Natur report - Kreis Unna
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<strong>Natur</strong><br />
<strong>report</strong><br />
Band 10 2006<br />
Schwerpunkt-<br />
Thema:<br />
Nachhaltiges<br />
Leben im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong><br />
Jahrbuch der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V.
<strong>Natur</strong> <strong>report</strong><br />
Jahrbuch der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V.<br />
Ausgabe 10 • 2006<br />
3
4<br />
Jahrbuch der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für<br />
den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V.<br />
Ausgabe 10 • 2006<br />
ISSN 1438-4906<br />
ISBN 3-9803244-6-8<br />
Erscheinungstermin: März 2006<br />
Herausgeber: <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V., Westenhellweg 110,<br />
59192 Bergkamen<br />
Vorsitzender: Walter Teumert<br />
Redaktion und Realisierung: MediaKom<br />
– Medien- und Kommunikationsberatung<br />
Thomas Horschler mbH, <strong>Unna</strong><br />
Zitiervorschlag: <strong>Natur</strong><strong>report</strong> 2006, Jb. <strong>Natur</strong>förderungsges.<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
Wenn nicht anders angegeben, stammen die<br />
Fotos und Abbildungen in den Beiträgen von<br />
den Autoren.<br />
Die in den Aufsätzen vertretenen Meinungen<br />
müssen nicht unbedingt der Meinung der<br />
Mitglieder der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
oder der Redaktion entsprechen. Die Autoren<br />
sind für den Inhalt ihrer Aufsätze selbst<br />
verantwortlich.
INHALT<br />
Inhalt ................................................................................................................................. 5<br />
Vorwort ............................................................................................................................. 7<br />
Nachhaltigkeit im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
Nachhaltigkeit, ein Markenname mit Zukunft, Dr. Klaus Reuter ......................................... 9<br />
Der Begriff „Nachhaltigkeit” und der vieldeutige Umgang damit, Heinrich Behrens ........ 15<br />
Nachhaltigkeit – Geschichte eines Plastikwortes, Adrian Mork ........................................ 17<br />
Nachhaltigkeit in der Praxis am Beispiel des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>, Michael Makiolla ................... 21<br />
Nachhaltige Siedlungsflächenentwicklung in Lünen, Astrid Linn ...................................... 28<br />
Agenda im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
„Für <strong>Unna</strong> handeln! – Der Hellweg und die weite Welt”, Dr. Joachim Schmidt ................ 33<br />
Versuch einer Darstellung am Beispiel der Fröndenberger<br />
LA 21-Gruppe, Barbara Streich ........................................................................................ 38<br />
Es ist angerichtet – Augenschmaus und Gaumenfreuden, Carola Bartelheimer ................ 43<br />
Beispiele aus der Praxis – für die Praxis, Jutta Eickelpasch ................................................ 45<br />
Mit den Sinnen die Umwelt erleben, Rolf Böttger ............................................................ 48<br />
Regionale Lebensmittel – Ein Weg, der sich lohnt?!, Karin Baumann ............................... 51<br />
Landaktiv – das vielseitige Dienstleistungsangebot vom Bauernhof, Sabine Döring ......... 54<br />
Nachhaltiges Leben<br />
Mit Spiel und Spaß die <strong>Natur</strong> entdecken und lieben lernen, Dorothee Weber-Köhling ..... 57<br />
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr?!, Heike Niemand ........................... 59<br />
„...während sich das Ganze zu einem wunderbaren Gewebe<br />
zusammenfügt”, Elke Kieninger ....................................................................................... 62<br />
Bauen & Wohnen<br />
Chancen und Potentiale einer energetischen Altbausanierung, Dr. Johannes Spruth ........ 65<br />
Gut gelüftet und gut abgedichtet – Lufttechnische Sanierung<br />
im Bestand, Wolfgang Schürings ..................................................................................... 79<br />
Wer renoviert oder saniert, spart hohe Energiekosten, Matthias Tresp ............................ 85<br />
5
6 INHALT<br />
Personen<br />
„Es geht immer um <strong>Natur</strong> und Landschaft”, Corinna Glück ............................................. 88<br />
<strong>Natur</strong> erleben<br />
Beiträge zur Organismenwelt des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> IV, Götz H. Loos,<br />
Bernd Margenburg, Karin Margenburg, Sebastian Sczepanski, Hans-Jürgen Geyer .......... 90<br />
Die Situation der Salzpflanzenflora im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, Götz H. Loos, Dietrich Büscher .......... 98<br />
Beobachtungen zur Begleitflorendiversität im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, Götz H. Loos,<br />
Klaus-Günter Zander ......................................................................................................110<br />
Neues aus der Orchideenwelt des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>, Bernd Margenburg,<br />
Sebastian Sczepanski ..................................................................................................... 122<br />
Die Schnepfe – ein Name, der oft missbraucht wird, Helmut July .................................. 125<br />
Die „Vögel des Glücks” auf Reisen, Horst Schenkel ....................................................... 130<br />
Ein etwas anderer Beitrag zur Nachhaltigkeit, Heinz Herkenrath .................................... 135<br />
Aktionen<br />
Wohltuende Kraft der Farben und Formen, Jutta Sucker ............................................... 136<br />
<strong>Natur</strong>schutz „under construction”, Ludwig Holzbeck .................................................... 138<br />
Veranstaltungen auf der Ökologiestation des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> 2006, Birgit Manz .............. 142<br />
<strong>Natur</strong> des Jahres<br />
Der Kleiber .................................................................................................................... 144<br />
Die Koppe ..................................................................................................................... 145<br />
Die Schwarz-Pappel ....................................................................................................... 146<br />
Das Wiesen-Schaumkraut .............................................................................................. 147<br />
Der Ästige Stachelbart ................................................................................................... 148<br />
Die Breitblättrige Stendelwurz ....................................................................................... 149<br />
Verzeichnis der Autoren ..................................................................................................151
� Der Begriff der „Nachhaltigkeit“<br />
Es gibt noch viel zu tun,<br />
machen wir also verstärkt weiter!<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
wie oft sagen wir: „Ab jetzt<br />
ändere ich mein Verhalten und<br />
tue mehr für die Umwelt und die<br />
nachfolgenden Generationen.“<br />
Wie oft haben wir ein schlechtes<br />
Gewissen, wenn wir feststellen<br />
müssen, wir tun es doch nicht?<br />
Wir rechtfertigen uns häufig<br />
damit, dass es andere auch nicht<br />
tun, statt uns an denen zu orientieren,<br />
die es bereits tun und<br />
Erfolge verbuchen können.<br />
Es ist fünf vor zwölf. Umweltkatastrophen<br />
wie der Tsunami in Südost-<br />
asien und der Hurrikan „Katrina“ in<br />
den USA sind Beispiele dafür. Dabei ist<br />
das Schlagwort Nachhaltigkeit in aller<br />
Munde. Aber was bedeutet es überhaupt?<br />
Die vorliegende Ausgabe des<br />
Jahrbuches der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V. (NFG)<br />
nimmt den Begriff der Nachhaltigkeit<br />
genau unter die Lupe, betrachtet ihn<br />
aus verschiedenen Perspektiven und<br />
dokumentiert ebenso die Aktivitäten<br />
Walter Teumert, Vorsitzender der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
für den <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> e.V.<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> – und mit ihnen kann<br />
sich meiner Ansicht nach die Region<br />
durchaus sehen lassen. Was nicht<br />
heißen soll, dass wir jetzt die Hände<br />
in den Schoß legen können.<br />
Die Fülle der vorliegenden Beiträge<br />
verdeutlicht, wie vielfältig und leben-<br />
VORWORT<br />
dig dieses Thema ist, das nach den<br />
Weltgipfeln in Rio de Janeiro von 1992<br />
und 2002 erneut eine ganz andere<br />
Bedeutung erhielt. Dr. Klaus Reuter<br />
etwa stellt in seinem Beitrag mit dem<br />
Titel „Nachhaltigkeit, ein Markenname“<br />
u.a. die Frage, ob die Ziele der<br />
Nachhaltigkeit im alltäglichen Handeln<br />
verankert sind und auf allen staatlichen<br />
Ebenen in konkretes Handeln<br />
umgesetzt werden. Während Heinrich<br />
Behrens den Begriff der Nachhaltigkeit<br />
aus philosophischer Sicht betrachtet,<br />
beleuchtet ihn Landrat Michael Makiolla<br />
aus kommunaler Sicht. Die Überlegungen<br />
des Landrats widmen sich<br />
der Stärkung nachhaltigen Handelns<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>.<br />
Die dann folgenden spannenden<br />
Beiträge befassen sich mit praktischen<br />
Beispielen aus der Agenda im<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> – der Fröndenberger LA<br />
21-Gruppe, dem Stadtökologischen<br />
Erlebnispfad in <strong>Unna</strong>, regionalen<br />
Lebensmitteln oder Dienstleistungsangeboten<br />
direkt vom Bauernhof und<br />
anderen mehr. Ganz frei nach dem<br />
Motto „Früh übt sich“ folgt ein Ex-<br />
7
8 VORWORT<br />
kurs zur Umwelterziehung – ebenfalls<br />
aus verschiedenen Blickrichtungen<br />
betrachtet.<br />
Über das Schwerpunktthema hinaus<br />
widmet sich der <strong>Natur</strong><strong>report</strong> auch<br />
in diesem Jahr wieder einer Reihe<br />
weiterer Bereiche – unter anderem<br />
können wir etwas über nachhaltiges<br />
Bauen und Wohnen erfahren. Verschiedene<br />
Beiträge nehmen uns mit<br />
auf eine Reise durch Wald, Wiesen<br />
und Gärten. Dabei machen wir nicht<br />
nur Bekanntschaft mit der Salzpflanzenflora<br />
und mit Orchideen, sondern<br />
auch mit Schnepfen, Kranichen und<br />
Gartenvögeln.<br />
An dieser Stelle möchte ich noch<br />
erwähnen, dass der „<strong>Natur</strong><strong>report</strong>“<br />
ein offenes Diskussionsforum ist und<br />
die Beiträge die Meinung der Autoren<br />
widerspiegeln. Ohne diese Offenheit<br />
hätte unsere Arbeit schließlich nicht<br />
den Stellenwert erreichen können,<br />
den sie sich in der Vergangenheit erarbeitet<br />
hat.<br />
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen<br />
eine anregende – und selbstverständlich<br />
auch nachhaltige – Lektüre.<br />
Walter Teumert<br />
Vorsitzender der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>
� Ein Blick zurück und nach vorne<br />
Nachhaltigkeit,<br />
ein Markenname mit Zukunft<br />
Futurekids – junge Teilnehmer der Renewables 2004. Foto: LAG21<br />
von Klaus Reuter<br />
Nachhaltigkeit umschreibt nur<br />
unzureichend die Lösungsansätze,<br />
