Kontrovers: Ende des kostenlosen Fernsehens? | Kulturbeute ...
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Zeitschrift der Medien- und Kommunikationswissenschaften<br />
an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />
Alte Meister,<br />
neue Master<br />
Wintersemester 2010/11 n Heft 13<br />
<strong>Kontrovers</strong>: <strong>Ende</strong> <strong>des</strong> <strong>kostenlosen</strong> <strong>Fernsehens</strong>? | <strong>Kulturbeute</strong>: Leben zwischen zwei<br />
Welten | Meinung: Schockierende Bilder im studiVZ | Branche: In 80 Tagen von<br />
1<br />
der Idee zum Trickfilm | Gespräch: Hagen Lettow | Karriere: Coworking Spaces<br />
n
n<br />
2<br />
Editorial<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
der Inhalt <strong>des</strong> MuKJournals ist ein Spiegel der Aktivitäten am Department. Er ist aber auch ein Spiegel der<br />
Interessen und Vorlieben, ja, der Herkunft der wechselnden studentischen Redakteurinnen und Redakteure.<br />
So lässt uns diesmal unsere Autorin Thu Trang Luong am Leben von Vietnamesen in Halle teilhaben und<br />
daran, wie sie mittels Medien die Verbindung zur Heimat halten (Seite 18). Wir dürfen die Begeisterung<br />
von Diana Stöhr für Animationsfilm teilen und auch ihre Schockmomente mit studiVZ (Seite 26 und 21).<br />
Dominika Tux möchte mit ihrem Essay unser Interesse für das 3D-Kino vertiefen (Seite 22). Und Sebastian<br />
Matthes ist aufgefallen, dass die finanziellen Folgen der technischen Weiterentwicklung <strong>des</strong> <strong>Fernsehens</strong> noch<br />
weitgehend verdrängt werden (Seite 16). Luise Kotulla wiederum lernte durch ein Praktikum Hagen Lettow<br />
kennen und war beeindruckt von <strong>des</strong>sen reichem Erfahrungsschatz. Ihr Gespräch mit dem Urgestein <strong>des</strong><br />
<strong>Fernsehens</strong> finden Sie auf Seite 28. Weit weg, nämlich in Australien, war Anna Jäger. Dort hatte sie nicht nur<br />
erfreuliche Begegnungen, wie sie auf Seite 24 berichtet.<br />
Dieses Heft zeigt selbstverständlich auch, was die anderen am MuK-Department so machen: Unser Gründer Prof.<br />
Dr. Reinhold Viehoff blickt zurück auf seine kürzlich beendete Zeit als Dekan der Philosophischen Fakultät II<br />
(Seite 9); Susanne Vollberg rundet mit ihrer Habilitation den Forschungsschwerpunkt DDR-Fernsehen ab (Seite<br />
6) und die Filmenthusiasten sorgen weiter unermüdlich für ‚Augenfutter’ (Seite 10, 11 und 14). Nicht zuletzt<br />
aber belegen zwei neue Master-Studiengänge die Dynamik am Department (Seite 5).<br />
Noch ein Wort in eigener Sache: Den Redakteurinnen und Redakteuren war es ein Bedürfnis, der Tutorin und<br />
Layouterin dieser Ausgabe, Melanie Grießer, für ihr großes Engagement zu danken (siehe unten). Dem schließe<br />
ich mich nur zu gerne an. Ohne ihr unermüdliches Zutun wären unsere Inhalte kaum mehr als eine ‚Bleiwüste’.<br />
Verabschieden müssen wir leider unsere Redaktionsassistentin Katja Berg - wenn auch aus einem erfreulichen<br />
Grund: Sie beendet demnächst ihr Studium. Ein ganz herzliches Dankeschön an sie für ihre konstruktive und<br />
aufmerksame Mitarbeit.<br />
Viel Spaß beim Lesen wünscht<br />
Ingrid Brück<br />
Die Redaktion dieses Heftes…<br />
Timo Leich<br />
Luise Kotulla<br />
Helen Lorenz<br />
Julius Schröder<br />
Christiane Rasch<br />
Sebastian Matthes<br />
Thu Trang Luong<br />
Eva Dietrich<br />
Ulrike Schmidt<br />
Anna Jäger<br />
Dominika Tux<br />
Beim Fotoshooting fehlten leider Michael Nerenz und Diana Stöhr. Ob<br />
Höhenangst, Sonnenbrillenmangel oder redaktionelle Überarbeitung<br />
sie ferngehalten haben, ist nicht bekannt.<br />
…möchte hoch hinaus und<br />
noch viel weiter!<br />
Auf dem Dach <strong>des</strong> MMZ sind wir diesem Ziel schon<br />
ein ganzes Stück näher gekommen. Die Stufen dorthin:<br />
Planen, Recherchieren, Schreiben, Korrigieren,<br />
Umschreiben, Korrektur lesen und natürlich Layouten,<br />
Zeilen zählen und Zurechtschieben. Manchmal mussten<br />
wir zwei Stufen gleichzeitig nehmen, dann ging es<br />
wieder einen Schritt zurück. Dennoch haben wir das<br />
MukJournal fertig bekommen. Dank der Unterstützung<br />
von Dr. Ingrid Brück und vor allem der engagiertesten<br />
Tutorin ever: Melanie Grießer. Sie hat in ihrer freien<br />
Zeit eine unglaublich hilfreiche Website zum Layout<br />
<strong>des</strong> MuKJournals gebastelt, die jeder Teilnehmer <strong>des</strong><br />
Seminars sicherlich nicht nur einmal genutzt hat. Deshalb<br />
ist es an der Zeit, hier ein Lob auszusprechen!
S. 14<br />
Wintersemester 2010/11<br />
Update<br />
Neues aus dem Department | 04<br />
Department<br />
Master of Media & OnlineRadioMaster | 05<br />
Forschung<br />
Freundbilder auf dem Prüfstand | 06<br />
Department<br />
„Transparenz in allen Dingen“ | 09<br />
Geschehen<br />
Leute suchen, Filme pitchen, Meinung sagen | 10<br />
Drehmomente 2010 | 11<br />
Zwei<br />
Zwei Preise innerhalb einer Woche erhielt<br />
MuK-Student Friedemann Ebelt für seinen<br />
Kurzfilm „Frisch machen“. Einen davon<br />
im Rahmen <strong>des</strong> Nachwuchstages der<br />
Mitteldeutschen Medienförderung (MDM).<br />
Wie es den Nachwuchsfilmern beim Pitchen<br />
ihrer Projekte erging und wie aus Rindertalg<br />
Seife wird, darüber berichtet Julius<br />
Schröder in seiner Reportage.<br />
Gut gerüstet<br />
Kassensturz | 12<br />
Branche<br />
In 80 Tagen von der Idee zum Trickfilm | 26<br />
Gespräch<br />
Hagen Lettow – Urgestein <strong>des</strong> <strong>Fernsehens</strong> | 28<br />
Karriere<br />
Coworking Spaces | 30<br />
Finish<br />
Medienwirksame Prototypisierung im Fernsehen | 32<br />
Abschlussarbeiten im Masterstudiengang MM&A | 33<br />
Publiziert<br />
Neue Publikationen aus dem Department | 34<br />
Dates<br />
Termine für das Wintersemester 2010/11 | 35<br />
Eins<br />
Eine Habilitationsschrift zu Leitbildern im<br />
DDR-Fernsehen hat Dr. Susanne Vollberg<br />
vorgelegt: Die Berufstätigkeit der emanzipierten<br />
Frau, die erfolgreiche Kollektivierung<br />
der Landwirtschaft und die<br />
unverbrüchliche Freundschaft<br />
mit der UdSSR waren solche<br />
„verhaltensanleitenden Bilder“,<br />
die gezielt in Szene<br />
gesetzt wurden.<br />
Reportage<br />
14 | Der lange Tag der kurzen Filme<br />
<strong>Kontrovers</strong><br />
16 | Das <strong>Ende</strong> <strong>des</strong> <strong>kostenlosen</strong> <strong>Fernsehens</strong>?<br />
<strong>Kulturbeute</strong><br />
18 | Leben zwischen zwei Kulturen<br />
Meinung<br />
21 | Schockierende Bilder bei studiVZ<br />
Essay<br />
22 | 3D-Kino: die digitale Illusion?<br />
Weit weg<br />
24 | Ist hier das <strong>Ende</strong> der Welt?<br />
Drei<br />
S. 6<br />
Drei Dimensionen im Kino zu erleben, ist<br />
ein faszinieren<strong>des</strong> Erlebnis. Ob die digitale<br />
Illusion <strong>des</strong> 3D-Kinos nun Fluch oder Segen<br />
für das Publikum ist, fragt sich Dominika<br />
Tux in ihrem Essay. Sie erinnert dabei auch<br />
an die Anfänge einer Entwicklung, deren<br />
Meilensteine so schöne Namen tragen wie<br />
„Bawana, der Teufel!“<br />
und „Der Weiße Hai“.<br />
S. 22<br />
Inhalt n<br />
3
n Update<br />
4<br />
Zusammengestellt von Ulrike Schmidt<br />
Neues aus dem Department<br />
Traumquote für Studentische Soap<br />
Einen Marktanteil von 7,7 Prozent und 60 000 Zuschauer konnte „Unistadt“, unsere studentische<br />
Wohngemeinschaft aus Halle verbuchen. Diese hohe Einschaltquote auf dem<br />
Sendeplatz von UNICATO, dem studentischen Filmmagazin <strong>des</strong> MDR <strong>Fernsehens</strong>, kann<br />
als außergewöhnlicher Erfolg angesehen werden. MuK-Studierende hatten in drei Jahren<br />
die Soap Opera produziert. In der am 23. Juni 2010 ausgestrahlten Doppelfolge mit dem<br />
Titel „Eine schreckliche Entdeckung“ konnte zum ersten Mal ein breites Publikum am<br />
fiktionalen Leben der Studierenden teilnehmen. Zuvor hatten nur die Zuschauer von TV<br />
Halle dieses Vergnügen gehabt. n<br />
Shortmoves – Lehrpreis 2010 für Praxismodul<br />
Mit dem Lehrpreis 2010 würdigte die Vereinigung der Freunde und Förderer der MLU<br />
jetzt die engagierte Arbeit der Dozenten Manja Rothe-Balogh, Dr. Steffi Schültzke und<br />
Dr. Thomas Wilke. In dem nun preisgekrönten Praxismodul hatten sie gemeinsam mit<br />
Studierenden das Kurzfilmfestival Shortmoves organisiert, das am 17. und 18. September<br />
stattfand. Die Resonanz war enorm: Eine internationale Vielfalt von insgesamt 378<br />
Filmen erreichte das Team in diesem Jahr. Filme kamen sogar aus Kanada, Australien,<br />
Süd-Korea, Russland, Japan und den USA. Bei der Sichtung bot sich ein buntes Bild:<br />
viele verschiedene Genres, Geschichten und Protagonisten. Animationen und Dokumentationen<br />
waren ebenso vertreten wie Experimental- und Spielfilme. Aus den 378 Streifen<br />
eine Auswahl zu treffen, fiel nicht leicht. 20 Filme schafften es in die endgültige Auswahl<br />
und flimmerten in fast ausverkauften Häusern über die Festival-Leinwände von Lux Kino<br />
und Puschkino. Das Publikum zeigte sich begeistert, nicht nur vom breiten Spektrum der<br />
Filme, sondern auch von der hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion zur Zukunft <strong>des</strong><br />
Kurzfilms. Verdienter Lohn für Dozenten und Studierende. n<br />
Zwei Preise für Friedemann Ebelt<br />
Der Hallenser MuK-Student Friedemann Ebelt erhielt für seinen Kurzfilm „Frisch machen“<br />
einen UNICATO-Award in der Kategorie Bester Experimentalfilm. Im Juni 2010<br />
wurden im Halleschen Volkspark die Awards <strong>des</strong> Mitteldeutschen Rundfunks zum vierten<br />
Mal verliehen. Im Rahmen der Show wurden studentische Kurzfilme in sieben Kategorien<br />
ausgezeichnet. Ebelt geht in seinem Kurzfilm den tierischen Hintergründen der Seifenherstellung<br />
auf den Grund. Kurz zuvor hatte er für „Frisch machen“ beim Kurzfilmfestival<br />
Selbstgedrehtes bereits die Gläserne Kamera sowie den Geldpreis <strong>des</strong> Format Filmkunstverleihs<br />
Halle für den besten Kurzfilm entgegen nehmen dürfen (siehe Seite 14). n<br />
Performativität und Medialität Populärer Kulturen<br />
Vom 3. bis 4. Dezember 2010 findet die Tagung: „Performativität und Medialiät Populärer<br />
Kulturen“ in Halle statt. Dr. Thomas Wilke vom MuK-Department und Dr. Marcus S. Kleiner<br />
von der Universität Siegen laden herzlich dazu ein. Ausgangspunkt ist die These, dass<br />
die Bedeutung von Populären Kulturen nicht ohne einen Bezug auf Performativität und<br />
Medialität begriffen werden kann. Im Juli dieses Jahres wurde bereits im Forschungskolloquium<br />
„Musik. Macht. DJs!“ über die Diskontinuität popmusikalischer Diskurse nachgedacht.<br />
Vier Vorträge beschäftigten sich mit dem Zusammenhang der Verfügbarkeit von<br />
Musik, dem Prozess der Digitalisierung, den Aspekten <strong>des</strong> Performativen während <strong>des</strong><br />
Auflegens und dem Stellenwert der jeweiligen Musikrichtung innerhalb der vornehmlich<br />
deutschen Musikszene. Das Besondere <strong>des</strong> Kolloquiums, das Dr. Thomas Wilke leitete, war<br />
die produktive Verbindung von Theorie und Praxis. Die studentischen Referenten Dominika<br />
Tux, Christopher Roos und Ninette Jänich konnten, ebenso wie Wilke, als aktive DJs<br />
aus der Innenperspektive heraus agieren, reflektieren und argumentieren. n
Master of Media & OnlineRadioMaster<br />
Von Ulrike Schmidt und Dominika Tux<br />
Zwei neue Studiengänge am MuK-Department<br />
etzt ist das Quartett voll: Zum grundständigen Bachelorstudiengang<br />
„Medien- und Kommunikationswissenschaft“<br />
gesellt sich ab diesem Wintersemester ein<br />
gleichnamiges Masterprogramm; zum bereits etablierten<br />
Master-Studiengang „MultiMedia & Autorschaft“ ist als Weiterbildungsangebot<br />
das Masterprogramm „Online Radio“ dazu<br />
gekommen.<br />
Im Mai dieses Jahres hatte sich der akademische Senat der<br />
Martin-Luther-Universität einstimmig für die Annahme <strong>des</strong><br />
Masterstudiengangs „Online Radio“ ausgesprochen. Auf positive<br />
Resonanz stieß er auch wegen seines Modellcharakters:<br />
ein berufsbegleitender Studiengang, der auf die aktuelle Entwicklungen<br />
im Hörfunk reagiert und überwiegend online<br />
studiert werden kann. Radio ist heute nicht mehr abgekoppelt<br />
vom Internet zu betreiben. So überrascht es auch nicht,<br />
dass ein Vorreiter <strong>des</strong> Online Radios, nämlich MDR Sputnik,<br />
ein wichtiger Kooperationspartner <strong>des</strong> Projekts ist.<br />
Das gebührenpflichtige Angebot wird den<br />
Bestrebungen der MLU gerecht, einen Weiterbildungssektor<br />
aufzubauen. Mit der<br />
Weiterbildung wird ernst gemacht, das<br />
zeigt sich schon daran, dass Berufserfahrung<br />
der Bewerber vorausgesetzt und<br />
auf die Studienzeit angerechnet wird. Die<br />
sorgfältig gestalteten Flyer wurden an<br />
Firmen verschickt, die ihren Mitarbeitern<br />
die Möglichkeit geben, neben dem Beruf<br />
einen Master zu absolvieren. Der Vorteil<br />
liegt auf beiden Seiten. Der Mitarbeiter<br />
kann studieren und während der zwei Jahre<br />
seine Stelle behalten, also auch seinen Unterhalt<br />
verdienen. Die Firma profitiert unmittelbar<br />
vom Kenntniszugewinn ihres Mitarbeiters, etwa<br />
indem das Abschlussprojekt auf den Bedarf im<br />
Betrieb zugeschnitten werden kann. Der experimentelle<br />
und kreative Zugang <strong>des</strong> Studiums<br />
kann so an real existierenden Problemen erprobt<br />
werden.<br />
Im Online Radio Master sind nicht nur die<br />
Studieninhalte dem aktuellen Mediennutzungsverhalten<br />
angepasst, sondern auch die<br />
projektbezogene Kommunikation. So wurde<br />
viel Mühe und Kreativität verwendet für die<br />
Entwicklung und Fertigstellung der eigenen<br />
Website. Im Blog www.blog.onlineradiomaster.de<br />
findet ein reger Austausch über den<br />
Hörfunk in multimedialen Zeiten statt. Dane-<br />
ben wird auf FACEBOOK und TWITTER (bei<strong>des</strong> onlineradioMA)<br />
für den Studiengang geworben. Dessen ‚Vater‘, Juniorprof. Dr.<br />
Golo Föllmer, möchte mit seinem Team nicht nur einen innovativen<br />
Studiengang betreiben, sondern auch die aktuelle Diskussion<br />
mitprägen. (Siehe auch MuKJournal 12.)<br />
Der viersemestrige Masterstudiengang „Medien- und Kommunikationswissenschaft“<br />
ist zwar angelehnt an den gleichnamigen<br />
Bachelorstudiengang, hat aber doch eine ganz eigene Ausprägung.<br />
Der kritisch reflektierende Ansatz wird fundiert durch<br />
eine kohärente Darstellung einer Mediengeschichte der Sprache,<br />
<strong>des</strong> Textes, (Bewegt)Bil<strong>des</strong> und der Tonerzeugnisse, einschließlich<br />
deren Produktion, Distribution und Rezeption.<br />
Ein wesentliches Merkmal <strong>des</strong> Studiengangs ist<br />
dabei der hohe Stellenwert von Projektarbeit; diese<br />
kann entweder anwendungs- oder forschungsbezogen<br />
sein. Inhaltlich stehen nicht nur Medienrecht und<br />
–ökonomie auf dem Programm, sondern auch medienanthropologische<br />
und -ethische Aspekte. Speziell sollen<br />
die Studierenden dazu befähigt werden, den Zusammenhang<br />
von Medienökonomie und Gesamtkultur<br />
einzuschätzen und aus medienökologischer Sicht zu<br />
hinterfragen. Ein solcher sowohl kritisch reflektierender<br />
als auch anwendungsbezogener Hintergrund<br />
ist beispielsweise für planerische Tätigkeiten in Sendeanstalten,<br />
Produktionsfirmen oder öffentlichen<br />
Institutionen von Vorteil. Für diejenigen, die eine<br />
Universitätskarriere anstreben, ist es eine optimale<br />
Vorbereitung auf ein Promotionsvorhaben.<br />
Bewerben können sich Bachelorabsolventen der<br />
Medien- und Kommunikationswissenschaften<br />
oder vergleichbarer Studiengänge. Einen numerus<br />
clausus gibt es derzeit nicht, es muss aber eine<br />
Eignungsfeststellungsprüfung absolviert werden,<br />
die insbesondere nach den persönlichen Voraussetzungen<br />
im Medienbereich (in einem weiten Sinne)<br />
fragt. Der erste Jahrgang wird in besonderem Maße<br />
halten, was für Master-Studiengänge Programm<br />
sein sollte: Exklusivität. Beide Studiengänge werden<br />
mit 10 bis 15 Studierenden starten. Bei Online<br />
Radio staunte man, wie hoch die Qualifikation der<br />
Bewerber war. Charakteristisch für beide ist, dass die<br />
Studierenden sehr unterschiedliche Vorbildungsprofile<br />
mitbringen. Für das Studium bedeutet dies, dass<br />
Peer Learning, also das Lernen voneinander in den<br />
Studierendengruppen, eine besondere Rolle spielen<br />
wird. Letztlich verändert sich damit womöglich<br />
das Grundverständnis davon, wie ein Hochschulstudium<br />
abläuft. n<br />
Department n<br />
5
n Forschung<br />
6<br />
Freundbilder auf dem Prüfstand<br />
Die eigene Meinung als<br />
geistiges Privateigentum, an<br />
dem niemand rütteln kann?<br />
Was heute selbstverständ-<br />
lich scheint, war längst nicht<br />
immer so: Bis vor 20 Jahren<br />
litt hierzulande die politi-<br />
sche Meinungsbildung noch<br />
unter staatlicher Kontrolle.<br />
Grund genug für Dr. Susanne<br />
Vollberg in ihrer Habilitati-<br />
onsschrift die Programmge-<br />
schichte <strong>des</strong> DDR-<strong>Fernsehens</strong><br />
ein Stück weit aufzurollen.<br />
Die frischgebackene Privatdo-<br />
zentin sprach mit dem MuK-<br />
Journal über Gegenstand und<br />
Ursache ihrer Forschungen.<br />
Von Michael Nerenz<br />
ür die meisten ein Begriff: Juri Gagarin, der erste Mensch im All.<br />
Manche Eltern oder Verwandte können sich vielleicht sogar an seinen<br />
Besuch in Erfurt 1963 erinnern – an den jungen sowjetischen<br />
Kosmonauten aus dem ‚Bruderland‘, der zwei Jahre zuvor binnen<br />
108 Minuten in der Wostok 1 die Erde umrundet hatte und wohlbehalten<br />
gelandet war. Gelegentlich schwingt da ein wenig Anerkennung mit,<br />
manchmal auch Stolz – noch heute.<br />
Dr. phil. habil. Susanne Vollberg kennt diese Art Personenkult. Die studierte Germanistin<br />
lehrt und forscht seit 1995 über Fernsehen, Bildmedien und Kinderliteratur.<br />
Sie erkennt im Auftritt ‚importierter Helden‘ wie dem damals 29-jährigen Major vor<br />
allem eines: Verkörperte Leitbilder einer Staatsführung, die höchsten Wert auf guten<br />
Kontakt zur Sowjetunion legte, wo man sich wiederum nicht scheute, verdiente neue<br />
‚Helden <strong>des</strong> Sozialismus‘ auf regelrechten Promotiontouren im Ostblock herumzuzeigen.<br />
Willkommenes Wasser auf den Mühlen der SED-Parteispitze: Der Triumph<br />
der Sowjets wurde auf diese Weise öffentlichkeitswirksam auch zum Erfolg <strong>des</strong> deutschen<br />
Arbeiter- und Bauernstaates stilisiert und gefeiert.<br />
