber auch Patienten<br />

und Datenschützer Sturm gegen <strong>den</strong> ungeheuerlichen Plan, die Gesundheitsdaten von 80<br />

Millionen Bundesbürgern zu speichern. Erklärtes Ziel ist es, die medizinische Behandlung<br />

der Patienten dadurch zu optimieren und gleichzeitig Milliar<strong>den</strong> von Euro einzusparen.<br />

Eine Rechnung, die nicht aufgehen wird: Inzwischen wurde nach Schätzungen aus Krankenkassenkreisen<br />

bereits fast eine halbe Milliarde Euro für die E-Card ausgegeben. Allein<br />

die Computerbranche hat 340 Millionen Euro investiert. Insgesamt soll die Einführung der<br />

Karte laut Gesundheitsministerium 1,5 Milliar<strong>den</strong> Euro kosten. Summen, die letztlich die<br />

Versicherten tragen. Doch die E-Card ist vor allem deshalb abzulehnen, weil sie das Vertrauensverhältnis<br />

im Kontakt zwischen Arzt und Patient massiv untergräbt, dient sie doch<br />

quasi als Schlüssel zur weltweit größten internetbasierten Gesundheitsplattform – mit sensiblen<br />

Daten auf einem Netzwerk aus externen Großrechnern. Und das bedeutet: gläserne<br />

Patienten und Ärzte, gesteuerte Medizin – und Datenmissbrauch.<br />

Dass hochsensible medizinische Daten schon jetzt leicht in die Hände von Unbefugten<br />

gelangen können, hat erst kürzlich der Datenskandal <strong>bei</strong> der BKK Gesundheitskasse, mit<br />

1,5 Millionen Versicherten die größte deutsche Betriebskrankenkasse, gezeigt: Mitte Februar<br />

berichtete das TV-<strong>Magazin</strong> Kontraste, <strong>bei</strong> der Betriebskrankenkasse habe es ein „Sicherheitsleck“<br />

gegeben. Das Unternehmen räumte daraufhin ein, erpresst zu wer<strong>den</strong>:<br />

Hilfskräfte hätten von privaten Computern oder Laptops Daten wie medizinische Diagnosen<br />

abrufen und speichern können.<br />

Kostengünstige Alternative zur E-Card<br />

Fest steht: Es gibt eine kostengünstige und datenschutzrechtlich unproblematische Alternative<br />

zur E-Card: Einen von Hausärzten und Programmierern entwickelten Speicherstick.<br />

Auf dem „maxiDoc“ der gleichnamigen Firma können dezentral Arztberichte gespeichert<br />

wer<strong>den</strong> – und der USB-Stick ist nach einem Gutachten des hessischen Datenschutzbeauftragten<br />

sicher. Auf Initiative des DOXS-Vorstands und im Auftrag der Hessischen Landesärztekammer<br />

war der Speicherstick dem Datenschutzbeauftragten zur Prüfung vorgelegt<br />

wor<strong>den</strong>.<br />

Im Gegensatz zur E-Card verbleiben <strong>bei</strong>m maxiDoc die Daten in der Hand des Patienten<br />

und des Arztes und wer<strong>den</strong> nicht über das Internet verschickt. Durch die Offline-Speicherung<br />

wird das Risiko von Datenverlust, Spionage und Datenverkauf vermindert.<br />

Dr. Stefan Pollmächer (50),<br />

niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin<br />

und Psychotherapie in<br />

Kassel, DOXS-Vorstands- und Gründungsmitglied.<br />

3


4<br />

Das maxiDoc-System besteht aus einer kostenlosen Schreibsoftware für <strong>den</strong> Arzt (lediglich für<br />

deren Installation fallen Kosten an) und einer Lesesoftware auf dem USB-Stick des Patienten.<br />

Die Bedienung ist einfach und spart Zeit. Auf dem Stick können neben Notfalldaten sämtliche<br />

Untersuchungsergebnisse, Verordnungen bis hin zu EKG-Ausdrucken oder Röntgenbilder gespeichert<br />

wer<strong>den</strong>. So wer<strong>den</strong> teure Doppeluntersuchungen unnötig.<br />

Für DOXS-Mitglieder, die ihren Patienten <strong>den</strong> maxiDoc anbieten möchten, haben wir eine<br />

preisgünstige Möglichkeit ausgehandelt, die erforderliche Software installieren zu können.<br />

Newsletter zweimal im Monat<br />

Natürlich ist die Promotion des maxiDoc nur eines unserer Projekte. Wie sie dem etwa alle 14<br />

Tage erscheinen<strong>den</strong> Newsletter entnehmen können, gibt es weitere Projekte – ob verbilligte<br />

„Job-Tickets“ für DOXS-Mitglieder und ihre Praxisteams, die Zusammenstellung der IV-Verträge,<br />

in die DOXS-Mitglieder eingeschrieben sind, die Weiterentwicklung der DOXS-Akademie<br />

mit zertifizierten Veranstaltungen, das Angebot einer gemeinsamen Zertifizierung und nicht<br />

zuletzt das Vorhaben, Krankenkassen gezielt mit eigenen Ideen zu IV-Verträgen anzusprechen.<br />

All diese Projekte treiben wir energisch voran, allemal seit klar ist, dass Herr Dipl.-Kfm. Gernot<br />

Ruffing, der seit dem 1.9.2009 hauptberuflich die Geschäfte der Genossenschaft geführt hat<br />

und zum Jahresende zunächst sein Ausschei<strong>den</strong> zugunsten einer anderen Tätigkeit angekündigt<br />

hatte, nun doch Geschäftsführer der DOXS eG bleibt. Herr Ruffing verfügt über reichlich<br />

Erfahrung nach mehrjähriger Tätigkeit <strong>bei</strong> einem Krankenhausverband in Frankfurt und als<br />

Verwaltungsleiter eines Frankfurter Krankenhauses. Den erforderlichen Input aus haus- und<br />

fachärztlicher Sicht liefern mein Vorstandskollege PD Dr. Erhard Lang und ich. Im laufen<strong>den</strong><br />

Jahr wer<strong>den</strong> wir auch vermehrt Fach- und Regionalgruppenkonferenzen einberufen, um die<br />

Zusammenar<strong>bei</strong>t mit der Basis weiter auszubauen.<br />

Mitglieds<strong>bei</strong>trag könnte sich drastisch verringern, wenn ...<br />

Wir wissen, dass es <strong>den</strong>noch Kolleginnen und Kollegen gibt, die trotz der Möglichkeiten, die<br />

unsere Genossenschaft bietet, <strong>den</strong> Alleingang wählen und die DOXS eG verlassen möchten.<br />

Sollte der Grund für solche Überlegungen der (steuerabzugsfähige!) Mitglieds<strong>bei</strong>trag von monatlich<br />

75 Euro sein, so möchten wir an die Möglichkeit des Einkaufs in der – letztlich <strong>den</strong><br />

Mitgliedern gehören<strong>den</strong> – DOXS Medizintechnik GmbH – erinnern. Die DOXS eG ist die einzige<br />

deutsche Ärztegenossenschaft mit einem solchen Unternehmen.<br />

Die DOXS-Medizintechnik mit ihrem Geschäftsführer Herrn Peter Gramatzki ist in der Lage,<br />

Ihnen jegliche Praxisartikel zu einem kompetitiven Preis zu liefern. Darüber führt die DOXS<br />

Medizintechnik GmbH Wartungen, Reparaturen und relevante Prüfungen Ihrer Geräte durch.<br />

Unsere Kalkulationen zeigen, dass wir in der Lage wären, <strong>den</strong> Mitglieds<strong>bei</strong>trag gegen null zu<br />

setzen, wenn alle Mitglieder Praxisartikel <strong>bei</strong> ihrem eigenen Unternehmen kaufen wür<strong>den</strong> –<br />

einfacher geht es kaum.<br />

Fest steht: Eine Genossenschaft lebt durch ihre Mitglieder – deshalb nutzen Sie die Möglichkeiten<br />

der Beteiligung zum Beispiel über die Fach- und Regionalgruppen, die Strategiekonferenzen<br />

und die Generalversammlung. Im Übrigen freuen wir uns auch über Ihre Hinweise und<br />

Anregungen und wir nehmen Ihre Kritik ernst! Bitte sprechen Sie uns an – wir stehen jederzeit<br />

zu Gesprächen zur Verfügung.<br />

Mit freundlichen Grüßen,<br />

Ihr<br />

Stefan Pollmächer


k u r z & bündig<br />

Praxiszertifizierung für Mitglieder<br />

Fast 70 DOXS-Mitglieder haben in der jüngsten Umfrage<br />

der Geschäftsstelle ihr Interesse an einer Zertifizierung<br />

bekundet. „Wir wer<strong>den</strong> unseren Mitgliedern<br />

die Zertifizierung für einen geringen Kosten<strong>bei</strong>trag<br />

anbieten können“, sagt DOXS-Geschäftsführer Gernot<br />

Ruffing, „derzeit prüfen wir verschie<strong>den</strong>e Angebote“.<br />

Wie im DOXS akut Nr. 6 berichtet, rechnet der<br />

Vorstand damit, dass zur Teilnahme an Selektiv- und<br />

Kollektivverträgen in absehbarer Zukunft eine Zertifizierungspflicht<br />

verlangt wer<strong>den</strong> wird.<br />

AOK aktiv & vital: DOXS eG<br />

bezahlt Helferinnen-Besuch für 2<strong>01</strong>0<br />

Es ist ein Modell, das sich als ganz konkrete Antwort<br />

auf die Probleme der ärztlichen Versorgung auf dem<br />

Land versteht: Rund zwei Jahre lang besuchten sieben<br />

Arzthelferinnen im Werra-Meißner-Kreis chronisch<br />

kranke Patienten von 13 Gemeinschaftspraxen<br />

– und erledigten da<strong>bei</strong> Aufgaben, für die es nicht unbedingt<br />

einen Arzt braucht: Blut abnehmen, Blutdruck<br />

und Zucker messen, Verbände wechseln. Zwar<br />

ist das Projekt „Qualifizierter Helferinnenbesuch“ im<br />

Rahmen des IV-Vertrages AOK aktiv&vital ausgelaufen,<br />

es kann jedoch über die DOXS eG fortgesetzt<br />

wer<strong>den</strong>: „Wir haben für das Projekt noch Geld im<br />

Topf und wer<strong>den</strong> deshalb für 2<strong>01</strong>0 die Kosten für die<br />

Helferinnenbesuche <strong>bei</strong> bereits eingeschriebenen,<br />

aber auch <strong>bei</strong> neuen Patienten übernehmen“, so<br />

DOXS-Geschäftsführer Gernot Ruffing. Die Ausschüttung<br />

erfolge 2<strong>01</strong>1, allerdings aus genossenschaftsrechtlichen<br />

Grün<strong>den</strong> nur an diejenigen, die zu dem<br />

Zeitpunkt DOXS-Mitglieder sind.<br />

Umfragen zu IV-Verträgen<br />

Die DOXS-Geschäftsstelle hat <strong>bei</strong> allen großen Krankenkassen<br />

angefragt, welche – insbesondere regionalen<br />

– IV-Verträge es aktuell gibt, die für Mitglieder<br />

infrage kommen könnten. Überdies hat die Geschäftsstelle<br />

die Verträge ermittelt, in <strong>den</strong>en Mitgliedspraxen<br />

eingeschrieben sind, und erstellt eine nach<br />

Krankenkassen und Krankheitsbildern sortierte Übersicht,<br />

damit es für DOXS-Mitglieder einfacher wird,<br />

sich an bereits bestehen<strong>den</strong> IV-Verträgen zu beteiligen.<br />

„Wir wer<strong>den</strong> in diesem Jahr auch mit eigenen<br />

Vorschlägen an die Krankenkassen herantreten“, sagt<br />

DOXS-Vorstand PD Dr. Erhard Lang.<br />

Sportmedizinische Untersuchungen:<br />

Unterstützung <strong>bei</strong> Öffentlichkeitsar<strong>bei</strong>t<br />

Wer vergibt kurzfristig Termine für sportmedizinische<br />

Untersuchungen und Leistungsdiagnostik an Sportlerinnen<br />

und Sportler, die <strong>bei</strong>m E.ON-Kassel-Marathon<br />

am 16. Mai starten möchten, hatte die Geschäftsstelle<br />

die DOXS-Mitglieder kürzlich gefragt. 21 Praxen<br />

aus ganz Nordhessen haben sich gemeldet und erhalten<br />

nun über die Geschäftsstelle kostenlose Unterstützung<br />

<strong>bei</strong> entsprechender Öffentlichkeitsar<strong>bei</strong>t.<br />

Job-Ticket für DOXS-Mitglieder<br />

Alle Mitar<strong>bei</strong>terinnen und Mitar<strong>bei</strong>ter von DOXS-<br />

Mitgliedspraxen können das Job-Ticket der Kasseler<br />

Verkehrsgesellschaft (KVG) und des Nordhessischen<br />

Verkehrsverbundes (NVV) erhalten: 7 Prozent Rabatt<br />

im Vergleich zu normalen Jahreskarten für Bahn, Bus,<br />

Tram und Regio-Tram haben die DOXS eG und die<br />

KVG vereinbart. Die Jahreskarte für Berufspendler gilt<br />

am Ar<strong>bei</strong>ts- und Wohnort sowie auf allen Wegen dazwischen.<br />

Am Wochenende und nach 19 Uhr haben<br />

mit dem Ticket-Inhaber sogar ein weiterer Erwachsener<br />

sowie bis zu drei zum Haushalt gehörende Kinder<br />

freie Fahrt. Informationen: Angelika Niebling,<br />

Tel.: 0561 -766207-13, a.niebling@doxs.de<br />

Unterstützung für Forschungsprojekt<br />

des PhysikClubs Kassel<br />

Für die Erwärmung der Erdatmosphäre ist Kohlenstoffdioxid<br />

mitverantwortlich. Pflanzen können das<br />

„Treibhausgas“ per Fotosythese aufnehmen und in<br />

Sauerstoff umwandeln. Diesen biochemischen Prozess<br />

übernehmen in einer Pflanzenzelle die Chloroplasten.<br />

Wie wäre es, wenn man diese Chloroplasten<br />

aus <strong>den</strong> Pflanzen entkoppeln, bündeln und zu einem<br />

Filter zusammensetzen könnte, der direkt Kohlenstoffmoleküle<br />

in Sauerstoff umwandelt? Diese Frage<br />

haben sich zwei Schüler der Jakob-Grimm-Schule in<br />

Kassel gestellt: Cihan Sahin (19) und Tobias Hölzer<br />

(18) entwickelten, betreut vom PhysikClub Kassel, einen<br />

„Chloroplastenfilter“. Mit ihrem Projekt, das die<br />

DOXS eG mit der Spende eines speziellen Messgerätes<br />

unterstützt hat, nahmen die <strong>bei</strong><strong>den</strong> Schüler kürzlich<br />

am Regionalwettbewerb Hessen-Nord von „Jugend<br />

forscht“ teil – und erreichten <strong>den</strong> dritten Platz.<br />

Herzlichen Glückwunsch!<br />

5


6 <strong>Magazin</strong> Winter 2009<br />

6<br />

DEPrE<br />

auf dem Weg zur<br />

Ob Prominente oder Personen im eigenen beruflichen und privaten Umfeld: Immer häufiger<br />

ist zu erfahren, dass Menschen an Depression lei<strong>den</strong>. Das mag zum einen damit<br />

zusammenhängen, dass die Krankheit Stückchen für Stückchen enttabuisiert wird. So bekennen<br />

sich der ehemalige Spitzenfußballer Sebastian Deisler und der Popsänger Robbie Williams<br />

zu ihrer Depression. Die Witwe von Nationaltorwart Robert Enke, der sich das Leben genommen<br />

hatte, machte dessen Depression öffentlich. Zum anderen ist diese Ausprägung der psychischen<br />

Erkrankung auf dem Weg zur Volkskrankheit. Laut Weltgesundheitsbericht 20<strong>01</strong> der<br />

WHO (World Health Organization) wird die Depression im Jahr 2020 die zweithäufigste Krankheit<br />

nach <strong>den</strong> Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein, 2030 soll sie in <strong>den</strong> Industrieländern schon<br />

an erster Stelle stehen. Jeder fünfte in Deutschland leidet zumindest einmal in seinem Leben<br />

an einer Depression, heißt es im Gesundheitsreport 2008 der Techniker Krankenkasse. Frauen<br />

sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.<br />

Die Gründe, warum ein Mensch an einer Depression erkrankt, sind vielfältig: Meist findet sich<br />

ein Zusammenspiel zwischen eigener Veranlagung, der Umwelt und biologischer Prozesse wie<br />

Stoffwechselstörungen im Gehirn. Stress im Beruf, Ablehnung in der Kindheit, plötzliche traumatische<br />

Ereignisse wie Tod oder das Ende einer Beziehung können Auslöser reaktiver Depressionen<br />

sein. In etwa der Hälfte der Fälle vergehen die Beschwer<strong>den</strong> wieder, doch ein Viertel<br />

erleidet innerhalb von zwölf Monaten die nächste Depression, binnen zehn Jahren sind es drei<br />

Viertel rezidivierende depressive Störungen. Jede fünfte depressive Erkrankung wird chronisch.<br />

Unterschie<strong>den</strong> wird zwischen verschie<strong>den</strong>en Formen der Depression:<br />

• Als unipolar bezeichnet man die Krankheit, wenn sie sich auf depressive Episo<strong>den</strong> beschränkt.<br />

• Bipolare Störunge lautet die Diagnose, wenn die Betroffenen zwischen depressiven Verstimmungen<br />

und manischen Phasen der Euphorie hin- und herschwanken. Nach Angaben<br />

der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)<br />

durchläuft ein Fünftel der Patienten mit unipolarer Depression in <strong>den</strong> Folgejahren eine<br />

Manie und leidet dann an einer bipolaren Depression.<br />

• Meist schon im Jugendalter entwickelt sich die Dysthymie: eine chronische Stimmungsbeeinträchtigung<br />

über Jahre hinweg.<br />

Das eine Patentrezept, wie eine Depression behandelt wer<strong>den</strong> kann, gibt es nicht, da die Ausprägungen<br />

individuell verschie<strong>den</strong> sind. In der Regel ergänzen sich die Gabe von Psychophar-<br />

Checkliste Symptome <strong>bei</strong> Depression<br />

In der internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme<br />

(ICD: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) sind im<br />

ICD-10 die Symptome von psychischen und Verhaltensstörungen beschrieben. Danach wer<strong>den</strong><br />

Depressionen nach Symptomen charakterisiert.<br />

Treffen vier oder mehr Merkmale anhaltend über mehr als zwei Wochen zu, wird je nach<br />

Schweregrad eine leichte, mittlere oder schwere Depression diagnostiziert.


