Mach et – Ausgabe 210.indd - Grüne Köln
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Kinder und Familie<br />
Familie, wir leben das!<br />
Bei den GRÜNEN heißt das, nicht auf<br />
eine Weise <strong>–</strong> dem bürgerlichen Ideal<br />
entsprechend Vater, Mutter, zwei Kinder<br />
<strong>–</strong>, sondern bunt. Das ist unsere<br />
Welt. In den folgenden drei Artikeln<br />
wird erzählt, wie bunt die Realität<br />
mittlerweile ist, und wie lebendig<br />
Familie quer zu ihren Rollenvorstellungen<br />
heute sein kann. Die Redaktion<br />
wählte drei AutorInnen aus der grünen<br />
Mitgliedschaft aus, deren Familienmodelle<br />
und ihr Zugang zu diesem Thema<br />
unterschiedlicher nicht sein können.<br />
Dabei blenden sie nicht aus, dass ihre<br />
bunten Familien auch ihre eigenen<br />
Themen haben. Daraus leiten sich auch<br />
politisch Vorstellungen und eine politische<br />
Agenda ab. Einmal mehr zeigt<br />
sich, das Private ist politisch.<br />
Wir leben das: Regenbogenfamilie<br />
Von Andreas Wolter, Mitglied des Rates,<br />
lebt mit seinem Partner in <strong>Köln</strong> und hat<br />
zwei Töchter im Alter von 12 und 10 Jahren.<br />
Die Diskussion um das Lebenspartnerschaftsges<strong>et</strong>z<br />
offenbarte nicht nur<br />
eine erhebliche Unkenntnis über die<br />
Lebenslage von Schwulen und Lesben,<br />
sondern gipfelte in einer offensiv zur<br />
Schau g<strong>et</strong>ragenen Wirklichkeitsverweigerung,<br />
was das Zusammenleben mit<br />
Kindern anb<strong>et</strong>rifft. Es wurde behaupt<strong>et</strong><br />
Lesben und Schwule könnten keine Familie<br />
gründen und können deshalb den<br />
grundges<strong>et</strong>zlichen Schutz von Ehe und<br />
Andreas Wolter mit Familie<br />
6<br />
Familie nicht in Anspruch nehmen. Das<br />
normative Bild von Vater-Mutter-Kind<br />
ist aber längst von der Realität überholt.<br />
Lesbische Mütter, schwule Väter <strong>–</strong> mitnichten<br />
ein Widerspruch! 40 Prozent<br />
der Lesben und 30 Prozent der Schwulen<br />
wollen mit Kindern zusammenleben,<br />
46 Prozent der homosexuellen<br />
Jugendlichen unter 20 Jahren äußern<br />
einen Kinderwunsch. Die Schwule-<br />
Väter-Gruppe <strong>Köln</strong>, die im September<br />
25-jähriges Bestehen feierte, hat derzeit<br />
einen Kern von fünfzig Vätern. Im Lauf<br />
der Jahre sind rund 3.000 Väter in die<br />
Beratungsgespräche gekommen.<br />
In den l<strong>et</strong>zten Jahren habe ich viele Biografi<br />
en kennen gelernt, die davon zeugen,<br />
dass Lesben und Schwule genauso<br />
gut Kindern eine Familie sein und<br />
Geborgenheit, Liebe, Werte Perspektiven<br />
vermitteln können, wie in jede<br />
gewöhnliche Familie auch. Kinder von<br />
schwulen Vätern stammen in der Regel<br />
aus vorangegangenen h<strong>et</strong>erosexuellen<br />
Beziehungen. Ihre Entwicklung ist aber<br />
ein schlagender Beweis, dass das Adoptionsrecht<br />
verpartnerten Paaren nicht<br />
länger verwehrt werden darf.<br />
Leider hält die Umwelt einer schwulen<br />
Beziehung mit Kindern nicht immer so<br />
mit, wie man es sich wünscht oder erwart<strong>et</strong>.<br />
Die oben angesprochene Wirklichkeitsverweigerung<br />
äußerst sich bei<br />
manchem Erwachsenen durch schweigen,<br />
totschweigen. Der eine braucht<br />
im Umgang mir Regenbogenfamilien<br />
einfach Zeit, anderen ist leider nicht zu<br />
helfen („Ich möchte mein Haus lieber<br />
an eine richtige Familie verkaufen“).<br />
Kinder und Mitschüler attackieren die<br />
Kinder dagegen schon mal offen („Du<br />
bist ein Monster, weil dein Vater schwul<br />
ist“). Mal davon abgesehen, dass ich<br />
meine Töchter hübsch fi nde, tragen offene<br />
und verdeckte Diskriminierungen<br />
aufgrund der sexuellen Orientierung<br />
(eines Elternteils) Probleme in die Familie,<br />
die aufgearbeit<strong>et</strong> werden müssen.<br />
Das kann sehr anstrengend sein.<br />
Der offene Umgang mit Problemen fördert<br />
aber auch „starke“ Kinder.<br />
Das Partnerschaftsges<strong>et</strong>z hat die gesellschaftliche<br />
Anerkennung von Lesben<br />
und Schwulen ein gutes Stück steigen<br />
lassen. Die Einräumung des Adoptionsrechtes<br />
für verpartnerte Paare würde<br />
umgekehrt helfen, das Leben für<br />
Kinder und Eltern mit homosexuellen<br />
Hintergrund zu normalisieren. Der Beweis,<br />
dass Kinder von schwulen Vätern<br />
(genau wie von lesbischen Müttern)<br />
keine Monster sind, sondern aus denen<br />
gestandene Leute werden, liefern die<br />
Erfahrungen mit 3000 Vätern in 25 Jahren<br />
„Schwule Väter <strong>Köln</strong>“.<br />
Wir leben das: Patchworkfamilie<br />
Von Gundi Haep, Mitglied des Rates a. D.,<br />
lebt mit algerischen Ehemann in <strong>Köln</strong> und<br />
hat drei Kinder im Alter von 9, 15 und 19.<br />
Summer of Love 1967, Woodstock<br />
<strong>–</strong> aber erst zehn Jahre später war das<br />
alles Kult hier in <strong>Köln</strong>, und für mich<br />
stand damals mit 16 fest: Kinder haben,<br />
genau so muss es sein! Sie überall mit<br />
hinnehmen, Spaß mit ihnen haben, aber<br />
sie auch für ein paar Stunden in Kinderläden<br />
abgeben zu können. Als ich 1982<br />
zu den <strong>Grüne</strong>n kam, war dies dann<br />
auch mein vordringlichstes Anliegen:<br />
Dem Gefängnis, der spießbürgerlichen<br />
Kleinfamilie, ein Ende bereiten. Alle<br />
Frauen sollten frei sein in der Entscheidung,<br />
wann, mit wem, und wie viele<br />
Kinder sie haben wollen, mit wem sie<br />
leben und die Wahlmöglichkeit haben,<br />
draußen Geld zu verdienen oder zu<br />
Hause bei den Kindern zu bleiben. Dies<br />
Ziel ist noch nicht geschafft.<br />
Meine zwei Töchter sind aus meiner<br />
ersten Ehe. Bei der Trennung war die<br />
Jüngste gerade ein Jahr alt. Mein damaliger<br />
Mann wollte heiraten, ich nicht.<br />
Nr. 210 • September 2007