DDR-Fernsehen im Blick<br />
der Forschung: 40 Jahre als<br />
zeitlich geschlossenes Feld<br />
Die drei bekanntesten Leitbilder<br />
Weniger gut blieb vielen Zuschauern wohl ein Beitrag<br />
<strong>des</strong> Deutschen Fernsehfunks (DFF) im Gedächtnis, der am<br />
14. März 1963 die LPG-Vorsitzende Irma Wattenbach als<br />
starke und engagierte Frau <strong>des</strong> Sozialismus porträtierte. Sie<br />
hatte sich um ihre Genossenschaft verdient gemacht, hielt<br />
gar eine Rede auf dem VI. SED-Parteitag und traf auch mit<br />
dem damaligen russischen Regierungschef Nikita Chruschtschow<br />
zusammen. „Durch so ein Szenario“, erklärt Dr. Vollberg,<br />
„konnten die Programmgestalter <strong>des</strong> DDR-<strong>Fernsehens</strong><br />
gleich drei Leitbilder der Führungsspitze mit einem Beitrag<br />
propagieren: Die Berufstätigkeit der emanzipierten<br />
Diese drei hat die Wissenschaftlerin auch zum<br />
Thema ihrer Habilitationsschrift gemacht: „(Leit)<br />
Bilder als Bausteine einer Programmgeschichte.<br />
Zur Rolle und Funktion politisch-ideologischer<br />
Leitbilder im Programm <strong>des</strong> DDR-<strong>Fernsehens</strong>“<br />
wurde 2009 von ihr vorgelegt und im Mai dieses<br />
Jahres verteidigt. Das verdiente Ergebnis: Eine<br />
Lehrerlaubnis für die Fächer Medien- und Kommunikationswissenschaften.<br />
Für ihre Gutachter Prof. Dr. Reinhold Viehoff, J.-<br />
Prof. Dr. Golo Föllmer (beide MuK Halle) und Prof.<br />
Dr. Rüdiger Steinmetz (Universität Leipzig) zeichnet<br />
sie in der vorgelegten Arbeit das Bild einer<br />
Staatsführung, die schon recht früh sehr konkrete<br />
Vorstellungen davon hatte, wie und mit welcher<br />
Botschaft die neuen politischen Werte unter das<br />
ostdeutsche Volk gebracht werden sollten.<br />
Frau, die erfolgreiche Kollektivierung der Landwirtschaft<br />
und die ‚unverbrüchliche Freundschaft‘ mit der UdSSR.“<br />
Erster Mensch im All und Teil eines<br />
sowjetstaatlich gelenkten Personenkultes:<br />
Major Juri Gagarin
Täglich musste im DFF Parteiwirksames<br />
über die Mattscheiben flimmern<br />
‚Politisch-ideologische Leitlinien‘ nennt Susanne Vollberg solche<br />
Vorgaben der Politik an die DDR-Medien und damit auch<br />
an die Fernsehmacher: „Eine inhaltliche Richtschnur der Partei,<br />
die die Redakteure dann als verhaltensanleitende Bilder konzipieren<br />
und im täglichen Programm gezielt einbinden sollten.“<br />
Täglich musste im DFF Parteiwirksames über die Mattscheiben<br />
flimmern, mussten ‚Eigenbild‘, ‚Freundbild‘,<br />
‚Feindbild‘ und ‚Weltbild‘ bedient<br />
und vorgeführt werden.<br />
„Das war ein wichtiges Herrschaftsinstrument<br />
der SED-Führung“, betont<br />
Vollberg. Gerade so anschauliche Vorbilder<br />
wie die ‚Helden der Arbeit‘ oder<br />
die ‚Feindbilder‘ USA und BRD seien oft<br />
zitiert worden. Die von ihr angewendete<br />
Methode ist <strong>des</strong>halb auch die so genannte<br />
‚Leitbildanalyse‘, ein Ansatz, der<br />
in ihren Augen die übliche chronologische<br />
Auswertung der Fernsehgeschichte<br />
wesentlich erweitert. Einflüsse der<br />
staatlich verordneten Botschaften werden<br />
hier untersucht und konkrete Wirkungen<br />
von Inhalten einzelner Sendeformate<br />
aufgedeckt. Susanne Vollberg<br />
ist überzeugt: „Die Leitbildforschung<br />
kann inhaltliche Zusammenhänge zwischen Fernsehprogramm<br />
und politischem Geschehen zutage fördern.“<br />
Ihre Daten hat sie von 2001 bis 2008 gesammelt, als wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin <strong>des</strong> Teilprojekts „Strukturgeschichtliche,<br />
kulturpolitische, organisatorische und technische Aspekte<br />
der Programmentwicklung“ der DFG-Forschergruppe<br />
„Programmgeschichte <strong>des</strong> DDR-<strong>Fernsehens</strong> – komparativ“. Etwa<br />
drei Jahre feilte sie an der Habilitationsschrift.<br />
Klar abgestecktes Forschungsgebiet<br />
Die DDR-Forschung profitiert grundsätzlich von der zeitlichen<br />
Geschlossenheit: 40 Jahre Entwicklung innerhalb klarer<br />
geschichtlicher Grenzen sorgen für Überschaubarkeit. Die<br />
Quellenlage? Schon ausführlich aufgearbeitet: Mehrere Sammlungen<br />
im Deutschen Rundfunkarchiv (DRA), darunter der<br />
„Schriftgutbestand Fernsehen“, „Presseausschnittsammlung“,<br />
„Schriftgut Zuschauerforschung 1955-1990“ und die „Sehbeteiligungskartei<br />
1965-1990“ in Potsdam-Babelsberg wurden<br />
von Vollberg als Primärquellen ausgewertet. Auch im Berliner<br />
Bun<strong>des</strong>archiv hat sie sich umgesehen und Protokolle wie auch<br />
Schriftwechsel zwischen DFF und so genannten ‚anleitenden<br />
Gremien‘ einbezogen. Gremien wie das Staatliche Komitee für<br />
Fernsehen zum Beispiel, die SED-Kreisleitung Fernsehen oder<br />
die Abteilung Agitation <strong>des</strong> ZK der SED.<br />
„Die politischen Vorgaben wurden häufig in polare Projektionen<br />
von gut und böse, richtig und falsch oder Freund und<br />
Sieben Jahre lang ideologischen Leitbildern auf der<br />
Spur: Privatdozentin Dr. Susanne Vollberg<br />
Feind umgesetzt“, erklärt Vollberg. „Diese Leitbildnarration<br />
geriet allerdings schon bald immer phrasenhafter und für die<br />
Zuschauer umso unglaubwürdiger, je offensichtlicher sich Realität<br />
und mediale Umsetzung widersprachen.“ Kurz gesagt: Eine<br />
Blindgänger-Sendung, die niemand sehen möchte, könnte<br />
sich heute kaum halten. Nicht so im DDR-Fernsehen: „Freunde<br />
der russischen Sprache“ etwa lief über Jahre an zwei Tagen in<br />
der Woche, obwohl kaum jemand Notiz davon nahm. Genau<br />
das macht für die Forscherin die Faszination der Leitbildanalyse<br />
aus: Zu sehen, wie die Ostdeutschen<br />
den Widerspruch der medial konstruierten<br />
und ihrer erlebten Wirklichkeit verarbeiteten.<br />
Die Gleichgültigkeit vieler<br />
Menschen gegenüber der vermeintlich<br />
‚unverbrüchlichen Freundschaft‘ mit<br />
der Sowjetunion zum Beispiel: Noch in<br />
den 80er Jahren wurde die beschworen,<br />
als zugleich Sowjet-Publikationen wie<br />
„Sputnik“ verschwanden, die bis dahin<br />
geradezu Pflichtlektüre gewesen waren.<br />
Nun stellten sie ein Risiko für die SED-<br />
Machthaber dar: Zu gefährlich dünkten<br />
die Umwälzungen, die seit Februar<br />
1986 unter Gorbatschow ins Rollen<br />
kamen. Auch alle Neuerungen in der<br />
Landwirtschaft waren Vorhaben der<br />
DDR-Führung, die vor den Augen der<br />
Bevölkerung nicht scheitern durften<br />
und in Fernsehbilder <strong>des</strong> unbedingten<br />
Erfolgs umgesetzt werden mussten.<br />
Entwicklungen freilich erkennt Dr. Vollberg trotzdem. 1975 etwa,<br />
als das Fernsehkomitee vorgab, dass Beiträge sich durch<br />
höheren geistigen Gehalt als bisher auszeichnen müssten: „Das<br />
konventionelle Industrie- oder Landwirtschaftssujet, das mit<br />
ein paar rasselnden Maschinenteilen beginnt, wonach ein Arbeiter<br />
auf suggestive Fragen allgemeine Antworten gibt, soll<br />
der Vergangenheit angehören“, hieß es damals. Unterhaltung<br />
und besserer emotionaler Zugang galten nun als geeigneter<br />
Ansatz. In Alltagsgeschichten, Krimis oder Spielfilmen wurde<br />
fortan verstärkt auch die gleichberechtigte Stellung der ‚sozialistischen<br />
Frau‘ betont. Als Arbeitskraft sei sie den Männern<br />
ebenbürtig und trotz aller Pflichten der Kindererziehung auch<br />
in deren Berufen zuhause. Mit den Jahren hätten die ostdeutschen<br />
Frauen dieses Bild aber zunehmend weniger bereitwillig<br />
angenommen.<br />
Forschung n<br />
„Neben den Leitbildern der Regierung gab es für<br />
die Bevölkerung meist ja auch noch ältere Ideale“<br />
Dr. Susanne Vollberg<br />
Widerstand gegen die staatlich verordnete heile Welt hat die<br />
Privatdozentin übrigens vielerorts ausgemacht: Kaum ein Pionierleiter,<br />
Lehrer oder Fernsehschaffender hätte alle Vorgaben<br />
bild- oder wortgetreu umgesetzt. „Neben den Leitbildern der<br />
Regierung existierten für die Bevölkerung meist ja auch noch<br />
ältere Ideale“, fügt sie an, „prägende Einflüsse, die schon lange<br />
vor 1949 bestanden hatten.“ Eine konservativere Rollenvertei-<br />
7
n Forschung<br />
8<br />
Der ehemalige Richtfunkturm <strong>des</strong> DDR-<br />
<strong>Fernsehens</strong> steht in Berlin-Adlershof<br />
lung der Geschlechter<br />
etwa, Arbeitsteilung<br />
in der Landwirtschaft<br />
oder offen praktizierte<br />
Religiosität.<br />
Den künftigen Nutzen<br />
ihrer Arbeit sieht<br />
Susanne Vollberg vor<br />
allem in der Anwendung<br />
und Weiterentwicklung<br />
der Leitbildanalyse<br />
mit Blick auf<br />
die Geschichte von<br />
Fernsehprogrammen<br />
in staatlichen Ein-Parteien-Systemen<br />
und<br />
demokratisch verfass-<br />
ten Medienstrukturen. Außerdem könnten auch vergleichbare<br />
Einflüsse auf das kaum bekannte Männerbild in der ostdeutschen<br />
Öffentlichkeit oder die Kinder- und Jugendliteratur vor<br />
1989 beleuchtet werden.<br />
Die gebürtige Westfälin hat ihren Lebensmittelpunkt vor fast<br />
14 Jahren nach Mitteldeutschland verlegt. Und hier seien es<br />
vor allem der Alltag in Erfurt und die Gespräche mit Freunden<br />
gewesen, die sie für ihr Thema sensibilisiert hätten: „Es<br />
gibt kein Schwarz-Weiß, kein Gut-Schlecht, nicht einmal ein<br />
eindeutiges Richtig oder Falsch“, ist sie überzeugt. „Aber der<br />
Blick von außen, mit zeitlichem Abstand, mag manches anders<br />
erscheinen lassen als die gelebte Innenperspektive. So verdanke<br />
ich vor allem den manchmal verwunderten, manchmal belustigten<br />
Nachfragen aus dem Bekannten- und Freun<strong>des</strong>kreis, was<br />
ich denn da seit Jahren eigentlich ‚von ihrem Leben‘ erforsche,<br />
eine besondere Sicht auf meinen Forschungsgegenstand der<br />
politisch instrumentalisierten Leitbildnarrativik.“ n<br />
ONLINE RADIO<br />
Das Erfolgsmodell Radio wird heute in die Dimensionen<br />
digitaler Lebensweisen übertragen. Hörfunk und Audiokultur<br />
verändern sich durch Digitalität, Vernetzung und neue<br />
Gebrauchsweisen. Experten für das Radio der Zukunft sind<br />
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in Medienberufen, die radiobezogenes, crossmediales<br />
journalistisches Handwerk, vernetzte Produktionsweisen<br />
und redaktionelle Schnittstellenkompetenz<br />
erlernen und neben dem Beruf einen höheren<br />
Abschluss erwerben wollen.<br />
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MASTER<br />
OF ARTS<br />
VERNETZT STUDIEREN. PRODUZIEREN. SENDEN.
„Transparenz in allen Dingen“<br />
Prof. Dr. Reinhold Viehoff über seine vierjährige Amtszeit als Dekan<br />
Von Ingrid Brück<br />
en Talar hat er jetzt abgelegt: Prof. Dr. Reinhold Viehoff,<br />
bis <strong>Ende</strong> August Dekan der Philosophischen<br />
Fakultät II. Tragen musste er ihn zwar nur selten,<br />
dann aber mit einem merkwürdigen Gefühl im Bauch.<br />
Schließlich zählt Viehoff zu den Alt-68ern, die den „Muff von<br />
tausend Jahren“ aus den Talaren schütteln wollten. Ein wirkliches<br />
Problem war dies für ihn jedoch nicht – ernsthafte Herausforderungen<br />
gab es während seiner vierjährigen Amtszeit<br />
ganz andere.<br />
„Transparenz schaffen“ und „Leistungsgedanken stärken“ sind<br />
die Stichworte, die der scheidende Dekan nennt, fragt man ihn<br />
nach den Leitlinien seiner Amtszeit. Die dünne Finanzdecke<br />
stellt ohne Zweifel eine Hürde dar für jeden Verantwortlichen<br />
an der MLU. Was macht also ein Dekan, der das knappe Budget<br />
gerecht verteilen soll? „Transparenz in allen Dingen“, war der<br />
leitende Gedanke, dem sich Viehoff gemeinsam mit den Prodekanen<br />
Prof. Dr. Wolfgang Auhagen und Prof. Dr. Edeltraut<br />
Werner verschrieb, um dadurch eine Atmosphäre zu schaffen,<br />
die rationale Diskussionen und Entscheidungen in den Gremien<br />
der Fakultät und der Universität ermöglichte.<br />
Die wichtigste Maßnahme, um dieses Ziel zu<br />
erreichen, war eine Personalentscheidung.<br />
Die Stelle eines Referenten wurde eingerichtet<br />
und mit Dr. Claus-Dieter Edlich an einen versierten<br />
Mann vergeben. Inzwischen ist mit Dr.<br />
Matthias Buck ein ebenbürtiger und dauerhafter<br />
Nachfolger gefunden. Damit war<br />
im Dekanat eine Organisationsstruktur<br />
geschaffen, die es ermöglichte,<br />
den gesamten Haushalt der Fakultät<br />
für alle ihre Mitglieder einsehbar und<br />
nachvollziehbar zu machen. Dennoch<br />
hat es drei Jahre gedauert, bis die Finanzen<br />
und die Personalstruktur in all<br />
ihren Verästelungen durchdrungen<br />
und dokumentiert waren. Vier Kommissionen<br />
erleichtern und begleiten in<br />
der Fakultät die Entscheidungsprozesse.<br />
Beispielsweise erarbeitete die Haushalts-<br />
und Strukturkommission eine<br />
Entscheidungsvorlage für den Fakultätsrat,<br />
um das Geld für Promotions- und<br />
Habilitationsstellen gerecht zu verteilen.<br />
Die Lösung war ebenso schmerzhaft wie<br />
unumgänglich: Die Verträge laufen nur<br />
Den Talar <strong>des</strong> Dekans hat er <strong>Ende</strong> August abgelegt: Prof. Dr. Reinhold Viehoff.<br />
Endlich wieder mehr Zeit zum Forschen, ganz in Zivil<br />
noch maximal drei Jahre statt vier Jahre. Und zwar für alle<br />
gleich. „Wir haben für die Fakultät die Möglichkeit geschaffen“,<br />
sagt Viehoff dazu, „sich an allen Entscheidungen zu beteiligen.“<br />
Und das ginge eben nur nach dem Motto: „Um etwas zu<br />
bewegen, muss man die Fakultät bewegen“.<br />
Der zweite wichtige Aspekt, der Leistungsgedanke, muss laut<br />
Viehoff noch stärker in den Vordergrund treten. Dies, so seine<br />
Überzeugung, wird für die Zukunft der Fakultät ausschlaggebend<br />
sein. Es müsse etwa die Auslastung der Studiengänge<br />
immer wieder geprüft werden. Sind die so genannten kleinen<br />
Fächer weiter finanzierbar? „An dieser Problematik wird die<br />
Fakultät nicht vorbei kommen.“ Ebenso müsse die leistungsbezogene<br />
Verteilung der Gelder an die einzelnen Institute noch<br />
verstärkt werden. Derzeit werden rund 30 Prozent der Mittel<br />
leistungsbezogen vergeben. Wiederbesetzungen von Promotionsstellen<br />
könnten zukünftig vom Erfolg <strong>des</strong> Promotionsvorhabens<br />
abhängig gemacht werden. Es könnte ein Bonus von<br />
500 Euro gezahlt werden, wenn ein Drittmittelantrag genehmigt<br />
wird, und Ähnliches mehr.<br />
In Zukunft sollte die Struktur der Fakultät nach Viehoffs Meinung<br />
stärker an den Forschungsschwerpunkten der MLU orientiert<br />
sein, etwa am Lan<strong>des</strong>forschungsschwerpunkt „Aufklärung<br />
– Religion – Wissen“. Solche Strategien seien entscheidend,<br />
um zusätzliche Lan<strong>des</strong>gelder zu bekommen. Die Rolle und<br />
Bedeutung der Fakultät innerhalb der MLU sei noch deutlicher<br />
herauszuarbeiten. Die Finanzen werden auch zukünftig<br />
eine Herausforderung bleiben. Schließlich wissen alle, dass der<br />
Uni-Haushalt nur zu 80 Prozent ausfinanziert ist, somit auch<br />
Kapazitäten und Betreuungsverhältnisse. „Das kann auf Dauer<br />
nicht gutgehen“, fürchtet Viehoff.<br />
Während seiner Amtszeit als Dekan hat der Medienwissenschaftler<br />
zwar weiter publiziert, das sei aber recht „stressig“ gewesen.<br />
Man laufe in so einem Amt Gefahr, von der Forschung<br />
abgekoppelt zu werden, einfach weil die Zeit fehle. Deshalb<br />
befürwortet er, die Funktion <strong>des</strong> Dekanatsreferenten zur Geschäftsführung<br />
auszubauen. Der Dekan hätte dann nur noch<br />
eine akademische Aufsichtsfunktion und könnte während seiner<br />
Amtszeit „der Forschung weiter verhaftet bleiben“. Jetzt freut<br />
sich Viehoff erst einmal auf sein Forschungsfreisemester: Einige<br />
Aufsätze sind fertig zu schreiben und Vorträge zu halten, etwa<br />
in Stuttgart und Münster. Zusammen mit Prof. Dr. Edgar Lersch<br />
wird er ein Buch über Medien und Geschichte vorbereiten. Dies<br />
in Ruhe tun zu können, sei ihm nach der anstrengenden und<br />
zeitfressenden Amtszeit von Herzen gegönnt. n<br />
Department n<br />
9
n Geschehen<br />
10<br />
Leute suchen, Filme pitchen, Meinung sagen<br />
Von Helen Lorenz<br />
filmnetz.org geht nach Relaunch in neuem Design online<br />
m Mai dieses Jahres war es endlich soweit: Die Internetseite<br />
www.filmnetz.org ging in einer Neufassung online. Dabei<br />
hat sich optisch und funktional viel getan. Nicht ohne<br />
Grund ließen sich die Initiatoren<br />
und MuK-Studenten<br />
Raimar Oestreich, Simon Riedl,<br />
Paul Rieth und Sven Roloff<br />
zwei Jahre Zeit, um die Filmnetz-Plattform<br />
mit professioneller<br />
Hilfe auf Vordermann<br />
zu bringen. Die Nutzerfreundlichkeit<br />
stand dabei immer an<br />
erster Stelle, denn nichts sollte<br />
den Nutzer von ihrem Hauptanliegen<br />
ablenken.<br />
„Wir haben den Wunsch, das,<br />
was im Alltag rund um eine<br />
Filmproduktion und das Resultat<br />
passiert, auch online<br />
möglich zu machen“, erklärt<br />
Paul Rieth. Filmschaffende, die<br />
sich bei Filmforen und Festivals kennenlernen, könnten über<br />
filmnetz.org in Kontakt bleiben, um neue Projekte gemeinsam<br />
zu planen und zu verwirklichen. Andere hingegen bekämen die<br />
Möglichkeit, ihre Ideen zu präsentieren und nach Mitstreitern<br />
zu suchen, um diese in Zusammenarbeit filmisch umzusetzen,<br />
so Rieth weiter.<br />
„So muss keine Filmidee an fehlenden Mitstreitern<br />
scheitern“<br />
Paul Rieth<br />
Sich gerade über filmnetz.org auszutauschen, scheint durchaus<br />
sinnvoll: Die Seite besticht durch ihr individuelles Design und<br />
ihren übersichtlichen Aufbau. Um sich als User zurechtzufinden,<br />
bedarf es keiner speziellen Kenntnisse. Die Macher verzichteten<br />
bewusst auf ermüdende Untermenüs und überflüssige Funktionen,<br />
die einem zweifelsohne den Spaß am eigentlichen ‚Protagonisten‘,<br />
dem Film, rauben würden.<br />
Um sein Werk einem breiteren Publikum zu präsentieren, bedarf<br />
es dabei nicht viel: Man legt sich (kostenlos) ein Profil an<br />
und schon kann man den eigenen Film hochladen. Sogleich<br />
tritt man mit der Community in Kontakt, die größtenteils aus<br />
Filmemachern besteht. Eine gute Gelegenheit für konstruktives<br />
Feedback sowie Ideen und Anregungen für neue Projekte. Falls<br />
der besagte Film bereits bei einem Festival läuft und nicht ohne<br />
Für Filmaktivisten: Flyer der Plattform filmnetz.org<br />
Weiteres veröffentlicht werden darf, kann man sich aufs Neue<br />
kreativ betätigen, indem man einen Trailer bastelt oder nur<br />
einen Filmausschnitt mit dem Verweis auf das Festival zeigt.<br />
Gleichzeitig eine preiswerte<br />
Möglichkeit, Werbung in eigener<br />
Sache zu machen.<br />
