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Kontrovers: Ende des kostenlosen Fernsehens? | Kulturbeute ...

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Zeitschrift der Medien- und Kommunikationswissenschaften<br />

an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

Alte Meister,<br />

neue Master<br />

Wintersemester 2010/11 n Heft 13<br />

<strong>Kontrovers</strong>: <strong>Ende</strong> <strong>des</strong> <strong>kostenlosen</strong> <strong>Fernsehens</strong>? | <strong>Kulturbeute</strong>: Leben zwischen zwei<br />

Welten | Meinung: Schockierende Bilder im studiVZ | Branche: In 80 Tagen von<br />

1<br />

der Idee zum Trickfilm | Gespräch: Hagen Lettow | Karriere: Coworking Spaces<br />

n


n<br />

2<br />

Editorial<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

der Inhalt <strong>des</strong> MuKJournals ist ein Spiegel der Aktivitäten am Department. Er ist aber auch ein Spiegel der<br />

Interessen und Vorlieben, ja, der Herkunft der wechselnden studentischen Redakteurinnen und Redakteure.<br />

So lässt uns diesmal unsere Autorin Thu Trang Luong am Leben von Vietnamesen in Halle teilhaben und<br />

daran, wie sie mittels Medien die Verbindung zur Heimat halten (Seite 18). Wir dürfen die Begeisterung<br />

von Diana Stöhr für Animationsfilm teilen und auch ihre Schockmomente mit studiVZ (Seite 26 und 21).<br />

Dominika Tux möchte mit ihrem Essay unser Interesse für das 3D-Kino vertiefen (Seite 22). Und Sebastian<br />

Matthes ist aufgefallen, dass die finanziellen Folgen der technischen Weiterentwicklung <strong>des</strong> <strong>Fernsehens</strong> noch<br />

weitgehend verdrängt werden (Seite 16). Luise Kotulla wiederum lernte durch ein Praktikum Hagen Lettow<br />

kennen und war beeindruckt von <strong>des</strong>sen reichem Erfahrungsschatz. Ihr Gespräch mit dem Urgestein <strong>des</strong><br />

<strong>Fernsehens</strong> finden Sie auf Seite 28. Weit weg, nämlich in Australien, war Anna Jäger. Dort hatte sie nicht nur<br />

erfreuliche Begegnungen, wie sie auf Seite 24 berichtet.<br />

Dieses Heft zeigt selbstverständlich auch, was die anderen am MuK-Department so machen: Unser Gründer Prof.<br />

Dr. Reinhold Viehoff blickt zurück auf seine kürzlich beendete Zeit als Dekan der Philosophischen Fakultät II<br />

(Seite 9); Susanne Vollberg rundet mit ihrer Habilitation den Forschungsschwerpunkt DDR-Fernsehen ab (Seite<br />

6) und die Filmenthusiasten sorgen weiter unermüdlich für ‚Augenfutter’ (Seite 10, 11 und 14). Nicht zuletzt<br />

aber belegen zwei neue Master-Studiengänge die Dynamik am Department (Seite 5).<br />

Noch ein Wort in eigener Sache: Den Redakteurinnen und Redakteuren war es ein Bedürfnis, der Tutorin und<br />

Layouterin dieser Ausgabe, Melanie Grießer, für ihr großes Engagement zu danken (siehe unten). Dem schließe<br />

ich mich nur zu gerne an. Ohne ihr unermüdliches Zutun wären unsere Inhalte kaum mehr als eine ‚Bleiwüste’.<br />

Verabschieden müssen wir leider unsere Redaktionsassistentin Katja Berg - wenn auch aus einem erfreulichen<br />

Grund: Sie beendet demnächst ihr Studium. Ein ganz herzliches Dankeschön an sie für ihre konstruktive und<br />

aufmerksame Mitarbeit.<br />

Viel Spaß beim Lesen wünscht<br />

Ingrid Brück<br />

Die Redaktion dieses Heftes…<br />

Timo Leich<br />

Luise Kotulla<br />

Helen Lorenz<br />

Julius Schröder<br />

Christiane Rasch<br />

Sebastian Matthes<br />

Thu Trang Luong<br />

Eva Dietrich<br />

Ulrike Schmidt<br />

Anna Jäger<br />

Dominika Tux<br />

Beim Fotoshooting fehlten leider Michael Nerenz und Diana Stöhr. Ob<br />

Höhenangst, Sonnenbrillenmangel oder redaktionelle Überarbeitung<br />

sie ferngehalten haben, ist nicht bekannt.<br />

…möchte hoch hinaus und<br />

noch viel weiter!<br />

Auf dem Dach <strong>des</strong> MMZ sind wir diesem Ziel schon<br />

ein ganzes Stück näher gekommen. Die Stufen dorthin:<br />

Planen, Recherchieren, Schreiben, Korrigieren,<br />

Umschreiben, Korrektur lesen und natürlich Layouten,<br />

Zeilen zählen und Zurechtschieben. Manchmal mussten<br />

wir zwei Stufen gleichzeitig nehmen, dann ging es<br />

wieder einen Schritt zurück. Dennoch haben wir das<br />

MukJournal fertig bekommen. Dank der Unterstützung<br />

von Dr. Ingrid Brück und vor allem der engagiertesten<br />

Tutorin ever: Melanie Grießer. Sie hat in ihrer freien<br />

Zeit eine unglaublich hilfreiche Website zum Layout<br />

<strong>des</strong> MuKJournals gebastelt, die jeder Teilnehmer <strong>des</strong><br />

Seminars sicherlich nicht nur einmal genutzt hat. Deshalb<br />

ist es an der Zeit, hier ein Lob auszusprechen!


S. 14<br />

Wintersemester 2010/11<br />

Update<br />

Neues aus dem Department | 04<br />

Department<br />

Master of Media & OnlineRadioMaster | 05<br />

Forschung<br />

Freundbilder auf dem Prüfstand | 06<br />

Department<br />

„Transparenz in allen Dingen“ | 09<br />

Geschehen<br />

Leute suchen, Filme pitchen, Meinung sagen | 10<br />

Drehmomente 2010 | 11<br />

Zwei<br />

Zwei Preise innerhalb einer Woche erhielt<br />

MuK-Student Friedemann Ebelt für seinen<br />

Kurzfilm „Frisch machen“. Einen davon<br />

im Rahmen <strong>des</strong> Nachwuchstages der<br />

Mitteldeutschen Medienförderung (MDM).<br />

Wie es den Nachwuchsfilmern beim Pitchen<br />

ihrer Projekte erging und wie aus Rindertalg<br />

Seife wird, darüber berichtet Julius<br />

Schröder in seiner Reportage.<br />

Gut gerüstet<br />

Kassensturz | 12<br />

Branche<br />

In 80 Tagen von der Idee zum Trickfilm | 26<br />

Gespräch<br />

Hagen Lettow – Urgestein <strong>des</strong> <strong>Fernsehens</strong> | 28<br />

Karriere<br />

Coworking Spaces | 30<br />

Finish<br />

Medienwirksame Prototypisierung im Fernsehen | 32<br />

Abschlussarbeiten im Masterstudiengang MM&A | 33<br />

Publiziert<br />

Neue Publikationen aus dem Department | 34<br />

Dates<br />

Termine für das Wintersemester 2010/11 | 35<br />

Eins<br />

Eine Habilitationsschrift zu Leitbildern im<br />

DDR-Fernsehen hat Dr. Susanne Vollberg<br />

vorgelegt: Die Berufstätigkeit der emanzipierten<br />

Frau, die erfolgreiche Kollektivierung<br />

der Landwirtschaft und die<br />

unverbrüchliche Freundschaft<br />

mit der UdSSR waren solche<br />

„verhaltensanleitenden Bilder“,<br />

die gezielt in Szene<br />

gesetzt wurden.<br />

Reportage<br />

14 | Der lange Tag der kurzen Filme<br />

<strong>Kontrovers</strong><br />

16 | Das <strong>Ende</strong> <strong>des</strong> <strong>kostenlosen</strong> <strong>Fernsehens</strong>?<br />

<strong>Kulturbeute</strong><br />

18 | Leben zwischen zwei Kulturen<br />

Meinung<br />

21 | Schockierende Bilder bei studiVZ<br />

Essay<br />

22 | 3D-Kino: die digitale Illusion?<br />

Weit weg<br />

24 | Ist hier das <strong>Ende</strong> der Welt?<br />

Drei<br />

S. 6<br />

Drei Dimensionen im Kino zu erleben, ist<br />

ein faszinieren<strong>des</strong> Erlebnis. Ob die digitale<br />

Illusion <strong>des</strong> 3D-Kinos nun Fluch oder Segen<br />

für das Publikum ist, fragt sich Dominika<br />

Tux in ihrem Essay. Sie erinnert dabei auch<br />

an die Anfänge einer Entwicklung, deren<br />

Meilensteine so schöne Namen tragen wie<br />

„Bawana, der Teufel!“<br />

und „Der Weiße Hai“.<br />

S. 22<br />

Inhalt n<br />

3


n Update<br />

4<br />

Zusammengestellt von Ulrike Schmidt<br />

Neues aus dem Department<br />

Traumquote für Studentische Soap<br />

Einen Marktanteil von 7,7 Prozent und 60 000 Zuschauer konnte „Unistadt“, unsere studentische<br />

Wohngemeinschaft aus Halle verbuchen. Diese hohe Einschaltquote auf dem<br />

Sendeplatz von UNICATO, dem studentischen Filmmagazin <strong>des</strong> MDR <strong>Fernsehens</strong>, kann<br />

als außergewöhnlicher Erfolg angesehen werden. MuK-Studierende hatten in drei Jahren<br />

die Soap Opera produziert. In der am 23. Juni 2010 ausgestrahlten Doppelfolge mit dem<br />

Titel „Eine schreckliche Entdeckung“ konnte zum ersten Mal ein breites Publikum am<br />

fiktionalen Leben der Studierenden teilnehmen. Zuvor hatten nur die Zuschauer von TV<br />

Halle dieses Vergnügen gehabt. n<br />

Shortmoves – Lehrpreis 2010 für Praxismodul<br />

Mit dem Lehrpreis 2010 würdigte die Vereinigung der Freunde und Förderer der MLU<br />

jetzt die engagierte Arbeit der Dozenten Manja Rothe-Balogh, Dr. Steffi Schültzke und<br />

Dr. Thomas Wilke. In dem nun preisgekrönten Praxismodul hatten sie gemeinsam mit<br />

Studierenden das Kurzfilmfestival Shortmoves organisiert, das am 17. und 18. September<br />

stattfand. Die Resonanz war enorm: Eine internationale Vielfalt von insgesamt 378<br />

Filmen erreichte das Team in diesem Jahr. Filme kamen sogar aus Kanada, Australien,<br />

Süd-Korea, Russland, Japan und den USA. Bei der Sichtung bot sich ein buntes Bild:<br />

viele verschiedene Genres, Geschichten und Protagonisten. Animationen und Dokumentationen<br />

waren ebenso vertreten wie Experimental- und Spielfilme. Aus den 378 Streifen<br />

eine Auswahl zu treffen, fiel nicht leicht. 20 Filme schafften es in die endgültige Auswahl<br />

und flimmerten in fast ausverkauften Häusern über die Festival-Leinwände von Lux Kino<br />

und Puschkino. Das Publikum zeigte sich begeistert, nicht nur vom breiten Spektrum der<br />

Filme, sondern auch von der hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion zur Zukunft <strong>des</strong><br />

Kurzfilms. Verdienter Lohn für Dozenten und Studierende. n<br />

Zwei Preise für Friedemann Ebelt<br />

Der Hallenser MuK-Student Friedemann Ebelt erhielt für seinen Kurzfilm „Frisch machen“<br />

einen UNICATO-Award in der Kategorie Bester Experimentalfilm. Im Juni 2010<br />

wurden im Halleschen Volkspark die Awards <strong>des</strong> Mitteldeutschen Rundfunks zum vierten<br />

Mal verliehen. Im Rahmen der Show wurden studentische Kurzfilme in sieben Kategorien<br />

ausgezeichnet. Ebelt geht in seinem Kurzfilm den tierischen Hintergründen der Seifenherstellung<br />

auf den Grund. Kurz zuvor hatte er für „Frisch machen“ beim Kurzfilmfestival<br />

Selbstgedrehtes bereits die Gläserne Kamera sowie den Geldpreis <strong>des</strong> Format Filmkunstverleihs<br />

Halle für den besten Kurzfilm entgegen nehmen dürfen (siehe Seite 14). n<br />

Performativität und Medialität Populärer Kulturen<br />

Vom 3. bis 4. Dezember 2010 findet die Tagung: „Performativität und Medialiät Populärer<br />

Kulturen“ in Halle statt. Dr. Thomas Wilke vom MuK-Department und Dr. Marcus S. Kleiner<br />

von der Universität Siegen laden herzlich dazu ein. Ausgangspunkt ist die These, dass<br />

die Bedeutung von Populären Kulturen nicht ohne einen Bezug auf Performativität und<br />

Medialität begriffen werden kann. Im Juli dieses Jahres wurde bereits im Forschungskolloquium<br />

„Musik. Macht. DJs!“ über die Diskontinuität popmusikalischer Diskurse nachgedacht.<br />

Vier Vorträge beschäftigten sich mit dem Zusammenhang der Verfügbarkeit von<br />

Musik, dem Prozess der Digitalisierung, den Aspekten <strong>des</strong> Performativen während <strong>des</strong><br />

Auflegens und dem Stellenwert der jeweiligen Musikrichtung innerhalb der vornehmlich<br />

deutschen Musikszene. Das Besondere <strong>des</strong> Kolloquiums, das Dr. Thomas Wilke leitete, war<br />

die produktive Verbindung von Theorie und Praxis. Die studentischen Referenten Dominika<br />

Tux, Christopher Roos und Ninette Jänich konnten, ebenso wie Wilke, als aktive DJs<br />

aus der Innenperspektive heraus agieren, reflektieren und argumentieren. n


Master of Media & OnlineRadioMaster<br />

Von Ulrike Schmidt und Dominika Tux<br />

Zwei neue Studiengänge am MuK-Department<br />

etzt ist das Quartett voll: Zum grundständigen Bachelorstudiengang<br />

„Medien- und Kommunikationswissenschaft“<br />

gesellt sich ab diesem Wintersemester ein<br />

gleichnamiges Masterprogramm; zum bereits etablierten<br />

Master-Studiengang „MultiMedia & Autorschaft“ ist als Weiterbildungsangebot<br />

das Masterprogramm „Online Radio“ dazu<br />

gekommen.<br />

Im Mai dieses Jahres hatte sich der akademische Senat der<br />

Martin-Luther-Universität einstimmig für die Annahme <strong>des</strong><br />

Masterstudiengangs „Online Radio“ ausgesprochen. Auf positive<br />

Resonanz stieß er auch wegen seines Modellcharakters:<br />

ein berufsbegleitender Studiengang, der auf die aktuelle Entwicklungen<br />

im Hörfunk reagiert und überwiegend online<br />

studiert werden kann. Radio ist heute nicht mehr abgekoppelt<br />

vom Internet zu betreiben. So überrascht es auch nicht,<br />

dass ein Vorreiter <strong>des</strong> Online Radios, nämlich MDR Sputnik,<br />

ein wichtiger Kooperationspartner <strong>des</strong> Projekts ist.<br />

Das gebührenpflichtige Angebot wird den<br />

Bestrebungen der MLU gerecht, einen Weiterbildungssektor<br />

aufzubauen. Mit der<br />

Weiterbildung wird ernst gemacht, das<br />

zeigt sich schon daran, dass Berufserfahrung<br />

der Bewerber vorausgesetzt und<br />

auf die Studienzeit angerechnet wird. Die<br />

sorgfältig gestalteten Flyer wurden an<br />

Firmen verschickt, die ihren Mitarbeitern<br />

die Möglichkeit geben, neben dem Beruf<br />

einen Master zu absolvieren. Der Vorteil<br />

liegt auf beiden Seiten. Der Mitarbeiter<br />

kann studieren und während der zwei Jahre<br />

seine Stelle behalten, also auch seinen Unterhalt<br />

verdienen. Die Firma profitiert unmittelbar<br />

vom Kenntniszugewinn ihres Mitarbeiters, etwa<br />

indem das Abschlussprojekt auf den Bedarf im<br />

Betrieb zugeschnitten werden kann. Der experimentelle<br />

und kreative Zugang <strong>des</strong> Studiums<br />

kann so an real existierenden Problemen erprobt<br />

werden.<br />

Im Online Radio Master sind nicht nur die<br />

Studieninhalte dem aktuellen Mediennutzungsverhalten<br />

angepasst, sondern auch die<br />

projektbezogene Kommunikation. So wurde<br />

viel Mühe und Kreativität verwendet für die<br />

Entwicklung und Fertigstellung der eigenen<br />

Website. Im Blog www.blog.onlineradiomaster.de<br />

findet ein reger Austausch über den<br />

Hörfunk in multimedialen Zeiten statt. Dane-<br />

ben wird auf FACEBOOK und TWITTER (bei<strong>des</strong> onlineradioMA)<br />

für den Studiengang geworben. Dessen ‚Vater‘, Juniorprof. Dr.<br />

Golo Föllmer, möchte mit seinem Team nicht nur einen innovativen<br />

Studiengang betreiben, sondern auch die aktuelle Diskussion<br />

mitprägen. (Siehe auch MuKJournal 12.)<br />

Der viersemestrige Masterstudiengang „Medien- und Kommunikationswissenschaft“<br />

ist zwar angelehnt an den gleichnamigen<br />

Bachelorstudiengang, hat aber doch eine ganz eigene Ausprägung.<br />

Der kritisch reflektierende Ansatz wird fundiert durch<br />

eine kohärente Darstellung einer Mediengeschichte der Sprache,<br />

<strong>des</strong> Textes, (Bewegt)Bil<strong>des</strong> und der Tonerzeugnisse, einschließlich<br />

deren Produktion, Distribution und Rezeption.<br />

Ein wesentliches Merkmal <strong>des</strong> Studiengangs ist<br />

dabei der hohe Stellenwert von Projektarbeit; diese<br />

kann entweder anwendungs- oder forschungsbezogen<br />

sein. Inhaltlich stehen nicht nur Medienrecht und<br />

–ökonomie auf dem Programm, sondern auch medienanthropologische<br />

und -ethische Aspekte. Speziell sollen<br />

die Studierenden dazu befähigt werden, den Zusammenhang<br />

von Medienökonomie und Gesamtkultur<br />

einzuschätzen und aus medienökologischer Sicht zu<br />

hinterfragen. Ein solcher sowohl kritisch reflektierender<br />

als auch anwendungsbezogener Hintergrund<br />

ist beispielsweise für planerische Tätigkeiten in Sendeanstalten,<br />

Produktionsfirmen oder öffentlichen<br />

Institutionen von Vorteil. Für diejenigen, die eine<br />

Universitätskarriere anstreben, ist es eine optimale<br />

Vorbereitung auf ein Promotionsvorhaben.<br />

Bewerben können sich Bachelorabsolventen der<br />

Medien- und Kommunikationswissenschaften<br />

oder vergleichbarer Studiengänge. Einen numerus<br />

clausus gibt es derzeit nicht, es muss aber eine<br />

Eignungsfeststellungsprüfung absolviert werden,<br />

die insbesondere nach den persönlichen Voraussetzungen<br />

im Medienbereich (in einem weiten Sinne)<br />

fragt. Der erste Jahrgang wird in besonderem Maße<br />

halten, was für Master-Studiengänge Programm<br />

sein sollte: Exklusivität. Beide Studiengänge werden<br />

mit 10 bis 15 Studierenden starten. Bei Online<br />

Radio staunte man, wie hoch die Qualifikation der<br />

Bewerber war. Charakteristisch für beide ist, dass die<br />

Studierenden sehr unterschiedliche Vorbildungsprofile<br />

mitbringen. Für das Studium bedeutet dies, dass<br />

Peer Learning, also das Lernen voneinander in den<br />

Studierendengruppen, eine besondere Rolle spielen<br />

wird. Letztlich verändert sich damit womöglich<br />

das Grundverständnis davon, wie ein Hochschulstudium<br />

abläuft. n<br />

Department n<br />

5


n Forschung<br />

6<br />

Freundbilder auf dem Prüfstand<br />

Die eigene Meinung als<br />

geistiges Privateigentum, an<br />

dem niemand rütteln kann?<br />

Was heute selbstverständ-<br />

lich scheint, war längst nicht<br />

immer so: Bis vor 20 Jahren<br />

litt hierzulande die politi-<br />

sche Meinungsbildung noch<br />

unter staatlicher Kontrolle.<br />

Grund genug für Dr. Susanne<br />

Vollberg in ihrer Habilitati-<br />

onsschrift die Programmge-<br />

schichte <strong>des</strong> DDR-<strong>Fernsehens</strong><br />

ein Stück weit aufzurollen.<br />

Die frischgebackene Privatdo-<br />

zentin sprach mit dem MuK-<br />

Journal über Gegenstand und<br />

Ursache ihrer Forschungen.<br />

Von Michael Nerenz<br />

ür die meisten ein Begriff: Juri Gagarin, der erste Mensch im All.<br />

Manche Eltern oder Verwandte können sich vielleicht sogar an seinen<br />

Besuch in Erfurt 1963 erinnern – an den jungen sowjetischen<br />

Kosmonauten aus dem ‚Bruderland‘, der zwei Jahre zuvor binnen<br />

108 Minuten in der Wostok 1 die Erde umrundet hatte und wohlbehalten<br />

gelandet war. Gelegentlich schwingt da ein wenig Anerkennung mit,<br />

manchmal auch Stolz – noch heute.<br />

Dr. phil. habil. Susanne Vollberg kennt diese Art Personenkult. Die studierte Germanistin<br />

lehrt und forscht seit 1995 über Fernsehen, Bildmedien und Kinderliteratur.<br />

Sie erkennt im Auftritt ‚importierter Helden‘ wie dem damals 29-jährigen Major vor<br />

allem eines: Verkörperte Leitbilder einer Staatsführung, die höchsten Wert auf guten<br />

Kontakt zur Sowjetunion legte, wo man sich wiederum nicht scheute, verdiente neue<br />

‚Helden <strong>des</strong> Sozialismus‘ auf regelrechten Promotiontouren im Ostblock herumzuzeigen.<br />

Willkommenes Wasser auf den Mühlen der SED-Parteispitze: Der Triumph<br />

der Sowjets wurde auf diese Weise öffentlichkeitswirksam auch zum Erfolg <strong>des</strong> deutschen<br />