SSION<br />

Volkskrankheit<br />

maka und störungsspezifische psychotherapeutische Maßnahmen. Zwar sind die Symptome<br />

der Krankheit behandelbar. Doch eine lebenslang gesteigerte Gefahr, weitere depressive Episo<strong>den</strong><br />

zu erlei<strong>den</strong>, entsteht, wenn weitere Phasen folgen oder die Behandlung abgebrochen<br />

wird. Je weniger Episo<strong>den</strong> bis zur Erstbehandlung durchlaufen wur<strong>den</strong>, umso besser ist die<br />

Prognose für <strong>den</strong> Patienten.<br />

Bei Verdacht auf eine depressive Erkrankung (Checkliste Symptome) ist eine umfangreiche<br />

psychische und physische Befunderhebung notwendig. In einem intensiven Arzt-Patient-Gespräch<br />

wer<strong>den</strong> belastende Situationen, aktuelle Beschwer<strong>den</strong>, Vorerkrankungen und eine<br />

mögliche familiäre Veranlagung geklärt. Wichtig ist die Abgrenzung gegenüber anderen psychischen<br />

Krankheiten wie Angststörung oder Schizophrenie.<br />

In neurologischen und internistischen Untersuchungen wer<strong>den</strong> organische Krankheiten mit<br />

ähnlichen Symptomen ausgeschlossen, zum Beispiel Schilddrüsenerkrankung, gestörte Nebennierenfunktion,<br />

Diabetes, Hirntumor, Morbus Parkinson, Multiple Sklerose, Epilepsie oder<br />

Migräne. Geklärt wird auch, ob Medikamente wie Herz-Kreislauf-Präparate, Steroidhormone,<br />

Antibiotika, Zytostatika oder Suchtstoffe Verursacher der depressiven Störung sind.<br />

Ob eine ambulante oder zunächst stationäre Behandlung notwendig ist, hängt von der Art<br />

und Schwere der Depression ab. Grundsätzlich wer<strong>den</strong> drei Therapiephasen unterschie<strong>den</strong>:<br />

Die Akuttherapie dauert meist vier bis acht Wochen, bis sich die akuten Symptome deutlich<br />

abgemildert haben. Sie beginnt, sobald eine Krankheitsphase einsetzt. Im Mittelpunkt stehen<br />

die Aufklärung über die Erkrankung, das passende Therapiekonzept und eine möglicherweise<br />

notwendige Medikation.<br />

Die Erhaltungstherapie schließt sich der Akuttherapie an. Binnen sechs bis acht Monaten wird<br />

der Patient so weit stabilisiert, dass es nicht zu einem unmittelbaren Rückfall kommt. In dieser<br />

sensiblen Phase kommt es relativ leicht zu einer Wiedererkrankung. Wichtig ist es, dass auch<br />

die Patienten die Warnzeichen dafür früh erkennen und entsprechende Abwehrmechanismen<br />

beherrschen.<br />

Die Rezidivprophylaxe setzt ein, sobald sich die Stimmungslage des Betroffenen langfristig<br />

verbessert hat. Ihre Dauer hängt vom individuellen Fall – Anzahl und Schwere der depressiven<br />

Episo<strong>den</strong> – ab. Nun geht es darum, langfristig zu verhindern, dass es zu Rückfällen kommt. Ein<br />

geregelter Alltag, die Einbeziehung der Angehörigen, die Kenntnis, wie möglichen neuerlichen<br />

Episo<strong>den</strong> zu begegnen ist, sowie eventuell eine Fortsetzung der Therapie und Medikation<br />

tragen dazu <strong>bei</strong>, die Erkrankung in <strong>den</strong> Griff zu bekommen. ig<br />

Quelle: media.dgppn.de/mediadb/media/dgppn/pdf/aktuell/was-ist-depression.pdf<br />

Gedrückte Stimmung �<br />

Konzentrationsschwierigkeiten �<br />

Schlafstörungen �<br />

Müdigkeit, Mangel an Energie �<br />

Appetitlosigkeit �<br />

Verringertes sexuelles Interesse �<br />

Vermindertes Selbstvertrauen �<br />

Schuldgefühle, Gefühle von Wertlosigkeit �<br />

Negative, pessimistische Zukunftsgedanken �<br />

Suizidgedanken oder -versuch, Selbstverletzung �<br />

BUCHTIPP<br />

Martin Silek, Birgit Janssen,<br />

Heinz-Harald Abholz:<br />

Praktische Psychiatrie für <strong>den</strong> Hausarzt.<br />

Hilfen für die Diagnostik und Therapie<br />

Köln 2009, Deutscher Ärzte-Verlag,<br />

132 Seiten, 29,90 Euro.<br />

Ausgehend davon, dass die meisten depressiven Menschen<br />

zunächst ihren Hausarzt aufsuchen, bietet das Buch Hilfestellung<br />

für Diagnostik und Therapie von psychiatrischen Erkrankungen<br />

aus der Sicht des Allgemeinmediziners.<br />

<strong>Magazin</strong> Winter 2009<br />

7


Dr. Peter Kramuschke (52),<br />

niedergelassener Facharzt für Psychiatrie<br />

und Psychotherapie in Kassel,<br />

DOXS-Gründungsmitglied.<br />

Dr. Ulrich Müller (52),<br />

niedergelassener Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut<br />

in Fulda,<br />

DOXS-Gründungsmitglied und<br />

Sprecher der DOXS-Fachgruppe<br />

Psychotherapie, Psychiatrie und Psychosomatik.<br />

Dr. Stefan Pollmächer (50),<br />

niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin<br />

und Psychotherapie in<br />

Kassel, DOXS-Vorstands- und Gründungsmitglied.<br />

8 <strong>Magazin</strong> Winter 2009<br />

8<br />

„Unterversorgung Depressiver<br />

wird teuer für die Gesellschaft“<br />

In ihren Praxen steigen die Fallzahlen mit der Diagnose Depression: Das beobachten<br />

Dr. Peter Kramuschke (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie),<br />

Dr. Ulrich Müller (Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut) und Dr.<br />

Stefan Pollmächer (Facharzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapie). Woran<br />

das liegt, ob depressive Menschen in unserem Land gut versorgt wer<strong>den</strong>,<br />

wo sie Forderungen an die Politik stellen und wie die Diagnose Depression<br />

aus der Tabuzone geholt wer<strong>den</strong> kann, erläuterten die drei DOXS-Mitglieder<br />

in verschie<strong>den</strong>en Gesprächen mit Autorin Irene Graefe.<br />

„Alle Bemühungen von Ärzten und Verbän<strong>den</strong> haben in der Aufklärung über Depression weniger<br />

gebracht als die Öffentlichkeit um Robert Enkes Suizid.“ Stefan Pollmächer misst der<br />

Berichterstattung und Anteilnahme nach dem Freitod des Fußballnationaltorwarts im November<br />

2009 deutlich mehr Wirksamkeit für die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung und in<br />

der Politik zu als konzipierten Kampagnen. „Nein, das ist keine Eintagsfliege. Meines Erachtens<br />

bleibt das sitzen“, ist er überzeugt. Etwas vorsichtiger bewerten seine Kollegen das Phänomen.<br />

„Das war eine kurze Welle“, meint Peter Kramuschke. „Es sollte einfacher wer<strong>den</strong>,<br />

über Depression zu sprechen, sich dazu zu bekennen“, wünscht er sich und sieht insofern einen<br />

positiven Effekt: „Robert Enke wurde als Mensch sichtbar. Mit ihm konnten sich die Leute<br />

i<strong>den</strong>tifizieren.“<br />

Für Ulrich Müller war „die Diskussion doch schnell vor<strong>bei</strong>“. Enkes Vorgeschichte habe gezeigt,<br />

dass Menschen, die ihre Schwäche eingestehen, eventuell Angst haben müssten, sich angreifbar<br />

zu machen. Es sei schwierig, so ein komplexes Thema an einer einzelnen Person festzumachen.<br />

Eher sieht er sogar die Gefahr der Nachahmung. Dass einem Vorzeigemenschen wie<br />

Bundestrainer Joachim Löw auf der Pressekonferenz zu Enkes Tod Tränen in die Augen stiegen,<br />

sei bemerkenswert: „Wenn wir auf dem Weg zu einer Gesellschaft sind, die es zulässt, darüber<br />

nachzu<strong>den</strong>ken, dass man so was haben kann; dass es zum menschlichen Leben dazugehört,<br />

dass es solche Phasen geben kann“, würde das die Gesellschaft in Müllers Augen humaner<br />

machen.<br />

Möglicherweise wer<strong>den</strong> depressive Erkrankungen auch deswegen immer stärker ins öffentliche<br />

Blickfeld geraten, weil sie auf dem Vormarsch sind. Entsprechend der Einschätzung der<br />

Weltgesundheitsorganisation (siehe „Depression: auf dem Weg zur Volkskrankheit, S. 6-7.)<br />

sagt der Facharzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapie Pollmächer aus seiner Erfahrung<br />

heraus: „Ja, Depression ist eine Volkskrankheit. Sie hat die Rückenbeschwer<strong>den</strong> bereits überholt<br />

– auch in Sachen Fehltage im Job und Ar<strong>bei</strong>tsunfähigkeit.“ Er verzeichnet in seiner Praxis<br />

eine „deutliche Steigerung der Fälle“. Oft stellten sich nicht nur Probleme im psychischen,<br />

sondern auch im körperlichen Bereich als Depression heraus. Da komme <strong>bei</strong>spielsweise ein<br />

Patient mit körperlichen Beschwer<strong>den</strong> oder Schmerzen und es zeige sich nach eingehender<br />

Untersuchung, dass eine somatisierte Depression dahinterstecke.<br />

Der Zulauf in psychiatrische Praxen und Institutsambulanzen steige kontinuierlich, bestätigt<br />

auch Peter Kramuschke. Wur<strong>den</strong> im ersten Quartal 2008 in Hessen 493 Fälle gezählt, waren<br />

es ein Jahr später schon 608. Er vermutet verschie<strong>den</strong>e Gründe dafür – Hausärzte überwiesen<br />

mehr Patienten zur Abklärung; die Hemmschwelle, einen psychotherapeutisch orientierten<br />

Psychiater aufzusuchen, sei gesunken; der Leistungsdruck als abhängig Beschäftigter oder<br />

Auszubil<strong>den</strong>der steige <strong>bei</strong> gleichzeitigem Erleben unzureichender Möglichkeiten, auf die Ar<strong>bei</strong>tsbedingungen<br />

Einfluss zu nehmen: Typisch ist für Kramuschke der 55-Jährige, der seine<br />

Berufserfahrung plötzlich infrage gestellt sieht. Der neue, jüngere Chef macht alles anders,<br />

Umstellungen aufs neue Computerprogramm, Ar<strong>bei</strong>tsverdichtung, gleichzeitiges Nachlassen


von Denktempo und Multitasking-Fähigkeit – „die Menschen erleben sich als<br />

ausgeliefert“. Neu seien diese Zusammenhänge nicht, „einzig neu ist, dass<br />

man heute diese ,alten‘ Erkenntnisse <strong>bei</strong>m Namen nennt.“<br />

Der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut Ulrich Müller sieht <strong>bei</strong> jungen<br />

Menschen nicht unbedingt einen Anstieg der Fallzahlen. Fest stehe lediglich,<br />

dass sich die Suizidrate unter Kindern und Jugendlichen erhöht habe (siehe<br />

„Depression und Suizid“, S. 10). Dies müsse nicht zwingend die Folge von<br />

Depression sein, auch Affekthandlungen seien zu berücksichtigen. Die Dia gnose<br />

Depression sei derzeit „im Schwange, vieles schwappt aus dem angloamerikanischen<br />

Raum herüber“. Generell beobachtet er, „dass <strong>bei</strong> 60 Prozent<br />

der Kinder in meiner Praxis die Eltern getrennt leben“. Dies führe nicht automatisch<br />

zu Defiziten, doch der Konflikt müsse bear<strong>bei</strong>tet wer<strong>den</strong>. „Manche<br />

schlucken’s runter, andere tun das Gegenteil und zeigen ihre Wut nach außen“,<br />

beschreibt Müller mögliche Reaktionen. Mädchen reagierten häufig mit<br />

Essstörungen, Jungen mit körperlicher Unruhe (was oft als Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom,<br />

ADS, diagnostiziert werde). Bei vielen ADS-Kindern zeige sich<br />

in der längeren Zusammenar<strong>bei</strong>t, dass etwas unverar<strong>bei</strong>tet geblieben sei, ein<br />

depressiver Konflikt dahinter stecke. Müller <strong>den</strong>kt an einen Jungen aus seiner<br />

Praxis, „der durch seine Hyperaktivität letztlich darauf aufmerksam machte“,<br />

dass sein Vater sich zu wenig Zeit für ihn nahm.<br />

Grundsätzlich gehen Pollmächer, Müller und Kramuschke davon aus, dass<br />

<strong>bei</strong> der Entstehung depressiver Störungen mehrere Faktoren zusammenspielen.<br />

„Wie kommt man darauf, das zu trennen?“, fragt Kramuschke, „der<br />

Mensch ist ein psycho-somatisch-soziales Wesen“. Deshalb fuße die Therapie<br />

(siehe „Depression: auf dem Weg zur Volkskrankheit“, S. 6-7) in der Regel<br />

auf drei Bausteinen: auf der Psychotherapie für die psychischen Faktoren,<br />

auf der medikamentösen Behandlung für die somatischen Störungen, auf<br />

Kontakten zu Familie, Freun<strong>den</strong>, Ar<strong>bei</strong>tskollegen auf der sozialen Ebene. Wie<br />

eng verwoben verschie<strong>den</strong>e der Faktoren sind, beschreibt der Psychiater<br />

und Psychotherapeut am Beispiel der Antidepressiva: Rein biologisch lasse<br />

sich im Gehirn schon nach 24 bis 48 Stun<strong>den</strong> ein veränderter Serotoninstoffwechsel<br />

erkennen. „Bis die Wirkung aber spürbar wird, vergehen zehn bis 20<br />

Tage, <strong>den</strong>n das Gehirn muss das Ablesen genetischer Informationen erst wieder<br />

ändern“, erklärt er.<br />

Die Sorge vor Nebenwirkungen versucht Kramuschke seinen Patienten schon<br />

im Vorfeld zu nehmen, indem er die häufigsten von sich aus erklärt. Allerdings<br />

dürften die Erwartungen an <strong>den</strong> Erfolg von Antidepressiva keineswegs<br />

zu hoch gesteckt wer<strong>den</strong> und es sollte klargestellt wer<strong>den</strong>, dass es sich nicht<br />

um eine kausale Therapie handelt. Pollmächer weist zusätzlich drauf hin,<br />

„diese Medikamente machen nicht abhängig, das wird häufig mit Beruhigungsmitteln<br />

verwechselt“. Müller sieht <strong>bei</strong> schweren Depressionen <strong>den</strong><br />

akuten Einsatz von Medikamenten gerechtfertigt, langfristig kombiniert mit<br />

psychotherapeutischer Behandlung, „leichte und mittelschwere Depressionen<br />

können psychotherapeutisch behandelt wer<strong>den</strong>, Medikamente sind<br />

nicht in jedem Fall angezeigt“. Er weist auf <strong>den</strong> hohen Placeboeffekt <strong>bei</strong><br />

Antidepressiva hin. „Dies kann ein Zeichen sein, dass der behandelnde Arzt<br />

und Psychotherapeut als Person eine signifikante Wirkung hat“, so Müller.<br />

„Allein die Tatsache, dass jemand im geschützten Raum zuhört, unterstützt<br />

positive Denkprozesse und eröffnet einen Raum für Veränderungen in der<br />

Sicht des Patienten auf sich und seine Beziehungen“, schildert Kramuschke.<br />

Thomas Zipp, Psychonaut A, 2008. Courtesy: Galerie<br />

Guido W. Baudach, Berlin und Sommer Contemporary,<br />

Tel Aviv. Foto: Roman März<br />

Die Kunsthalle<br />

als psychiatrische Anstalt<br />

Der Künstler Thomas Zipp verwandelt von März bis<br />

Juni die Räume der Kunsthalle Fridericianum in Kassel<br />

in seine Vision einer „psychiatrischen Anstalt“. Unter<br />

dem Titel (WHITE REFORMATION CO-OP) MENS SA-<br />

NA IN CORPORE SANO widmet er sich Fragen nach<br />

Norm und Abweichung, sozialer Ausgrenzung sowie<br />

der Einordnung des Selbst in die Gesellschaft. Mit<br />

dem Untertitel „mens sana in corpore sano“ (ein gesunder<br />

Geist in einem gesun<strong>den</strong> Körper) verweist<br />

Zipp auf ein Zitat des römischen Dichters Juvenal<br />

(etwa 60 bis 140 n. Chr.), der als Satiriker bereits die<br />

Zeichen seiner Zeit kritisierte.<br />

Zipp fasst seine Gemälde, Grafiken, Skulpturen und<br />

Installationen immer wieder unter einem Thema zusammen.<br />

Sein aktuelles Thema „mens sana in corpore<br />

sano“ prangt in großen Lettern am Portal des Fridericianums,<br />

das Foyer wird zur Eingangshalle der<br />

„Anstalt“. In <strong>den</strong> Hauptflügeln des Hauses verbindet<br />

der Künstler sein skulpturales und malerisches Werk<br />

mit Installationen. Durch Abdunkelung und <strong>den</strong><br />

gleich zeitigen Einsatz grellen Neonlichts erschafft<br />

Zipp die Illusion langer Gänge, deren Türen zu sowohl<br />

zugänglichen als auch verschlossenen Räumen<br />

führen. Darin wird sein Thema in Gemäl<strong>den</strong> oder<br />

Plastiken, wie seine Psychonauten, aufgegriffen. An<br />

die Gänge schließen sich in <strong>den</strong> Seitenflügeln die<br />

Großinstallationen einer Gummizelle, eines Turngeräteraumes<br />

und eines Spiegelsaals an.<br />

ig/Kunsthalle Fridericianum<br />

(WHITE REFORMATION CO-OP)<br />

MENS SANA IN CORPORE SANO<br />

Kunsthalle Fridericianum, Kassel, Friedrichsplatz 18<br />

13. 3 – 13. 6. Mi. - So., 11 - 18 Uhr, 5 Euro, Mi. frei<br />

www.fridericianum-kassel.de<br />

Fitte Körper, marode Verhältnisse<br />

Mittwoch, 12. Mai, 18 Uhr<br />

Vortrag von Prof. Dr. Ernst-Dieter Lantermann,<br />

Persönlichkeits- und Sozialpsychologie, Uni Kassel<br />

Eintritt frei<br />

<strong>Magazin</strong> Winter 2009<br />

9


Depression:<br />

Häufigste Ursache für Suizid<br />

Insgesamt gehört der Suizid laut Weltgesundheitsorganisation<br />

WHO weltweit zu <strong>den</strong> drei Haupttodesursachen<br />

in der Altersgruppe zwischen 15 und<br />

34 Jahren. In Deutschland starben im Jahr 2007<br />

laut Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL) 9.400<br />

Menschen durch eigene Hand. Auf je<strong>den</strong> Suizid<br />

kommen schätzungsweise zehn bis 15 Selbstmordversuche.<br />

In rund 90 Prozent der Fälle liegt eine psychische<br />

Erkrankung – in etwa 70 Prozent eine Depression<br />

– zugrunde. Etwa zehn bis 15 Prozent der depressiven<br />

Patienten nehmen sich das Leben. Zwei von<br />

drei Selbsttötungen wer<strong>den</strong> von Männern begangen.<br />

Frauen unternehmen häufiger Selbstmordversuche<br />

(1:3), ebenso junge Menschen. Während<br />

Frauen häufig zu Medikamenten greifen, wählen<br />

Männer oft gewaltvolle Metho<strong>den</strong>.<br />

Ärzten und Therapeuten kommt laut der Analyse<br />

von 93 Studien zur Suizidprävention, veröffentlicht<br />

im Journal of the American Medical Association<br />

(2006), eine besondere Rolle <strong>bei</strong> der Verhinderung<br />

von Selbsttötungen zu. Etwa ein Drittel der<br />

Menschen, die Suizid begehen oder es versuchen,<br />

haben in <strong>den</strong> vier Wochen zuvor noch Kontakt zu<br />

ihren Ärzten gehabt. In Regionen, in <strong>den</strong>en Ärzte<br />

in Präventionsprogrammen über Symptome und<br />

Therapie von Depressionen fortgebildet wur<strong>den</strong>,<br />

sank die Selbstmordrate um 20 bis 70 Prozent. Die<br />

Autoren der Analyse schließen daraus, dass die geschulten<br />

Mediziner häufiger Depressionen und<br />

Suizidgedanken erkannten und behandelten.<br />

Ähnliche Erkenntnisse und Ergebnisse erbrachte<br />

das 20<strong>01</strong> gestartete Nürnberger Bündnis gegen<br />

Depression. Zum Konzept gehörten Fortbildungsprogramme<br />

für Ärzte, Lehrer, Pfarrer oder Apotheker<br />

genauso wie die allgemeine Öffentlichkeit und<br />

Selbsthilfeinitiativen für Betroffene und Angehörige.<br />

Nach einer wissenschaftlichen Auswertung ergab<br />

sich: Die Suizidversuche in der Modellregion<br />

Nürnberg haben während der Aktivitäten (20<strong>01</strong>–<br />

2002) um über 25 Prozent abgenommen. Heute<br />

besteht das Bündnis gegen Depression bundesweit<br />

(siehe Interview S.13-15). ig<br />

Journal of the American Medical Association,<br />

JAMA 294, 2005, 2064: www.jama.ama-assn.org<br />

Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL):<br />

http://aktuell.nationalatlas.de<br />

10 <strong>Magazin</strong> Winter 2009<br />

10<br />

Wer<strong>den</strong> depressive Patienten entsprechend ihrer individuell verschie<strong>den</strong> ausgeprägten<br />

Erkrankung ausreichend behandelt? „Nein, sie wer<strong>den</strong> nicht adäquat<br />

aufgefangen“, sagt Kramuschke entschie<strong>den</strong>. Bis Anfang 2005 habe er seinen<br />

Patienten ausreichend Zeit widmen können. Mit der Honorarreform (einheitlicher<br />

Bewertungsmaßstab: EBM 2000 plus) seit 1. April 2005 hätten er und seine<br />

vier Praxiskollegen ausgerechnet, dass sie pro Stunde drei Patienten behandeln<br />

müssten, um wirtschaftlich ar<strong>bei</strong>ten zu können. Nachdem seit Juli 2009 die Gesprächsziffern<br />

im EBM für die psychiatrischen Fächer wieder <strong>den</strong> freien Leistungen<br />

zugeordnet wur<strong>den</strong>, könnten sie nun – „bedarfsgerechter“ – pro Stunde<br />

zwei Patienten ins Arztzimmer bitten.<br />

„Die Zeit, die ein Hausarzt braucht, um ein eingehendes Gespräch zu führen,<br />

findet in der Honorierung keinen Widerhall“, beklagt Pollmächer. Es liege nicht<br />

an der Ausbildung und Sensibilität der Hausärzte, dass Depressionen <strong>bei</strong> Patienten<br />

nicht erkannt oder adäquat behandelt wür<strong>den</strong>, sondern an <strong>den</strong> wirtschaftlichen<br />

Zwängen. „40 Euro pro Patient im Quartal. Da ist keine Luft drin“, moniert<br />

er. Und ebenso wie Kramuschke sieht er die Gefahr der Chronifizierung von Depression<br />