die von den Weltgipfeln 1992 in<br />
Rio de Janeiro und 2002 in Johan-<br />
nesburg als umfassende globale<br />
Ziele und Leitbilder unter dem Begriff<br />
„sustainable development“<br />
zusammengefasst wurden.<br />
Basierend auf einer Analyse der<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
ökonomischen, sozialen und ökologischen<br />
Situation, in der sich die Welt im<br />
ausgehenden 20. Jahrhundert befand,<br />
haben sich die Staatengemeinschaft<br />
und Nicht-Regierungs-Organisationen<br />
(NRO) auf ein Handlungsprogramm<br />
9
10 NACHHALTIGKEIT<br />
geeinigt, das als Leitbild einer zukunftsgerechten<br />
oder auch nachhaltigen<br />
Entwicklung verstanden werden<br />
sollte.<br />
Ein wichtiger Schritt der Definition<br />
von Nachhaltigkeit war der Bericht<br />
der Brundlandt-Kommission von 1987.<br />
Kurz gesagt, wird dort die intertemporale<br />
Verantwortung der heute<br />
lebenden Generation eingefordert.<br />
Die jeweils lebenden Generationen<br />
dürfen mit ihren Lebensstilen und<br />
Wirtschaftsweisen die Chancen und<br />
die Lebensqualität der zukünftigen<br />
Generationen nicht einschränken.<br />
Heute ist das so genannte Drei-Säulen-Konzept<br />
am populärsten: Nachhaltigkeit<br />
liegt vor, wenn ökologische<br />
Funktionalität, ökonomische Effizienz<br />
und soziale Verantwortung gleichzeitig<br />
erreicht sind.<br />
Nach 13 Jahren des Prozesses stellt<br />
sich die Frage, ob diese Ziele im alltäglichen<br />
Handeln verankert sind und<br />
in konkretes Handeln auf allen staatlichen<br />
Ebenen umgesetzt werden?<br />
Wer die hinteren Seiten einer Tageszeitung<br />
aufschlägt, möchte meinen,<br />
dass die Probleme dieser Welt eher<br />
drängender und dramatischer werden.<br />
Immer noch leben 1,2 Milliarden Menschen<br />
in bitterster Armut, haben keinen<br />
Zugang zu sauberem Trinkwasser.<br />
Headlines werden erst geschrieben,<br />
wenn Europa und Reichtum durch einen<br />
„Ansturm“ von wenigen Hundert<br />
Afrikanern auf spanische Enklaven<br />
und italienische Häfen bedroht wird.<br />
Steigende Ölpreise machen deutlich,<br />
dass Ressourcen endlich sein können<br />
und ein Gesellschaftssystem, dass sich<br />
über einhundert Jahre abhängig gemacht<br />
hat, ins Schlingern gerät, wenn<br />
der Hunger nach dem schwarzen Gold<br />
nicht mehr befriedigt werden kann.<br />
Umweltkatastrophen, wie Hurrikans<br />
im Golf von Mexiko, die eine solche<br />
Macht erreichen, dass amerikanische<br />
Großstädte weggefegt werden, mit<br />
Auswirkungen auf den globalen Finanzmarkt,<br />
da Versicherungen auf<br />
Grund der Schadensfälle erhebliche<br />
Mehrlasten zu tragen haben.<br />
� Nachhaltigkeit organisieren<br />
Trotz dieser eher düsteren Rückschau<br />
hat sich in den vergangen Jahren<br />
auf fast allen staatlichen Ebenen etwas<br />
entwickelt. Der Begriff Nachhaltigkeit<br />
geht in die öffentliche Auseinandersetzung<br />
ein. Kommunen und <strong>Kreis</strong>e<br />
waren die ersten, die sich noch in den<br />
90er Jahren auf den Weg machten<br />
und begannen den Begriff mit praktischem<br />
Handeln zu transformieren.<br />
Die Vielzahl und Qualität der Lokalen<br />
Agenden in Deutschland und auch in<br />
NRW zeigen auf, dass Bürgerinnen<br />
und Bürger, Verwaltung und Politik<br />
den Ergebnissen der Weltkonferenzen<br />
ein Gesicht geben wollen. Auf Landesebene<br />
wurde in der vergangenen<br />
Legislaturperiode die Agenda 21 NRW<br />
gestartet, die nicht nur an Dutzenden<br />
Best-Practice-Beispielen aufgezeigt<br />
hat, dass eine nachhaltige Entwicklung<br />
mehr als nur ein glänzender Rahmen<br />
einer ansonsten unbemalten Leinwand<br />
ist. Die bunten Pinselstriche, die verschiedenen<br />
Stilarten, fügten sich hier<br />
allmählich durch die Partizipation<br />
wichtiger gesellschaftlicher Gruppen<br />
zu einem Gesamtbild, einem Leitzielkatalog<br />
für Nordrhein-Westfalen zusammen.<br />
Kompromisse wurden hierbei<br />
gefunden und an einigen Stellen auch<br />
retouchiert, ergänzt und Skizzen hinzugefügt.<br />
Mit einem Bericht an den<br />
Landtag hat die Landesregierung Vorschläge<br />
für die Weiterführung des Prozesses<br />
eingereicht. Hier gilt es gerade<br />
von nichtstaatlicher Seite, von den vielen<br />
Vereinen und Verbänden, Kirchen,<br />
Gewerkschaften und der Wirtschaft<br />
das Erreichte zu sichern und die Ziele<br />
einer Umsetzung zuzuführen.<br />
Auf Bundesebene hat der Rat für<br />
Nachhaltige Entwicklung diverse Diskussionsprozesse<br />
eingeleitet, die Auswirkungen<br />
auf die Politikgestaltung<br />
der nächsten Dekaden haben wird. So<br />
wurden durch Dialogveranstaltungen
etwa das 30 Hektar-Ziel bis zum Jahr<br />
2020 für einen ressourcenschonenden<br />
Umgang mit der Fläche propagiert.<br />
Bedenkt man, dass heute noch pro<br />
Tag in Deutschland knapp unter hundert<br />
Hektar Fläche verbraucht und<br />
versiegelt werden, ist diese Zielsetzung<br />
nahezu revolutionär, da sie auf<br />
den Ebenen der Länder, regional und<br />
in der Kommunalplanung erhebliche<br />
Diskussions- und Änderungsprozesse<br />
einleiten wird. Auch wenn dieses<br />
quantitative Ziel nicht einfach umzulegen<br />
ist auf den Flächenverbrauch in<br />
den Kommunen, so ist es eine klare<br />
Aufforderung sich auf dieser Ebene mit<br />
qualitativen Zielsetzungen zu nähern.<br />
Abgesehen von der staatlichen Seite<br />
entwickelt sich auch in der Wirtschaft<br />
eine Stimmung, die aufzeigt, dass Umwelt-<br />
und Ressourcenschutz gewinnbringend<br />
und nicht konträr zu einem<br />
ökonomischen erfolgreich agierenden<br />
Unternehmensziel zu verstehen<br />
sind. So gibt es seit einigen Jahren in<br />
Nordrhein-Westfalen mit PIUS (Produktionsintegrierter<br />
Umweltschutz)<br />
und Ökocheck-Projekten, die in den<br />
Unternehmen durch ein qualitativ<br />
verbessertes Umweltmanagement zu<br />
erheblichen Ressourceneinsparungen<br />
kommen, die sich wirtschaftlich rechnen<br />
lassen.<br />
Aber auch in großen börsenno-<br />
A wie Agenda. Foto: LAG21<br />
tierten Unternehmen zeigt sich die<br />
Erkenntnis, dass Deutschland sich als<br />
Exportweltmeister auch im globalen<br />
Maßstab seiner sozialen Verantwortung<br />
stellen muss. Aktienunternehmen<br />
verfassen heutzutage ganz natürlich<br />
Nachhaltigkeitsberichte. Es wird aufgezeigt,<br />
wie nicht nur bei eigenen<br />
Produktionsprozessen ressourcenschonend<br />
gehandelt wird, sondern<br />
es wird als Marktfaktor empfunden,<br />
dass weltweit unter gerechten Arbeitsbedingungen<br />
produziert wird.<br />
Leitziele für die großen AG´s werden<br />
in einem CSR (corporate social responsibility)<br />
festgeschrieben. Aufgabe der<br />
Zivilgesellschaft ist es hier, die oftmals<br />
schönen Worte dem Praxistest zu un-<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
terziehen und sich nicht durch Hochglanzbroschüren<br />
blenden zu lassen,<br />
sondern den Finger in die Wunden zu<br />
legen und an einer Weiterentwicklung<br />
kritisch mitzuarbeiten.<br />
Kirchengemeinden machen sich auf<br />
den Weg und zeigen durch eine Beteiligung<br />
an Projekten, wie dem „Grünen<br />
Hahn“ oder auf europäischer Ebene<br />
mit „sustainable churches“ auf, dass<br />
verantwortliches Handeln direkt im<br />
eigenen Haus anfängt. So lassen sich<br />
Gemeindehäuser, Tagungsstätten und<br />
sonstige kirchliche Einrichtungen hinsichtlich<br />
ihres Umweltverhaltens zertifizieren.<br />
Gerade unter Kostenaspekten<br />
auch ein Argument, bei sinkenden<br />
Kirchensteuerzahlern weiterhin Infrastrukturen<br />
vorhalten zu können.<br />
Trotz dieser Mut machenden Entwicklungen<br />
ist der Gedanke der<br />
Nachhaltigkeit längst noch nicht so<br />
in der Gesellschaft verankert, dass<br />
von einem ganzheitlich akzeptierten<br />
Leitbild gesprochen werden kann. Das<br />
Denken in Systemen und Netzwerken,<br />
wie es schon Frederic Vester, in den<br />
70er Jahren angemahnt hat, fällt, so<br />
scheint es heute, schwer.<br />
Nachhaltigkeit wird oftmals immer<br />
noch als freiwillige Leistung verstanden,<br />
die in guten – hier sind finanziell<br />
gute gemeint – Zeiten leistbar ist, aber<br />
in Zeiten der Haushaltsicherungskon-<br />
11
12 NACHHALTIGKEIT<br />
zepte doch eher als kaum finanzierbare<br />
Zusatzaufgabe verstanden wird.<br />
Nachhaltigkeit wird nicht als Teil des<br />
Lösungskonzeptes für die Zukunft<br />
verstanden. Dabei haben sich in der<br />
kommunalen Daseinsvorsorge die<br />
Probleme verändert. Wenn wir heute<br />
die Anforderungen des demografischen<br />
Wandels an eine veränderte<br />
Stadtentwicklung besprechen, dann<br />
ist das eine Aufgabe, bei dem alle<br />
Fachbereiche in Querschnittsarbeitsgruppen<br />
zur Problemlösung beitragen<br />
müssen. Eine strikte Versäulung der<br />
Verwaltung nach Fachbereichen ist<br />
hier nur hinderlich. Gerade der demografische<br />
Wandel zeigt auf, dass<br />
wir aktuell dazu gezwungen werden<br />
Lösungen zu suchen, die langfristig<br />
angelegt sind und zukunftsgerecht<br />
wirken. Ein Erfolg, der sich durch die<br />
Arbeit an einer Lokalen Agenda, einem<br />
kommunalen Nachhaltigkeitskonzept,<br />
in den Kommunen zeigt, ist die positiv<br />
veränderte Einbindung von Bürgerinnen<br />
und Bürgern. Planungswerkstätten,<br />
runde Tische, Agendabeiräte und<br />
andere Beteiligungsverfahren, die zur<br />
kontinuierlichen Konsultation oder<br />
auch speziell zu Einzelthemen einberufen<br />
werden, führen dazu, dass die<br />
Bürgerschaft sich ihr Recht auf Mitsprache<br />
zurückerkämpft. Die Qualität<br />
der Partizipationsergebnisse vermin-<br />
dert die Angst von Verwaltung und<br />
Politik vor Machtverlust. Kommunale<br />
Bürgerhaushalte, Stadteilkonferenzen,<br />
Kinder- und Jugendparlament sind<br />
weitere Indizes der Veränderung.<br />
� Pflicht der Kommunen<br />
In Zukunft wird sich die Arbeit der<br />
Lokalen Agenda 21 daran messen<br />
lassen müssen, in wie weit es ihr<br />
gelingt in die zentralen Kernbereiche<br />
des kommunalen Handels vorzustoßen.<br />
Nachhaltigkeit ist eine originäre<br />
Pflichtaufgabe der Kommunen auf<br />
dem Weg zu einer zukunftsgerechten<br />
Entwicklung.<br />
Dabei stellen sich drei Hauptschwerpunkte<br />
für die künftige Arbeit:<br />
� Bewältigung des demografischen<br />
Wandels,<br />
� Reduktion des Ressourcenverbrauchs<br />
und<br />
� Kommunale Finanzen<br />
� Demografische Entwicklung<br />
Die Bevölkerungspyramide in der<br />
Bundesrepublik steht auf dem Kopf.<br />
Während der Anteil der Älteren immer<br />
größer und der Anteil der Berufstätigen<br />
immer kleiner wird, nimmt<br />
Deutschlands Bevölkerung drastisch<br />
ab. In Nordrhein-Westfalen wird es<br />
nach heutigen Prognosen Kommunen<br />
geben, die bis zum Jahr 2020 fast 20<br />
Porzent ihrer Bevölkerung verlieren<br />
werden, andere Regionen werden<br />
nach einer kurzfristigen Boomphase<br />
bevölkerungsstatisch in eine Stagnation<br />
übergehen. Nach Jahren des<br />
Konkurrenzkampfes der Kommunen,<br />
um solvente Gewerbetreibende und<br />
Industrie beginnt nun ein Einwohnerkannibalismus.<br />
Mit jedem einkommenssteuerpflichtigen<br />
Abwanderer<br />
geht einer Kommune 1.100 Euro an<br />
direkten Einnahmen und 15.000 Euro<br />
an Kaufkraft verloren. Hier stellt sich<br />