Arbeiter- und Bauernstaates stilisiert und gefeiert.<br />

DDR-Fernsehen im Blick<br />

der Forschung: 40 Jahre als<br />

zeitlich geschlossenes Feld<br />

Die drei bekanntesten Leitbilder<br />

Weniger gut blieb vielen Zuschauern wohl ein Beitrag<br />

<strong>des</strong> Deutschen Fernsehfunks (DFF) im Gedächtnis, der am<br />

14. März 1963 die LPG-Vorsitzende Irma Wattenbach als<br />

starke und engagierte Frau <strong>des</strong> Sozialismus porträtierte. Sie<br />

hatte sich um ihre Genossenschaft verdient gemacht, hielt<br />

gar eine Rede auf dem VI. SED-Parteitag und traf auch mit<br />

dem damaligen russischen Regierungschef Nikita Chruschtschow<br />

zusammen. „Durch so ein Szenario“, erklärt Dr. Vollberg,<br />

„konnten die Programmgestalter <strong>des</strong> DDR-<strong>Fernsehens</strong><br />

gleich drei Leitbilder der Führungsspitze mit einem Beitrag<br />

propagieren: Die Berufstätigkeit der emanzipierten<br />

Diese drei hat die Wissenschaftlerin auch zum<br />

Thema ihrer Habilitationsschrift gemacht: „(Leit)<br />

Bilder als Bausteine einer Programmgeschichte.<br />

Zur Rolle und Funktion politisch-ideologischer<br />

Leitbilder im Programm <strong>des</strong> DDR-<strong>Fernsehens</strong>“<br />

wurde 2009 von ihr vorgelegt und im Mai dieses<br />

Jahres verteidigt. Das verdiente Ergebnis: Eine<br />

Lehrerlaubnis für die Fächer Medien- und Kommunikationswissenschaften.<br />

Für ihre Gutachter Prof. Dr. Reinhold Viehoff, J.-<br />

Prof. Dr. Golo Föllmer (beide MuK Halle) und Prof.<br />

Dr. Rüdiger Steinmetz (Universität Leipzig) zeichnet<br />

sie in der vorgelegten Arbeit das Bild einer<br />

Staatsführung, die schon recht früh sehr konkrete<br />

Vorstellungen davon hatte, wie und mit welcher<br />

Botschaft die neuen politischen Werte unter das<br />

ostdeutsche Volk gebracht werden sollten.<br />

Frau, die erfolgreiche Kollektivierung der Landwirtschaft<br />

und die ‚unverbrüchliche Freundschaft‘ mit der UdSSR.“<br />

Erster Mensch im All und Teil eines<br />

sowjetstaatlich gelenkten Personenkultes:<br />

Major Juri Gagarin


Täglich musste im DFF Parteiwirksames<br />

über die Mattscheiben flimmern<br />

‚Politisch-ideologische Leitlinien‘ nennt Susanne Vollberg solche<br />

Vorgaben der Politik an die DDR-Medien und damit auch<br />

an die Fernsehmacher: „Eine inhaltliche Richtschnur der Partei,<br />

die die Redakteure dann als verhaltensanleitende Bilder konzipieren<br />

und im täglichen Programm gezielt einbinden sollten.“<br />

Täglich musste im DFF Parteiwirksames über die Mattscheiben<br />

flimmern, mussten ‚Eigenbild‘, ‚Freundbild‘,<br />

‚Feindbild‘ und ‚Weltbild‘ bedient<br />

und vorgeführt werden.<br />

„Das war ein wichtiges Herrschaftsinstrument<br />

der SED-Führung“, betont<br />

Vollberg. Gerade so anschauliche Vorbilder<br />

wie die ‚Helden der Arbeit‘ oder<br />

die ‚Feindbilder‘ USA und BRD seien oft<br />

zitiert worden. Die von ihr angewendete<br />

Methode ist <strong>des</strong>halb auch die so genannte<br />

‚Leitbildanalyse‘, ein Ansatz, der<br />

in ihren Augen die übliche chronologische<br />

Auswertung der Fernsehgeschichte<br />

wesentlich erweitert. Einflüsse der<br />

staatlich verordneten Botschaften werden<br />

hier untersucht und konkrete Wirkungen<br />

von Inhalten einzelner Sendeformate<br />

aufgedeckt. Susanne Vollberg<br />

ist überzeugt: „Die Leitbildforschung<br />

kann inhaltliche Zusammenhänge zwischen Fernsehprogramm<br />

und politischem Geschehen zutage fördern.“<br />

Ihre Daten hat sie von 2001 bis 2008 gesammelt, als wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin <strong>des</strong> Teilprojekts „Strukturgeschichtliche,<br />

kulturpolitische, organisatorische und technische Aspekte<br />

der Programmentwicklung“ der DFG-Forschergruppe<br />

„Programmgeschichte <strong>des</strong> DDR-<strong>Fernsehens</strong> – komparativ“. Etwa<br />

drei Jahre feilte sie an der Habilitationsschrift.<br />

Klar abgestecktes Forschungsgebiet<br />

Die DDR-Forschung profitiert grundsätzlich von der zeitlichen<br />

Geschlossenheit: 40 Jahre Entwicklung innerhalb klarer<br />

geschichtlicher Grenzen sorgen für Überschaubarkeit. Die<br />

Quellenlage? Schon ausführlich aufgearbeitet: Mehrere Sammlungen<br />

im Deutschen Rundfunkarchiv (DRA), darunter der<br />

„Schriftgutbestand Fernsehen“, „Presseausschnittsammlung“,<br />

„Schriftgut Zuschauerforschung 1955-1990“ und die „Sehbeteiligungskartei<br />

1965-1990“ in Potsdam-Babelsberg wurden<br />

von Vollberg als Primärquellen ausgewertet. Auch im Berliner<br />

Bun<strong>des</strong>archiv hat sie sich umgesehen und Protokolle wie auch<br />

Schriftwechsel zwischen DFF und so genannten ‚anleitenden<br />

Gremien‘ einbezogen. Gremien wie das Staatliche Komitee für<br />

Fernsehen zum Beispiel, die SED-Kreisleitung Fernsehen oder<br />

die Abteilung Agitation <strong>des</strong> ZK der SED.<br />

„Die politischen Vorgaben wurden häufig in polare Projektionen<br />

von gut und böse, richtig und falsch oder Freund und<br />

Sieben Jahre lang ideologischen Leitbildern auf der<br />

Spur: Privatdozentin Dr. Susanne Vollberg<br />

Feind umgesetzt“, erklärt Vollberg. „Diese Leitbildnarration<br />

geriet allerdings schon bald immer phrasenhafter und für die<br />

Zuschauer umso unglaubwürdiger, je offensichtlicher sich Realität<br />

und mediale Umsetzung widersprachen.“ Kurz gesagt: Eine<br />

Blindgänger-Sendung, die niemand sehen möchte, könnte<br />

sich heute kaum halten. Nicht so im DDR-Fernsehen: „Freunde<br />

der russischen Sprache“ etwa lief über Jahre an zwei Tagen in<br />

der Woche, obwohl kaum jemand Notiz davon nahm. Genau<br />

das macht für die Forscherin die Faszination der Leitbildanalyse<br />

aus: Zu sehen, wie die Ostdeutschen<br />

den Widerspruch der medial konstruierten<br />

und ihrer erlebten Wirklichkeit verarbeiteten.<br />

Die Gleichgültigkeit vieler<br />

Menschen gegenüber der vermeintlich<br />

‚unverbrüchlichen Freundschaft‘ mit<br />

der Sowjetunion zum Beispiel: Noch in<br />

den 80er Jahren wurde die beschworen,<br />

als zugleich Sowjet-Publikationen wie<br />

„Sputnik“ verschwanden, die bis dahin<br />

geradezu Pflichtlektüre gewesen waren.<br />

Nun stellten sie ein Risiko für die SED-<br />

Machthaber dar: Zu gefährlich dünkten<br />

die Umwälzungen, die seit Februar<br />

1986 unter Gorbatschow ins Rollen<br />

kamen. Auch alle Neuerungen in der<br />

Landwirtschaft waren Vorhaben der<br />

DDR-Führung, die vor den Augen der<br />

Bevölkerung nicht scheitern durften<br />

und in Fernsehbilder <strong>des</strong> unbedingten<br />

Erfolgs umgesetzt werden mussten.<br />

Entwicklungen freilich erkennt Dr. Vollberg trotzdem. 1975 etwa,<br />

als das Fernsehkomitee vorgab, dass Beiträge sich durch<br />

höheren geistigen Gehalt als bisher auszeichnen müssten: „Das<br />

konventionelle Industrie- oder Landwirtschaftssujet, das mit<br />

ein paar rasselnden Maschinenteilen beginnt, wonach ein Arbeiter<br />

auf suggestive Fragen allgemeine Antworten gibt, soll<br />

der Vergangenheit angehören“, hieß es damals. Unterhaltung<br />

und besserer emotionaler Zugang galten nun als geeigneter<br />

Ansatz. In Alltagsgeschichten, Krimis oder Spielfilmen wurde<br />

fortan verstärkt auch die gleichberechtigte Stellung der ‚sozialistischen<br />

Frau‘ betont. Als Arbeitskraft sei sie den Männern<br />

ebenbürtig und trotz aller Pflichten der Kindererziehung auch<br />

in deren Berufen zuhause. Mit den Jahren hätten die ostdeutschen<br />

Frauen dieses Bild aber zunehmend weniger bereitwillig<br />

angenommen.<br />

Forschung n<br />

„Neben den Leitbildern der Regierung gab es für<br />

die Bevölkerung meist ja auch noch ältere Ideale“<br />

Dr. Susanne Vollberg<br />

Widerstand gegen die staatlich verordnete heile Welt hat die<br />

Privatdozentin übrigens vielerorts ausgemacht: Kaum ein Pionierleiter,<br />

Lehrer oder Fernsehschaffender hätte alle Vorgaben<br />

bild- oder wortgetreu umgesetzt. „Neben den Leitbildern der<br />

Regierung existierten für die Bevölkerung meist ja auch noch<br />

ältere Ideale“, fügt sie an, „prägende Einflüsse, die schon lange<br />

vor 1949 bestanden hatten.“ Eine konservativere Rollenvertei-<br />

7


n Forschung<br />

8<br />

Der ehemalige Richtfunkturm <strong>des</strong> DDR-<br />

<strong>Fernsehens</strong> steht in Berlin-Adlershof<br />

lung der Geschlechter<br />

etwa, Arbeitsteilung<br />

in der Landwirtschaft<br />

oder offen praktizierte<br />

Religiosität.<br />

Den künftigen Nutzen<br />

ihrer Arbeit sieht<br />

Susanne Vollberg vor<br />

allem in der Anwendung<br />

und Weiterentwicklung<br />

der Leitbildanalyse<br />

mit Blick auf<br />

die Geschichte von<br />

Fernsehprogrammen<br />

in staatlichen Ein-Parteien-Systemen<br />

und<br />

demokratisch verfass-<br />

ten Medienstrukturen. Außerdem könnten auch vergleichbare<br />

Einflüsse auf das kaum bekannte Männerbild in der ostdeutschen<br />

Öffentlichkeit oder die Kinder- und Jugendliteratur vor<br />

1989 beleuchtet werden.<br />

Die gebürtige Westfälin hat ihren Lebensmittelpunkt vor fast<br />

14 Jahren nach Mitteldeutschland verlegt. Und hier seien es<br />

vor allem der Alltag in Erfurt und die Gespräche mit Freunden<br />

gewesen, die sie für ihr Thema sensibilisiert hätten: „Es<br />

gibt kein Schwarz-Weiß, kein Gut-Schlecht, nicht einmal ein<br />

eindeutiges Richtig oder Falsch“, ist sie überzeugt. „Aber der<br />

Blick von außen, mit zeitlichem Abstand, mag manches anders<br />

erscheinen lassen als die gelebte Innenperspektive. So verdanke<br />

ich vor allem den manchmal verwunderten, manchmal belustigten<br />

Nachfragen aus dem Bekannten- und Freun<strong>des</strong>kreis, was<br />

ich denn da seit Jahren eigentlich ‚von ihrem Leben‘ erforsche,<br />

eine besondere Sicht auf meinen Forschungsgegenstand der<br />

politisch instrumentalisierten Leitbildnarrativik.“ n<br />

ONLINE RADIO<br />

Das Erfolgsmodell Radio wird heute in die Dimensionen<br />

digitaler Lebensweisen übertragen. Hörfunk und Audiokultur<br />

verändern sich durch Digitalität, Vernetzung und neue<br />

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in Medienberufen, die radiobezogenes, crossmediales<br />

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und redaktionelle Schnittstellenkompetenz<br />

erlernen und neben dem Beruf einen höheren<br />

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OF ARTS<br />

VERNETZT STUDIEREN. PRODUZIEREN. SENDEN.


„Transparenz in allen Dingen“<br />

Prof. Dr. Reinhold Viehoff über seine vierjährige Amtszeit als Dekan<br />

Von Ingrid Brück<br />

en Talar hat er jetzt abgelegt: Prof. Dr. Reinhold Viehoff,<br />

bis <strong>Ende</strong> August Dekan der Philosophischen<br />

Fakultät II. Tragen musste er ihn zwar nur selten,<br />

dann aber mit einem merkwürdigen Gefühl im Bauch.<br />

Schließlich zählt Viehoff zu den Alt-68ern, die den „Muff von<br />

tausend Jahren“ aus den Talaren schütteln wollten. Ein wirkliches<br />

Problem war dies für ihn jedoch nicht – ernsthafte Herausforderungen<br />

gab es während seiner vierjährigen Amtszeit<br />

ganz andere.<br />

„Transparenz schaffen“ und „Leistungsgedanken stärken“ sind<br />

die Stichworte, die der scheidende Dekan nennt, fragt man ihn<br />

nach den Leitlinien seiner Amtszeit. Die dünne Finanzdecke<br />

stellt ohne Zweifel eine Hürde dar für jeden Verantwortlichen<br />

an der MLU. Was macht also ein Dekan, der das knappe Budget<br />

gerecht verteilen soll? „Transparenz in allen Dingen“, war der<br />

leitende Gedanke, dem sich Viehoff gemeinsam mit den Prodekanen<br />

Prof. Dr. Wolfgang Auhagen und Prof. Dr. Edeltraut<br />

Werner verschrieb, um dadurch eine Atmosphäre zu schaffen,<br />

die rationale Diskussionen und Entscheidungen in den Gremien<br />

der Fakultät und der Universität ermöglichte.<br />

Die wichtigste Maßnahme, um dieses Ziel zu<br />

erreichen, war eine Personalentscheidung.<br />

Die Stelle eines Referenten wurde eingerichtet<br />

und mit Dr. Claus-Dieter Edlich an einen versierten<br />

Mann vergeben. Inzwischen ist mit Dr.<br />

Matthias Buck ein ebenbürtiger und dauerhafter<br />

Nachfolger gefunden. Damit war<br />

im Dekanat eine Organisationsstruktur<br />

geschaffen, die es ermöglichte,<br />

den gesamten Haushalt der Fakultät<br />

für alle ihre Mitglieder einsehbar und<br />

nachvollziehbar zu machen. Dennoch<br />

hat es drei Jahre gedauert, bis die Finanzen<br />

und die Personalstruktur in all<br />

ihren Verästelungen durchdrungen<br />

und dokumentiert waren. Vier Kommissionen<br />

erleichtern und begleiten in<br />

der Fakultät die Entscheidungsprozesse.<br />

Beispielsweise erarbeitete die Haushalts-<br />

und Strukturkommission eine<br />

Entscheidungsvorlage für den Fakultätsrat,<br />

um das Geld für Promotions- und<br />

Habilitationsstellen gerecht zu verteilen.<br />

Die Lösung war ebenso schmerzhaft wie<br />

unumgänglich: Die Verträge laufen nur<br />

Den Talar <strong>des</strong> Dekans hat er <strong>Ende</strong> August abgelegt: Prof. Dr. Reinhold Viehoff.<br />

Endlich wieder mehr Zeit zum Forschen, ganz in Zivil<br />

noch maximal drei Jahre statt vier Jahre. Und zwar für alle<br />

gleich. „Wir haben für die Fakultät die Möglichkeit geschaffen“,<br />

sagt Viehoff dazu, „sich an allen Entscheidungen zu beteiligen.“<br />

Und das ginge eben nur nach dem Motto: „Um etwas zu<br />

bewegen, muss man die Fakultät bewegen“.<br />

Der zweite wichtige Aspekt, der Leistungsgedanke, muss laut<br />

Viehoff noch stärker in den Vordergrund treten. Dies, so seine<br />

Überzeugung, wird für die Zukunft der Fakultät ausschlaggebend<br />

sein. Es müsse etwa die Auslastung der Studiengänge<br />

immer wieder geprüft werden. Sind die so genannten kleinen<br />

Fächer weiter finanzierbar? „An dieser Problematik wird die<br />

Fakultät nicht vorbei kommen.“ Ebenso müsse die leistungsbezogene<br />

Verteilung der Gelder an die einzelnen Institute noch<br />

verstärkt werden. Derzeit werden rund 30 Prozent der Mittel<br />

leistungsbezogen vergeben. Wiederbesetzungen von Promotionsstellen<br />

könnten zukünftig vom Erfolg <strong>des</strong> Promotionsvorhabens<br />

abhängig gemacht werden. Es könnte ein Bonus von<br />

500 Euro gezahlt werden, wenn ein Drittmittelantrag genehmigt<br />

wird, und Ähnliches mehr.<br />

In Zukunft sollte die Struktur der Fakultät nach Viehoffs Meinung<br />

stärker an den Forschungsschwerpunkten der MLU orientiert<br />

sein, etwa am Lan<strong>des</strong>forschungsschwerpunkt „Aufklärung<br />

– Religion – Wissen“. Solche Strategien seien entscheidend,<br />

um zusätzliche Lan<strong>des</strong>gelder zu bekommen. Die Rolle und<br />

Bedeutung der Fakultät innerhalb der MLU sei noch deutlicher<br />

herauszuarbeiten. Die Finanzen werden auch zukünftig<br />

eine Herausforderung bleiben. Schließlich wissen alle, dass der<br />

Uni-Haushalt nur zu 80 Prozent ausfinanziert ist, somit auch<br />

Kapazitäten und Betreuungsverhältnisse. „Das kann auf Dauer<br />

nicht gutgehen“, fürchtet Viehoff.<br />

Während seiner Amtszeit als Dekan hat der Medienwissenschaftler<br />

zwar weiter publiziert, das sei aber recht „stressig“ gewesen.<br />

Man laufe in so einem Amt Gefahr, von der Forschung<br />

abgekoppelt zu werden, einfach weil die Zeit fehle. Deshalb<br />

befürwortet er, die Funktion <strong>des</strong> Dekanatsreferenten zur Geschäftsführung<br />

auszubauen. Der Dekan hätte dann nur noch<br />

eine akademische Aufsichtsfunktion und könnte während seiner<br />

Amtszeit „der Forschung weiter verhaftet bleiben“. Jetzt freut<br />

sich Viehoff erst einmal auf sein Forschungsfreisemester: Einige<br />

Aufsätze sind fertig zu schreiben und Vorträge zu halten, etwa<br />

in Stuttgart und Münster. Zusammen mit Prof. Dr. Edgar Lersch<br />

wird er ein Buch über Medien und Geschichte vorbereiten. Dies<br />

in Ruhe tun zu können, sei ihm nach der anstrengenden und<br />

zeitfressenden Amtszeit von Herzen gegönnt. n<br />

Department n<br />

9


n Geschehen<br />

10<br />

Leute suchen, Filme pitchen, Meinung sagen<br />

Von Helen Lorenz<br />

filmnetz.org geht nach Relaunch in neuem Design online<br />

m Mai dieses Jahres war es endlich soweit: Die Internetseite<br />

www.filmnetz.org ging in einer Neufassung online. Dabei<br />

hat sich optisch und funktional viel getan. Nicht ohne<br />

Grund ließen sich die Initiatoren<br />

und MuK-Studenten<br />

Raimar Oestreich, Simon Riedl,<br />

Paul Rieth und Sven Roloff<br />

zwei Jahre Zeit, um die Filmnetz-Plattform<br />

mit professioneller<br />

Hilfe auf Vordermann<br />

zu bringen. Die Nutzerfreundlichkeit<br />

stand dabei immer an<br />

erster Stelle, denn nichts sollte<br />

den Nutzer von ihrem Hauptanliegen<br />

ablenken.<br />

„Wir haben den Wunsch, das,<br />

was im Alltag rund um eine<br />

Filmproduktion und das Resultat<br />

passiert, auch online<br />

möglich zu machen“, erklärt<br />

Paul Rieth. Filmschaffende, die<br />

sich bei Filmforen und Festivals kennenlernen, könnten über<br />

filmnetz.org in Kontakt bleiben, um neue Projekte gemeinsam<br />

zu planen und zu verwirklichen. Andere hingegen bekämen die<br />

Möglichkeit, ihre Ideen zu präsentieren und nach Mitstreitern<br />

zu suchen, um diese in Zusammenarbeit filmisch umzusetzen,<br />

so Rieth weiter.<br />

„So muss keine Filmidee an fehlenden Mitstreitern<br />

scheitern“<br />

Paul Rieth<br />

Sich gerade über filmnetz.org auszutauschen, scheint durchaus<br />

sinnvoll: Die Seite besticht durch ihr individuelles Design und<br />

ihren übersichtlichen Aufbau. Um sich als User zurechtzufinden,<br />

bedarf es keiner speziellen Kenntnisse. Die Macher verzichteten<br />

bewusst auf ermüdende Untermenüs und überflüssige Funktionen,<br />

die einem zweifelsohne den Spaß am eigentlichen ‚Protagonisten‘,<br />

dem Film, rauben würden.<br />

Um sein Werk einem breiteren Publikum zu präsentieren, bedarf<br />

es dabei nicht viel: Man legt sich (kostenlos) ein Profil an<br />

und schon kann man den eigenen Film hochladen. Sogleich<br />

tritt man mit der Community in Kontakt, die größtenteils aus<br />

Filmemachern besteht. Eine gute Gelegenheit für konstruktives<br />

Feedback sowie Ideen und Anregungen für neue Projekte. Falls<br />

der besagte Film bereits bei einem Festival läuft und nicht ohne<br />

Für Filmaktivisten: Flyer der Plattform filmnetz.org<br />

Weiteres veröffentlicht werden darf, kann man sich aufs Neue<br />

kreativ betätigen, indem man einen Trailer bastelt oder nur<br />

einen Filmausschnitt mit dem Verweis auf das Festival zeigt.<br />

Gleichzeitig eine preiswerte<br />

Möglichkeit, Werbung in eigener<br />

Sache zu machen.<br />

Zusätzlich bietet das innovative<br />

Pitch-Modul, das ‚schwarze<br />

Brett‘ <strong>des</strong> Filmportals, die<br />

Chance, gleichgesinnte Mitstreiter<br />

zu finden. Jeder Filmemacher<br />

kann hier Genaueres<br />

zum Ist-Zustand seiner<br />

Produktion angeben. Indem<br />

man seine Projekte publik<br />

macht, könne man sie gezielt<br />

anschieben und der Realisierung<br />

näherbringen, erklärt<br />

Rieth. „So muss keine Film-<br />

Idee an fehlenden Mitstreitern<br />

scheitern“, fügt er hinzu. Alles<br />

was man dafür tun muss: seine Story umreißen, angeben, wann<br />

und wo gedreht werden soll, verraten, wen man bereits im Team<br />

hat und – ganz wichtig – nach wem man noch händeringend<br />

sucht, sei es ein Kameramann, Tonmeister oder Cutter. Sollte<br />

sich jemand aus der Community auf die Anzeige hin bewerben,<br />

kann man sich auf <strong>des</strong>sen Profil seine bisherige Arbeit anschauen.<br />