<strong>bei</strong> unzureichend versorgten Patienten. Neben dem unnötigen Lei<strong>den</strong><br />

der Patienten, das mit individuell abgestimmter, zeitintensiver Behandlung zu<br />

vermei<strong>den</strong> wäre, warnt er: „Die Versorgung chronifizierter Betroffener und ihr<br />

Ausfall am Ar<strong>bei</strong>tsplatz wer<strong>den</strong> für die Gesellschaft teuerer als die zeitnahe optimale<br />

Behandlung“.<br />

Von der Gesundheitspolitik erwarten die drei DOXS-Mitglieder, „dass die ärztliche<br />

Expertise im Vergleich zu technischen Untersuchungen besser honoriert<br />

wird“, wie es Pollmächer formuliert. Es brauche Zeit und Mühe, die depressiven<br />

Patienten zu behandeln und für sie die entsprechende Unterstützung zu organisieren.<br />

Kramuschke zählt verschie<strong>den</strong>e „Instrumente unseres Handwerkszeuges“<br />

auf: Von <strong>den</strong> unterschiedlichen Psychotherapieformen über die Medikation bis<br />

hin zu Familienhilfe, Integrationsfachdienst für die Eingliederung am Ar<strong>bei</strong>tsplatz<br />

und anderen sozialen Maßnahmen reiche das Spektrum (siehe „Leitlinie und Integrierte<br />

Versorgung“, S. 11-12). Aber: „Nur wenn das Gesundheitsministerium<br />

die Rahmenbedingungen ändert, kann die Behandlung für depressive Patienten<br />

besser wer<strong>den</strong>. Zurzeit wird diese Gruppe an <strong>den</strong> Rand gedrängt.“<br />

Foto: DAK / Wigger


Foto: DAK / van <strong>den</strong> Berg<br />

Leitlinie und Integrierte<br />

Versorgung: Hausarzt ist<br />

Vertrauensperson Nummer 1<br />

Für knapp 90 Prozent der Patienten ist der Hausarzt<br />

normalerweise der erste Ansprechpartner, also<br />

vermutlich auch die wichtigste Vertrauensperson im<br />

Gesundheitswesen. Zwar gehen innerhalb eines Jahres<br />

etwa 21 Prozent der Deutschen wegen psychischer<br />

Probleme zum Arzt oder Psychotherapeuten.<br />

Doch im Gesundheitsmonitor 2008 der Bertelsmann<br />

Stiftung gab nur die Hälfte der rund 1.500 Befragten<br />

(18 bis 79 Jahre) an, aus eigenem Antrieb psychische<br />

Schwierigkeiten anzusprechen. 68 Prozent sagten, es<br />

habe ihnen der Mut gefehlt. Jeder achte war enttäuscht,<br />

dass der Hausarzt die psychischen Beschwer<strong>den</strong><br />

nicht thematisierte. Gerade die weniger mutigen<br />

Patienten (30 Prozent) antworteten, mit ihrer ärztlichen<br />

Versorgung nicht zufrie<strong>den</strong> zu sein. Unter ihnen<br />

tendieren 42 Prozent zum Arztwechsel.<br />

Bei der Vorstellung des Gesundheitsmonitors im<br />

Frühjahr 2009 folgerte Timo Harfst von der Bundespsychotherapeutenkammer,<br />

dass „aktives Nachfragen<br />

nach psychischen Beschwer<strong>den</strong> durch <strong>den</strong> Arzt<br />

und die systematische Diagnostik psychischer Störungen<br />

in der Primärversorgung“ wichtige Ansätze<br />

zu Verbesserungen seien. Dem soll unter anderem<br />

die Verabschiedung einer Nationalen Leitlinie Depression<br />

(S3-Leitlinie zur unipolaren Depression)<br />

Rechnung tragen, die Ende vergangenen Jahres auf<br />

dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie,<br />

Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)<br />

präsentiert wurde. Die S3-Leitlinie (höchste Leitlinienstufe)<br />

wurde auf der Basis von 1.232 Publikationen<br />

und deren wissenschaftlicher Diskussion und Bewertung<br />

erstellt. Sie enthält 107 Empfehlungen zu Prävention,<br />

Diagnostik, Psycho- und Pharmakotherapie,<br />

Komorbidität, Suizidalität. Zur Versorgungskoordination<br />

wer<strong>den</strong> Ein weisungskriterien,<br />

Nahtstellen, Rehabilitation und<br />

Qualitätsmanagement b eschrieben.<br />

Hausärzte seien grundsätzlich<br />

durch ihr Medizinstudium auf die<br />

Behandlung psychischer Krankheiten<br />

vorbereitet, freiwillig ergänzt<br />

durch eine Ausbildung in<br />

psychosomatischer Grund ver sorgung,<br />

sagte der gesundheitspolitische<br />

Sprecher der DGPPN, Prof.<br />

Dr. Jürgen Fritze, auf dem Kongress<br />

seiner Gesellschaft im November<br />

2009. Gezielte Schulungen,<br />

so Dr. Mathias Berger (DG-<br />

PPN), sollten diese Berufsgruppe<br />

anhand der Nationalen Leitlinie<br />

nun besser auf die Betreuung depressiver<br />

Patienten vorbereiten.<br />

Bisher wür<strong>den</strong> etwa die Hälfte<br />

der Depressionen aufgrund ihres<br />

vielfältigen Erscheinungsbildes vom Hausarzt nicht<br />

erkannt. Der Gesundheitsmonitor 2008 registrierte<br />

sogar <strong>bei</strong> nur gut acht Prozent der Patienten, die wegen<br />

psychischer Probleme einen Hausarzt aufsuchten,<br />

eine diagnostizierte psychische Krankheit. Dagegen<br />

sei <strong>bei</strong> 53 Prozent der Patienten, die deswegen<br />

einen Spezialisten aufsuchten, die Diagnose einer<br />

psychischen Störung gestellt wor<strong>den</strong>.<br />

Eine weitere Verbesserung in der Behandlung psychisch<br />

kranker Patienten will die Techniker Krankenkasse<br />

(TK) anstoßen. Im Januar 2<strong>01</strong>0 stellte sie ihr<br />

Modell NetzWerk psychische Gesundheit (NWpG)<br />

vor, das sozial- und gemeindepsychiatrische sowie<br />

ambulante und stationäre Angebote zusammenfasst.<br />

Basis dafür sind Verträge zur Integrierten Versorgung<br />

(IV). Teilnehmende Ärzte und Psychotherapeuten erhalten<br />

eine extrabudgetäre Vergütung. Ziel ist es,<br />

psychisch Kranke so zu unterstützen, dass sie in ihrem<br />

<strong>Magazin</strong> Winter 2009<br />

11<br />

11


DOXS-Mitglieder über die<br />

Nationale Leitlinie Depression<br />

Dr. Peter Kramuschke: „Da steht nichts Neues<br />

drin. Wer sich als verantwortungsbewusster Arzt<br />

fortbildet, kennt die Inhalte ohnehin. Aber die<br />

Leitlinie ist insofern ein Fortschritt, als sie das derzeitige<br />

Expertenwissen dokumentiert und Standards<br />

festlegt.“<br />

Dr. Ulrich Müller: „Die Leitlinie empfiehlt Wege<br />

und Behandlungsmöglichkeiten entsprechend<br />

dem ICD-10, zum Beispiel wann psychotherapeutische<br />

Behandlung, wann Medikation oder wann<br />

psychiatrische Versorgung empfehlenswert und<br />

sinnvoll sind.“<br />

Dr. Stefan Pollmächer: „Das, was in der Leitlinie<br />

als Empfehlungen steht, bildet sich leider nicht in<br />

der Honorierung der niedergelassenen Ärzte – insbesondere<br />

der Fachärzte, die psychosomatisch<br />

und psychotherapeutisch tätig sind – ab. Wenn<br />

sich hier nicht etwas ändert, nutzen auch Leitlinien<br />

nur wenig.“<br />

12<br />

privaten und beruflichen Umfeld bleiben und stationäre Aufnahmen vermie<strong>den</strong><br />

wer<strong>den</strong> können.<br />

Ein multiprofessionelles Team ar<strong>bei</strong>tet in geteilter Verantwortung zusammen, zugeschnitten<br />

auf <strong>den</strong> einzelnen Patienten. Ein persönlicher Ansprechpartner koordiniert<br />

unter anderem die haus- und fachärztliche Versorgung – möglichst ambulant,<br />

aber auch stationär –, die häusliche psychiatrische Fachpflege, Soziotherapie,<br />

Psychotherapie, ambulante Rehabilitation und Ergotherapie, berufliche Integration<br />

ebenso wie familiäre und nachbarschaftliche Unterstützung. Im Mittelpunkt<br />

steht die aufsuchende Betreuung zu Hause. Zur Versorgung gehören auch<br />

Krisenpensionen. Das sind Rückzugsräume im ambulanten betreuten Wohnen,<br />

wenn es für die Patienten doch notwendig ist, ihr Lebensumfeld für geraume Zeit<br />

zu verlassen.<br />

Das Projekt wurde mit Pinel – Initiative für psychisch Kranke in Berlin entwickelt<br />

und seit Anfang 2008 umgesetzt. In Bremen läuft es in Kooperation mit GAPSY<br />

– Gesellschaft für ambulante psychiatrische Dienste. In Hessen gebe es zwar erste<br />

Gespräche, aber noch keine konkreten Ergebnisse, sagte TK-Pressesprecherin Michaela<br />

Hombach zum DOXS-<strong>Magazin</strong>, „es ist Bewegung drin und manchmal<br />

geht es gerade <strong>bei</strong> solchen Themen ganz schnell“. ig<br />

INFORMATIONEN<br />

Nationale Leitlinie Depression:<br />

www.dgppn.de :: siehe Kurzversion Leitlinien<br />

NetzWerk Psychische Gesundheit (NWpG):<br />

www.tk-online.de/tk/publikationen/pressemappen/pressemappe-netzwerk-fuerpsychisch-kranke/202624<br />

Initiative für psychisch Kranke in Berlin:<br />

www.pinel.de :: siehe Integrierte Versorgung<br />

Gesellschaft für ambulanten psychiatrische Dienste in Bremen: www.gapsy.de<br />

:: siehe Angebote<br />

Foto: AOK


Schlechte Bezahlung der sprechen<strong>den</strong><br />

Medizin ist ein „Systemfehler“<br />

Im Gespräch mit dem Vorsitzen<strong>den</strong> des<br />

„Bündnisses gegen Depression in Nordhessen e. V.“<br />

Das Bündnis gegen Depression ist bundesweit angetreten, die gesundheitliche Situation<br />

depressiv Erkrankter zu verbessern und Suizi<strong>den</strong> vorzubeugen. Zahlreiche Städte und Regionen<br />

haben sich dem Deutschen Bündnis gegen Depression angeschlossen und engagieren<br />

sich auf lokaler Ebene. Seit Frühjahr 2008 ist das Bündnis gegen Depression in Nordhessen<br />

e. V. unter dem ehrenamtlichen Vorsitz von Dr. Manfred Schäfer, Ärztlicher Direktor<br />

der Hardtwaldklinik II in Bad Zwesten, in der Region aktiv. „Unsere Aufgabe ist es, die Bevölkerung<br />

über die Krankheit Depression zu informieren und diese hierdurch zu enttabuisieren“,<br />

beschreibt Schäfer eine der Zielsetzungen.<br />

DOXS-<strong>Magazin</strong>: Wie steht es um eine optimale Versorgung<br />

depressiver Patienten?<br />

Schäfer: Ich sehe mehrere Hür<strong>den</strong>, die derzeit einer<br />

optimalen Versorgung Depressiver im Wege stehen.<br />

Ich halte es für einen Systemfehler, wenn die sprechende<br />

Medizin so schlecht bezahlt wird. Depressiv<br />

erkrankte Menschen klagen zunächst meist über unspezifische<br />

Allgemeinsymptome, wie Schlappheit,<br />

Müdigkeit, Kopfdruck und Schlafstörungen, und selten<br />

über diagnostisch relevante Veränderungen des<br />

Gefühlslebens als Hauptsymptome. Die oft schambesetzten<br />

Symptome müssen vom Arzt erfragt wer<strong>den</strong>,<br />

was Zeit kostet. Gerade Hausärzte, <strong>bei</strong> <strong>den</strong>en<br />

die meisten Betroffenen zuerst Rat suchen, können<br />

sich aufgrund der geringen Honorierung von Gesprächsleistungen<br />

oft nicht <strong>den</strong> „Luxus“ leisten, intensiv<br />

zuzuhören, nachzufragen und so einer psychischen<br />

Erkrankung auf die Spur zu kommen. Ein<br />

Dilemma, das nicht die ärztlichen Kollegen zu verantworten<br />

haben.<br />

Wo sehen Sie weitere Hür<strong>den</strong>?<br />

Schäfer: Eine weitere Hürde sind die bürokratischen<br />

Auflagen für Gruppenbehandlungen. Nicht jeder Patient<br />

braucht eine Einzelpsychotherapie. Nicht wenige<br />

Patienten profitieren sogar stärker von einer Gruppentherapie.<br />

Ärztliche und psychologische Psychotherapeuten<br />

müssen für je<strong>den</strong> Gruppenteilnehmer<br />

einen gesonderten Kassenantrag in Form eines ausführlichen<br />

Gutachtens stellen. Das sind dann für eine<br />

Gruppe acht bis neun Anträge, die sehr zeitaufwendig<br />

sind und schlecht vergütet wer<strong>den</strong>. Die Antragspflicht<br />

für Gruppenpsychotherapie ist eine unnötige<br />

bürokratische Gängelung, die letztlich durch eine artifizielle<br />

Verknappung therapeutischer Ressourcen auf<br />

dem Rücken der Patienten ausgetragen wird.<br />

Was kann <strong>den</strong>n eine Gruppentherapie<br />

bewirken?<br />

Schäfer: Gruppentherapie ist natürlich<br />

kein Allheilmittel. In der Versorgung<br />

kann sie aber entschei<strong>den</strong>d<br />

helfen, mehr Menschen in Behandlung<br />

zu nehmen und oftmals zu lange<br />

Wartezeiten deutlich zu reduzieren.<br />

Inhaltlich zeigt sich im klinischen<br />

Alltag der Hardtwaldklinik II immer<br />

wieder, dass depressive Patienten Dr. med. Manfred Schäfer,<br />

sich zunächst eine Einzeltherapie 50 Jahre alt, ist Facharzt für Psycho-<br />

wünschen, sie aber oft gerade durch somatische Medizin und Psychothe-<br />

die therapeutische Gruppe entscheirapie sowie für Psychiatrie und Psy<strong>den</strong>d<br />

profitieren. Wichtig ist die Erchotherapie mit <strong>den</strong> Zusatzbezeichkenntnis,<br />

nicht alleine zu sein in seinungen Psychoanalyse, Re ha bili tanem<br />

Leid. Dies reduziert meist tionswesen und Sozialmedizin. Er ist<br />

Scham- und Schuldgefühle und er- Ärztlicher Direktor der Hardtwaldkliöffnet<br />

einen Weg aus dem Rückzug nik II in Bad Zwesten und im Ehren-<br />

und der inneren Isolation. Im Geamt Vorsitzender des Bündnisses gespräch<br />

mit anderen Betroffenen gen Depression in Nordhessen e. V.<br />

kann man sich partiell in deren<br />

Schicksal und Problematik wiedererkennen,<br />

was <strong>den</strong> Prozess eigener Selbsterkenntnis<br />

enorm beschleunigen kann. Die Gruppe<br />

kann einen Schutzraum bieten, neue antidepressive<br />

Verhaltensweisen einzuüben. In einer therapeutischen<br />

Gruppe ist ein Erkrankter nicht auf die Patientenrolle<br />

reduziert. Er ist zwar als Patient Rat- und Hilfesuchender,<br />

kann aber zugleich anderen Rat geben<br />

und Trost spen<strong>den</strong>.<br />

Ein ganz großes Problem für viele Patienten ist der Übergang<br />

von der stationären in die ambulante psychotherapeutische<br />

Behandlung.<br />

Schäfer: Ja, lange Wartezeiten bergen das Risiko, dass<br />

13


INFORMATION<br />

Bündnis gegen Depression in Nordhessen:<br />

Auf der Internetseite fin<strong>den</strong> sich unter „Hilfe &<br />

Beratung“ für Patienten und Angehörige Links<br />

zu Rat und Hilfe in akuten Krisensituationen, zu<br />

Ärzten, therapeutischen Angeboten, Klinik-Ambulanzen,<br />

zu Kontakt- und Beratungsstellen sowie<br />

zu Selbsthilfegruppen in Kassel und Nordhessen.<br />

www.buendnis-depression.de/depression/<br />

nordhessen.php<br />

Nachsorgeprogramm IrENA der Deutschen<br />

rentenversicherung: http://www.deutscherentenversicherung-bund.de/nn_18764/DRVB/de/Navigation/Service/Zielgruppen/reha__einrichtungen/nachsorgeprogramm__node.html__<br />

nnn=true<br />

Die Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen<br />

<strong>bei</strong>m Gesundheitsamt der Region<br />

Kassel, KISS, ist die zentrale Anlaufstelle in Kassel<br />

für alle Anliegen und Fragen der gesundheitlichen<br />

und sozialen Selbsthilfe: www.selbsthilfekassel.de<br />

Das Kompetenznetz Depression ist ein bun-<br />

desweites Netz zur Forschung und Versorgung<br />

im Bereich depressiver Störungen. Das Projekt<br />

wird vom Bundesministerium für Bildung und<br />

Forschung gefördert:<br />

www.kompetenznetz-depression.de<br />

mit Listen sortiert nach Postleitzahlen zur Krisenintervention<br />

und zu Kliniken.<br />

Unter www.psychiatriekonsil.de bietet das Kompetenznetzwerk<br />

Informationen und CME-Fortbildungen<br />

für Ärzte und psychologische Psychotherapeuten.<br />

14<br />

Betroffene resignieren und letztlich nicht die fachlich indizierte ambulante Weiterbehandlung<br />

antreten. Ich rate deshalb, nicht unnötig Zeit verstreichen zu lassen.<br />

Patienten sollten sich schon vor ihrer stationären Behandlung im heimischen Umfeld<br />

auf die Suche nach einem Therapeuten machen und mit ihm in Kontakt treten.<br />

Dann sind Termine für die Zeit nach dem Klinikaufenthalt leichter zu organisieren.<br />

Kollegen sollten ihren Patienten diesen Ratschlag mit auf <strong>den</strong> Weg geben.<br />

DOXS-<strong>Magazin</strong>: Haben Sie Erfahrungen mit dem IRENA-Programm (intensivierte Rehabilitationsnachsorge)<br />

der Deutschen Rentenversicherung Bund?<br />

Schäfer: Es bietet eine Unterstützung, die nach meiner Erfahrung sehr unbürokratisch<br />

in Gang gesetzt wer<strong>den</strong> kann. Vollstationäre psychosomatische Behandlungen<br />

sind in Deutschland derzeit überwiegend Rehabilitationsmaßnahmen, also<br />

über die Rentenversicherung finanziert. Die Klinik wird, <strong>bei</strong> gegebener Indikation,<br />

noch während der Rehabilitation die Nachsorge in die Wege leiten. Das IRENA-<br />

Programm setzt zeitnah nach dem Ende der Rehabilitation ein und bietet wohnortnah<br />

für ein halbes Jahr eine Gruppentherapie an. IRENA eröffnet oftmals die<br />

Möglichkeit, Wartezeiten auf einen ambulanten Therapieplatz zu überbrücken. Da<br />

die Maßnahme von der Rentenversicherung finanziert wird, steht sie nicht in Konkurrenz<br />

zu kassenfinanzierten Leistungen. In Kassel wer<strong>den</strong> IRENA-Gruppen seit<br />

Jahren in Räumen der Kurhessentherme angeboten. Abendtermine gewährleisten<br />

die berufsbegleitende Teilnahme.<br />

Foto: Techniker Krankenkasse<br />

DOXS-<strong>Magazin</strong>: Welche Rolle spielen Selbsthilfegruppen für Patienten?<br />

Schäfer: Natürlich bieten diese Gruppen keine fachtherapeutische Behandlung,<br />

das ist auch nicht ihr Anspruch. Doch sie sind eine wertvolle Unterstützung professioneller<br />

Hilfe und dieser in einigen Aspekten sogar überlegen. Im Gespräch mit<br />

ebenfalls Betroffenen besteht ein besonderes gegenseitiges Verständnis: Man<br />

muss sich nicht schämen, man muss sich nicht verstecken, man kennt, was der<br />

andere erzählt. Sowohl für <strong>den</strong> Patienten als auch für <strong>den</strong> behandeln<strong>den</strong> Arzt ist<br />

diese ergänzende Unterstützung entlastend. Außerdem gibt es eine ganze Reihe<br />

Patienten, die einfach nur Menschen zum Re<strong>den</strong> suchen und nicht gleich alles<br />

aufar<strong>bei</strong>ten wollen. Keinesfalls sind diese Gruppentreffen eine Konkurrenz zu psychotherapeutischer<br />

Behandlung: Beides kann sinnvoll sein: Selbsthilfegruppe und<br />

Therapie zugleich.