unter Aspekten der Nachhaltigkeit die<br />
Frage, wie mit einer ständig alternden<br />
Gesellschaft umgegangen werden<br />
kann, welche Infrastrukturen sind<br />
noch notwendig oder müssen sogar<br />
ausgebaut werden, um attraktiv für<br />
junge Familien zu bleiben?<br />
� Verbrauch reduzieren<br />
Heute werden bundesweit jeden<br />
Tag nahezu 100 Hektar Fläche neu<br />
versiegelt. Der Rat für nachhaltige<br />
Entwicklung der Bundesregierung hat<br />
als quantitatives Ziel eine Reduktion<br />
auf 30 Hektar im Jahr 2020 beschrieben.<br />
Diese Zielsetzung mit all seinen<br />
qualitativen Aspekten zu erreichen<br />
ist nur möglich, wenn direkt vor Ort<br />
über die kommunale Planungshoheit<br />
der Kommunen Diskussionsprozesse<br />
eingeleitet werden. Wie kann ich den
Ressourcenverbrauch an Flächen steuern<br />
und managen? Hierzu muss jede<br />
Kommune ein langfristig wirkendes<br />
Instrument entwerfen, das Leitbilder<br />
und Zielsetzungen und Zeithorizonte<br />
beschreibt. Erst durch Evaluation des<br />
heutigen und zukünftigen Handels<br />
durch ein Berichtswesen, kann ein solcher<br />
nachhaltiger Steuerungsprozess<br />
funktionieren.<br />
� Kommunale Finanzen<br />
„Über Geld redet man nicht – Geld<br />
hat man!“, dieser Spruch gilt für das<br />
kommunale Finanzwesen schon lange<br />
nicht mehr. Die Realität in den Kommunen<br />
ist dadurch gekennzeichnet,<br />
dass Haushaltsicherungskonzepte<br />
bestehen, Tafelsilber an Grundstücken<br />
und Gebäuden veräußert wurde und<br />
wird, und freiwillige Leistungen immer<br />
mehr unter Druck stehen. Auch die<br />
Lokale Agenda 21 ist hiervon massiv<br />
betroffen. In jedem neuen Haushalt<br />
muss für Personal und Projekte gestritten<br />
werden.<br />
Zanele Maria Rini, Kapstadt – Referentin der LAG 21. Foto: Germanwatch<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
Um sich als Kommune Zukunftsoptionen<br />
offen zu halten, wird es angesichts<br />
dieser Rahmenbedingungen zunehmend<br />
wichtiger, Nachhaltigkeitsaspekte<br />
im lokalen Finanzmanagement<br />
zu berücksichtigen. Das Neue Kommunale<br />
Finanzmanagement (NKF) bietet<br />
hierbei auch Agenda 21-Akteuren die<br />
Möglichkeit der Einflussnahme. In den<br />
nächsten Jahren, bis 2009 muss das<br />
NKF in allen Kommunen eingeführt<br />
sein, werden von den Kommunen Produktbereiche<br />
definiert, die keinesfalls<br />
13
14 NACHHALTIGKEIT<br />
starr sind, sondern auch der politischen<br />
Entscheidungsfindung unterliegen. Im<br />
Sinne einer nachhaltigen Finanzplanung<br />
ist der Zeitpunkt für Agenda21-<br />
Aktive günstig, um in den Dialog mit<br />
Rat und Verwaltung einzutreten und<br />
die Definition der Produktbereiche<br />
gemeinsam zu entwickeln.<br />
� Das Netzwerk ist aktiv<br />
Das Netzwerk der Agenda 21-Städte,<br />
die Landesarbeitsgemeinschaft<br />
Agenda 21 NRW e.V. (LAG 21 NRW)<br />
unterstützt die Kommunen bei den<br />
aufgezeigten Schwerpunkten in vielfältiger<br />
Weise. Nicht nur als Dienstleisterin<br />
für Informationen, sondern<br />
gerade durch die gemeinsame Projekt-<br />
und Kampagnenarbeit, werden<br />
Schwerpunkthemen einer nachhaltigen<br />
Entwicklung systematisch erarbeitet.<br />
In der LAG 21 NRW haben sich<br />
mittlerweile über 120 Kommunen und<br />
<strong>Kreis</strong>e, Vereine und Verbände, Kirchen<br />
und Gewerkschaften, sowie Einzelpersonen<br />
zusammengeschlossen, um kreativ<br />
und entschlossen Zukunftsfragen<br />
anzugehen. Auf Tagungen, gemeinsamen<br />
Workshops und im Rahmen<br />
von Kampagnen zu aktuellen Fragen,<br />
wird hierbei der interkommunale Austausch<br />
gepflegt und landesweit agiert.<br />
Neben den öffentlichkeitswirksamen<br />
Kampagnen widmet sich die LAG 21<br />
Bärbel Höhn, MdB, besucht das BioEnergieNetzwerk Ostwestfalen. Foto: LAG21<br />
NRW zudem in Projekten den oben<br />
genannten Schwerpunkten. So wird<br />
aktuell mit vier Modellkommunen an<br />
einem nachhaltigen Flächenmanagementsystem<br />
gearbeitet, dass unter den<br />
Kriterien der Partizipation und Nachhaltigkeit<br />
etabliert werden soll und<br />
die Ergebnisse als Muster für weitere<br />
Städte Verwendung finden können.<br />
Als Lobby der Agenda 21- Kommunen<br />
setzt sich die LAG 21 dafür ein, dass<br />
die Landesagenda stärker mit den<br />
Lokalen Agenden verknüpft wird und<br />
wirbt bei der Landespolitik für eine<br />
offensive Nachhaltigkeitspolitik auf<br />
Landesebene. Die LAG 21 NRW ist<br />
darüber hinaus Kooperationspartner<br />
für eine Vielzahl von Projekten und<br />
Kampagnen anderer Träger.<br />
� Nachhaltigkeit als Marke<br />
Jeden Tag bekommen wir durch<br />
eine aggressive Werbung vermittelt,<br />
dass Produkte als Marken mit einem<br />
Lebensgefühl von Freiheit und ewiger<br />
Jugend verbunden sind. Sekundär geht<br />
es tatsächlich um das Produkt selbst,<br />
primär soll die Marke verdeutlichen<br />
zu welcher gesellschaftlichen Gruppe<br />
man sich zählt. Entwickeln wir also<br />
ein Gegenmodell zu einer neoliberalen<br />
Globalisierung, das sich Werten<br />
der ökologischen, ökonomischen und<br />
sozialen Gerechtigkeit verschreibt.<br />
Entwickeln wir Nachhaltigkeit als Marke<br />
weiter, betreiben einen positiven<br />
Lobbyismus und werben öffentlich<br />
auf allen gesellschaftlichen Ebenen für<br />
eine zukunftgerechte Entwicklung.
� Eine philosophische Betrachtungsweise<br />
Der Begriff „Nachhaltigkeit“ und<br />
der vieldeutige Umgang damit<br />
von Heinrich Behrens<br />
Kaum ein Begriff sorgt zur Zeit in<br />
der öffentlichen Debatte für so<br />
viel Irritationen wie der der Nachhaltigkeit,<br />
wenn man ernsthaft<br />
den jeweils benutzten Begriff aus<br />
seinem ideologischen Zusammenhang<br />
herauszulösen und inhaltlich<br />
eindeutig zu verstehen versucht.<br />
Die, die sich dem Zeitgeist andienen<br />
möchten, benutzen ihn. Jeder, der<br />
meint, politisch korrekt auftreten zu<br />
müssen, führt ihn im Munde. In fast<br />
jedem Parteiprogramm taucht er auf.<br />
Man möchte ja bei dem Wähler gut<br />
ankommen. Neoliberale Politiker wie<br />
fundamentalistische Umweltschützer<br />
argumentieren damit gleichermaßen,<br />
natürlich jeweils mit anderer Zielsetzung<br />
und von einer anderen ideologischen<br />
Basis aus.<br />
Nachhaltigkeit oder sustainability<br />
ist spätestens seit der UN-Konferenz<br />
für Umwelt und Entwicklung 1992<br />
in Rio de Janeiro zum Leitbegriff<br />
des Umweltschutzes geworden. Als<br />
„nachhaltig“ definiert dieser Bericht<br />
eine Entwicklung, die die Bedürfnisse<br />
der Gegenwart befriedigt, ohne zu<br />
riskieren, dass künftige Generationen<br />
ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr<br />
befriedigen können.<br />
Der Leser erkennt sofort, dass<br />
die in der Definition zum Ausdruck<br />
kommenden Bedürfnisse menschliche<br />
sind, die Definition also eine deutlich<br />
anthropozentrische, den Menschen ins<br />
Zentrum setzende Betrachtungsweise<br />
zum Ausdruck bringt. Die natürlichen<br />
Ressourcen, um deren Schutz es geht,<br />
damit die nachfolgenden Generationen<br />
noch eine Überlebenschance haben,<br />
unterstehen der menschlichen Verfügungsgewalt<br />
im Sinne des göttlichen<br />
Unterwerfungsauftrages „Machet<br />
euch die Erde untertan“. Die <strong>Natur</strong> hat<br />
keinen Eigenwert aus sich selbst heraus<br />
oder an sich selbst.<br />
Hier tauchen folgende Fragen auf :<br />
Ist eine andere als die anthropozentrische<br />
Sichtweise überhaupt praktisch<br />
realisierbar? Kann der Mensch dieses<br />
möglicherweise aus gattungsegoistischen<br />
Gründen ihm stammesge-<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
schichtlich mitgegebene Weltbild<br />
zugunsten etwa einer ganzheitlichen<br />
Betrachtungsweise aufgeben, also<br />
die übrige Welt der Lebewesen als<br />
Mitgeschöpfle aktiv in sein Handeln<br />
einbeziehen? Die Wirklichkeit straft<br />
eine solche Möglichkeit Lügen: In<br />
einem nie dagewesenen Ausmaß wird<br />
mit Hilfe der zur Verfügung stehenden<br />
Technik die <strong>Natur</strong> zerstört, ausgebeutet<br />
und zur Befriedigung eben dieser<br />
im menschlichen Erbgut verankerten<br />
und individuell sowie kollektiv ausgeprägten<br />
Bedürfnisse genutzt. Daran<br />
hat auch die ethisch fundierte Reflexion<br />
auf den Begriff der Nachhaltigkeit<br />
nichts geändert. Im Gegenteil. Das<br />
Benutzen des Begriffs schafft eine<br />
zusätzliche Rechtfertigung dafür, die<br />
alten Strategien der <strong>Natur</strong>zerstörung<br />
und – ausbeutung mit einem Mäntelchen<br />
zu umhüllen, das als Verpackung<br />
für eine ökologische Rechtfertigung<br />
für ein unökologisches Wirtschaften<br />
herhalten kann.<br />
Das verdeckte Schielen auf Umsatzsteigerungen,<br />
auf ökonomisches und<br />
industrielles Wachstum hintertreibt<br />
15
16 NACHHALTIGKEIT<br />
aber die mainstream-artig formulierten<br />
Beteuerungen, man habe sich ja<br />
zum Verfechter der Nachhaltigkeit<br />
gemacht. Die Forderung kann also nur<br />
lauten, angesichts der begrifflichen<br />
Unübersichtlichkeit und bewusst inszenierten<br />
Unklarheit entweder ganz<br />
auf den Begriff der Nachhaltigkeit<br />
zu verzichten oder ihn nur dann zu<br />
benutzen, wenn ehrlicherweise auch<br />
der Inhalt mit erläutert wird. Wenn<br />
ich voraussetze, dass nachfolgende<br />
Generationen ein Bedürfnis nach<br />
Befriedigung des Hungers, des Durstes,<br />
nach Bildung, nach beruflicher<br />
Selbstverwirklichung, nach Bekleidung<br />
und Gesundheit haben, muss<br />
ich fragen, ob ich die Bedingungen<br />
dafür nicht schon jetzt zerstöre, wenn<br />
alle meine angedachten nachhaltigen<br />
Maßnahmen nicht verhindern, dass<br />
die Erderwärmung mit den damit verbundenen<br />
Klimaproblemen gestoppt<br />
wird, wenn ich militärisch aufrüste,<br />
den konsumptiven Markt weiter anheize,<br />
die regenerativen Energieträger<br />
nicht fördere oder fortschreitend die<br />
Erdoberfläche versiegele. Eine Politik,<br />
die auf dem Boden des alten neoliberalen,<br />
kapitalistischen Paradigmas die<br />
Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik<br />
zum zentralen Anliegen macht, darf<br />
sich nicht nachhaltig nennen. Wenn ich<br />
feststelle, dass ein Perspektivwechsel<br />
von einer anthropozentrischen weg<br />
hin zu einer biozentrischen oder holistisch-ganzheitlichenBetrachtungsweise<br />
des Begriffs „Nachhaltigkeit“<br />
nicht zu erwarten ist, ja wahrscheinlich<br />
eben aus gattungsspezifischen Grün-<br />
den praktisch nicht möglich ist, dann<br />
bleibt mir nur die Chance, mich an<br />
die vom amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler<br />
Hermann E. Daly<br />
formulierten drei goldenen Regeln der<br />
Nachhaltigkeit zu halten :<br />
1. Belastung der Ökosysteme nicht<br />
über die Grenzen ihrer Absorptionsfähigkeit<br />
hinaus ;<br />
2. statt Raubbau Nutzung erneuerbarer<br />
Ressourcen innerhalb ihrer<br />
Regenerationsmöglichkeiten ;<br />
3. Ersetzung von zu Ende gehenden<br />
durch erneuerbare Ressourcen.<br />
Doch von einem solchen Paradigma<br />
aktiver Politik sind wir alle noch weit<br />
entfernt. Ansätze sind erkennbar.<br />
Ich rate an, mit dem Begriff der<br />
Nachhaltigkeit ehrlich und vorsichtig-<br />
defensiv umzugehen.