Da bei jedem Film angegeben ist, welche Funktion der<br />

Einzelne innehatte, ist es ein Leichtes zu entscheiden, ob die<br />

Arbeit <strong>des</strong> Bewerbers den eigenen Vorstellungen entspricht.<br />

Des Weiteren bietet die Filmnetz-Plattform Raum für journalistische<br />

Arbeiten. Als User kann man beispielsweise auf Festivals<br />

und das Screening bestimmter Filme hinweisen. Sollte<br />

man besonders viel Spaß am Schreiben haben, kann man sich<br />

auf dieses Aufgabenfeld innerhalb der Plattform spezialisieren,<br />

denn die Unterstützung durch kreative Redakteure wird stets<br />

benötigt. Unter der Rubrik „Magazin“ können Festivals, Filme<br />

und erwähnenswerte Termine zur Sprache gebracht oder eigene<br />

Rezensionen veröffentlicht werden.<br />

Die Interaktion innerhalb von filmnetz.org gewährt Einblick<br />

in die Arbeitsweisen anderer kreativer Köpfe und gewährleistet<br />

dadurch diverse Möglichkeiten zur künstlerischen Entfaltung<br />

und Selbstverwirklichung. Dem entsprechend formuliert Rieth<br />

auch die Zukunftswünsche der Initiatoren: „Es bleibt zu hoffen,<br />

dass die Community <strong>des</strong> Filmportals stetig wächst, so dass<br />

aus ihrer Mitte heraus, viele ideenreiche Filmwerke entspringen<br />

können.“ n


Von Christiane Rasch<br />

nde eines Semesters: Nachdem Seminare, Vorlesungen<br />

und Tutorien geschafft sind, folgt erst der eigentliche<br />

Stress. Klausuren und Hausarbeiten müssen gemeistert<br />

werden, um schließlich die ersehnten Leistungspunkte<br />

auf dem Konto zu haben. Einige Bachelor- und Magisterstudierende<br />

<strong>des</strong> Instituts allerdings nahmen die Lorbeeren für<br />

ihre Arbeiten im letzten Wintersemester auf eine etwas andere<br />

Art entgegen: Sie sahen die Ergebnisse auf der Kinoleinwand<br />

<strong>des</strong> Multimediazentrums.<br />

Im Rahmen der Drehmomente, die im April zum dritten Mal<br />

stattfanden, zeigten die Nachwuchstalente eine bunte Vielfalt<br />

von Dokumentationen, Nachrichten- und Kurzfilmen. Dabei<br />

mussten die Filme nicht nur dem kritischen Auge der Filme-<br />

macher selbst standhalten. Auch einige Dozenten <strong>des</strong> Instituts<br />

sowie der Oscar-prämierte Kameramann Christoph Nicolaisen<br />

nahmen Platz im vollbesetzten Saal. Moderiert wurde<br />

der Abend von Dr. Steffi Schültzke und Manja Rothe-Balogh,<br />

die die Studierenden während der langen Entstehungszeit der<br />

Beiträge begleitet hatten.<br />

Auslöser für die Idee der Drehmomente war laut Schültzke<br />

der Wunsch, die Praxis für MuK-Studierende attraktiver zu<br />

gestalten: „Die Idee ist durch eine Erfahrung entstanden,<br />

die ich während meines Studiums in den USA gemacht habe.<br />

Dort haben wir Filme hergestellt, die wir dann später im<br />

Kino sehen konnten.“ Die Aufgabe der Bachelorstudierenden<br />

bestand darin, innerhalb eines Semesters Ideen für Kurzfilme<br />

und Nachrichtenfilme zu entwickeln, die dann eigenständig in<br />

kleineren Gruppen zu einem fertigen Film umgesetzt werden<br />

sollten. Den Magisterstudierenden blieben zwei Semester Zeit,<br />

um an ihren Dokumentationen zu feilen. Schließlich sind 14<br />

verschiedene Beiträge entstanden, die sich insbesondere dadurch<br />

auszeichnen, dass kein Film dem anderen gleicht.<br />

Eröffnet wurde der Abend mit der kritischen Dokumentation<br />

„Allein?erziehend“. Darin wird die junge Mutter Trine Heue<br />

porträtiert, die mit der Erziehung ihres Sohnes weitgehend<br />

auf sich allein gestellt ist. Ein anderer Beitrag stellte das Leben<br />

der Bewohner eines Pflegeheimes dar: In der Dokumentation<br />

„heimwärts“ von Katja Berg erhielt das Publikum eine<br />

emotionale Innensicht auf den Alltag der betagten Protagonisten.<br />

Diese machten durch ihre humorvolle Art den anfäng-<br />

Drehmomente 2010<br />

MuK-Studierende präsentieren ihre Filme im MMZ-Kino<br />

„Da waren Geschichten, da waren Emotionen, da<br />

waren auch Perspektiven auf die Welt“<br />

Dr. Steffi Schültzke<br />

lich deprimierend wirkenden Eindruck <strong>des</strong> Heimes wett – was<br />

im Kinosaal für amüsiertes Lachen sorgte. Im Kontrast dazu<br />

stand der fiktive Kurzfilm „Jakob“. Die Filmemacher um Regisseur<br />

Philipp Knespel haben sich als einzige Gruppe an das<br />

Horrorgenre gewagt und genüsslich mit Kunstblut experimentiert.<br />

Die zentrale Figur Jakob erwacht nachts neben seiner<br />

blutüberströmten, leblosen Freundin. Am <strong>Ende</strong> <strong>des</strong> Films wird<br />

ihm schließlich bewusst, dass er selbst der Mörder ist. Aus<br />

einer Reihe guter Beiträge stach die experimentelle Dokumentation<br />

„frisch machen“ von Friedemann Ebelt hervor. Für<br />

seine etwas andere Sicht auf das alltägliche Händewaschen<br />

wurden dem MuKler gleich zwei Auszeichnungen verliehen<br />

(siehe Seite 14/15).<br />

Schültzke zeigte sich von der Tiefe der präsentierten Arbeiten<br />

überrascht: „Ich war tatsächlich beeindruckt davon, dass die<br />

Filme mehr als Bilder und Töne transportiert haben. Da waren<br />

Geschichten, da waren Emotionen, da waren auch Perspektiven<br />

auf die Welt. Und ich finde, es ist eigentlich nichts schöner,<br />

als wenn ein Film zeigt, dass sich die Leute Gedanken über<br />

ihre Umwelt und über ihr Leben machen.“ Gedanken über<br />

ihre unmittelbare Umwelt haben sich auch die Gruppen der<br />

Nachrichtenfilmer gemacht, die unter der Leitung von Manja<br />

Rothe-Balogh sechs Beiträge geplant und produziert haben.<br />

„Die Anforderungen für die Studierenden waren, auf professionellem<br />

Niveau einen kurzen Nachrichtenbeitrag zu einem<br />

aktuellen Thema zu entwickeln“, so Rothe-Balogh. Thematisiert<br />

wurden dann unter anderem der umstrittene Abriss der<br />

Hochhäuser am Riebeckplatz und der Hochschulpakt 2020.<br />

Daneben fanden sich jedoch auch amüsante Stücke wie der<br />

Beitrag „Unisport gegen Winterspeck“. Die sechs Nachrichtenfilme<br />

wurden außerdem im Uni-TV ausgestrahlt und können<br />

auf der Website von Uni-TV angeschaut werden.<br />

Die Arbeiten zeigen, welche Freiheiten den MuK-Studierenden<br />

während der Seminare gewährt wurden, so dass ihrer<br />

Kreativität und den verschiedenen Interessen kaum Grenzen<br />

gesetzt waren. Die Bandbreite der Inhalte und deren individuelle<br />

Umsetzung machten die Drehmomente nicht nur für<br />

die Filmemacher zu einem besonderen Abend. Und so dürfte<br />

der wohlverdiente Applaus <strong>des</strong> begeisterten Publikums die<br />

Anstrengungen <strong>des</strong> vergangenen Semesters mehr als wettgemacht<br />

haben. n<br />

In der 23. Sendung von Uni-TV können die Nachrichtenbeiträge<br />

der Drehmomente angesehen werden:<br />

8 http://www.uni-tv-halle.de<br />

Geschehen<br />

n<br />

11


n Gut gerüstet?<br />

12<br />

Kassensturz<br />

Sie liegen nur auf der faulen Haut, sind chronisch pleite und<br />

hauen ihr Geld in Cafés und Kneipen auf den Kopf. So ähnlich<br />

klingen die Vorurteile über die Spezies Student. Doch wie sieht es<br />

mit dem Wahrheitsgehalt dieser Klischees aus? Wie bestreitet der gemeine MuK-Studierende<br />

seinen Lebensunterhalt und was kann er sich abseits von Schlafen, Essen und Lernen noch<br />

leisten? Wir haben ein paar Kommilitonen zu ihren Einnahmen und Ausgaben befragt.<br />

Von Christiane Rasch und Sebastian Matthes<br />

Kellnernde Kamerafrau<br />

Maren Kießling<br />

10. Semester<br />

Mein Geld verdiene ich mir durch mehrere Nebenjobs.<br />

Ich habe hin und wieder Kamerajobs für den MDR<br />

und den Offenen Kanal Wettin. Mein festes<br />

monatliches Gehalt bekomme ich jedoch<br />

durch die Arbeit an der Bar und als Kellnerin<br />

in der Sternstraße. Durch diesen Job komme<br />

ich mit meinem Einkommen gut zurecht.<br />

Neben den normalen Ausgaben für Essen,<br />

Einkaufen und Feiern versuche ich, mein Geld<br />

weitgehend zu sparen, um mir dann irgendwann<br />

eine eigene Kamera leisten zu können.<br />

Feiernde Studentin<br />

Anna Buhler<br />

4. Semester<br />

Ich bekomme monatlich einen geringen Betrag BAföG. Außerdem unterstützen<br />

mich meine Eltern finanziell, so dass ich mit dem Geld, das mir zur Verfügung<br />

steht, recht gut auskomme. Neben der Miete, die ich<br />

mir mit meinem Freund teile, gebe ich das<br />

meiste Geld für Essen, Feiern, Handykosten,<br />

Benzin und Klamotten aus. Am <strong>Ende</strong><br />

<strong>des</strong> Monats bleibt dann mal mehr, mal weniger<br />

Geld übrig. Für die Zukunft spare ich aber<br />

noch nicht.


Abstinenter Weltenbummler<br />

Ludwig Gundermann<br />

4. Semester<br />

Für meine Hobbies mache ich gerne kleinere Abstriche im Alltag.<br />

Downhill und Freeriding sind kostspielige Sportarten, aber<br />

meine günstige Wohnung gleicht das wieder etwas aus. Außerdem<br />

verzichte ich auf Alkohol und bereise vom Gesparten<br />

dann lieber die Welt. BAföG bekomme ich leider nicht, aber<br />

durch die Unterstützung meiner Eltern kann ich gut leben.<br />

Im vergangenen Semester habe ich im Institut als Tutor für<br />

den Videoschnitt gearbeitet. Da fällt auch mal etwas für das<br />

Sparschwein ab, schließlich muss man ja auch an die Zukunft<br />

denken. Und außerdem, die nächste Reise kommt bestimmt!<br />

Sparsamer DJ<br />

Christopher Roos<br />

4. Semester<br />

In meiner Freizeit lege ich<br />

häufig auf. Das ist für mich eine<br />

Verdienstquelle, aber auch ein teures<br />

Hobby. Zumin<strong>des</strong>t am Anfang, wenn man sich<br />

die nötige Technik anschaffen muss. Heute kann ich<br />

das Geld stets in neue Platten investieren. Von den Einnahmen<br />

dauerhaft leben kann ich allerdings nicht, dafür ist die Auftragslage<br />

in dem Bereich zu unsicher. Insgesamt komme ich aber mit dem,<br />

was mir zur Verfügung steht, gut aus, auch weil mich meine Eltern<br />

finanziell unterstützen.<br />

Gut gerüstet? n<br />

13


n Reportage<br />

14<br />

Der lange Tag der kurzen Filme<br />

Was haben ein rückwärts laufender Neurotiker und ein Stück Seife gemeinsam? Sie sind<br />

beide Thema von Kurzfilmen, die mit Nachwuchspreisen ausgezeichnet wurden. MuK-Student<br />

Von Julius Schröder<br />

Friedemann Ebelt war einer der glücklichen Gewinner.<br />

ieser 17. Juni ist einer der schönsten Tage <strong>des</strong> Jahres.<br />

Die Mittagssonne scheint und ein laues Lüftchen<br />

weht durch die Kastanienbäume. Immer mehr<br />

Menschen erklimmen die Stufen hoch zum Halleschen<br />

Volkspark. Menschen verschiedener Couleur:<br />

ältere Herrn im Anzug, Damen im Sommerkleid,<br />

Studierende in Flipflops. Im geräumigen Foyer stehen<br />

hinter weiß gedeckten Tischen schick gekleidete Studentinnen,<br />

die mit freundlichem Lächeln jedem Besucher sein weißes<br />

Namensschild übergeben. Wow<br />

- machen diese Schilder wichtig!<br />

Erhobenen Hauptes geht<br />

es weiter in den großen Saal.<br />

Sonnenstrahlen fluten durch<br />

die riesige Fensterfront. Vor der<br />

großen Bühne sind ein paar Tische<br />

für die sechsköpfige Kurzfilm-Jury<br />

aufgebaut, dahinter<br />

Sitzreihen im Halbkreis für die<br />

Gäste. Rasch füllt sich der Saal.<br />

Grüppchen finden sich zusammen<br />

und nehmen Platz.<br />

Auch MuK-Studierende gesellen<br />

sich zueinander und<br />

unterhalten sich angeregt, bis<br />

eine helle Glocke erschallt.<br />

Der Nachwuchstag der Mitteldeutschen<br />

Medienförderung<br />

(MDM), KONTAKT 2010, ist<br />

eröffnet. Burkhard Fieber von der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt<br />

hält die Laudatio. Danach stimmt der Geschäftsführer der<br />

MDM, Manfred Schmidt, das Publikum auf die bevorstehende<br />

Diskussionsrunde ein: Das KONTAKT-Panel „Zeigt her Eure Filme<br />

– Der Kurzfilm als Brancheneinstieg“ wird von Mario Fischer,<br />

Noch gespannt, was der Tag bringen wird: die beiden MuK-Studenten<br />

Friedemann Ebelt (li.) und Paul Rieth beim MDM Nachwuchstag<br />

einem MDM-Gutachter und ehemaligem MuK-Studenten, geleitet.<br />

Zusammen mit fünf weiteren Experten der Kurzfilmszene<br />

Mitteldeutschlands erläutert er, was einen guten Kurzfilm ausmacht.<br />

Während sich die Diskutanten ereifern, steigt die Raumtemperatur<br />

im Saal unerträglich an. Um mich herum knurrende<br />

Mägen. Die helle Glocke bringt die Erlösung: Pause. Im Foyer<br />

sind die weißgedeckten Tische nun voll mit duftendem Kaffee<br />

und kleinen Kuchenstückchen. Schnell ist alles verspeist, doch<br />

wie im Märchen wird immer wieder aufgefahren – bis die helle<br />

Glocke wieder läutet.<br />

Auf die Plätze, fertig,<br />

Pitching!<br />

Die Spannung steigt, denn<br />

nun beginnt das Pitching. Nur<br />

eines der acht eingeladenen<br />

Kurzfilmteams kann das Preisgeld<br />

erringen. Zehn Minuten<br />

stehen für die Präsentation zur<br />

Verfügung, um die Experten<br />

vom eigenen Kurzfilmprojekt<br />

zu überzeugen. Das erste Team<br />

versucht, die Jury mit einer<br />

ungewöhnlichen Einleitung zu<br />

fangen: „Stellen Sie sich vor,<br />

Sie sind im Einkaufsmarkt an<br />

der Kasse und jemand schnappt<br />

sich plötzlich ihre eben gekauften<br />

Sachen.“ Der Film „Frau Schmidt heißt jetzt ,Die Putze‘“<br />

soll auf menschenunwürdige Jobs in unserer Konsumgesellschaft<br />

hinweisen. Andere Teams zeigen Bilder oder Fotos, wieder<br />

andere präsentieren bereits vorläufige Filmausschnitte. So<br />

verschieden wie die Pitchings, so verschieden die vorgestellten<br />

Das MDM-Pitching: Gelegenheit und Chance für junge Filmschaffende, ihre Projekte vorzustellen und Fördermittel zu akquirieren


Projekte: witzige Animationsfilme oder bedrückende Reportagen,<br />

Coming-of-age-Filme und sehr erwachsene architekturhistorische<br />

Dokumentationen. Interessant sind sie alle. Auch der<br />

MuK-Student Paul Rieth stellt sein Projekt „Flaschensammler“<br />

vor. Es geht um einen Hallenser, der sich selbstbewusst gegen<br />

Pöbeleien verständnisloser Passanten zur Wehr setzt.<br />

„Das Programm wird immer besser und die Studenten<br />

tauschen sich über die Länder hinweg aus<br />

und das finde ich klasse!“<br />

Prof. Dr. Gerhard Lampe<br />

Die Jury entscheidet sich letztendlich für „Zurück auf Schwarz“.<br />

Ein Puppentrick-Animationsfilm von Sonja Gebhardt, der in<br />

bewährter Stopp-Trick-Manier umgesetzt ist: Ein alter Mann,<br />

der sich vor allem und jedem fürchtet, versucht, seinen Neurosen<br />

rückwärts laufend zu entkommen. Dabei stößt er mit dem<br />

Tod zusammen, der ihm später das Leben rettet. Das Publikum<br />

bricht immer wieder in schallen<strong>des</strong> Gelächter aus und die Jury<br />

honoriert die Filmemacherin mit dreitausend Euro Preisgeld.<br />

Seife aus Rindertalg<br />

Die helle Glocke beendet das Pitching und die Gäste strömen<br />

aus dem Saal. Einer, der noch eine Weile sitzen bleibt, um seine<br />

Eindrücke zu verarbeiten, ist Friedemann Ebelt. Mit kurzer<br />

Hose, orange-kariertem Hemd und Denkerbrille starrt er in den<br />

Raum. Im Vorfeld wurde der Hallenser MuK-Student als einer<br />

der heißesten Favoriten auf einen Unicato-Kurzfilm-Award gehandelt.<br />

Erst zwei Tage zuvor hat er für seinen Experimental-Film<br />

„Frisch machen“ den Jurypreis <strong>des</strong> Kurzfilmfestivals<br />

„Selbstgedrehtes“ gewonnen. Ich geselle mich zu ihm und<br />

wir kommen ins Gespräch: Wie er denn darauf gekommen ist,<br />

einen Film über das Händewaschen zu machen, möchte ich<br />

wissen. „Es fing an mit dem Seminar ’dokumentarisch arbeiten’<br />

bei Steffi Schültzke. Da haben wir uns zunächst mit der<br />

schriftlichen Reportage auseinandergesetzt. Ich habe mir die<br />

Hände gewaschen und aufgeschrieben, was mir dabei einfiel:<br />

Wasserverschwendung, Hormone im Wasser, Keramikimport aus<br />

China und so weiter.“ Auf die Frage, ob er die Inspiration mit<br />

den Tieren, aus deren Fett Seife gemacht wird, aus dem Film<br />

‚Fight Club‘ habe, antwortet Ebelt mit einem Grinsen: „Das hat<br />

mich letztens auch einer gefragt. Aber es ist mir erst danach<br />

eingefallen. Der Zugang war, wie gesagt, diese Reportage bei<br />

Steffi Schültzke. Hormone im Wasser, Keramik aus China und<br />

so habe ich rausgeschmissen und bin dann irgendwie bei der<br />

Seife hängen geblieben.“ Und was will uns der Künstler damit<br />

sagen? „Ich zeige Tatsachen: Dass Seife aus Rindertalg gemacht<br />

wird. Dass die Gesellschaft oberflächlich ist und die Leute nur<br />

nach ihrem Aussehen und ihrem Beruf beurteilt werden.“ Und<br />

wie lange hat er dafür gebraucht? „Von der ersten Idee bis<br />

zum fertigen Film ein halbes Jahr. Es war ein geiles, offenes<br />

Seminar. Also die Themen waren sehr offen. Auch die Form war<br />

sehr offen.“ Wir quatschen noch eine ganze Weile weiter und<br />

begeben uns nach draußen. Dort lungern die Gäste am Buffet<br />

herum und knüpfen Kontakte um die Wette. Andere aalen sich<br />

in der Sonne, bis um kurz vor acht die helle Glocke die Unicato-<br />

Award-Show einläutet.<br />

Medienpraxis trägt Früchte<br />

Begrüßung durch Wolfgang Stockert, den Kanzler der Burg Giebichenstein.<br />

Der Rektor der MLU, Wolfgang Diepenbrock, hält<br />

eine Laudatio auf die praxisorientierten Medienstudiengänge<br />

in den neuen Bun<strong>des</strong>ländern. Nach weiteren Rednern, kommt<br />

es endlich zur Preisverleihung der begehrten Unicato-Awards:<br />

Nun geht‘s Schlag auf Schlag: Vorstellung der Prämierten,<br />

Preisträger auf die Bühne, Preis in die Hand, Abgang mit Musik.<br />

Es geht zu, wie bei der Massenabfertigung im Schlachthof aus<br />

Friedemann Ebelts Film „Frisch machen“. Dieser gewinnt dann<br />

tatsächlich in der Kategorie Bester Experimentalfilm.<br />

MuK-Professor Dr. Gerhard Lampe lässt es sich nach der Show<br />

im Foyer nicht nehmen, seinem Schützling Friedemann Ebelt,<br />

<strong>des</strong>sen Film er persönlich eingereicht hatte, zu gratulieren:<br />