DOXS-<strong>Magazin</strong>: Wie wichtig sind Selbsthilfegruppen<br />

für Angehörige?<br />

Schäfer: Es ist manchmal nicht leicht auszuhalten,<br />

wenn ein Mensch in der näheren<br />

Umgebung depressiv erkrankt ist. So eine<br />

Gruppe kann wichtig sein, um das durchzustehen.<br />

Es ist keine Schande, sich auszutauschen.<br />

Ohnehin wer<strong>den</strong> die Angehörigen<br />

oft vergessen: sowohl als Unterstützer<br />

in der Therapie der Erkrankten als auch mit<br />

ihren eigenen Bedürfnissen und Belastungen.<br />

Und wie findet man die Selbsthilfegruppe, die<br />

zu einem passt?<br />

Schäfer: In Kassel und Umgebung empfehle<br />

ich, <strong>bei</strong> KISS nachzufragen, der Kontakt-<br />

und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen<br />

<strong>bei</strong>m Gesundheitsamt der Region Kassel.<br />

Die Mitar<strong>bei</strong>ter dort kennen die Gruppen<br />

oft aus der Gründungsphase und können<br />

daher meist an eine geeignete Gruppe<br />

verweisen. Auf der Internetseite des Bündnisses<br />

gegen Depression in Nordhessen fin<strong>den</strong><br />

Sie ebenfalls Hinweise auf Selbsthilfegruppen<br />

in der Region. Es empfiehlt sich,<br />

die jeweiligen Ansprechpartner zunächst<br />

anzurufen, um grundsätzliche Fragen vorab<br />

zu klären.<br />

Das Interview führte Irene Graefe.<br />

KOLUMNE<br />

fern gesehen von Irene Graefe<br />

Foto: ad.unger/photcase.de<br />

Über 30 Arztserien laufen derzeit in deutschen Fernsehprogrammen, mit<br />

Ausnahme von „Bloch“ (Dieter Paff) in der ARD geht es bislang aber nicht<br />

um Psychotherapeuten. Neu gestartet ist im Februar „In Treatment – Der<br />

Therapeut“ über <strong>den</strong> Psychotherapeuten Dr. Paul Weston, dessen Darsteller<br />

Gabriel Byrne dafür einen Gol<strong>den</strong> Globe erhielt. Die erste Staffel der<br />

amerikanischen TV-Serie läuft auf 3sat. Jede 25-Minuten-Folge behandelt<br />

einen Therapiesitzung. In <strong>den</strong> USA ist die ursprünglich fürs israelische Fernsehen<br />

konzipierte und für <strong>den</strong> Sender HBO von Rodrigo Garcia (Sohn von<br />

Nobelpreisträger Gabriel Garcia Marquez) umgeschriebene Serie so erfolgreich,<br />

dass bereits die dritte Staffel produziert wird.<br />

Ob und wie sich Patienten in Deutschland von der Serie beeinflussen lassen,<br />

ist noch nicht abzusehen. Dass Arztserien die Erwartungshaltung von<br />

Patienten prägen, gilt inzwischen als unbestritten. Die Kommunikationswissenschaftlerin<br />

Dr. Constanze Rossmann von der Ludwig-Maximilians-<br />

Universität München überlegte, ob sich TV-Serien für die Gesundheitsaufklärung<br />

der Bevölkerung eignen. Sie kam in ihrer Untersuchung zu dem<br />

Schluss: Zuschauer von Lin<strong>den</strong>straßen-Episo<strong>den</strong> (ARD), in <strong>den</strong>en es um die<br />

Prävention von Aids ging, merkten sich mehr Details, wenn sie diese in<br />

unterhaltsamer Weise präsentiert bekamen.<br />

Dr. Dr. Kai Witzel, Chirurg und Kommunikationswissenschaftler in Hünfeld<br />

und unter anderem Mitglied der Ar<strong>bei</strong>tsgruppe Medien der Deutschen Gesellschaft<br />

für Chirurgie, stellte 2008 die Ergebnisse einer Befragung von<br />

162 seiner Patienten vor. Zum einen hatten die Fans von Ärzteserien mehr<br />

Angst vor Operationen, wohl wegen der oft dramatischen Darstellungen.<br />

Zum anderen waren sie unzufrie<strong>den</strong>er mit <strong>den</strong> Visiten, <strong>den</strong>n in der Realität<br />

haben Mediziner am Krankenbett weniger Zeit als ihre Fernsehkollegen.<br />

Zuschauer von Bloch und Dr. Weston könnten möglicherweise also auch<br />

erwarten, dass ihre Therapeuten mehr Zeit für sie haben. Witzel rät, sich<br />

dem Bild der Fernsehärzte in deren guten Eigenschaften anzupassen. Vermutlich<br />

würde das im Fall der Diagnose und Behandlung von depressiven<br />

Patienten so manch ein Behandelnder auch gerne tun. Nur die (honorierte)<br />

Realität sieht anders aus.<br />

15


16<br />

Ein Teil des Teams der Krankenhausabteilung der Hardtwaldklinik II in Bad Zwesten. Von links nach rechts: Dr. Manfred Schäfer,<br />

Ärztlicher Direktor; Petra Janowski-Luedtke, Verwaltungsleiterin; Bettina Lobert-Speck, Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie,<br />

Oberärztin; Christiane Unger, Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie; Doris Kolster, Konzentrative Bewegungstherapeutin;<br />

Veronika Helfferich, Sozialberaterin; Ralf Kadel, Pflegedienstleiter, QB; Sylvia Zimmer, Pflege, Stationsleitung; Gudrun Friedrich,<br />

Pflege; Dr. Karl-Heinz Wenz, Arzt für Allgemeinmedizin; Frank-Werner Schink, Kunst- und Gestaltungstherapeut.<br />

Psychosomatische Versorgung in Nordhessen<br />

Hardtwaldklinik II betreibt<br />

Krankenhausabteilung von Dr. Manfred Schäfer<br />

Sie verfügt über eine mehr als 30-jährige Tradition in der psychosomatischen Rehabilitation:<br />

Die Hardtwaldklinik in Bad Zwesten (Schwalm-Eder-Kreis). Die Fachklinik mit insgesamt<br />

330 Plätzen hat im April 2009 eine Krankenhausabteilung für Psychosomatische Medizin<br />

und Psychotherapie eröffnet – und <strong>bei</strong>m Hessischen Sozialministerium bereits einen Erweiterungsantrag<br />

gestellt. Denn der Bedarf ist da.<br />

Mit 15 vollstationären Behandlungsplätzen ist die<br />

Krankenhausabteilung für Psychosomatische Medizin<br />

und Psychotherapie in <strong>den</strong> Krankenhausplan des Landes<br />

Hessen aufgenommen wor<strong>den</strong>. Diese Entscheidung<br />

des Hessischen Sozialministeriums ist ein wichtiger<br />

Schritt zur Verbesserung der psychosomatischen<br />

Versorgung in Nordhessen, wenngleich sich das ausgewiesene<br />

Bettenkontingent erwartungsgemäß nicht<br />

annähernd als bedarfsdeckend erweist. Deshalb hat<br />

die Klinikleitung <strong>bei</strong>m Sozialministerium einen Erweiterungsantrag<br />

gestellt.<br />

Die Weichen für eine personelle, organisatorische<br />

und bauliche Trennung der Krankenhausabteilung<br />

von der Rehabilitationsabteilung der Klinik wur<strong>den</strong> in<br />

einer intensiven Vorbereitungsphase Anfang 2009<br />

gestellt. Inszwischen sind insgesamt elf neue Ar<strong>bei</strong>tsplätze<br />

in der neuen Abteilung entstan<strong>den</strong>. Das Behandlungsteam<br />

aus langjährig in der Psychosomatischen<br />

Medizin erfahrenen Mitar<strong>bei</strong>terinnen und Mitar<strong>bei</strong>tern<br />

ist multidisziplinär besetzt: So gehören eine<br />

angehende Doppelfachärztin für Psychosomatische<br />

Medizin und Psychotherapie sowie für Psychiatrie als<br />

oberärztliche Leiterin, eine weitere Fachärztin für Psy-<br />

chiatrie und Psychotherapie, ein Facharzt für Psychosomatische<br />

Medizin und Psychotherapie, eine ärztliche<br />

Weiterbildungsassistentin, ein approbierter Diplompsychologe,<br />

eine Bewegungstherapeutin, ein<br />

Kunst- und Gestaltungstherapeut, eine Physiotherapeutin,<br />

eine Sozialberaterin und sechs Krankenschwestern<br />

dazu.<br />

Behandlungskonzept<br />

der Krankenhausabteilung<br />

Das Behandlungskonzept beruht auf einem ganzheitlichen<br />

Krankheitsbegriff und berücksichtigt körperliche,<br />

psychische und soziale Aspekte der Erkrankung.<br />

Psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen stehen<br />

meist im Vordergrund. Die therapeutische<br />

Grundausrichtung ist tiefenpsychologisch. Psychodynamische<br />

Behandlungsansätze wer<strong>den</strong> fallbezogen<br />

erweitert um Techniken der Verhaltenstherapie und<br />

der Traumatherapie.<br />

Um die Behandlungskapazität der neuen Krankenhausabteilung<br />

bevorzugt Menschen aus der Region<br />

Nordhessen zur Verfügung stellen zu können, wurde<br />

auf eine ausgrenzende Spezialisierung der Kranken-


hausabteilung bewusst verzichtet. Bisher sehr positive<br />

Behandlungsergebnisse bestätigen die Binnendifferenzierung<br />

in zwei Behandlungsstränge.<br />

• Konfliktorientiertes Setting für Patienten, die von<br />

niederfrequenter ambulanter Psychotherapie nicht<br />

ausreichend profitieren: Wichtig sind hier, neben<br />

dem Milieuwechsel, die deutliche Intensivierung<br />

der Therapiedichte und vor allem der ambulant in<br />

der Richtlinienpsychotherapie nicht vorgesehene<br />

multimodale Behandlungsansatz, d. h. die sinnvolle<br />

Kombination von Einzel-, Gruppen- und Kreativtherapien.<br />

• Stabilisierendes Setting insbesondere für Patienten<br />

mit akuten Belastungsreaktionen und posttraumatischen<br />

Belastungsstörungen, teilweise auch für<br />

Menschen mit Persönlichkeitsstörungen und Psychosomatosen<br />

im engeren Sinne. Ressourcenorientierte<br />

und stabilisierende Psychotherapie steht<br />

hier im Vordergrund.<br />

Indikation<br />

Eine Krankenhausbehandlung ist indiziert <strong>bei</strong> einer<br />

akuten und schweren psychosomatischen Erkrankung.<br />

Bei chronischen Erkrankungen wird meist eine<br />

psychosomatische Rehabilitation angezeigt sein; jedoch<br />

stellt eine eingetretene oder drohende Dekompensation<br />

im Rahmen eines chronischen Krankheitsgeschehens<br />

ebenfalls eine Indikation für eine Krankenhausbehandlung<br />

dar. Bei Patienten, die eine notwendige<br />

psychotherapeutische Behandlung bislang<br />

aus inneren Barrieren nicht aufnehmen konnten,<br />

kann eine Krankenhausaufnahme zur Förderung eines<br />

psychosomatischen Krankheitsverständnisses sinnvoll<br />

sein.<br />

In Übereinstimmung mit dem vorläufigen Rahmenkonzept<br />

für die Krankenhausbehandlung in dem<br />

Fachgebiet der Psychotherapeutischen Medizin in<br />

Hessen (Stand 09.09.2002) stellen Erkrankungen aus<br />

dem Kapitel F4 ICD-10 (Neurotische, Belastungs- und<br />

somatoforme Störungen) und F5 (Verhaltensauffälligkeiten<br />

mit körperlichen Störungen und Faktoren) die<br />

Behandlungsschwerpunkte dar. Weitere Indikationen,<br />

im Grenzgebiet zum Fachgebiet Psychiatrie und Psychotherapie,<br />

sind depressive Episo<strong>den</strong> (F32), rezidivierende<br />

depressive Störungen (F33), anhaltende affektive<br />

Störungen (F34) und spezifische Persönlichkeitsstörungen<br />

(F60). In <strong>den</strong> genannten Grenzbereichen<br />

ist die Indikation insbesondere dann gegeben,<br />

wenn eine Co-Morbidität mit einer Erkrankung aus<br />

dem Bereich der Hauptindikationen vorliegt oder<br />

wenn das Behandlungssetting der psychosomatischen<br />

Krankenhausabteilung eher geeignet scheint, das vorliegende<br />

Krankheitsbild zu bessern. Patienten mit psychotischen<br />

Erkrankungen, Suchterkrankungen, hirnorganischen<br />

Abbauprozessen und akuter Selbstmordgefährdung<br />

können nicht behandelt wer<strong>den</strong>.<br />

Zuweisung und Aufnahmemodalitäten<br />

Eine Krankenhausaufnahme in der Hardtwaldklinik II<br />

kann nicht als Alternative zu einer inhaltlich indizierten<br />

psychosomatischen Rehabilitationsbehandlung<br />

erfolgen, etwa zur Beschleunigung des Verfahrens.<br />

Eine Umwandlung einer Krankenhaus- in eine Rehabilitationsbehandlung<br />

ist in der Regel nicht möglich,<br />

da Anschlussheilbehandlungen im Indikationsgebiet<br />

Psychosomatische Medizin bislang nicht vorgesehen<br />

sind.<br />

Die Aufnahme geschieht auf der Basis einer fachärztlichen<br />

Krankenhauseinweisung aus <strong>den</strong> Gebieten<br />

Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder<br />

Psychiatrie und Psychotherapie. Einweisen können<br />

auch Kollegen anderer Fachrichtungen mit dem Zusatztitel<br />

Psychotherapie. Eine sehr kurz gehaltene<br />

ärztliche bzw. psychologische Stellungnahme zur<br />

Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung kann<br />

die Aufnahme unterstützen. Zudem erbitten wir im<br />

Vorfeld um die Bear<strong>bei</strong>tung eines Patientenfragebogens,<br />

der im Internet hinterlegt<br />

ist oder schriftlich angefordert<br />

wer<strong>den</strong> kann. Nach Eingang aller<br />

Unterlagen wird ein Aufnahmetermin<br />

vergeben und ggf.<br />

ein Vorgespräch zur Motivationsüberprüfung<br />

oder zum Abbau<br />

möglicher Schwellenängste<br />

vereinbart. Aufgrund der begrenzten<br />

Bettenkapazität sind<br />

Wartezeiten leider unvermeidbar,<br />

auch Absagen müssen erteilt<br />

wer<strong>den</strong>.<br />

Nachsorge<br />

meanträgen in Form telefonischer Beratung<br />

an. Formulierungshilfen sind auch<br />

in schriftlicher Form hinterlegt und kön-<br />

Für Patienten, deren nahtlose nen angefordert wer<strong>den</strong>. Bei Schwierig-<br />

ambulante psychotherapeutikeiten mit einer Privatkrankenversichesche<br />

Weiterbehandlung nicht rung oder Beihilfestelle bietet die Klinik<br />

gesichert ist, bietet die Klinik zudem ein ambulantes Vorgespräch und<br />

eine poststationäre Nachsorge die Erstellung eines ausführlichen Kosten-<br />

an. Da die Klinik nicht über eine<br />

Ambulanz verfügt und nicht in<br />

übernahmeantrages an.<br />

Konkurrenz zum ambulanten Versorgungssektor treten<br />

möchte, ist die Teilnahme an der Nachsorgegruppe<br />

auf drei Monate begrenzt.<br />

KONTAKT<br />

Hardtwaldklinik II<br />

Fachklinik für psychogene Erkrankungen<br />

Werner Wicker KG<br />

Hardtstraße 32<br />

34596 Bad Zwesten<br />

Tel.: 05626 - 88 17 03<br />

Fax: 05626 - 88 18 33<br />

E-Mail: finger@hwk2.de<br />

www.hardtwaldklinik2.de<br />

Unterstützung <strong>bei</strong><br />

Kostenübernahme-Anträgen<br />

Für privat Krankenversicherte gestaltet<br />

sich der Zugang zu einer fachlich indizierten<br />

stationären psychotherapeutischen<br />

Behandlung immer schwieriger.<br />

Ausufernde Anforderungen an Kostenübernahmeanträge<br />

schrecken niedergelassene<br />

Kollegen oft ab, einen Antrag zu<br />

stellen. Die Hardtwaldklinik II bietet deshalb<br />

Unterstützung <strong>bei</strong> Kostenübernah-<br />

17


18<br />

Die DOXS<br />

in der Region<br />

Die wohnortnahe ambulante medizinische<br />

und psychotherapeutische<br />

Versorgung der Bevölkerung in Nordhessen<br />

aktiv mitzugestalten ist eines<br />

der zentralen Ziele der Ärzte- und Psychotherapeutengenossenschaft<br />

DOXS<br />

eG. Ein weiteres Ziel: Die Genossenschaft<br />

will die freiberufliche und wirtschaftliche<br />

Existenz niedergelassener<br />

Ärzte und Psychotherapeuten stärken<br />

– und sich da<strong>bei</strong> konsequent an <strong>den</strong><br />

Interessen der Patienten orientieren.<br />

Beides hatten sich die Initiatoren der<br />

DOXS eG von Anfang an auf die Fahnen<br />

geschrieben. Es waren Vertreter<br />

14 verschie<strong>den</strong>er, bis dahin teilweise<br />

auch konkurrierender lokaler Ärztenetze<br />

aus allen Teilen Nordhessens,<br />

die die DOXS-Gründung im November<br />

2007 vorbereitet hatten. Bis heute<br />

stammen die aktuell rund 500 Mitglieder<br />

aus der gesamten Region. Grund<br />

genug für das DOXS-<strong>Magazin</strong>, einen<br />

Blick über <strong>den</strong> Tellerrand zu werfen:<br />

Wir stellen die Landkreise, aus <strong>den</strong>en<br />

DOXS-Mitglieder stammen, nach und<br />

nach vor – und das nicht nur mit Blick<br />

auf die Gesundheitspolitik.<br />

Teil 2: Der Schwalm-Eder-Kreis.<br />

Von Ralf Pasch<br />

<strong>Magazin</strong> <strong>Magazin</strong> Winter Frühjahr 2009 2<strong>01</strong>0<br />

Abschied von<br />

Im Schwalm-Eder-Kreis kämpfen<br />

Kommunen vereint gegen <strong>den</strong><br />

demografischen Wandel<br />

Über einen „großen Sprung im EU-Standortranking“ freute<br />

sich kürzlich der Landrat des Schwalm-Eder-Kreises, Frank-<br />

Martin Neupärtl (SPD). Die EU hatte die Entwicklungschancen von<br />

1.000 Region untersucht, der nordhessische Kreis, der im Jahre<br />

2007 noch auf Platz 532 lag, rückte auf Rang 460 vor. Bis an die<br />

Spitze ist es noch ein weiter Weg. Doch offenbar hat die Region<br />

Potenziale. Immerhin zählt sie in Hessen zu <strong>den</strong> Kreisen mit der<br />

niedrigsten Verschuldung und die Ar<strong>bei</strong>tslosenquote lag im Januar<br />

<strong>bei</strong> 6,6 Prozent, während sie im gesamten Bundesland sieben Prozent<br />

betrug.<br />

Allerdings steht der Kreis auch vor diversen Herausforderungen.<br />

Wenn nicht schnell etwas getan wird, nimmt die Bevölkerung in<br />

<strong>den</strong> nächsten Jahren rapide ab: aktuellen Schätzungen zufolge bis<br />

2030 um 12 Prozent, bis 2050 gar um 27 Prozent. In „schrumpfen<strong>den</strong><br />

Regionen“ leben nicht nur immer weniger Menschen, sondern<br />

auch immer mehr ältere. Bis 2025, so die Prophezeiung, werde<br />

der Anteil der Menschen im Landkreis, die älter als 65 sind, auf<br />

fast 30 Prozent wachsen.<br />

Landrat Neupärtl und seine Mitar<strong>bei</strong>ter in der Homberger Kreisverwaltung<br />

haben inzwischen eingesehen, dass es nicht genügt,<br />

<strong>den</strong> demografischen Wandel zu beklagen. Eine Leitstelle „Älter<br />

wer<strong>den</strong>“ soll eingerichtet wer<strong>den</strong>, die Dezernate wollen ressortübergreifend<br />

zusammenar<strong>bei</strong>ten, in einem „Leerstandskataster“<br />

will die Bauaufsicht die Gebäude und Grundstücke erfassen, um<br />

gezielt nach einer neuen Nutzung zu suchen.<br />

Gemeinsame Gewerbegebiete<br />

Viele Kommunen im Kreis scheinen schon einen Schritt weiter zu<br />

sein: Immerhin 18 der 27 Städte und Gemein<strong>den</strong> pflegen eine<br />

rege „interkommunale Kooperation“. Felsberg, Melsungen, Spangenberg,<br />

Malsfeld und Morschen setzten sich schon Ende der<br />

90er Jahre an einen Tisch, um gemeinsam das Gewerbegebiet<br />

Mittleres Fuldatal direkt an der Autobahn A 7 zu planen und auszuweisen.<br />

Die Flächen gehören Malsfeld, die anderen Mitglieder<br />

im Verband beteiligten sich entsprechend ihrer Einwohnerzahl an<br />

<strong>den</strong> Erschließungskosten und <strong>den</strong> übrigen Ausgaben. Im Gegenzug<br />

profitieren sie von <strong>den</strong> Gewerbesteuern, die die sich ansiedeln<strong>den</strong><br />

