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Ersthilfe – Therapie – Nachbehandlung - Ärztekammer Bremen

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8<br />

UNFÄLLE IM KLEINKINDALTER<br />

56,2 Prozent unbeobachtet, 23,3 Prozent<br />

durch einen Sturz, 11,9 Prozent durch Spielen<br />

und Rutschen, 8,1 Prozent durch Schwimmen<br />

und Tauchen sowie 1,2 Prozent aufgrund<br />

von Krampfanfällen. In Tabelle 1<br />

fin den sich Wassergefahren, Risikokonstellationen<br />

und Präventionsstrategien nach<br />

Unfallort sortiert (nach Nelson Textbook of<br />

Pediatrics). Circa 35 Prozent der Ertrinkungsunfälle<br />

ereignen sich auf privatem Gelände,<br />

allein 22 Prozent im Gartenteich.<br />

<strong>Therapie</strong><br />

Klinischer Verlauf und Ergebnis hängen von<br />

Unfallumständen, Dauer des Untertauchens,<br />

Geschwindigkeit der Rettung und Effizienz<br />

vor allem der ersten Rettungsmaßnahmen<br />

ab. Aufgefundene Ertrinkungsopfer können<br />

in zwei Gruppen eingeteilt werden:<br />

1. Das zeitnah gefundene Kind,<br />

das mit minimalen Maßnahmen<br />

spontan atmet und ein unbeeinträchtigtes<br />

Bewusstsein bietet.<br />

Diese Kinder sind zügig in ein Krankenhaus<br />

zu transportieren, es sind minimale Komplikationen<br />

und ein gutes Outcome zu<br />

erwarten.<br />

Eine stationäre Überwachung einschließlich<br />

eines Monitorings der Vitalzeichen<br />

und der Sauerstoffsättigung sowie neurologische<br />

und pulmonale Untersuchungen<br />

müssen erfolgen. Auch asymptomatische<br />

Kinder entwickeln zu etwa 50 Pro zent<br />

respiratorische Symptome innerhalb der<br />

ersten ein bis vier Stunden.<br />

2. Kinder mit Herzstillstand, die eine<br />

sofortige und aggressive Wiederbelebung<br />

erfordern und ein hohes<br />

Risiko für Multiorganversagen, Tod<br />

und neurologische Defekte tragen.<br />

Das erste Ziel noch am Unfallort ist eine<br />

effiziente Unterbrechung der Anoxie, um<br />

posthypoxische Folgen zu verhindern. Jede<br />

Minute ohne suffiziente Beatmung und<br />

Zirku lation verschlechtern die Prognose.<br />

Unabhängig von der Wassertemperatur<br />

kommt es bei jedem Ertrinkungsunfall zur<br />

Unterkühlung. Die Körpertemperatur ist<br />

das Ergebnis aus Wassertemperatur, Untertauchzeit,<br />

klimatischen Verhältnissen, nasser<br />

Kleidung, Dauer der Bergung, Effektivität<br />

der Reanimation und des Transports zur<br />

Klinik. Kaltwasserunfälle haben nur initial<br />

einen protektiven Effekt. Folgende Hypothermiegrade<br />

werden unterschieden: Der<br />

Initiale Einschätzung der Situation<br />

Patient bei Bewusstsein<br />

Erregungszustand (33 <strong>–</strong> 35,9 °C) geht mit<br />

peripherer Vaso konstriktion, Kältezittern<br />

und erhöhtem Sauerstoffverbrauch einher.<br />

Im Erschöpfungsstadium (30 <strong>–</strong> 33 °C) sinkt<br />

der Sauer stoffverbrauch, der Stoffwechsel<br />

läuft redu ziert, es kommt zu Bewusstseins<br />

störungen, ab 30 °C zum Bewusst -<br />

seinsver lust, Brady arrythmie, Rigor und zu -<br />

nehmen der Immun defizienz. Unter 30 °C<br />

schließ lich treten therapierefraktäre Arrythmien<br />