Wie eine große Familie (v.l.n.r.): Manja Rothe Balogh (MuK-Dozentin),<br />

Juliane Fuchs (Unicato), Gerhard Lampe (MuK-Professor), Wolfgang<br />

Stockert (Kanzler der Burg & Vorsitzender <strong>des</strong> Volksparkvereins) und<br />

Prof. Wolfgang Diepenbrock (ehemaliger Rektor der MLU)<br />

„Innerhalb einer Woche zwei Preise: Ja, wirklich, das Konzept<br />

ihres Filmes ist klasse!“ Daraufhin erklärt sein Schützling: „Das<br />

Konzept kommt aus der Ethnologie! Der fremde Blick auf die<br />

eigene Gesellschaft...“ Auf die Frage nach den Eindrücken <strong>des</strong><br />

Tages antwortet Lampe mit seinem bekannten Sean-Connery-<br />

Lächeln: „Das Programm wird immer besser und die Studenten<br />

tauschen sich über die Länder hinweg aus und das finde<br />

ich klasse!“ Er lacht herzlich, kommt aber schnell wieder zum<br />

Punkt: „Beispielsweise hat Maren Kießling, eine unserer engagierten<br />

MuK-Studentinnen, sowohl bei ‚Frisch machen‘ als<br />

auch einem weiteren heute prämierten Beitrag Kameraassistenz<br />

gemacht.“ Während wir langsam aus dem Foyer <strong>des</strong> Volksparkhauses<br />

heraus in die warme Sommernacht hinein schlendern,<br />

meint er noch: „Das kriegen die auch in Berlin und anderswo<br />

mit, dass in Mitteldeutschland eine kleine kreative Szene<br />

wächst und dass man hier die Medieninstitute in der Region<br />

besser miteinander vernetzt. Die Leute arbeiten zusammen, lernen<br />

sich dabei kennen, stoßen sich ab, nähern sich an. Machen<br />

zusammen Projekte - so läuft das immer.“ n<br />

Reportage n<br />

15


n <strong>Kontrovers</strong><br />

16<br />

Das <strong>Ende</strong> <strong>des</strong> <strong>kostenlosen</strong> <strong>Fernsehens</strong>?<br />

Die Ära <strong>des</strong> analogen TV-Empfangs nähert sich dem <strong>Ende</strong>. Glaubt man Sendeanstalten und<br />

Netzbetreibern, so ist der Umstieg auf digitales Fernsehen ausschließlich mit Vorteilen für alle<br />

verbunden. Theoretisch. In der Praxis aber sieht sich der Kunde einer Reihe künstlich ge-<br />

schaffener technischer Hürden ausgesetzt und wird nicht selten mehrfach zur Kasse gebeten.<br />

Von Sebastian Matthes<br />

lachbildfernseher erobern die Kundschaft im Sturm:<br />

Mitte 2009 war bereits ein Drittel der deutschen<br />

Haushalte mit den Alleskönnern ausgestattet – elf<br />

Prozent mehr als im Vorjahr. Verkaufsargument<br />

Nummer eins: „Fernsehen schärfer als die Realität“.<br />

Um tatsächlich in den Genuss <strong>des</strong> hochauflösenden <strong>Fernsehens</strong><br />

(HDTV) zu kommen, muss der Kunde vom Analog- zum<br />

Digitalanschluss wechseln. In der Theorie gestaltet sich der<br />

Umstieg einfach. Der Standard für digitale Übertragungen DVB<br />

garantiert, dass die Empfangsgeräte mit allen Ausstrahlungen<br />

kompatibel sind. Aktuelle Fernseher benötigen meist keine weiteren<br />

Geräte für den Digitalempfang und sind sofort einsatzbereit.<br />

Häufig aber scheitert das Konzept an technischen Voraussetzungen<br />

und Forderungen, die Sender- und Netzbetreiber an<br />

ihre Angebote binden.<br />

Wie viele Geräte verträgt<br />

die Haushaltskasse?<br />

Der Umstieg hält für den Kunden zahlreiche Tücken bereit. Hat<br />

der sich erst einmal durch einen Dschungel von Fachbegriffen<br />

geschlagen, muss er erkennen, dass er nicht nur für teure<br />

Abonnements, sondern auch für neue Empfangsgeräte tief<br />

in die Tasche greifen muss. Dabei ist die bestehende Technik<br />

keinesfalls veraltet, nur entspricht sie nicht den Sicherheitsbedürfnissen<br />

der Anbieter und wird daher ausgeschlossen. Der<br />

deutsche Mieterschutzbund (DMB), der GdW Bun<strong>des</strong>verband<br />

deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen sowie der<br />

Verbraucherzentrale Bun<strong>des</strong>verband (VZBV) fordern die Einstellung<br />

dieser Praxis, da sie die Digitalisierung <strong>des</strong> deutschen<br />

Rundfunks aufhalte und zudem nicht mit den Rundfunkstaatsgesetzen<br />

vereinbar sei. Kabelnutzer etwa müssen nicht nur eine<br />

zusätzliche monatliche Gebühr für den Digitalempfang, etwa in<br />

Höhe von rund fünf Euro an den in Halle führenden Kabelnetzbetreiber<br />

Tele Columbus, hinnehmen.<br />

Spätestens am 30. April 2012 bleiben die Bildschirme<br />

bei Digital-Verweigerern schwarz<br />

Das digitale Angebot wird verschlüsselt ausgestrahlt und ist nur<br />

mit einem speziellen CI-Modul oder einer vorgegebenen Set-<br />

Top-Box zu empfangen. Eine sogenannte Smartcard autorisiert<br />

den Kunden zum Fernsehen und muss freilich gegen Aufpreis<br />

samt Receiver für jeden weiteren Fernseher im Haushalt angeschafft<br />

werden. Auch Satellitenbetreiber ziehen nach. Bislang<br />

war Verschlüsselung nur für Pay-TV-Kunden ein Ärgernis, nun<br />

ist jeder betroffen, der die deutschen Free-TV-Sender der RTL<br />

Group und der ProSiebenSat.1 Media AG in HD empfangen<br />

möchte. Der Empfang <strong>des</strong> HD+ genannten Pakets erfordert<br />

ein nicht-standardisiertes CI+-Modul, das mit vielen bestehenden<br />

Receivern inkompatibel ist. Das digitale terrestrische<br />

Fernsehen, das eigentlich flächendeckend mobilen Empfang<br />

ermöglichen soll, ist durchsetzt von Insellösungen. Kunden in<br />

Halle beispielsweise müssen sich beim kostenpflichtigen Programmpaket<br />

VISEO+ der RTL Group mit einem von nur zwei<br />

unterstützten Heim-Receivern zufrieden geben. Fernsehen unterwegs<br />

mit dem DVB-T-Stick? Fehlanzeige. Mittlerweile hat<br />

sich das Bun<strong>des</strong>kartellamt der Sache angenommen: mit Razzien<br />

bei ProSiebenSat.1 und RTL. Die Kartellwächter werfen den<br />

Konzernen vor, Absprachen bezüglich der Verschlüsselung ihrer<br />

Programme getroffen zu haben. Der Verbraucher sei nicht nur<br />

zu teuren Neuanschaffungen gezwungen, sondern werde etwa<br />

für die Nutzung von HD+ auch noch mit einer jährlichen<br />

Gebühr von 50 Euro zur Kasse gebeten.<br />

Wer sich das alles nicht gefallen<br />

lassen und dem guten<br />

alten Analogfernsehen<br />

weiterhin die Treue halten<br />

möchte, schaut demnächst<br />

womöglich in die Röhre. Mit<br />

der voranschreitenden Digitalisierung<br />

sind analoge Ausstrahlungen<br />

der Branche<br />

zunehmend zur finanziellen<br />

Last geworden. Das<br />

analoge terrestrische<br />

Fernsehen gehört<br />

bereits der Vergangenheit<br />

an. Noch<br />

während die frei<br />

gewordenen Frequenzen<br />

an Mobilfunkanbieter<br />

versteigert wurden,<br />

haben sich Lan<strong>des</strong>medienanstalten<br />

und Senderbetreiber


ereits auf die Abschaltung analoger Satellitenübertragungen<br />

geeinigt. Spätestens am 30. April 2012 bleiben die Bildschirme<br />

bei Digital-Verweigerern schwarz . Auch Kabelkunden können<br />

sich nicht in Sicherheit wiegen. Geht es nach dem Fahrplan<br />

<strong>des</strong> Verbands privater Rundfunk- und Telemedien (VPRT), so<br />

soll auch hier noch dieses Jahr ein Datum für einen „harten<br />

Umstieg“ gefunden werden. Von der digitalen Dividende aus<br />

den frei werdenden Ressourcen, so die VPRT, sollen alle profitieren.<br />

Doch wie steht es um den Verbraucher? Dieser muss<br />

die Mehrkosten der HDTV-Infrastruktur, die sich beispielsweise<br />

für die Öffentlich-Rechtlichen bis 2012 auf 400 Millionen Euro<br />

belaufen, fortan mitfinanzieren. Im Gegenzug dazu erhält der<br />

Kunde aber doch ein rundum besseres Angebot. Oder?<br />

HD+, ein Minus für den Kunden<br />

Zwar kommt HD+ dem Versprechen, Inhalte so scharf wie nie<br />

auf den Bildschirm zu zaubern, recht nahe, aber die Farbenpracht<br />

versperrt so manchem die Sicht auf das Kleingedruckte.<br />

Kartellwächter sowie Verbraucherschützer geißeln die neuen<br />

„Funktionen“ von CI+. Das Modul unterbindet die Aufnahme<br />

von HD-Programmen auf Festplatte, beschränkt Timeshift-Optionen<br />

und hindert Zuschauer daran, Werbung zu überspringen.<br />

Die Privatsender begründen die Einschnitte in die Freiheiten<br />

der Kunden mit den hohen Sicherheitsanforderungen,<br />

die Hollywood-Studios an die Lizenzierung ihrer Produktionen<br />

knüpfen. Der Kopierschutz, so Astra-Pressesprecherin Silke<br />

Goedereis gegenüber der dpa, war Voraussetzung der Privaten,<br />

um überhaupt hochauflösende Inhalte auszustrahlen.<br />

Auf das falsche Pferd gesetzt?<br />

Die werbefinanzierten Sender, so scheint es, versuchen, mit<br />

Verschlüsselung und Entgelten in die Fußstapfen <strong>des</strong> Pay-TV<br />

zu treten. Darüber vermag auch die Deklarierung der Gebühren<br />

als „Servicepauschale“ schwerlich hinweg zu täuschen. Die<br />

Suche nach neuen Finanzquellen abseits von Sparmaßnahmen<br />

erscheint angesichts der Mitte 2009 weggebrochenen Werbeeinnahmen,<br />

die bei RTL und ProSiebenSat.1 Umsatzrückgänge<br />

von bis zu 68 Prozent zur Folge hatten und den Schuldenberg<br />

letzterer auf eine Höhe von über 3,5 Milliarden Euro trieben,<br />

durchaus gerechtfertigt. Doch ist die nun eingeschlagene Strategie<br />

die richtige? Aktuelle Marktentwicklungen zeigen, dass<br />

werbefinanziertes Fernsehen noch lange nicht gestorben ist. So<br />

legte ProSiebenSat.1 <strong>Ende</strong> April Zahlen vor, die eine Steigerung<br />

<strong>des</strong> Umsatzerlöses im Free-TV-Segment um 7,2 Prozent im<br />

Vergleich zum Vorjahr aufweisen und dem Konzern zum ersten<br />

Mal seit Jahren schwarze Zahlen bescheren. Gestiegene Werbeeinnahmen<br />

im deutschen Fernsehen brachten auch der RTL<br />

Group ein beträchtliches Umsatzplus. Düster hingegen sieht<br />

es beim Pay-TV aus. Dem Marktführer Sky laufen die Kunden<br />

in Scharen davon. Trotz massiver Werbeaufwendungen konnten<br />

im ersten Quartal unterm Strich nur magere 1000 Kunden<br />

gewonnen werden und der Riese fuhr in diesem Zeitraum einen<br />

Verlust von knapp 97 Millionen Euro ein. Auch HD+-Betreiber<br />

SES Astra musste Rückschläge hinnehmen. September letzten<br />

Jahres scheiterte <strong>des</strong>sen Vertriebsplattform entavio endgültig,<br />

nachdem bereits 2007 der Ausstieg von ProSiebenSat.1 im Zuge<br />

eines Kartellverfahrens das Schicksal <strong>des</strong> HD+-Vorgängers<br />

besiegelt hatte.<br />

Die Kunden sind verunsichert<br />

Der wahre Verlierer im HDTV-Dschungel bleibt aber der Kunde,<br />

der, verwirrt durch die künstlich geschaffenen technischen Voraussetzungen,<br />

der berechtigten Angst verfällt, Fehlanschaffungen<br />

zu tätigen. Auch ist er nicht bereit, private Sender dreifach<br />

über Gebühren, Geräte und letztlich auch durch das Rezipieren<br />

von Werbung zu finanzieren. Dies schlägt sich auch auf den<br />

Erfolg <strong>des</strong> Digitalumstiegs nieder. Folgt man den Erhebungen<br />

der Arbeitsgemeinschaft für Fernsehforschung (AGF), so verläuft<br />

der Prozess schleppend. Stieg die Digitalisierungsquote<br />

im ersten Halbjahr 2009 noch um knapp drei Prozent, waren es<br />

dieses Jahr im gleichen Zeitraum weniger als halb so viel.<br />

Einen kleinen Lichtblick bietet das Bouquet der Öffentlich-<br />

Rechtlichen: Zumin<strong>des</strong>t über Satellit sind alle digitalen Programme<br />

ohne Zuzahlung und unverschlüsselt zu empfangen.<br />

Benötigt wird aber dringend ein übergreifen<strong>des</strong> und faires<br />

DTV-Konzept, um die Diversifizierung <strong>des</strong> TV-Angebots in<br />

Deutschland auf Dauer sicherzustellen. n<br />

Was ist eigentlich...<br />

HDTV?<br />

High Definition Television ist ein Sammelbegriff für eine<br />

Reihe von Fernsehnormen, die sich gegenüber<br />

herkömmlichem Digitalfernsehen<br />

(SDTV) durch eine höhere Auflösung auszeichnen.<br />

Üblich sind Vertikalauflösungen<br />

von 720 und 1080 Zeilen, herkömmliches<br />

Analog- und Digitalfernsehen bietet im Vergleich dazu nur<br />

576 Zeilen.<br />

DVB-S/T/C?<br />

Digital Video Broadcasting bezeichnet die standardisierten<br />

technischen Verfahren zur TV-Übertragung<br />

über Satellit, Antenne und Kabel. Sie<br />

garantieren die Kompatibilität von Sende-<br />

infrastruktur und Empfangsgeräten durch<br />

Vorgaben zu Merkmalen wie Modulationsverfahren,<br />

Video- und Audioformaten oder interaktiven<br />

Diensten.<br />

CI/CI+?<br />

Das Common Interface ist eine Schnittstelle zur Erweiterung<br />

von DVB-Receivern. Im CI-Schacht<br />

<strong>des</strong> Geräts findet meist ein Modul Platz,<br />

welches das Entschlüsseln bestimmter<br />

Fernsehsender ermöglicht. CI+ erweitert<br />

den Standard um nutzungsbeschränkende<br />

Funktionen und den HDCP-Kopierschutz,<br />

ist aber nicht standardisiert und daher mit vielen<br />

Empfangsgeräten inkompatibel.<br />

<strong>Kontrovers</strong> n<br />

17


n <strong>Kulturbeute</strong><br />

18<br />

Leben zwischen zwei Kulturen<br />

Ein Land liegt in Europa, das andere in Asien. Die zwei unterschiedlichen Kulturen<br />

treffen sich hier in Halle, im Leben der vietnamesischen Ausgewanderten. Wie sie ihre<br />

Von Thu Trang Lương<br />

Heimat in den Herzen behalten? Medien helfen ihnen dabei.<br />

ch liebe Deutschland“, sagt Hiền, eine hübsche 40-jährige<br />

Vietnamesin. Seit 20 Jahren lebt sie in Deutschland.<br />

Zurzeit wohnt sie mit ihrer Familie im Zentrum von Halle.<br />

Mit ihrem Mann besitzt sie ein Bistro in der Rathausstraße.<br />

Ihr Arbeitstag beginnt um neun Uhr früh und<br />

endet, wenn die Uhr wieder neun zeigt. Sie hatte eine<br />

schwierige Zeit, aber<br />

jetzt ist alles besser. Es<br />

gibt viele Gründe dafür,<br />

warum Vietnamesen<br />

nach Deutschland<br />

auswandern, aber alle<br />

wollen hier ein besseres<br />

Leben haben. Es ist<br />

schwierig, in Vietnam<br />

zu leben, wenn man<br />

nicht studiert oder<br />

eine gute Berufsausbildung<br />

hat. Das Land<br />

kann die Arbeitslosen<br />

und die Familien<br />

nicht unterstützen.<br />

Man sieht viele Straßenkinder<br />

und fragt<br />

sich, warum diese<br />

kleinen Menschen auf<br />

der Straße ‚zuhause‘<br />

sind. Wenn deine Eltern<br />

kein Geld für die<br />

Schule haben, dann<br />

bleibst du zu Hause<br />

und suchst dir einen Job: Müll sammeln, Lottolose verkaufen,<br />

als Küchenhilfe arbeiten… „Hier kann ich sicherlich einen Job<br />

finden, und meine Kinder dürfen auf jeden Fall in die Schule<br />

gehen. Niemand lässt uns im Stich“, behauptet Hiền. Trotzdem<br />

hat Vietnam einen wichtigen Platz in ihrem Herzen. Sie ist<br />

dort geboren und aufgewachsen. Ihre Eltern leben noch in dem<br />

schönen friedlichen Dorf Hà Tây in Nord-Vietnam. Ist die große<br />

geografische Entfernung ein Hindernis für die Kommunikation<br />

mit ihrem Heimatland?<br />

Wie auch andere Vietnamesen hat sie in den ersten Jahren Briefe<br />

geschrieben. Es hat immer lange gedauert bis ihre Familie sie<br />

bekommen hat. Die damals 24-jährige Frau hat oft in der Nacht<br />

aus Einsamkeit geweint. Telefonieren konnte sie nur selten.<br />

„Das ganze Dorf hatte nur ein Telefon. Ich musste die Familie,<br />

die Telefon hatte, erst anrufen, damit sie meine Eltern holen<br />

konnten. Dann musste ich noch mal anrufen, um mit meinen<br />

Eltern zu sprechen.“ Jetzt ist alles schon anders. Die rasche<br />

Entwicklung der Medien hilft Hiền und anderen Vietnamesen,<br />

den Kontakt zu ihren Familien aufrecht zu erhalten. Hiền kann<br />

jetzt jederzeit ihre Eltern erreichen. Mit der billigen Nummer<br />

telefoniert sie so oft wie möglich. Briefe schreibt sie keine mehr,<br />

statt<strong>des</strong>sen mailt sie.<br />

Máy vi tính và báo chí:<br />

Computer und Zeitungen<br />

Für viele ältere vietnamesische Auswanderer ist Internet kein<br />

unbekannter Begriff. Die meisten von ihnen lernen den Computer<br />

durch ihre Kinder kennen. Die junge IT-Generation erklärt<br />

ihnen, wie sie mit dem Internet umgehen. So können sie Nachrichten<br />

lesen, Filme schauen und Musik hören. „Mehr brauche<br />

ich auch nicht“, sagt Bình, eine 45-jährige zweifache Mutter.<br />

Seit 18 Jahren lebt sie mit ihrer großen Familie in Halle. „Meine<br />

große Tochter zeigt mir, wie ich mit meinen Freunden und Verwandten<br />

in Vietnam chatte. Das ist wirklich sehr praktisch, wie<br />

das Telefon. Ich kann jetzt auch sogar mit Skype umgehen. Das<br />

können nicht alle meine Freundinnen“, lacht sie stolz. Mit ihrer<br />

Schwester besitzt sie einen großen Laden in Halle-Neustadt. Sie<br />

verkaufen alle möglichen Haushaltswaren und andere Sachen.<br />

Die meiste Zeit verbringt sie im Laden, und den Rest? „Ich bin<br />

gern in der Küche. Bei der Vorbereitung <strong>des</strong> Essens für mehr<br />

als zehn Leute in meiner Familie habe ich immer einen Fernseher<br />

dabei. Ich kann arbeiten und mich nebenbei auch noch<br />

ausruhen.“ Für Bình und alle Vietnamesen ist Fernsehen ein<br />

wichtiges Medium, denn es ist einfach zu handhaben. Der einzige<br />

vietnamesische Sender, den man in Deutschland empfangen<br />

kann, ist VTV4. Er wird in vietnamesischer, teilweise auch<br />

Heimat, sie ist wie der Arm, zart und warm,<br />

Der mich trägt im Schlaf, während der Regennacht.<br />

Heimat, sie ist wie der Vollmond eines nachts,<br />

Als die Arecablumen den Hof weiß bedeckend<br />

herunter flattern<br />

Quê hương là vòng tay ấm<br />

Con nằm ngủ giữa mưa đêm<br />

Quê hương là đêm trăng tỏ<br />

Hoa cau rụng trắng ngoài<br />

thềm


in englischer und französischer Sprache ausgestrahlt. Seit April<br />

2000 kann der Sender in Asien, Europa, Nordafrika, Nordamerika<br />

und Nordwestaustralien empfangen werden. VTV4 hat ein<br />

vielfältiges Programm, das sich auf die Vietnamesen im Ausland<br />

konzentriert. Er hat nicht nur die Aufgabe, Vietnam internationalen<br />

Freunden vorzustellen, sondern auch, die ausgewanderten<br />

Vietnamesen am Leben ihres Heimatlan<strong>des</strong> teilhaben zu<br />

lassen. Das Programm besteht aus Nachrichten, Musik, Events<br />

und Kultur in Vietnam, Talkshows, BIZ Vietnam und Filmen<br />

mit englischem Untertitel. Die<br />

wichtigen vietnamesischen Feste<br />

werden immer live gesendet.<br />

Zeitungen und Zeitschriften<br />

sind auch beliebte Medien, obwohl<br />

man hier nicht viele vietnamesische<br />

Zeitungen kaufen<br />

kann. In Halle sind sie in den<br />

asiatischen Läden zu bekommen.<br />

Neben den Zeitungen,<br />

die direkt aus Vietnam nach<br />

Deutschland importiert werden,<br />

erscheinen in einigen kleinen<br />

Redaktionen in Deutschland<br />

auch wöchentlich vietnamesische<br />

Zeitungen wie Tuân tin<br />

tức, Việt báo. Im Gegensatz zu<br />

den anderen Zeitschriften aus<br />

Vietnam vermitteln sie einen<br />

großen Teil <strong>des</strong> Geschehens in Deutschland, zum Beispiel Aktivitäten<br />