� Eine kritische Betrachtungsweise<br />
Nachhaltigkeit –<br />
Geschichte eines Plastikwortes<br />
von Adrian Mork<br />
Spätestens seit der zweiten Welt-<br />
Umweltkonferenz 1992 in Rio ist<br />
der Begriff „Nachhaltigkeit“ in<br />
aller Munde. Vielfältig sind die<br />
Forderungen bei Entwicklungszielen<br />
jedweder Art, das Prinzip der<br />
Nachhaltigkeit zu berücksichtigen.<br />
Dabei wird in der Regel versäumt,<br />
je nach Konkretisierungsgrad des angesprochenen<br />
Bereichs Erläuterungen<br />
bzw. Definitionen von Nachhaltigkeit<br />
zu geben. Nachhaltigkeit wird häufig<br />
mit den Worten „dauerhaft“, „stetig“,<br />
„tragfähig“ und „zukunftsfähig“ in<br />
Verbindung gebracht. Donella und<br />
Dennis Meadows geben folgende Beschreibung<br />
von Nachhaltigkeit: „Eine<br />
Gesellschaft ist dann nachhaltig, wenn<br />
sie so strukturiert ist und sich so verhält,<br />
dass sie über alle Generationen<br />
existenzfähig bleibt.“<br />
� Nachhaltigkeit und Forstwirtschaft<br />
Das Konzept der „Nachhaltigkeit“<br />
wird erstmalig in der aufblühenden<br />
Forstwirtschaft des späten 18. Jahrhunderts<br />
verwendet. Georg Ludwig<br />
Hartigs „Anwendung zur Taxation<br />
der Forsten“ (1795), wahrscheinlich<br />
der erste forstliche Erzeugungsplan<br />
überhaupt, stellt die Forderung der<br />
nachhaltigen Wirkung aller forstlichen<br />
Maßnahmen in den Vordergrund: „Es<br />
läßt sich keine dauerhafte Forstwirt-<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
Der Begriff der Nachhaltigkeit wurde erstmalig in der Forstwirtschaft des späten 18.<br />
Jahrhunderts verwendet. Foto: Archiv<br />
schaft denken und erwarten, wenn<br />
die Holzabgabe aus den Wäldern nicht<br />
auf Nachhaltigkeit berechnet ist. Jede<br />
weise Forstdirektion muß daher die<br />
Waldungen (...) taxieren lassen, und<br />
sie zwar so hoch als möglich, doch so<br />
benutzen machen, daß die Nachkommenschaft<br />
wenigstens eben so viel<br />
Vortheil daraus ziehen kann, als sich<br />
die jetzt lebende Generation zueignet.<br />
17
18 NACHHALTIGKEIT<br />
Aus den Waldungen des Staates soll<br />
jährlich nicht mehr und nicht weniger<br />
Holz genommen werden, als bey guter<br />
Bewirthschaftung mit immerwährender<br />
Nachhaltigkeit daraus zu beziehen<br />
möglich ist.“ Heinrich Cotta, erster<br />
und langjähriger Direktor der ersten<br />
Forstakademie der Welt in Tharandt<br />
schrieb 1816 in seiner „Anweisung<br />
zum Waldbau“: „Die Forstwirtschaft<br />
lehrt die Waldungen so zu behandeln,<br />
daß sie als solche den größten Nutzen<br />
nachhaltig gewähren.“ So weit die<br />
Historie und die Theorie.<br />
Leider hat sich gerade die jüngere<br />
Forstwirtschaft und –wissenschaft<br />
trotz dieser frühen Erkenntnisse gerade<br />
nicht als sehr nachhaltig wirtschaftend<br />
gezeigt, bis in den 20er Jahren des<br />
letzten Jahrhunderts der Preußische<br />
Oberforstmeister und Direktor der<br />
Forstakademie zu Eberswalde, Alfred<br />
Möller, mit seinem „Dauerwaldgedanken“<br />
einen entscheidenden Impuls<br />
für eine ökologischere Ausrichtung<br />
gegeben hat. Auch Alfred Möllers<br />
ganzheitliches Konzept einer kahlschlagsfreien<br />
Waldbewirtschaftung<br />
hat die Mehrheit der forstwirtschaftlichen<br />
Praxis noch nicht erreicht.<br />
Nach wie vor sind in Deutschland<br />
Monokulturen und der so genannte<br />
Altersklassenwald vorherrschend,<br />
wobei Nadelbäume (Fichte, Douglasie)<br />
den größeren Anteil einnehmen. In<br />
einem immer stärkeren Maße werden<br />
zudem Wälder (auch und gerade die<br />
im Besitz der öffentlichen Hand) einer<br />
Kurzfristökonomie des schnellen Geldes<br />
unterworfen. Langfristige Schäden<br />
durch den Einsatz von Großmaschinen<br />
(Bodenverdichtung, Rückeschäden),<br />
ein vermehrter Wegebau (und damit<br />
Zerschneidung) im Wald werden dabei<br />
überwiegend in Kauf genommen.<br />
� Der Mensch als integrativer<br />
Bestandteil der Umwelt<br />
Im Gegensatz zu rein biologischen<br />
auf die <strong>Natur</strong> bezogene Fachbegriffe,<br />
wie „ökologisches Gleichgewicht“,<br />
„geschlossene Stoffkreisläufe“ oder<br />
„Biodiversität“ steht bei dem Begriff<br />
„Nachhaltigkeit“ der Nutzen-Aspekt<br />
durch den Menschen im Vordergrund.<br />
Dem Faktor Mensch wird damit ein integrativer<br />
Standpunkt eingeräumt, die<br />
Trennung von Mensch und Umwelt,<br />
wie sie im traditionellen <strong>Natur</strong>schutz<br />
geschah und noch heute in der <strong>Natur</strong>schutzgesetzgebung<br />
erkennbar ist,<br />
aufgehoben. Diese starke Betonung<br />
des Nutzen-Aspektes für den Menschen<br />
ist aus der Geschichte der Waldwirtschaft<br />
heraus erklärbar, waren<br />
doch die Wälder im 18. Jahrhundert<br />
durch unsachgemäße Behandlung<br />
sowohl stark degradiert als auch in<br />
keiner Weise wirtschaftlich effizient<br />
genutzt. So schreibt Friedrich Leopold<br />
Pfeil (1816) „Bloß im Stockholze,<br />
welches auf der Erde verfault, gehen<br />
viel Tausende Klaftern verloren, da in<br />
den allerwenigsten Gegenden daran<br />
gedacht wird, die Bäume zu roden,<br />
statt zu hauen.“ Die aufkommende<br />
Forstwirtschaft versuchte dieser Ressourcenvergeudung<br />
eine effiziente<br />
– eben nachhaltige – Wirtschaftsform<br />
gegenüberzustellen.<br />
� Ewige Nachhaltigkeit<br />
Die langen Umtriebszeiten der<br />
Forstwirtschaft führen zu einer Betrachtungsweise<br />
über die Generationengrenze<br />
hinweg. Hier liegt der<br />
Schlüssel des Nachhaltigkeitsbegriffs.<br />
Da alle zukünftigen Generationen per<br />
Definition gleichgestellt sind, muss<br />
Nachhaltigkeit ein dauerhaftes, ein<br />
ewiges Prinzip darstellen. Ebenfalls<br />
der Forstwirtschaft entlehnt ist auch<br />
das Konzept der Vorratsbildung: Kein<br />
System kann auf ewig seinen Fortbestand<br />
garantieren, das nicht tendenziell<br />
in der Lage ist, Vorräte zu bilden.<br />
Diese Rücklage ist notwendig, um<br />
unvorhersehbare Beeinträchtigungen<br />
– „schlechte Zeiten“ – überwinden zu<br />
können. Dieses „Vorratsprinzip“ begegnet<br />
uns allenthalben in der <strong>Natur</strong>,<br />
bei Tieren, die überwintern müssen,
ei Pflanzen, die einen deutlichen<br />
Überschuss an Samen produzieren bis<br />
hin zur Entfaltung der Artenvielfalt an<br />
sich, als Vorrats-Option auf mögliche<br />
Umweltveränderungen.<br />
Folgt man dem Konzept der Vorratsbildung<br />
müssen alle ressourcenverbrauchendenWirtschaftsweisen<br />
dergestalt auf den Kopf gestellt<br />
werden, dass in dem Maße, in dem<br />
Ressourcen in Anspruch genommen<br />
werden, andere Ressourcen sogar<br />
in einem stärkeren Maße gebildet<br />
werden müssten. Zusammenfassend<br />
beinhaltet Nachhaltigkeit<br />
� den Menschen als integrativen Bestandteil<br />
zukünftiger Entwicklung.<br />
� absolute Generationsgerechtigkeit<br />
und damit ein ewiges Prinzip.<br />
� nicht einen nur ausgeglichenen<br />
Stoffkreislauf (Recycling), sondern<br />
einen Umgang mit Ressourcen der<br />
darüber hinaus tendenziell sogar<br />
Vorratsbildung ermöglicht.<br />
Tatsächlich wird fast gegen all diese,<br />
eine nachhaltige Entwicklung kennzeichnenden<br />
Bedingungen, verstoßen.<br />
Nach wie vor verbraucht die Menschheit<br />
in atemberaubender Weise sowohl<br />
fossile Brennstoffe als auch die wenigen<br />
Uranvorkommen. Nach wie vor<br />
werden großflächig Wälder abgeholzt,<br />
Auch die nachfolgenden Generationen<br />
sollen noch im Laub spielen können.<br />
Foto: Archiv<br />
werden Flächen für Straßen, Wohnungsbau<br />
und Verkehrserschließung<br />
in Anspruch genommen und zerstört,<br />
gehen landwirtschaftliche Nutzflächen<br />
wegen Übernutzung (Bodenerosion)<br />
verloren usw. Die wenigen Fortschritte<br />
im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung,<br />
wie eine stärkere Überwachung<br />
der Produktion toxischer Substanzen,<br />
Dosenpfand, Auflagen gegen den<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
Feinstaub, Einspruchsrechte anerkannter<br />
<strong>Natur</strong>schutzverbände gegen den<br />
Flächenverbrauch, die Entwicklung<br />
neuer Formen regenerativer Energiegewinnung,<br />
Förderung des Ökolandbaus<br />
etc. werden von einseitigen<br />
Lobbygruppen in Industrie und Politik<br />
mit unsäglichen „Hamsterattacken“<br />
verunglimpft und ins Lächerliche gezogen.<br />
Auch die Forstwirtschaft, die<br />
Wiege des Nachhaltigkeitsgedankens,<br />
bleibt nicht verschont. In jüngster Zeit<br />
und unter dem Signum neoliberaler<br />
Marktwirtschaft steht sogar die staatliche<br />
Forstwirtschaft, die zumindest in<br />
den Landesgesetzgebungen auch in<br />
Nordrhein-Westfalen deutlich nachhaltiger<br />
geworden ist, insgesamt auf<br />
dem Prüfstand des Profits. Der Ruf<br />
nach Privatisierung der im Besitz der<br />
öffentlichen Hand befindlichen Wälder<br />
wird immer lauter (und mit ihm der<br />
Klang der Motorsäge).<br />
� Wie nachhaltig ist die Nachhaltigkeit?<br />
Nach den hoffnungsvollen 90er<br />
Jahren, im Anschluss an die Umweltkonferenz<br />
von Rio und der davon<br />
ausgehenden Nachhaltigkeitsdebatte,<br />
aus der die Agendabewegung auch vor<br />
Ort entstanden ist, macht sich langsam<br />
Katerstimmung breit. Konnte in den<br />
letzten Jahren eine Aufweichung und<br />
19
20 NACHHALTIGKEIT<br />
immer größer werdende Beliebigkeit<br />
und Benutzung des Nachhaltigkeitsbegriffs<br />
konstatiert werden (Plastikwort<br />
– kann für alles benutzt, verbraucht<br />
weggeworfen und wieder recycelt<br />
werden) wird nun die Diskussion über<br />
eine nachhaltige Entwicklung in die<br />
Steinzeit zurückkatapultiert. Wieder<br />
muss die Ökologie als Buhmann für<br />
die schlechte ökonomische Entwicklung<br />
herhalten. Längere Laufzeiten für<br />
Atomkraftwerke und die Einführung<br />
der Gentechnik in die Landwirtschaft<br />
sind ebenfalls Vorzeichen, die vom bereits<br />
eingeschlagenen Pfad einer nachhaltigen<br />
Entwicklung in Deutschland<br />
wieder wegführen. Auf der globalen<br />
Ebene wird das so genannte Kyoto-<br />
Protokoll, ein wichtiger Meilenstein zu<br />
einer Ressourcen schonenderen Weltwirtschaft,<br />
immer noch vom weltweit<br />
größten Ressourcenverbraucher, den<br />
USA abgelehnt, weil es als Hindernis<br />
für die eigene Wirtschaftsentwicklung<br />
empfunden wird. Auch hierzulande<br />
wird von den großen Volksparteien<br />
„Wachstum“ als Allheilmittel aus<br />
der ökonomischen Krise empfohlen,<br />
obwohl genau dieses Wachstum<br />
Ursache für den immer schnelleren<br />
Ressourcenverbrauch darstellt und<br />
letztlich nicht zu einer stabilen, das<br />
heißt nachhaltigen Entwicklung führen<br />
kann. Bleibt abzuwarten ob nur<br />
Katastrophen, wie beispielsweise die<br />
durch die Klimaveränderung hervor-<br />
gerufene Zunahme der Wirbelstürme<br />
und Überschwemmungen zu einem<br />
nachhaltigen Umdenken der Menschen<br />
führen werden.<br />
Weiterführende Literatur:<br />
Bode, W.: <strong>Natur</strong>nahe Waldwirtschaft, Prozeßschutz<br />
oder biologische Nachhaltigkeit?<br />
Holm 1997<br />
Creutz, H.: Das Geld-Syndrom, Wege zu einer<br />
krisenfreien Marktwirtschaft, Aachen 2003<br />
Maedows, D.H.: Die neuen Grenzen des<br />
Wachstums, Stuttgart 1992<br />
Meister, G., Offenberger, M.: Die Zeit des<br />
Waldes, Frankfurt 2004<br />
Möller, A.: Der Dauerwaldgedanke, Berlin<br />
1922, Nachdruck Degreif-Verlag, Oberteuringen<br />
1992
� Eine kommunale Betrachtungsweise<br />
Nachhaltigkeit in der Praxis<br />
am Beispiel des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong><br />
von Michael Makiolla<br />
Seit einigen Jahren spielt der<br />
Begriff „Nachhaltigkeit“ in der<br />
politischen Diskussion über die<br />
weitere Zukunft unseres Landes<br />
eine wichtige Rolle. Der Begriff<br />
der „Nachhaltigkeit“ umfasst eine<br />
ausgewogene Verfolgung sozialer,<br />
wirtschaftlicher und ökologischer<br />
Ziele, sowohl global als auch auf<br />
lokaler Ebene. Mein Thema ist natürlich<br />
die Stärkung nachhaltigen<br />
Handelns im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>.<br />
