JU-I (Amselfeldrede –Izetbegovic –Tudjman) 1. Ich ... - Labournet
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tigung. Die moderne wirtschaftliche und technische, aber auch politische und kulturelle Entwicklung<br />
hat die verschiedenen Völker zusammengeführt, macht sie auch voneinander abhängig<br />
und immer mehr untereinander gleichberechtigt. In die Zivilisation, zu der sich die<br />
Menschheit hin bewegt, können vor allem gleichberechtigte und geeinte Menschen eintreten.<br />
Wenn wir den Weg in eine solche Zivilisation auch nicht anführen können, so brauchen wir<br />
uns auch nicht hinten anzuschließen. [Hartmann; meine Hervorhebungen]<br />
So etwas kann niemanden in einen nationalistischen Taumel versetzen. 3 Wo<br />
immer in der Welt ein Tag des Gedenkens an Ereignisse, die im Gedächtnis der<br />
Nation aufbewahrt sind, gefeiert wird, erwartet man vom Redner ein Schwelgen<br />
in nationaler Glorie, aber nicht gerade das, was Milosevic an diesem Gedenktag<br />
sagte. (Kein Wunder, daß damals der Londoner Independent am 29.6.1989 zu<br />
berichten wußte, die Zuhörer seien “stunned”gewesen). Und natürlich erst recht<br />
auch keine Spur irgendeiner »Großserbien«-Propaganda, sondern gerade im Gegenteil<br />
die Warnung vor der Schürung ethnischer Konflikte und die Sorge um<br />
die Erhaltung Jugoslawiens. Für mich war es jedenfalls ein Schlüsselerlebnis, als<br />
ich endlich die von der Propaganda (die in ihrer Maßlosigkeit sich in meinen<br />
Augen freilich schon von vornherein selbst ziemlich diskreditiert hatte) erlogene<br />
mit der wirklichen Rede vergleichen konnte: Wie konnte es möglich sein, eine<br />
Rede –ja, eine Rede, die doch Schwarz auf Weiß dasteht! –so schamlos umzulügen<br />
und so erfolgreich zugleich, daß am Ende die Lüge als Wahrheit triumphieren<br />
konnte, so daß dann Hinz und Kunz ungeniert drauflosplappern konnten,<br />
welch schreckliche Brandrede Milosevic damals auf dem Amselfeld gehalten<br />
habe! “An diesem Tag”, so Rudolf Scharping, Deutschlands Angriffskriegsminister<br />
in der Zeit der NATO-Aggression gegen Jugoslawien, “sprach Milosevic<br />
von ‚Großserbien‘und davon, daß dieses Land ein ethnisch reines sein solle”<br />
(Zitat nach Hartmann [Anm.2: S.57]): ein Herrn Duves wahnhaften Absonderungen<br />
ebenbürtiger Erguß.<br />
Gewiß spricht Milosevic später gegen Ende der Rede zu die Worte aus, die<br />
man als Beweis dafür anzuführen pflegt, daß er am Amselfeld ein mörderisches<br />
Programm verkündet habe:<br />
Sechs Jahrhunderte später stehen heute wieder Kämpfe bevor. Es sind keine bewaffneten<br />
Kämpfe, die wir auszutragen haben, obwohl auch solche nicht auszuschließen sind. [Lange]<br />
Nur ein Nebensatz, gänzlich aus dem Zusammenhang gerissen, als Beweis: Dieses<br />
Verfahren, die Rede zu interpretieren, kann ich nur als Mischung aus bewußter<br />
Böswilligkeit und purer Idiotie bezeichnen. Als bewußte Böswilligkeit, weil<br />
im Kontext der ganzen Rede, in der so ausführlich vor der Auslösung ethnischer<br />
Konflikte in Jugoslawien gewarnt und für ethnische Verständigung gesprochen<br />
wird, dieser Nebensatz doch wirklich nur so verstanden werden kann, daß mit<br />
ihm unterstrichen wird, wie dringend dieses Anliegen der ethnischen Verständigung<br />
sei; ein Ausdruck der Besorgnis also, eine Erinnerung an das: “Peace is not<br />
3 Geradezu schon rührend ist, was ich in einer an der Universität Frankfurt/Oder geschriebenen Hausarbeit:<br />
Boris Seslija, Der Balkankonflikt, lese: Zur <strong>Amselfeldrede</strong> heißt es darin in Anm.9, “sie wurde<br />
bewusst vom Autor nicht zitiert, da er empfand, dass so der Leser den Diktator Milosevic als „friedfertigen“Menschen<br />
interpretieren könnte”! (Im übrigen enthält diese Hausarbeit auch allerlei Nützliches).<br />
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