von Vietnamesen in Deutschland, Nachrichten, deutsche<br />

Politik für Ausländer und ähnliches. Sie befriedigen den<br />

Lesebedarf der Vietnamesen, die nicht gut Deutsch können,<br />

damit sie die soziale Situation in Deutschland trotzdem einschätzen<br />

können.<br />

Gíao dục con cái: die Kindererziehung<br />

Kinder sind das größte Glück, aber auch immer die größte Sorge<br />

der Eltern, besonders wenn sie in zwei verschiedenen Kulturen<br />

aufwachsen. Viele von ihnen können ganz wenig vietnamesisch,<br />

für sie ist die Muttersprache fast eine Fremdsprache. Weil die<br />

Eltern den ganzen Tag arbeiten müssen, verbringen die Kinder<br />

am liebsten ihre Freizeit mit dem Computer, Fernsehen oder<br />

anderen Medien. Es ist schwer, die Erziehungsmethoden von einem<br />

asiatischen Land auf die Kinder, die in einem europäischen<br />

Land aufwachsen, zu übertragen. Wichtige Erziehungsthemen<br />

für die vietnamesischen Eltern sind Liebe und Sex. In vietnamesischen<br />

Schulen ist Sex ein Tabuthema. Wenn die Eltern es<br />

ihnen nicht erlauben, ist Sex für Jugendliche unter 18 Jahren<br />

verboten. Es gibt keine richtige Sexualerziehung, sondern<br />

nur wenig Kenntnisse über den menschlichen Körper und Geschlechtsverkehr.<br />

Das Motto ist: „Du darfst keinen Sex haben!“<br />

Das heißt auch, die Kinder brauchen nichts darüber zu wissen.<br />

Lehrer und Eltern vermeiden es, über das Thema zu reden. Das<br />

regt die Kinder aber an, mehr darüber erfahren zu wollen. In<br />

Deutschland ist das alles anders. Kinder werden schon ab der<br />

Grundschule über den menschlichen Körper informiert. Sexual-<br />

Vietnamesische Frauen aus Halle bei einem traditionellen Tanz<br />

kunde ist obligatorisch in der deutschen Schule. Die Jugendlichen<br />

sollten möglichst nicht, dürfen aber Sex haben, wenn sie<br />

dafür bereit sind, wobei aber auch hier Altersgrenzen gelten.<br />

Was können die vietnamesischen Eltern tun, wenn ihre Kinder<br />

in einer völlig anderen Schulerziehung aufwachsen? Sollen sie<br />

alles verbieten? Nein, das geht nicht.<br />

„Meine Tochter liest gern BRAVO. Ich kann ihr nicht verbieten,<br />

sie zu lesen.“ Als Bình zufällig einmal die BRAVO gelesen<br />

hat, musste sie noch einmal<br />

überlegen, ob das eine Teenie-<br />

Zeitschrift ist. „Sie reden offen<br />

über Sex. Die jungen Leute zeigen<br />

sogar ihren nackten Körper.<br />

Aber das ist doch normal<br />

in Deutschland. Meine Tochter<br />

hat auch schon fast alles in der<br />

Schule gelernt.“ Bình versucht<br />

immer, ihren Kindern zu erklären,<br />

dass sie sich zuerst nur<br />

auf die Schule konzentrieren<br />

sollen. „Man kann nicht nur<br />

verbieten, aber ich muss immer<br />

auf sie aufpassen. Ich erkläre<br />

viel, und eigentlich verbiete ich<br />

es ihr auch schon“, lachte sie.<br />

„Sexualerziehung in Deutschland<br />

gefällt mir sehr gut. Ich<br />

verbiete meiner 16-jährigen<br />

Tochter nicht, mit ihrem Freund zu schlafen. Sie weiß doch<br />

schon alles über Verhütung und so, aber ich erkläre ihr auch<br />

gern zuvor alles“, sagt Hiền. Durch die fehlende beziehungsweise<br />

fehlerhafte Anwendung von Verhütungsmitteln entscheiden<br />

sich Frauen in Vietnam vermehrt für eine Abtreibung, so dass<br />

die Rate auf 2,5 Schwangerschaftsabbrüche pro Frau gestiegen<br />

ist. Das ist die zweithöchste Abtreibungsrate der Welt.<br />

Quê hương là cầu tre nhỏ<br />

Mẹ về nón lá nghiêng che<br />

Là hương hoa đồng cỏ nội<br />

Bay trong giấc ngủ đêm hè<br />

Heimat, sie ist wie die winzige Bambusbrücke,<br />

Über die kommt, den Kopf mit dem Strohhut bedeckt, meine<br />

Mutter nach Hause.<br />

Heimat, sie ist wie der Duft <strong>des</strong> Grases und der Feldblume,<br />

Den der Wind zu meinem Schlaf im Sommer trägt.<br />

Die rasche Entwicklung der Medien bringt die Jugendlichen<br />

in die Lage, alles zu erfahren. Mediennutzung hat für sie eine<br />

soziale Funktion; sie diskutieren und konsumieren das Programmangebot<br />

oft mit Freunden. Das Leben ohne Medien ist<br />

für sie nicht vorstellbar. Internet ist das beliebteste Medium,<br />

weil sie dadurch zahlreiche Möglichkeiten haben, sich über<br />

<strong>Kulturbeute</strong><br />

n<br />

19


n <strong>Kulturbeute</strong><br />

20<br />

Themen wie Liebe, Pubertät, Sex und Freundschaft zu informieren.<br />

Filme sind auch eine Quelle der Lebenserfahrung. Die<br />

Teenager schauen romantische Liebesfilme und versuchen, sie<br />

in ihrem Leben anzuwenden. Die deutsche Filmindustrie bietet<br />

den Jugendlichen auch bessere Möglichkeiten, viele Filme<br />

anzuschauen, während die vietnamesischen Teenager ganz<br />

wenige fremdsprachige Filme mit Übersetzung haben. Die<br />

unterschiedlichen Kulturen führen zur unterschiedlichen Entwicklung<br />

der Medien. Während Männermagazine wie Playboy<br />

oder Penthouse in Deutschland zu kaufen sind, werden sie in<br />

Vietnam als verwahrloste kulturelle Produkte gesehen und sind<br />

verboten. Während Prostitution in Deutschland legal ist, ist sie<br />

in Vietnam illegal. Deshalb gibt es logischerweise keine „Liebe<br />

oder Girls–Sender“ im vietnamesischen Fernsehen. Es ist sehr<br />

schwer für die vietnamesischen Eltern, ihre Kinder zu erziehen.<br />

Sie müssen die beiden Kulturen im ständigen Kampf gegen die<br />

Medien harmonisieren. n<br />

Impressum<br />

MuKJournal Nr. 13, Wintersemester 2010/11<br />

Herausgeber<br />

Hallisches Institut für Medien/Halle Institute of Media (HIM) an<br />

der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg e. V.<br />

Prof. Dr. Reinhold Viehoff (Vorsitzender)<br />

Produktion dieser Ausgabe<br />

Dr. Ingrid Brück (verantwortlich für Redaktion)<br />

Melanie Grießer (verantwortlich für Layout)<br />

Katja Berg (Assistenz)<br />

Redaktion und Layout: Eva Dietrich, Anna Jäger, Luise Kotulla,<br />

Timo Leich, Helen Lorenz, Thu Trang Luong, Sebastian Matthes,<br />

Christiane Rasch, Ulrike Schmidt, Julius Schröder, Diana Stöhr,<br />

Dominika Tux<br />

Bildnachweise<br />

Titel: Melanie Grießer | S. 2: privat (Portrait), Timo Leich (Gruppe)<br />

| S. 3: ein.heffalump1980 c flickr (TV), soavor_soaps c flickr (Seife),<br />

3d-erlebnis c wikimedia (Brillen) | S. 4: privat (Gruppe), Julius<br />

Schröder (Portrait) | S. 6: ein.heffalump1980 c flickr (TV), SDASM<br />

Archive c flickr (Portrait) | S. 7: privat | S. 8: Dabbelju c wikipedia,<br />

OnlineRadioMaster | S. 9: privat | S. 10: filmnetz.org | S. 11: Diana<br />

Stöhr | S. 12/13: f650biker/Lawrie Cate/Michael Osmenda c flickr,<br />

Allstarecho c wikimedia (Plattenspieler), mcol c openclipart.org<br />

(Geldsack), Will Murray c wikimedia (Glas), Shangri-la c (Palme),<br />

privat (Portraits) | S. 14/15: Julius Schröder | S. 16/17: Carlb c wikimedia<br />

(Receiver/CI-Modul), Telecolumbus (Smartcard, Receiver,<br />

Multimediadose), Julius Schröder | S. 18: din_bcn c flickr | S. 19:<br />

Thu Trang Luong (Gruppe), Mimi K c flickr | S. 20: Ali c flickr |<br />

S. 21: screenshots studivz.net | S. 24/25: privat | S. 28: privat |<br />

S. 29: Luise Kotulla | S. 30/31: Fräulein_schiller c flickr (links), Timo<br />

Leich (Kabel), betahaus c flickr | S. 33: Franziska Roscher (li.),<br />

Quê hương mỗi người chỉ một,<br />

Như là chỉ một mẹ thôi,<br />

Quê hương nếu ai không nhớ,<br />

Sẽ không lớn nổi thành người.<br />

(đỗ Trung Quân)<br />

Jeder Mensch hat nur eine Heimat,<br />

Wie er nur eine einzige Mutter hat,<br />

Wenn jemand seiner Heimat nicht gedenkt,<br />

Kann er kein wahrhaftiger Mensch werden!<br />

Frauke Holz (m.), Theresa Henning (re.) | S. 34: Peter Lang Verlag<br />

(links), Lan<strong>des</strong>museum für Vorgeschichte Halle (mitte), Leipziger<br />

Universitätsverlag (rechts) | S. 35: Eva Dietrich<br />

Grafiken, Logos und Zeichnungen<br />

S. 4: Shortmoves | S. 4: Melanie Grießer/wordle.net | S. 5: Melanie<br />

Grießer | S. 14: Julius Schröder | S. 15: Frank Murmann c wiki<br />

(HDTV, EICTA Marke), DVB Project (DVB), CI Plus LL Marke (CI+)<br />

| S. 18: Uwe Dedering c wikimedia (Karte), S. 20: MLU | S. 22/23:<br />

Dominika Tux | S. 26/27: Diana Stöhr | S. 30/31: Timo Leich |<br />

S. 32: Jacqueline Kohlmeyer<br />

Anzeigenkontakt<br />

Dr. Ingrid Brück<br />

Tel.: (03 45) 5523 572<br />

E-Mail: ingrid.brueck@medienkomm.uni-halle.de<br />

Druck<br />

Druckerei Franke<br />

Rapsweg 9, 06116 Halle<br />

Auflage: 600<br />

Redaktionsanschrift<br />

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

Institut für Medien, Kommunikation & Sport,<br />

Dept. Medien- und Kommunikationswissenschaften<br />

MMZ, Mansfelder Str. 56, 06108 Halle (Saale)<br />

Postanschrift: 06099 Halle (Saale)<br />

E-Mail: mukjournal@medienkomm.uni-halle.de<br />

Die nächste Ausgabe erscheint zum Sommersemester 2011.


Von Diana Stöhr<br />

Schockierende Bilder bei studiVZ<br />

Applikationen zwischen Erbsenernte und Mord<br />

n einem Tag wie jedem anderen stehe ich früh auf, schalte<br />

den Computer ein und während sich dieser warmläuft,<br />

schmiere ich mir ein Marmeladenbrot. Vor der<br />

Uni schnell frühstücken, das Getreide ernten, die Kuh<br />

melken und das Schwein schlachten, abschließend, zur Entspannung,<br />

das Gehirn trainieren. Auf studiVZ bieten Applikationen<br />

von externen Anbietern dem Studierenden zahlreiche<br />

Morgens halb zehn im studiVZ: Aussicht auf eine reiche Ernte!<br />

Möglichkeiten, sich von Hausarbeiten und Co. abzulenken.<br />

Bei FroheErnte ist man Besitzer eines virtuellen Bauernhofs<br />

und klaut den Freunden die Ernte weg. Bei BrainBuddies konkurriert<br />

man mit anderen um die größte Gehirnmasse. Solche<br />

Flashgames haben ein sehr großes Suchtpotential. Auch ich<br />

logge mich jeden Morgen vor der Uni bei studiVZ ein, um mein<br />

Huhn zu füttern.<br />

So schaue ich auch an diesem Morgen wieder rein. Nach erfolgreicher<br />

Ernte und Jogging meines Gehirns irre ich noch<br />

auf anderen Profilen umher. „Martin hat ein neues App!“, lese<br />

ich und schon steuere ich meinen Mauszeiger in Richtung der<br />

stern.de Bilder-<strong>des</strong>-Tages-Application auf seiner Profilseite.<br />

Es öffnet sich eine Seite mit einem Fotostream. Ich klicke mich<br />

durch: Fotos vom größten Kürbis der Welt, einem singenden<br />

Fisch, von einem grünen Chiwuwa - Moment! Ich muss mal<br />

kurz schauen, ob ich meine Schoten bereits ernten kann!<br />

Zurück zu den Fotos: Papst Benedikt, der vor tausenden Menschen<br />

eine Rede hält, der Ölteppich auf dem Atlantik, Angela<br />

Merkel in einem grässlichen rosa Kostüm, die neue Frisur von<br />

Heidi Klum, Waldbrände in Brasilien, Kindersoldaten in Afrika,<br />

schreiende Demonstranten in China, eine tote Frau auf einem<br />

weißen Plastikstuhl. Halt! Das muss ich mir genauer anschau-<br />

en: Laut Bildunterschrift wurde Maria Gonzalez Opfer eines<br />

Bandenkrieges und mit verstümmeltem Gesicht, auf einem<br />

weißen Plastikstuhl sitzend, irgendwo in Mexiko gefunden.<br />

Die Informationen unter dem Bild rasen an mir vorbei, aber<br />

das Foto hat sich in mein Gehirn eingebrannt: der schlaffe<br />

Körper, die blutigen Hände, die zerschundenen Füße. Das Bild<br />

sagt mehr als tausend Worte. Es verrät mir zu viel. Es stachelt<br />

meine grausame Fantasie an und ich stelle mir vor, wie diese<br />

Frau ums Leben kam. Und plötzlich wird mir schlecht. Ich<br />

stelle mir Fragen: Was dachte sich der Fotograf, als er das<br />

Foto schoss? Wie nah war er an der Toten dran? Wie viel Geld<br />

verdient er mit diesem Foto? Standen die Angehörigen der<br />

Toten vielleicht neben ihm? Warum gehört dieses Foto zu den<br />

Bildern <strong>des</strong> Tages? Was soll mir das sagen? Grausame Dinge<br />

geschehen jeden Tag auf der Welt? Weiß ich das nicht bereits?<br />

Ist es nicht schlimm genug, sich dieser Tatsache bewusst zu<br />

sein; muss ich also den grausamen Tod dieser Frau mit eigenen<br />

Augen sehen?<br />

Ich klicke weiter. Wenige Minuten und einige Fotos von niedlichen<br />

Tieren, wütenden Politikern und halbnackten Frauen<br />

später, entschließe ich mich, noch einmal auf meinem Bauernhof<br />

vorbeizuschauen und anschließend Verena eine Mail<br />

zu schreiben, ob sie heute Abend auch zur Party von Christian<br />

kommt.<br />

Doch dann: Schockmoment zur Kaffeepause<br />

Am nächsten Morgen logge ich mich erneut bei dem stern-App<br />

ein. Wieder sehe ich schockierende Fotos, die eingebettet sind<br />

in die Banalitäten <strong>des</strong> Alltags. Ich öffne einen neuen Tab, versuche<br />

bei Brainbuddies einen neuen Rekord zu erreichen, beantworte<br />

Verenas Frage, wie ich die gestrige Party fand und<br />

entschließe mich dann, den stern-App wieder zu löschen. Ich<br />

möchte nicht jeden Tag mit solchen Bildern konfrontiert werden.<br />

Ich richte mir ein Konto bei Google ein und lasse mir regelmäßig<br />

die schönsten Bilder <strong>des</strong> Tages schicken. n<br />

Meinung<br />

n<br />

21


n Essay<br />

22<br />

3D-Kino: die digitale Illusion?<br />

Im Zeitalter der digitalen Welt, in der das Multimediale und vor allem das Dreidimensionale<br />

einen großen Stellenwert in unserer Gesellschaft erhalten hat, ist es an der Zeit zu entschei-<br />

den, ob das 3D-Kino ein Fluch oder ein Segen für die Zukunft <strong>des</strong> Filmmarktes ist.<br />

Von Dominika Tux<br />

Ein Essay über seine Entwicklung, die Wiederholung <strong>des</strong> Plastischen aus den<br />

Fünfzigern und die neusten Entwicklungen der 3D-Welt.<br />

or Jahrzehnten als „Kirmes-Kino“ oder gar<br />

„Jahrmarktsensation“ deklariert, ist das 3D-<br />

Kino heute in den Rang der Normalität<br />

aufgestiegen. Den Publikumsboom löste<br />

James Camerons Film „Avatar“ im Dezember<br />

letzten Jahres aus. Die 15 Jahre<br />

Entwicklungszeit haben sich gelohnt, denn<br />

seitdem setzen die Hollywoodstudios massiv<br />

auf die neue Technologie, die dem Kino einen entscheidenden<br />

Vorsprung vor dem Fernsehen und dem Internet<br />

verschaffen soll. Es geht sogar soweit, dass namhafte<br />

Produzenten und Regisseure der Hollywood-Industrie, wie<br />

Stephen Spielberg und Tim Burton, prophezeien, der 3D-Film<br />

löse schon bald das herkömmliche Kino vollständig ab. Der<br />

Trend scheint dies zu bestätigen: Filme, die zur gleichen Zeit<br />

in 2D und 3D zu sehen sind, spielen mit ihrer dreidimensionalen<br />

Version durchschnittlich 70 Prozent <strong>des</strong> Umsatzes ein.<br />

Möglicherweise werden also viele Filme schon bald gar nicht<br />

mehr in 2D erscheinen. Zudem können 3D-Filme nicht so einfach<br />

von der Leinwand abgefilmt werden, so dass sie dadurch<br />

vor Raubkopien und der illegalen Distribution im Internet geschützt<br />

wären. Die Hoffnung ist also groß, die Kinos wieder<br />

zum Boomen zu bringen.<br />

Ist dieser Erfolg von Dauer?<br />

Etwas Neues ist es schon: Der Zuschauer ist nochmal in einer<br />

anderen Weise im Filmgeschehen. Das Gezeigte löst sich von<br />

der Leinwand. Alles wird plastisch. Als könnte man es anfassen.<br />

Man duckt sich, wenn ein Gegenstand auf einen zugeflogen<br />

kommt. Man zuckt zusammen, wenn Fäuste fliegen. Doch wie<br />

genau funktioniert das eigentlich, dass uns durch eine Brille<br />

eine Illusion der vermeintlichen Realität vorgespielt wird? Der<br />

plastische Eindruck entsteht ähnlich wie in der Natur: Unsere<br />

Augen fangen das, was sie sehen, aus leicht unterschiedlicher<br />

Perspektive auf. Folglich entnimmt das Gehirn den Differenzen<br />

die räumliche Tiefe. Deshalb wird auch der Film in der 3D-<br />

Technik mit zwei, in unterschiedlicher Perspektive ausgerichteten<br />

Kameras aufgenommen. Durch die doppelte Projektion auf<br />

die Leinwand (jeweils für das linke und das rechte Auge angepasst)<br />

wird das Bild für uns in Kombination mit der Spezialbrille<br />

als dreidimensional empfunden.<br />

Perfektes Erlebnis der Teilnahme?<br />

Der Nachteil dabei ist, die Kinos müssen aufrüsten! Ihre Möglichkeiten:<br />

ein neuer Projektor, eine silbern beschichtete Leinwand<br />

und verhältnismäßig günstige Einweg-Brillen für das sogenannte<br />

Polarisations-Verfahren (meist in Europa verwendet)<br />

oder ein neuer Projektor und kostspielige batteriebetriebene<br />

Mehrweg-Brillen mit LCD-Displays für das Shutter-Verfahren<br />

(vermehrt in den Staaten verwendet). Egal welche Technik verwendet<br />

wird, die Umrüstung ist kein Schnäppchen. Und wenn<br />

dieses Kino auf dem digitalen Markt mithalten möchte, ist es<br />

gezwungen, mitzuziehen und zu zahlen – vorausgesetzt der<br />

Trend bleibt erhalten.<br />

Doch die Digitalisierung macht nun mal auch vor der über hundertjährigen<br />

Technik der Filmprojektion nicht Halt und, ja, sie


hat in den letzten Jahren die Filmaufnahme, die Filmbearbeitung<br />

und nun auch die Filmvorführung verändert. Die „Digitale<br />

Revolution“ hat uns erreicht. Die großen Kinoketten haben das<br />

sofort erkannt. Was aber ist mit den kleinen? Der Verwaltungsrat<br />

der Filmförderungsanstalt (FFA) hat zur Förderung <strong>des</strong> digitalen<br />

Kinos beschlossen, jene mit mehr als 40 000 Euro Jahresumsatz<br />

oder 8 000 Besuchern pro Jahr finanziell zu unterstützen. Drei<br />

Millionen Euro sollen zusätzlich vom Bun<strong>des</strong>ministerium für<br />