Zusätzlich bietet das innovative<br />
Pitch-Modul, das ‚schwarze<br />
Brett‘ <strong>des</strong> Filmportals, die<br />
Chance, gleichgesinnte Mitstreiter<br />
zu finden. Jeder Filmemacher<br />
kann hier Genaueres<br />
zum Ist-Zustand seiner<br />
Produktion angeben. Indem<br />
man seine Projekte publik<br />
macht, könne man sie gezielt<br />
anschieben und der Realisierung<br />
näherbringen, erklärt<br />
Rieth. „So muss keine Film-<br />
Idee an fehlenden Mitstreitern<br />
scheitern“, fügt er hinzu. Alles<br />
was man dafür tun muss: seine Story umreißen, angeben, wann<br />
und wo gedreht werden soll, verraten, wen man bereits im Team<br />
hat und – ganz wichtig – nach wem man noch händeringend<br />
sucht, sei es ein Kameramann, Tonmeister oder Cutter. Sollte<br />
sich jemand aus der Community auf die Anzeige hin bewerben,<br />
kann man sich auf <strong>des</strong>sen Profil seine bisherige Arbeit anschauen.<br />
Da bei jedem Film angegeben ist, welche Funktion der<br />
Einzelne innehatte, ist es ein Leichtes zu entscheiden, ob die<br />
Arbeit <strong>des</strong> Bewerbers den eigenen Vorstellungen entspricht.<br />
Des Weiteren bietet die Filmnetz-Plattform Raum für journalistische<br />
Arbeiten. Als User kann man beispielsweise auf Festivals<br />
und das Screening bestimmter Filme hinweisen. Sollte<br />
man besonders viel Spaß am Schreiben haben, kann man sich<br />
auf dieses Aufgabenfeld innerhalb der Plattform spezialisieren,<br />
denn die Unterstützung durch kreative Redakteure wird stets<br />
benötigt. Unter der Rubrik „Magazin“ können Festivals, Filme<br />
und erwähnenswerte Termine zur Sprache gebracht oder eigene<br />
Rezensionen veröffentlicht werden.<br />
Die Interaktion innerhalb von filmnetz.org gewährt Einblick<br />
in die Arbeitsweisen anderer kreativer Köpfe und gewährleistet<br />
dadurch diverse Möglichkeiten zur künstlerischen Entfaltung<br />
und Selbstverwirklichung. Dem entsprechend formuliert Rieth<br />
auch die Zukunftswünsche der Initiatoren: „Es bleibt zu hoffen,<br />
dass die Community <strong>des</strong> Filmportals stetig wächst, so dass<br />
aus ihrer Mitte heraus, viele ideenreiche Filmwerke entspringen<br />
können.“ n
Von Christiane Rasch<br />
nde eines Semesters: Nachdem Seminare, Vorlesungen<br />
und Tutorien geschafft sind, folgt erst der eigentliche<br />
Stress. Klausuren und Hausarbeiten müssen gemeistert<br />
werden, um schließlich die ersehnten Leistungspunkte<br />
auf dem Konto zu haben. Einige Bachelor- und Magisterstudierende<br />
<strong>des</strong> Instituts allerdings nahmen die Lorbeeren für<br />
ihre Arbeiten im letzten Wintersemester auf eine etwas andere<br />
Art entgegen: Sie sahen die Ergebnisse auf der Kinoleinwand<br />
<strong>des</strong> Multimediazentrums.<br />
Im Rahmen der Drehmomente, die im April zum dritten Mal<br />
stattfanden, zeigten die Nachwuchstalente eine bunte Vielfalt<br />
von Dokumentationen, Nachrichten- und Kurzfilmen. Dabei<br />
mussten die Filme nicht nur dem kritischen Auge der Filme-<br />
macher selbst standhalten. Auch einige Dozenten <strong>des</strong> Instituts<br />
sowie der Oscar-prämierte Kameramann Christoph Nicolaisen<br />
nahmen Platz im vollbesetzten Saal. Moderiert wurde<br />
der Abend von Dr. Steffi Schültzke und Manja Rothe-Balogh,<br />
die die Studierenden während der langen Entstehungszeit der<br />
Beiträge begleitet hatten.<br />
Auslöser für die Idee der Drehmomente war laut Schültzke<br />
der Wunsch, die Praxis für MuK-Studierende attraktiver zu<br />
gestalten: „Die Idee ist durch eine Erfahrung entstanden,<br />
die ich während meines Studiums in den USA gemacht habe.<br />
Dort haben wir Filme hergestellt, die wir dann später im<br />
Kino sehen konnten.“ Die Aufgabe der Bachelorstudierenden<br />
bestand darin, innerhalb eines Semesters Ideen für Kurzfilme<br />
und Nachrichtenfilme zu entwickeln, die dann eigenständig in<br />
kleineren Gruppen zu einem fertigen Film umgesetzt werden<br />
sollten. Den Magisterstudierenden blieben zwei Semester Zeit,<br />
um an ihren Dokumentationen zu feilen. Schließlich sind 14<br />
verschiedene Beiträge entstanden, die sich insbesondere dadurch<br />
auszeichnen, dass kein Film dem anderen gleicht.<br />
Eröffnet wurde der Abend mit der kritischen Dokumentation<br />
„Allein?erziehend“. Darin wird die junge Mutter Trine Heue<br />
porträtiert, die mit der Erziehung ihres Sohnes weitgehend<br />
auf sich allein gestellt ist. Ein anderer Beitrag stellte das Leben<br />
der Bewohner eines Pflegeheimes dar: In der Dokumentation<br />
„heimwärts“ von Katja Berg erhielt das Publikum eine<br />
emotionale Innensicht auf den Alltag der betagten Protagonisten.<br />
Diese machten durch ihre humorvolle Art den anfäng-<br />
Drehmomente 2010<br />
MuK-Studierende präsentieren ihre Filme im MMZ-Kino<br />
„Da waren Geschichten, da waren Emotionen, da<br />
waren auch Perspektiven auf die Welt“<br />
Dr. Steffi Schültzke<br />
lich deprimierend wirkenden Eindruck <strong>des</strong> Heimes wett – was<br />
im Kinosaal für amüsiertes Lachen sorgte. Im Kontrast dazu<br />
stand der fiktive Kurzfilm „Jakob“. Die Filmemacher um Regisseur<br />
Philipp Knespel haben sich als einzige Gruppe an das<br />
Horrorgenre gewagt und genüsslich mit Kunstblut experimentiert.<br />
Die zentrale Figur Jakob erwacht nachts neben seiner<br />
blutüberströmten, leblosen Freundin. Am <strong>Ende</strong> <strong>des</strong> Films wird<br />
ihm schließlich bewusst, dass er selbst der Mörder ist. Aus<br />
einer Reihe guter Beiträge stach die experimentelle Dokumentation<br />
„frisch machen“ von Friedemann Ebelt hervor. Für<br />
seine etwas andere Sicht auf das alltägliche Händewaschen<br />
wurden dem MuKler gleich zwei Auszeichnungen verliehen<br />
(siehe Seite 14/15).<br />
Schültzke zeigte sich von der Tiefe der präsentierten Arbeiten<br />
überrascht: „Ich war tatsächlich beeindruckt davon, dass die<br />
Filme mehr als Bilder und Töne transportiert haben. Da waren<br />
Geschichten, da waren Emotionen, da waren auch Perspektiven<br />
auf die Welt. Und ich finde, es ist eigentlich nichts schöner,<br />
als wenn ein Film zeigt, dass sich die Leute Gedanken über<br />
ihre Umwelt und über ihr Leben machen.“ Gedanken über<br />
ihre unmittelbare Umwelt haben sich auch die Gruppen der<br />
Nachrichtenfilmer gemacht, die unter der Leitung von Manja<br />
Rothe-Balogh sechs Beiträge geplant und produziert haben.<br />
„Die Anforderungen für die Studierenden waren, auf professionellem<br />
Niveau einen kurzen Nachrichtenbeitrag zu einem<br />
aktuellen Thema zu entwickeln“, so Rothe-Balogh. Thematisiert<br />
wurden dann unter anderem der umstrittene Abriss der<br />
Hochhäuser am Riebeckplatz und der Hochschulpakt 2020.<br />
Daneben fanden sich jedoch auch amüsante Stücke wie der<br />
Beitrag „Unisport gegen Winterspeck“. Die sechs Nachrichtenfilme<br />
wurden außerdem im Uni-TV ausgestrahlt und können<br />
auf der Website von Uni-TV angeschaut werden.<br />
Die Arbeiten zeigen, welche Freiheiten den MuK-Studierenden<br />
während der Seminare gewährt wurden, so dass ihrer<br />
Kreativität und den verschiedenen Interessen kaum Grenzen<br />
gesetzt waren. Die Bandbreite der Inhalte und deren individuelle<br />
Umsetzung machten die Drehmomente nicht nur für<br />
die Filmemacher zu einem besonderen Abend. Und so dürfte<br />
der wohlverdiente Applaus <strong>des</strong> begeisterten Publikums die<br />
Anstrengungen <strong>des</strong> vergangenen Semesters mehr als wettgemacht<br />
haben. n<br />
In der 23. Sendung von Uni-TV können die Nachrichtenbeiträge<br />
der Drehmomente angesehen werden:<br />
8 http://www.uni-tv-halle.de<br />
Geschehen<br />
n<br />
11
n Gut gerüstet?<br />
12<br />
Kassensturz<br />
Sie liegen nur auf der faulen Haut, sind chronisch pleite und<br />
hauen ihr Geld in Cafés und Kneipen auf den Kopf. So ähnlich<br />
klingen die Vorurteile über die Spezies Student. Doch wie sieht es<br />
mit dem Wahrheitsgehalt dieser Klischees aus? Wie bestreitet der gemeine MuK-Studierende<br />
seinen Lebensunterhalt und was kann er sich abseits von Schlafen, Essen und Lernen noch<br />
leisten? Wir haben ein paar Kommilitonen zu ihren Einnahmen und Ausgaben befragt.<br />
Von Christiane Rasch und Sebastian Matthes<br />
Kellnernde Kamerafrau<br />
Maren Kießling<br />
10. Semester<br />
Mein Geld verdiene ich mir durch mehrere Nebenjobs.<br />
Ich habe hin und wieder Kamerajobs für den MDR<br />
und den Offenen Kanal Wettin. Mein festes<br />
monatliches Gehalt bekomme ich jedoch<br />
durch die Arbeit an der Bar und als Kellnerin<br />
in der Sternstraße. Durch diesen Job komme<br />
ich mit meinem Einkommen gut zurecht.<br />
Neben den normalen Ausgaben für Essen,<br />
Einkaufen und Feiern versuche ich, mein Geld<br />
weitgehend zu sparen, um mir dann irgendwann<br />
eine eigene Kamera leisten zu können.<br />
Feiernde Studentin<br />
Anna Buhler<br />
4. Semester<br />
Ich bekomme monatlich einen geringen Betrag BAföG. Außerdem unterstützen<br />
mich meine Eltern finanziell, so dass ich mit dem Geld, das mir zur Verfügung<br />
steht, recht gut auskomme. Neben der Miete, die ich<br />
mir mit meinem Freund teile, gebe ich das<br />
meiste Geld für Essen, Feiern, Handykosten,<br />
Benzin und Klamotten aus. Am <strong>Ende</strong><br />
<strong>des</strong> Monats bleibt dann mal mehr, mal weniger<br />
Geld übrig. Für die Zukunft spare ich aber<br />
noch nicht.
Abstinenter Weltenbummler<br />
Ludwig Gundermann<br />
4. Semester<br />
Für meine Hobbies mache ich gerne kleinere Abstriche im Alltag.<br />
Downhill und Freeriding sind kostspielige Sportarten, aber<br />
meine günstige Wohnung gleicht das wieder etwas aus. Außerdem<br />
verzichte ich auf Alkohol und bereise vom Gesparten<br />
dann lieber die Welt. BAföG bekomme ich leider nicht, aber<br />
durch die Unterstützung meiner Eltern kann ich gut leben.<br />
Im vergangenen Semester habe ich im Institut als Tutor für<br />
den Videoschnitt gearbeitet. Da fällt auch mal etwas für das<br />
Sparschwein ab, schließlich muss man ja auch an die Zukunft<br />
denken. Und außerdem, die nächste Reise kommt bestimmt!<br />
Sparsamer DJ<br />
Christopher Roos<br />
4. Semester<br />
In meiner Freizeit lege ich<br />
häufig auf. Das ist für mich eine<br />
Verdienstquelle, aber auch ein teures<br />
Hobby. Zumin<strong>des</strong>t am Anfang, wenn man sich<br />
die nötige Technik anschaffen muss. Heute kann ich<br />
das Geld stets in neue Platten investieren. Von den Einnahmen<br />
dauerhaft leben kann ich allerdings nicht, dafür ist die Auftragslage<br />
in dem Bereich zu unsicher. Insgesamt komme ich aber mit dem,<br />
was mir zur Verfügung steht, gut aus, auch weil mich meine Eltern<br />
finanziell unterstützen.<br />
Gut gerüstet? n<br />
13
n Reportage<br />
14<br />
Der lange Tag der kurzen Filme<br />
Was haben ein rückwärts laufender Neurotiker und ein Stück Seife gemeinsam? Sie sind<br />
beide Thema von Kurzfilmen, die mit Nachwuchspreisen ausgezeichnet wurden. MuK-Student<br />
Von Julius Schröder<br />
Friedemann Ebelt war einer der glücklichen Gewinner.<br />
ieser 17. Juni ist einer der schönsten Tage <strong>des</strong> Jahres.<br />
Die Mittagssonne scheint und ein laues Lüftchen<br />
weht durch die Kastanienbäume. Immer mehr<br />
Menschen erklimmen die Stufen hoch zum Halleschen<br />
Volkspark. Menschen verschiedener Couleur:<br />
ältere Herrn im Anzug, Damen im Sommerkleid,<br />
Studierende in Flipflops. Im geräumigen Foyer stehen<br />
hinter weiß gedeckten Tischen schick gekleidete Studentinnen,<br />
die mit freundlichem Lächeln jedem Besucher sein weißes<br />
Namensschild übergeben. Wow<br />
- machen diese Schilder wichtig!<br />
Erhobenen Hauptes geht<br />
es weiter in den großen Saal.<br />
Sonnenstrahlen fluten durch<br />
die riesige Fensterfront. Vor der<br />
großen Bühne sind ein paar Tische<br />
für die sechsköpfige Kurzfilm-Jury<br />
aufgebaut, dahinter<br />
Sitzreihen im Halbkreis für die<br />
Gäste. Rasch füllt sich der Saal.<br />
Grüppchen finden sich zusammen<br />
und nehmen Platz.<br />
Auch MuK-Studierende gesellen<br />
sich zueinander und<br />
unterhalten sich angeregt, bis<br />
eine helle Glocke erschallt.<br />
Der Nachwuchstag der Mitteldeutschen<br />
Medienförderung<br />
(MDM), KONTAKT 2010, ist<br />
eröffnet. Burkhard Fieber von der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt<br />
hält die Laudatio. Danach stimmt der Geschäftsführer der<br />
MDM, Manfred Schmidt, das Publikum auf die bevorstehende<br />
Diskussionsrunde ein: Das KONTAKT-Panel „Zeigt her Eure Filme<br />
– Der Kurzfilm als Brancheneinstieg“ wird von Mario Fischer,<br />
Noch gespannt, was der Tag bringen wird: die beiden MuK-Studenten<br />
Friedemann Ebelt (li.) und Paul Rieth beim MDM Nachwuchstag<br />
einem MDM-Gutachter und ehemaligem MuK-Studenten, geleitet.<br />
Zusammen mit fünf weiteren Experten der Kurzfilmszene<br />
Mitteldeutschlands erläutert er, was einen guten Kurzfilm ausmacht.<br />
Während sich die Diskutanten ereifern, steigt die Raumtemperatur<br />
im Saal unerträglich an. Um mich herum knurrende<br />
Mägen. Die helle Glocke bringt die Erlösung: Pause. Im Foyer<br />
sind die weißgedeckten Tische nun voll mit duftendem Kaffee<br />
und kleinen Kuchenstückchen. Schnell ist alles verspeist, doch<br />
wie im Märchen wird immer wieder aufgefahren – bis die helle<br />
Glocke wieder läutet.<br />
Auf die Plätze, fertig,<br />
Pitching!<br />
Die Spannung steigt, denn<br />
nun beginnt das Pitching. Nur<br />
eines der acht eingeladenen<br />
Kurzfilmteams kann das Preisgeld<br />
erringen. Zehn Minuten<br />
stehen für die Präsentation zur<br />
Verfügung, um die Experten<br />
vom eigenen Kurzfilmprojekt<br />
zu überzeugen. Das erste Team<br />
versucht, die Jury mit einer<br />
ungewöhnlichen Einleitung zu<br />
fangen: „Stellen Sie sich vor,<br />
Sie sind im Einkaufsmarkt an<br />
der Kasse und jemand schnappt<br />
sich plötzlich ihre eben gekauften<br />
Sachen.“ Der Film „Frau Schmidt heißt jetzt ,Die Putze‘“<br />
soll auf menschenunwürdige Jobs in unserer Konsumgesellschaft<br />
hinweisen. Andere Teams zeigen Bilder oder Fotos, wieder<br />
andere präsentieren bereits vorläufige Filmausschnitte. So<br />
verschieden wie die Pitchings, so verschieden die vorgestellten<br />
Das MDM-Pitching: Gelegenheit und Chance für junge Filmschaffende, ihre Projekte vorzustellen und Fördermittel zu akquirieren
Projekte: witzige Animationsfilme oder bedrückende Reportagen,<br />
Coming-of-age-Filme und sehr erwachsene architekturhistorische<br />
Dokumentationen. Interessant sind sie alle. Auch der<br />
MuK-Student Paul Rieth stellt sein Projekt „Flaschensammler“<br />
vor. Es geht um einen Hallenser, der sich selbstbewusst gegen<br />
Pöbeleien verständnisloser Passanten zur Wehr setzt.<br />
„Das Programm wird immer besser und die Studenten<br />
tauschen sich über die Länder hinweg aus<br />
und das finde ich klasse!“<br />
Prof. Dr. Gerhard Lampe<br />
Die Jury entscheidet sich letztendlich für „Zurück auf Schwarz“.<br />
Ein Puppentrick-Animationsfilm von Sonja Gebhardt, der in<br />
bewährter Stopp-Trick-Manier umgesetzt ist: Ein alter Mann,<br />
der sich vor allem und jedem fürchtet, versucht, seinen Neurosen<br />
rückwärts laufend zu entkommen. Dabei stößt er mit dem<br />
Tod zusammen, der ihm später das Leben rettet. Das Publikum<br />
bricht immer wieder in schallen<strong>des</strong> Gelächter aus und die Jury<br />
honoriert die Filmemacherin mit dreitausend Euro Preisgeld.<br />
Seife aus Rindertalg<br />
Die helle Glocke beendet das Pitching und die Gäste strömen<br />
aus dem Saal. Einer, der noch eine Weile sitzen bleibt, um seine<br />
Eindrücke zu verarbeiten, ist Friedemann Ebelt. Mit kurzer<br />
Hose, orange-kariertem Hemd und Denkerbrille starrt er in den<br />
Raum. Im Vorfeld wurde der Hallenser MuK-Student als einer<br />
der heißesten Favoriten auf einen Unicato-Kurzfilm-Award gehandelt.<br />
Erst zwei Tage zuvor hat er für seinen Experimental-Film<br />
„Frisch machen“ den Jurypreis <strong>des</strong> Kurzfilmfestivals<br />
„Selbstgedrehtes“ gewonnen. Ich geselle mich zu ihm und<br />
wir kommen ins Gespräch: Wie er denn darauf gekommen ist,<br />
einen Film über das Händewaschen zu machen, möchte ich<br />
wissen. „Es fing an mit dem Seminar ’dokumentarisch arbeiten’<br />
bei Steffi Schültzke. Da haben wir uns zunächst mit der<br />
schriftlichen Reportage auseinandergesetzt. Ich habe mir die<br />
Hände gewaschen und aufgeschrieben, was mir dabei einfiel:<br />
Wasserverschwendung, Hormone im Wasser, Keramikimport aus<br />
China und so weiter.“ Auf die Frage, ob er die Inspiration mit<br />
den Tieren, aus deren Fett Seife gemacht wird, aus dem Film<br />
‚Fight Club‘ habe, antwortet Ebelt mit einem Grinsen: „Das hat<br />
mich letztens auch einer gefragt. Aber es ist mir erst danach<br />
eingefallen. Der Zugang war, wie gesagt, diese Reportage bei<br />
Steffi Schültzke. Hormone im Wasser, Keramik aus China und<br />
so habe ich rausgeschmissen und bin dann irgendwie bei der<br />
Seife hängen geblieben.“ Und was will uns der Künstler damit<br />
sagen? „Ich zeige Tatsachen: Dass Seife aus Rindertalg gemacht<br />
wird. Dass die Gesellschaft oberflächlich ist und die Leute nur<br />
nach ihrem Aussehen und ihrem Beruf beurteilt werden.“ Und<br />
wie lange hat er dafür gebraucht? „Von der ersten Idee bis<br />
zum fertigen Film ein halbes Jahr. Es war ein geiles, offenes<br />
Seminar. Also die Themen waren sehr offen. Auch die Form war<br />
sehr offen.“ Wir quatschen noch eine ganze Weile weiter und<br />
begeben uns nach draußen. Dort lungern die Gäste am Buffet<br />
herum und knüpfen Kontakte um die Wette. Andere aalen sich<br />
in der Sonne, bis um kurz vor acht die helle Glocke die Unicato-<br />
Award-Show einläutet.<br />
Medienpraxis trägt Früchte<br />
Begrüßung durch Wolfgang Stockert, den Kanzler der Burg Giebichenstein.<br />
Der Rektor der MLU, Wolfgang Diepenbrock, hält<br />
eine Laudatio auf die praxisorientierten Medienstudiengänge<br />
in den neuen Bun<strong>des</strong>ländern. Nach weiteren Rednern, kommt<br />
es endlich zur Preisverleihung der begehrten Unicato-Awards:<br />
Nun geht‘s Schlag auf Schlag: Vorstellung der Prämierten,<br />
Preisträger auf die Bühne, Preis in die Hand, Abgang mit Musik.<br />
Es geht zu, wie bei der Massenabfertigung im Schlachthof aus<br />
Friedemann Ebelts Film „Frisch machen“. Dieser gewinnt dann<br />
tatsächlich in der Kategorie Bester Experimentalfilm.<br />
MuK-Professor Dr. Gerhard Lampe lässt es sich nach der Show<br />
