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Alltag 09 Nähe von Schmerikon fuhr das Kursschiff „Helvetia“ vorbei und noch vieles mehr wurde von den Bewohnerinnen entdeckt. Einige wussten viel zu erzählen, andere sassen einfach ruhig da und genossen die Fahrt. Nach ca. 1 ½ Stunden erreichten wir das Strandhotel, wo wir einen feinen Zvieri geniessen durften. RaJo Vital 03|12 Jetzt fing es an zu regnen, aber wir waren ja im Restaurant unter Dach. Nach dem Zvieri ging es wieder auf die Kutsche und die Heimfahrt begann. Zurück in der Pflegewohnung waren sich alle einig, einen schönen Tag erlebt zu haben. JEANNETTE hUBLARd, pfLEGEWOhNUNG pORThOf
die Arbeit zusammen mit Menschen mit einer Behinderung hat mir sehr gut gefallen, es waren meine schönsten Jahre. Trudy hofstetter (93) wohnt in Jona und wird von der Spitex betreut. Sie erzählt uns etwas aus ihrem Leben. „Ich bin 1919 geboren und wuchs als Einzelkind in Glarus auf. Von meinen Eltern wurde ich ziemlich verwöhnt. Die haben mich sogar schon in der 3. Klasse in einen Tanzkurs geschickt, wo alles Sekundarschüler waren. Da haben die Buben gesagt: „Mit so einem kleinen Goof tanzen wir doch nicht.“ Ich ging dann erst wieder hin, als ich älter war. Nach der Schule ging ich für 1 ½ Jahre nach Grenoble zu einer jüdischen Familie. Dort gefiel es mir gut und die Familie war sehr nett. Ich musste ein herziges dreijähriges Büblein hüten und durfte auch zur Schule gehen. Leider hörte ich später von diesen Leuten nichts mehr, wahrscheinlich wegen des Krieges. Meine Eltern starben früh, schon während meiner Schulzeit. Nach meinem Aufenthalt in Frankreich ging ich zu meiner Gotte, die in Rapperswil wohnte und eine Bäckerei hatte. Ich war ja ganz allein, ohne Eltern und hatte keine Geschwister. Sie verschaffte mir eine Lehrstelle als Zahnarztassistentin bei einem Zahnarzt. Mit seiner Familie habe ich noch heute Kontakt. Während dieser Zeit lernte ich auch meinen Mann kennen, er war Lehrer. Wir haben 1944 geheiratet und bekamen drei Söhne. Mein Mann hatte auch eine Ausbildung als Heilpädagoge und gründete die heilpädagogische Schule in Rapperswil, um 12 Kinder mit einer geistigen Behinderung zu unterrichten. Dann ging es immer weiter, diese Kinder wurden grösser, man benötigte Werkstätten zum Arbeiten und Wohnraum, wo sie leben konnten. So wurde von der Stiftung Land in Jona gekauft und das Wohnheim der Stiftung Balm gebaut. Ich machte eine Ausbildung als Werklehrerin und leitete 20 Jahre die Textilwerkstatt. Die Arbeit zusammen mit Menschen mit einer Behinderung hat mir sehr gut gefallen. Sie sind grundehrlich und dankbar für jedes liebe Wort, es sind ganz liebe Menschen, sehr spontan und sagen gerade heraus, was sie denken. Einmal musste ein Schal gestrickt werden. Ich prüfte den Schal und zog ein wenig an ihm herum, da sagte das Mädchen zu mir: „Hör emol uf Hofstetteri, spinnsch eigendli?“. Das nahm ich ihr aber nicht übel, das war ganz spontan. Solche lustigen Erlebnisse gab es viele. Wir besassen sechs Webstühle und stellten Stoffe her. Die wurden zu einfachen Kleidern und Handtüchern verarbeitet. Das macht man heute nicht mehr, das wäre viel zu teuer. Aber früher wurden diese selbstgemachten Sachen zu Weihnachten und an den Bazars verkauft. Ein Tüchlein kostete damals schon zehn Franken, aber die Leute kauften es. Es war ja für einen guten Zweck und die Qualität der Tücher ist gut, die gehen nicht kaputt. Ja, das war mein Leben. Jetzt geniesse ich den Ruhestand, aber es ist nicht mehr das gleiche Leben. Aber es ist schon so - die 20 Jahre, in denen ich mit Menschen mit einer Behinderung zusammen gearbeitet habe, waren meine schönste Zeit. Ich denke gerne daran zurück. Heute, mit 93 Jahren stelle ich mir oft die Frage: „Gibt es im Alter noch einen Sinn im Leben?“ Ich habe viele Bekannte und werde auch viel eingeladen. Das ist schön, aber ich kann nichts mehr tun für jemanden. Ich nehme jeden Tag, wie er ist und freue mich über jede Abwechslung. Ich habe mein Leben gelebt, ich wäre jetzt bereit zu gehen. Und das ist gut so.“ AUfGEZEIchNET VON JEANNETTE hUBLARd, pfLEGEWOhNUNG pORThOf RaJo Vital 03|12 Alltag 10
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