Wirtschaft und Technologie hinzukommen. Denn insgesamt<br />

sind bisher weniger als zehn Prozent der deutschen Kinos<br />

umgerüstet. Doch je nach gewünschter<br />

Technik und Leinwandgröße betragen<br />

die Umrüstungskosten zwischen<br />

70 000 und 100 000 Euro<br />

pro Kinosaal.<br />

Wer will das 3D-Kino überhaupt?<br />

Ein Forschungsprojekt an der Hochschule für Film und Fernsehen<br />

(HHF) Potsdam erfasste letztes Jahr Daten von mehr als<br />

1 000 Personen zwischen 14 und 64 Jahren zum Thema 3D-Kino.<br />

Die Mehrheit der Befragten ist der Meinung, dass vor allem<br />

das Gefühl, stärker dabei zu sein, für 3D-Filme spreche. Knapp<br />

60 Prozent der Befragten empfinden die Darstellungen als realistischer<br />

und natürlicher. Vor allem Jugendliche im Alter von<br />

14 bis 19 Jahren interessierten sich für das dreidimensionale<br />

Filmerlebnis. Möglicherweise sind es nun sogar noch mehr geworden<br />

durch die ständig neuen Produktionen. Das Gefühl der<br />

perfekten Illusion lässt sich also statistisch festhalten. Auch an<br />

unserem Institut wird die 3D-Technik groß geschrieben: Neben<br />

einem wöchentlichen Seminar namens „Dreidimensionalität in<br />

Kino und TV“ für unsere Studentenschaft, das letztes Sommersemester<br />

unter der Leitung von Professor Dr. Gerhard Lampe<br />

und Manja Rothe-Balogh einige Teilnehmer zur Diskussion<br />

der Thematik fand, schlägt das „Innovationsforum 3D Cinema<br />

und Stereoskopische Medienproduktion“ die Brücke zwischen<br />

wissenschaftlich-technischen und kreativen Forschungsprozessen<br />

sowie den regionalen Unternehmen. Einen Meilenstein der<br />

neuen Technologie bietet dabei auch die Planung und Umsetzung<br />

der Live-Konzertübertragung der Hip-Hop-Pioniere<br />

Deutschlands, der „Fantastischen Vier“. Per Satellit und in 3D<br />

versteht sich! Ein weiterer Schritt in die digitalisierte Welt von<br />

heute oder gar von morgen?<br />

Ein Blick zurück…<br />

An sich ist das 3D-Kino ja nichts Neues in der Geschichte der<br />

Lichtspielhäuser. Der erste eher experimentelle 3D-Farbfilm<br />

wurde bereits 1927 in Deutschland gezeigt. Dann wurde es<br />

still bis 1952 „Bawana, der Teufel“ – ein 3D-Film über menschenfressende<br />

Löwen, die den Bau einer Eisenbahn in<br />

Uganda behinderten – die Zuschauer in seinen Bann<br />

zog. Zwar wurden zu jener Zeit mehr als 60 Spielfilme<br />

in 3D produziert, doch das Publikumsinteresse<br />

flachte schnell wieder ab. Das lag möglicherweise<br />

auch daran, dass die Technik bei Weitem noch nicht<br />

ausgereift war. Als in den 80ern „Der Weiße Hai -<br />

Teil drei“ (Jaws 3D) produziert wurde, konnte das<br />

3D-Erlebnis wieder einige Besucher für sich gewinnen.<br />

Teil vier erschien 1987 allerdings wieder in der üblichen<br />

2D-Variante. In den 90er Jahren boomten die IMAX-<br />

3D-Kinos hauptsächlich in Deutschlands Vergnügungsparks,<br />

dennoch schafften es nur verhältnismäßig wenige<br />

Hollywood-Streifen ins Programm.<br />

Ein Schritt in die Zukunft<br />

Heute hat uns das Zeitalter der Digitalisierung zu einem 3D-<br />

Boom geführt, der sich zukünftig nicht nur auf Kinoleinwänden<br />

erweitern wird. Neben WM-Liveübertragungen in 3D<br />

(unter anderem auch in Halle-Neustadt) sollen ebenfalls<br />

vermehrt 3D-Fernseher in den deutschen Wohnzimmern<br />

ihren Platz finden. Und das sogar zu erschwinglichen Preisen!<br />

2013 soll ein Viertel der verkauften Geräte bereits 3D-fähig<br />

sein. Auch der Pay-TV Sender Sky hat im April dieses Jahres in<br />

Großbritannien sein 3D-Fernsehprogramm eingeführt. Wann es<br />

in Deutschland zu sehen sein wird, ist unklar. Fest steht jedoch<br />

meiner Meinung nach, dass sich auch in Zukunft der Begriff 3D<br />

in unserem Alltag häufiger wiederfinden wird. Selbst iPhone-<br />

Hersteller Apple arbeitet bereits an einem neuen Verkaufsschlager,<br />

der „iSpecs“, einer 3D-Brille, die selbstverständlich im typischen<br />

aerodynamischen Design auf den Markt kommen soll. Ein<br />

mögliches Indiz dafür, dass sich die 3D-Technologie dann noch<br />

mehr auf unseren Alltag auswirken könnte, da viele Menschen<br />

die Apple-Produkte mit Begeisterung nutzen. Doch bevor dies<br />

tatsächlich in die Tat umgesetzt wird, setzt die Filmindustrie<br />

auf die 3D Blu Ray von „Avatar“, die einen Verkaufsboom für<br />

alle Heimkinonutzer erzielen soll.<br />

Be prepared… n<br />

Essay n<br />

23


n Weit weg<br />

24<br />

Von Anna Jäger<br />

Ist hier das <strong>Ende</strong> der Welt?<br />

Raus aus dem Alltag und der gewohnten Umgebung – weit weg. Die Welt<br />

entdecken und grenzenlose Freiheit spüren. Genau das wollte ich nach zwölf<br />

Jahren eines durch die Schule bestimmten Lebens. 17 000 Kilometer liegen<br />

zwischen Deutschland und Australien. Viel weiter weg geht kaum. Tausende<br />

junge Backpacker suchen je<strong>des</strong> Jahr auf dem roten Kontinent das große<br />

Abenteuer. Ihre Geschichten mögen ähnlich sein, dies aber ist meine.<br />

uto oder Australien? Nach dem Abitur stellte mich<br />

meine Familie vor die Wahl. Meine Entscheidung<br />

war bereits gefallen. Ich wollte nicht sofort von<br />

der Schulbank in den Hörsaal und in staubige<br />

Bibliotheken. Staubige Pisten waren mir schon<br />

lieber. Ich wollte das Abenteuer in der Ferne<br />

suchen und Menschen aus der ganzen Welt<br />

kennen lernen. Der letzte kleine Bestechungsversuch stimmte<br />

mich nicht mehr um. Im September 2007 saß ich also nicht in<br />

meinem eigenen Auto, sondern in dem meiner Eltern, und zwar<br />

auf dem Weg zum Flughafen.<br />

Nach 24 Stunden in der Luft lande ich am vielbesagten anderen<br />

<strong>Ende</strong> der Welt, dem Ort, den ich schon immer sehen<br />

wollte. Ob ich aufgeregt sei, wurde ich vorher oft gefragt. Nein,<br />

überhaupt nicht, war je<strong>des</strong>mal meine Antwort. Ich freute mich<br />

einfach nur. Doch jetzt stehe ich vor dem Opernhaus in Sydney.<br />

Und jetzt bin ich es: aufgeregt! Ich fange an zu begreifen, dass<br />

Deutschland und meine Familie plötzlich wirklich weit sind.<br />

Die Eindrücke in der Millionen-Metropole Sydney überwältigen<br />

mich: Um mich herum riesige Wolkenkratzer, darüber strahlend<br />

blauer Himmel, freundlich fragende Blicke von Passanten heißen<br />

mich willkommen. Alles ist mir fremd und scheint doch vertraut.<br />

Mein Herz überschlägt sich vor Aufregung. Mit meinem<br />

schweren Gepäck auf dem Rücken fühle mich leicht und frei.<br />

Arbeiten um zu reisen<br />

Es zeigt sich schnell, dass das Leben in Sydney zu teuer ist.<br />

Gemeinsam mit drei anderen Weltenbummlerinnen will ich zunächst<br />

die Ostküste entlang reisen. Kerstin, die aussieht wie<br />

mein Spiegelbild, Kristin und Susi aus Norddeutschland werden<br />

zu meiner Familie auf Zeit. Wir kennen uns erst einige Tage,<br />

doch steht schnell fest, dass wir Australien gemeinsam entdecken<br />

werden. Da wir nicht nur reisen wollen, sondern auch<br />

arbeiten müssen, machen wir zuerst das, was fast jeder Backpacker<br />

tut, um Geld zu verdienen: Fruitpicking. Auf den Feldern<br />

steht die Hitze und unter der brennenden Sonne pflücken wir<br />

tagtäglich acht Stunden lang Eimer voll kleine Cocktailtomaten.<br />

Die Tage sind heiß, die Arbeit mühsam und die Ausbeute<br />

frustrierend. Der Lohn aber finanziert unseren nächsten Trip.<br />

Wir sehen paradiesische weiße Strände vor kristallklarem türkisblauem<br />

Meer, Surfer die meterhohe Wellen bezwingen, spüren<br />

das pulsierende Leben in Brisbane und den gemächlichen<br />

Rhythmus australischer Kleinstädte. Fasziniert beobachten wir<br />

Wale, Dingos, unzählige Kängurus und Koalas in freier Wildbahn.<br />

Wir sind in einer anderen Welt. Der hektische Alltag und<br />

das Leben in Deutschland rücken in die Ferne. Jeden Tag ein<br />

bisschen weiter. Die „no worries“-Mentalität der Australier verändert<br />

allmählich auch uns.<br />

Warten auf die perfekte Welle Versteckt im Nirgendwo liegt die Farm, die meine zweite Heimat wurde


In Brisbane hält es uns eine Weile – die Stadt ist so schön lässig.<br />

Wir jobben: Kerstin bedient im Cafe, Kristin ist in einer Bäckerei<br />

angestellt, Susi verkauft Pizzen und ich betreue Dreikäsehochs<br />

im Kindergarten. Meine Bezahlung reicht aber nicht und so beschließe<br />

ich allein weiter zu reisen. Echtes australisches Landleben<br />

empfängt mich in Gympie, Queensland. Farmer bieten rastlosen<br />

Rucksacktouristen die Möglichkeit, bei<br />

ihnen zu leben. Einzige Bedingung ist vier bis<br />

fünf Stunden Hilfe bei der Arbeit. Als ich aus<br />

dem Bus steige, wartet Peter bereits auf mich.<br />

Er sieht genau so aus, wie man sich einen<br />

Farmer vorstellt, wenn man zu oft „Crocodile<br />

Dundee“ gesehen hat. Er hat braune, von<br />

der Sonne gegerbte Haut, trägt schmutzige<br />

Jeans, Arbeitsstiefel und den unverzichtbaren<br />

Wildlederhut. Auf dem Weg von der Bushaltestelle<br />

zur Farm beschleicht mich das Gefühl,<br />

dass mein Ziel tatsächlich das <strong>Ende</strong> der<br />

Welt ist. Keine Autos, keine befestigte Straße,<br />

keine Schilder, kein Handyempfang – nichts. Es muss das <strong>Ende</strong><br />

sein! Aber hier finde ich etwas Einzigartiges. Umgeben von<br />

der wunderschönen Natur <strong>des</strong> sattgrünen Regenwal<strong>des</strong> werde<br />

ich in der 10-köpfigen Patchworkfamilie wie eine Tochter<br />

aufgenommen. Die Farm hat etwas Magisches. Es scheint ein<br />

bisschen, als sei die Zeit stehen geblieben. Im Bad gibt es kein<br />

elektrisches Licht, nur große Kerzen an den Wänden. Beinahe<br />

alles, was wir zum Leben brauchen, stellen wir selbst her. Das<br />

Essen kommt direkt aus dem Garten. Dinge die ich in Deutschland<br />

nur aus dem Supermarkt kenne, stelle ich hier selber her.<br />

Ich lerne, wie man Butter macht, knete unzählige Teigklumpen,<br />

aus denen wir Brot backen, koche Marmelade und miste Kuhställe<br />

aus. Ich überrasche mich selbst - zu Hause hätte ich all<br />

das nicht freiwillig gemacht.<br />

„No worries darling, that one wouldn’t have<br />

killed you“<br />

Peter, der Schlangenexperte<br />

Ich fühle mich fast wie zu Hause, doch eines Abends werde<br />

ich daran erinnert, dass ich es nicht bin. Ich hätte vor meiner<br />

Reise damit rechnen müssen, gefährlichen Tieren zu begegnen,<br />

Haien beispielsweise oder den tödlichsten Spinnen der Welt.<br />

Doch es kommt anders. Nachts auf dem Pfad zu meinem Zimmer<br />

liegt knapp einen Meter vor mir eine drei Meter lange<br />

Schlange. Für mich führt kein Weg an ihr vorbei. Ich bin wie<br />

versteinert. Was empfiehlt noch mal der Reiseführer für einen<br />

solchen Ernstfall? Ruhig bleiben und mit den Füßen trampeln,<br />

damit der Feind mich spürt, schießt es mir durch den Kopf.<br />

Langsam, das Reptil nicht aus den Augen lassend, gehe ich<br />

den Weg zurück. Völlig geschockt treffe ich Peter, der natürlich<br />

Experte für die australische Flora und Fauna ist. Ihn versetze<br />

ich mit in Panik. Er denkt, ich sei gebissen worden. Als ich ihn<br />

Die Warnung kam zu spät<br />

schließlich überzeuge, dass mir nichts passiert ist, begleitet er<br />

mich zurück zum ‚Tatort‘. Während mein Alptraum dort noch<br />

immer seelenruhig liegt, beugt sich Peter herunter, um noch<br />

mal ganz genau zu schauen und kann sich ein Grinsen nicht<br />

verkneifen. „No worries darling, that one wouldn’t have killed<br />

you.“ – Verfluchte australische Gelassenheit. Woher bitte soll<br />

ich denn wissen, dass dieses Monster mich<br />

nicht umbringen kann?<br />

Rushhour im Outback<br />

Nach vier Wochen im Nirgendwo treffe ich<br />

wieder auf Kerstin, Kristin und Susi. Wir<br />

verlassen die Ostküste und fahren weiter in<br />

den Süden <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>: Sightseeing in der<br />

modernen und multikulturellen Metropole<br />

Melbourne, ein Roadtrip entlang der wohl<br />

schönsten Küstenstraße der Welt, der Great<br />

Ocean Road. Am <strong>Ende</strong> der Reise führt der Weg uns ins Herz <strong>des</strong><br />

Lan<strong>des</strong>, zum Symbol <strong>des</strong> fünften Kontinents. Uluru, nennen<br />

die Aborigines ihre heilige Stätte; das bedeutet „Sitz <strong>des</strong> Ahnen“.<br />

Der zweitgrößte Monolith der Welt mitten in der Wüste<br />

ist natürlich ein Touristenmagnet und entsprechend überlaufen.<br />

Zum Sonnenauf- und -untergang drängen sich die Menschen<br />

in den Viewing Areas und im Outback ist Rushhour. Wir<br />

verbringen einige Tage in der staubigen roten Wüste. In den<br />

Nächten schlafen wir unter freiem Himmel in so genannten<br />

‚swags‘, großen gemütlichen Schlafsäcken. Über uns das Kreuz<br />

<strong>des</strong> Südens und Millionen von Sternen. Ich bin sprachlos und<br />

überwältigt. Als der Tag anbricht, lassen die ersten Sonnenstrahlen<br />

Uluru orange und purpurrot erstrahlen. Ein Anblick,<br />

den ich nicht vergessen werde.<br />

Was bleibt<br />

Sieben Monate sind vergangen, bis ich wieder im Auto meiner<br />

Eltern sitze. Völlig unwirklich erscheinen mir die vorbeifliegende<br />

Landschaft und die Hektik auf der deutschen Autobahn. Es<br />

wird noch dauern, bis ich das Erlebte verarbeitet habe. Zu<br />

viel ist passiert. Von heute auf morgen ist sie vorbei, die<br />

Zeit der scheinbar grenzenlosen Freiheit. Was bleibt, ist die<br />

Erinnerung an die faszinierende Schönheit <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> und<br />

an die Menschen. Die Australier, die mit viel Gelassenheit und<br />

No-Worries-Mentalität optimistisch durchs Leben gehen, haben<br />

mich immer wieder beeindruckt. Auch durch ihre beispiellose<br />

Hilfsbereitschaft und Gastfreundlichkeit. Von den vielen Backpackern<br />

aus allen Teilen der Welt sind die meisten flüchtige<br />

Bekannte geblieben, einige aber sind zu Freunden geworden.<br />

Zum Abschied sagt man in Australien „farewell“ oder „see ya“,<br />

was Abschied bedeutet, aber auch ein Wiedersehen voraussetzt.<br />

Ich werde wiederkommen, in das Land der Kängurus und<br />

Koalas, da bin ich mir sicher. n<br />

Weit weg n<br />

25


n Branche<br />

26<br />

Von Diana Stöhr<br />

In 80 Tagen von der Idee zum Trickfilm<br />

Nachwuchstalente im Bereich Animationsfilm zu fördern, ist das Ziel der European Animati-<br />

on Masterclass (EAM). Jährlich bekommen Trickfilmbegeisterte aus ganz Europa die Chance,<br />

ihren eigenen Kurzfilm umzusetzen. Dieses Jahr dauerte der Kurs der EAM nur drei Monate:<br />

80 Tage Zeit, um seinen eigenen Trickfilm zu produzieren. Das ist hart, aber faszinierend, wie<br />

ur eine Treppe hochlaufen, dann nach links einbiegen<br />

und schon kommt man im Reich <strong>des</strong><br />

Animationsfilmers an: European Animation Masterclass<br />

(EAM), dritte Etage, MMZ. Doch nur wenigen<br />

MuK-Studierenden ist die EAM ein Begriff<br />

und das, obwohl diese bereits seit 2005 ihren Sitz<br />

bei der International Academy of Media and Arts<br />

hat. Gegründet wurde die EAM 2002 auf Initiative von Tony<br />

Loeser, dem Geschäftsführer der MotionWorks GmbH. Sie ist<br />

eine europäische Initiative, um junge Nachwuchstalente und<br />

Berufserfahrene aus- und weiterzubilden, und zwar durch nationale<br />

und internationale Experten aus dem Animationsbereich.<br />

Neben einer professionellen Ausbildung wird den Teilnehmern<br />

die Möglichkeit gegeben, nationale und internationale Branchen-Kontakte<br />

zu knüpfen.<br />

Character Design: Entwürfe und<br />

erste grobe Skizzen für den<br />

späteren Character<br />

Eine von Dreizehn<br />

Von der EAM erfuhr ich während meines dreimonatigen Praktikums<br />

bei MotionWorks. Dort unterhielt ich mich mit früheren<br />

Absolventen der EAM, die ihren Berufseinstieg nahtlos anknüpfen<br />

konnten. Ich entschied mich kurzfristig für eine Bewerbung<br />

und fand mich Anfang Juli unter den Teilnehmenden<br />

der EAMgraduate 2010 wieder. Mit mir nahmen zwölf weitere<br />

junge Enthusiasten teil, die sich für alles rund um den Trickfilm<br />

begeistern. Jeder von uns hatte<br />

eine Bewerbung abgegeben,<br />

in der neben den üblichen<br />

Motivationsschreiben und den<br />

Arbeitsproben bereits eine Filmidee<br />

enthalten sein sollte.<br />

Wir Teilnehmer wurden danach<br />

ausgesucht, welches Talent<br />

und Interesse, welche Motivation<br />

und welche Filmidee wir<br />

mit in den EAM-Kurs bringen<br />

würden. So kam es, dass<br />

wir eine bunte Mischung von<br />

Menschen verschiedenen Alters<br />

waren, die teils aus Itali-<br />

ich im Selbstversuch herausfand.<br />

en, Österreich und Kasachstan<br />

kamen und alle bereits Erfahrungen<br />

im Animationsbereich<br />

gesammelt hatten. So auch die 27-jährige Oxana Sukhareva aus<br />

Almety, Kasachstan: „Before I came to Germany I had studied<br />

in my country at Kazakh at the Academy of Architecture and<br />

Civil Engineering in an Advertising Design Faculty. Afterwards<br />

I have studied one year MA course at Instituto Superiore di<br />

Design in Graphic and Media Design faculty in Italy. I have four<br />

years experience in advertising industry like 3D modeler and<br />

animator and also like video <strong>des</strong>igner and composer.“ Auch<br />

die Italienerin Maddalena Oppici<br />

(24) brachte Erfahrungen<br />

aus dem Animationsbusiness<br />

mit, unter anderem durch ihr<br />

dreijähriges Studium an der<br />

Polytechnic of Culture, Arts<br />

and Language, Foundation<br />

of the Civic School of Milan<br />

und ihre Mitarbeit bei einem<br />

Cartoon für eine italienische<br />

Spielzeugmarke.<br />

Weiteres Character Design:<br />

verschiedene Posen eines<br />

Characters werden erfasst<br />

Die Beweggründe, sich bei<br />

der EAM zu bewerben, waren<br />

bei den meisten Teilnehmern<br />

ähnlich: Alle wollten einen eigenen<br />

Film produzieren, ihre<br />

Fähigkeiten verbessern und<br />

Kontakte knüpfen. Oxana Sukhareva war auch von den Lebensläufen<br />

und der Professionalität der Dozenten beeindruckt:<br />

„I have read Curriculum Vitae of some teachers here and it<br />

sounded great.“ Alle Teilnehmenden haben die EAM angetreten<br />

mit dem Ziel, eine eigene Filmidee umzusetzen. Doch das setzt<br />

die Kenntnis vieler theoretischer Grundlagen voraus, die uns in<br />

den ersten beiden Wochen überblicksweise beigebracht wurden.<br />

In den ersten Tagen stellten wir uns und unsere Filmvisionen<br />

vor und bekamen ein Feedback vom Plenum. Ich entschied<br />

mich, mein eigenes Projekt zugunsten einer Mitarbeit in einem<br />

anderen Projekt aufzugeben. In Teamarbeit, so meinten mein<br />

Mitstreiter André Schneider und ich, wäre das Filmvorhaben in<br />

den knappen drei Monaten Arbeitszeit leichter umzusetzen.<br />

Nach den ersten Tagen <strong>des</strong> Zueinanderfindens hörten wir<br />

Vorträge über story-telling und script-writing von Armin Völkers.<br />

Wir wurden in den Bereichen Sound, Musikrecht in Fil-


Finaler und in Photoshop<br />

erstellter Character<br />

men, Produktionsplanung und<br />

Character Design unterrichtet.<br />

Letzteres lehrte kein Geringerer<br />

als Harald Siepermann, der durch<br />

seine Zeichentrick-Serie „Alfred<br />

Jodocus Kwak“ berühmt<br />

wurde. Er gab uns sowohl im<br />

Einführungskurs als auch<br />

bei einem späteren Besuch<br />

wertvolle Tipps, wie man<br />

Charaktere zu entwerfen<br />

hat und wie sie einen Film<br />

unverwechselbar machen.<br />

Doch wenn ein Tag voller<br />

Theorie und Wissen vorbei<br />

war, schwirrte einem nicht<br />

nur der Kopf, sondern man musste daheim an seiner Story arbeiten.<br />

Das Pitching <strong>des</strong> Films vor den Dozenten, Tony Loeser<br />

und Mike Riemenschneider, dem Chef der EAM, stand uns<br />

schon Mitte Juli bevor. Die Arbeit an den Geschichten war hart,<br />

und oft spürten wir sehr deutlich, was Lutz Carmsen, unser<br />

Supervisor, meinte, als er uns zu Beginn <strong>des</strong> Kurses mit auf den<br />