im Foyer nicht nehmen, seinem Schützling Friedemann Ebelt,<br />
<strong>des</strong>sen Film er persönlich eingereicht hatte, zu gratulieren:<br />
Wie eine große Familie (v.l.n.r.): Manja Rothe Balogh (MuK-Dozentin),<br />
Juliane Fuchs (Unicato), Gerhard Lampe (MuK-Professor), Wolfgang<br />
Stockert (Kanzler der Burg & Vorsitzender <strong>des</strong> Volksparkvereins) und<br />
Prof. Wolfgang Diepenbrock (ehemaliger Rektor der MLU)<br />
„Innerhalb einer Woche zwei Preise: Ja, wirklich, das Konzept<br />
ihres Filmes ist klasse!“ Daraufhin erklärt sein Schützling: „Das<br />
Konzept kommt aus der Ethnologie! Der fremde Blick auf die<br />
eigene Gesellschaft...“ Auf die Frage nach den Eindrücken <strong>des</strong><br />
Tages antwortet Lampe mit seinem bekannten Sean-Connery-<br />
Lächeln: „Das Programm wird immer besser und die Studenten<br />
tauschen sich über die Länder hinweg aus und das finde<br />
ich klasse!“ Er lacht herzlich, kommt aber schnell wieder zum<br />
Punkt: „Beispielsweise hat Maren Kießling, eine unserer engagierten<br />
MuK-Studentinnen, sowohl bei ‚Frisch machen‘ als<br />
auch einem weiteren heute prämierten Beitrag Kameraassistenz<br />
gemacht.“ Während wir langsam aus dem Foyer <strong>des</strong> Volksparkhauses<br />
heraus in die warme Sommernacht hinein schlendern,<br />
meint er noch: „Das kriegen die auch in Berlin und anderswo<br />
mit, dass in Mitteldeutschland eine kleine kreative Szene<br />
wächst und dass man hier die Medieninstitute in der Region<br />
besser miteinander vernetzt. Die Leute arbeiten zusammen, lernen<br />
sich dabei kennen, stoßen sich ab, nähern sich an. Machen<br />
zusammen Projekte - so läuft das immer.“ n<br />
Reportage n<br />
15
n <strong>Kontrovers</strong><br />
16<br />
Das <strong>Ende</strong> <strong>des</strong> <strong>kostenlosen</strong> <strong>Fernsehens</strong>?<br />
Die Ära <strong>des</strong> analogen TV-Empfangs nähert sich dem <strong>Ende</strong>. Glaubt man Sendeanstalten und<br />
Netzbetreibern, so ist der Umstieg auf digitales Fernsehen ausschließlich mit Vorteilen für alle<br />
verbunden. Theoretisch. In der Praxis aber sieht sich der Kunde einer Reihe künstlich ge-<br />
schaffener technischer Hürden ausgesetzt und wird nicht selten mehrfach zur Kasse gebeten.<br />
Von Sebastian Matthes<br />
lachbildfernseher erobern die Kundschaft im Sturm:<br />
Mitte 2009 war bereits ein Drittel der deutschen<br />
Haushalte mit den Alleskönnern ausgestattet – elf<br />
Prozent mehr als im Vorjahr. Verkaufsargument<br />
Nummer eins: „Fernsehen schärfer als die Realität“.<br />
Um tatsächlich in den Genuss <strong>des</strong> hochauflösenden <strong>Fernsehens</strong><br />
(HDTV) zu kommen, muss der Kunde vom Analog- zum<br />
Digitalanschluss wechseln. In der Theorie gestaltet sich der<br />
Umstieg einfach. Der Standard für digitale Übertragungen DVB<br />
garantiert, dass die Empfangsgeräte mit allen Ausstrahlungen<br />
kompatibel sind. Aktuelle Fernseher benötigen meist keine weiteren<br />
Geräte für den Digitalempfang und sind sofort einsatzbereit.<br />
Häufig aber scheitert das Konzept an technischen Voraussetzungen<br />
und Forderungen, die Sender- und Netzbetreiber an<br />
ihre Angebote binden.<br />
Wie viele Geräte verträgt<br />
die Haushaltskasse?<br />
Der Umstieg hält für den Kunden zahlreiche Tücken bereit. Hat<br />
der sich erst einmal durch einen Dschungel von Fachbegriffen<br />
geschlagen, muss er erkennen, dass er nicht nur für teure<br />
Abonnements, sondern auch für neue Empfangsgeräte tief<br />
in die Tasche greifen muss. Dabei ist die bestehende Technik<br />
keinesfalls veraltet, nur entspricht sie nicht den Sicherheitsbedürfnissen<br />
der Anbieter und wird daher ausgeschlossen. Der<br />
deutsche Mieterschutzbund (DMB), der GdW Bun<strong>des</strong>verband<br />
deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen sowie der<br />
Verbraucherzentrale Bun<strong>des</strong>verband (VZBV) fordern die Einstellung<br />
dieser Praxis, da sie die Digitalisierung <strong>des</strong> deutschen<br />
Rundfunks aufhalte und zudem nicht mit den Rundfunkstaatsgesetzen<br />
vereinbar sei. Kabelnutzer etwa müssen nicht nur eine<br />
zusätzliche monatliche Gebühr für den Digitalempfang, etwa in<br />
Höhe von rund fünf Euro an den in Halle führenden Kabelnetzbetreiber<br />
Tele Columbus, hinnehmen.<br />
Spätestens am 30. April 2012 bleiben die Bildschirme<br />
bei Digital-Verweigerern schwarz<br />
Das digitale Angebot wird verschlüsselt ausgestrahlt und ist nur<br />
mit einem speziellen CI-Modul oder einer vorgegebenen Set-<br />
Top-Box zu empfangen. Eine sogenannte Smartcard autorisiert<br />
den Kunden zum Fernsehen und muss freilich gegen Aufpreis<br />
samt Receiver für jeden weiteren Fernseher im Haushalt angeschafft<br />
werden. Auch Satellitenbetreiber ziehen nach. Bislang<br />
war Verschlüsselung nur für Pay-TV-Kunden ein Ärgernis, nun<br />
ist jeder betroffen, der die deutschen Free-TV-Sender der RTL<br />
Group und der ProSiebenSat.1 Media AG in HD empfangen<br />
möchte. Der Empfang <strong>des</strong> HD+ genannten Pakets erfordert<br />
ein nicht-standardisiertes CI+-Modul, das mit vielen bestehenden<br />
Receivern inkompatibel ist. Das digitale terrestrische<br />
Fernsehen, das eigentlich flächendeckend mobilen Empfang<br />
ermöglichen soll, ist durchsetzt von Insellösungen. Kunden in<br />
Halle beispielsweise müssen sich beim kostenpflichtigen Programmpaket<br />
VISEO+ der RTL Group mit einem von nur zwei<br />
unterstützten Heim-Receivern zufrieden geben. Fernsehen unterwegs<br />
mit dem DVB-T-Stick? Fehlanzeige. Mittlerweile hat<br />
sich das Bun<strong>des</strong>kartellamt der Sache angenommen: mit Razzien<br />
bei ProSiebenSat.1 und RTL. Die Kartellwächter werfen den<br />
Konzernen vor, Absprachen bezüglich der Verschlüsselung ihrer<br />
Programme getroffen zu haben. Der Verbraucher sei nicht nur<br />
zu teuren Neuanschaffungen gezwungen, sondern werde etwa<br />
für die Nutzung von HD+ auch noch mit einer jährlichen<br />
Gebühr von 50 Euro zur Kasse gebeten.<br />
Wer sich das alles nicht gefallen<br />
lassen und dem guten<br />
alten Analogfernsehen<br />
weiterhin die Treue halten<br />
möchte, schaut demnächst<br />
womöglich in die Röhre. Mit<br />
der voranschreitenden Digitalisierung<br />
sind analoge Ausstrahlungen<br />
der Branche<br />
zunehmend zur finanziellen<br />
Last geworden. Das<br />
analoge terrestrische<br />
Fernsehen gehört<br />
bereits der Vergangenheit<br />
an. Noch<br />
während die frei<br />
gewordenen Frequenzen<br />
an Mobilfunkanbieter<br />
versteigert wurden,<br />
haben sich Lan<strong>des</strong>medienanstalten<br />
und Senderbetreiber
ereits auf die Abschaltung analoger Satellitenübertragungen<br />
geeinigt. Spätestens am 30. April 2012 bleiben die Bildschirme<br />
bei Digital-Verweigerern schwarz . Auch Kabelkunden können<br />
sich nicht in Sicherheit wiegen. Geht es nach dem Fahrplan<br />
<strong>des</strong> Verbands privater Rundfunk- und Telemedien (VPRT), so<br />
soll auch hier noch dieses Jahr ein Datum für einen „harten<br />
Umstieg“ gefunden werden. Von der digitalen Dividende aus<br />
den frei werdenden Ressourcen, so die VPRT, sollen alle profitieren.<br />
Doch wie steht es um den Verbraucher? Dieser muss<br />
die Mehrkosten der HDTV-Infrastruktur, die sich beispielsweise<br />
für die Öffentlich-Rechtlichen bis 2012 auf 400 Millionen Euro<br />
belaufen, fortan mitfinanzieren. Im Gegenzug dazu erhält der<br />
Kunde aber doch ein rundum besseres Angebot. Oder?<br />
HD+, ein Minus für den Kunden<br />
Zwar kommt HD+ dem Versprechen, Inhalte so scharf wie nie<br />
auf den Bildschirm zu zaubern, recht nahe, aber die Farbenpracht<br />
versperrt so manchem die Sicht auf das Kleingedruckte.<br />
Kartellwächter sowie Verbraucherschützer geißeln die neuen<br />
„Funktionen“ von CI+. Das Modul unterbindet die Aufnahme<br />
von HD-Programmen auf Festplatte, beschränkt Timeshift-Optionen<br />
und hindert Zuschauer daran, Werbung zu überspringen.<br />
Die Privatsender begründen die Einschnitte in die Freiheiten<br />
der Kunden mit den hohen Sicherheitsanforderungen,<br />
die Hollywood-Studios an die Lizenzierung ihrer Produktionen<br />
knüpfen. Der Kopierschutz, so Astra-Pressesprecherin Silke<br />
Goedereis gegenüber der dpa, war Voraussetzung der Privaten,<br />
um überhaupt hochauflösende Inhalte auszustrahlen.<br />
Auf das falsche Pferd gesetzt?<br />
Die werbefinanzierten Sender, so scheint es, versuchen, mit<br />
Verschlüsselung und Entgelten in die Fußstapfen <strong>des</strong> Pay-TV<br />
zu treten. Darüber vermag auch die Deklarierung der Gebühren<br />
als „Servicepauschale“ schwerlich hinweg zu täuschen. Die<br />
Suche nach neuen Finanzquellen abseits von Sparmaßnahmen<br />
erscheint angesichts der Mitte 2009 weggebrochenen Werbeeinnahmen,<br />
die bei RTL und ProSiebenSat.1 Umsatzrückgänge<br />
von bis zu 68 Prozent zur Folge hatten und den Schuldenberg<br />
letzterer auf eine Höhe von über 3,5 Milliarden Euro trieben,<br />
durchaus gerechtfertigt. Doch ist die nun eingeschlagene Strategie<br />
die richtige? Aktuelle Marktentwicklungen zeigen, dass<br />
werbefinanziertes Fernsehen noch lange nicht gestorben ist. So<br />
legte ProSiebenSat.1 <strong>Ende</strong> April Zahlen vor, die eine Steigerung<br />
<strong>des</strong> Umsatzerlöses im Free-TV-Segment um 7,2 Prozent im<br />
Vergleich zum Vorjahr aufweisen und dem Konzern zum ersten<br />
Mal seit Jahren schwarze Zahlen bescheren. Gestiegene Werbeeinnahmen<br />
im deutschen Fernsehen brachten auch der RTL<br />
Group ein beträchtliches Umsatzplus. Düster hingegen sieht<br />
es beim Pay-TV aus. Dem Marktführer Sky laufen die Kunden<br />
in Scharen davon. Trotz massiver Werbeaufwendungen konnten<br />
im ersten Quartal unterm Strich nur magere 1000 Kunden<br />
gewonnen werden und der Riese fuhr in diesem Zeitraum einen<br />
Verlust von knapp 97 Millionen Euro ein. Auch HD+-Betreiber<br />
SES Astra musste Rückschläge hinnehmen. September letzten<br />
Jahres scheiterte <strong>des</strong>sen Vertriebsplattform entavio endgültig,<br />
nachdem bereits 2007 der Ausstieg von ProSiebenSat.1 im Zuge<br />
eines Kartellverfahrens das Schicksal <strong>des</strong> HD+-Vorgängers<br />
besiegelt hatte.<br />
Die Kunden sind verunsichert<br />
Der wahre Verlierer im HDTV-Dschungel bleibt aber der Kunde,<br />
der, verwirrt durch die künstlich geschaffenen technischen Voraussetzungen,<br />
der berechtigten Angst verfällt, Fehlanschaffungen<br />
zu tätigen. Auch ist er nicht bereit, private Sender dreifach<br />
über Gebühren, Geräte und letztlich auch durch das Rezipieren<br />
von Werbung zu finanzieren. Dies schlägt sich auch auf den<br />
Erfolg <strong>des</strong> Digitalumstiegs nieder. Folgt man den Erhebungen<br />
der Arbeitsgemeinschaft für Fernsehforschung (AGF), so verläuft<br />
der Prozess schleppend. Stieg die Digitalisierungsquote<br />
im ersten Halbjahr 2009 noch um knapp drei Prozent, waren es<br />
dieses Jahr im gleichen Zeitraum weniger als halb so viel.<br />
Einen kleinen Lichtblick bietet das Bouquet der Öffentlich-<br />
Rechtlichen: Zumin<strong>des</strong>t über Satellit sind alle digitalen Programme<br />
ohne Zuzahlung und unverschlüsselt zu empfangen.<br />
Benötigt wird aber dringend ein übergreifen<strong>des</strong> und faires<br />
DTV-Konzept, um die Diversifizierung <strong>des</strong> TV-Angebots in<br />
Deutschland auf Dauer sicherzustellen. n<br />
Was ist eigentlich...<br />
HDTV?<br />
High Definition Television ist ein Sammelbegriff für eine<br />
Reihe von Fernsehnormen, die sich gegenüber<br />
herkömmlichem Digitalfernsehen<br />
(SDTV) durch eine höhere Auflösung auszeichnen.<br />
Üblich sind Vertikalauflösungen<br />
von 720 und 1080 Zeilen, herkömmliches<br />
Analog- und Digitalfernsehen bietet im Vergleich dazu nur<br />
576 Zeilen.<br />
DVB-S/T/C?<br />
Digital Video Broadcasting bezeichnet die standardisierten<br />
technischen Verfahren zur TV-Übertragung<br />
über Satellit, Antenne und Kabel. Sie<br />
garantieren die Kompatibilität von Sende-<br />
infrastruktur und Empfangsgeräten durch<br />
Vorgaben zu Merkmalen wie Modulationsverfahren,<br />
Video- und Audioformaten oder interaktiven<br />
Diensten.<br />
CI/CI+?<br />
Das Common Interface ist eine Schnittstelle zur Erweiterung<br />
von DVB-Receivern. Im CI-Schacht<br />
<strong>des</strong> Geräts findet meist ein Modul Platz,<br />
welches das Entschlüsseln bestimmter<br />
Fernsehsender ermöglicht. CI+ erweitert<br />
den Standard um nutzungsbeschränkende<br />
Funktionen und den HDCP-Kopierschutz,<br />
ist aber nicht standardisiert und daher mit vielen<br />
Empfangsgeräten inkompatibel.<br />
<strong>Kontrovers</strong> n<br />
17
n <strong>Kulturbeute</strong><br />
18<br />
Leben zwischen zwei Kulturen<br />
Ein Land liegt in Europa, das andere in Asien. Die zwei unterschiedlichen Kulturen<br />
treffen sich hier in Halle, im Leben der vietnamesischen Ausgewanderten. Wie sie ihre<br />
Von Thu Trang Lương<br />
Heimat in den Herzen behalten? Medien helfen ihnen dabei.<br />
ch liebe Deutschland“, sagt Hiền, eine hübsche 40-jährige<br />
Vietnamesin. Seit 20 Jahren lebt sie in Deutschland.<br />
Zurzeit wohnt sie mit ihrer Familie im Zentrum von Halle.<br />
Mit ihrem Mann besitzt sie ein Bistro in der Rathausstraße.<br />
Ihr Arbeitstag beginnt um neun Uhr früh und<br />
endet, wenn die Uhr wieder neun zeigt. Sie hatte eine<br />
schwierige Zeit, aber<br />
jetzt ist alles besser. Es<br />
gibt viele Gründe dafür,<br />
warum Vietnamesen<br />
nach Deutschland<br />
auswandern, aber alle<br />
wollen hier ein besseres<br />
Leben haben. Es ist<br />
schwierig, in Vietnam<br />
zu leben, wenn man<br />
nicht studiert oder<br />
eine gute Berufsausbildung<br />
hat. Das Land<br />
kann die Arbeitslosen<br />
und die Familien<br />
nicht unterstützen.<br />
Man sieht viele Straßenkinder<br />
und fragt<br />
sich, warum diese<br />
kleinen Menschen auf<br />
der Straße ‚zuhause‘<br />
sind. Wenn deine Eltern<br />
kein Geld für die<br />
Schule haben, dann<br />
bleibst du zu Hause<br />
und suchst dir einen Job: Müll sammeln, Lottolose verkaufen,<br />
als Küchenhilfe arbeiten… „Hier kann ich sicherlich einen Job<br />
finden, und meine Kinder dürfen auf jeden Fall in die Schule<br />
gehen. Niemand lässt uns im Stich“, behauptet Hiền. Trotzdem<br />
hat Vietnam einen wichtigen Platz in ihrem Herzen. Sie ist<br />
dort geboren und aufgewachsen. Ihre Eltern leben noch in dem<br />
schönen friedlichen Dorf Hà Tây in Nord-Vietnam. Ist die große<br />
geografische Entfernung ein Hindernis für die Kommunikation<br />
mit ihrem Heimatland?<br />
Wie auch andere Vietnamesen hat sie in den ersten Jahren Briefe<br />
geschrieben. Es hat immer lange gedauert bis ihre Familie sie<br />
bekommen hat. Die damals 24-jährige Frau hat oft in der Nacht<br />
aus Einsamkeit geweint. Telefonieren konnte sie nur selten.<br />
„Das ganze Dorf hatte nur ein Telefon. Ich musste die Familie,<br />
die Telefon hatte, erst anrufen, damit sie meine Eltern holen<br />
konnten. Dann musste ich noch mal anrufen, um mit meinen<br />
Eltern zu sprechen.“ Jetzt ist alles schon anders. Die rasche<br />
Entwicklung der Medien hilft Hiền und anderen Vietnamesen,<br />
den Kontakt zu ihren Familien aufrecht zu erhalten. Hiền kann<br />
jetzt jederzeit ihre Eltern erreichen. Mit der billigen Nummer<br />
telefoniert sie so oft wie möglich. Briefe schreibt sie keine mehr,<br />
statt<strong>des</strong>sen mailt sie.<br />
Máy vi tính và báo chí:<br />
Computer und Zeitungen<br />
Für viele ältere vietnamesische Auswanderer ist Internet kein<br />
unbekannter Begriff. Die meisten von ihnen lernen den Computer<br />
durch ihre Kinder kennen. Die junge IT-Generation erklärt<br />
ihnen, wie sie mit dem Internet umgehen. So können sie Nachrichten<br />
lesen, Filme schauen und Musik hören. „Mehr brauche<br />
ich auch nicht“, sagt Bình, eine 45-jährige zweifache Mutter.<br />
Seit 18 Jahren lebt sie mit ihrer großen Familie in Halle. „Meine<br />
große Tochter zeigt mir, wie ich mit meinen Freunden und Verwandten<br />
in Vietnam chatte. Das ist wirklich sehr praktisch, wie<br />
das Telefon. Ich kann jetzt auch sogar mit Skype umgehen. Das<br />
können nicht alle meine Freundinnen“, lacht sie stolz. Mit ihrer<br />
Schwester besitzt sie einen großen Laden in Halle-Neustadt. Sie<br />
verkaufen alle möglichen Haushaltswaren und andere Sachen.<br />
Die meiste Zeit verbringt sie im Laden, und den Rest? „Ich bin<br />
gern in der Küche. Bei der Vorbereitung <strong>des</strong> Essens für mehr<br />
als zehn Leute in meiner Familie habe ich immer einen Fernseher<br />
dabei. Ich kann arbeiten und mich nebenbei auch noch<br />
ausruhen.“ Für Bình und alle Vietnamesen ist Fernsehen ein<br />
wichtiges Medium, denn es ist einfach zu handhaben. Der einzige<br />
vietnamesische Sender, den man in Deutschland empfangen<br />
kann, ist VTV4. Er wird in vietnamesischer, teilweise auch<br />
Heimat, sie ist wie der Arm, zart und warm,<br />
Der mich trägt im Schlaf, während der Regennacht.<br />
Heimat, sie ist wie der Vollmond eines nachts,<br />
Als die Arecablumen den Hof weiß bedeckend<br />
herunter flattern<br />
Quê hương là vòng tay ấm<br />
Con nằm ngủ giữa mưa đêm<br />
Quê hương là đêm trăng tỏ<br />
Hoa cau rụng trắng ngoài<br />
thềm
in englischer und französischer Sprache ausgestrahlt. Seit April<br />
2000 kann der Sender in Asien, Europa, Nordafrika, Nordamerika<br />
und Nordwestaustralien empfangen werden. VTV4 hat ein<br />
vielfältiges Programm, das sich auf die Vietnamesen im Ausland<br />
konzentriert. Er hat nicht nur die Aufgabe, Vietnam internationalen<br />
Freunden vorzustellen, sondern auch, die ausgewanderten<br />
Vietnamesen am Leben ihres Heimatlan<strong>des</strong> teilhaben zu<br />
lassen. Das Programm besteht aus Nachrichten, Musik, Events<br />
und Kultur in Vietnam, Talkshows, BIZ Vietnam und Filmen<br />
mit englischem Untertitel. Die<br />
wichtigen vietnamesischen Feste<br />
werden immer live gesendet.<br />
Zeitungen und Zeitschriften<br />
sind auch beliebte Medien, obwohl<br />
man hier nicht viele vietnamesische<br />
Zeitungen kaufen<br />
kann. In Halle sind sie in den<br />
asiatischen Läden zu bekommen.<br />
Neben den Zeitungen,<br />
die direkt aus Vietnam nach<br />
Deutschland importiert werden,<br />
erscheinen in einigen kleinen<br />
Redaktionen in Deutschland<br />
auch wöchentlich vietnamesische<br />
Zeitungen wie Tuân tin<br />
tức, Việt báo. Im Gegensatz zu<br />
den anderen Zeitschriften aus<br />
Vietnam vermitteln sie einen<br />
