Magazin #16 - Der Club zu Bremen
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<strong>Bremen</strong><br />
Weihnachtszeit<br />
Unternehmen könnten ohne das Marktgeschäft kaum überleben.<br />
Die Nürnberger Kellerei Gerstacker beispielsweise liefert<br />
Glühwein-Container an Tränken in aller Welt. Marktanteil nach<br />
Firmenangaben: etwa 80 Prozent. Und Standplätze sind teuer,<br />
Gebühren von bis <strong>zu</strong> 10.000 Euro für ein mittelgroßes Büdchen<br />
keine Seltenheit. Für die Händler heißt das im Umkehrschluss:<br />
Deutlich mehr als 1000 Euro sollten sich am Abend schon in der<br />
Kasse wieder finden, sonst lohnt sich die Sache nicht.<br />
Ob Markus Seitz alias „<strong>Der</strong> Obstler“ das schafft? <strong>Der</strong> Mann, der<br />
an der Schlachte edle Getränke wie „Drachenglut“ und „Elfentau“,<br />
„Hexengalle“, „Liebestrank“ und „Elixier der Leidenschaft“<br />
feilbietet, schaut skeptisch. Immerhin: Er ist beim „Schlachtezauber“<br />
seit der Premiere dabei, belegt hier einen der längsten<br />
Stände. „Das ist ein richtig schöner Markt“, sagt er. Vergleichsmöglichkeiten<br />
hat der Händler aus Hoya („Ein Tagesritt von hier<br />
entfernt!“). Er nimmt an rund 25 historischen Märkten im Jahr<br />
teil, <strong>zu</strong>dem an vier oder fünf modernen. Die seien zwar wichtig<br />
für den Geldbeutel, viel mehr Spaß macht es aber, wenn in der<br />
Nachbarschaft auch Tuchmacher, Gewürzkrämer und Schmiede<br />
ihr Domizil aufgeschlagen haben. „Wir können in unseren Rollen<br />
richtig aufgehen, miteinander agieren und den Besuchern so ein<br />
richtiges kleines Spiel vorführen.“ Und wie finden die das? „Gut,<br />
die meisten sind stark interessiert an dem, was wir tun, und fragen<br />
auch gern mal nach – vor allem, weil das hier nicht so<br />
durchgestylt ist.“<br />
Malte Janßen etwa ist ein Schmied nach guter, alter Handwerkstradition.<br />
Wuchtig lässt er den Hammer auf den Amboss fallen,<br />
kraftvoll schlägt er das Eisen. Nägel, Kerzenleuchter, Garderobenhaken<br />
liegen auf einem Samtkissen, ein eisernes Herz hängt<br />
im Regal. „Das hat eine Kundin direkt hier bestellt“, sagt der<br />
Mann, der im wahren Leben sein Geld als Schlosser verdient. Er<br />
liebt die Marktatmosphäre an der Schlachte, freut sich, wenn<br />
Kinder ihn fragen, was er da eigentlich macht. Woher das<br />
Interesse am Thema Mittelalter kommt? Janßen hat seine ganz<br />
eigene Theorie: „Zum einen ist da Hollywood mit seinen Filmen,<br />
<strong>zu</strong>m anderen aber auch die Erkenntnis, dass man damals noch<br />
richtig für sein Leben und Überleben arbeiten musste.“ Das<br />
Essen kam eben nicht aus der Mikrowelle oder vom Pizzadienst,<br />
sondern musste auf dem offenen Feuer gekocht werden. „Es fasziniert<br />
die Leute <strong>zu</strong> sehen, wie primitiv man leben kann.“<br />
Es gibt ihn also, den Gegentrend <strong>zu</strong>r Kommerzialisierung. „Authentizität<br />
ist wieder stärker gefragt“, bestätigt Klaus Schultheis<br />
vom Internetportal Weihnachtsmarkt-Deutschland.de. Viele<br />
Besucher würden die großen, vorwiegend mit industriell hergestellter<br />
Massenware bestückten Märkte inzwischen meiden und<br />
sich kleineren, individuellen <strong>zu</strong>wenden. „Ein Weihnachtsmarkt<br />
ist eben kein Jahrmarkt mit Marktschreiern, sondern lebt von<br />
seinem besonderen Flair“, erläutert Professor Bamler aus Hagen.