Weg gab: „You will have to make decisions in a short time and<br />

sometimes you have to kill your babies!“ Manch einer hat in<br />

den ersten zwei Wochen etliche Ideen über Bord geworfen oder<br />

die Geschichte so stark verändert, dass sie letztendlich nichts<br />

mehr mit der ursprünglichen Vorstellung zu tun hatte. Auch<br />

mein Teampartner und ich hatten sechs verschiedene Versionen<br />

unserer Story. Irgendwann kommt man an den Punkt, an dem<br />

man jede Kritik annimmt und durch all die Veränderungen,<br />

die man an seiner Story vornimmt, die eigentliche Idee völlig<br />

aus den Augen verliert. Wir haben uns dann besonnen und<br />

alle geänderten und drei Mal überarbeiteten Versionen über<br />

Bord geworfen und schlussendlich doch die erste Idee genommen.<br />

Rückblickend war das Schreiben <strong>des</strong> Drehbuchs und das<br />

Auseinandersetzen mit der Story für uns das Schwierigste und<br />

Nervenaufreibendste. Wir hatten vorher keine Ahnung, was<br />

man beim Story-Schreiben alles beachten muss. Erschwerend<br />

kam bei mir und meinem Team-Partner hinzu, dass wir beide<br />

nicht immer konforme Vorstellungen hatten und viele Diskussionen<br />

ausgetragen werden mussten. Letztendlich haben wir<br />

alle hart umkämpften Entscheidungen zugunsten <strong>des</strong> Projektes<br />

getroffen. Da mussten wir beide unser Ego öfter mal hinten<br />

anstellen.<br />

Nach dem Pitch das Zombietum<br />

Nach drei fast schlaflosen Nächten für uns alle, nach den Tagen<br />

<strong>des</strong> Storyboardzeichnens und <strong>des</strong> timens <strong>des</strong> Animatic war es<br />

<strong>Ende</strong> Juli dann soweit: Wir stellten unsere Projekte vor und<br />

zeigten so, was wir aus den ersten zwei Wochen mitgenommen<br />

haben. Die Reaktionen waren vorwiegend positiv. Zwar wurden<br />

die Projekte kritisch untersucht, aber sicher konnte nach dem<br />

Pitching jeder etwas mitnehmen, das seinen Film besser machen<br />

würde. Nach diesem aufregenden Tag galt es für uns alle,<br />

die Geschichte und das Storyboard noch einmal zu überarbeiten<br />

und die Tipps der Dozenten umzusetzen. Danach konnten<br />

wir endlich mit unseren Projekten durchstarten.<br />

Auch während der Arbeitsphase erhielten wir Unterstützung<br />

von Experten wie z.B. Gyula Szabo, der seit rund 30 Jahren im<br />

Animationsgewerbe tätig ist. Er erklärte uns, was beim Layout<br />

von Backgrounds zu beachten ist. Während der effektiv zwei<br />

Monate dauernden Produktionszeit standen alle Teilnehmer<br />

ständig unter einem hohen Zeitdruck: Der Abgabetermin rückte<br />

immer näher. „Man muss viel Ehrgeiz und starken Willen mitbringen,<br />

da man ständig aktiv sein muss. Das kann anstrengend<br />

sein, aber macht auf jeden Fall sehr viel Spaß“, so fasst André<br />

Schneider (27) seine Erfahrungen während der Produktionsphase<br />

zusammen. Das Zeitfenster war tatsächlich so eng, dass<br />

uns nicht mehr viel Freizeit blieb. In nur knapp sechs Wochen<br />

entwarfen und zeichneten mein Partner und ich die Charaktere<br />

„You will have to make decisions in a short time<br />

and sometimes you have to kill your babies!“<br />

Lutz Carmsen<br />

und die Hintergründe, animierten die 13 Protagonisten und<br />

führten die Postproduktion durch. Natürlich muss man sagen,<br />

dass wir von uns keine Spitzen-Animation erwarteten, da wir<br />

das noch nie vorher gemacht hatten und auch die Zeit viel<br />

zu knapp war. Aber es ging uns darum, egal was passiert, in<br />

der vorgegebenen Zeit einen fertigen Film abzuliefern. Und das<br />

sollte uns auch gelingen; <strong>Ende</strong> September war unser Film dann<br />

fertig und wir auch: Wir nahmen uns vor, nach dem <strong>Ende</strong> der<br />

EAM erst einmal in den Urlaub zu fahren und Schlaf nachzuholen.<br />

Schlaf ist das, was wir in den drei Monaten, neben der<br />

Zeit, am wenigsten zur Verfügung hatten. Aber zum Ausgleich<br />

können wir nun alle sagen, dass wir in 80 Tagen unseren eigenen<br />

Trickfilm produziert haben. Das entschädigt für all die<br />

Tage, an denen wir wie Zombies aussahen.<br />

Die Teilnehmer der EAM machten sich bereits während der Zeit<br />

bei der EAM Gedanken, wie es danach weitergehen soll und es<br />

sind sich alle einig: Sie wollen definitiv in der Animationsbranche<br />

Fuß fassen, sei es in Europa oder Japan. Auch die 26-jährige<br />

Franka Sachse träumt davon, „im besten<br />

Fall weiter eigene Filme machen und davon<br />

leben zu können“. Im nächsten Jahr<br />

soll die EAMgraduate bereits im April<br />

starten und ein halbes Jahr<br />

dauern. Da dürfte es für<br />

die Absolventen ein wenig<br />

stressfreier zugehen.<br />

Vielleicht wissen dann<br />

ja ein paar mehr Muk-<br />

Studierende etwas über<br />

die EAM und bewerben<br />

sich. Also einfach<br />

eine Etage hochgehen,<br />

dann links einbiegen,<br />

Bewerbung<br />

abgeben und eintauchen<br />

in die<br />

Welt <strong>des</strong> Animationsfilms.<br />

n<br />

Branche n<br />

27


n Gespräch<br />

28<br />

Hagen Lettow – Urgestein <strong>des</strong> <strong>Fernsehens</strong><br />

Er hat die gesamte technische Entwicklung <strong>des</strong> <strong>Fernsehens</strong> mitbekommen: Hagen Lettow.<br />

Seit nunmehr 51 Jahren ist er in dem Bereich tätig, lange Zeit davon in der DDR. Die Firma<br />

seiner Familie hat ihren Sitz im MMZ und bestimmt ist er dem einen oder anderen schon auf<br />

Herr Lettow, Sie gehören zu den Pionieren <strong>des</strong> DDR-<br />

<strong>Fernsehens</strong>. Wie und wann sind Sie mit dem Fernsehen das<br />

erste Mal in Berührung gekommen?<br />

Das erste Mal war 1953 auf der Industrieausstellung in Westberlin.<br />

Dort standen die ersten Apparate. Es gab noch keine<br />

Programme, das hatte gerade alles erst angefangen. Den ersten<br />

Fernseher in der DDR, den Rembrandt, den hat meine Oma<br />

1955 von dem Geld gekauft, das<br />

sie eigentlich für ihre Beerdigung<br />

gespart hatte. Ich hatte ihr nämlich<br />

erzählt, dass es jetzt einen Apparat<br />

gibt, wo sie auch Nachrichten sehen<br />

kann, die sie so gerne gehört hat.<br />

Und der Gag war, was kaum einer<br />

weiß, man konnte mit diesem ersten<br />

Fernseher, in der DDR gekauft, nur<br />

Westfernsehen gucken! Das war, weil<br />

Ost und West unterschiedliche Systeme<br />

hatten.<br />

Sind Sie nach der Schule direkt<br />

zum Fernsehen gegangen?<br />

Ich habe erst mal angefangen im<br />

Stahlwerk zu arbeiten, wollte aber<br />

unbedingt zum Fernsehen. Also habe<br />

ich mich in Babelsberg für ein<br />

Studium beworben, dort haben sie<br />

mich aber nicht genommen. Aber<br />

in Adlershof wurde ich 1959 als Kameraassistent<br />

angenommen. Es gab<br />

keine Ausbildung, das Fernsehen gab<br />

es ja noch gar nicht! Das waren alles Pionierarbeiten, da waren<br />

alle irgendwoher zusammengewürfelt und jeder hat sich erst<br />

rein gearbeitet. Zum Studium kam ich dann aber doch. Wir<br />

waren vom Fernsehen her zehn Assistenten, die später dann die<br />

erste Klasse Fachrichtung Fernsehkamera an der Filmhochschule<br />

Babelsberg gebildet haben.<br />

Was haben Sie im Studium denn so gelernt?<br />

Wahrscheinlich viel mehr als heute. Wir haben unheimlich viel<br />

gehabt. Drei Jahre richtig theoretisches Studium an der Filmhochschule<br />

und nur ab und zu mal gedreht. Es gab Dramaturgie,<br />

Kunstgeschichte, Kunst, Malen, Filmgeschichte, Fotografie,<br />

Optik, Geschichte und anderes. Und wir waren eben nur zu<br />

dem Flur begegnet.<br />

Hagen Lettow (1970) dreht in der Moritzburg ein<br />

Fernsehspiel<br />

siebt. Die anderen drei haben das Probehalbjahr nicht überstanden.<br />

Gab es unter Ihren Kommilitonen auch Frauen?<br />

Nur Männer, weil gar keine Mädels als Assistenten beim Fernsehen<br />

gearbeitet haben, weil es einfach zu schwer war. Aber das<br />

war auch gut. Wir hatten zum Beispiel einen Russischlehrer, der<br />

hatte eigentlich nie Lust. Der ist mit<br />

uns immer in eine Kneipe gezogen<br />

und da haben wir Bier getrunken und<br />

ein paar Worte russisch geredet. So<br />

haben wir alle immer Zweien und Einsen<br />

bekommen. Das war schon ulkig.<br />

Was hat Sie schließlich nach<br />

Halle verschlagen?<br />

Wir waren ja alle beim DDR-Fernsehen<br />

angestellt. Ich bin gleich 1964<br />

nach Halle gegangen, es wurde ein<br />

Kameramann für Halle gesucht. Mit<br />

einem großen Vorteil: In Adlershof<br />

wurden die Kameraleute aufgeteilt.<br />

In Dramatische Kunst, Kinderfernsehen,<br />

Sport, Aktuelle Kamera und<br />

so. Dann hat ein Kameramann, der<br />

beim Kinderfernsehen war, nur Kinderprogramm<br />

gemacht. Nichts anderes.<br />

Und hier in Halle haben wir<br />

alles gemacht, vom Tanzturnier über<br />

Fußballspiele, Reportagen, Unterhaltungssendungen.<br />

Das war viel besser,<br />

hat viel mehr Spaß gemacht. Unten am Waisenhausring, wo<br />

jetzt Digital Images drin ist, da war unser Studio. Das war sehr<br />

groß, dort sind viele Unterhaltungssendungen gemacht worden,<br />

Fernsehspiele, alles. Dann haben wir angefangen die Moritzburg<br />

auszubauen, haben das Fernsehtheater in ein Gewölbe<br />

eingebaut und dann dort Livesendungen und Theaterstücke<br />

gemacht. Das war unheimlich beliebt.<br />

Ist die Arbeit heute leichter im Vergleich zu den Anfängen<br />

<strong>des</strong> <strong>Fernsehens</strong>?<br />

Es ist anders. Manches ist einfacher. Wenn man früher eine<br />

Filmrolle drin hatte, die zweieinhalb Minuten reichte und richtig<br />

viel Geld kostete, überlegten sich die Kameraleute und Re-


dakteure, wann sie auf den Knopf drückten. Heute drehen wir<br />

für drei Minuten manchmal zehn Kassetten. Weil die Leute keine<br />

Ahnung haben, sich nicht vorbereiten, nicht wissen, was sie<br />

wollen. Interviews führen, die sie nie brauchen. Sinnlos. Wenn<br />

sie das alles mit Film produziert hätten, den sie selber hätten<br />

bezahlen müssen, da hätten sie sich umgeguckt.<br />

Hatte man damals beim Fernsehen mehr Freiheiten als<br />

heute?<br />

Ja. Eigene Ideen umsetzen ging sehr gut. Wenn man nicht versucht<br />

hat, Systemkritik zu machen, konnte man viele Dinge<br />

verwirklichen. Damals gab es die erste Zeit ja nur zwei Fernsehprogramme,<br />

ein West- und ein Ostprogramm. Dann kam<br />

jeweils das zweite Programm dazu, das ging auch noch. Mit<br />

den ganzen Privaten war es dann aber eigentlich vorbei. Ich habe<br />

bei meiner Sendung „Außenseiter Spitzenreiter“ als höchste<br />

Einschaltquote 68 Prozent gehabt. Davon wagt heute keiner zu<br />

träumen! Und dann hatte man auch Privilegien beim Fernsehen.<br />

Man war bei den Leuten überall ganz gut angesehen. Für<br />

„Außenseiter Spitzenreiter“ haben wir zum Beispiel den Heinrich-Greif-Preis<br />

gekriegt. Und dann gab es für hervorragende<br />

Sendungen den Goldenen Lorbeer. Das waren immer 1000 Ostmark<br />

für jeden, das war nicht schlecht.<br />

Wie sind Sie mit dem DDR-System zurechtgekommen?<br />

Ganz gut, das hatte mit der DDR nichts zu tun, nur mit der<br />

Dummheit der Leute. Und die hat man heute genauso. Nur:<br />

Damals konnte man dagegen was sagen, heute kann man es<br />

nicht. Schon gar nicht als Freiberufler. Beim DDR-Fernsehen war<br />

das nicht so. Wir sind nach Berlin ins ZK gefahren und haben<br />

uns dort beschwert. Man stelle sich mal vor, ich würde wegen<br />

einer Fernsehsendung zur Merkel fahren und würde mich bei<br />

ihr oder beim Kultusminister beschweren. Das kann man nicht<br />

machen, da ist man noch nicht wieder zurück und schon raus<br />

Hatten Sie trotzdem manchmal Probleme?<br />

Ja, ein Mal musste ich vor das Arbeitsgericht und 800 Ostmark<br />

Strafe zahlen. Bei der Burgparty war Hot Chocolate, diese Truppe<br />

aus England, aufgetreten. Die hatten Werbung auf ihren<br />

T-Shirts und die Werbung durfte nicht gezeigt werden. Da hab<br />

ich gesagt: „Leute, hättet ihr vorher wissen müssen, das bleibt<br />

jetzt drin.“ Und das ist dann auch so geblieben. Gekündigt<br />

habe ich später von mir aus, wegen meiner Chefin.<br />

Hagen Lettow<br />

„Wenn ich als Kameramann im Bild bin, ist irgendwas falsch!“<br />

1982 haben Sie sich selbstständig gemacht. Dafür brauchte<br />

man doch Geld, Technik, Räume und so weiter.<br />

Ein bisschen Geld hatte ich, eine Kamera hab ich mir aus dem<br />

Westen besorgt durch einen italienischen Freund und dann haben<br />

wir im Auftrag der DEWAG gearbeitet. Ich habe mit zwei<br />

Angestellten Industriefilme produziert, also Filme, die die verschiedenen<br />

Unternehmen vorstellten. Das hat richtig gut funktioniert.<br />

Wir waren zwar nicht im Ausland, aber die Filme, die<br />

wir gemacht haben, sind hauptsächlich im Ausland gelaufen.<br />

In Düsseldorf, in Brasilien, London, überall. Wir haben auch in<br />

allen Sprachen gearbeitet, chinesisch, arabisch, alles. Von 1982<br />

bis zur Wende haben wir knapp 500 Industriefilme gemacht.<br />

Ich hab alles gemacht, Kamera, Schnitt, nur der Autor kam vom<br />

Fernsehen. Dann kam die Wende und die Industrie war weg.<br />

Wie ging es für Sie nach der Wende weiter?<br />

Da habe ich wieder fürs Fernsehen gearbeitet, für den MDR<br />

dann. Wir hatten zum Beispiel monatlich eine Kinosendung<br />

und haben die neusten Filme vorgestellt. Eine richtig gute Serie,<br />

haben wir fast anderthalb Jahre gemacht. Und dass man<br />

viele Leute kannte, hat den Vorteil gehabt, dass man wieder<br />

rein kam ins Geschäft. Ist ja heute noch so.<br />

Sie sind jetzt 71 geworden, wie lange werden Sie noch<br />

weitermachen?<br />

Weiß ich nicht, keine Ahnung, wie es läuft. So lange ich noch<br />

eine Kamera tragen kann und noch keinen Tatterich kriege und<br />

die ganzen Bilder verwackele geht das ja noch. n<br />

Das Gespräch führte Luise Kotulla<br />

Er war und ist als Kameraassistent, Kameramann, Schnittmeister und Regisseur tätig. 1939 in<br />

Beeskow bei Frankfurt (Oder) geboren, lernte Lettow von 1954 bis 1957 Stahlgießer und Tischler.<br />

1959 arbeitete er kurz bei der Deutschen Post Studiotechnik Fernsehen als Kameraassistent,<br />

danach beim DDR-Fernsehen. Lettow studierte von 1961 bis 1964 in Babelsberg Fernsehkamera.<br />

Anschließend kam er nach Halle. Hier arbeitete er als Kameramann, Regisseur und Schnittmeister.<br />

1982 machte er sich mit der Firma Videoinformation selbstständig. Nach der Wende gründete er<br />

Ha Le TV (Hagen Lettow TV), das damals erste private Fernsehstudio in Halle. Schließlich gründete<br />

seine Tochter Jana 2005 Lettow TV, wo Lettow heute selbst noch tätig ist.<br />

Gespräch<br />

n<br />

29


n Karriere<br />

30<br />

Coworking Spaces<br />

Bürogemeinschaft ist Schnee von gestern, Coworking heißt das neue Zukunftskonzept für<br />

das Berufsleben. Denn das Klima, die Wirtschaft, das Leben, die Welt verändert sich.<br />

Von Timo Leich<br />

Alles wird schnelllebiger und so muss die digitale Boheme dieser schnellen<br />

s ist Donnerstag früh, Berlin Kreuzberg, ein Ort der<br />

Multikulturalität. Die Luft ist gefüllt mit den verschiedensten<br />

und verrücktesten Düften orientalischer<br />

Bistros. Wenn man durch die Straßen geht und zur<br />

Prinzessinenstraße gelangt, findet man dort ein<br />

altes, unscheinbares Gewerbegebäude. Auf über<br />

1 000 Quadratmetern arbeiten seit April 2010 rund<br />

120 Freelancer, darunter Grafiker, Programmierer, Fotografen,<br />

Architekten, Designer und Startups. Genauso bunt gemischt<br />

wie die Leute auf der Straße.<br />

betahaus Café<br />

Der Vorreiter<br />

Man betritt das betahaus und steht im hauseigenen Café. Es<br />

wird gemeinsam gefrühstückt, jeden Donnerstag. Wer will, der<br />

kommt dazu. Auch an diesem Donnerstag sind dort einige Mieter<br />

anzutreffen, nicht nur, um einander kennenzulernen, sondern<br />

auch um eigene Projekte vorzustellen oder anderen Feedback<br />

zu geben. Man lernt die anderen näher kennen, die sonst<br />

neben einem im Großraumbüro vor sich hin arbeiten. Denn das<br />

betahaus vermietet Schreibtische, flexible Arbeitsplätze. Die Tarife<br />

unterscheiden sich vor allem durch die Mietdauer. Einer<br />

der Tarife heißt Superflex, zu haben für 129 Euro pro Monat<br />

beinhaltet er bei freier Platzwahl einen Schreibtisch, die dickste<br />

Glasfaserleitung Berlins, Drucker, Scanner, Kopierer, Fax und<br />

zweimal italienischen Kaffee am Tag. Von 9 bis 18 Uhr kann der<br />

Mieter dann dort seiner Arbeit nachgehen.<br />

Nachfrage gerecht werden.<br />

Wertschöpfung findet an unterschiedlichen<br />

Orten, zu unterschiedlichen Zeiten statt<br />

Die Mieter suchen hier, was sie an ihrem bisherigen Arbeitsplatz<br />

im Coffee Shop nicht gefunden haben: ein Single-Schreibtischbüro<br />

mit sozialer Anbindung. Das Neue und Besondere ist, dass<br />

jeder für sich arbeitet und bei großen Projekten unkompliziert<br />

ein Team zusammentrommeln kann, um die Aufgabe gemeinsam<br />

zu lösen. Alle sind Einzelkämpfer, keine Kollegen. Sie arbeiten<br />

alleine und doch gemeinsam – bei Bedarf. Solch eine<br />

Community kann sich kurzfristig zusammenfinden und schnell<br />

auf einkommende Aufträge reagieren. Hinter dem Konstrukt<br />

betahaus verbirgt sich eine Philosophie: „Werte werden nicht<br />

mehr in klassischen Büros geschaffen“. Die Flexibilität kommt<br />

vor allem den vielen medien-, gestaltungs- und kunstaffinen<br />

Mietern, aber auch Übersetzern oder Unternehmensberatern<br />

Anschlussmöglichkeiten nutzen<br />

entgegen. Die Philosophie basiert auf einem Konzept: Coworking.<br />

Der Journalist Andreas Stamm vom ZDF-„auslandsjournal“<br />

war dort, um für einen Bericht herauszufinden, wie Coworking<br />

funktioniert. Die Aufgabe war, innerhalb von zwei Tagen eine<br />

Internetseite zu erstellen mit Informationen, Bildern, Links,<br />

Videos zum Thema ‚Berlin – Die Stadt der Zukunft’. Es bildete<br />

sich ein Team aus je einem Web<strong>des</strong>igner, Unternehmensberater,<br />

Trendscout, einer Informations<strong>des</strong>ignerin und einem der Mit-


egründer <strong>des</strong> betahauses. Sie haben noch nie in dieser Konstellation<br />

gemeinsam gearbeitet, aber das war für die Coworker<br />

nichts Neues. Sie machten ein Brainstorming, verteilten die<br />

Aufgaben und nach zwei Tagen kam dann tatsächlich ein ansehnliches<br />

Ergebnis heraus.<br />

Zur Lage der Nation<br />

Wenn man einen Coworker fragt, was denn der Vorteil ist, der<br />

sich aus dieser Arbeitsform ergibt, bekommt man gleich zwei<br />

Aspekte genannt. Erstens sein eigener Chef zu sein und zweitens<br />

trotzdem mit anderen zusammenarbeiten zu können. Doch<br />

ist das alles? Warum verzichtet man auf eine Festanstellung<br />

mit regelmäßigem Einkommen? Warum macht man sich davon<br />

abhängig, ständig Aufträge einholen zu müssen, wo es doch als<br />

Angestellter so einfach wäre? Coworking kann man als Lebensstil<br />

betrachten. Eine neue Arbeitsform für eine neue Generation<br />

von Selbstständigen: gemeinsam alleine arbeiten. Geprägt<br />

durch die verschiedensten Einflüsse und Kulturen, wie etwa das<br />

social networking. Und das Modell funktioniert, so wie bei Unternehmensberater<br />

