Mach et – Ausgabe 210.indd - Grüne Köln
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Kinder und Familie<br />
Wir machen Politik auf Kinderaugenhöhe<br />
Von Andrea Asch<br />
Im Jahr 2006 proklamierte Jürgen Rüttgers<br />
„Das Jahr des Kindes“. Auch dieses<br />
Jahr feierte er sich und seine Regierung<br />
mit einer vor kurzem initiierten Propagandaveranstaltung<br />
unter dem Motto<br />
„Rückenwind für jedes Kind“. Doch<br />
nüchtern b<strong>et</strong>racht<strong>et</strong> kann von Rückenwind<br />
keine Rede sein, eher von Gegenwind,<br />
denn die Realität in NRW sieht<br />
anders aus, als es die Regierung so gerne<br />
propagiert.<br />
Gerade in unserem Bundesland wächst<br />
die Zahl in Armut lebender Kinder beständig,<br />
in den l<strong>et</strong>zten drei Jahren hat<br />
sie sogar um 14 Prozent zugenommen<br />
und liegt damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt.<br />
Zurzeit ist ein Viertel<br />
der Kinder in NRW arm, b<strong>et</strong>roffen sind<br />
vor allem Kinder erwerbsloser oder alleinerziehender<br />
Eltern und solche mit<br />
Migrationshintergrund. Armut bedeut<strong>et</strong><br />
hierbei nicht nur Einkommensarmut.<br />
Ein Drittel der Kinder aus armen<br />
Familien hat massive gesundheitliche<br />
Probleme, viele zeigen erhebliche Bildungsdefi<br />
zite und größere Probleme<br />
mit psychosozialen Belastungen. Langzeitstudien<br />
zeigen, dass ein großer Teil<br />
der 3- bis 6-jährigen in Armut lebenden<br />
Kinder Mängel bei Wohnung, Nahrung<br />
und Kleidung haben. Die Umstellung<br />
von Sozialhilfe auf Hartz IV hat die Situation<br />
für Kinder noch verschlechtert.<br />
Besonders problematisch sind hierbei<br />
die Anrechnung des Kindergeldes auf<br />
die Hartz-IV-Regelsätze und der Wegfall<br />
von Einzelleistungen wie Schulbedarf<br />
oder Krankheitskosten. Auch die<br />
Umstellung des Erziehungsgeldes auf<br />
das neue Elterngeld Anfang 2007 bedeut<strong>et</strong>e<br />
eine Verschlechterung der Situation<br />
einkommensschwacher Familien.<br />
Der Bezug des Mindestsatzes von 300<br />
Euro wurde von zwei Jahren auf ein<br />
Jahr halbiert.<br />
Unsere Zukunft lebt in Armut<br />
Gerade in <strong>Köln</strong> gibt es besonderen<br />
Handlungsbedarf. Hier ist die Zahl der<br />
unter 15- jährigen Sozialgeldempfänger<br />
im l<strong>et</strong>zten Jahr um 5,3 Prozent gestiegen.<br />
Im bundesweiten Vergleich gehört<br />
<strong>Köln</strong> damit zum untersten Viertel. Be-<br />
4<br />
Andrea Asch ist grüne Landtagsabgeordn<strong>et</strong>e<br />
und unter anderem Sprecherin für<br />
Kinder-, Jugend-, Familien- und Seniorenpolitik.<br />
sonders Stadtteile wie Chorweiler mit<br />
hohen Jugend- und Migrationsquoten<br />
müssen verstärkt gefördert werden.<br />
Der Handlungsbedarf ist also offensichtlich:<br />
Eine nachhaltige Politik muss<br />
arme Familien fi nanziell entlasten. Das<br />
muss durch eine Anpassung der Hartz-<br />
IV-Regelsätze und durch eine Nichtanrechung<br />
des Kindergeldes geschehen.<br />
Der Abbau von Bildungsbarrieren und<br />
die gezielte und individuelle Förderung<br />