Unternehmen zahlen. Die anfangs vorgesehenen 24 Hektar<br />

sind nach <strong>den</strong> Angaben von Geschäftsführer Klaus Stiegel verkauft<br />

und belegt, inzwischen sei eine Verdopplung der Fläche genehmigt.<br />

Stiegel spricht dann auch von einer „Erfolgsgeschichte“.<br />

Die vier Kommunen beließen es nicht <strong>bei</strong> einem gemeinsamen<br />

Gewerbegebiet und schlossen sich zu einem Zweckverband zusammen,<br />

was Schule machte, <strong>den</strong>n inzwischen gibt es drei weitere<br />

solcher Bündnisse im Kreis.


der Kirchturmpolitik<br />

Auch andere Zweckverbände seien entstan<strong>den</strong>, weil<br />

<strong>den</strong> beteiligten Kommunen klar wurde, dass es leichter<br />

ist, Gewerbegebiete gemeinsam statt in Konkurrenz<br />

zueinander zu entwickeln, so der Leiter des Amtes<br />

für Wirtschaftsförderung in der Kreisverwaltung,<br />

Hans-Georg Korell. Inzwischen kümmern sich diese<br />

Verbände aber auch um andere Themen, laut Korell<br />

sind zum Beispiel alle vier in das hessische Stadtumbau-Programm<br />

aufgenommen wor<strong>den</strong> – ebenfalls<br />

ein Versuch, <strong>den</strong> demografischen Wandel in <strong>den</strong> Griff<br />

zu bekommen. Bis 2<strong>01</strong>3 fördern das Land Hessen<br />

und der Bund unter dem Motto „Stadtentwicklung<br />

ohne Wachstum“ Konzepte und Projekte, die die<br />

Schrumpfung zwar nicht aufhalten, aber deren Folgen<br />

mildern könnten. Städte und Gemein<strong>den</strong> müssen<br />

sich Gedanken darüber machen, was sie mit leer<br />

stehen<strong>den</strong> Gebäu<strong>den</strong> tun oder wie sie für immer weniger<br />

und immer mehr ältere Einwohner ihre Infrastruktur<br />

in Gang halten.<br />

Vorreiter <strong>bei</strong>m Stadtumbau:<br />

Zweckverband Schwalm-Eder-West<br />

Vorreiter <strong>bei</strong>m Stadtumbau – nicht nur in Hessen,<br />

sondern bundesweit – war der Zweckverband<br />

Schwalm-Eder-West, in dem sich 2003 Bad Zwesten,<br />

Borken, Jesberg, Neuental und Wabern zusammenschlossen.<br />

Die Region hatte mit dem Strukturwandel<br />

bereits Erfahrungen, musste sie doch Ende der 80er<br />

Jahre nach dem Zusammenbruch des Braunkohlebergbaus<br />

in Borken neue Wege gehen.<br />

Dass Problem schrumpfender Städte schien im Westen<br />

zunächst nicht zu existieren. Deshalb gab es lediglich<br />

<strong>den</strong> „Stadtumbau Ost“. Mit Fördergeldern<br />

des Bundes und der Länder wur<strong>den</strong> in <strong>den</strong> neuen<br />

Bundesländern unter anderem leer stehende Plattenbausiedlungen<br />

abgerissen oder umgebaut. Dann<br />

meldeten auch die alten Bundesländer Bedarf an, sodass<br />

ein Programm „Stadtumbau West“ aufgelegt<br />

wurde. Die Region Schwalm-Eder-West gehörte zu<br />

<strong>den</strong> 16 Pilotprojekten. Mit fünf Millionen Euro wur<strong>den</strong><br />

in <strong>den</strong> Mitgliedskommunen diverse Projekte realisiert<br />

oder zumindest angeschoben.<br />

Zum Beispiel ging es um die 38 Dorfgemeinschaftshäuser<br />

im Zweckverband. Ausgaben und Einnahmen<br />

stan<strong>den</strong> nicht mehr im Verhältnis, weil einige Häuser<br />

kaum noch genutzt wur<strong>den</strong>. Und so wur<strong>den</strong> in<br />

Großenenglis, einem Ortsteil von Borken, ungenutzte<br />

Teile des Dorfgemeinschaftshauses abgerissen, in<br />

Neuental-Bischausen übernahmen die Vereine die<br />

Nutzung des kommunalen Gebäudes. Ein anderes<br />

„Impulsprojekt“ war eine Datenbank für leer stehende<br />

Bauten und Flächen. Der Zweckverband stimmt<br />

inzwischen mit <strong>den</strong> Eigentümern ab, wie leer stehende<br />

Immobilien genutzt wer<strong>den</strong> können, und übernimmt<br />

die Vermarktung.<br />

Masterplan für die kommen<strong>den</strong> Jahre<br />

2007 war das Stadtumbau-Programm in <strong>den</strong> Schwalm-<br />

Eder-West-Kommunen beendet, doch viele Projekte<br />

mussten noch realisiert oder weiterentwickelt wer<strong>den</strong>.<br />

Deshalb wurde ein Masterplan mit Ideen und<br />

Konzepten aufgestellt, die in <strong>den</strong> nächsten Jahren realisiert<br />

wer<strong>den</strong> sollen. So haben die Kommunen ambitionierte<br />

Pläne in Sachen Tourismus: Flüsse und die<br />

Restlöcher des ehemaligen Braunkohlebergbaus sollen<br />

als Bestandteile einer „WasserWelt Schwalm Eder<br />

West“ Touristen anlocken. In Sachen Frem<strong>den</strong>verkehr<br />

und Wasser schauen die Zweckverbands-Kommunen<br />

inzwischen über <strong>den</strong> Tellerrand und ar<strong>bei</strong>ten in der<br />

Foto: Touristik Service Kurhessisches Bergland<br />

Besuch im Dom<br />

Fritzlar ist zwar kein Bischofssitz, trotzdem hat die Stadt einen Dom.<br />

Die Kirche neben dem Kloster, das heute noch einen Mönchsor<strong>den</strong><br />

beherbergt, verdient diese Bezeichnung nicht nur wegen der beeindrucken<strong>den</strong><br />

Architektur, sondern auch wegen ihrer historischen Bedeutung:<br />

Dort fan<strong>den</strong> Syno<strong>den</strong> und Reichtage statt, auf <strong>den</strong>en außer<br />

kirchlichen auch politische Entscheidungen getroffen wur<strong>den</strong>. Im Jahre<br />

2004 kürte Johannes Paul II. das Bauwerk zur Päpstlichen Basilika.<br />

Das Dommuseum bewahrt unter anderem Gemälde, Skulpturen und<br />

liturgische Geräte auf, außerdem gibt es einen Klosterla<strong>den</strong>.<br />

Informationen: www.basilika-dom-fritzlar.de<br />

<strong>Magazin</strong> Winter 2009 19


SCHWALM-EDER-KREIS<br />

In <strong>den</strong> 27 Kommunen des Kreises leben rund 188.000 Einwohner<br />

auf einer Fläche von etwa 1.500 Quadratkilometern. Gegenwärtig<br />

gibt es im Landkreis vier Zweckverbände, in <strong>den</strong>en Kommunen koope<br />

rieren:<br />

• Mittleres Fuldatal mit Felsberg, Melsungen,<br />

Spangenberg, Malsfeld, Morschen<br />

• Schwalm-Eder West mit Bad Zwesten, Borken,<br />

Jesberg, Neuental, Wabern<br />

• Mitte mit Homberg, Knüllwald, Schwarzenborn<br />

• Schwalm mit Frielendorf, Gilserberg, Schrecksbach,<br />

Schwalmstadt, Willingshausen<br />

Die Zahl der niedergelassenen Ärzte im Schwalm-Eder-Kreis ist von<br />

218 im Jahr 2005 auf 199 im Februar dieses Jahres gesunken. Rund<br />

1.000 Betten bieten die Asklepios-Kliniken in Melsungen, Homberg<br />

und Schwalmstadt, das von der katholischen Kirche betriebene Heilig<br />

Geist Hospital in Fritzlar, die Hephata Kliniken in Schwalmstadt<br />

und die Hardtwaldkliniken der Wicker-Gruppe in Bad Zwesten.<br />

Touristischen Ar<strong>bei</strong>tsgemeinschaft Erlebnisregion<br />

Edersee auch mit anderen Orten zusammen. Die Brücke<br />

zum benachbarten Zweckverband Schwalm wird<br />

in der LEADER-Region Schwalm Aue geschlagen. Mit<br />

dem LEADER-Programm fördert die EU „benachteiligte<br />

Regionen“ in ländlichen Gebieten. Brüssel stellt<br />

20 <strong>Magazin</strong> Winter 2009<br />

20<br />

Foto: Stefan Pollmächer<br />

Alte Pfarrei Niederurff, ArtGarten und Landrosinen<br />

In der Alten Pfarrei aus dem Jahr 1445 organisieren Dr. Stefan Pollmächer<br />

und seine Frau Dr. Alexandra Urbas seit 1997 Ausstellungen mit internationalen<br />

und heimischen Künstlern, Musikveranstaltungen, Diavorträge<br />

oder Thea terabende. Regelmäßig findet der „Niederurffer Salon“ mit Vorträgen<br />

zu Themen aus Politik, Kultur und Wissenschaft statt.<br />

Wer <strong>den</strong> Weg nach Niederurff gefun<strong>den</strong> hat, sollte auch <strong>den</strong> ArtGarten<br />

besuchen, <strong>den</strong> Dr. Pollmächer mit Unterstützung der Gemeinde Bad<br />

Zwesten betreibt. Der Artgarten lädt Künstler zu Workshops ein und<br />

Anfänger und Fortgeschrittene zu Steinbildhauerkursen.<br />

Nicht zuletzt lohnt sich ein Blick in <strong>den</strong> Veranstaltungskalender der<br />

„Landrosinen“, das Kulturnetzwerk Schwalm-Eder. Künst lerinnen und<br />

Künstler, Kulturinitiativen, Theater- und Musikgruppen haben sich zu<br />

diesem Netzwerk zusammengeschlossen und bieten ein vielfältiges<br />

Spektrum von Ausstellungen, Konzerten, Theater- und Kabarett-Aben<strong>den</strong>,<br />

Vorträgen und Lesungen.<br />

Informationen: www.alte-pfarrei-niederurff.de,<br />

www.art-garten.de, www.landrosinen.de<br />

<strong>den</strong> Kommunen an der Schwalm bis 2<strong>01</strong>3 rund 1,6<br />

Millionen Euro zur Verfügung. Mit diesen Geldern soll<br />

unter anderem der Schwalm-Radweg finanziert wer<strong>den</strong>,<br />

ein Projekt, an dem sich elf Kommunen beteiligen,<br />

die auch aus dem benachbarten Vogelsbergkreis<br />

kommen.<br />

Der Borkener Bürgermeister und Vorsitzende des<br />

Zweckverbandes Schwalm Eder West, Bernd Heßler,<br />

stellt selbstbewusst fest, „dass wir die interkommunale<br />

Kooperation erfun<strong>den</strong> haben“. Zwar war sein Verband<br />

nicht der erste, doch so umfassend und intensiv<br />

wie in seiner Region sei die Zusammenar<strong>bei</strong>t zunächst<br />

nirgendwo gewesen. Für Heßler steht fest, „dass es<br />

künftig nur noch so funktionieren wird“. Mit Blick auf<br />

die leeren Kassen und die immer schlechter wer<strong>den</strong>de<br />

Finanzlage der Kommunen sei eine solche Zusammenar<strong>bei</strong>t<br />

regelrecht zwingend.<br />

Die Schwalm Eder-West Kommunen betreiben auch<br />

in wirtschaftlichen Fragen keine Kirchturmpolitik<br />

mehr. Der Verband mietete für ein gemeinsames Existenzgründerzentrum<br />

<strong>bei</strong> einem Borkener Logistikunternehmen<br />

1.500 Quadratmeter an, die er zu günstigen<br />

Konditionen an Gründer vermietet. Von <strong>den</strong> fünf<br />

Mietern, die nach dem Aufbau des Zentrums dort<br />

ihre Zelte aufschlugen, stehen inzwischen drei auf eigenen<br />

Beinen.<br />

Investoren stehen hier nicht Schlange<br />

Doch nicht in allen Fragen herrscht in der Region<br />

Schwalm-Eder-West Einigkeit. Das hehre Ziel, ein interkommunales<br />

Gewerbegebiet einzurichten, kam<br />

bisher über erste Schritte nicht hinaus. In Wabern<br />

fand sich zwar eine geeignete Fläche, doch bisher<br />

konnten sich die Kommunen im Verband nicht darauf<br />

einigen, welche Unternehmen sich dort ansiedeln<br />

können, eher kleinere oder auch große, zum Beispiel<br />

aus der Logistikbranche. Doch eine große Auswahl<br />

haben die Kommunen nicht, „die Investoren stehen<br />

hier nicht Schlange“, sagt Borkens Bürgermeister


Foto: Touristik Service Kurhessisches Bergland<br />

Bergbaugeschichte erleben<br />

Der Braunkohlebergbau hat Borken und seine Umgebung<br />

geprägt, die Restlöcher des Tagebaus sind ein<br />

anschauliches Beispiel. Die Geschichte dieser Branche,<br />

deren Tradition in Hessen etwa 400 Jahre zurückreicht,<br />

wird im Borkener Braunkohlebergbaumuseum<br />

dokumentiert. In der Stadt endete der Abbau<br />

des Bo<strong>den</strong>schatzes nach einem Grubenunglück<br />

im Jahre 1988. Das Museum ist auf mehrere Standorte<br />

verteilt, sein Herzstück ist ein über drei Hektar großer<br />

Themenpark mit Schaufelradbaggern, Lokomotiven<br />

und einem Miniaturkraftwerk. Ein Naturschutzzentrum<br />

informiert über die artenreiche Flora und<br />

Fauna, die sich an <strong>den</strong> Tagebauseen entwickelt.<br />

Informationen:<br />

www.braunkohle-bergbaumuseum.de<br />

Heßler. Potente Unternehmen wie der Medizinproduktehersteller<br />

B. Braun, nach wie vor größter Ar<strong>bei</strong>tgeber<br />

im Schwalm-Eder-Kreis, sind rar. Auch für die<br />

derzeit in der Region ansässigen Unternehmen könnte<br />

der demografische Wandel zum Problem wer<strong>den</strong>,<br />

weil ihnen damit ein Mangel an Fachkräften droht.<br />

Qualifizierte junge Leuten zieht es immer stärker in<br />

die Ballungszentren.<br />

Die medizinische Versorgung<br />

sicherzustellen wird schwieriger<br />

Damit geht ein weiteres „Zukunftsproblem“, wie es<br />

Landrat Neupärtl nennt, einher: Vor allem in <strong>den</strong> kleineren<br />

Gemein<strong>den</strong> wird es zunehmend schwieriger,<br />

die medizinische Versorgung sicherzustellen. Anfang<br />

Februar gab es nach <strong>den</strong> Angaben der Kassenärztli-<br />

chen Vereinigung Hessen im Schwalm-Eder-Kreis 199<br />

niedergelassene Ärzte. Vor fünf Jahren waren es zum<br />

selben Zeitpunkt 218. „Diese Entwicklung zeigt, dass<br />

es immer schwieriger wird, frei wer<strong>den</strong>de Praxissitze<br />

wieder zu besetzen“, so KV-Sprecherin Silvia Herzinger.<br />

„Der Abmarsch in die Zentren“ sei auch <strong>bei</strong> <strong>den</strong><br />

Ärzten zu beobachten. Allerdings will sie im Schwalm-<br />

Eder-Kreis nicht von einer Unterversorgung sprechen.<br />

Das Problem scheint erst allmählich zu<br />

wachsen: „Einen erheblichen Mangel“<br />

sieht DOXS-Mitglied Dr. Meinhard Rudolff,<br />

der mit einer Kollegin eine Praxis in<br />

Felsberg betreibt, in <strong>den</strong> nächsten fünf<br />

bis zehn Jahren auf die Region zukommen.<br />

Er beobachtet, dass viele Landärzte<br />

nach und nach das Alter erreichen, in<br />

dem sie sich zur Ruhe setzen. Nachfolger<br />

Dr. Meinhard Rudolff, Arzt in<br />

zu fin<strong>den</strong>, sei schwierig. Rudolff bekommt Felsberg und DOXS-Mitglied<br />

<strong>den</strong> Mangel schon zu spüren, <strong>den</strong>n er<br />

sucht für eine aufgekaufte Nachbarpraxis bisher vergeblich<br />

einen Kollegen.<br />

Bevor ein junger Arzt in eine Landpraxis einsteigt,<br />

stellt er meist die Frage, wie oft er Bereitschaftsdienste<br />

leisten muss. Anders als in Städten mit Kliniken, die<br />

auch im Schwalm-Eder-Kreis Notdienstzentralen eingerichtet<br />

haben, vertreten sich Ärzte im ländlichen<br />

Raum üblicherweise gegenseitig. Und so muss auch<br />

Rudolff durchschnittlich ein Mal im Monat ein ganzes<br />

Wochenende dafür einplanen. Diese „kollegiale<br />

Dienstregelung“ wird darüber hinaus auch an Wochentagen<br />

praktiziert. Um die hohe Belastung zu reduzieren,<br />

sind Gespräche mit angrenzen<strong>den</strong> Notdienstbezirken<br />

in der Umgebung im Gange. Außer<br />

der mangeln<strong>den</strong> Bereitschaft junger Ärzte, <strong>den</strong> Schritt<br />

aufs Land zu wagen, sieht Rudolff jedoch noch ein anderes<br />

Problem: „Die bürokratischen Hür<strong>den</strong> sind sehr<br />

hoch, fehlt einem Kollegen auch nur eine Teilqualifikation,<br />

wird er nicht für eine Praxis zugelassen“.<br />

Auch sein Kollege Dr. Ulrich Herzberger,<br />

der gemeinsam mit seiner Frau in Felsberg<br />

eine Praxis betreibt, sieht <strong>den</strong> Mangel an<br />

Nachwuchs als Hauptproblem der Zukunft.<br />

Das betrifft ihn ganz persönlich: Der 60-<br />

Jährige muss sich in absehbarer Zeit über<br />

die Nachfolge Gedanken machen. Zwar<br />

hat er einen Sohn, der ebenfalls Mediziner<br />

wurde. Doch der ar<strong>bei</strong>tet gegenwärtig in<br />

Dr. Ulrich Herzberger, Arzt in<br />

einer Klinik und „überlegt sich gut, ob er<br />

Felsberg und DOXS-Mitglied<br />

hierher kommt“, weiß der Vater. Aus seiner<br />

Sicht ist ein Hinderungsgrund für <strong>den</strong> Nachwuchs die<br />

derzeit offene Frage, wie sich das deutsche Gesundheitswesen<br />

weiterentwickelt. Er befürchtet, dass sich<br />

die niedergelassenen Praxen künftig immer stärker<br />

großen Klinikketten unterordnen müssen und die<br />

Ärzte damit ihre Freiberuflichkeit einbüßen.<br />

21


22<br />

Durchschnittliche A/H1N1-Mortalität nach Wintersaison<br />

(Stand 13.2.2<strong>01</strong>0) Quelle: Wikipedia<br />

Land Einwohner A/H1N1- Tote pro<br />

Tote 100.000 Einw.<br />

Argentinien 39.400.000 617 1,566<br />

USA 308.241.000 3.127 1,<strong>01</strong>4<br />

Mexiko 109.960.000 1.006 0,915<br />

Chile 16.763.470 150 0,895<br />

Australien 21.360.000 191 0,894<br />

Brasilien 195.100.000 1.632 0,836<br />

England 50.431.700 411 0,815<br />

Neuseeland 4.143.279 20 0,483<br />

Frankreich 65.073.482 303 0,466<br />

Ukraine 45.994.287 213 0,463<br />

Österreich 8.376.761 24 0,287<br />

Schwe<strong>den</strong> 9.269.986 26 0,280<br />

Deutschland 81.882.342 216 0,263<br />

Deutschland RKI 81.882.342 8.200 10,000<br />

„Exzess“ 1995-2006 (82 bis 31.160) (0,1 bis 38)<br />

(Was)<br />

lernen<br />

wir von der<br />

„Schweinegrippe-<br />

Pandemie“?<br />

Die Influenza-Barometer sind wieder fast auf null gesunken; wahrscheinlich<br />

ist die „Neue Influenza“ für diese Saison vor<strong>bei</strong>. Jetzt ist es Zeit, ein<br />

Resumee zu ziehen.<br />

Von Dr. Uwe Popert<br />

Die „Schweinegrippe“-Infektion ist zumeist unbemerkt oder völlig harmlos verlaufen – fast<br />

die Hälfte der Kinder weisen Antikörpertiter1 auf. Statt der von einem BILD-„Experten“ vorhergesagten<br />

„mindestens 35.000 Toten“ hat es in Deutschland nur 216 nachgewiesene<br />

Influenza A-H1N1-Todesfälle gegeben. Damit liegt Deutschland im internationalen Vergleich<br />

von vorrangig mit „Weißen“ bevölkerten Ländern extrem niedrig (siehe Tabelle).<br />

Das „german miracle“ ist noch nicht entschlüsselt.<br />

Kann die niedrige Sterberate in<br />

Deutschland an der A-H1N1-Impfung liegen?<br />

Nein. Weniger als 7 % der Bevölkerung wur<strong>den</strong> geimpft;<br />

<strong>bei</strong> angenommenem idealen 100%-igem Impfschutz wäre<br />

die Sterberate ohne Impfung um 7 % höher gewesen –<br />

weiterhin ein sensationell niedriger Wert.<br />

Wie ist die Influenza-Sterblichkeit<br />

im Vergleich zu <strong>den</strong> Vorjahren?<br />

Die Influenza-Todesfälle der letzten Jahre wur<strong>den</strong> nicht so<br />

häufig untersucht, sondern vom RKI mit einer zweifelhaften<br />

Methode hochgerechnet 2 ; da<strong>bei</strong> ergaben sich zwischen<br />

1995 bis 2006 Deutschland durchschnittlich 8.200<br />

(82 bis 31.160) Tote/Jahr. Experten schätzen, dass diese<br />

Zahlen absichtlich um <strong>den</strong> Faktor 10 (!) übertrieben dargestellt<br />

wur<strong>den</strong>, um <strong>den</strong> Absatz der Influenza-Impfung zu<br />

fördern 3 . Aber selbst wenn man das berücksichtigt, ist die<br />

Sterblichkeit immer noch um <strong>den</strong> Faktor 4 niedriger als im<br />

RKI-Vorjahresdurchschnitt (siehe Tabelle).


