ARCHITEKTUR - KUNST Magazin
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er überhaupt sprach. Aber seine Sprüche habe ich<br />
behalten. „Ich denke nur mit dem Knie“. Genau.<br />
Sie haben gesagt, man sei ein schlechter Galerist,<br />
wenn man die besten Stücke für sich selbst behalten<br />
möchte.<br />
Da merkte ich zum ersten Mal, dass wohl ein Sammler-<br />
Gen in mir ruht. Ich grub ja sehr feine Sachen aus,<br />
in Prag, Wien und Berlin, diese wanderten schnell<br />
in den Tresor. Aber wenn ein interessanter Besucher<br />
kam, musste ich das natürlich stolz vorzeigen. Und<br />
wenn es Leute gab, die diese Arbeiten kaufen wollten:<br />
Verkaufen? Ach nö, das will ich doch selber behalten!“<br />
Ja, ich war ein super Galerist. – Man ist als Fotograf<br />
wohl gleichzeitig auch Sammler.<br />
Stimmt es, dass Sie mit Ihrer Frau auf Grundlage einer<br />
weißen Wand in Ihrem Haus eine neue Sammlung<br />
begonnen haben, nachdem Sie die fotografische<br />
Kollektion 1984 an das Getty Museum verkauft<br />
hatten?<br />
Um die Hans-Haacke-Ausstellung zu sehen, besuchten<br />
wir 98 zum ersten Mal die Galerie Paul Maenz in<br />
Köln und danach Max Hetzler in Stuttgart. Die Kunst<br />
dort hatte was Befreiendes – schnell, frech, witzig.<br />
Ziviler Ungehorsam auf hohem Niveau. Wir waren<br />
damals in die Galerie gegangen, um ein Kunstwerk<br />
für eine leere Wand zu kaufen. Danach störte das<br />
Sofa darunter, und so warfen wir es raus. Die Kunst<br />
brauchte mehr Raum und öffnete noch mehr Raum in<br />
unseren Köpfen.<br />
„Ich sammle nicht fürs Wohnzimmer, ich sammle für<br />
den Kopf“, sagten Sie einmal.<br />
Ja, das sagt man übermütig, wenn man gefragt<br />
wird, was denn den Sammler auszeichnet, und<br />
man rumschwadroniert: „Sammeln beginnt dann,<br />
wenn der Platz in den Wohnräumen nicht mehr<br />
ausreicht und man zum ersten Mal etwas lagern<br />
muss“. Schlauberger. Sie können natürlich nicht alle<br />
Kunst gleichzeitig betrachten, dennoch generiert<br />
eine Sammlung eine Präsenz in Ihrem täglichen<br />
Umgang, weil sie permanent Ihre Wertvorstellung<br />
konditioniert oder kalibriert, und diese verändert sich<br />
langsam, aber sicher und grundsätzlich. Denn die<br />
Gesamtheit einer guten Sammlung ist keine Addition<br />
von Fragmenten, sondern eine Art Organismus, der als<br />
Wahrnehmungskatalysator zur Verfügung steht.<br />
Die TAZ zitiert Sie: „Als ich Kippenberger Anfang der<br />
80er-Jahre zum ersten Mal traf, öffnete mir das die<br />
Augen. So konnte Kunst also aussehen. So eine Position<br />
lässt sich nicht einfach so nebenbei vernaschen. Das,<br />
was er formulierte, gilt noch eine ganze Weile.“<br />
So pathetisch war es nicht. Die Wirkung war einfach<br />
da, war rotzig, frech und laut und vor allen Dingen<br />
sehr befreiend. Das ganze Kulturgetue, das einem<br />
andauernd begegnete, diese Flüsterhaltung, als wenn<br />
man in die Kirche ginge, und plötzlich macht einer<br />
das Fenster auf und lässt den Mief raus. Ich glaube,<br />
politische Aussagen sind so möglich, ohne dass jemand<br />
mit dem Finger wedelt.<br />
8<br />
was one first and essential step towards art, although I<br />
didn’t have the foggiest idea at the time what he was<br />
talking about. But I did commit his sayings to memory.<br />
“I only think with my knee.” Precisely!<br />
You once said that those who want to keep the best<br />
works for themselves are bad gallerists.<br />
For the first time in my life I realised that I must have a<br />
collector’s gene in me. I liked to dig up fine treasures in<br />
Prague, Vienna and Berlin, and they quickly wound up<br />
in the safe. But whenever a visitor showed an interest<br />
in them, of course I had to show them off. However,<br />
when people came to see me with in interest in buying<br />
them, would I sell them? “Oh, no. I’d like to keep that<br />
for myself,” I told them. Sure, I was a great gallerist;<br />
but as a photographer, you’re always simultaneously<br />
a collector.<br />
Is it true that, together with your wife, you have begun<br />
assembling a new collection on a white wall at your<br />
house after selling the photographic collection to the<br />
Getty Museum in 1984?<br />
In order to see the Hans Haacke Exhibition in 98<br />
we visited the Galerie Paul Maenz in Cologne, and we<br />
later stopped by at Max Hetzler’s in Stuttgart. The<br />
art there seemed somehow liberating: fast, bold and<br />
amusing, like high level civil disobedience. We actually<br />
went to the gallery to buy a work of art for an empty<br />
wall. After that the couch beneath it bothered us, so<br />
we threw it out. The art needed more space, and it<br />
opened more spaces in our minds.<br />
You once said: “I don’t collect for my living room, I<br />
collect for my mind.”<br />
Yes, that’s something you say, hubristically, when<br />
someone asks you what distinguishes a collector and<br />
you start blustering on about how “collecting begins<br />
when the space at home is no longer large enough and<br />
you have to store the stuff somewhere”. Smarty pants!<br />
It’s impossible to look at all the artwork simultaneously,<br />
but a collection still generates a presence in your daily<br />
environment because it continuously conditions or<br />
calibrates your sense of values, slowly but, in the end,<br />
fundamentally changing them. The totality of a good<br />
collection is not merely an aggregation of fragments,<br />
but a sort of organism that catalyses perceptions.<br />
The newspaper TAZ quoted you as saying: “When I<br />
first met Kippenberger at the beginning of the 80s,<br />
he opened my eyes: so that’s what art could look like!<br />
Such a perspective cannot be adopted by-the-by. What<br />
he had formulated then will still remain valid for some<br />
time.”<br />
What I said wasn’t quite that lofty. The effect was<br />
simply apparent; it was insolent, brash and loud,<br />
and, above all, very liberating. All that hubbub about<br />
“Kultur” we were constantly running into back then<br />
– the whispering as if entering a church – and suddenly<br />
someone opens the window and lets all the stale air out.