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Erinnerungen an Lauterbach, Kreis Reichenbach unter der Eule ...

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taten sich die <strong>Lauterbach</strong>er schwer, konnten sich aber dem Sturm <strong>der</strong> Zeit nicht entziehen. Erster<br />

Bürgermeister war <strong>der</strong> Brosig-Josef. Nach seinem frühen Tode löste ihn <strong>der</strong> Weis-August ab. Sein<br />

Nachfolger war d<strong>an</strong>n <strong>der</strong> Frenzel-Karl, <strong>der</strong> auch den Treck in die Grafschaft leitete. Schwer<br />

durchschaubar war die Amtsführung zu Beginn <strong>der</strong> polnischen Verwaltung. Hier hatte plötzlich eine<br />

Frau Schmidt, geflüchtet von den Bomben<strong>an</strong>griffen auf Berlin, <strong>an</strong>geblich eine Kommunistin , das<br />

große Sagen. Ihr st<strong>an</strong>den natürlich auch deutsche Assistenten zur Seite, die sich von den neuen<br />

Machtverhältnissen persönlicher Vorteile erhofften. Aber <strong>der</strong> Stern Schmidt, als erste Bürgermeisterin<br />

in <strong>Lauterbach</strong> während <strong>der</strong> polnischen Verwaltungszeit ist genau so schnell erloschen und hat keine<br />

positive Ausstrahlung hinterlassen. Aber die noch größere Katastrophe in <strong>der</strong> Geschichte<br />

<strong>Lauterbach</strong>s beg<strong>an</strong>n mit <strong>der</strong> radikalen und totalen Vertreibung <strong>der</strong> deutschen Bevölkerung. Die<br />

Entwicklung und <strong>der</strong> Fortschritt einer blühenden Kulturl<strong>an</strong>dschaft beg<strong>an</strong>n eine Talfahrt, von nie<br />

erahnten Ausmaßen.<br />

Mein Vater war zu dieser Zeit Ortsbauernführer. Selbst ausländische Gef<strong>an</strong>gene haben ihm nach<br />

dem Zusammenbruch geholfen, so dass er von den brutalen Schicksalen <strong>an</strong><strong>der</strong>er Amtsbrü<strong>der</strong><br />

verschont geblieben ist. Das war aber in <strong>der</strong> rechtlosen Zeit zu Beginn <strong>der</strong> polnischen Besetzung und<br />

den Raubüberfällen <strong>der</strong> russischen Soldateska ein Spiel wie russisches Roulette. Viele<br />

unbescholtenen Bürger unser schlesischen Heimat mussten zum Teil auf brutalste Weise ihr Leben<br />

lassen. Zusätzlich war unser Vater noch <strong>der</strong> Schiedsm<strong>an</strong>n des Dorfes. Es muss kein leichtes Amt<br />

gewesen sein, die Lautstärke <strong>der</strong> Diskussionen und wir konnten m<strong>an</strong>chmal – ob wir wollten o<strong>der</strong><br />

nicht – das Theater neben<strong>an</strong> in <strong>der</strong> Wohnstube mit verfolgen. Beliebt wurde m<strong>an</strong> durch dieses Amt<br />

nicht. Der Erfolg einer Schlichtung bedeutet ja immer, dass beide Parteien etwas von ihren<br />

For<strong>der</strong>ungen abgeben. Dafür war d<strong>an</strong>n oft <strong>der</strong> Schiedsm<strong>an</strong>n – und bei g<strong>an</strong>z hartnäckigen,<br />

uneinsichtigen Streitern – auch die g<strong>an</strong>ze Familie <strong>der</strong> Prügelknabe.<br />

Mit den vorgen<strong>an</strong>nten H<strong>an</strong>dwerkern ist das Angebot in <strong>Lauterbach</strong> natürlich noch l<strong>an</strong>ge nicht<br />

erschöpft. Das Schuhwerk wird auf den Fel<strong>der</strong>n beson<strong>der</strong>en Belastungsproben ausgesetzt. Mit den<br />

dabei entst<strong>an</strong>denen Schäden hatte sich <strong>der</strong> Bauma-Schuster herumzuärgern. Aber er hat es immer<br />

wie<strong>der</strong> geschafft, seine Kunden zufrieden zu stellen. Damals lohnte es sich noch, Schuhe zum<br />