von Kindern mit Armutsrisiko ist zentrale<br />
Aufgabe. Wichtig ist es, Personal in<br />
Kindergärten und Schulen für das Problem<br />
der Kinderarmut zu schulen und<br />
zu sensibilisieren. Denn Kinderarmut<br />
ist sichtbar, wenn Kinder hungrig oder<br />
ungewaschen zur Schule oder in den<br />
Kindergarten kommen, wenn ihnen im<br />
Winter die warme Kleidung fehlt oder<br />
wenn selbst kleine Geldb<strong>et</strong>räge nicht<br />
gezahlt werden können. Die Kooperation<br />
mit Jugend- und Sozialämtern muss<br />
intensiviert werden, um Beratungsangebote<br />
unbürokratisch und schnell zu<br />
schaffen und umzus<strong>et</strong>zen. Gerade die<br />
Kindertageseinrichtungen sind hier erste<br />
Ansprechpartner. Diese müssen als<br />
Teil eines sozialen N<strong>et</strong>zwerks verstanden<br />
werden. Gerade Alleinerziehenden<br />
helfen Kindergärten, Berufstätigkeit<br />
und Kinder miteinander zu vereinbaren.<br />
Auch die effektive Unterstützung<br />
der Eltern bei der Erziehung ist eine<br />
wichtige Aufgabe.<br />
Auf den Anfang kommt es an<br />
Die Armut der Eltern trifft Kinder besonders.<br />
Kostenlose Ganztageskindergärten<br />
können ihnen durch ein warmes<br />
Mittagessen und durch qualifi zierte<br />
pädagogische B<strong>et</strong>reuung helfen. Mit<br />
Sprachförderung und Anreizen zur<br />
Entwicklung der geistigen, körperlichen,<br />
kreativen und musischen Begabung<br />
wird Chancengleichheit von<br />
Anfang an gewährleist<strong>et</strong>. All dies sind<br />
grundlegende Vorauss<strong>et</strong>zungen für einen<br />
künftigen Bildungserfolg und damit<br />
für bessere Zukunftschancen.<br />
Es ist deshalb wichtig, dass die Qualität<br />
der Kinderb<strong>et</strong>reuung nicht von der<br />
jeweiligen Kassenlage der Kommune<br />
oder dem Portemonnaie der Eltern<br />
abhängt. <strong>Grüne</strong> Politik stellt hier die<br />
Weichen und fordert einen Rechtsanspruch<br />
auf einen Kindergartenplatz ab<br />
einem Jahr. Der Rechtsanspruch muss<br />
bereits j<strong>et</strong>zt im Landesges<strong>et</strong>z verankert<br />
werden, die Initiative des Bundes, die<br />
dies erst ab 2013 vorsieht, kommt viel<br />
zu spät. Auch der verstärkte Ausbau<br />
der B<strong>et</strong>reuung für unter 3-Jährige ist<br />
aus grüner Sicht unbedingt notwendig,<br />
denn eine institutionelle frühkindliche<br />
Förderung ist ein Schlüssel für zukünftigen<br />
Bildungserfolg und Chancengleichheit.<br />
Zudem bedeut<strong>et</strong> eine<br />
verbesserte B<strong>et</strong>reuung auch, dass die<br />
Rückkehr von Müttern und Vätern in<br />
den Beruf erleichtert wird.<br />
Vor diesem Hintergrund sieht die Bilanz<br />
schwarz-gelber Regierungspolitik<br />
in NRW düster aus. Die Einsparungen<br />
im Familienhaushalt 2006 bedrohten<br />
Jugendzentren, Kindergärten und Beratungseinrichtungen.<br />
Für <strong>Köln</strong> bedeut<strong>et</strong>e<br />
diese Politik im l<strong>et</strong>zten Jahr eine Kürzung<br />
von 10 Millionen Euro im Bereich<br />
der Kinderb<strong>et</strong>reuung. Angesichts der<br />
Nr. 210 • September 2007