großen Teil <strong>des</strong> Geschehens in Deutschland, zum Beispiel Aktivitäten<br />
von Vietnamesen in Deutschland, Nachrichten, deutsche<br />
Politik für Ausländer und ähnliches. Sie befriedigen den<br />
Lesebedarf der Vietnamesen, die nicht gut Deutsch können,<br />
damit sie die soziale Situation in Deutschland trotzdem einschätzen<br />
können.<br />
Gíao dục con cái: die Kindererziehung<br />
Kinder sind das größte Glück, aber auch immer die größte Sorge<br />
der Eltern, besonders wenn sie in zwei verschiedenen Kulturen<br />
aufwachsen. Viele von ihnen können ganz wenig vietnamesisch,<br />
für sie ist die Muttersprache fast eine Fremdsprache. Weil die<br />
Eltern den ganzen Tag arbeiten müssen, verbringen die Kinder<br />
am liebsten ihre Freizeit mit dem Computer, Fernsehen oder<br />
anderen Medien. Es ist schwer, die Erziehungsmethoden von einem<br />
asiatischen Land auf die Kinder, die in einem europäischen<br />
Land aufwachsen, zu übertragen. Wichtige Erziehungsthemen<br />
für die vietnamesischen Eltern sind Liebe und Sex. In vietnamesischen<br />
Schulen ist Sex ein Tabuthema. Wenn die Eltern es<br />
ihnen nicht erlauben, ist Sex für Jugendliche unter 18 Jahren<br />
verboten. Es gibt keine richtige Sexualerziehung, sondern<br />
nur wenig Kenntnisse über den menschlichen Körper und Geschlechtsverkehr.<br />
Das Motto ist: „Du darfst keinen Sex haben!“<br />
Das heißt auch, die Kinder brauchen nichts darüber zu wissen.<br />
Lehrer und Eltern vermeiden es, über das Thema zu reden. Das<br />
regt die Kinder aber an, mehr darüber erfahren zu wollen. In<br />
Deutschland ist das alles anders. Kinder werden schon ab der<br />
Grundschule über den menschlichen Körper informiert. Sexual-<br />
Vietnamesische Frauen aus Halle bei einem traditionellen Tanz<br />
kunde ist obligatorisch in der deutschen Schule. Die Jugendlichen<br />
sollten möglichst nicht, dürfen aber Sex haben, wenn sie<br />
dafür bereit sind, wobei aber auch hier Altersgrenzen gelten.<br />
Was können die vietnamesischen Eltern tun, wenn ihre Kinder<br />
in einer völlig anderen Schulerziehung aufwachsen? Sollen sie<br />
alles verbieten? Nein, das geht nicht.<br />
„Meine Tochter liest gern BRAVO. Ich kann ihr nicht verbieten,<br />
sie zu lesen.“ Als Bình zufällig einmal die BRAVO gelesen<br />
hat, musste sie noch einmal<br />
überlegen, ob das eine Teenie-<br />
Zeitschrift ist. „Sie reden offen<br />
über Sex. Die jungen Leute zeigen<br />
sogar ihren nackten Körper.<br />
Aber das ist doch normal<br />
in Deutschland. Meine Tochter<br />
hat auch schon fast alles in der<br />
Schule gelernt.“ Bình versucht<br />
immer, ihren Kindern zu erklären,<br />
dass sie sich zuerst nur<br />
auf die Schule konzentrieren<br />
sollen. „Man kann nicht nur<br />
verbieten, aber ich muss immer<br />
auf sie aufpassen. Ich erkläre<br />
viel, und eigentlich verbiete ich<br />
es ihr auch schon“, lachte sie.<br />
„Sexualerziehung in Deutschland<br />
gefällt mir sehr gut. Ich<br />
verbiete meiner 16-jährigen<br />
Tochter nicht, mit ihrem Freund zu schlafen. Sie weiß doch<br />
schon alles über Verhütung und so, aber ich erkläre ihr auch<br />
gern zuvor alles“, sagt Hiền. Durch die fehlende beziehungsweise<br />
fehlerhafte Anwendung von Verhütungsmitteln entscheiden<br />
sich Frauen in Vietnam vermehrt für eine Abtreibung, so dass<br />
die Rate auf 2,5 Schwangerschaftsabbrüche pro Frau gestiegen<br />
ist. Das ist die zweithöchste Abtreibungsrate der Welt.<br />
Quê hương là cầu tre nhỏ<br />
Mẹ về nón lá nghiêng che<br />
Là hương hoa đồng cỏ nội<br />
Bay trong giấc ngủ đêm hè<br />
Heimat, sie ist wie die winzige Bambusbrücke,<br />
Über die kommt, den Kopf mit dem Strohhut bedeckt, meine<br />
Mutter nach Hause.<br />
Heimat, sie ist wie der Duft <strong>des</strong> Grases und der Feldblume,<br />
Den der Wind zu meinem Schlaf im Sommer trägt.<br />
Die rasche Entwicklung der Medien bringt die Jugendlichen<br />
in die Lage, alles zu erfahren. Mediennutzung hat für sie eine<br />
soziale Funktion; sie diskutieren und konsumieren das Programmangebot<br />
oft mit Freunden. Das Leben ohne Medien ist<br />
für sie nicht vorstellbar. Internet ist das beliebteste Medium,<br />
weil sie dadurch zahlreiche Möglichkeiten haben, sich über<br />
<strong>Kulturbeute</strong><br />
n<br />
19
n <strong>Kulturbeute</strong><br />
20<br />
Themen wie Liebe, Pubertät, Sex und Freundschaft zu informieren.<br />
Filme sind auch eine Quelle der Lebenserfahrung. Die<br />
Teenager schauen romantische Liebesfilme und versuchen, sie<br />
in ihrem Leben anzuwenden. Die deutsche Filmindustrie bietet<br />
den Jugendlichen auch bessere Möglichkeiten, viele Filme<br />
anzuschauen, während die vietnamesischen Teenager ganz<br />
wenige fremdsprachige Filme mit Übersetzung haben. Die<br />
unterschiedlichen Kulturen führen zur unterschiedlichen Entwicklung<br />
der Medien. Während Männermagazine wie Playboy<br />
oder Penthouse in Deutschland zu kaufen sind, werden sie in<br />
Vietnam als verwahrloste kulturelle Produkte gesehen und sind<br />
verboten. Während Prostitution in Deutschland legal ist, ist sie<br />
in Vietnam illegal. Deshalb gibt es logischerweise keine „Liebe<br />
oder Girls–Sender“ im vietnamesischen Fernsehen. Es ist sehr<br />
schwer für die vietnamesischen Eltern, ihre Kinder zu erziehen.<br />
Sie müssen die beiden Kulturen im ständigen Kampf gegen die<br />
Medien harmonisieren. n<br />
Impressum<br />
MuKJournal Nr. 13, Wintersemester 2010/11<br />
Herausgeber<br />
Hallisches Institut für Medien/Halle Institute of Media (HIM) an<br />
der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg e. V.<br />
Prof. Dr. Reinhold Viehoff (Vorsitzender)<br />
Produktion dieser Ausgabe<br />
Dr. Ingrid Brück (verantwortlich für Redaktion)<br />
Melanie Grießer (verantwortlich für Layout)<br />
Katja Berg (Assistenz)<br />
Redaktion und Layout: Eva Dietrich, Anna Jäger, Luise Kotulla,<br />
Timo Leich, Helen Lorenz, Thu Trang Luong, Sebastian Matthes,<br />
Christiane Rasch, Ulrike Schmidt, Julius Schröder, Diana Stöhr,<br />
Dominika Tux<br />
Bildnachweise<br />
Titel: Melanie Grießer | S. 2: privat (Portrait), Timo Leich (Gruppe)<br />
| S. 3: ein.heffalump1980 c flickr (TV), soavor_soaps c flickr (Seife),<br />
3d-erlebnis c wikimedia (Brillen) | S. 4: privat (Gruppe), Julius<br />
Schröder (Portrait) | S. 6: ein.heffalump1980 c flickr (TV), SDASM<br />
Archive c flickr (Portrait) | S. 7: privat | S. 8: Dabbelju c wikipedia,<br />
OnlineRadioMaster | S. 9: privat | S. 10: filmnetz.org | S. 11: Diana<br />
Stöhr | S. 12/13: f650biker/Lawrie Cate/Michael Osmenda c flickr,<br />
Allstarecho c wikimedia (Plattenspieler), mcol c openclipart.org<br />
(Geldsack), Will Murray c wikimedia (Glas), Shangri-la c (Palme),<br />
privat (Portraits) | S. 14/15: Julius Schröder | S. 16/17: Carlb c wikimedia<br />
(Receiver/CI-Modul), Telecolumbus (Smartcard, Receiver,<br />
Multimediadose), Julius Schröder | S. 18: din_bcn c flickr | S. 19:<br />
Thu Trang Luong (Gruppe), Mimi K c flickr | S. 20: Ali c flickr |<br />
S. 21: screenshots studivz.net | S. 24/25: privat | S. 28: privat |<br />
S. 29: Luise Kotulla | S. 30/31: Fräulein_schiller c flickr (links), Timo<br />
Leich (Kabel), betahaus c flickr | S. 33: Franziska Roscher (li.),<br />
Quê hương mỗi người chỉ một,<br />
Như là chỉ một mẹ thôi,<br />
Quê hương nếu ai không nhớ,<br />
Sẽ không lớn nổi thành người.<br />
(đỗ Trung Quân)<br />
Jeder Mensch hat nur eine Heimat,<br />
Wie er nur eine einzige Mutter hat,<br />
Wenn jemand seiner Heimat nicht gedenkt,<br />
Kann er kein wahrhaftiger Mensch werden!<br />
Frauke Holz (m.), Theresa Henning (re.) | S. 34: Peter Lang Verlag<br />
(links), Lan<strong>des</strong>museum für Vorgeschichte Halle (mitte), Leipziger<br />
Universitätsverlag (rechts) | S. 35: Eva Dietrich<br />
Grafiken, Logos und Zeichnungen<br />
S. 4: Shortmoves | S. 4: Melanie Grießer/wordle.net | S. 5: Melanie<br />
Grießer | S. 14: Julius Schröder | S. 15: Frank Murmann c wiki<br />
(HDTV, EICTA Marke), DVB Project (DVB), CI Plus LL Marke (CI+)<br />
| S. 18: Uwe Dedering c wikimedia (Karte), S. 20: MLU | S. 22/23:<br />
Dominika Tux | S. 26/27: Diana Stöhr | S. 30/31: Timo Leich |<br />
S. 32: Jacqueline Kohlmeyer<br />
Anzeigenkontakt<br />
Dr. Ingrid Brück<br />
Tel.: (03 45) 5523 572<br />
E-Mail: ingrid.brueck@medienkomm.uni-halle.de<br />
Druck<br />
Druckerei Franke<br />
Rapsweg 9, 06116 Halle<br />
Auflage: 600<br />
Redaktionsanschrift<br />
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />
Institut für Medien, Kommunikation & Sport,<br />
Dept. Medien- und Kommunikationswissenschaften<br />
MMZ, Mansfelder Str. 56, 06108 Halle (Saale)<br />
Postanschrift: 06099 Halle (Saale)<br />
E-Mail: mukjournal@medienkomm.uni-halle.de<br />
Die nächste Ausgabe erscheint zum Sommersemester 2011.
Von Diana Stöhr<br />
Schockierende Bilder bei studiVZ<br />
Applikationen zwischen Erbsenernte und Mord<br />
n einem Tag wie jedem anderen stehe ich früh auf, schalte<br />
den Computer ein und während sich dieser warmläuft,<br />
schmiere ich mir ein Marmeladenbrot. Vor der<br />
Uni schnell frühstücken, das Getreide ernten, die Kuh<br />
melken und das Schwein schlachten, abschließend, zur Entspannung,<br />
das Gehirn trainieren. Auf studiVZ bieten Applikationen<br />
von externen Anbietern dem Studierenden zahlreiche<br />
Morgens halb zehn im studiVZ: Aussicht auf eine reiche Ernte!<br />
Möglichkeiten, sich von Hausarbeiten und Co. abzulenken.<br />
Bei FroheErnte ist man Besitzer eines virtuellen Bauernhofs<br />
und klaut den Freunden die Ernte weg. Bei BrainBuddies konkurriert<br />
man mit anderen um die größte Gehirnmasse. Solche<br />
Flashgames haben ein sehr großes Suchtpotential. Auch ich<br />
logge mich jeden Morgen vor der Uni bei studiVZ ein, um mein<br />
Huhn zu füttern.<br />
So schaue ich auch an diesem Morgen wieder rein. Nach erfolgreicher<br />
Ernte und Jogging meines Gehirns irre ich noch<br />
auf anderen Profilen umher. „Martin hat ein neues App!“, lese<br />
ich und schon steuere ich meinen Mauszeiger in Richtung der<br />
stern.de Bilder-<strong>des</strong>-Tages-Application auf seiner Profilseite.<br />
Es öffnet sich eine Seite mit einem Fotostream. Ich klicke mich<br />
durch: Fotos vom größten Kürbis der Welt, einem singenden<br />
Fisch, von einem grünen Chiwuwa - Moment! Ich muss mal<br />
kurz schauen, ob ich meine Schoten bereits ernten kann!<br />
Zurück zu den Fotos: Papst Benedikt, der vor tausenden Menschen<br />
eine Rede hält, der Ölteppich auf dem Atlantik, Angela<br />
Merkel in einem grässlichen rosa Kostüm, die neue Frisur von<br />
Heidi Klum, Waldbrände in Brasilien, Kindersoldaten in Afrika,<br />
schreiende Demonstranten in China, eine tote Frau auf einem<br />
weißen Plastikstuhl. Halt! Das muss ich mir genauer anschau-<br />
en: Laut Bildunterschrift wurde Maria Gonzalez Opfer eines<br />
Bandenkrieges und mit verstümmeltem Gesicht, auf einem<br />
weißen Plastikstuhl sitzend, irgendwo in Mexiko gefunden.<br />
Die Informationen unter dem Bild rasen an mir vorbei, aber<br />
das Foto hat sich in mein Gehirn eingebrannt: der schlaffe<br />
Körper, die blutigen Hände, die zerschundenen Füße. Das Bild<br />
sagt mehr als tausend Worte. Es verrät mir zu viel. Es stachelt<br />
meine grausame Fantasie an und ich stelle mir vor, wie diese<br />
Frau ums Leben kam. Und plötzlich wird mir schlecht. Ich<br />
stelle mir Fragen: Was dachte sich der Fotograf, als er das<br />
Foto schoss? Wie nah war er an der Toten dran? Wie viel Geld<br />
verdient er mit diesem Foto? Standen die Angehörigen der<br />
Toten vielleicht neben ihm? Warum gehört dieses Foto zu den<br />
Bildern <strong>des</strong> Tages? Was soll mir das sagen? Grausame Dinge<br />
geschehen jeden Tag auf der Welt? Weiß ich das nicht bereits?<br />
Ist es nicht schlimm genug, sich dieser Tatsache bewusst zu<br />
sein; muss ich also den grausamen Tod dieser Frau mit eigenen<br />
Augen sehen?<br />
Ich klicke weiter. Wenige Minuten und einige Fotos von niedlichen<br />
Tieren, wütenden Politikern und halbnackten Frauen<br />
später, entschließe ich mich, noch einmal auf meinem Bauernhof<br />
vorbeizuschauen und anschließend Verena eine Mail<br />
zu schreiben, ob sie heute Abend auch zur Party von Christian<br />
kommt.<br />
Doch dann: Schockmoment zur Kaffeepause<br />
Am nächsten Morgen logge ich mich erneut bei dem stern-App<br />
ein. Wieder sehe ich schockierende Fotos, die eingebettet sind<br />
in die Banalitäten <strong>des</strong> Alltags. Ich öffne einen neuen Tab, versuche<br />
bei Brainbuddies einen neuen Rekord zu erreichen, beantworte<br />
Verenas Frage, wie ich die gestrige Party fand und<br />
entschließe mich dann, den stern-App wieder zu löschen. Ich<br />
möchte nicht jeden Tag mit solchen Bildern konfrontiert werden.<br />
Ich richte mir ein Konto bei Google ein und lasse mir regelmäßig<br />
die schönsten Bilder <strong>des</strong> Tages schicken. n<br />
Meinung<br />
n<br />
21
n Essay<br />
22<br />
3D-Kino: die digitale Illusion?<br />
Im Zeitalter der digitalen Welt, in der das Multimediale und vor allem das Dreidimensionale<br />
einen großen Stellenwert in unserer Gesellschaft erhalten hat, ist es an der Zeit zu entschei-<br />
den, ob das 3D-Kino ein Fluch oder ein Segen für die Zukunft <strong>des</strong> Filmmarktes ist.<br />
Von Dominika Tux<br />
Ein Essay über seine Entwicklung, die Wiederholung <strong>des</strong> Plastischen aus den<br />
Fünfzigern und die neusten Entwicklungen der 3D-Welt.<br />
or Jahrzehnten als „Kirmes-Kino“ oder gar<br />
„Jahrmarktsensation“ deklariert, ist das 3D-<br />
Kino heute in den Rang der Normalität<br />
aufgestiegen. Den Publikumsboom löste<br />
James Camerons Film „Avatar“ im Dezember<br />
letzten Jahres aus. Die 15 Jahre<br />
Entwicklungszeit haben sich gelohnt, denn<br />
seitdem setzen die Hollywoodstudios massiv<br />
auf die neue Technologie, die dem Kino einen entscheidenden<br />
Vorsprung vor dem Fernsehen und dem Internet<br />
verschaffen soll. Es geht sogar soweit, dass namhafte<br />
Produzenten und Regisseure der Hollywood-Industrie, wie<br />
Stephen Spielberg und Tim Burton, prophezeien, der 3D-Film<br />
löse schon bald das herkömmliche Kino vollständig ab. Der<br />
Trend scheint dies zu bestätigen: Filme, die zur gleichen Zeit<br />
in 2D und 3D zu sehen sind, spielen mit ihrer dreidimensionalen<br />
Version durchschnittlich 70 Prozent <strong>des</strong> Umsatzes ein.<br />
Möglicherweise werden also viele Filme schon bald gar nicht<br />
mehr in 2D erscheinen. Zudem können 3D-Filme nicht so einfach<br />
von der Leinwand abgefilmt werden, so dass sie dadurch<br />
vor Raubkopien und der illegalen Distribution im Internet geschützt<br />
wären. Die Hoffnung ist also groß, die Kinos wieder<br />
zum Boomen zu bringen.<br />
Ist dieser Erfolg von Dauer?<br />
Etwas Neues ist es schon: Der Zuschauer ist nochmal in einer<br />
anderen Weise im Filmgeschehen. Das Gezeigte löst sich von<br />
der Leinwand. Alles wird plastisch. Als könnte man es anfassen.<br />
Man duckt sich, wenn ein Gegenstand auf einen zugeflogen<br />
kommt. Man zuckt zusammen, wenn Fäuste fliegen. Doch wie<br />
genau funktioniert das eigentlich, dass uns durch eine Brille<br />
eine Illusion der vermeintlichen Realität vorgespielt wird? Der<br />
plastische Eindruck entsteht ähnlich wie in der Natur: Unsere<br />
Augen fangen das, was sie sehen, aus leicht unterschiedlicher<br />
Perspektive auf. Folglich entnimmt das Gehirn den Differenzen<br />
die räumliche Tiefe. Deshalb wird auch der Film in der 3D-<br />
Technik mit zwei, in unterschiedlicher Perspektive ausgerichteten<br />
Kameras aufgenommen. Durch die doppelte Projektion auf<br />
die Leinwand (jeweils für das linke und das rechte Auge angepasst)<br />
wird das Bild für uns in Kombination mit der Spezialbrille<br />
als dreidimensional empfunden.<br />
Perfektes Erlebnis der Teilnahme?<br />
Der Nachteil dabei ist, die Kinos müssen aufrüsten! Ihre Möglichkeiten:<br />
ein neuer Projektor, eine silbern beschichtete Leinwand<br />
und verhältnismäßig günstige Einweg-Brillen für das sogenannte<br />
Polarisations-Verfahren (meist in Europa verwendet)<br />
oder ein neuer Projektor und kostspielige batteriebetriebene<br />
Mehrweg-Brillen mit LCD-Displays für das Shutter-Verfahren<br />
(vermehrt in den Staaten verwendet). Egal welche Technik verwendet<br />
wird, die Umrüstung ist kein Schnäppchen. Und wenn<br />
dieses Kino auf dem digitalen Markt mithalten möchte, ist es<br />
gezwungen, mitzuziehen und zu zahlen – vorausgesetzt der<br />
Trend bleibt erhalten.<br />
Doch die Digitalisierung macht nun mal auch vor der über hundertjährigen<br />
Technik der Filmprojektion nicht Halt und, ja, sie
hat in den letzten Jahren die Filmaufnahme, die Filmbearbeitung<br />
und nun auch die Filmvorführung verändert. Die „Digitale<br />
Revolution“ hat uns erreicht. Die großen Kinoketten haben das<br />
sofort erkannt. Was aber ist mit den kleinen? Der Verwaltungsrat<br />
der Filmförderungsanstalt (FFA) hat zur Förderung <strong>des</strong> digitalen<br />
Kinos beschlossen, jene mit mehr als 40 000 Euro Jahresumsatz<br />
oder 8 000 Besuchern pro Jahr finanziell zu unterstützen. Drei<br />
Millionen Euro sollen zusätzlich vom Bun<strong>des</strong>ministerium für<br />
Wirtschaft und Technologie hinzukommen. Denn insgesamt<br />
sind bisher weniger als zehn Prozent der deutschen Kinos<br />
umgerüstet. Doch je nach gewünschter<br />
Technik und Leinwandgröße betragen<br />
die Umrüstungskosten zwischen<br />
70 000 und 100 000 Euro<br />
pro Kinosaal.<br />
Wer will das 3D-Kino überhaupt?<br />
Ein Forschungsprojekt an der Hochschule für Film und Fernsehen<br />
(HHF) Potsdam erfasste letztes Jahr Daten von mehr als<br />
1 000 Personen zwischen 14 und 64 Jahren zum Thema 3D-Kino.<br />
Die Mehrheit der Befragten ist der Meinung, dass vor allem<br />
das Gefühl, stärker dabei zu sein, für 3D-Filme spreche. Knapp<br />
60 Prozent der Befragten empfinden die Darstellungen als realistischer<br />
und natürlicher. Vor allem Jugendliche im Alter von<br />
14 bis 19 Jahren interessierten sich für das dreidimensionale<br />
Filmerlebnis. Möglicherweise sind es nun sogar noch mehr geworden<br />
durch die ständig neuen Produktionen. Das Gefühl der<br />
perfekten Illusion lässt sich also statistisch festhalten. Auch an<br />
unserem Institut wird die 3D-Technik groß geschrieben: Neben<br />
einem wöchentlichen Seminar namens „Dreidimensionalität in<br />
Kino und TV“ für unsere Studentenschaft, das letztes Sommersemester<br />
unter der Leitung von Professor Dr. Gerhard Lampe<br />