Hier gibt es eine Vielzahl von<br />
Handlungsfeldern, auf denen die<br />
verschiedensten Akteure im Sinne der<br />
Nachhaltigkeit tätig werden können.<br />
Wer zu nachhaltigem Handeln aufruft,<br />
muss auch mit gutem Beispiel<br />
vorangehen.<br />
Für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> hat bereits in<br />
der Vergangenheit der Gedanke der<br />
Nachhaltigkeit in seinem Handeln als<br />
öffentliche Verwaltung eine wichtige<br />
Rolle gespielt. Das wird auch zukünftig<br />
so sein und – wo nötig – werden wir<br />
unsere Bemühungen noch intensivieren.<br />
In der Arbeit des <strong>Kreis</strong>es gibt es heute<br />
verschiedene Ansätze, die vor diesem<br />
Hintergrund eine nicht unwesentliche<br />
Bedeutung haben. Hierzu zählen<br />
unter anderen das Öko-Audit und die<br />
Umweltleitlinien der <strong>Kreis</strong>verwaltung,<br />
die Ideenbörse Umweltschutz und<br />
die Landschaftsplanung. Vorstellen<br />
möchte ich Ihnen an dieser Stelle die<br />
Aktivitäten im Bereich der Lokalen<br />
Agenda UN 21 im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, unsere<br />
Anstrengungen für eine nachhaltige<br />
Sicherung von Mobilität, die Arbeit der<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
Preisverleihung Wettbewerb Energetische Altbausanierung. Foto: <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
Koordinierungsstelle Altenarbeit, die<br />
Integrationskonferenz im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>,<br />
sowie den „Zukunftsdialog – Entwicklungsperspektiven<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>“.<br />
� Lokale Agenda UN 21<br />
Der Beginn des Agenda-Prozesses<br />
geht zurück auf die UN-Konferenz<br />
für Umwelt und Entwicklung im Juni<br />
1992 in Rio de Janeiro. In der Folge<br />
haben auch der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> sowie die<br />
kreisangehörigen Kommunen den<br />
Agenda-Prozess auf lokaler Ebene<br />
eingeleitet, wobei der Prozess des<br />
<strong>Kreis</strong>es hauptsächlich auf der Multipli-<br />
21
22 NACHHALTIGKEIT<br />
katorenebene stattfindet, um Beispiele<br />
zu geben und weitere Prozes-se anzuregen.<br />
In der Folge haben sich nach<br />
der Auftaktveranstaltung am 11. September<br />
1998 bis zum Ende des Jahres<br />
1998 sechs Fachforen (Auto/Verkehr,<br />
Bildung, Landwirtschaft, Privater Konsum,<br />
Wirtschaft sowie Wohnungsbau)<br />
gebildet. Das Arbeitsziel der Foren<br />
war die Formulierung von Handlungsfeldern,<br />
die – unterstützt von einer<br />
gezielten Öffentlichkeitsarbeit – in<br />
der Bevölkerung eine Bewusstseins-<br />
und Verhaltensänderung im Sinne<br />
der Lokalen Agenda UN 21 erreichen<br />
sollten.<br />
Mit einem Gesamtforum zur Bilanzierung<br />
der Lokalen Agenda UN 21 am<br />
15. November 2001 sowie der Vorlage<br />
der Handlungsempfehlungen für den<br />
<strong>Kreis</strong>tag durch die Fachforen fand die<br />
erste Phase der Lokalen Agenda 21 im<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> einen Abschluss. Gleichzeitig<br />
wurde von dem Gesamtforum die<br />
zweite Phase eingeleitet, in der es gilt,<br />
den erfolgreich begonnenen Prozess<br />
der Lokalen Agenda 21 fortzusetzen.<br />
Dies geschieht über die von den<br />
Fachforen angeregten Projekte und<br />
eine Öffentlichkeitsarbeit, die die hier<br />
erzielten Arbeitsergebnisse weitergibt.<br />
Die im Rahmen der bisherigen Arbeit<br />
angelaufenen Projekte sollen weiterentwickelt,<br />
bzw. nach und nach zu ei-<br />
nem erfolgreichen Abschluss gebracht<br />
werden. Damit sollen die Bürgerinnen<br />
und Bürger kontinuierlich auf die Ziele<br />
der Lokalen Agenda 21 aufmerksam<br />
gemacht und deren Umsetzbarkeit<br />
aufgezeigt werden. Zu diesem Zweck<br />
werden aber auch bei entsprechendem<br />
Anlass Aktionen auf lokaler Ebene<br />
durchgeführt.<br />
Zu diesen Projekten gehören unter<br />
anderen die „Agenda 21 in der<br />
Schule“, „Region aktiv“ und die energetische<br />
Altbausanierung, die ich<br />
Ihnen nachfolgend genauer vorstellen<br />
möchte.<br />
� Energetische Altbausanierung<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
Vor dem Hintergrund der Ressourcenknappheit<br />
und dadurch rapide<br />
steigender Energiepreise, gewinnt das<br />
Thema Energieeffizienz immer größere<br />
Bedeutung. Dabei kommt dem<br />
Handlungsfeld Wohnungswesen eine<br />
tragende Rolle zu, gerade auch auf<br />
kommunaler Ebene. Denn die privaten<br />
Haushalte verbrauchen knapp 30 Prozent<br />
der gesamten Endenergie.<br />
Da die Altbauten (vor 1977 erbaut)<br />
ca. 75 Prozent des Wohnungsbestandes<br />
in NRW ausmachen und etwa 90<br />
Prozent des Heizenergieverbrauchs<br />
in NRW für diese Gebäude benötigt<br />
wird, liegt das größte Potential für<br />
Einsparungen in privaten Haushalten<br />
im Bereich der energetischen Altbausanierung.<br />
Mit einem guten Paket<br />
von Maßnahmen lassen sich die Energiekosten<br />
eines Gebäudes leicht<br />
halbieren. Wenn es gelingt dieses<br />
Potential zu realisieren, entfaltet dies<br />
in mehrfacher Hinsicht eine positive<br />
Wirkung:<br />
Der Umwelt kommt zugute, dass<br />
die Bildung des klimaschädlichen<br />
„Treibhausgases“ Kohlendioxid stark<br />
vermindert wird. Die vor allem durch<br />
die Heizkosten bestimmte „zweite<br />
Miete“ kann erheblich verringert<br />
werden, so dass sich Maßnahmen<br />
der energetischen Altbausanierung<br />
für Eigentümer und Mieter über die<br />
Jahre refinanzieren. Zusätzlich kann<br />
der Wohnkomfort oft entscheidend<br />
erhöht werden. Gleichzeitig haben das<br />
Handwerk, Energieberater, Architekten<br />
und andere Baufachleute die Aussicht<br />
auf zusätzliche Aufträge, wodurch die<br />
lokale Wirtschaft gestärkt wird.<br />
Aus dem Fachforum „Wohnungsbau<br />
UN 21“ der Lokalen Agenda im<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> heraus, hat sich bereits im<br />
Jahr 2002 ein Arbeitskreis „Energetische<br />
Altbausanierung im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>“<br />
gebildet, mit dem Ziel, die Bedeutung<br />
dieses Themas stärker im öffentliche<br />
Bewusstsein zu verankern und in der<br />
Folge die Chancen und Potentiale
esser zu nutzen. Teilnehmer des Arbeitskreises<br />
sind überwiegend Architekten,<br />
Energieberater, Handwerker<br />
und sonstige Baufachleute, wobei<br />
Organisation und Moderation von<br />
dem Agenda-Büro des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong><br />
geleistet werden.<br />
Seine Ziele will der Arbeitskreis nicht<br />
etwa mit theoretischen Erörterungen,<br />
sondern mit einer projektorientierten<br />
Öffentlichkeitsarbeit erreichen. Hier<br />
wurde, neben Veranstaltungen, bereits<br />
einiges auf den Weg gebracht.<br />
Neben dem „Gebäude-Check Energie“<br />
(2003) und einer Thermographieaktion<br />
für Gebäude (2004/05), die<br />
dem Aufspüren von Schwachstellen<br />
mit hohen Energieverlusten sowie<br />
als Orientierungshilfe zu sinnvollen<br />
Energiesparmaßnahmen dienten, wurde<br />
2004/05 in Kooperation mit der<br />
<strong>Kreis</strong>handwerkerschaft Hellweg der<br />
Wettbewerb „Energetische Altbausanierung<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>“ durchgeführt.<br />
Bewertet wurden Sanierungsvorhaben<br />
aus dem Bereich des Wohnungsbaus,<br />
die im Zeitraum von 2000 bis 2004<br />
durchgeführt worden sind. Gesucht<br />
wurden Beispiele aus den Bereichen<br />
Altbausanierung und energetische<br />
Baumaßnahmen von kompletten Gebäuden<br />
bzw. Siedlungsbereichen bis<br />
zu wegweisenden Einzelelementen,<br />
die aufgrund ihres Innovationsgehaltes<br />
wichtige Impulse z.B. für Baustoffe,<br />
Energienutzung, Ressourcenschonung,<br />
Sanierung, Marktfähigkeit geben<br />
können.<br />
Insgesamt waren neun Beiträge,<br />
von der Siedlungsmaßnahme über Einzelhaussanierungen<br />
bis zu Einzelmaßnahmen,<br />
zu verzeichnen. Von diesen<br />
waren immerhin vier als vorbildliche<br />
Beiträge preiswürdig, während für<br />
zwei Einzelmaßnahmen Anerkennungen<br />
ausgesprochen wurden. Die<br />
Ergebnisse werden in einer Dokumentation<br />
festgehalten. Außerdem ist eine<br />
(Wander-) Ausstellung geplant.<br />
Aktuell haben sich zwei Arbeitsgruppen<br />
gebildet, die konkrete Sanierungsmaßnahmen,<br />
zum einen der<br />
GWG Schwerte e.G. in Schwerte und<br />
der UKBS (<strong>Unna</strong>er <strong>Kreis</strong>- Bau- und<br />
Siedlungsgesellschaft) in Holzwickede,<br />
begleiten, und Vorschläge für<br />
eine energetische Optimierung erarbeiten.<br />
Auch künftig sollen weitere<br />
Projekte aufgegriffen werden, um die<br />
Bedeutung des Handlungsfeldes<br />
energetische Altbausanierung in die<br />
Öffentlichkeit zu transportieren. Denn<br />
ein Ergebnis der bisherigen Arbeit ist,<br />
dass in diesem Bereich im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
noch Handlungsbedarf besteht.<br />
� Nachhaltige Mobilität<br />
Zunehmende Mobilitätsansprüche<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
haben das Verkehrsaufkommen spürbar<br />
erhöht. Deshalb geht es heute und<br />
zukünftig mehr denn je darum, die<br />
Mobilitätsbedürfnisse zu befriedigen,<br />
ohne gleichzeitig unsere Lebensgrundlagen<br />
zu gefährden. Nachhaltige<br />
Mobilität bedeutet für uns, die<br />
Entstehung von Verkehr zu erkennen<br />
und damit Möglichkeiten zur Verkehrsvermeidung,<br />
-verlagerung oder<br />
verträglicheren Abwicklung zu schaffen.<br />
Die <strong>Kreis</strong>verwaltung engagiert<br />
sich dafür, die Verkehrsbelastungen<br />
wie beispielsweise Schadstoff- oder<br />
Lärmemissionen durch Maßnahmen<br />
im Zusammenhang mit der Stärkung<br />
des so genannten „Umweltverbundes“<br />
(ÖPNV, Radverkehr, Fußverkehr,<br />
Russpartikelfilter in Bussen) entgegenzuwirken.<br />
Dabei tritt insbesondere der Sektor<br />
des Öffentlichen Personennahverkehrs<br />
in den Vordergrund, weil der <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> per Gesetz seit 1996 Aufgabenträger<br />
für den ÖPNV ist, d. h. verantwortlich<br />
für Planung, Organisation<br />
und Ausgestaltung insbesondere des<br />
Busverkehrs. Ein wesentlicher Bestandteil<br />
der gesetzlichen Vorgaben<br />
ist die Verpflichtung zur Aufstellung<br />
eines Nahverkehrsplanes (NVP), was<br />
zur Zeit im Sinne einer Fortschreibung<br />
des alten NVP in Abstimmung mit den<br />
Städten und Gemeinden sowie den<br />
23
24 NACHHALTIGKEIT<br />
Ein Beispiel für Energetische Altbausanierung: Virchowstraße in Schwerte.<br />
Foto: Ralf Breer<br />
Verkehrsunternehmen geschieht.<br />
Trotz knapper finanzieller Ressourcen<br />
wird der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> mit dem<br />
neuen Nahverkehrsplan ab 2007 für<br />
die Folgejahre für die Bevölkerung<br />
im Sinne der Daseinsvorsorge eine<br />
„ausreichende Verkehrsbedienung“<br />
sicherstellen. Mit Hilfe flexibler Bedienungsformen<br />
wird die notwendigste<br />
ÖPNV-Versorgung auch in Räumen<br />
und Zeiten schwacher Verkehrsnachfrage<br />
sichergestellt werden. Zusätzlich<br />
kommt der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> seiner<br />
Verantwortung für eine nachhaltige<br />
Mobilität nach, in dem er die speziellen<br />
Bedürfnisse bestimmter Nutzergruppen<br />
analysiert und Maßnahmen zur<br />
Attraktivitätssteigerung insbesondere<br />
des ÖPNV für diese Nutzergruppen<br />
(wie beispielsweise Senioren, Familien,<br />
Kinder und Jugendliche, Beschäftigte)<br />
ergreift. In diesem Zusammenhang<br />
werden marketingintensive Projekte<br />
zur Verbesserung von Service, Sicherheit,<br />
Information, Ticket-Angeboten,<br />
Infrastrukturelle Einrichtungen, beson-<br />
dere Fahrplanangebote etc.) initiiert<br />
und umgesetzt.<br />
Darüber hinaus engagiert sich der<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> im Bereich des regionalen<br />
Radverkehrs, was sowohl den touristischen<br />
Bereich als auch das Alltagsradfahren<br />
betrifft. Neue Beschilderungssysteme,<br />
Kartengrundlagen und digitale<br />