Schuster zu bringen. Dagegen leben die Menschen heute im Überfluss, nicht nur bei Schuhen.<br />

Soweit die Gar<strong>der</strong>obe nicht in den Geschäften von Breslau o<strong>der</strong> <strong>Reichenbach</strong> von <strong>der</strong> St<strong>an</strong>ge<br />

gekauft wurde, konnte m<strong>an</strong> sich vom Schirmag- , o<strong>der</strong> Schubert-Schnei<strong>der</strong> nach Maß etwas<br />

<strong>an</strong>fertigen lassen. Natürlich konnte m<strong>an</strong> sich die Kleidung auch nach einer erfolgreichen Fastendiät<br />

wie<strong>der</strong> enger machen lassen. Aber meistens verl<strong>an</strong>gten die Proportionen <strong>der</strong> L<strong>an</strong>dbevölkerung nach<br />

<strong>der</strong> arbeitsärmeren Winterzeit eher eine Erweiterung. Dabei st<strong>an</strong>den die Schnei<strong>der</strong>meister doch vor<br />

einem beson<strong>der</strong>en Problem, denn <strong>der</strong> passende Stoff war oft nicht verfügbar weil schon die letzten<br />

Reversen im Vorjahr genutzt worden waren. Überhaupt hatten die Hausfrauen damals mehrere<br />

Berufe. Denn sie leisteten durch ihre H<strong>an</strong>darbeit nicht nur einen Beitrag in Form von schönen<br />

Tischdecken, Bettzeug, Gardinen usw., son<strong>der</strong>n Socken, Strümpfe, H<strong>an</strong>dschuhe, Pullover, Röcke<br />

u.u.u. wurden <strong>an</strong> l<strong>an</strong>gen Winterabenden mit <strong>der</strong> Begleitmusik <strong>der</strong> klimpernden Stricknadeln<br />

hergestellt.<br />

Die Bautätigkeit in <strong>der</strong> damaligen Zeit war nicht so ras<strong>an</strong>t wie in den Aufbauphasen nach den<br />

Zerstörungen des zweiten Weltkrieges. Aber unsere <strong>Lauterbach</strong>er Baumeister o<strong>der</strong> Maurer wie <strong>der</strong><br />

Wittner-Heinrich, <strong>der</strong> Gutbier-Adolf, <strong>der</strong> B<strong>an</strong>witz-August, <strong>der</strong> Mücke-Paul, <strong>der</strong> L<strong>an</strong>ger-Paul, <strong>der</strong><br />

Wessel-Josef, <strong>der</strong> Obst-August, Ritter-Knauer, <strong>der</strong> Schwer-Josef, Ritter-Bernhard, Wittner-Paul,<br />

Wolf-Paul, Wolf-Josef, Ritter-Paul und Schwer sind doch ein Zeichen, dass es <strong>an</strong> Aufträgen für so<br />

viele Fachleute in <strong>der</strong> näheren Umgebung nicht m<strong>an</strong>gelte. Viele <strong>der</strong> aufgezählten Fachleute<br />

betrieben nebenbei aber auch noch eine L<strong>an</strong>dwirtschaft. Mit zu den Bauh<strong>an</strong>dwerkern zählt <strong>der</strong><br />

Gutbier-Josef als Malermeister des Dorfes. Und nicht vergessen werden darf <strong>der</strong> Baum-Josef, <strong>der</strong><br />

bei Zimmerm<strong>an</strong>narbeiten sein Können <strong>unter</strong> Beweis stellte.<br />

Ein großer Arbeitgeber in <strong>Lauterbach</strong> war das Dominium, das Gut von Graf v. Seidlitz. Es wurde –<br />

wie das Gut in Groß-Elguth – von Inspektor Richard Hain verwaltet. Im st<strong>an</strong>d eine große Helferschar<br />

zur Seite, <strong>an</strong>geführt von Oberschweizer Benschnei<strong>der</strong>. Mit auf dem Dominium tätig waren als<br />

Stellmacher Herr Heimlich, als Schäfer Hirch-Hein, die Familien Benende-Wittner, Herzog-Josef,<br />

Schwede, Schunke. Die weiteren Mitarbeiter wohnten in den Häusern um das Dominium, ein großer<br />

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