und Manja Rothe-Balogh einige Teilnehmer zur Diskussion<br />
der Thematik fand, schlägt das „Innovationsforum 3D Cinema<br />
und Stereoskopische Medienproduktion“ die Brücke zwischen<br />
wissenschaftlich-technischen und kreativen Forschungsprozessen<br />
sowie den regionalen Unternehmen. Einen Meilenstein der<br />
neuen Technologie bietet dabei auch die Planung und Umsetzung<br />
der Live-Konzertübertragung der Hip-Hop-Pioniere<br />
Deutschlands, der „Fantastischen Vier“. Per Satellit und in 3D<br />
versteht sich! Ein weiterer Schritt in die digitalisierte Welt von<br />
heute oder gar von morgen?<br />
Ein Blick zurück…<br />
An sich ist das 3D-Kino ja nichts Neues in der Geschichte der<br />
Lichtspielhäuser. Der erste eher experimentelle 3D-Farbfilm<br />
wurde bereits 1927 in Deutschland gezeigt. Dann wurde es<br />
still bis 1952 „Bawana, der Teufel“ – ein 3D-Film über menschenfressende<br />
Löwen, die den Bau einer Eisenbahn in<br />
Uganda behinderten – die Zuschauer in seinen Bann<br />
zog. Zwar wurden zu jener Zeit mehr als 60 Spielfilme<br />
in 3D produziert, doch das Publikumsinteresse<br />
flachte schnell wieder ab. Das lag möglicherweise<br />
auch daran, dass die Technik bei Weitem noch nicht<br />
ausgereift war. Als in den 80ern „Der Weiße Hai -<br />
Teil drei“ (Jaws 3D) produziert wurde, konnte das<br />
3D-Erlebnis wieder einige Besucher für sich gewinnen.<br />
Teil vier erschien 1987 allerdings wieder in der üblichen<br />
2D-Variante. In den 90er Jahren boomten die IMAX-<br />
3D-Kinos hauptsächlich in Deutschlands Vergnügungsparks,<br />
dennoch schafften es nur verhältnismäßig wenige<br />
Hollywood-Streifen ins Programm.<br />
Ein Schritt in die Zukunft<br />
Heute hat uns das Zeitalter der Digitalisierung zu einem 3D-<br />
Boom geführt, der sich zukünftig nicht nur auf Kinoleinwänden<br />
erweitern wird. Neben WM-Liveübertragungen in 3D<br />
(unter anderem auch in Halle-Neustadt) sollen ebenfalls<br />
vermehrt 3D-Fernseher in den deutschen Wohnzimmern<br />
ihren Platz finden. Und das sogar zu erschwinglichen Preisen!<br />
2013 soll ein Viertel der verkauften Geräte bereits 3D-fähig<br />
sein. Auch der Pay-TV Sender Sky hat im April dieses Jahres in<br />
Großbritannien sein 3D-Fernsehprogramm eingeführt. Wann es<br />
in Deutschland zu sehen sein wird, ist unklar. Fest steht jedoch<br />
meiner Meinung nach, dass sich auch in Zukunft der Begriff 3D<br />
in unserem Alltag häufiger wiederfinden wird. Selbst iPhone-<br />
Hersteller Apple arbeitet bereits an einem neuen Verkaufsschlager,<br />
der „iSpecs“, einer 3D-Brille, die selbstverständlich im typischen<br />
aerodynamischen Design auf den Markt kommen soll. Ein<br />
mögliches Indiz dafür, dass sich die 3D-Technologie dann noch<br />
mehr auf unseren Alltag auswirken könnte, da viele Menschen<br />
die Apple-Produkte mit Begeisterung nutzen. Doch bevor dies<br />
tatsächlich in die Tat umgesetzt wird, setzt die Filmindustrie<br />
auf die 3D Blu Ray von „Avatar“, die einen Verkaufsboom für<br />
alle Heimkinonutzer erzielen soll.<br />
Be prepared… n<br />
Essay n<br />
23
n Weit weg<br />
24<br />
Von Anna Jäger<br />
Ist hier das <strong>Ende</strong> der Welt?<br />
Raus aus dem Alltag und der gewohnten Umgebung – weit weg. Die Welt<br />
entdecken und grenzenlose Freiheit spüren. Genau das wollte ich nach zwölf<br />
Jahren eines durch die Schule bestimmten Lebens. 17 000 Kilometer liegen<br />
zwischen Deutschland und Australien. Viel weiter weg geht kaum. Tausende<br />
junge Backpacker suchen je<strong>des</strong> Jahr auf dem roten Kontinent das große<br />
Abenteuer. Ihre Geschichten mögen ähnlich sein, dies aber ist meine.<br />
uto oder Australien? Nach dem Abitur stellte mich<br />
meine Familie vor die Wahl. Meine Entscheidung<br />
war bereits gefallen. Ich wollte nicht sofort von<br />
der Schulbank in den Hörsaal und in staubige<br />
Bibliotheken. Staubige Pisten waren mir schon<br />
lieber. Ich wollte das Abenteuer in der Ferne<br />
suchen und Menschen aus der ganzen Welt<br />
kennen lernen. Der letzte kleine Bestechungsversuch stimmte<br />
mich nicht mehr um. Im September 2007 saß ich also nicht in<br />
meinem eigenen Auto, sondern in dem meiner Eltern, und zwar<br />
auf dem Weg zum Flughafen.<br />
Nach 24 Stunden in der Luft lande ich am vielbesagten anderen<br />
<strong>Ende</strong> der Welt, dem Ort, den ich schon immer sehen<br />
wollte. Ob ich aufgeregt sei, wurde ich vorher oft gefragt. Nein,<br />
überhaupt nicht, war je<strong>des</strong>mal meine Antwort. Ich freute mich<br />
einfach nur. Doch jetzt stehe ich vor dem Opernhaus in Sydney.<br />
Und jetzt bin ich es: aufgeregt! Ich fange an zu begreifen, dass<br />
Deutschland und meine Familie plötzlich wirklich weit sind.<br />
Die Eindrücke in der Millionen-Metropole Sydney überwältigen<br />
mich: Um mich herum riesige Wolkenkratzer, darüber strahlend<br />
blauer Himmel, freundlich fragende Blicke von Passanten heißen<br />
mich willkommen. Alles ist mir fremd und scheint doch vertraut.<br />
Mein Herz überschlägt sich vor Aufregung. Mit meinem<br />
schweren Gepäck auf dem Rücken fühle mich leicht und frei.<br />
Arbeiten um zu reisen<br />
Es zeigt sich schnell, dass das Leben in Sydney zu teuer ist.<br />
Gemeinsam mit drei anderen Weltenbummlerinnen will ich zunächst<br />
die Ostküste entlang reisen. Kerstin, die aussieht wie<br />
mein Spiegelbild, Kristin und Susi aus Norddeutschland werden<br />
zu meiner Familie auf Zeit. Wir kennen uns erst einige Tage,<br />
doch steht schnell fest, dass wir Australien gemeinsam entdecken<br />
werden. Da wir nicht nur reisen wollen, sondern auch<br />
arbeiten müssen, machen wir zuerst das, was fast jeder Backpacker<br />
tut, um Geld zu verdienen: Fruitpicking. Auf den Feldern<br />
steht die Hitze und unter der brennenden Sonne pflücken wir<br />
tagtäglich acht Stunden lang Eimer voll kleine Cocktailtomaten.<br />
Die Tage sind heiß, die Arbeit mühsam und die Ausbeute<br />
frustrierend. Der Lohn aber finanziert unseren nächsten Trip.<br />
Wir sehen paradiesische weiße Strände vor kristallklarem türkisblauem<br />
Meer, Surfer die meterhohe Wellen bezwingen, spüren<br />
das pulsierende Leben in Brisbane und den gemächlichen<br />
Rhythmus australischer Kleinstädte. Fasziniert beobachten wir<br />
Wale, Dingos, unzählige Kängurus und Koalas in freier Wildbahn.<br />
Wir sind in einer anderen Welt. Der hektische Alltag und<br />
das Leben in Deutschland rücken in die Ferne. Jeden Tag ein<br />
bisschen weiter. Die „no worries“-Mentalität der Australier verändert<br />
allmählich auch uns.<br />
Warten auf die perfekte Welle Versteckt im Nirgendwo liegt die Farm, die meine zweite Heimat wurde
In Brisbane hält es uns eine Weile – die Stadt ist so schön lässig.<br />
Wir jobben: Kerstin bedient im Cafe, Kristin ist in einer Bäckerei<br />
angestellt, Susi verkauft Pizzen und ich betreue Dreikäsehochs<br />
im Kindergarten. Meine Bezahlung reicht aber nicht und so beschließe<br />
ich allein weiter zu reisen. Echtes australisches Landleben<br />
empfängt mich in Gympie, Queensland. Farmer bieten rastlosen<br />
Rucksacktouristen die Möglichkeit, bei<br />
ihnen zu leben. Einzige Bedingung ist vier bis<br />
fünf Stunden Hilfe bei der Arbeit. Als ich aus<br />
dem Bus steige, wartet Peter bereits auf mich.<br />
Er sieht genau so aus, wie man sich einen<br />
Farmer vorstellt, wenn man zu oft „Crocodile<br />
Dundee“ gesehen hat. Er hat braune, von<br />
der Sonne gegerbte Haut, trägt schmutzige<br />
Jeans, Arbeitsstiefel und den unverzichtbaren<br />
Wildlederhut. Auf dem Weg von der Bushaltestelle<br />
zur Farm beschleicht mich das Gefühl,<br />
dass mein Ziel tatsächlich das <strong>Ende</strong> der<br />
Welt ist. Keine Autos, keine befestigte Straße,<br />
keine Schilder, kein Handyempfang – nichts. Es muss das <strong>Ende</strong><br />
sein! Aber hier finde ich etwas Einzigartiges. Umgeben von<br />
der wunderschönen Natur <strong>des</strong> sattgrünen Regenwal<strong>des</strong> werde<br />
ich in der 10-köpfigen Patchworkfamilie wie eine Tochter<br />
aufgenommen. Die Farm hat etwas Magisches. Es scheint ein<br />
bisschen, als sei die Zeit stehen geblieben. Im Bad gibt es kein<br />
elektrisches Licht, nur große Kerzen an den Wänden. Beinahe<br />
alles, was wir zum Leben brauchen, stellen wir selbst her. Das<br />
Essen kommt direkt aus dem Garten. Dinge die ich in Deutschland<br />
nur aus dem Supermarkt kenne, stelle ich hier selber her.<br />
Ich lerne, wie man Butter macht, knete unzählige Teigklumpen,<br />
aus denen wir Brot backen, koche Marmelade und miste Kuhställe<br />
aus. Ich überrasche mich selbst - zu Hause hätte ich all<br />
das nicht freiwillig gemacht.<br />
„No worries darling, that one wouldn’t have<br />
killed you“<br />
Peter, der Schlangenexperte<br />
Ich fühle mich fast wie zu Hause, doch eines Abends werde<br />
ich daran erinnert, dass ich es nicht bin. Ich hätte vor meiner<br />
Reise damit rechnen müssen, gefährlichen Tieren zu begegnen,<br />
Haien beispielsweise oder den tödlichsten Spinnen der Welt.<br />
Doch es kommt anders. Nachts auf dem Pfad zu meinem Zimmer<br />
liegt knapp einen Meter vor mir eine drei Meter lange<br />
Schlange. Für mich führt kein Weg an ihr vorbei. Ich bin wie<br />
versteinert. Was empfiehlt noch mal der Reiseführer für einen<br />
solchen Ernstfall? Ruhig bleiben und mit den Füßen trampeln,<br />
damit der Feind mich spürt, schießt es mir durch den Kopf.<br />
Langsam, das Reptil nicht aus den Augen lassend, gehe ich<br />
den Weg zurück. Völlig geschockt treffe ich Peter, der natürlich<br />
Experte für die australische Flora und Fauna ist. Ihn versetze<br />
ich mit in Panik. Er denkt, ich sei gebissen worden. Als ich ihn<br />
Die Warnung kam zu spät<br />
schließlich überzeuge, dass mir nichts passiert ist, begleitet er<br />
mich zurück zum ‚Tatort‘. Während mein Alptraum dort noch<br />
immer seelenruhig liegt, beugt sich Peter herunter, um noch<br />
mal ganz genau zu schauen und kann sich ein Grinsen nicht<br />
verkneifen. „No worries darling, that one wouldn’t have killed<br />
you.“ – Verfluchte australische Gelassenheit. Woher bitte soll<br />
ich denn wissen, dass dieses Monster mich<br />
nicht umbringen kann?<br />
Rushhour im Outback<br />
Nach vier Wochen im Nirgendwo treffe ich<br />
wieder auf Kerstin, Kristin und Susi. Wir<br />
verlassen die Ostküste und fahren weiter in<br />
den Süden <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>: Sightseeing in der<br />
modernen und multikulturellen Metropole<br />
Melbourne, ein Roadtrip entlang der wohl<br />
schönsten Küstenstraße der Welt, der Great<br />
Ocean Road. Am <strong>Ende</strong> der Reise führt der Weg uns ins Herz <strong>des</strong><br />
Lan<strong>des</strong>, zum Symbol <strong>des</strong> fünften Kontinents. Uluru, nennen<br />
die Aborigines ihre heilige Stätte; das bedeutet „Sitz <strong>des</strong> Ahnen“.<br />
Der zweitgrößte Monolith der Welt mitten in der Wüste<br />
ist natürlich ein Touristenmagnet und entsprechend überlaufen.<br />
Zum Sonnenauf- und -untergang drängen sich die Menschen<br />
in den Viewing Areas und im Outback ist Rushhour. Wir<br />
verbringen einige Tage in der staubigen roten Wüste. In den<br />
Nächten schlafen wir unter freiem Himmel in so genannten<br />
‚swags‘, großen gemütlichen Schlafsäcken. Über uns das Kreuz<br />
<strong>des</strong> Südens und Millionen von Sternen. Ich bin sprachlos und<br />
überwältigt. Als der Tag anbricht, lassen die ersten Sonnenstrahlen<br />
Uluru orange und purpurrot erstrahlen. Ein Anblick,<br />
den ich nicht vergessen werde.<br />
Was bleibt<br />
Sieben Monate sind vergangen, bis ich wieder im Auto meiner<br />
Eltern sitze. Völlig unwirklich erscheinen mir die vorbeifliegende<br />
Landschaft und die Hektik auf der deutschen Autobahn. Es<br />
wird noch dauern, bis ich das Erlebte verarbeitet habe. Zu<br />
viel ist passiert. Von heute auf morgen ist sie vorbei, die<br />
Zeit der scheinbar grenzenlosen Freiheit. Was bleibt, ist die<br />
Erinnerung an die faszinierende Schönheit <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> und<br />
an die Menschen. Die Australier, die mit viel Gelassenheit und<br />
No-Worries-Mentalität optimistisch durchs Leben gehen, haben<br />
mich immer wieder beeindruckt. Auch durch ihre beispiellose<br />
Hilfsbereitschaft und Gastfreundlichkeit. Von den vielen Backpackern<br />
aus allen Teilen der Welt sind die meisten flüchtige<br />
Bekannte geblieben, einige aber sind zu Freunden geworden.<br />
Zum Abschied sagt man in Australien „farewell“ oder „see ya“,<br />
was Abschied bedeutet, aber auch ein Wiedersehen voraussetzt.<br />
Ich werde wiederkommen, in das Land der Kängurus und<br />
Koalas, da bin ich mir sicher. n<br />
Weit weg n<br />
25
n Branche<br />
26<br />
Von Diana Stöhr<br />
In 80 Tagen von der Idee zum Trickfilm<br />
Nachwuchstalente im Bereich Animationsfilm zu fördern, ist das Ziel der European Animati-<br />
on Masterclass (EAM). Jährlich bekommen Trickfilmbegeisterte aus ganz Europa die Chance,<br />
ihren eigenen Kurzfilm umzusetzen. Dieses Jahr dauerte der Kurs der EAM nur drei Monate:<br />
80 Tage Zeit, um seinen eigenen Trickfilm zu produzieren. Das ist hart, aber faszinierend, wie<br />
ur eine Treppe hochlaufen, dann nach links einbiegen<br />
und schon kommt man im Reich <strong>des</strong><br />
Animationsfilmers an: European Animation Masterclass<br />
(EAM), dritte Etage, MMZ. Doch nur wenigen<br />
MuK-Studierenden ist die EAM ein Begriff<br />
und das, obwohl diese bereits seit 2005 ihren Sitz<br />
bei der International Academy of Media and Arts<br />
hat. Gegründet wurde die EAM 2002 auf Initiative von Tony<br />
Loeser, dem Geschäftsführer der MotionWorks GmbH. Sie ist<br />
eine europäische Initiative, um junge Nachwuchstalente und<br />
Berufserfahrene aus- und weiterzubilden, und zwar durch nationale<br />
und internationale Experten aus dem Animationsbereich.<br />
Neben einer professionellen Ausbildung wird den Teilnehmern<br />
die Möglichkeit gegeben, nationale und internationale Branchen-Kontakte<br />
zu knüpfen.<br />
Character Design: Entwürfe und<br />
erste grobe Skizzen für den<br />
späteren Character<br />
Eine von Dreizehn<br />
Von der EAM erfuhr ich während meines dreimonatigen Praktikums<br />
bei MotionWorks. Dort unterhielt ich mich mit früheren<br />
Absolventen der EAM, die ihren Berufseinstieg nahtlos anknüpfen<br />
konnten. Ich entschied mich kurzfristig für eine Bewerbung<br />
und fand mich Anfang Juli unter den Teilnehmenden<br />
der EAMgraduate 2010 wieder. Mit mir nahmen zwölf weitere<br />
junge Enthusiasten teil, die sich für alles rund um den Trickfilm<br />
begeistern. Jeder von uns hatte<br />
eine Bewerbung abgegeben,<br />
in der neben den üblichen<br />
Motivationsschreiben und den<br />
Arbeitsproben bereits eine Filmidee<br />
enthalten sein sollte.<br />
Wir Teilnehmer wurden danach<br />
ausgesucht, welches Talent<br />
und Interesse, welche Motivation<br />
und welche Filmidee wir<br />
mit in den EAM-Kurs bringen<br />
würden. So kam es, dass<br />
wir eine bunte Mischung von<br />
Menschen verschiedenen Alters<br />
waren, die teils aus Itali-<br />
ich im Selbstversuch herausfand.<br />
en, Österreich und Kasachstan<br />
kamen und alle bereits Erfahrungen<br />
im Animationsbereich<br />
gesammelt hatten. So auch die 27-jährige Oxana Sukhareva aus<br />
Almety, Kasachstan: „Before I came to Germany I had studied<br />
in my country at Kazakh at the Academy of Architecture and<br />
Civil Engineering in an Advertising Design Faculty. Afterwards<br />
I have studied one year MA course at Instituto Superiore di<br />
Design in Graphic and Media Design faculty in Italy. I have four<br />
years experience in advertising industry like 3D modeler and<br />
animator and also like video <strong>des</strong>igner and composer.“ Auch<br />
die Italienerin Maddalena Oppici<br />
(24) brachte Erfahrungen<br />
aus dem Animationsbusiness<br />
mit, unter anderem durch ihr<br />
dreijähriges Studium an der<br />
Polytechnic of Culture, Arts<br />
and Language, Foundation<br />
of the Civic School of Milan<br />
und ihre Mitarbeit bei einem<br />
Cartoon für eine italienische<br />
Spielzeugmarke.<br />
Weiteres Character Design:<br />
verschiedene Posen eines<br />
Characters werden erfasst<br />
Die Beweggründe, sich bei<br />
der EAM zu bewerben, waren<br />
bei den meisten Teilnehmern<br />
ähnlich: Alle wollten einen eigenen<br />
Film produzieren, ihre<br />
Fähigkeiten verbessern und<br />
Kontakte knüpfen. Oxana Sukhareva war auch von den Lebensläufen<br />
und der Professionalität der Dozenten beeindruckt:<br />
„I have read Curriculum Vitae of some teachers here and it<br />
sounded great.“ Alle Teilnehmenden haben die EAM angetreten<br />
mit dem Ziel, eine eigene Filmidee umzusetzen. Doch das setzt<br />
die Kenntnis vieler theoretischer Grundlagen voraus, die uns in<br />
den ersten beiden Wochen überblicksweise beigebracht wurden.<br />
In den ersten Tagen stellten wir uns und unsere Filmvisionen<br />
vor und bekamen ein Feedback vom Plenum. Ich entschied<br />
mich, mein eigenes Projekt zugunsten einer Mitarbeit in einem<br />
anderen Projekt aufzugeben. In Teamarbeit, so meinten mein<br />
Mitstreiter André Schneider und ich, wäre das Filmvorhaben in<br />
den knappen drei Monaten Arbeitszeit leichter umzusetzen.<br />
Nach den ersten Tagen <strong>des</strong> Zueinanderfindens hörten wir<br />
Vorträge über story-telling und script-writing von Armin Völkers.<br />
Wir wurden in den Bereichen Sound, Musikrecht in Fil-
Finaler und in Photoshop<br />
erstellter Character<br />
men, Produktionsplanung und<br />
Character Design unterrichtet.<br />
Letzteres lehrte kein Geringerer<br />
als Harald Siepermann, der durch<br />
seine Zeichentrick-Serie „Alfred<br />
Jodocus Kwak“ berühmt<br />
wurde. Er gab uns sowohl im<br />
Einführungskurs als auch<br />
bei einem späteren Besuch<br />
wertvolle Tipps, wie man<br />
Charaktere zu entwerfen<br />
hat und wie sie einen Film<br />
unverwechselbar machen.<br />
Doch wenn ein Tag voller<br />
Theorie und Wissen vorbei<br />
war, schwirrte einem nicht<br />
nur der Kopf, sondern man musste daheim an seiner Story arbeiten.<br />
Das Pitching <strong>des</strong> Films vor den Dozenten, Tony Loeser<br />
und Mike Riemenschneider, dem Chef der EAM, stand uns<br />
schon Mitte Juli bevor. Die Arbeit an den Geschichten war hart,<br />
und oft spürten wir sehr deutlich, was Lutz Carmsen, unser<br />
Supervisor, meinte, als er uns zu Beginn <strong>des</strong> Kurses mit auf den<br />