Routenführungstechniken werden<br />
dabei forciert. Auch die Mitgliedschaft<br />
des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> im NRW-weiten Bürgerservice<br />
„Pendlernetz“ mit dem Ziel<br />
der organisierten, internetbasierten<br />
Disposition von Fahrgemeinschaften<br />
trägt zum Ziel des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> bei,<br />
die Mobilität im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> mittel-<br />
bis langfristig umweltfreundlicher zu<br />
gestalten.<br />
Auch abseits der klassischen umwelt-<br />
und energiepolitischen Handlungsfelder<br />
rückt der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> den<br />
Gedanken des nachhaltigen Handelns<br />
stärker in den Fokus der Akteure.<br />
� Altenarbeit<br />
Nachhaltiges Handeln findet sich<br />
auch im Feld der Altenarbeit wieder:<br />
Seit Oktober 1989 kann der <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> eine kontinuierliche Sozialplanung<br />
für ältere Menschen vorweisen,<br />
die als Querschnittsaufgabe prozessorientiert<br />
und bedarfsgerecht in der<br />
„Koordinierungsstelle Altenarbeit“<br />
im Fachbereich „Arbeit und Soziales“
organisiert wird. Am Beispiel des umfangreichen<br />
Planes „Ältere Menschen<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>“ wurde schon 1992<br />
deutlich, dass „Altenplanung“ nicht<br />
am „grünen Tisch“ erfolgt, sondern<br />
auf dem lebendigen Austausch mit<br />
den Fachgremien des „Netzwerkes<br />
der Altenarbeit“ basiert. Seinerzeit<br />
wurden zur fachlichen Diskussion und<br />
Umsetzung der Untersuchungsergebnisse<br />
und Erkenntnisse spezielle Fachgruppen<br />
organisiert, so zum Beispiel<br />
für sämtliche Pflegeheime oder alle<br />
Tagespflegen. Aus dieser Planungsbegleitung<br />
wurde das heute noch immer<br />
ständig wachsende und sich personell<br />
verjüngende „Netzwerk“ mit zahlreichen<br />
Fachgruppen und Gremien, organisiert<br />
von der Koordinierungsstelle<br />
Altenarbeit.<br />
Pünktlich zur Einführung der Pflegeversicherung<br />
1995 erwuchs gleichsam<br />
organisch die „<strong>Kreis</strong>pflegekonferenz“<br />
zur Umsetzung des Bundesgesetzes<br />
auf der örtlichen Ebene. Inzwischen<br />
sind die örtlichen Pflegekonferenzen<br />
im Landespflegegesetz NRW verankert.<br />
Erkenntnisse aus Gerontologie,<br />
Geriatrie oder Gerontopsychiatrie<br />
fanden und finden unmittelbarer Eingang<br />
in die fachliche und betriebliche<br />
Praxis vor Ort. Umgekehrt werden Bedarfslagen,<br />
finanzielle Probleme oder<br />
strukturelle Defizite rasch und instituti-<br />
onell gesichert an die verantwortlichen<br />
Fachgremien und die Politik gemeldet.<br />
Alle Beteiligten profitieren von dieser<br />
Vernetzung. Synergetische Effekte<br />
werden durch die Zusammenarbeit frei<br />
und die Wirksamkeit von Maßnahmen<br />
wird dabei stetig überprüft. Konkrete<br />
Beispiele finden sich reichlich, sei es<br />
beim bedürfnisorientierten Zuwachs<br />
an Pflegeheimen oder der Entwicklung<br />
und Einführung neuer ambulanter<br />
Dienste wie „Wohnberatung“ oder<br />
„Pflegeberatung“.<br />
Ohne die Absicht, nachhaltig die<br />
richtigen „Weichenstellungen“ für die<br />
Zukunft vorzunehmen, ließe sich die<br />
Handlungsmaxime für die Altenarbeit<br />
des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> gar nicht realisieren:<br />
„Schaffung einer abgestimmten, bedarfsgerechten,<br />
sozialen, kulturellen<br />
und gesundheitlich-pflegerischen<br />
Infrastruktur, die insbesondere auch<br />
das möglichst lebenslange Wohnen<br />
zuhause fördert und einen integrativ<br />
verlaufenden demographischen<br />
Wandel sowie die Stärkung der Selbsthilfekräfte<br />
und des ehrenamtlichen<br />
Engagements gewährleisten kann.“<br />
� Integrationskonferenz<br />
Bereits seit dem Jahr 2001 gibt es<br />
die parteiübergreifende Integrationsoffensive<br />
des Landes NRW. Mit ihr<br />
wurde der Paradigmenwechsel hin<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
zum Bekenntnis der Bundesrepublik<br />
Deutschland als Einwanderungsland<br />
eingeleitet. Weiterer Meilenstein in<br />
dieser Entwicklung ist das im Januar<br />
2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz,<br />
mit dem erstmals den<br />
Kommunen besondere Aufgaben bei<br />
der Integration von Migrantinnen und<br />
Migranten zugewiesen werden.<br />
Der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> hat einen über dem<br />
Landesdurchschnitt liegenden Anteil<br />
von Zuwanderern an der Gesamtbevölkerung.<br />
Er wird auch weiterhin<br />
durch Zuwanderung von Menschen<br />
geprägt sein, die mit einer langfristigen<br />
Lebens- und Arbeitsperspektive ins<br />
Land kommen. Mit Blick auf die zu<br />
erwartende demografische Entwicklung<br />
der Region werden wir zukünftig<br />
auf Zuwanderung angewiesen sein<br />
und von ihr profitieren (müssen).<br />
Für eine erfolgreiche Integration der<br />
Zuwanderer in unsere Gesellschaft<br />
bedarf es deshalb ganz besonderer<br />
Anstrengungen. Erforderlich im Sinne<br />
der Nachhaltigkeit ist eine strategische<br />
Steuerung der Zuwanderung<br />
und der zukünftigen kommunalen<br />
Integrationsarbeit durch Leitlinien und<br />
Zielvorgaben.<br />
Der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> hat diese Herausforderung<br />
angenommen und dazu<br />
am 16. November 2005 eine erste<br />
Integrationskonferenz im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
25
26 NACHHALTIGKEIT<br />
durchgeführt. Sie soll zweimal pro<br />
Jahr stattfinden und als Instrument<br />
zur Vernetzung von Angeboten und<br />
Akteuren sowie als Kommunikationsplattform<br />
und Lobbygremium dienen.<br />
In Abstimmungsgesprächen sollen<br />
Rückmeldungen aus der Praxis geholt,<br />
Probleme erkannt und benannt, Handlungsbedarf<br />
festgelegt und Interessen<br />
ausgeglichen werden. Ziel ist es, ein<br />
Netzwerkmanagement für das Handlungsfeld<br />
Integration aufzubauen.<br />
Die zukünftigen Konferenzen werden<br />
durch die Themen ‚Integration und<br />
Arbeit’, ‚Bildung und Erziehung’ sowie<br />
‚integrationsfördernde Maßnahmen’<br />
geprägt sein.<br />
Die Integrationskonferenz wurde<br />
im Rahmen des durch das Land Nordrhein-Westfalen<br />
geförderten Projekts<br />
‚KOMM IN – <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>’ ins Leben<br />
gerufen. Weitere Ziele dieses Projekts<br />
sind eine bisher fehlende zeitnahe und<br />
passgenaue Vermittlung von Zuwanderern<br />
in Integrationskurse und andere<br />
Integrationsangebote sowie eine Optimierung<br />
der Angebotsstruktur. Zur<br />
Vermittlung der Migrantinnen und<br />
Migranten in diese Angebote im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> dient ein neu geschaffenes Integrationsportal.<br />
Bei dieser Datenbank<br />
handelt es sich um ein bislang bundesweit<br />
einzigartiges, wirkungsvolles<br />
Instrument, das es dem <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
ermöglicht, seine Steuerungsfunktion<br />
zwischen den Anbietern vor Ort und<br />
den Nachfragenden wahrzunehmen.<br />
� Zukunftsdialog<br />
Die Frage, wie wir mehr und nachhaltig<br />
Beschäftigung im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
schaffen können, steht im Mittelpunkt<br />
des „Zukunftsdialogs – Entwicklungsperspektiven<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>“.<br />
Der Zukunftsdialog ist ein noch am<br />
Anfang stehender Prozess, dessen<br />
konkrete Ergebnisse zum Jahreswechsel<br />
2006/07 vorliegen sollen. Dieser<br />
Prozess bezieht alle im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
wichtigen Akteure ein. An erster Stelle<br />
stehen hier die Städte und Gemeinden<br />
des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>. Mit weiteren Personen<br />
verschiedener Institutionen wie<br />
der Industrie- und Handelskammer zu<br />
Dortmund, der <strong>Kreis</strong>handwerkerschaft,<br />
den Agenturen für Arbeit in Dortmund<br />
und Hamm und vielen mehr bestehen<br />
seit langen Jahren gute Kontakte.<br />
Diese wirken bei dem Zukunftsdialog<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> mit. Darüber hinaus sollen<br />
aber auch weitere Akteure aus der<br />
Bürgerschaft und Unternehmen mit<br />
gefunden und einbezogen werden, die<br />
sich die Interessen des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> zu<br />
ihrem Anliegen machen wollen.<br />
Eine wesentliche Zielsetzung des<br />
Zukunftsdialogs ist die bessere Positionierung<br />
und Wahrnehmbarkeit des<br />
<strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> in der Region und darüber<br />
hinaus. Hierfür braucht es neben<br />
klar formulierten Entwicklungszielen,<br />
einer Handlungsstrategie und hierauf<br />
bezogenen Projekten das abgestimmte<br />
Handeln der verschiedenen Akteure<br />
und das gemeinsame Eintreten dieser<br />
für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>. Dies bedeutet<br />
auch im Sinne von Nachhaltigkeit die<br />
Aktivierung aller kreisinternen Kräfte<br />
sowie die Bündelung der Kompetenzen<br />
und Abstimmung der verschiedenen<br />
Akteure. Die Sicherung und Schaffung<br />
von nachhaltiger Beschäftigung steht<br />
im Mittelpunkt des Zukunftsdialogs.<br />
Dies bedeutet aus meiner Sicht die Betrachtung<br />
sowohl des Handlungsfeldes<br />
Arbeit, Wirtschaft, Technologie und<br />
Wissenschaft als auch von Familie, Bildung,<br />
Leben, Wohnen und Umwelt.<br />
In einer Auftaktveranstaltung Anfang<br />
2006 sollen diese Inhalte mit<br />
wichtigen Akteuren im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
diskutiert, Entwicklungsziele formuliert<br />
sowie erste Ansätze einer Handlungsstrategie<br />
konkretisiert werden. Anschließend<br />
soll dies in Arbeitsgruppen<br />
vertieft und verbreitert werden. Ende<br />
2006 sollen dann die Ergebnisse dieses<br />
Zukunftsdialoges vorliegen.<br />
Natürlich können bereits parallel<br />
erste Projekte umgesetzt werden, die<br />
in die Gesamtstrategie passen. Wichtig<br />
ist mir auch, dass dies ein kontinuier-
licher Prozess wird, dass die Kommunikation<br />
mit den für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
„alten“ und neu gewonnen Akteuren<br />
über das Jahr 2006 hinaus bestehen<br />
bleibt und im Sinne der Nachhaltigkeit<br />
gemeinsam zukunftsgerichtet an der<br />
Profilierung und Positionierung des<br />
<strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> gearbeitet wird.<br />
Die genannten Beispiele verdeutlichen,<br />
dass der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> eine Vielzahl<br />
von Aktivitäten auf zahlreichen<br />
Handlungsfeldern im Sinne der Nach-<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
Deutschlehrerin Barbara Daniel zitiert Schiller während der kleinen Einweihungsfeier des Amphitheaters am Ernst-Barlach-<br />
Gymnsasium <strong>Unna</strong>. Das Projekt wurde im Rahmen von Agenda in der Schule und der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft unterstützt.<br />
Foto: Archiv<br />
haltigkeit vorweisen kann. Ich hoffe<br />
damit Anregungen zur Nachahmung<br />
durch möglichst viele Akteure auf<br />
<strong>Kreis</strong>ebene zu geben und damit die<br />
Zukunftsfähigkeit „UN“seres <strong>Kreis</strong>es<br />
<strong>Unna</strong> zu stärken.<br />
27
28<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
� „Fläche – ohne Ende?“<br />
Nachhaltige Siedlungsflächenentwicklung<br />
in Lünen<br />
Eine der 19 Ausstellungstafeln „Fläche – ohne Ende?" Foto: Stadt Lünen
von Astrid Linn<br />
Rund 100 Hektar Land werden<br />
Tag für Tag in Deutschland versiegelt.<br />
Insgesamt ist 90 Prozent der<br />
zusätzlichen Flächeninanspruchnahme<br />
allein auf das ständige<br />
Wachstum der Siedlungsgebiete,<br />
einschließlich der dazu benötigten<br />
Verkehrsflächen, zurückzuführen.<br />
Eine gigantische Fläche, die uns<br />
dennoch nicht wirklich berührt.<br />
Denn der einzelne Bürger sieht<br />
davon gerade einmal die Baustelle<br />
in der Nebenstraße, die Arbeiten an<br />