auf, bei weiterem Absinken der<br />

Kerntemperatur droht Kammerflimmern,<br />

Asystolie, Atemstillstand und isoelektrisches<br />

EEG. Nasse Kleidung sollte daher<br />

zügig entfernt und die Temperatur überwacht<br />

werden, ge gebenenfalls sind Maßnahmen<br />

zur Er wärmung zu ergreifen.<br />

Entscheidend ist die Reperfusion des<br />

Gehirns für das Outcome. Eine Reanimation<br />

darf nur in warmem Zustand abgebrochen<br />

werden. In Fällen von langer<br />

Rea nimationszeit und anhaltendem komatösen<br />

Zustand kann eine therapeutische<br />

Hypothermie sekundär erwogen werden.<br />

Einheitliche Richtlinien stehen bei noch<br />

unklarer Datenlage nicht zur Verfügung.<br />

In der weiteren Behandlung wird kein<br />

Unterschied mehr zwischen Salzwasser-<br />

und Süsswasser-Ertrinken gemacht. Eine<br />

prophylaktische antibiotische Behandlung<br />

ist umstritten. Im Falle von Sturz- oder<br />

Sprungunfällen muss das behandelnde<br />

Team speziell auf Wirbel verletzungen<br />

achten.<br />

Prognose<br />

In einer retrospektiven Studie aus Würzburg<br />

wurden 311 Kinderkliniken zu Ertrinkungs-<br />

Ja<br />

unauffällige Atmung,<br />

adäquate Ventilation?<br />

Ja<br />

Verdacht auf Aspiration?<br />

Abb. 2: Algorithmus Ertrinkungsfälle.<br />

Kreislauf instabil?<br />

Kreislaufstillstand<br />

Nein Ja Nein Ja<br />

Einweisung ins Krankenhaus<br />

zur weiteren Überwachung<br />

Intensivüberwachung<br />

und ­therapie<br />

unfällen befragt. Es wurden 743 Ertrinkungsunfälle<br />

aus 179 Kliniken über einen Zeitraum<br />

von zwei Jahren gemeldet. 79,1 Pro zent der<br />

Kinder wurden wieder gesund, vier Prozent<br />

blieben apallisch, 11,5 Prozent starben,<br />

5,5 Prozent hatten umschriebene neurologische<br />

Defizite. Die Mortalitätsrate (13,3 Prozent)<br />

und Zahl der Apalliker (4,8 Prozent)<br />

war bei Kleinkindern am höchsten.<br />

Prävention als wichtigste<br />

Maßnahme<br />

Ein Ertrinkungsunfall ist immer ein po -<br />

tentiell lebensbedrohliches Ereignis. Das<br />

Über leben wird weniger durch pulmonale<br />

Probleme, sondern von der hypoxischischämi<br />

schen Enzephalopathie bedroht.<br />

Die wichtigsten Maßnahmen liegen in der<br />

Prävention. Von zentraler Bedeutung sind<br />

eine flächendeckende Aufklärung und Er -<br />

ziehung zur Wassererziehung sowohl von<br />

Eltern als auch von Kindern. Bessere Aufsicht,<br />

bauamtlich vorgeschriebene Sicherung<br />

von Gartenteichen sowie eine rasche<br />

und suffiziente Erstversorgung sollte ge -<br />

währleistet sein. Weitere Ansätze zur Prävention<br />

finden sich in Tabelle 1. Eine stationäre<br />

Überwachung muss ausreichend lang<br />

sein und auch bei gänzlich asymptomatischem<br />

Kind mindestens acht Stunden be -<br />

tragen.<br />

Dr. Heike Losch,<br />

Oberärztin,<br />

BREMER ÄRZTEJOURNAL 11| 12<br />

Dr. Axel Renneberg,<br />

Ärztliche Leitung,<br />

Nein<br />

Kreislauf instabil?<br />

Intubation, Beatmung<br />

Erweiterte<br />

Reanimations massnahmen,<br />

Intensivtherapie, ggf.<br />

Klinik Am Bürgerpark, Bremerhaven

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