Weg gab: „You will have to make decisions in a short time and<br />
sometimes you have to kill your babies!“ Manch einer hat in<br />
den ersten zwei Wochen etliche Ideen über Bord geworfen oder<br />
die Geschichte so stark verändert, dass sie letztendlich nichts<br />
mehr mit der ursprünglichen Vorstellung zu tun hatte. Auch<br />
mein Teampartner und ich hatten sechs verschiedene Versionen<br />
unserer Story. Irgendwann kommt man an den Punkt, an dem<br />
man jede Kritik annimmt und durch all die Veränderungen,<br />
die man an seiner Story vornimmt, die eigentliche Idee völlig<br />
aus den Augen verliert. Wir haben uns dann besonnen und<br />
alle geänderten und drei Mal überarbeiteten Versionen über<br />
Bord geworfen und schlussendlich doch die erste Idee genommen.<br />
Rückblickend war das Schreiben <strong>des</strong> Drehbuchs und das<br />
Auseinandersetzen mit der Story für uns das Schwierigste und<br />
Nervenaufreibendste. Wir hatten vorher keine Ahnung, was<br />
man beim Story-Schreiben alles beachten muss. Erschwerend<br />
kam bei mir und meinem Team-Partner hinzu, dass wir beide<br />
nicht immer konforme Vorstellungen hatten und viele Diskussionen<br />
ausgetragen werden mussten. Letztendlich haben wir<br />
alle hart umkämpften Entscheidungen zugunsten <strong>des</strong> Projektes<br />
getroffen. Da mussten wir beide unser Ego öfter mal hinten<br />
anstellen.<br />
Nach dem Pitch das Zombietum<br />
Nach drei fast schlaflosen Nächten für uns alle, nach den Tagen<br />
<strong>des</strong> Storyboardzeichnens und <strong>des</strong> timens <strong>des</strong> Animatic war es<br />
<strong>Ende</strong> Juli dann soweit: Wir stellten unsere Projekte vor und<br />
zeigten so, was wir aus den ersten zwei Wochen mitgenommen<br />
haben. Die Reaktionen waren vorwiegend positiv. Zwar wurden<br />
die Projekte kritisch untersucht, aber sicher konnte nach dem<br />
Pitching jeder etwas mitnehmen, das seinen Film besser machen<br />
würde. Nach diesem aufregenden Tag galt es für uns alle,<br />
die Geschichte und das Storyboard noch einmal zu überarbeiten<br />
und die Tipps der Dozenten umzusetzen. Danach konnten<br />
wir endlich mit unseren Projekten durchstarten.<br />
Auch während der Arbeitsphase erhielten wir Unterstützung<br />
von Experten wie z.B. Gyula Szabo, der seit rund 30 Jahren im<br />
Animationsgewerbe tätig ist. Er erklärte uns, was beim Layout<br />
von Backgrounds zu beachten ist. Während der effektiv zwei<br />
Monate dauernden Produktionszeit standen alle Teilnehmer<br />
ständig unter einem hohen Zeitdruck: Der Abgabetermin rückte<br />
immer näher. „Man muss viel Ehrgeiz und starken Willen mitbringen,<br />
da man ständig aktiv sein muss. Das kann anstrengend<br />
sein, aber macht auf jeden Fall sehr viel Spaß“, so fasst André<br />
Schneider (27) seine Erfahrungen während der Produktionsphase<br />
zusammen. Das Zeitfenster war tatsächlich so eng, dass<br />
uns nicht mehr viel Freizeit blieb. In nur knapp sechs Wochen<br />
entwarfen und zeichneten mein Partner und ich die Charaktere<br />
„You will have to make decisions in a short time<br />
and sometimes you have to kill your babies!“<br />
Lutz Carmsen<br />
und die Hintergründe, animierten die 13 Protagonisten und<br />
führten die Postproduktion durch. Natürlich muss man sagen,<br />
dass wir von uns keine Spitzen-Animation erwarteten, da wir<br />
das noch nie vorher gemacht hatten und auch die Zeit viel<br />
zu knapp war. Aber es ging uns darum, egal was passiert, in<br />
der vorgegebenen Zeit einen fertigen Film abzuliefern. Und das<br />
sollte uns auch gelingen; <strong>Ende</strong> September war unser Film dann<br />
fertig und wir auch: Wir nahmen uns vor, nach dem <strong>Ende</strong> der<br />
EAM erst einmal in den Urlaub zu fahren und Schlaf nachzuholen.<br />
Schlaf ist das, was wir in den drei Monaten, neben der<br />
Zeit, am wenigsten zur Verfügung hatten. Aber zum Ausgleich<br />
können wir nun alle sagen, dass wir in 80 Tagen unseren eigenen<br />
Trickfilm produziert haben. Das entschädigt für all die<br />
Tage, an denen wir wie Zombies aussahen.<br />
Die Teilnehmer der EAM machten sich bereits während der Zeit<br />
bei der EAM Gedanken, wie es danach weitergehen soll und es<br />
sind sich alle einig: Sie wollen definitiv in der Animationsbranche<br />
Fuß fassen, sei es in Europa oder Japan. Auch die 26-jährige<br />
Franka Sachse träumt davon, „im besten<br />
Fall weiter eigene Filme machen und davon<br />
leben zu können“. Im nächsten Jahr<br />
soll die EAMgraduate bereits im April<br />
starten und ein halbes Jahr<br />
dauern. Da dürfte es für<br />
die Absolventen ein wenig<br />
stressfreier zugehen.<br />
Vielleicht wissen dann<br />
ja ein paar mehr Muk-<br />
Studierende etwas über<br />
die EAM und bewerben<br />
sich. Also einfach<br />
eine Etage hochgehen,<br />
dann links einbiegen,<br />
Bewerbung<br />
abgeben und eintauchen<br />
in die<br />
Welt <strong>des</strong> Animationsfilms.<br />
n<br />
Branche n<br />
27
n Gespräch<br />
28<br />
Hagen Lettow – Urgestein <strong>des</strong> <strong>Fernsehens</strong><br />
Er hat die gesamte technische Entwicklung <strong>des</strong> <strong>Fernsehens</strong> mitbekommen: Hagen Lettow.<br />
Seit nunmehr 51 Jahren ist er in dem Bereich tätig, lange Zeit davon in der DDR. Die Firma<br />
seiner Familie hat ihren Sitz im MMZ und bestimmt ist er dem einen oder anderen schon auf<br />
Herr Lettow, Sie gehören zu den Pionieren <strong>des</strong> DDR-<br />
<strong>Fernsehens</strong>. Wie und wann sind Sie mit dem Fernsehen das<br />
erste Mal in Berührung gekommen?<br />
Das erste Mal war 1953 auf der Industrieausstellung in Westberlin.<br />
Dort standen die ersten Apparate. Es gab noch keine<br />
Programme, das hatte gerade alles erst angefangen. Den ersten<br />
Fernseher in der DDR, den Rembrandt, den hat meine Oma<br />
1955 von dem Geld gekauft, das<br />
sie eigentlich für ihre Beerdigung<br />
gespart hatte. Ich hatte ihr nämlich<br />
erzählt, dass es jetzt einen Apparat<br />
gibt, wo sie auch Nachrichten sehen<br />
kann, die sie so gerne gehört hat.<br />
Und der Gag war, was kaum einer<br />
weiß, man konnte mit diesem ersten<br />
Fernseher, in der DDR gekauft, nur<br />
Westfernsehen gucken! Das war, weil<br />
Ost und West unterschiedliche Systeme<br />
hatten.<br />
Sind Sie nach der Schule direkt<br />
zum Fernsehen gegangen?<br />
Ich habe erst mal angefangen im<br />
Stahlwerk zu arbeiten, wollte aber<br />
unbedingt zum Fernsehen. Also habe<br />
ich mich in Babelsberg für ein<br />
Studium beworben, dort haben sie<br />
mich aber nicht genommen. Aber<br />
in Adlershof wurde ich 1959 als Kameraassistent<br />
angenommen. Es gab<br />
keine Ausbildung, das Fernsehen gab<br />
es ja noch gar nicht! Das waren alles Pionierarbeiten, da waren<br />
alle irgendwoher zusammengewürfelt und jeder hat sich erst<br />
rein gearbeitet. Zum Studium kam ich dann aber doch. Wir<br />
waren vom Fernsehen her zehn Assistenten, die später dann die<br />
erste Klasse Fachrichtung Fernsehkamera an der Filmhochschule<br />
Babelsberg gebildet haben.<br />
Was haben Sie im Studium denn so gelernt?<br />
Wahrscheinlich viel mehr als heute. Wir haben unheimlich viel<br />
gehabt. Drei Jahre richtig theoretisches Studium an der Filmhochschule<br />
und nur ab und zu mal gedreht. Es gab Dramaturgie,<br />
Kunstgeschichte, Kunst, Malen, Filmgeschichte, Fotografie,<br />
Optik, Geschichte und anderes. Und wir waren eben nur zu<br />
dem Flur begegnet.<br />
Hagen Lettow (1970) dreht in der Moritzburg ein<br />
Fernsehspiel<br />
siebt. Die anderen drei haben das Probehalbjahr nicht überstanden.<br />
Gab es unter Ihren Kommilitonen auch Frauen?<br />
Nur Männer, weil gar keine Mädels als Assistenten beim Fernsehen<br />
gearbeitet haben, weil es einfach zu schwer war. Aber das<br />
war auch gut. Wir hatten zum Beispiel einen Russischlehrer, der<br />
hatte eigentlich nie Lust. Der ist mit<br />
uns immer in eine Kneipe gezogen<br />
und da haben wir Bier getrunken und<br />
ein paar Worte russisch geredet. So<br />
haben wir alle immer Zweien und Einsen<br />
bekommen. Das war schon ulkig.<br />
Was hat Sie schließlich nach<br />
Halle verschlagen?<br />
Wir waren ja alle beim DDR-Fernsehen<br />
angestellt. Ich bin gleich 1964<br />
nach Halle gegangen, es wurde ein<br />
Kameramann für Halle gesucht. Mit<br />
einem großen Vorteil: In Adlershof<br />
wurden die Kameraleute aufgeteilt.<br />
In Dramatische Kunst, Kinderfernsehen,<br />
Sport, Aktuelle Kamera und<br />
so. Dann hat ein Kameramann, der<br />
beim Kinderfernsehen war, nur Kinderprogramm<br />
gemacht. Nichts anderes.<br />
Und hier in Halle haben wir<br />
alles gemacht, vom Tanzturnier über<br />
Fußballspiele, Reportagen, Unterhaltungssendungen.<br />
Das war viel besser,<br />
hat viel mehr Spaß gemacht. Unten am Waisenhausring, wo<br />
jetzt Digital Images drin ist, da war unser Studio. Das war sehr<br />
groß, dort sind viele Unterhaltungssendungen gemacht worden,<br />
Fernsehspiele, alles. Dann haben wir angefangen die Moritzburg<br />
auszubauen, haben das Fernsehtheater in ein Gewölbe<br />
eingebaut und dann dort Livesendungen und Theaterstücke<br />
gemacht. Das war unheimlich beliebt.<br />
Ist die Arbeit heute leichter im Vergleich zu den Anfängen<br />
<strong>des</strong> <strong>Fernsehens</strong>?<br />
Es ist anders. Manches ist einfacher. Wenn man früher eine<br />
Filmrolle drin hatte, die zweieinhalb Minuten reichte und richtig<br />
viel Geld kostete, überlegten sich die Kameraleute und Re-
dakteure, wann sie auf den Knopf drückten. Heute drehen wir<br />
für drei Minuten manchmal zehn Kassetten. Weil die Leute keine<br />
Ahnung haben, sich nicht vorbereiten, nicht wissen, was sie<br />
wollen. Interviews führen, die sie nie brauchen. Sinnlos. Wenn<br />
sie das alles mit Film produziert hätten, den sie selber hätten<br />
bezahlen müssen, da hätten sie sich umgeguckt.<br />
Hatte man damals beim Fernsehen mehr Freiheiten als<br />
heute?<br />
Ja. Eigene Ideen umsetzen ging sehr gut. Wenn man nicht versucht<br />
hat, Systemkritik zu machen, konnte man viele Dinge<br />
verwirklichen. Damals gab es die erste Zeit ja nur zwei Fernsehprogramme,<br />
ein West- und ein Ostprogramm. Dann kam<br />
jeweils das zweite Programm dazu, das ging auch noch. Mit<br />
den ganzen Privaten war es dann aber eigentlich vorbei. Ich habe<br />
bei meiner Sendung „Außenseiter Spitzenreiter“ als höchste<br />
Einschaltquote 68 Prozent gehabt. Davon wagt heute keiner zu<br />
träumen! Und dann hatte man auch Privilegien beim Fernsehen.<br />
Man war bei den Leuten überall ganz gut angesehen. Für<br />
„Außenseiter Spitzenreiter“ haben wir zum Beispiel den Heinrich-Greif-Preis<br />
gekriegt. Und dann gab es für hervorragende<br />
Sendungen den Goldenen Lorbeer. Das waren immer 1000 Ostmark<br />
für jeden, das war nicht schlecht.<br />
Wie sind Sie mit dem DDR-System zurechtgekommen?<br />
Ganz gut, das hatte mit der DDR nichts zu tun, nur mit der<br />
Dummheit der Leute. Und die hat man heute genauso. Nur:<br />
Damals konnte man dagegen was sagen, heute kann man es<br />
nicht. Schon gar nicht als Freiberufler. Beim DDR-Fernsehen war<br />
das nicht so. Wir sind nach Berlin ins ZK gefahren und haben<br />
uns dort beschwert. Man stelle sich mal vor, ich würde wegen<br />
einer Fernsehsendung zur Merkel fahren und würde mich bei<br />
ihr oder beim Kultusminister beschweren. Das kann man nicht<br />
machen, da ist man noch nicht wieder zurück und schon raus<br />
Hatten Sie trotzdem manchmal Probleme?<br />
Ja, ein Mal musste ich vor das Arbeitsgericht und 800 Ostmark<br />
Strafe zahlen. Bei der Burgparty war Hot Chocolate, diese Truppe<br />
aus England, aufgetreten. Die hatten Werbung auf ihren<br />
T-Shirts und die Werbung durfte nicht gezeigt werden. Da hab<br />
ich gesagt: „Leute, hättet ihr vorher wissen müssen, das bleibt<br />
jetzt drin.“ Und das ist dann auch so geblieben. Gekündigt<br />
habe ich später von mir aus, wegen meiner Chefin.<br />
Hagen Lettow<br />
„Wenn ich als Kameramann im Bild bin, ist irgendwas falsch!“<br />
1982 haben Sie sich selbstständig gemacht. Dafür brauchte<br />
man doch Geld, Technik, Räume und so weiter.<br />
Ein bisschen Geld hatte ich, eine Kamera hab ich mir aus dem<br />
Westen besorgt durch einen italienischen Freund und dann haben<br />
wir im Auftrag der DEWAG gearbeitet. Ich habe mit zwei<br />
Angestellten Industriefilme produziert, also Filme, die die verschiedenen<br />
Unternehmen vorstellten. Das hat richtig gut funktioniert.<br />
Wir waren zwar nicht im Ausland, aber die Filme, die<br />
wir gemacht haben, sind hauptsächlich im Ausland gelaufen.<br />
In Düsseldorf, in Brasilien, London, überall. Wir haben auch in<br />
allen Sprachen gearbeitet, chinesisch, arabisch, alles. Von 1982<br />
bis zur Wende haben wir knapp 500 Industriefilme gemacht.<br />
Ich hab alles gemacht, Kamera, Schnitt, nur der Autor kam vom<br />
Fernsehen. Dann kam die Wende und die Industrie war weg.<br />
Wie ging es für Sie nach der Wende weiter?<br />
Da habe ich wieder fürs Fernsehen gearbeitet, für den MDR<br />
dann. Wir hatten zum Beispiel monatlich eine Kinosendung<br />
und haben die neusten Filme vorgestellt. Eine richtig gute Serie,<br />
haben wir fast anderthalb Jahre gemacht. Und dass man<br />
viele Leute kannte, hat den Vorteil gehabt, dass man wieder<br />
rein kam ins Geschäft. Ist ja heute noch so.<br />
Sie sind jetzt 71 geworden, wie lange werden Sie noch<br />
weitermachen?<br />
Weiß ich nicht, keine Ahnung, wie es läuft. So lange ich noch<br />
eine Kamera tragen kann und noch keinen Tatterich kriege und<br />
die ganzen Bilder verwackele geht das ja noch. n<br />
Das Gespräch führte Luise Kotulla<br />
Er war und ist als Kameraassistent, Kameramann, Schnittmeister und Regisseur tätig. 1939 in<br />
Beeskow bei Frankfurt (Oder) geboren, lernte Lettow von 1954 bis 1957 Stahlgießer und Tischler.<br />
1959 arbeitete er kurz bei der Deutschen Post Studiotechnik Fernsehen als Kameraassistent,<br />
danach beim DDR-Fernsehen. Lettow studierte von 1961 bis 1964 in Babelsberg Fernsehkamera.<br />
Anschließend kam er nach Halle. Hier arbeitete er als Kameramann, Regisseur und Schnittmeister.<br />
1982 machte er sich mit der Firma Videoinformation selbstständig. Nach der Wende gründete er<br />
Ha Le TV (Hagen Lettow TV), das damals erste private Fernsehstudio in Halle. Schließlich gründete<br />
seine Tochter Jana 2005 Lettow TV, wo Lettow heute selbst noch tätig ist.<br />
Gespräch<br />
n<br />
29
n Karriere<br />
30<br />
Coworking Spaces<br />
Bürogemeinschaft ist Schnee von gestern, Coworking heißt das neue Zukunftskonzept für<br />
das Berufsleben. Denn das Klima, die Wirtschaft, das Leben, die Welt verändert sich.<br />
Von Timo Leich<br />
Alles wird schnelllebiger und so muss die digitale Boheme dieser schnellen<br />
s ist Donnerstag früh, Berlin Kreuzberg, ein Ort der<br />
Multikulturalität. Die Luft ist gefüllt mit den verschiedensten<br />
und verrücktesten Düften orientalischer<br />
Bistros. Wenn man durch die Straßen geht und zur<br />
Prinzessinenstraße gelangt, findet man dort ein<br />
altes, unscheinbares Gewerbegebäude. Auf über<br />
1 000 Quadratmetern arbeiten seit April 2010 rund<br />
120 Freelancer, darunter Grafiker, Programmierer, Fotografen,<br />
Architekten, Designer und Startups. Genauso bunt gemischt<br />
wie die Leute auf der Straße.<br />
betahaus Café<br />
Der Vorreiter<br />
Man betritt das betahaus und steht im hauseigenen Café. Es<br />
wird gemeinsam gefrühstückt, jeden Donnerstag. Wer will, der<br />
kommt dazu. Auch an diesem Donnerstag sind dort einige Mieter<br />
anzutreffen, nicht nur, um einander kennenzulernen, sondern<br />
auch um eigene Projekte vorzustellen oder anderen Feedback<br />
zu geben. Man lernt die anderen näher kennen, die sonst<br />
neben einem im Großraumbüro vor sich hin arbeiten. Denn das<br />
betahaus vermietet Schreibtische, flexible Arbeitsplätze. Die Tarife<br />
unterscheiden sich vor allem durch die Mietdauer. Einer<br />
der Tarife heißt Superflex, zu haben für 129 Euro pro Monat<br />
beinhaltet er bei freier Platzwahl einen Schreibtisch, die dickste<br />
Glasfaserleitung Berlins, Drucker, Scanner, Kopierer, Fax und<br />
zweimal italienischen Kaffee am Tag. Von 9 bis 18 Uhr kann der<br />
Mieter dann dort seiner Arbeit nachgehen.<br />
Nachfrage gerecht werden.<br />
Wertschöpfung findet an unterschiedlichen<br />
Orten, zu unterschiedlichen Zeiten statt<br />
Die Mieter suchen hier, was sie an ihrem bisherigen Arbeitsplatz<br />
im Coffee Shop nicht gefunden haben: ein Single-Schreibtischbüro<br />
mit sozialer Anbindung. Das Neue und Besondere ist, dass<br />
jeder für sich arbeitet und bei großen Projekten unkompliziert<br />
ein Team zusammentrommeln kann, um die Aufgabe gemeinsam<br />
zu lösen. Alle sind Einzelkämpfer, keine Kollegen. Sie arbeiten<br />
alleine und doch gemeinsam – bei Bedarf. Solch eine<br />
Community kann sich kurzfristig zusammenfinden und schnell<br />
auf einkommende Aufträge reagieren. Hinter dem Konstrukt<br />
betahaus verbirgt sich eine Philosophie: „Werte werden nicht<br />
mehr in klassischen Büros geschaffen“. Die Flexibilität kommt<br />
vor allem den vielen medien-, gestaltungs- und kunstaffinen<br />
Mietern, aber auch Übersetzern oder Unternehmensberatern<br />
Anschlussmöglichkeiten nutzen<br />
entgegen. Die Philosophie basiert auf einem Konzept: Coworking.<br />
Der Journalist Andreas Stamm vom ZDF-„auslandsjournal“<br />
war dort, um für einen Bericht herauszufinden, wie Coworking<br />
funktioniert. Die Aufgabe war, innerhalb von zwei Tagen eine<br />
Internetseite zu erstellen mit Informationen, Bildern, Links,<br />
Videos zum Thema ‚Berlin – Die Stadt der Zukunft’. Es bildete<br />
sich ein Team aus je einem Web<strong>des</strong>igner, Unternehmensberater,<br />
Trendscout, einer Informations<strong>des</strong>ignerin und einem der Mit-
egründer <strong>des</strong> betahauses. Sie haben noch nie in dieser Konstellation<br />
gemeinsam gearbeitet, aber das war für die Coworker<br />
nichts Neues. Sie machten ein Brainstorming, verteilten die<br />
Aufgaben und nach zwei Tagen kam dann tatsächlich ein ansehnliches<br />
Ergebnis heraus.<br />
Zur Lage der Nation<br />
Wenn man einen Coworker fragt, was denn der Vorteil ist, der<br />
sich aus dieser Arbeitsform ergibt, bekommt man gleich zwei<br />
Aspekte genannt. Erstens sein eigener Chef zu sein und zweitens<br />
trotzdem mit anderen zusammenarbeiten zu können. Doch<br />
ist das alles? Warum verzichtet man auf eine Festanstellung<br />
mit regelmäßigem Einkommen? Warum macht man sich davon<br />
