Gespaltene Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg in Belarus ...

stätte in zwei Teile teilt. Der Protest junger BelarusInnen – meist Mitglieder
der oppositionellen Jugendorganisationen Malady Front 8 oder
Zubr 9 – die 2001 über acht Monate in Kurapaty zelteten und versuchten,
den Bau der Straße zu stoppen, wurde mit Gewalt von Einheiten
der Polizei und des Innenministeriums niedergeschlagen. Zudem sind
die Denkmäler in Kurapaty – allen voran das bereits 1989 errichtete
und von Priestern aller Konfessionen geweihte „Kreuz des Leidens“
oder das Mahnmal der Jüdischen Gemeinde von Belarus‟ – regelmäßig
dem Vandalismus von Regimetreuen ausgesetzt. Zu einem ersten offiziellen
Strafverfahren gegen diesen Vandalismus kam es erst Anfang
2008. 10
Unser Bus kommt am späten Nachmittag in Kurapaty an. Besonders
wir deutschen TeilnehmerInnen sind noch erschöpft von der stundenlangen
Fahrt aus Chatyn‟. Der Besuch in Kurapaty ist kein offizieller
Bestandteil unserer Exkursion. Unsere Übersetzerin Svetlana,
die unsere Gruppe in Chatyn‟ über das Gelände der Gedenkstätte geführt
hat, erklärt uns, daß sie nach Möglichkeit jeder Gruppe nach
einem Besuch in Chatyn‟ – dem symbolträchtigen Ort für die
deutschen Verbrechen in Belarus‟ – auch Kurapaty zeigt, wo der Zivilisationsbruch
des sowjetischen Staates offen zu Tage tritt. Von unserem
Parkplatz direkt neben der Straße sieht man bereits die ersten
Kreuze, die in großer Zahl überall im Wald von Kurapaty aufgestellt
sind. Kurz vor unserer Ankunft hat sich am Rande des Waldstücks
bereits eine Gruppe oppositioneller AktivistInnen versammelt. Svetlana
ist besorgt. Mit den DemonstrantInnen hat sie nicht gerechnet. Sie
fürchtet, daß die Versammlung von der belarusischen Polizei aufgelöst
werden könnte, daß unsere Gruppe – würden wir bleiben – in eine
Auseinandersetzung mit der Staatsgewalt verwickelt werden könnte.
8 Bei der Malady Front, auf Deutsch Junge Front, handelt es sich um eine belarusische
Jugendorganisation, die sich als christlich-demokratische Opposition zum Regime Lukašėnkas
versteht. Sie wurde 1997 gegründet und stellt die größte oppositionelle Jugendbewegung
in Belarus‟ dar. Zum Selbstverständnis von Malady Front siehe deren
Internetauftritt http://www.mfront.net/.
9 Die oppositionelle Jugendbewegung Zubr, auf Deutsch Der Wisent, löste sich 2006
nach dem Scheitern der sogenannten Jeansrevolution bzw. Kornblumenblauen Revolution,
die sich gegen die erneute Wiederwahl Präsident Lukašėnkas gerichtet hatte,
selbst auf.
10 Vgl. Elena Temper, Konflikte um Kurapaty. Geteilte Erinnerung im postsowjetischen
Belarus, in: Osteuropa 58, 2008, H. 6, S. 253-266, besonders S. 259-263.
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