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Christliche Ethik im Religionsunterricht - Amt für kirchliche Dienste

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Nur dann, wenn ein Hirnforscher einer dieser ungere<strong>im</strong>ten bzw.<br />

nicht offen gelegten Vorstellungen von Freiheit anhängt, kann er<br />

glauben(!), seine Entdeckungen würden unsere Vorstellungen eines<br />

freien Tuns und Wollens erschüttern.<br />

Wie wäre das Verständnis von Freiheit eher zu beschreiben? Eine<br />

philosophische Definition fasst den Willen als frei auf, wenn er sich<br />

unserem Urteil darüber fügt, was zu wollen richtig ist. Eine in diesem<br />

Sinn verstandene Freiheit kann durch neurobiologische Befunde<br />

nicht tangiert werden. Denn wie schon ausgeführt findet man in der<br />

neurobiologischen Mechanik des Gehirns die Freiheit ebenso wenig,<br />

wie man in der materiellen Zusammensetzung eines Gemäldes auf<br />

die Schönheit trifft. Natürlich stehen die ästhetischen Qualitäten mit<br />

den materiellen in Verbindung. Aber unser Wille ist nur dann unfrei,<br />

wenn er unserem Urteil nicht folgt – durch Unbeherrschtheit, Zwang,<br />

Sucht. Aus der bisherigen Geschichte ergibt sich, dass der vielfach<br />

beschworene Konflikt zwischen Determinismus und Freiheit keiner<br />

ist (darüber hinaus ist der Kontrast zur Freiheit auch nicht der Determinismus,<br />

sondern der Zwang). Deshalb müssen wir uns auch nicht<br />

als fremdgesteuert empfinden, wenn wir auf dem Bildschirm unser<br />

Gehirn bei der Arbeit sehen, wenn wir biologische Abläufe sehen<br />

und dabei unsere Freiheit ausüben, indem wir uns entscheiden.<br />

Dass die Freiheit des Willens letztlich ein zerbrechliches Gut ist,<br />

das man sich erarbeiten muss, dass Unfreiheit des Willens sich<br />

in verzerrten Formen des Zeiterlebens spiegelt, die uns an einem<br />

freien Verhältnis zu unserer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft<br />

hindern und dass wir deshalb <strong>im</strong>mer neue Beschreibungen unserer<br />

selbst entwickeln und finden müssen – das alles zeigt, dass es erstaunlich<br />

schwierig ist, zu wissen, was man will. Die denkende und<br />

verstehende Einstellung ist nicht die einzige, auf die es ankommt.<br />

Bieri sagt am Ende seines Buches vom Handwerk der Freiheit, dass<br />

Willensfreiheit in ihrer vollkommenen Ausprägung vielleicht eher<br />

ein Ideal als eine Wirklichkeit ist. Und doch ist sie Grundannahme<br />

und Grundvoraussetzung eines erwachsenen Lebens.<br />

Warum weinen wir nun bei Tristan und Isolde?<br />

Wir wissen es nicht. Wir wissen aber auch nicht, warum wir lachen.<br />

Was die Rhythmik des Zwerchfells soll, wenn wir über einen Witz<br />

lachen, ist genauso wenig geklärt wie der Tränenfluss angesichts<br />

trauriger Ereignisse.<br />

Friedrich Nietzsche schrieb über Richard Wagners Oper, „…ich<br />

suche heute noch nach einem Werke von gleich gefährlicher Faszination,<br />

von einer gleich schauerlichen und süßen Unendlichkeit,<br />

wie der ‚Tristan’ ist – ich suche in allen Künsten vergebens …“ Vielleicht<br />

hat die Wirkung dieser Musik ja mit einer hier anklingenden<br />

Transzendenz zu tun.<br />

Wir lassen uns den Tristan-Akkord jedenfalls nicht als „Synapsengeklapper“<br />

verkaufen!<br />

Dr. Susanne Schroeder ist Beauftragte <strong>für</strong> Ev. <strong>Religionsunterricht</strong> in Berlin-<br />

Reinickendorf.<br />

Literatur:<br />

Till Bastian/Dietmar Hansch, Moderne Hirnforschung, in: Scheidewege, Jahres-<br />

schrift <strong>für</strong> skeptisches Denken 34, Jahrgang 2004/2005, Stuttgart 2004<br />

Peter Bieri, Das Handwerk der Freiheit, Frankfurt am Main 2006, 415<br />

Peter Bieri, Unser Wille ist frei, in: Der Spiegel Nr.2, 3. Januar 2005<br />

Andreas Klein, Willensfreiheit auf dem Prüfstand, Neukirchen-Vluyn 2009<br />

Hans Ulrich Gumbrecht u.a., Geist und Materie - Was ist Leben? Zur Aktualität<br />

von Erwin Schrödinger, Frankfurt am Main 2008<br />

Die Macht des Augenblicks - Ein Gespräch mit dem Wissenschaftshistoriker<br />

Peter Galison, in: Die Zeit Nr.3, 8. Januar 2009<br />

Friedrich Nietzsche, Ecce home – Warum ich so klug bin (Teil 6), München<br />

1988, 289<br />

Elisabeth von Thüringen und Mutter Teresa:<br />

Die Hungrigen speisen<br />

1•2010 ZEITSPRUNG I inhalte<br />

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