Warum sind weniger Senioren an Influenza gestorben als sonst?<br />

Man nimmt an, dass diese durch vorherige Infektionen oder Impfungen mit A-H1N1 gut geschützt<br />

waren 4 . (Allerdings wiesen nur maximal 30 % Antikörpertiter auf. Es ist also anzunehmen,<br />

dass der Schutz durch die zelluläre Abwehr (T-Lymphozyten) eine mindestens ebenso<br />

wichtige Rolle spielt. Das macht die Aussagekraft von Serumtitern zur Kontrolle von Impferfolg<br />

und Ansteckungen fraglich.)<br />

Wie gut hilft Oseltamivir (Tamiflu®)?<br />

Nach ersten Studienergebnissen wurde behauptet, Oseltamivir (Tamiflu®) bewirke im Durchschnitt<br />

eine Krankheitsverkürzung um 0,5 bis 1 Tag und könne vor Komplikationen schützen.<br />

Allerdings wird die Aussagekraft der – meist firmengesponserten – Studien inzwischen bezweifelt.<br />

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA sieht derzeit keine Belege mehr für einen<br />

Schutz vor Grippekomplikationen durch Oseltamivir – weder für Gesunde noch für chronisch<br />

Kranke 5 .<br />

Schadet die H1N1-Impfung?<br />

Die Einführung der Pandemrix®-Massenimpfung wurde leider nicht mit einer systematischen<br />

Studie zur Erfassung von Nebenwirkungen begleitet. Zur Häufigkeit von leichten und mittelschweren<br />

Nebenwirkungen lässt sich deswegen derzeit nichts Sicheres sagen. Im zeitlichen<br />

Zusammenhang traten <strong>bei</strong> Geimpften in Deutschland 48 Todesfälle auf; das PEI teilte mit, dass<br />

bisher nur in der Hälfte der Fälle eine andere Todesursache gefun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> konnte 6 .<br />

Nützt die H1N1-Impfung?<br />

Zu einem tatsächlichen Schutzeffekt durch eine A-H1N1-Impfstoff gibt es bisher weltweit keine<br />

veröffentlichten Studienergebnisse. Ein Effekt wird lediglich durch <strong>den</strong> meist nachweisbaren<br />

Antikörper-Anstieg postuliert.<br />

Abschätzung eines möglichen Nutzens: Bei 82 Millionen Deutschen sind bisher 216 Todesfälle<br />

durch A-H1N1 nachgewiesen wor<strong>den</strong>. Bei Annahme eines 100%-igen Impfschutzes müssten<br />

also 379.000 Personen geimpft wer<strong>den</strong>, um einen Todesfall zu verhüten.<br />

Andererseits sind von <strong>den</strong> 4,6 Millionen Geimpften möglicherweise etwa 20 an Impffolgen<br />

verstorben. Es ist also <strong>bei</strong> der Impfung von 230.000 Personen ein zusätzlicher Todesfall zu<br />

befürchten – der mögliche Scha<strong>den</strong> ist also fast doppelt so hoch wie die erhoffte (aber bisher<br />

noch nie real nachgewiesene) Schutzwirkung.<br />

Fazit:<br />

Die derzeitigen Erkenntnisse sollten eine Reihe von Diskussionen, Um<strong>den</strong>kprozesse und Korrekturen<br />

in Gang setzen. Insbesondere folgende Fragen stellen sich:<br />

• Hat sich die Aufweichung der WHO-Definition für eine „Pandemie“ (Infektiös statt Infektiös<br />

+ letal) wirklich bewährt? (Isolationsmaßnahen wur<strong>den</strong> nirgendwo wirksam durchgehalten;<br />

Impfungen spielten weltweit keine entschei<strong>den</strong>de Rolle.)<br />

• Wieso wur<strong>den</strong> bisher keine aussagekräftigen Studien zu dem wahrscheinlich meistverkauften<br />

Grippe-Impfstoff der Welt (Pandemrix®) veröffentlicht?<br />

• Wie kann man verhindern, dass die Bundesländer/der deutsche Steuerzahler wieder von<br />

der Pharmaindustrie so über <strong>den</strong> Tisch gezogen wer<strong>den</strong>? (Stichwort: je Impfdosis 1 € für<br />

die Wirksubstanz, aber 6 € für ein umstrittenes Adjuvans.)<br />

• Kann man die Pandemrix®-Impfung derzeit noch guten Gewissens empfehlen?<br />

• Können wir uns weiterhin einen Kreis von Politik-Beratern/eine Ständige Impfkommission<br />

(STIKO) leisten, die zu einem großen Teil pharmaabhängig sind/ist?<br />

1 www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS<strong>01</strong>40-6736%2809%2962126-7/<br />

fulltext#article_upsell<br />

2 www.rki.de; epidemiolog. Bulletin 35_07; Influenza-assoziierte Mortalität in Deutschland 1985–2006<br />

3 www.wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=66133688&top=SPIEGEL<br />

4 www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/schweinegrippe/<br />

article/585281/schweinegrippe-jedes-dritte-kind-h1n1-virus-traeger.html?sh=1&h=-1365123692<br />

5 www.arznei-telegramm.de/abo/b091222.php3?&knr=028790/303178<br />

6 Ärzte Zeitung online, 28.<strong>01</strong>.2<strong>01</strong>0<br />

Dr. med. Uwe Popert<br />

ist seit 20 Jahren als Arzt für Allgemeinmedizin<br />

in Kassel niedergelassen.<br />

Er ist Gründungsmitglied der<br />

Ärzte- und Psychotherapeutengenossenschaft<br />

DOXS eG, 1. Vorsitzender<br />

des „Gesundheitsnetz Nordhessen<br />

e. V.“ und Lehrbeauftragter<br />

an der Abteilung für Allgemeinmedizin<br />

der Universität Göttingen. Außerdem<br />

ist er als Beauftragter des<br />

KV-Bezirksausschusses beratend für<br />

die Organisation der Bereitschaftsdienste<br />

zuständig – und damit auch<br />

für die Koordination <strong>bei</strong> Pandemiefällen.<br />

23


24<br />

Flussdiagramme in der Praxis<br />

Für die Bewältigung neuer Routineaufgaben kann es sich lohnen, Flussdiagramme zu erstellen, um sich über<br />

die beste Verfahrensweise zu verständigen und diese jederzeit abrufbar zu haben. Gerade <strong>bei</strong> der zunehmen<strong>den</strong><br />

Vernetzung von Praxen wird dies in Zukunft immer wichtiger wer<strong>den</strong>. Dr. Uwe Popert hat (ohne Gewähr<br />

für Richtigkeit und Vollständigkeit) einen Ablauf <strong>bei</strong> Influenza-Verdacht entworfen. Das entsprechende Flussdiagramm<br />

hat der Arzt für Allgemeinmedizin dem DOXS-<strong>Magazin</strong> zum Abdruck zur Verfügung gestellt.<br />

Neue Influenza A (H1N1 09)<br />

Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie<br />

(Stand 10.02.2<strong>01</strong>0)<br />

Dieses Flussdiagramm gilt unter folgen<strong>den</strong> Bedingungen:<br />

• Influenza H1N1-Pandemie<br />

• hohe Infektionsrate<br />

• > 99,9 % harmloser Verlauf <strong>bei</strong> Nicht-Risikopersonen<br />

• Hochrisikopatienten sind zu schützen<br />

Patient kommt in die Praxis ggf. Telefontriage: kann Patient in die Praxis kommen? (Hausbesuch?)<br />

Symptome<br />

Hat Patient* mindestens zwei der folgen<strong>den</strong><br />

• Fieber > 38° C<br />

• Husten<br />

• Schmerzen (Hals-, Kopf, -Glieder-)<br />

• plötzlicher Infektbeginn<br />

* Alter < 5 Jahre: s. spez. Empfehlung www.dgpi.de<br />

Diagnose „pandemische Influenza“ = J09.und<br />

Ziffer 88200 eintragen<br />

JA<br />

JA<br />

Patient mit schwerem Krankheitsbild,<br />

gekennzeichnet u. a. durch<br />

• Atemnot und/oder<br />

• Sauerstoffmangel und/oder<br />

• Kreislauf-Schock und/oder<br />

• Verwirrtheit<br />

NEIN<br />

• (Ungeimpfter) Hochrisikopatient, z. B.<br />

• Schwangerschaft, inbesondere 3.Trimenon<br />

• Krankhafte Adipositas (BMI > 30)<br />

• symptomatische Lungenerkrankung (z. B. COPD, Asthma)<br />

• Immunsuppression (z. B. HIV/AIDS, behand. rheumat.<br />

Arthritis, onkolog./hämatologische Krankheiten, Trans-<br />

plantation, Medikamente)<br />

• schwere Nierenerkrankung<br />

• Diabetes mellitus, insbes. <strong>bei</strong> HbA1c > 8%<br />

• chron. Stoffwechselkrankheit<br />

• Herzerkrankung (nicht: einfache Hypertonie)<br />

• Chron. neurologische Erkrankung<br />

• Chronische Lebererkrankung, …<br />

Symptomatische Diagnostik, insbes.<br />

• Inspektion/Auskultation<br />

• ggf. EKG <strong>bei</strong> Hinweisen auf Myokarditis<br />

• ggf. CRP/BSG <strong>bei</strong> Hinweisen auf bakt. Erkrankung<br />

• ggf. Influenza-Abstriche, wenn ungeimpfte Risikopersonen<br />

in engem Kontakt stehen und therapeutische<br />

Konsequenzen sinnvoll sind<br />

JA<br />

NEIN<br />

Im Regelfall sind Influenza-Abstriche nicht sinnvoll!<br />

Im Regelfall ist Behandlung mit Antibiotika bzw. Oseltamivir nicht sinnvoll!<br />

Im Regelfall ist eine medikamentöse Prophylaxe <strong>bei</strong> Kontaktpersonen nicht sinnvoll!<br />

Ja<br />

Ja<br />

Ja<br />

Anderer Beratungsanlass<br />

Ggf. zusätzlich klären, ob Influenza-<br />

Hochrisikopatient (Def. siehe unten)<br />

JA<br />

Beratung von Hochrisikopatienten<br />

(<strong>bei</strong> Kontakt/Recall)<br />

� Impfung Influenza<br />

� Impfung Pneumokokken<br />

� Infektprävention<br />

Klinik-Einweisung<br />

Klinik telefonisch informieren<br />

Engmaschig beobachten<br />

Klinik-Einweisung erwägen<br />

Oseltamivir anbieten, wenn < 48 h Erkrankung<br />

Ggf. Influenza-Abstriche<br />

(wenn ggf. therapeutische Konsequenzen<br />

sinnvoll sind)<br />

Pneumonie? => ggf. Antibiotika<br />

Symptomatische Therapie<br />

AU-Bescheinigung<br />

Vermeidung von Kontakt zu Hochrisikopersonen<br />

Wiedervorstellung <strong>bei</strong> Verschlechterung<br />

kein ASS für Patienten < 16 Jahren


Gemeinsame,<br />

sichere und<br />

einheitliche<br />

Verträge<br />

Hausarztzentrierte Versorgung<br />

ab dem 1. April auch in<br />

Hessen attraktiv<br />

Der ba<strong>den</strong>-württembergische Hausärzteverband und<br />

MEDI als regionaler Verbund von Ärztenetzen entwickeln<br />

derzeit neuartige Verträge zwischen Krankenkassen<br />

und Spezialisten (Kardiologen, Gastroenterologen<br />

und Rheumatologen). Die Besonderheit: Diese<br />

Verträge nach § 73c und § 140 wer<strong>den</strong> an die 73b-<br />

Hausarzt-Verträge gekoppelt.<br />

Solche Vertragskombinationen zwischen Hausärzten<br />

und Spezialisten sind zukunftsträchtig, <strong>den</strong>n einige<br />

der bisherigen Verträge nach § 140 sind Fehlkonstruktionen,<br />

die <strong>den</strong> kollegialen Frie<strong>den</strong> gefähr<strong>den</strong>. Wenn<br />

zum Beispiel Operateure IV-Verträge abschließen und<br />

darauf vertrauen, dass beteiligte Hausärzte die angeforderte<br />

„präoperative Diagnostik“ dann im Rahmen<br />

der KV-Ziffern abrechnen, dann ist dies problematisch,<br />

<strong>den</strong>n der Hausarzt hat gegenüber der KV ja gar<br />

keinen Anspruch auf Erstattung seiner Leistungen.<br />

Außerdem wer<strong>den</strong> Leistungen im Rahmen der IV-<br />

Verträge meist (deutlich besser) nach GOÄ vergütet.<br />

Um die für unsere Zukunft so wichtige gute Kooperation<br />

der Fachgruppen weiter zu gewährleisten, hat<br />

das Gesundheitsnetz Nordhessen e. V. Formulare entwickelt<br />

(zu fin<strong>den</strong> auf www.g-n-n.de), mit <strong>den</strong>en die<br />

Vertragsform und der Vergütungsweg <strong>bei</strong> Operationen<br />

schnell und unbürokratisch geklärt wer<strong>den</strong> kann.<br />

Für Ärzte gilt unter anderem ein Zuweisungsverbot<br />

(vgl. hessische Berufsordnung, § 31). Unter bestimmten<br />

Bedingungen gilt dies <strong>bei</strong> gemeinsamen Verträgen<br />

z. B. nach § 140 nicht. Insbesondere <strong>bei</strong> Gemeinschaftspraxen<br />

muss zusätzlich darauf geachtet wer<strong>den</strong>,<br />

dass durch die Verträge keine BGB-Gesellschaft<br />

entsteht, die dann ggf. durch „Infektiosität“ ein erhöhtes<br />

Risiko für eine Gewerbesteuerpflicht birgt.<br />

Deswegen sind diese Kooperations-Verträge besonders<br />

sorgfältig zu verfassen und mit der Landesärztekammer<br />

abzustimmen.<br />

Verträge nach § 73 bzw. 140 sind laut aktueller KVH-<br />

Satzung (§ 5) mit dem KV-Honorar zu bereinigen<br />

bzw. in der EHV zu berücksichtigen. Entsprechend<br />

müssen all diese Verträge der KVH mitgeteilt wer<strong>den</strong>.<br />

Dies ist <strong>bei</strong> dem derzeitigen Vertragschaos in Hessen<br />

allerdings kaum umsetzbar – immerhin verteilt inzwi-<br />

In Ba<strong>den</strong>-Württemberg, Bayern und Bremen<br />

gibt es inzwischen zum Teil flächendeckend<br />

Krankenkassen, die eine hausarztzentrierte<br />

Versorgung (HZV) nach § 73b anbieten.<br />

Nach der AOK sind auch IKK und BKKs<br />

und RVO-Kassen beteiligt – nachdem zahlreiche<br />

Patienten die Kasse gewechselt hatten,<br />

um sich einschreiben zu können. Ab<br />

dem 1. April gibt es auch attraktive HZV-<br />

Verträge in Hessen.<br />

Von Dr. Uwe Popert<br />

schen fast jede operative Großpraxis eigene IV-Verträge.<br />

Aber wie soll man so viele unterschiedliche Verträge<br />

kennen und beurteilen? Deswegen sind regional<br />

einheitliche und rechtlich überprüfte Vertragskons truktionen<br />

wichtig.<br />

Welche Verträge gibt es in Hessen?<br />

IV-Verträge (Integrierte Versorgung nach<br />

§ 140 SGB V)<br />

Es gibt zahlreiche solcher Verträge, manchmal gemanagt<br />

über Fachgesellschaften, die KV Hessen, viele<br />

über Vertriebsgesellschaften wie zum Beispiel medicalnetworks.<br />

Angeblich wur<strong>den</strong> die meisten IV-Verträge<br />

wegen mangelnder Umsetzung vor etwa einem<br />

Jahr gekündigt. Bei <strong>den</strong> restlichen ist der Markt völlig<br />

unübersichtlich; bisher scheint kaum jemand die Anzeigepflicht<br />

<strong>bei</strong> der KV beachtet zu haben.<br />

Hausarztzentrierte Versorgung<br />

Laut Gesetz müssen die Kassen eine HZV anbieten. In<br />

Schiedsverfahren wer<strong>den</strong> derzeit die meisten Krankenkassen<br />

zur Verhandlung entsprechender Verträge<br />

mit dem hessischen Hausärzteverband gezwungen.<br />

Für zukünftige HZV-Verträge in Hessen ist das Ba<strong>den</strong>-<br />

Württemberger Modell maßgeblich – und auch von<br />

<strong>den</strong> Kassen bevorzugt, weil sie sich von der regionalen<br />

Kooperation die Möglichkeiten einer effektiveren<br />

Gesundheitsversorgung versprechen.<br />

Ab dem 1.4.2<strong>01</strong>0 wer<strong>den</strong> die bereits unterzeichneten<br />

HZV-Verträge mit der IKK Signal Iduna starten.<br />

Die Verhandlungen zu § 73c- und 140er-Verträgen<br />

sind dann der nächste Schritt. Patienten, die in das<br />

HZV-Modell der Signal-Iduna wechseln, können bis<br />

zu 136,- € pro Jahr an Krankenkassenkosten sparen.<br />

Das motiviert zusätzlich.<br />

Mit der AOK Hessen läuft ein Schiedsverfahren; dieses<br />

wird wohl bis Ende März entschie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>.<br />

Vermutlich wer<strong>den</strong> die Verträge zur Jahresmitte anlaufen<br />

– wohl als Bereinigungsvertrag, d. h. nicht<br />

25


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über die KVH. Weitere Verhandlungen/Schiedsverfahren<br />

z. B. mit <strong>den</strong> bundesweit agieren<strong>den</strong> Ersatzkassen<br />

bzw. BKKs laufen noch zentral in Berlin.<br />

Ärztenetze und Ärztegenossenschaften sollten sich<br />

nicht die Chance entgehen lassen, an <strong>den</strong> sich entwickeln<strong>den</strong><br />

Strukturen teilzuhaben. Nur wenn sie ihre<br />

Stärke ausspielen und „ambulant vor stationär“ umsetzen,<br />

können sie die eigentlichen Effektivitätsreserven<br />

heben. Nur mit der Kombination 73b plus73c/<br />

140er-Verträge können Netze und Genossenschaften<br />

ihre Kooperationsfähigkeiten ausspielen. Und nur<br />

wenn wir genügend Patienten in die Hausarztzentrierte<br />

Versorgung (§ 73b) einschreiben, können wir<br />

haus- und fachärztliche Verträge nach § 73c/140 verhandeln<br />

und umsetzen.<br />

Letztlich braucht man von <strong>den</strong> derzeit etwa 160<br />

Krankenkassen aber regional wohl nur noch maximal<br />

drei. Alle weiteren Kassen sorgen wegen der Vielzahl<br />

von Sonderwünschen und Sonderwegen z. B. <strong>bei</strong> Rabattverträgen<br />

nur für hinderliche Bürokratie – es sei<br />

<strong>den</strong>n, die Kassen sind bereit, sich auf die bisher bestehen<strong>den</strong><br />