Peter Bihr: „Ich persönlich fühle mich sehr<br />

sicher, es läuft absolut rund. Ich mach‘s seit drei Jahren und<br />

kann davon gut leben. Dass heißt, ich kann mich überhaupt<br />

nicht beschweren. Wenn ich es vergleiche mit der Situation, wie<br />

meine Eltern arbeiten, die würden das sicherlich als deutlich<br />

weniger abgesichert empfinden.“ Viele Coworker wären allerdings<br />

gerne fest angestellt, finden aber aufgrund mangelnder<br />

Angebote keine Stellen. So wird aus der Not eine Tugend.<br />

Die Gründer <strong>des</strong> betahauses haben für sich aus dieser Sackgasse<br />

einen Weg gefunden. Zu sechst waren sie, frisch von der Uni,<br />

ohne Chancen auf Arbeitsplätze und so schufen sie sie sich<br />

selbst, übertrugen die freieren Strukturen der Universität einfach<br />

auf ihr Arbeitsleben.<br />

Laut einer Studie von Peter Bihr im Auftrag <strong>des</strong> betahauses<br />

entstehen derartige Arbeitsformen durch den Umbruch <strong>des</strong> Arbeitsmarktes.<br />

Viele Jobs verlangen Flexibilität und somit wird<br />

Langfristigkeit zu einem seltenen Gut. „Weniger als zwei Drittel<br />

aller Erwerbstätigen in Deutschland haben noch einen Normaljob,<br />

der voll sozialversicherungspflichtig und unbefristet ist.“<br />

(Spiegel 12/2010) Doch was für Menschen stecken dahinter?<br />

Ein durchschnittlicher „Soloselbstständiger“ sieht so aus: Geschlecht<br />

männlich, Alter 25 bis 35 Jahre, nur krankenversichert,<br />

Bürokratie-allergisch, wünscht sich flexible Unterstützung und<br />

weniger Benachteiligung seitens <strong>des</strong> Staates. Der Frage, ob man<br />

sich in derartigen Lebensumständen sozial und finanziell abgesichert<br />

fühlen kann, stimmt mehr als die Hälfte der befragten<br />

Freelancer zu.<br />

Raum zum Arbeiten<br />

Jeder hat eigene Intentionen und Ziele. Manche sind viel unterwegs<br />

und brauchen nur ab und an einen Schreibtisch. Für<br />

einige soll es ein Sprungbrett sein. Und manch einer, wie Martin<br />

Elwert, will die Kosten <strong>des</strong> Büros zugunsten seiner Geschäftsidee<br />

einsparen. Denn er will Kaffee direkt aus den Händen äthiopischer<br />

Bauern importieren. Mit den Verkaufseinnahmen für<br />

das Lifestyleprodukt werden vor Ort weitere Hilfsprojekte angestrengt.<br />

Am donnerstäglichen Frühstückstisch wurde dieses<br />

Projekt vorgestellt und diskutiert. Ein Brainpool, der kostenlos<br />

beim Probleme lösen hilft.<br />

Das „Büro“ der Zukunft folgt den kulturellen und kommunikativen<br />

Bedingungen der Informationsgesellschaft. Es wird genetzwerkt.<br />

Ganz im Sinne eines virtuellen Netzwerks, nur eben<br />

zum Anfassen.<br />

Konzept in Halle angekommen<br />

Dass sich Trends schnell verbreiten, zeigen die vielen Gründungen<br />

von Coworking Spaces in anderen Städten. Die Firma<br />

GP Günther Papenburg AG hat im September Sachsen-Anhalts<br />

ersten Coworking Space im Waisenhausring in Halle mit einer<br />

Gesamtfläche von circa 250 Quadratmeter eröffnet. Ab 10 Euro<br />

am Tag kann nun auch hier der unbekannte Kollege ‚mitgemietet‘<br />

werden! n<br />

Gemeinsam alleine arbeiten<br />

Karriere n<br />

31


n Finish<br />

32<br />

Medienwirksame Prototypisierung im Fernsehen<br />

Bachelorarbeit über Stereotype in „Deutschland sucht den Superstar“<br />

Von Eva Dietrich<br />

astingshows sind seit <strong>Ende</strong> 2000 nicht mehr aus der<br />

Fernsehlandschaft wegzudenken, so Julia Leupold in<br />

ihrer Bachelorarbeit „Gescheiterter Favorit. Die Stereotypisierung<br />

der Kandidaten und ihrer Handlungsweisen<br />

bei DSDS 2009“. Die MuK-Absolventin, die auch Deutsche<br />

Sprache und Literatur studierte, war schon seit der ersten Staffel<br />

von DSDS fasziniert, zunächst noch als Zuschauerin und<br />

später dann als kritische Medienwissenschaftlerin. Sie fragte<br />

sich, warum bestimmte Leute in den Castings ‚vorgeführt‘<br />

werden, warum die Zuschauer genau das sehen wollen und<br />

warum immer wieder ‚Prototypen‘ von Kandidaten inszeniert<br />

werden. Deshalb wusste die gebürtige Dessauerin bereits im<br />

vierten Semester, dass sie dieses Thema unbedingt in ihrer Bachelorarbeit<br />

aufgreifen wollte. Im Gespräch mit den Gutachtern<br />

Prof. Dr. Gerhard Lampe und Dr. Steffi Schültzke wurde<br />

das Thema weiter eingegrenzt. „Stück für Stück setzte sich das<br />

Puzzle langsam zusammen und es stand fest, dass ich mich<br />

auf die Emotionalisierung und Stereotypisierung beschränken<br />

wollte“, sagt Leupold. Die Inszenierung der Kandidaten ist, wie<br />

Leupold betont, eine äußerst wichtige Komponente der Show,<br />

die in den bisherigen Publikationen aber zu kurz gekommen<br />

ist. Deshalb analysierte sie in ihrer Arbeit die Stereotypisierung<br />

<strong>des</strong> Kandidaten Marc Jentzen, dem so genannten gescheiterten<br />

Favoriten aus der sechsten Staffel. Nach umfangreicher Literaturrecherche<br />

begann der eigentliche Schreibprozess. Nicht ganz<br />

stressfrei, denn parallel arbeitete sie als freie Mitarbeiterin bei<br />

TV Halle.<br />

Mit einem Marktanteil von teilweise über 50 Prozent ist DSDS<br />

eine feste Institution in der Fernsehbranche. Die Zuschauer<br />

sollen sich aus der Vielzahl der Kandidaten einen Favoriten<br />

heraussuchen und durch Telefonvotings aktiv am weiteren<br />

Verlauf teilnehmen. Aus diesem Grund müssen die Kandidaten<br />

auf der einen Seite authentisch wirken, auf der anderen Seite<br />

aber brauchen die Macher der Show unterschiedliche Typen,<br />

die mögliche Konkurrenten darstellen können. Deshalb wird in<br />

Trailern mit Hilfe von Kommentaren der Eltern und Freunde,<br />

von Einspielungen alter Familienfotos und -videos das Leben<br />

der Kandidaten gezeigt. Zudem werden sie außerhalb der Shows<br />

zu Proben und Studioaufnahmen begleitet. Die Darstellung ist<br />

emotional, intim und teils dramatisiert. Stereotypisierung spielt<br />

hier vor allem eine Rolle, weil bei DSDS eben nur Ausschnitte<br />

aus dem Leben der Kandidaten gezeigt werden können. Deshalb<br />

sollen die Lücken, die dabei entstehen, mit Hilfe von Stereotypen<br />

gefüllt werden. Aus den allgemeinen Stereotypfunktionen<br />

leitete Leupold die Charakteristika für Filmstereotype ab und<br />

definierte die drei Stufen von Stereotypisierung im Film: Konstruktion<br />

der Figuren,<br />

der Handlungswelt sowie<br />

die Bild- und Klangkon-<br />

Marc Jentzen wird als Heimkind und Boygroupmitglied,<br />

aber auch als Schlägertyp dargestellt<br />

struktion. Demnach analysierte sie die Ebenen der Narration<br />

und Dramaturgie, <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> und <strong>des</strong> Tones. Sie kam zu dem<br />

Schluss, dass auf allen untersuchten Ebenen stereotype Muster<br />

zu erkennen sind. Über Interviewsequenzen, Bilder vergangener<br />

Auftritte und Kommentare von Freunden und Familie werden<br />

feststehende Stereotype der jeweiligen Kandidaten kreiert. Dabei<br />

dienen Farbeffekte und Musik der Stimmungserzeugung.<br />

Der analysierte Kandidat Marc Jentzen wird facettenreich dar-<br />

In DSDS werden Stereotype über Bild, Ton und<br />

Dramaturgie vermittelt<br />

gestellt: Zunächst als Marc, der im Heim aufwuchs und Mitglied<br />

einer Boygroup war, dann als Familienmensch, der die<br />

Unterstützung seiner Familie braucht und später als ‚Schlägertyp‘,<br />

der im künstlich erzeugten Handlungskonflikt mit Kontrahentin<br />

Annemarie Eilfeld steht. Trotzdem wird sein Charakter<br />

eher oberflächlich dargestellt und auf die genannten Stereotype<br />

reduziert.<br />

Wen das Thema und die weiteren Ergebnisse der Analyse genauer<br />

interessieren, der sollte diese Arbeit also dringend lesen.<br />

Sie wurde <strong>Ende</strong> April abgegeben und nach zwei Monaten<br />

Korrekturzeit bekam die Autorin ihre Note. Leupold hat<br />

ihr Studium mittlerweile abgeschlossen und ein Volontariat bei<br />

einer Fernsehproduktionsfirma in Kassel begonnen. Ihre Tipps<br />

für alle, die demnächst ihre Bachelorarbeit schreiben: 1. Frühzeitig<br />

anfangen, zumin<strong>des</strong>t mit den Vorbereitungen, denn am<br />

<strong>Ende</strong> wird es trotzdem knapp. 2. Immer mit den Dozenten in<br />

Kontakt bleiben, um den aktuellen Arbeitsstand zu überprüfen<br />

und sich Tipps zu holen. Dabei kritikfähig<br />

sein! 3. Ganz schnell mit dem Schreiben anfangen,<br />

denn es dauert wirklich<br />

länger als man denkt.<br />

4. Einfach nur<br />

durchhalten,<br />

das sichere<br />

<strong>Ende</strong> naht<br />

auf jeden<br />

Fall. n


Zusammengestellt von Eva Dietrich<br />

Anja Heinicke<br />

Hendrik König<br />

Gitte Kießling<br />

Abschlussarbeiten im Masterstudiengang<br />

MultiMedia & Autorschaft SoSe 09<br />

Name Thesis Projektarbeit<br />

Steffi Schramm<br />

Merce<strong>des</strong> Hervás<br />

de Mora<br />

Franziska Roscher<br />

Theresa Henning<br />

Arne Mertens<br />

Stefan Schwarz<br />

Annika<br />

R.-Kopschinski<br />

Frauke Holz<br />

Die Inszenierung <strong>des</strong> Tat-Ortes im Kriminalfilm Das Wächterhaus in der Triftstr. 19a in Halle/Saale.<br />

Eine multimediale Darstellung<br />

Analyse von Nutzungskonzepten be- bzw. entstehender<br />

Seen in der Mitteldeutschen Seenlandschaft<br />

beispielhaft dargestellt am Großen Goitzschesee,<br />

dem Cospudener See, dem Markleeberger<br />

See und dem Geiseltalsee<br />

Medienarchivsysteme im Web. Eine Studie am<br />

Beispiel <strong>des</strong> Radiofeatures<br />

Internet als Lernmedium für Kinder. Analyse und<br />

Kriterienentwicklung<br />

Potentiale der Digitalisierung. Remix als neue<br />

Subkultur<br />

Die grüne Welle in den Social Communities. Analyse<br />

und Vergleich der Seiten fairdo.net und utopia.de<br />

im Hinblick auf Identitäten und Identitätsbildung<br />

Selbstinszenierung im Netz am Beispiel von Hallenser<br />

Künstlern<br />

Potentiale <strong>des</strong> E-Leanings in virtuellen Welten.<br />

Campus & Traineecenter in Second Life<br />

Die Ressource Aufmerksamkeit im Netz am Beispiel<br />

digitaler Werbung<br />

Die Konstruktion von Stadträumen in Fernsehserien.<br />

Am Beispiel von Halle (Saale) im „Polizeiruf 110“<br />

Eine Analyse der Bedingungen von Pressefreiheit in<br />

China im aktuellen Diskurs (ab den 1980er Jahren)<br />

Zwischen Erinnerungskultur und Weinbau. Alternative<br />

Nutzungsformen von Industriebrachen und<br />

-denkmälern im Süden Sachsen-Anhalts. Multimedial<br />

dargestellt<br />

Multimediale Präsentation zukünftiger Onlinearchivsysteme<br />

für Radiofeatures<br />

Die Stadt Halle. Skizzen einer virtuellen Welt für<br />

Kinder<br />

DDR-Kunstwerke im öffentlichen Raum Halles.<br />

Eine multimediale Dokumentation<br />

Ökoführer Halle. Ein multimedialer Überblick<br />

Kunst im Stadtraum Halle. Multimedial dargestellt<br />

Spielerpersönlichkeiten in virtuellen Welten. Eine<br />

multimediale Präsentation<br />

Hypermediale Präsentation kreativer Kommunikation<br />

im Raum Halle<br />

Sein eigener Herr sein. Existenzgründer in Mitteldeutschland.<br />

Multimedial dargestellt<br />

An der Saale hellem Strande. Ein multimedialer<br />

Seitenblick und eine Bootsfahrt entlang der Saale<br />

Screenshots von drei der vielen tollen Masterprojekte: der Ökoführer Halle von Franziska Roscher, der multimediale Seitenblick mit<br />

Bootsfahrt entlang der Saale von Frauke Holz und die Präsentation über Kunst im Stadtraum Halle von Theresa Henning<br />

Finish n<br />

33


n Publiziert<br />

34<br />

Neue Publikationen aus dem Department<br />

Zusammengestellt von Ulrike Schmidt<br />

Florian Hartling;<br />

Beat Suter (Hrsg.)<br />

Archivierung von digitaler<br />

Literatur: Probleme–Tendenzen–Perspektiven<br />

Mit dem Doppelband der Zeitschrift<br />

SPIEL erscheint ein Gemeinschaftsprojekt<br />

von Wissenschaftlern, die sich mit<br />

der Flüchtigkeit von Internet-Literatur<br />

beschäftigen. Digitale Literatur ist<br />

aktuell, interaktiv, subjektiv und gut<br />

vernetzt. Doch wie haltbar ist sie? Wie<br />

lange bleiben Texte, die auf Webseiten<br />

veröffentlicht werden, lesbar?<br />

Was passiert mit den alten Ausgaben,<br />

wenn eine Literaturzeitschrift vom<br />

Netz geht? Dies sind einige der Fragen,<br />

die Literaten, Archivare und (Literatur-)Wissenschaftler<br />

beschäftigen.<br />

Webseite sind im Durchschnitt weniger<br />

als 100 Tage im Netz unter ihrer<br />

Originaladresse abrufbar. Danach ziehen<br />

sie um oder werden komplett gelöscht.<br />

Kulturelle elektronische Inhalte,<br />

wie etwa digitale Literatur, vor dem<br />

Verfall zu bewahren, erweist sich als<br />

schwierig. Obwohl die deutsche Nationalbibliothek<br />

seit November 2008<br />

einen Sammelauftrag für Online-Inhalte<br />

hat, ist es weiterhin unklar, wie<br />

genau die Archivierung insbesondere<br />

von flüchtigen und vergänglich konzipierten<br />

Inhalten aussehen soll. Das<br />

Projekt eruiert neue Verfahren und<br />

Gegenstände der Archivierung von digitaler<br />

Literatur. n<br />

Aufgedeckt II. Forschungsgrabungen<br />

am Magdeburger<br />

Dom 2006 – 2009<br />

Sonderband 13 der Reihe<br />

Archäologie in Sachsen-<br />

Anhalt; Buch und DVD<br />

Der zweite Band zu den Grabungen<br />

auf dem Domhügel in Magdeburg<br />

enthält archäologische, historische<br />

und kunstgeschichtliche Untersuchungen<br />

der letzten Jahre. Durch Kooperationen<br />

mit der Stiftung Dome<br />

und Schlösser in Sachsen-Anhalt, dem<br />

Hallischen Institut für Medien an der<br />

Martin-Luther-Universität (HIM) sowie<br />

dem Hallischen Institut für Neue<br />

Medien in Archäologie und Kunst e.V.<br />

(INMEDIAK e.V.) entstanden eindrückliche<br />

Dokumentationen der spektakulären<br />

Funde und Entdeckungen. Prof.<br />

Dr. Gerhard Lampe und sein Team<br />

unterstützen die Forschungsarbeiten<br />

durch umfangreiche Aufnahmen. Die<br />

Videodokumentation besteht aus drei<br />

Teilen (à 39 Minuten) und liegt dem<br />

Band als DVD bei. Der Film ist an gut<br />

50 Drehtagen entstanden. Er enthält<br />

nicht nur die vorläufigen Untersuchungsergebnisse,<br />

sondern spiegelt<br />

die Arbeits- und Erkenntnisprozesse<br />

wider. Die Beiträge in „Aufgedeckt II“<br />

bilden als Zwischenbericht den neuesten<br />

Erkenntnisstand ab.<br />

Ziel der Grabungen ist es, die Vorgängerbebauung<br />

<strong>des</strong> gotischen Doms zu<br />

klären. n<br />

Sebastian Pfau<br />

Vom Seriellen zur Serie<br />

– Wandlungen im DDR-<br />

Fernsehen<br />

Das zentrale Anliegen dieser Dissertationsschrift<br />

ist die historisch-kritische<br />

Aufarbeitung der Entwicklung<br />

fiktionaler Serien im Programm <strong>des</strong><br />

DDR-<strong>Fernsehens</strong>. Serien entsprechen<br />

nicht nur der strukturierten Form<br />

<strong>des</strong> Massenmediums Fernsehen, sondern<br />

integrieren sich besonders gut<br />

in den durchstrukturierten Alltag der<br />

Fernsehzuschauer. Ein besonderer<br />

Schwerpunkt der Untersuchung ist<br />

die Aufarbeitung der Entwicklungsgeschichte<br />

von DDR-Familienserien.<br />

Die Arbeit gibt zunächst einen kurzen<br />

Abriss der Geschichte seriellen Erzählens.<br />

Anschließend wird auf den breit<br />

gefächerten wissenschaftlichen Diskurs<br />

zur Fernsehserie eingegangen.<br />

Pfau gliedert die Serienproduktion<br />

<strong>des</strong> DDR-<strong>Fernsehens</strong> in sechs Phasen.<br />

Unter Einbeziehung der jeweiligen gesellschaftlichen<br />

und politischen Kontexte<br />

wurden für jede Phase die Entwicklungstendenzen<br />

aufgezeigt und<br />

je eine Serie exemplarisch analysiert.<br />

Das Ergebnis ist eine Darstellung der<br />

wesentlichen thematischen, dramaturgischen,<br />

qualitativen, quantitativen<br />

und institutionellen Entwicklungen<br />

der Serienproduktion <strong>des</strong> DDR-<strong>Fernsehens</strong>.<br />

n


Festivals /<br />

Wettbewerbe<br />

Messen / Tagungen<br />

Workshops<br />

Termine im Wintersemester 2010/11<br />

DOK Festival Leipzig<br />

Internationales Festival für Dokumentar- und<br />

Animationsfilm<br />

18. - 24. Oktober 2010<br />

www.dok-leipzig.de<br />

Internationales Kurzfilmfestival Berlin<br />

16. - 21. November 2010<br />

www.interfilm.de<br />

Medienhistorisches Forum für Absolventen und<br />

Forschungsnachwuchs, Wittenberg<br />

08. - 09. Oktober 2010<br />

Plattform zur Netzwerkbildung für jüngere Wissenschaftler<br />

www.rundfunkundgeschichte.de/kolloq.html<br />

Tagung „Performativität und Medialität<br />

Populärer Kulturen“, Halle<br />

03. - 04. Dezember 2010<br />

Tagung im Rahmen einer Kooperation der AG Populärkultur<br />

und Medien (GfM) und <strong>des</strong> Departments für Medien<br />

und Kommunikationswissenschaften, MLU<br />

http://www.medienkomm.uni-halle.de/aktuelles/kongresse_tagungen/<br />

UNIVATIONS Hochschulgründernetzwerk<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Basis- und Intensivworkshops für Existenzgründer<br />

Technologiepark Weinberg Campus<br />

Weinbergweg 23, 06120 Halle<br />

www.univations.de<br />

Werkleitz Gesellschaft e.V.<br />

Zentrum für künstlerische Bildmedien Sachsen-Anhalt<br />

Schleifweg 6, 06114 Halle<br />

www.werkleitz.de<br />

Kosten: 25 bis 120 €<br />

Zusammengestellt von Eva Dietrich<br />

Internationale Filmfestspiele Berlin<br />

10. - 20. Februar 2011<br />

www.berlinale.de<br />

Filmfest Dresden<br />

International Short Film Festival<br />

12. - 17. April 2011<br />

www.filmfest-dresden.de<br />

Leipziger Buchmesse<br />

17. - 20. März 2011<br />

Zweitgrößte Messe Deutschlands, die als erster großer<br />

Branchentreff <strong>des</strong> Jahres einen wichtigen Impulsgeber<br />

für den Büchermarkt darstellt<br />

www.leipziger-buchmesse.de<br />

Hallesches Medienkolloquium<br />

Workshop zu zentralen Forschungsfragen und Wissenschaftskonzepten<br />

März 2011<br />

Medienkompetenzzentrum der Lan<strong>des</strong>medienanstalt<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Reichardtstraße 8, 06114 Halle<br />

www.medienkompetenzzentrum.de<br />

Sächsischer Ausbildungs- und Erprobungskanal<br />

Förderwerk für Rundfunk und neue Medien<br />

Rosa-Luxemburg-Straße 29, 04103 Leipzig<br />

Kurse u.a. auch in Chemnitz und Dresden<br />

www.saek.de<br />

Kosten: 15 bis 30 €<br />

Dates<br />

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