der Straßenverbreiterung ein paar<br />
Kilometer weiter, einen Acker, der nun<br />
Bauland wird.<br />
Als Ziel in der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie<br />
ist die Minderung der<br />
Flächeninanspruchnahme auf 30 Hektar<br />
pro Tag bis ins Jahr 2020 formuliert<br />
worden. Um diesen Wandel hin zu<br />
einer schonenden und sparsamen<br />
Bodennutzung zu erreichen, müssen<br />
nicht nur die bundesweiten rechtlichen,<br />
planerischen und ökonomischen<br />
Rahmenbedingungen (Subventionen,<br />
Steuern etc.) auf dieses Ziel ausgerichtet<br />
werden. Insbesondere sind auf<br />
der lokalen Ebene Einzelmaßnahmen<br />
und Strategien für eine nachhaltige<br />
Stadtentwicklung zu suchen.<br />
Im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> wurde in den vergangenen<br />
Jahren eine Vielzahl von<br />
Maßnahmen zum Schutz des Freiraums<br />
umgesetzt. Obwohl die Stadt<br />
Lünen sich am Rande des industriellen<br />
Ballungsraumes Ruhrgebiet befindet<br />
und der Druck auf die Inanspruchnahme<br />
von Freiräumen erheblich ist, ist<br />
es der Stadt über Jahre gelungen mit<br />
ihren Flächen zu haushalten. Freiräume<br />
wurden erhalten und entwickelt, alte<br />
Bergbaustandorte als Brachflächen recycelt<br />
und flächensparende, kompakte<br />
Wohnsiedlungen gebaut.<br />
Das eigene Handeln kritisch reflektieren<br />
und die Erfahrungen an andere<br />
weitergeben – das sind zwei Gründe,<br />
warum sich die Stadt Lünen mit dem<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> an einer Wanderausstellung<br />
zu Fragen der Landnutzung und des<br />
Flächenverbrauchs in Nordrhein-Westfalen<br />
beteiligt hat. Die Ausstellung<br />
„Fläche – ohne Ende“ wurde von der<br />
NRW-Stiftung maßgeblich gefördert<br />
und vom Wissenschaftsladen Bonn<br />
begleitet. Fünf Basistafeln geben einen<br />
Überblick des Flächengebrauchs in<br />
NRW und werden durch insgesamt 14<br />
spezifische Tafeln der Städte Hamm,<br />
Herdecke, Herzogenrath, Lünen und<br />
Wülfrath ergänzt. Die Tafeln zeigen<br />
historisches Material und stellen Informationen<br />
zu aktuellen Fragestellungen<br />
vor Ort vor. Die drei Tafeln der Stadt<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
Lünen behandeln die Themen nachhaltige<br />
Siedlungsflächenentwicklung,<br />
Folgen und Folgenutzungen des Bergbaus<br />
und die Innenstadtentwicklung<br />
an der Lippe im Nutzungswandel. Hier<br />
wird ein Blick auf die Ausstellungstafel<br />
zur Siedlungsflächenentwicklung als<br />
Grundlage für eine vorausschauende<br />
Stadtplanung geworfen.<br />
� Wie ist Lünen entstanden?<br />
Die Siedlungsgeschichte des Raumes<br />
Lünen bildete die bis heute für die<br />
Stadt Lünen bedeutsame polyzentrale<br />
Struktur heraus: Verdichtete Siedlungsflächen<br />
in kompakten Ortsteilen<br />
mit circa 91.000 Einwohnern und<br />
Gewerbestandorte im eindrucksvollen<br />
Wechsel mit der landwirtschaftlich geprägten<br />
Kulturlandschaft und durchzogen<br />
vom breiten Band der Lippeaue.<br />
Erste bäuerliche Besiedlungen wurden<br />
in Lünen bereits vor 900 Jahren<br />
in hochwasserfreien Flächen nördlich<br />
der Lippe nachgewiesen. Die Urkarte<br />
aus dem Jahr 1839 zeigt Lünen noch<br />
in ihren mittelalterlichen Umrissen,<br />
umgeben von Wäldern und entfernt<br />
liegenden Bauernschaften wie Wethmar,<br />
Nordlünen und Alstedde als<br />
kleine bebaute Inseln. Die in die Fläche<br />
ausufernde Besiedlung begann erst<br />
mit der Industrialisierung. Die Stadt<br />
Lünen wandelte sich schnell von der<br />
29
30 NACHHALTIGKEIT<br />
Handwerker- und Ackerbürgerstadt<br />
zur Bergbaustadt. Die standortgebundenen<br />
Bergbaueinrichtungen nahmen<br />
keine Rücksicht auf historische<br />
Siedlungsstrukturen und waren das<br />
bestimmende Entwicklungselement<br />
im Raum. Mit dem verbesserten Anschluss<br />
der Stadt an das Verkehrsnetz<br />
über den 1914 fertig gestellten Lippe-<br />
Seitenkanal und die Anbindung der<br />
Eisenbahnlinien an das Ruhrgebiet<br />
1905 und nach Münster 1928 ergaben<br />
sich neue Entwicklungsimpulse. Industrieansiedlungen,<br />
wie Westfalia und<br />
Luisenhütte, liegen zunächst weit von<br />
den Siedlungsbereichen entfernt und<br />
werden später ausschlaggebend für die<br />
weitere Siedlungsentwicklung.<br />
In Verbindung mit den Zechen<br />
entstanden weiträumige Bergarbeitersiedlungen<br />
für die in großer Zahl<br />
angeworbenen Arbeitskräfte. Es sind<br />
häufig extensiv bebaute Quartiere mit<br />
einheitlichen Baustilen und großen<br />
Grabelandflächen. In den Gebäuden<br />
an sich lebten allerdings viele Menschen<br />
auf engem Raum. Heute sind die<br />
insgesamt rund 8.500 bereits sanierten<br />
Wohnungen sehr beliebt.<br />
Die Ortsteile haben durch ihre<br />
eigenständigen Entwicklungsgeschichten<br />
ihre jeweilige Identität bewahrt,<br />
womit die Grundlage für eine nachhaltige<br />
Stadtentwicklung gegeben ist.<br />
� Häuschen im Grünen<br />
Die Stadt Lünen hat aufgrund ihrer<br />
günstigen Lage am Rand des hoch<br />
verdichteten Ballungskerns des östlichen<br />
Ruhrgebietes im Übergangsbereich<br />
zum ländlichen Freiraum eine<br />
vergleichsweise hohe Attraktivität<br />
als Wohnstandort. So nehmen alle<br />
Gebäudeflächen, einschließlich ihrer<br />
zugehörigen Freiflächen, fast ein<br />
Drittel der Stadtfläche ein. Zusammen<br />
mit den Verkehrs- und Betriebsflächen<br />
macht die Siedlungsfläche in Lünen<br />
45 Prozent des Stadtgebietes aus. Auf<br />
dieser Siedlungsfläche leben ungefähr<br />
3.500 Einwohner je Kilometer, so dass<br />
sich eine höhere Siedlungsdichte als im<br />
nord-rheinwestfälischen Durchschnitt<br />
mit rund 2.500 Einwohnern je Kilometer<br />
ergibt. Die Gesamtbevölkerung<br />
stieg mit der industriellen Entwicklung<br />
von 3.900 Einwohnern 1880 auf<br />
10.500 Einwohner im Jahr 1900, auf<br />
18.126 Einwohner im Jahr 1920 an und<br />
verdoppelt sich dann sprunghaft von<br />
bereits 45.000 im Jahr 1945 auf 91.127<br />
Einwohner zum 1. Januar 2005.<br />
� Siedlungsprofil<br />
Eine räumliche Orientierung und ein<br />
gutes Strukturprofil will sich die Stadt<br />
durch folgende Prinzipien sichern, die<br />
fachlich als Kriterien für eine nachhaltige<br />
Stadtentwicklung anerkannt sind:<br />
� die polyzentrale Stadt mit mehreren<br />
städtischen Siedlungsschwerpunkten<br />
und ablesbaren Ortsteil- und<br />
Stadtgrenzen,<br />
� die Stadt der kurzen Wege durch<br />
Nutzungsmischungen und Dichte/verdichtete<br />
Wohngebiete in der<br />
Nähe von Grünräumen,<br />
� zusammenhängende Freiräume als<br />
ökologische und gliedernde Elemente<br />
zwischen den Besiedlungen.<br />
Ein Instrument zur planvollen Stadtentwicklung<br />
Lünens und ein Bekenntnis<br />
zu ihrer polyzentrischen Struktur<br />
ist das Zentrenkonzept aus dem Jahr<br />
1980. Damit wurden einerseits urbane<br />
Schwerpunkte zukünftiger Siedlungstätigkeit<br />
herausgestellt, andererseits<br />
Freiräume für Landschaftsschutz, Erholung<br />
und Landwirtschaft freigelassen<br />
und wenige Verkehrsachsen für die<br />
erforderlichen Austauschbeziehungen<br />
zwischen den Stadtteilen bzw. zum<br />
östlichen Ruhrgebiet bestimmt. Mit<br />
der Erkenntnis, dass die Wohnqualität<br />
in den Zentren wesentlich von<br />
Quantität und Qualität benachbarter<br />
Freiräume abhängt, wurde beispielsweise<br />
ein Zusammenwachsen des<br />
größten Ortsteils Brambauer mit dem<br />
Stadtkern Lünens verhindert.<br />
� Brachflächenrecycling<br />
Wie bereits oben beschreiben, hat
Wohnprojekt Riehtwiese in Brambauer nach ökologischen und flächensparenden<br />
Kriterien. Foto: Stadt Lünen<br />
nichts die Stadt Lünen so entscheidend<br />
geprägt wie der Steinkohlebergbau.<br />
Auf der grünen Wiese wurden gut 190<br />
Hektar für die Zechenstandorte und<br />
Kokereien in Anspruch genommen –<br />
immerhin drei Prozent des Stadtgebietes.<br />
Alle ehemaligen Bergbauflächen<br />
wurden im Rahmen des Strukturwan-<br />
dels in die Zukunftsplanung der Stadt<br />
Lünen einbezogen. In Lünen haben<br />
zum Erfolg der Brachflächenentwicklungen<br />
die frühen Überlegungen über<br />
Nachnutzungsstrategien beigetragen,<br />
da die Durchführung der Sanierung<br />
so in Abhängigkeit von den Folgenutzungen<br />
Gewerbe, Wohnen oder auch<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
Rekultivierung optimal entwickelt<br />
werden konnten. Für den Erfolg bei<br />
der Umsetzung von innovativen Planungskonzeptionen,<br />
respektive deren<br />
Akzeptanz, bedarf es aufgeschlossener<br />
Flächeneigner und Investoren.<br />
Die ökonomischen, stadtentwicklungspolitischen<br />
und ökologischen<br />
Gesichtspunkte müssen zielführend<br />
kombiniert und für das jeweilige<br />
Einzelprojekt gemeinsam mit der öffentlichen<br />
Planung und den Genehmigungsbehörden<br />
optimiert werden.<br />
� Neuer Flächennutzungsplan<br />
Mit der Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes<br />
2003 bis 2005 wurde<br />
die Siedlungsflächenentwicklung noch<br />
stärker am Ziel der Nachhaltigkeit orientiert.<br />
Eine Zersiedlung – also durch<br />
Profitinteresse geleitetes Ausufern<br />
städtischer Bebauung in den agrarischen<br />
Bereich – soll weiterhin vermieden<br />
werden. Eine Erweiterung von<br />
Wohn- oder Gewerbebereichen findet<br />
nur noch im begrenzten Umfang statt.<br />
Die zwischen den einzelnen Ortsteilen<br />
Lünens liegenden Freiräume und der<br />
Freiraum der Lippaue werden weiterhin<br />
zur klaren, räumlichen Gliederung<br />
des Stadtgebietes beitragen. Insbesondere<br />
die drei Siedlungsschwerpunkte<br />
Lünen-Mitte mit Lünen-Nord, Lünen-<br />
Süd mit Horstmar und Brambauer kön-<br />
31
32 NACHHALTIGKEIT<br />
nen als tragfähige Funktionseinheiten<br />
bezeichnet werden. Hier wirkt sich die<br />
verdichtete Stadtstruktur positiv auf<br />
� die geringere versiegelte Fläche pro<br />
Einwohner,<br />
� die Anerkennung als fahrradfreundliche<br />
Stadt, wie dies z.B. die Fahrradstraße<br />
(Leezenpatt) quer durchs<br />
Stadtgebiet verdeutlicht,<br />
� die Sicherung regionaler Grünzüge,<br />
� die Schaffung von Kleingartenanlagen,<br />
die auch heute noch mit<br />
einen Umfang von 27,5 Hektar<br />
zum durchgrünten Siedlungsbild<br />
beitragen,<br />
� die Sicherung der Nahversorgung<br />
aus.<br />
Aufgabe der Städte ist es, Stadtplanung<br />
langfristig und vorausschauend<br />
anzugehen. Dabei hat die Daten-<br />
analyse der eigenen kommunalen<br />
Bevölkerungsentwicklung in Lünen<br />
den Handelnden aus Politik und Verwaltung<br />
konkrete Hinweise für die<br />
Siedlungsentwicklung der Zukunft<br />
gegeben. Einer der bedeutendsten<br />
demographischen Trends für die<br />
zukünftige Wohnungsnachfrage ist<br />
– neben der Stagnation des bisherigen<br />
Bevölkerungswachstums – die<br />
Zunahme der älteren Menschen an<br />
der Gesamtbevölkerung, wobei die<br />
über 65-jährigen 2015 bereits über<br />
20 Prozent der Lüner Bevölkerung<br />
ausmachen.<br />
Fest steht, dass die Gruppe der<br />
Senioren zu einem bestimmenden<br />
Faktor der Wohnungsnachfrage wird.<br />
So gibt es Hinweise darauf, dass gerade<br />
die kompakten Stadtbereiche<br />
mit ihrer Infrastrukturdichte günstige<br />
Standortvoraussetzungen für die<br />
wachsende Gruppe der älteren Menschen<br />
bieten.<br />
� Kontakt<br />
Neugierig auf die Ausstellung geworden?<br />
Es gibt eine 40-seitige<br />
Begleitbroschüre, die kostenlos beim<br />
Wissenschaftsladen Bonn bestellt oder<br />
im Internet herunter geladen werden<br />
kann. Die Ausstellung „Fläche ohne<br />
Ende“ will auf ihrer Wanderschaft<br />
durch Nordrhein-Westfalen in möglichst<br />
vielen Städten eine breite Diskussion<br />
anregen. Im Jahr 2005 war sie<br />
bereits in Bergkamen, am Möhnesee,<br />
in Hamm und Lünen zu sehen.<br />
Auch im Jahr 2006 besteht noch die<br />
Möglichkeit, die Ausstellung in die eigene<br />
Stadt zu holen.Interessierte können<br />
sich unter Flaechennutzung@wilabonn.<br />
de, Tel. 0228 20161-0 oder unter<br />
www.wilabonn.de informieren.