Verträge einzulassen.<br />

Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, <strong>den</strong> Krankenkassen<br />

und der Politik deutlich zu machen, dass sich der<br />

Patient eher für seinen Arzt als für seine Krankenkasse<br />

entscheidet! Zumal er da<strong>bei</strong> noch Geld sparen kann<br />

und eine bessere Versorgung erhält.<br />

Schaffen wir das nicht, wird das deutsche Gesundheitswesen<br />

weiter in ein Chaos nach US-amerikanischem<br />

Vorbild steuern. Und wir brauchen nicht mehr<br />

lange nach dem nächsten Gesundheitskonzern Ausschau<br />

zu halten.<br />

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26


Ar<strong>bei</strong>t in der Arztpraxis ist immer auch Teamar<strong>bei</strong>t. Chef oder Chefin und ihre<br />

Mitar<strong>bei</strong>terinnen – in <strong>den</strong> meisten Fällen sind es Frauen – ziehen im Idealfall an<br />

einem Strang. Das ist gut fürs Betriebsklima, das ist aber vor allem auch gut im<br />

Umgang mit <strong>den</strong> Patienten. Nur wenn die Umgangsformen im Team stimmen,<br />

ist auch der Ton gegenüber <strong>den</strong> Patienten der richtige. Nicht immer ist es einfach,<br />

so eine Mannschaftsleistung hinzubekommen. In der Serie Praxis & Personal<br />

gibt Dr. Heidemarie Krüger,<br />

Diplom-Soziologin und Perso-<br />

nalberaterin, im DOXS-<strong>Magazin</strong><br />

Tipps für die Spielregeln<br />

speziell in der Arztpraxis.<br />

Neue Serie Praxis & Personal<br />

Tipps von Personalberaterin Dr. Heidemarie Krüger<br />

Konflikte nicht aussitzen<br />

„Vorhin bin ich von Ihrer Sprechstun<strong>den</strong>hilfe ganz schön angepflaumt wor<strong>den</strong>“: Der<br />

Hinweis des Patienten versetzt einem erst mal einen kleinen Stich. Doch dann erinnert<br />

die Situation an das eigene Bauchgefühl –„irgendwie ist das Klima in meiner Praxis auch<br />

schon mal besser gewesen.“<br />

Wenn so etwas vorkommt, rät Personalberaterin Dr. Heidemarie Krüger aus Kassel zum<br />

zügigen Handeln. „Denn je länger etwas nicht gut läuft, desto mehr schleift es sich ein“,<br />

ist ihre Erfahrung. Natürlich weiß sie auch: Chef oder Chefin sein, das kam im Medizinstudium<br />

nicht vor. „Die Kernkompetenz liegt ganz klar auf ärztlichem Gebiet. Aber die<br />

Führung ist ein Teil der Rolle, die man als Arzt und Unternehmer in der eigenen Praxis<br />

spielt. Und die sollte man aktiv annehmen.“<br />

Was tun, wenn das Klima nicht so ist wie gewünscht? „Einfach mal einen Moment beobachten.<br />

Schauen, wie gehen die Mitar<strong>bei</strong>terinnen miteinander um? Daran kann man<br />

messen, wie zufrie<strong>den</strong> sie sind“, sagt Krüger. Wenn hier schon so etwas wie dicke Luft,<br />

Stress, Unfreundlichkeit zu spüren ist, dann ist eines auch klar: Das strahlt auf <strong>den</strong> Umgang<br />

mit <strong>den</strong> Patienten ab. Weitere Indikatoren für unzufrie<strong>den</strong>e Mitar<strong>bei</strong>ter können ein<br />

hoher Krankenstand, häufige Fluktuation im Team und die Leistungen der Azubis sein.<br />

Nächster Schritt sollte sein zu schauen, wer „informeller“ Führer unter <strong>den</strong> Mitar<strong>bei</strong>terinnen<br />

ist. Mit dieser und mit einer anderen Person aus dem Team wird jetzt das Gespräch<br />

gesucht: „Kurz mal am Rande einbauen, zügig auf <strong>bei</strong>de jeweils einzeln zugehen<br />

und sie gerade heraus ansprechen“, empfiehlt die Beraterin, „keine langen Re<strong>den</strong> und<br />

Antworten, zehn Minuten“. Das Problem, das gelöst wer<strong>den</strong> soll, ist klar zu benennen.<br />

Ein kurzer Austausch darüber und dann für sich zusammenfassen, wo die Ursachen liegen:<br />

in <strong>den</strong> einzelnen Personen im Team, in der Organisation der Praxisabläufe, in der<br />

Qualifikation?<br />

„Wichtig ist, dass nach diesen Kurzgesprächen sofort deutlich gemacht wird, es gibt einen<br />

nächsten Schritt – zum Beispiel schon bald ein Gespräch im Team, in dem der Chef<br />

oder die Chefin und die Mitar<strong>bei</strong>ter Lösungsvorschläge unterbreiten“, schildert Krüger,<br />

wie es weitergeht. Aus diesem Zusammentreffen wer<strong>den</strong> dann Regeln abgeleitet, die<br />

das Klima in der Praxis wieder angenehm machen, damit die Patienten sagen: „Vorhin<br />

bin ich von ihrer Sprechstun<strong>den</strong>hilfe richtig nett empfangen wor<strong>den</strong>“. ig<br />

Zahlen & Fakten:<br />

Nur 13 Prozent der Beschäftigten ar<strong>bei</strong>ten gerne für ihr Unternehmen und fühlen sich<br />

diesem verpflichtet. Das war im vergangenen Jahr ein Ergebnis der regelmäßig wiederholten<br />

Umfrage des Gallup-Institutes zur Ar<strong>bei</strong>tnehmerzufrie<strong>den</strong>heit. Zwei Drittel der<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmer fühlen sich ihrem Ar<strong>bei</strong>tgeber nicht verbun<strong>den</strong>, jeder fünfte hat bereits<br />

innerlich gekündigt. Lustlose Mitar<strong>bei</strong>ter fehlen bis zu vier Tagen mehr im Jahr als engagierte.<br />

Laut der Studie kritisieren viele Beschäftigte, dass ihre Meinung im Unternehmen<br />

nicht zähle. Sie wünschen sich mehr Anerkennung.<br />

Dr. Heidemarie Krüger<br />

Nach ihrem Studium der Soziologie in<br />

Bielefeld führte Krüger als Wissenschaftliche<br />

Mitar<strong>bei</strong>terin über zehn Jahre lang<br />

Forschungsprojekte zu <strong>den</strong> Themen Personal<br />

und Organisation durch und promovierte<br />

1987 an der Universität Bielefeld<br />

zum Thema „Anforderungen an außerfachliche<br />

Qua lifikationen“. Bei der deutschen<br />

Personalberatungsgruppe Steinbach&Partner<br />

be gann sie 1989 als Personalberaterin.<br />

Inzwischen ist sie Partnerin<br />

und führt seit 20 Jahren das von ihr aufgebaute<br />

Büro als Inhaberin in Kassel.<br />

Ihr Schwerpunkt liegt darin, mittelständische,<br />

Klein- und inhabergeführte Unternehmen<br />

in allen Fragen des Personalmanagements<br />

und insbesondere in der Beschaffung<br />

von Fach- und Führungskräften<br />

zu unterstützen. Zunehmend wird sie<br />

auch <strong>bei</strong> Fragen der Organisationsanalyse<br />

von kleinen Einheiten eingeschaltet. ig<br />

27


Checkliste für ein Mitar<strong>bei</strong>tergespräch<br />

Zügig agieren Tritt ein Ereignis auf, sollte kurz darauf das Gespräch mit<br />

dem/der Mitar<strong>bei</strong>ter/in gesucht wer<strong>den</strong>. Bitten Sie am selben<br />

Tag noch zu einem Gespräch.<br />

Auf <strong>den</strong> Punkt bringen Sprechen Sie das „Problem“ direkt und konkret mit Fakten<br />

an; erläutern Sie die Folgen für das Klima, die Praxis etc. Fassen<br />

Sie sich kurz.<br />

Reaktion anhören Lassen Sie <strong>den</strong>/die Mitar<strong>bei</strong>ter/in Stellung nehmen.<br />

Den eigenen Standpunkt klar formulieren Diskutieren Sie nicht, formulieren Sie die Notwendigkeit der<br />

Veränderung.<br />

Keine Ausschweifungen Das Gespräch sollte nicht länger als zehn Minuten dauern.<br />

Veränderung einfordern Fragen Sie nach, wie sich der/die Mitar<strong>bei</strong>ter/in die Veränderung<br />

selbst vorstellt, was er/sie dazu tun will.<br />

Das Ziel gemeinsam benennen Setzen Sie einen Zeitpunkt, bis wann eine Veränderung umgesetzt<br />

sein muss.<br />

Gesprächsergebnisse fixieren Am Ende des Gespräches sollten die wesentlichen Absprachen<br />

nochmals benannt wer<strong>den</strong>, um Missverständnisse zu<br />

vermei<strong>den</strong> und positive Veränderungen als Erwartung zu fixieren.<br />

Schween_ANZ_148,5x210_Kassel.qxd 26.05.2009 16:36 Seite 2<br />

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„Wegkommen<br />

vom Prinzip der<br />

Sachleistungen“?<br />

Kontroverse Diskussion<br />

um Kostenerstattung<br />

in der GKV<br />

Von Martin Wortmann<br />

Patienten- und Verbraucherverbände sind kritisch,<br />

die Krankenkassen dagegen. Die KBV ist skeptisch,<br />

aber offen und will Patienten wie Ärzten die<br />

Wahl lassen. Hartmannbund und „Freie Ärzteschaft“<br />

sind dafür, ebenso eine klare Mehrheit der Ärzte, die<br />

sich an einer Umfrage der KV Rheinland-Pfalz beteiligt<br />

haben. „Das ist im Moment kein Thema für uns,<br />

das steht auch nicht an“, heißt es dagegen <strong>bei</strong>m<br />

Deutschen Hausärzteverband. In Internet-Foren argumentieren<br />

einzelne Hausärzte skeptisch, praktikabel<br />

und wirtschaftlich sei die Kostenerstattung wohl<br />

nur für Facharztpraxen.<br />

Die Befürworter bekamen nun Unterstützung von<br />

Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP): „Wir müssen<br />

stärker wegkommen vom Prinzip der Sachleistungen<br />

und hinkommen zur Kostenerstattung“, sagte<br />

Rösler laut „Die Welt“ auf dem Neujahrsempfang der<br />

FDP-Fraktion im niedersächsischen Landtag. Es sei<br />

sinnvoll, wenn Patienten per Rechnung erführen,<br />

wieviel einzelne Behandlungen kosten.<br />

Wahlrecht und Patientenquittung<br />

Laut ARD-DeutschlandTrend Februar 2<strong>01</strong>0 wünschen<br />

sich das auch 91 Prozent der befragten Bürger. Wohl<br />

die wenigsten wissen, dass sie darauf auch in der gesetzlichen<br />

Krankenversicherung schon seit 2004 einen<br />

gesetzlichen Anspruch haben. Laut Sozialgesetzbuch<br />

müssen Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser<br />

auf Verlangen des Patienten eine sogenannte Patientenquittung<br />

ausstellen, die in verständlicher Form<br />

über die erbrachten Leistungen und ihre voraussichtlichen<br />

Kosten informiert. Da<strong>bei</strong> können die Patienten<br />

zwischen einer „Tagesquittung“ und – gegen einen<br />

Euro plus Versandkosten – einer Quartalsquittung<br />

wählen (siehe Kasten § 305 SGB V).<br />

Genutzt wird diese Möglichkeit wohl nur von wenigen,<br />

Zahlen liegen allerdings weder dem GKV-Spitzenverband<br />

noch der KBV vor. Bei einem Modellversuch<br />

der früheren KV Rheinhessen 2002/2003 lag die<br />

Für die einen ist sie das Ende der solidarischen<br />

Krankenversicherung, für die<br />

anderen eine große Chance für mehr<br />

Transparenz, sachgerechte Behandlung<br />

der Patienten und ein gerechtes Arzt-<br />

Honorar: die Kostenerstattung in der<br />

Gesetzlichen Krankenversicherung.<br />

Auch in der Ärzte- und Psychotherapeutengenossenschaft<br />

DOXS eG wird das<br />

Thema kontrovers diskutiert.<br />

Inanspruchnahme immerhin <strong>bei</strong> durchschnittlich 15<br />

Prozent, nahm innerhalb von vier Quartalen allerdings<br />

von 21,9 auf 8,1 Prozent ab. Insbesondere <strong>bei</strong><br />

<strong>den</strong> zu Beginn deutlich engagierteren Fachärzten<br />

sackte die Beteiligung von zunächst 27,6 (Hausärzte<br />

16,4) auf 8,3 (Hausärzte 7,9) Prozent. „Die Hemmschwelle<br />

ist groß“, meint Christian Zimmermann,<br />

Präsi<strong>den</strong>t des Allgemeinen Patienten-Verbandes in<br />

Marburg. Funktionieren könne die Sache nur, „wenn<br />

der Arzt verpflichtet ist, dem Patienten eine Rechnung<br />

in die Hand zu geben“.<br />

Ebenfalls nach der ARD-Umfrage wollen fast Dreiviertel<br />

der Bürger am gegenwärtigen Gesundheitssystem<br />

festhalten. Ob sie damit auch das Sachleistungsprinzip<br />

gemeint haben, geht aus <strong>den</strong> Anfang Februar veröffentlichten<br />

Ergebnissen nicht hervor. Doch seit<br />

2004 können gesetzlich Versicherte sich auch für die<br />

Kostenerstattung entschei<strong>den</strong>, 2007 wur<strong>den</strong> die<br />

Wahlmöglichkeiten nachgebessert. Hierzu legte der<br />

GKV-Spitzenverband im März 2009 einen Bericht vor.<br />

Danach haben nur 0,19 Prozent der Versicherten die<br />

Kostenerstattung gewählt. Da<strong>bei</strong> liegt der Anteil <strong>bei</strong><br />

<strong>den</strong> Ersatz- (0,34) und Betriebskrankenkassen (0,30<br />

Prozent) deutlich höher, in der AOK-Familie ist er dagegen<br />

mit 0,02 Prozent um <strong>den</strong> Faktor zehn geringer<br />

als im GKV-Durchschnitt.<br />

Gegner der Kostenerstattung sehen sich durch diese<br />

Zahlen bestätigt, Befürworter dagegen verweisen auf<br />

die bisherigen gesetzlichen Bedingungen (siehe Kasten<br />

§ 13 SGB V): Abgerechnet wird mit dem einfachen<br />

Satz der GOÄ. Die Kasse erstattet <strong>den</strong> Patienten<br />

aber höchstens <strong>den</strong> Betrag, <strong>den</strong> die gleiche Behandlung<br />

als Sachleistung gekostet hätte, zudem kann sie<br />

noch Abschläge machen. In Wahltarifen dürfen die<br />

Kassen seit 2007 gegen zusätzliche Prämien die Eigenbeteiligung<br />

reduzieren, ebenso gibt es private<br />

Zusatzversicherungen. Im regulären Erstattungs-Tarif<br />

müssen die Ärzte über das Kostenrisiko aufklären.<br />

29


Transparenz<br />

So steht es im Gesetz<br />

SGB V, § 13 Kostenerstattung<br />

(1) [...]<br />

Wichtigstes Argument für die Kostenerstattung ist die<br />

Transparenz. Gemeint ist damit – ganz im Sinne Röslers<br />

– meist die Kostentransparenz. „Der Patient wird<br />

endlich befähigt, die Abrechnung <strong>bei</strong> Erhalt zu prüfen<br />

oder prüfen zu lassen, wie in anderen Lebensbereichen<br />

üblich“, heißt es etwa in einem Positionspapier<br />

der Freien Ärzteschaft zur Bundestagswahl 2009.<br />

Der Hartmannbund Nordrhein erwartet so ein verstärktes<br />

Kostenbewusstsein der Patienten. Ilka Enger,<br />

Vorsitzende des Bayerischen Fachärzteverbandes,<br />

wundert sich nicht, dass die Patientenquittung bislang<br />

nur selten angefordert wird. „Da der Patient seine<br />

Rechnung nicht selbst bezahlen muss, ist das Interesse<br />

an diesem Rechnungsausdruck nahe Null“,<br />

schreibt sie im Internet auf „fachartz.de“. Das könnte<br />

sich ändern, wenn der Patient die Rechnung selbst<br />

bezahlen muss.<br />

Kehrseite der Kostentransparenz ist für die Ärzte die<br />

Transparenz ihres Honorars. Allerdings hatte die KBV<br />

schon in einem ausführlichen „Argumentationspa-<br />

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung<br />

wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der<br />

Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor<br />

Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht<br />

von der Krankenkasse übernommen wer<strong>den</strong>, von dem Versicherten zu tragen<br />

sind. Der Versicherte hat die erfolgte Beratung gegenüber dem Leistungserbringer<br />

schriftlich zu bestätigen. Eine Einschränkung der Wahl auf <strong>den</strong> Bereich der<br />

ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, <strong>den</strong> stationären Bereich<br />

oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. […] Anspruch auf Erstattung besteht<br />

höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse <strong>bei</strong> Erbringung als<br />

Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung<br />

zu regeln. Sie hat da<strong>bei</strong> ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag<br />

für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorzusehen<br />

sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Die Versicherten sind an<br />

ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Jahr gebun<strong>den</strong>. [...]<br />

SGB V, § 305 Auskünfte an Versicherte<br />

(1) […]<br />

(2) Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen<strong>den</strong> Ärzte, Einrichtungen<br />

und medizinischen Versorgungszentren haben die Versicherten auf Verlangen<br />

schriftlich in verständlicher Form, direkt im Anschluss an die Behandlung<br />

oder mindestens quartalsweise spätestens vier Wochen nach Ablauf des Quartals,<br />

in dem die Leistungen in Anspruch genommen wor<strong>den</strong> sind, über die zu<br />

Lasten der Krankenkassen erbrachten Leistungen und deren vorläufige Kosten<br />

(Patientenquittung) zu unterrichten. […] Der Versicherte erstattet für eine quartalsweise<br />

schriftliche Unterrichtung nach Satz 1 eine Aufwandspauschale in<br />

Höhe von 1 Euro zuzüglich Versandkosten. Das Nähere regelt die Kassenärztliche<br />

Bundesvereinigung. [...]<br />

30<br />

pier“ im Juli 2006 darauf hingewiesen, dass mehr<br />

Transparenz für die Ärzte nicht die Kostenerstattung<br />

voraussetzt, sondern lediglich eine Abkehr vom budgetierten<br />

Punkte-System. Da<strong>bei</strong> ist die KBV von ihrer<br />

damaligen Forderung nach Pauschalierungen abgerückt.<br />

„Eine Einzelleistungsvergütung ist der sinnvollere<br />

Weg“, erklärte Sprecher Roland Stahl auf Anfrage.<br />

Für die Patienten wichtig wäre sicher auch die sprachliche<br />

Transparenz: Bislang seien die Patientenquittungen<br />

in diesem Punkt noch recht unzulänglich, diagnostiziert<br />

Enger. Die Kostenerstattung, so hier die<br />

Hoffnung der Befürworter, würde die Ärzte zwingen,<br />

ihre Rechnung und damit letztlich auch die Behandlung<br />

so zu erklären, dass die Patienten sie verstehen.<br />

Patienten-Verbands-Präsi<strong>den</strong>t Zimmermann ist freilich<br />

skeptisch. „Es wird für die Patienten oft zu schwierig<br />

sein, die Rechnung zu überprüfen“, meint er. Das<br />

sei auch bislang <strong>bei</strong> vielen Privatpatienten schon so.<br />

Und auch die KBV schrieb 2006: „Mancher Kranke<br />

wäre damit überfordert.“<br />

Bürokratie, Verwaltung, Arzt und Patient<br />

Äußerst umstritten sind die Auswirkungen, die es hätte,<br />

würde die Kostenerstattung von der Ausnahme<br />

zur Regel. Mengensteuerung und Verwaltung sind<br />

hier die Stichworte. Ganze Behör<strong>den</strong> wür<strong>den</strong> überflüssig,<br />

etwa die Prüfgremien und zumindest weite<br />

Teile der KVen. Die KV Rheinland-Pfalz, die seit Veröffentlichung<br />

ihrer Umfrageergebnisse am 25. Januar<br />

die Kostenerstattung unterstützt, nennt <strong>den</strong>n auch<br />

eher beschei<strong>den</strong>e Aufgabenfelder für die Zukunft:<br />

Abrechnungswesen, Qualitätssicherung und Schlichtungsstelle.<br />

Die Freie Ärzteschaft hofft auf ein Ende<br />

von „Bürokratie und Selbstbedienung in <strong>den</strong> ‚Selbstverwaltungen‘<br />

von Kassen und Kassenärztlichen Vereinigungen“<br />

und auch „die planwirtschaftliche Bedarfsplanung<br />

verliert so ihren Sinn“. Doch ob die<br />

Ärzte so wirklich ihrem Traum von Freiheit und Freiberuflichkeit<br />

näher kämen, bezweifelte 2006 die KBV:<br />

Foto: AOK


Die „Ordnungsfunktion“ des KV-Systems würde nicht<br />

entfallen, sie würde wohl an Behör<strong>den</strong> und Krankenkassen<br />

übergehen. „Letztlich würde das einer weiteren<br />

Verstaatlichung des Systems <strong>den</strong> Weg ebnen.“<br />

Auch Arzt und Patient bekämen ganz neue Aufgaben:<br />

Die einen müssten Einzelrechnungen schreiben, die<br />

anderen müssten sie genau überprüfen. Eventuell<br />

müssten <strong>bei</strong>de sogar <strong>den</strong> Preis aushandeln, ein Streit<br />