abhängig, ständig Aufträge einholen zu müssen, wo es doch als<br />
Angestellter so einfach wäre? Coworking kann man als Lebensstil<br />
betrachten. Eine neue Arbeitsform für eine neue Generation<br />
von Selbstständigen: gemeinsam alleine arbeiten. Geprägt<br />
durch die verschiedensten Einflüsse und Kulturen, wie etwa das<br />
social networking. Und das Modell funktioniert, so wie bei Unternehmensberater<br />
Peter Bihr: „Ich persönlich fühle mich sehr<br />
sicher, es läuft absolut rund. Ich mach‘s seit drei Jahren und<br />
kann davon gut leben. Dass heißt, ich kann mich überhaupt<br />
nicht beschweren. Wenn ich es vergleiche mit der Situation, wie<br />
meine Eltern arbeiten, die würden das sicherlich als deutlich<br />
weniger abgesichert empfinden.“ Viele Coworker wären allerdings<br />
gerne fest angestellt, finden aber aufgrund mangelnder<br />
Angebote keine Stellen. So wird aus der Not eine Tugend.<br />
Die Gründer <strong>des</strong> betahauses haben für sich aus dieser Sackgasse<br />
einen Weg gefunden. Zu sechst waren sie, frisch von der Uni,<br />
ohne Chancen auf Arbeitsplätze und so schufen sie sie sich<br />
selbst, übertrugen die freieren Strukturen der Universität einfach<br />
auf ihr Arbeitsleben.<br />
Laut einer Studie von Peter Bihr im Auftrag <strong>des</strong> betahauses<br />
entstehen derartige Arbeitsformen durch den Umbruch <strong>des</strong> Arbeitsmarktes.<br />
Viele Jobs verlangen Flexibilität und somit wird<br />
Langfristigkeit zu einem seltenen Gut. „Weniger als zwei Drittel<br />
aller Erwerbstätigen in Deutschland haben noch einen Normaljob,<br />
der voll sozialversicherungspflichtig und unbefristet ist.“<br />
(Spiegel 12/2010) Doch was für Menschen stecken dahinter?<br />
Ein durchschnittlicher „Soloselbstständiger“ sieht so aus: Geschlecht<br />
männlich, Alter 25 bis 35 Jahre, nur krankenversichert,<br />
Bürokratie-allergisch, wünscht sich flexible Unterstützung und<br />
weniger Benachteiligung seitens <strong>des</strong> Staates. Der Frage, ob man<br />
sich in derartigen Lebensumständen sozial und finanziell abgesichert<br />
fühlen kann, stimmt mehr als die Hälfte der befragten<br />
Freelancer zu.<br />
Raum zum Arbeiten<br />
Jeder hat eigene Intentionen und Ziele. Manche sind viel unterwegs<br />
und brauchen nur ab und an einen Schreibtisch. Für<br />
einige soll es ein Sprungbrett sein. Und manch einer, wie Martin<br />
Elwert, will die Kosten <strong>des</strong> Büros zugunsten seiner Geschäftsidee<br />
einsparen. Denn er will Kaffee direkt aus den Händen äthiopischer<br />
Bauern importieren. Mit den Verkaufseinnahmen für<br />
das Lifestyleprodukt werden vor Ort weitere Hilfsprojekte angestrengt.<br />
Am donnerstäglichen Frühstückstisch wurde dieses<br />
Projekt vorgestellt und diskutiert. Ein Brainpool, der kostenlos<br />
beim Probleme lösen hilft.<br />
Das „Büro“ der Zukunft folgt den kulturellen und kommunikativen<br />
Bedingungen der Informationsgesellschaft. Es wird genetzwerkt.<br />
Ganz im Sinne eines virtuellen Netzwerks, nur eben<br />
zum Anfassen.<br />
Konzept in Halle angekommen<br />
Dass sich Trends schnell verbreiten, zeigen die vielen Gründungen<br />
von Coworking Spaces in anderen Städten. Die Firma<br />
GP Günther Papenburg AG hat im September Sachsen-Anhalts<br />
ersten Coworking Space im Waisenhausring in Halle mit einer<br />
Gesamtfläche von circa 250 Quadratmeter eröffnet. Ab 10 Euro<br />
am Tag kann nun auch hier der unbekannte Kollege ‚mitgemietet‘<br />
werden! n<br />
Gemeinsam alleine arbeiten<br />
Karriere n<br />
31
n Finish<br />
32<br />
Medienwirksame Prototypisierung im Fernsehen<br />
Bachelorarbeit über Stereotype in „Deutschland sucht den Superstar“<br />
Von Eva Dietrich<br />
astingshows sind seit <strong>Ende</strong> 2000 nicht mehr aus der<br />
Fernsehlandschaft wegzudenken, so Julia Leupold in<br />
ihrer Bachelorarbeit „Gescheiterter Favorit. Die Stereotypisierung<br />
der Kandidaten und ihrer Handlungsweisen<br />
bei DSDS 2009“. Die MuK-Absolventin, die auch Deutsche<br />
Sprache und Literatur studierte, war schon seit der ersten Staffel<br />
von DSDS fasziniert, zunächst noch als Zuschauerin und<br />
später dann als kritische Medienwissenschaftlerin. Sie fragte<br />
sich, warum bestimmte Leute in den Castings ‚vorgeführt‘<br />
werden, warum die Zuschauer genau das sehen wollen und<br />
warum immer wieder ‚Prototypen‘ von Kandidaten inszeniert<br />
werden. Deshalb wusste die gebürtige Dessauerin bereits im<br />
vierten Semester, dass sie dieses Thema unbedingt in ihrer Bachelorarbeit<br />
aufgreifen wollte. Im Gespräch mit den Gutachtern<br />
Prof. Dr. Gerhard Lampe und Dr. Steffi Schültzke wurde<br />
das Thema weiter eingegrenzt. „Stück für Stück setzte sich das<br />
Puzzle langsam zusammen und es stand fest, dass ich mich<br />
auf die Emotionalisierung und Stereotypisierung beschränken<br />
wollte“, sagt Leupold. Die Inszenierung der Kandidaten ist, wie<br />
Leupold betont, eine äußerst wichtige Komponente der Show,<br />
die in den bisherigen Publikationen aber zu kurz gekommen<br />
ist. Deshalb analysierte sie in ihrer Arbeit die Stereotypisierung<br />
<strong>des</strong> Kandidaten Marc Jentzen, dem so genannten gescheiterten<br />
Favoriten aus der sechsten Staffel. Nach umfangreicher Literaturrecherche<br />
begann der eigentliche Schreibprozess. Nicht ganz<br />
stressfrei, denn parallel arbeitete sie als freie Mitarbeiterin bei<br />
TV Halle.<br />
Mit einem Marktanteil von teilweise über 50 Prozent ist DSDS<br />
eine feste Institution in der Fernsehbranche. Die Zuschauer<br />
sollen sich aus der Vielzahl der Kandidaten einen Favoriten<br />
heraussuchen und durch Telefonvotings aktiv am weiteren<br />
Verlauf teilnehmen. Aus diesem Grund müssen die Kandidaten<br />
auf der einen Seite authentisch wirken, auf der anderen Seite<br />
aber brauchen die Macher der Show unterschiedliche Typen,<br />
die mögliche Konkurrenten darstellen können. Deshalb wird in<br />
Trailern mit Hilfe von Kommentaren der Eltern und Freunde,<br />
von Einspielungen alter Familienfotos und -videos das Leben<br />
der Kandidaten gezeigt. Zudem werden sie außerhalb der Shows<br />
zu Proben und Studioaufnahmen begleitet. Die Darstellung ist<br />
emotional, intim und teils dramatisiert. Stereotypisierung spielt<br />
hier vor allem eine Rolle, weil bei DSDS eben nur Ausschnitte<br />
aus dem Leben der Kandidaten gezeigt werden können. Deshalb<br />
sollen die Lücken, die dabei entstehen, mit Hilfe von Stereotypen<br />
gefüllt werden. Aus den allgemeinen Stereotypfunktionen<br />
leitete Leupold die Charakteristika für Filmstereotype ab und<br />
definierte die drei Stufen von Stereotypisierung im Film: Konstruktion<br />
der Figuren,<br />
der Handlungswelt sowie<br />
die Bild- und Klangkon-<br />
Marc Jentzen wird als Heimkind und Boygroupmitglied,<br />
aber auch als Schlägertyp dargestellt<br />
struktion. Demnach analysierte sie die Ebenen der Narration<br />
und Dramaturgie, <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> und <strong>des</strong> Tones. Sie kam zu dem<br />
Schluss, dass auf allen untersuchten Ebenen stereotype Muster<br />
zu erkennen sind. Über Interviewsequenzen, Bilder vergangener<br />
Auftritte und Kommentare von Freunden und Familie werden<br />
feststehende Stereotype der jeweiligen Kandidaten kreiert. Dabei<br />
dienen Farbeffekte und Musik der Stimmungserzeugung.<br />
Der analysierte Kandidat Marc Jentzen wird facettenreich dar-<br />
In DSDS werden Stereotype über Bild, Ton und<br />
Dramaturgie vermittelt<br />
gestellt: Zunächst als Marc, der im Heim aufwuchs und Mitglied<br />
einer Boygroup war, dann als Familienmensch, der die<br />
Unterstützung seiner Familie braucht und später als ‚Schlägertyp‘,<br />
der im künstlich erzeugten Handlungskonflikt mit Kontrahentin<br />
Annemarie Eilfeld steht. Trotzdem wird sein Charakter<br />
eher oberflächlich dargestellt und auf die genannten Stereotype<br />
reduziert.<br />
Wen das Thema und die weiteren Ergebnisse der Analyse genauer<br />
interessieren, der sollte diese Arbeit also dringend lesen.<br />
Sie wurde <strong>Ende</strong> April abgegeben und nach zwei Monaten<br />
Korrekturzeit bekam die Autorin ihre Note. Leupold hat<br />
ihr Studium mittlerweile abgeschlossen und ein Volontariat bei<br />
einer Fernsehproduktionsfirma in Kassel begonnen. Ihre Tipps<br />
für alle, die demnächst ihre Bachelorarbeit schreiben: 1. Frühzeitig<br />
anfangen, zumin<strong>des</strong>t mit den Vorbereitungen, denn am<br />
<strong>Ende</strong> wird es trotzdem knapp. 2. Immer mit den Dozenten in<br />
Kontakt bleiben, um den aktuellen Arbeitsstand zu überprüfen<br />
und sich Tipps zu holen. Dabei kritikfähig<br />
sein! 3. Ganz schnell mit dem Schreiben anfangen,<br />
denn es dauert wirklich<br />
länger als man denkt.<br />
4. Einfach nur<br />
durchhalten,<br />
das sichere<br />
<strong>Ende</strong> naht<br />
auf jeden<br />
Fall. n
Zusammengestellt von Eva Dietrich<br />
Anja Heinicke<br />
Hendrik König<br />
Gitte Kießling<br />
Abschlussarbeiten im Masterstudiengang<br />
MultiMedia & Autorschaft SoSe 09<br />
Name Thesis Projektarbeit<br />
Steffi Schramm<br />
Merce<strong>des</strong> Hervás<br />
de Mora<br />
Franziska Roscher<br />
Theresa Henning<br />
Arne Mertens<br />
Stefan Schwarz<br />
Annika<br />
R.-Kopschinski<br />
Frauke Holz<br />
Die Inszenierung <strong>des</strong> Tat-Ortes im Kriminalfilm Das Wächterhaus in der Triftstr. 19a in Halle/Saale.<br />
Eine multimediale Darstellung<br />
Analyse von Nutzungskonzepten be- bzw. entstehender<br />
Seen in der Mitteldeutschen Seenlandschaft<br />
beispielhaft dargestellt am Großen Goitzschesee,<br />
dem Cospudener See, dem Markleeberger<br />
See und dem Geiseltalsee<br />
Medienarchivsysteme im Web. Eine Studie am<br />
Beispiel <strong>des</strong> Radiofeatures<br />
Internet als Lernmedium für Kinder. Analyse und<br />
Kriterienentwicklung<br />
Potentiale der Digitalisierung. Remix als neue<br />
Subkultur<br />
Die grüne Welle in den Social Communities. Analyse<br />
und Vergleich der Seiten fairdo.net und utopia.de<br />
im Hinblick auf Identitäten und Identitätsbildung<br />
Selbstinszenierung im Netz am Beispiel von Hallenser<br />
Künstlern<br />
Potentiale <strong>des</strong> E-Leanings in virtuellen Welten.<br />
Campus & Traineecenter in Second Life<br />
Die Ressource Aufmerksamkeit im Netz am Beispiel<br />
digitaler Werbung<br />
Die Konstruktion von Stadträumen in Fernsehserien.<br />
Am Beispiel von Halle (Saale) im „Polizeiruf 110“<br />
Eine Analyse der Bedingungen von Pressefreiheit in<br />
China im aktuellen Diskurs (ab den 1980er Jahren)<br />
Zwischen Erinnerungskultur und Weinbau. Alternative<br />
Nutzungsformen von Industriebrachen und<br />
-denkmälern im Süden Sachsen-Anhalts. Multimedial<br />
dargestellt<br />
Multimediale Präsentation zukünftiger Onlinearchivsysteme<br />
für Radiofeatures<br />
Die Stadt Halle. Skizzen einer virtuellen Welt für<br />
Kinder<br />
DDR-Kunstwerke im öffentlichen Raum Halles.<br />
Eine multimediale Dokumentation<br />
Ökoführer Halle. Ein multimedialer Überblick<br />
Kunst im Stadtraum Halle. Multimedial dargestellt<br />
Spielerpersönlichkeiten in virtuellen Welten. Eine<br />
multimediale Präsentation<br />
Hypermediale Präsentation kreativer Kommunikation<br />
im Raum Halle<br />
Sein eigener Herr sein. Existenzgründer in Mitteldeutschland.<br />
Multimedial dargestellt<br />
An der Saale hellem Strande. Ein multimedialer<br />
Seitenblick und eine Bootsfahrt entlang der Saale<br />
Screenshots von drei der vielen tollen Masterprojekte: der Ökoführer Halle von Franziska Roscher, der multimediale Seitenblick mit<br />
Bootsfahrt entlang der Saale von Frauke Holz und die Präsentation über Kunst im Stadtraum Halle von Theresa Henning<br />
Finish n<br />
33
n Publiziert<br />
34<br />
Neue Publikationen aus dem Department<br />
Zusammengestellt von Ulrike Schmidt<br />
Florian Hartling;<br />
Beat Suter (Hrsg.)<br />
Archivierung von digitaler<br />
Literatur: Probleme–Tendenzen–Perspektiven<br />
Mit dem Doppelband der Zeitschrift<br />
SPIEL erscheint ein Gemeinschaftsprojekt<br />
von Wissenschaftlern, die sich mit<br />
der Flüchtigkeit von Internet-Literatur<br />
beschäftigen. Digitale Literatur ist<br />
aktuell, interaktiv, subjektiv und gut<br />
vernetzt. Doch wie haltbar ist sie? Wie<br />
lange bleiben Texte, die auf Webseiten<br />
veröffentlicht werden, lesbar?<br />
Was passiert mit den alten Ausgaben,<br />
wenn eine Literaturzeitschrift vom<br />
Netz geht? Dies sind einige der Fragen,<br />
die Literaten, Archivare und (Literatur-)Wissenschaftler<br />
beschäftigen.<br />
Webseite sind im Durchschnitt weniger<br />
als 100 Tage im Netz unter ihrer<br />
Originaladresse abrufbar. Danach ziehen<br />
sie um oder werden komplett gelöscht.<br />
Kulturelle elektronische Inhalte,<br />
wie etwa digitale Literatur, vor dem<br />
Verfall zu bewahren, erweist sich als<br />
schwierig. Obwohl die deutsche Nationalbibliothek<br />
seit November 2008<br />
einen Sammelauftrag für Online-Inhalte<br />
hat, ist es weiterhin unklar, wie<br />
genau die Archivierung insbesondere<br />
von flüchtigen und vergänglich konzipierten<br />
Inhalten aussehen soll. Das<br />
Projekt eruiert neue Verfahren und<br />
Gegenstände der Archivierung von digitaler<br />
Literatur. n<br />
Aufgedeckt II. Forschungsgrabungen<br />
am Magdeburger<br />
Dom 2006 – 2009<br />
Sonderband 13 der Reihe<br />
Archäologie in Sachsen-<br />
Anhalt; Buch und DVD<br />
Der zweite Band zu den Grabungen<br />
auf dem Domhügel in Magdeburg<br />
enthält archäologische, historische<br />
und kunstgeschichtliche Untersuchungen<br />
der letzten Jahre. Durch Kooperationen<br />
mit der Stiftung Dome<br />
und Schlösser in Sachsen-Anhalt, dem<br />
Hallischen Institut für Medien an der<br />
Martin-Luther-Universität (HIM) sowie<br />
dem Hallischen Institut für Neue<br />
Medien in Archäologie und Kunst e.V.<br />
(INMEDIAK e.V.) entstanden eindrückliche<br />
Dokumentationen der spektakulären<br />
Funde und Entdeckungen. Prof.<br />
Dr. Gerhard Lampe und sein Team<br />
unterstützen die Forschungsarbeiten<br />
durch umfangreiche Aufnahmen. Die<br />
Videodokumentation besteht aus drei<br />
Teilen (à 39 Minuten) und liegt dem<br />
Band als DVD bei. Der Film ist an gut<br />
50 Drehtagen entstanden. Er enthält<br />
nicht nur die vorläufigen Untersuchungsergebnisse,<br />
sondern spiegelt<br />
die Arbeits- und Erkenntnisprozesse<br />
wider. Die Beiträge in „Aufgedeckt II“<br />
bilden als Zwischenbericht den neuesten<br />
Erkenntnisstand ab.<br />
Ziel der Grabungen ist es, die Vorgängerbebauung<br />
<strong>des</strong> gotischen Doms zu<br />
klären. n<br />
Sebastian Pfau<br />
Vom Seriellen zur Serie<br />
– Wandlungen im DDR-<br />
Fernsehen<br />
Das zentrale Anliegen dieser Dissertationsschrift<br />
ist die historisch-kritische<br />
Aufarbeitung der Entwicklung<br />
fiktionaler Serien im Programm <strong>des</strong><br />
DDR-<strong>Fernsehens</strong>. Serien entsprechen<br />
nicht nur der strukturierten Form<br />
<strong>des</strong> Massenmediums Fernsehen, sondern<br />
integrieren sich besonders gut<br />
in den durchstrukturierten Alltag der<br />
Fernsehzuschauer. Ein besonderer<br />
Schwerpunkt der Untersuchung ist<br />
die Aufarbeitung der Entwicklungsgeschichte<br />
von DDR-Familienserien.<br />
Die Arbeit gibt zunächst einen kurzen<br />
Abriss der Geschichte seriellen Erzählens.<br />
Anschließend wird auf den breit<br />
gefächerten wissenschaftlichen Diskurs<br />
zur Fernsehserie eingegangen.<br />
Pfau gliedert die Serienproduktion<br />
<strong>des</strong> DDR-<strong>Fernsehens</strong> in sechs Phasen.<br />
Unter Einbeziehung der jeweiligen gesellschaftlichen<br />
und politischen Kontexte<br />
wurden für jede Phase die Entwicklungstendenzen<br />
aufgezeigt und<br />
je eine Serie exemplarisch analysiert.<br />
Das Ergebnis ist eine Darstellung der<br />
wesentlichen thematischen, dramaturgischen,<br />
qualitativen, quantitativen<br />
und institutionellen Entwicklungen<br />
der Serienproduktion <strong>des</strong> DDR-<strong>Fernsehens</strong>.<br />
n
Festivals /<br />
Wettbewerbe<br />
Messen / Tagungen<br />
Workshops<br />
Termine im Wintersemester 2010/11<br />
DOK Festival Leipzig<br />
Internationales Festival für Dokumentar- und<br />
Animationsfilm<br />
18. - 24. Oktober 2010<br />
www.dok-leipzig.de<br />
Internationales Kurzfilmfestival Berlin<br />
16. - 21. November 2010<br />
www.interfilm.de<br />
Medienhistorisches Forum für Absolventen und<br />
Forschungsnachwuchs, Wittenberg<br />
08. - 09. Oktober 2010<br />
Plattform zur Netzwerkbildung für jüngere Wissenschaftler<br />
www.rundfunkundgeschichte.de/kolloq.html<br />
Tagung „Performativität und Medialität<br />
Populärer Kulturen“, Halle<br />
03. - 04. Dezember 2010<br />
Tagung im Rahmen einer Kooperation der AG Populärkultur<br />
und Medien (GfM) und <strong>des</strong> Departments für Medien<br />
und Kommunikationswissenschaften, MLU<br />
http://www.medienkomm.uni-halle.de/aktuelles/kongresse_tagungen/<br />
UNIVATIONS Hochschulgründernetzwerk<br />
Sachsen-Anhalt<br />
Basis- und Intensivworkshops für Existenzgründer<br />
Technologiepark Weinberg Campus<br />
Weinbergweg 23, 06120 Halle<br />
www.univations.de<br />
Werkleitz Gesellschaft e.V.<br />
Zentrum für künstlerische Bildmedien Sachsen-Anhalt<br />
Schleifweg 6, 06114 Halle<br />
www.werkleitz.de<br />
Kosten: 25 bis 120 €<br />
Zusammengestellt von Eva Dietrich<br />
Internationale Filmfestspiele Berlin<br />
10. - 20. Februar 2011<br />
www.berlinale.de<br />
Filmfest Dresden<br />
International Short Film Festival<br />
12. - 17. April 2011<br />
www.filmfest-dresden.de<br />
Leipziger Buchmesse<br />
17. - 20. März 2011<br />
Zweitgrößte Messe Deutschlands, die als erster großer<br />
Branchentreff <strong>des</strong> Jahres einen wichtigen Impulsgeber<br />
für den Büchermarkt darstellt<br />
www.leipziger-buchmesse.de<br />
Hallesches Medienkolloquium<br />
Workshop zu zentralen Forschungsfragen und Wissenschaftskonzepten<br />
März 2011<br />
Medienkompetenzzentrum der Lan<strong>des</strong>medienanstalt<br />
Sachsen-Anhalt<br />
Reichardtstraße 8, 06114 Halle<br />
www.medienkompetenzzentrum.de<br />
Sächsischer Ausbildungs- und Erprobungskanal<br />
Förderwerk für Rundfunk und neue Medien<br />
Rosa-Luxemburg-Straße 29, 04103 Leipzig<br />
Kurse u.a. auch in Chemnitz und Dresden<br />
www.saek.de<br />
Kosten: 15 bis 30 €<br />
Dates<br />
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