landete vor Gericht. Kosten und Risiken kämen auf<br />

die Ärzte auch durch das Inkasso zu. Die Gebühren<br />

ärztlicher Verrechnungsstellen bezifferte die KBV<br />

2006 auf sechs Prozent, das Inkassorisiko <strong>bei</strong> Privatversicherten<br />

auf stolze 28 Prozent.<br />

Mit Blick auf bereits bestehende Internet-Gebote für<br />

Zahnmedizin warnt die KBV in ihrem Argumentationspapier<br />

2006 gar vor einer „e-bay-isierung“ medizinischer<br />

Leistungen. „Bisher hat die Ärzteschaft diese<br />

Ökonomisierung des Arzt-Patienten-Verhältnisses immer<br />

abgelehnt.“ Auch die Verbraucherzentralen halten<br />

wenig von der Kostenerstattung: Ohne wesentliche<br />

Vorteile müssten die Patienten in Vorleistung<br />

treten „und einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand<br />

auf sich nehmen“, schreibt die Verbraucherzentrale<br />

Hamburg in einer 2007 herausgegebenen „Patientenberatung“.<br />

Mehrar<strong>bei</strong>t käme schließlich auch auf<br />

die Krankenkassen durch die Prüfung jeder einzelnen<br />

Rechnung zu. Die Kostenerstattung würde „durch erhöhten<br />

Verwaltungsaufwand die medizinische Versorgung<br />

nur verteuern“, erklärte der GKV-Spitzenverband<br />

auf Anfrage.<br />

Mengeneffekte<br />

Als Folge erhöhter Transparenz und direkter Kontrolle<br />

erwarten Befürworter der Kostenerstattung eine Verringerung<br />

von Doppelbehandlungen und Abrechnungsbetrug.<br />

Gewünschte Leistungen außerhalb des<br />

GKV-Katalogs könnten die Patienten einfach zuzahlen,<br />

argumentiert etwa Facharzt-Funktionärin Enger.<br />

Auch nach Überzeugung der Freien Ärzteschaft und<br />

des Hartmannbundes wür<strong>den</strong> weniger unnötige Behandlungen<br />

in Anspruch genommen. Dagegen<br />

warnte die KBV 2006, eine Kostenbeteiligung könnte<br />

Patienten vom Arztbesuch abhalten; sie wür<strong>den</strong> entweder<br />

auf stationäre Angebote ausweichen oder<br />

Krankheiten verschleppen – und so oder so die Kosten<br />

nach oben treiben.<br />

Sozialverträglichkeit<br />

„Die Gefahr, dass vor allem sozial Schwache ihren<br />

Arzt überhaupt nicht aufsuchen, ist im Sachleistungssystem<br />

deutlich geringer“, heißt es im Argumentationspapier<br />

der KBV von 2006. Enger kontert mit der<br />

Möglichkeit, Rechnungen ohne Vorleistung des Patienten<br />

innerhalb der Zahlungsfrist direkt an die Kran-<br />

kenkasse weiterzureichen. Und schon heute gebe es<br />

Patienten, die sich die Zuzahlungen nicht leisten<br />

könnten – ein Problem, das daher politisch zu lösen<br />

sei. Ergänzend argumentiert der Hartmannbund,<br />

eine Selbstbeteiligung mache niedrigere Kassen<strong>bei</strong>träge<br />

möglich. „Eigenverantwortung, Selbstbestimmung<br />

und Autonomie der Patienten“ wür<strong>den</strong> gestärkt.<br />

Foto: AOK<br />

Blick auf die Details<br />

Die Debatte mit guten Argumenten auf <strong>bei</strong><strong>den</strong> Seiten<br />

zeigt, wie wichtig ein Blick auf die Details ist. Nur<br />

ein geschlossenes Gesamtkonzept der Kostenerstattung<br />

lässt sich brauchbar mit dem bestehen<strong>den</strong><br />

Sachleistungssystem vergleichen. Der Konflikt zwischen<br />

Mengensteuerung und Sozialverträglichkeit<br />

macht dies exemplarisch besonders deutlich.<br />

Nach dem Erfahrungsbericht der KV Rheinhessen zur<br />

Patientenquittung „bewirkte die Kostenkenntnis der<br />

Patienten keine signifikante Veränderung des Nachfrageverhaltens“.<br />

So erwarten Befürworter der Kostenerstattung<br />

eine kostenbewusste und verringerte<br />

Nachfrage auch vorrangig durch „eine sozialverträgliche<br />

Selbstbeteiligung der Versicherten“, wie die Vorsitzende<br />

des Hartmannbundes Nordrhein, Angelika<br />

Haus, formuliert. Doch soziale Abfederungen durch<br />

Ausnahmen von einer prozentualen Kostenbeteiligung<br />

oder das schlichte Durchreichen der Rechnung<br />

an die Kasse wür<strong>den</strong> die gewünschten Steuerungseffekte<br />

zumindest teilweise aufheben. Gleiches gilt, wie<br />

die KBV 2006 feststellte, für private Zusatzversicherungen,<br />

zu <strong>den</strong>en unter anderem der Hartmannbund<br />

zumindest gegen „existenziell bedrohliche Kostenrisiken“<br />

rät.<br />

31


Ich hatte einen Traum!<br />

Es ist Montag, der 4.1.2<strong>01</strong>0. Nachdem ich auf meinem<br />

Konto überprüft habe, dass der monatliche Beitrag<br />

von € 42,- an meine Werkstattkasse überwiesen<br />

wor<strong>den</strong> ist, fahre ich zu meiner Autowerkstatt, zahle<br />

die Eigenbeteiligung von € 10,-, die alle drei Monate<br />

fällig ist, lasse meine Werkstattkassenkarte durchziehen<br />

und nehme <strong>den</strong> neuen Scheibenwischer mit,<br />

<strong>den</strong>n die Kosten trägt ja meine Werkstattkasse. Bei<br />

dieser Gelegenheit teilt mir mein Automechaniker<br />

mit, dass die jährliche Inspektion für mein Auto fällig<br />

ist, selbstverständlich auch „auf Kasse“, sodass ich<br />

gleich einen Termin vereinbare. Auf der<br />

Rückfahrt fängt mein Auto an zu stottern,<br />

plötzlich stirbt der Motor ab – ich<br />

habe doch glatt vergessen zu tanken.<br />

Kein Problem, ich rufe meinen Automechaniker<br />

an. Nach einer halben Stunde<br />

kommt er vor<strong>bei</strong> und schleppt mich zur<br />

nächsten Tankstelle, die Kosten übernimmt<br />

wieder meine Werkstattkasse.<br />

Gut, dass es sie gibt, sonst wäre dies<br />

Dr. med. Ingo Niemetz ist doch teuer gewor<strong>den</strong>.<br />

hausärztlicher Internist mit diabe- Unmöglich? – Keinesfalls, <strong>den</strong>n so artologischer<br />

Schwerpunktpraxis in <strong>bei</strong>ten wir Ärzte je<strong>den</strong> Tag. Eine Auto-<br />

einer Praxisgemeinschaft in Kassel. werkstatt, die sich auf diese Bedingun-<br />

Er ist Aufsichtsrat der DOXS eG gen einlässt, findet sich indes nicht –<br />

und engagiert sich im Vorstand offensichtlich aus gutem Grund. Aber<br />

des Gesundheitsnetzes Nordhessen warum ar<strong>bei</strong>ten wir immer noch nach<br />

e. V. (GNN) und des Hartmann- dem Sachleistungsprinzip, obwohl uns<br />

bundes Landesverband Hessen. unsere Kollegen in Europa zeigen, wie<br />

es besser geht?<br />

32<br />

KOMMENTAR<br />

Pro Kostenerstattung:<br />

„Der einzige Weg aus der Misere ist die<br />

Direktabrechnung mit dem Patienten“<br />

Von Dr. Ingo Niemetz<br />

Transparenz<br />

Der einzige Weg aus der Misere ist die Direktabrechnung<br />

mit dem Patienten und bis dahin als Übergangslösung<br />

die Kostenerstattung, <strong>den</strong>n: Nur mit einer<br />

echten Rechnung erfährt der Patient, wie teuer<br />

seine Behandlung war (und wie wenig Geld im Vergleich<br />

zur Bürokratie in die Patientenbehandlung<br />

fließt). Außerdem kann er am besten überprüfen, ob<br />

Leistungen abgerechnet wur<strong>den</strong>, ohne erbracht wor<strong>den</strong><br />

zu sein. Die bisherige Variante einer Rechnung<br />

nach EBM ist eine Luftnummer zur Desinformation<br />

der Patienten, <strong>den</strong>n welcher Anteil der in Rechnung<br />

gestellten Leistungen wird <strong>den</strong>n erstattet?<br />

Eigenverantwortung<br />

Überall wird der mündige Bürger propagiert, nur <strong>bei</strong><br />

der Krankenversicherung ist er der Willkür der Kassen<br />

ausgesetzt. Wir sind doch Ärzte und schul<strong>den</strong> dem<br />

Patienten eine Behandlung nach aktuellem Stand der<br />

Medizin, dürfen aber aufgrund des Sachleistungssystems<br />

nur „WANZ“-Medizin durchführen: „wirtschaftlich,<br />

ausreichend, notwendig, zweckmäßig“. Im Rahmen<br />

der Kostenerstattung ergibt sich ein echter<br />

Wettbewerb unter <strong>den</strong> Kassen, <strong>den</strong>n der Patient kann<br />

sich ja jetzt sein gewünschtes Leistungspaket zusammenstellen<br />

und nach Wegfall jeglicher Umverteilungsmaßnahmen<br />

(Morbi-RSA) erfährt er jetzt auch,<br />

welche Kasse das Geld der Versicherten optimal<br />

nutzt.<br />

Steuerungsfunktion<br />

Durch Kenntnis der Behandlungskosten und Einführung<br />

einer prozentualen Selbstbeteiligung statt einer<br />

pauschalen Kassengebühr von € 10,- wird es zum gewünschten<br />

Rückgang der Kontaktfrequenz kommen,<br />

weil nicht mehr wegen jeder Bagatellerkrankung ein<br />

Arzt aufgesucht wird. Dann bliebe endlich auch genügend<br />

Zeit für die chronisch kranken Patienten.<br />

Morbiditätsrisiko<br />

Das Morbiditätsrisiko geht durch die Kostenerstattung<br />

endlich auf die Kassen über. Da keine Umverteilung<br />

zwischen <strong>den</strong> Kassen mehr erfolgt, entfällt auch<br />

der Wettbewerb um „gesunde Kranke“, dies spart<br />

Hunderte Millionen Werbungskosten!<br />

Foto: AOK


Angleichung an Europa<br />

Früher oder später wird im Rahmen der Harmonisierung<br />

ohnehin auch in Deutschland das Sachleistungssystem<br />

abgeschafft wer<strong>den</strong> müssen. Was hält uns<br />

also von einer radikalen Veränderung ab?<br />

Finanzielle Belastung des Patienten? Nein!<br />

Der Patient erhält ein Zahlungsziel oder kann <strong>bei</strong> Bedarf<br />

eine Abtretung unterzeichnen. Außerdem, wie<br />

hoch ist der Rechnungsbetrag nach GOÄ? Eine 1 und<br />

eine 5 = € 20,- Euro sind unzumutbar?<br />

Finanzielle Belastung<br />

der Versichertengemeinschaft? Nein!<br />

Im europäischen Ausland ist trotz Kostenerstattung<br />

der Anteil der Gesundheitskosten am Bruttoinlandsprodukt<br />

geringer als in Deutschland – und das <strong>bei</strong><br />

besserem Gesundheitsstatus.<br />

Kostenerstattung ist unsozial? Nein!<br />

Sinn der Gesundheitsversorgung ist es, dass niemand<br />

durch eine schwere gesundheitliche Störung verarmt.<br />

Unsozial ist die augenblickliche Situation, in der durch<br />

„WANZ“-Medizin alle gesetzlichen Patienten unterversorgt<br />

sind und aufgrund der Rationierung nicht<br />

KOMMENTAR<br />

Das Thema Kostenerstattung muss aus zwei Blickwinkeln<br />

betrachtet wer<strong>den</strong>: Dem des Arztes und<br />

dem der Patienten. Meine Überzeugung: Durch das<br />

System der Kostenerstattung wird der Arzt keinen<br />

Gewinn erzielen können – und für Patienten aus ärmeren<br />

Bevölkerungsschichten wird der Zugang zum<br />

Gesundheitswesen erschwert.<br />

Von Ärzten kommt immer wieder der Vorwurf, dass<br />

das KV-System intransparent sei. Doch immerhin: Im<br />

jetzigen System wird das Honorar sehr zuverlässig<br />

vier Monate nach Abgabe der Abrechnung gezahlt.<br />

Wenn auch um etwa 30 % gekürzt, <strong>den</strong>n obwohl es<br />

eine Euro-Gebührenordnung gibt, wird <strong>bei</strong> der Berechnung<br />

an diversen Stellschrauben – wie Rückstellung,<br />

Regelleistungsvolumen etc. – gedreht. Die Verwaltungskosten<br />

sind mit drei Prozent im Vergleich<br />

zum Aufwand der privatärztlichen Verrechnungsstellen<br />

niedrig. Und das KV-System kennt keine säumigen<br />

Zahler.<br />

Contra Kostenerstattung<br />

mehr jeder Kranke alle medizinisch benötigten Leistungen<br />

erhält.<br />

Kostenerstattung birgt ein<br />

hohes Inkassorisiko? Nein!<br />

Die Berechnung unserer aktuellen Gebührenordnung<br />

beruht auf einem Punktwert von 5,11 Cent<br />

<strong>bei</strong> Annahme eines Oberarztgehaltes (sind wir in<br />

unseren Praxen etwa nicht Chef?), wo<strong>bei</strong> hier sicherlich<br />

zehn Jahre Inflationsausgleich noch nicht<br />

berücksichtigt wur<strong>den</strong>. Aktuell liegt der Punktwert<br />

<strong>bei</strong> 3,5 Cent, also <strong>bei</strong> etwa der Hälfte des betriebswirtschaftlich<br />

notwendigen Honorars. Mit vernünftiger<br />

Buchführung und konsequentem Mahnwesen<br />

sollte der Honorarausfall <strong>bei</strong> Kostenerstattung sicherlich<br />

unter 50 % liegen.<br />

Letztlich ist die Kostenerstattung auch ein Beispiel für<br />

ärztliches Selbstverständnis und Selbstbewusstsein.<br />

Die einzige Möglichkeit einer gerechten Honorierung<br />

besteht in der korrekten Bezahlung jeder einzelnen<br />

erbrachten Leistung, so wie es auch in jedem anderen<br />

Beruf der Fall ist.<br />

Ich habe einen Traum!<br />

– Also worauf warten wir noch?<br />

„Kostenerstattung erschwert ärmeren<br />

Patienten <strong>den</strong> Zugang zum Gesundheitswesen“<br />

Von Dr. Klaus Günther Meyer<br />

Viele Kolleginnen und Kollegen<br />

erhoffen sich durch die Kostenerstattung<br />

eine transparente<br />

und überprüfbare, gerechtere<br />

und letztlich sicherere Leistungsvergütung.<br />

Doch wer die Gebührenordnung<br />

kennt und als<br />

Privatpatient Rechnungen erhält,<br />

hat sich bisweilen verwundert<br />

die Augen gerieben über<br />

das Maß an Ausdehnung der<br />

ärztlichen Leistung. Die Kostenerstattung<br />

scheint also dem zu<br />

nützen, der eine Leistungsausweitung<br />

betreiben möchte.<br />

Diejenigen, die Kostenerstattung<br />

fordern, erwarten eine Umstellung<br />

des jetzigen Sachleistungsprinzips<br />

in das GOÄ-System der<br />

Dr. Klaus Günther Meyer ist<br />

niedergelassener Allgemeinmedi-<br />

ziner und Sportmediziner in Kassel.<br />

Der Aufsichtsrat der DOXS eG<br />

hat die Genossenschaft mit gegründet<br />

und ist auch im Vorstand<br />

des Gesundheitsnetz Nordhessen<br />

e. V. (GNN).<br />

33


Foto: AOK<br />

34<br />

privatärztlichen Abrechnung mit Einzelleistungsvergütung.<br />

Die Frage ist aber: Wie wer<strong>den</strong> die GOÄ und<br />

die Vergütung dann aussehen? Seit Jahren wird eine<br />

neue GOÄ verhandelt, die statt Einzelleistungsvergütung<br />

eine pauschalierte Systamatik vorsieht, ähnlich<br />

<strong>den</strong> DRGs der Krankenhäuser.<br />

Die Abschläge, die Apotheken und Heilmittelerbringer<br />

für gesetzlich Versicherte zahlen müssen, zeigen,<br />

dass eine Umstellung auf Kostenerstattung nicht<br />

ohne Weiteres zu einem ungedeckelten GOÄ-System<br />

führen wird, insbesondere solange die Politik<br />

<strong>den</strong> Niedergelassenen nur eine fixe Summe der Gesundheitsausgaben<br />

zur Verfügung stellt. Im Übrigen:<br />

Was ist mit <strong>den</strong> Außenstän<strong>den</strong> säumiger Zahler<br />

(in der Schweiz sind das 30 %!). Mit anderen Worten:<br />

Das neue System würde nicht mehr Jahresumsatz<br />

bedeuten.<br />

Ein Grundprinzip, das sich seit der Einführung der<br />

Krankenkassen durch die Sozialgesetzgebung von<br />

Reichskanzler Bismarck entwickelte, war einerseits die<br />

Einbindung möglichst aller Bürger in die Versicherung<br />

mit andererseits ungehindertem Zugang zu <strong>den</strong><br />

Leistungen. Dieses Kriterium hat die WHO aufgenommen,<br />

indem sie sich für <strong>den</strong> barrierefreien Zugang<br />

zur ärztlichen Versorgung ausspricht. Dieses<br />

Grundprinzip wurde erst in <strong>den</strong> letzten 20 Jahren<br />

durch Einführung von Zuzahlungen und Praxisgebühr<br />

ausgehebelt. Die Einführung der Praxisgebühr<br />

hat dazu geführt, dass Menschen, die sich die Gebühr<br />

nicht mehr leisten konnten, dem Gesundheitswesen<br />

fernblieben. Ich kann eine Handvoll Personen<br />

aufzählen, die sich genau mit diesen Worten mir gegenüber<br />

von der medizinischen Versorgung zurückzogen<br />

und „sozialverträglich“ in <strong>den</strong> nächsten Jahren<br />

verstarben. Genauso wie die Selbstbeteiligungen und<br />

„Eintrittsgebühren“ würde die Kostenerstattung die<br />

Teilhabe armer Bevölkerungsschichten am Gesundheitswesen<br />

verhindern – mit der Gefahr, dass die Kosten<br />

noch steigen, wenn Komplikationen auftreten,<br />

die <strong>bei</strong> einem früheren Arztbesuch zu vermei<strong>den</strong> gewesen<br />

wären. Gesundheit und deren Abwesenheit –<br />

sprich Krankheit – ist nicht vergleichbar mit materiellen<br />

Werten. Ein Mensch mit körperlicher Not oder<br />

psychischer Bedrängnis muss sich ohne Ansehen des<br />

Geldbeutels an <strong>den</strong> Arzt seines Vertrauens wen<strong>den</strong><br />

können.<br />

Dem Patienten ist es nicht möglich, die Plausibiliät<br />

medizinischer Leistungen zu überprüfen. Er wird immer<br />

dem Ratschlag des Arztes für weitere Maßnahmen<br />

zur Absicherung der Diagnose folgen. Damit ist<br />

die Tür geöffnet für unnötige medizinische Untersuchungen<br />

aus pekuniären Motiven. Der Lösungsansatz:<br />

Wie bereits in vielen Ländern Europas umgesetzt<br />

und wie von der WHO empfohlen, sollte der Zugang<br />

zur primärärztlichen Versorgung ohne Barriere möglich<br />

sein. Die ersten Schritte zu einer solchen Versorgung<br />

hat der Gesetzgeber durch die § 73 b und c des<br />

SGB V geebnet.<br />

Nicht jeder Schnupfen muss zum HNO-Arzt, nicht<br />

jeder banale Rückenschmerz geröntgt wer<strong>den</strong>. Der<br />

Zugang zur fachärztlichen Ebene sollte nach medizinischen<br />

Kriterien erfolgen. Schnittstellen hierzu müssen<br />

definiert wer<strong>den</strong> – unter anderem dies ist Aufgabe<br />

der DOXS eG in <strong>den</strong> kommen<strong>den</strong> Jahren.<br />

Die zukünftige gesundheitspolitische Landschaft wird<br />

sich ändern. Die Hoffnung, dass es ein Zurück zur<br />

Einzelleistungsvergütung und damit zur Kostenerstattung<br />

geben wird, ist in Wahrheit ein Rückblick in<br />

die Vergangenheit.<br />

Foto: AOK


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od. b. Bedienen v. Maschinen mögl., da während<br />

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