� Agenda 21 in der Stadt <strong>Unna</strong><br />
„Für <strong>Unna</strong> handeln! –<br />
Der Hellweg und die weite Welt“<br />
von Joachim Schmidt<br />
Was ist aus der Agenda 21 geworden?<br />
Mit dem abstrakten<br />
Begriff aus der Rio-Konferenz der<br />
Vereinten Nationen aus dem Jahr<br />
1992 verbinden nach wie vor nur<br />
wenige konkrete Vorstellungen.<br />
Dabei finden gerade auf kommunaler<br />
Ebene sehr viele Projekte<br />
und Aktivitäten statt, die unter<br />
dem Leitbild der nachhaltigen<br />
Entwicklung Ökologie, Ökonomie<br />
und Soziales zum Wohle der Gemeinschaft<br />
nach vorne bringen.<br />
Am Beispiel der Stadt <strong>Unna</strong> wird<br />
im folgenden dokumentiert, welche<br />
Projekte der lokalen Agenda 21 erfolgreich<br />
waren und welche Aktivitäten<br />
weiter geplant sind.<br />
� Von Rio nach <strong>Unna</strong>!<br />
„Der Weg zu einer lebens- und liebenswerten<br />
Stadt!“ Bereits seit 1997<br />
ist die Agenda 21 Gegenstand vielfältiger<br />
Aktivitäten von Bürgerschaft, Verwaltung<br />
und Politik innerhalb der Stadt<br />
Energiemesse der Stadt <strong>Unna</strong> im Rathaus.<br />
Foto: Schmidt<br />
<strong>Unna</strong>. Erst kürzlich hat der Rat das<br />
bisherige Aktionsprogramm bewertet<br />
und ein neues Handlungskonzept zur<br />
lokalen Agenda 21 beschlossen. Darin<br />
wird ausführlich dargestellt, wie der<br />
bisherige Agenda 21-Prozess gestaltet<br />
und welche Arbeitsschwerpunkte für<br />
die Zukunft festgelegt wurden.<br />
Die Liste der Projekte und mitwir-<br />
AGENDA IM KREIS UNNA<br />
kenden Personen ist sehr umfangreich.<br />
Die Stadt <strong>Unna</strong> ist im Rahmen der<br />
lokalen Agenda 21 auf vielen Ebenen<br />
mit einer reichhaltigen Themenpalette<br />
aktiv. Eine umfassende und lückenlose<br />
Darstellung ist im Rahmen dieser<br />
Publikation nicht möglich. Die nachstehende<br />
Beschreibung beispielhafter<br />
Projekte konzentriert sich im Kern auf<br />
Themen aus dem Bereich Umwelt sowie<br />
„Eine Welt und Gerechtigkeit“.<br />
� Energiemesse<br />
Am 4. und 5. März 2006 findet<br />
die <strong>Unna</strong>er Energiemesse im Rathaus<br />
bereits zum 7. Mal statt. Das Projekt<br />
wurde von der Arbeitsgruppe „Energie,<br />
Wirtschaft, Konsum, Mobilität“<br />
ins Leben gerufen und ist inzwischen<br />
fester Bestandteil des <strong>Unna</strong>er Veranstaltungskalenders.<br />
Die Energiemesse findet immer am<br />
ersten Märzwochenende eines jeden<br />
Jahres, zeitgleich mit der Immobilienbörse<br />
der Sparkasse <strong>Unna</strong> statt. Über<br />
20 Aussteller und Firmen informieren<br />
im Rathaus und auf dem Vorplatz rund<br />
um das Thema Energie(sparen) sowie<br />
33
34 AGENDA IM KREIS UNNA<br />
modernste Haustechnik. Ein buntes<br />
Rahmenprogramm mit Vorträgen rundet<br />
die Veranstaltung ab, die gleichzeitig<br />
einen wichtigen Beitrag zum<br />
Klimaschutz und der damit zusammenhängenden<br />
Bewusstseinsbildung<br />
im Sinne der Agenda 21 leistet.<br />
� „Wir bauen Brücken“<br />
Ein weiteres wichtiges Thema der<br />
lokalen Agenda 21 in der Stadt <strong>Unna</strong><br />
war von Beginn an die weltweite humanitäre<br />
Hilfe.<br />
Die Arbeitsgruppe „Eine Welt und<br />
Gerechtigkeit“ hat schnell ermittelt,<br />
dass in <strong>Unna</strong> viele Gruppen, Vereine,<br />
Institutionen und Personen Entwicklungsprojekte<br />
in zahlreichen Ländern<br />
der Erde betreuen. In einer Broschüre<br />
– inzwischen neu aufgelegt – stellen<br />
sich fast 30 Initiativen aus <strong>Unna</strong> mit<br />
ihren Projekten in rund 20 Ländern<br />
Mittel- und Südamerikas, Afrikas,<br />
Asiens und Europas vor. Die Projekte<br />
sind vielfältig und individuell.<br />
Die Unterstützung umfasst technische<br />
Hilfe, Umweltschutz, Bildung<br />
und Schule, Gesundheitsvorsorge und<br />
Heilung, Frauenförderung, Kinderhilfe,<br />
Selbsthilfe, Integration, Förderung von<br />
Schulpatenschaften, Menschenrechte,<br />
fairen Handel, Austauschprojekte und<br />
vieles mehr.<br />
Einmal jährlich veranstalten die<br />
Aktionstag der „Eine-Welt-Gruppen” in<br />
der Bürgerhalle. Foto: Schmidt<br />
Initiativen den Aktionstag der „Eine-<br />
Welt-Gruppen“ in <strong>Unna</strong>, informieren<br />
über ihre Projekte und werben um<br />
Unterstützung.<br />
Zusätzlich informieren sie auf dem<br />
<strong>Unna</strong>er Weihnachtsmarkt in der<br />
„Blauen Bude“ über ihre weltweiten<br />
vorbildlichen Aktivitäten. Spenden<br />
und neue Mitstreiter sind jederzeit<br />
willkommen.<br />
� Ehrenamtlicher <strong>Natur</strong>schutz<br />
Der ehrenamtliche <strong>Natur</strong>schutz hat<br />
ebenso eine traditionell große Bedeutung<br />
in <strong>Unna</strong>. Viele Akteure tragen<br />
mit ihrem Engagement zu einer nachhaltigen<br />
Entwicklung von <strong>Natur</strong> und<br />
Landschaft im Stadtgebiet bei. Dabei<br />
erfolgt seit Jahren eine enge Kooperation<br />
zwischen den Beteiligten und der<br />
Verwaltung, die von allen parlamentarischen<br />
Gremien auf vielfältige Weise<br />
unterstützt wird. Als positive Beispiele<br />
sind zu nennen: Verein für Heimat<br />
und <strong>Natur</strong>, Mühlhausen/Uelzen e.V.<br />
Organisation des „Tag der Weide“ seit<br />
über 25 Jahren. Erwerb von über 20<br />
Flächen für den <strong>Natur</strong>schutz in einer<br />
Gesamtgröße von ungefähr 30 Hektar<br />
im Stadtgebiet <strong>Unna</strong>. Der Landerwerb<br />
wurde über Eigenmittel, Spenden,<br />
Zuschüsse und Förderprogramme realisiert.<br />
Durch die Akteure erfolgt eine<br />
kontinuierliche Pflege und ökologische<br />
Weiterentwicklung der Flächen und<br />
Biotope. Das Engagement ist bundesweit<br />
vorbildhaft.<br />
� Beschäftigungsmaßnahme<br />
„<strong>Natur</strong> und Umweltschutz“<br />
Das Projekt unter Leitung des Umweltbereichs<br />
der Stadt <strong>Unna</strong> blickt<br />
auf eine lange Laufzeit zurück. Seit<br />
Ende der 80er Jahre sind Langzeitarbeitslose<br />
unter fachlicher Anleitung<br />
damit beschäftigt, unterschiedliche<br />
<strong>Natur</strong>schutzmaßnahmen im Stadtgebiet<br />
<strong>Unna</strong> zu realisieren. Bis zu 20<br />
Teilnehmer in der Maßnahme pflanzen
Gehölze, durchforsten Waldflächen,<br />
gestalten Erlebnisräume, bauen Trockenmauern,<br />
pflegen Biotope, legen<br />
Wege an, errichten Amphibienschutzzäune<br />
oder renaturieren Flächen. Über<br />
eine sozialpädagogische Betreuung<br />
und fachliche Qualifizierung sollen die<br />
Arbeitslosen für das Berufsleben neu<br />
vorbereitet werden. Somit erhebt das<br />
Projekt einen hohen Anspruch sowohl<br />
an Erfordernisse des Umweltschutzes<br />
als auch der sozialen Integration.<br />
� „Saubere Landschaft“<br />
Auch diese spezielle Form des<br />
Bürgerengagements hat in <strong>Unna</strong> eine<br />
lange Tradition. In allen Ortsteilen<br />
finden in jedem Frühjahr regelmäßig<br />
Aktionen zur Dorfreinigung (Abfallbeseitigung<br />
aus der Landschaft) statt, an<br />
denen sich Schulklassen, Kindergärten,<br />
Ortsvereine, Sportclubs, <strong>Natur</strong>schutzgruppen,<br />
Feuerwehr, Landwirte,<br />
Schützenvereine, Kirchengemeinden u.<br />
v. m. aktiv beteiligen. Die ortsansässigen<br />
Medien berichten immer wieder<br />
gerne in Text und Bild über die vielen<br />
Aktivitäten und tragen damit positiv<br />
zur Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit<br />
bei. Die Aktionen werden auch<br />
durch die Stadtverwaltung unterstützt.<br />
So ermöglichen die Stadtbetriebe den<br />
Akteuren durch Bereitstellung von<br />
Sammelcontainern oder die Heraus-<br />
Gehölzpflanzungen in Hemmerde. Foto: Schmidt<br />
gabe von Deponie-Gutscheinen die<br />
Abgabe des eingesammelten Mülls an<br />
den Entsorgungseinrichtungen. Das<br />
Umweltamt unterstützt die freiwilligen<br />
und ehrenamtlichen Initiativen durch<br />
finanzielle Zuschüsse zu den traditionellen<br />
Verpflegungen nach vollbrachter<br />
Arbeit. In der Stadt <strong>Unna</strong> ist somit<br />
eine Bewegung entstanden, die in<br />
jedem Frühjahr zahlreiche Bürgerinnen<br />
und Bürger zusammenbringt, dem<br />
<strong>Natur</strong>- und Landschaftsschutz dient<br />
und damit auch dem Gedanken der<br />
lokalen Agenda 21 entspricht. Jedes<br />
Jahr finden rund zehn Aktionen mit<br />
insgesamt 150 bis 200 Teilnehmern<br />
statt. Der gleiche Teilnehmerkreis wirkt<br />
auch bei bürgerschaftlichen Pflanzaktionen<br />
mit.<br />
AGENDA IM KREIS UNNA<br />
� Initiative Kurpark Königsborn<br />
Im Jahr 1999 wurde der Förderverein<br />
Kurpark Königsborn e.V. gegründet.<br />
Die künftige Entwicklung dieser<br />
für <strong>Unna</strong> bedeutenden Grünfläche soll<br />
durch den Verein in Kooperation mit<br />
der Verwaltung konstruktiv begleitet<br />
werden. Auch die vielen auf dem<br />
Gelände aktiven Vereine und Institutionen<br />
wirken mit. Ein gemeinsames<br />
Konzept wurde entwickelt, das die<br />
Entstehung eines Kurparks „neuen<br />
Stils“ zum Ziel hat. Die Eckpunkte sind:<br />
Stärkung der vorhandenen Qualitäten,<br />
ökologische Aufwertung, Nutzung als<br />
Freizeit- und Erholungsstätte, Wiederbelebung<br />
der historischen Tradition<br />
sowie ästhetische Gestaltung. Viele<br />
Maßnahmen sind bereits realisiert.<br />
35
36 AGENDA IM KREIS UNNA<br />
Somit sind die Initiativen zum Kurpark<br />
Königsborn ebenfalls ein gutes Beispiel<br />
für nachhaltige Entwicklung im Sinne<br />
der lokalen Agenda 21.<br />
� Bildung und Beratung<br />
Die Bewusstseinsbildung für das Erkennen<br />
ökologischer Zusammenhänge<br />
und Nachhaltigkeitsaspekten wird in<br />
ihrer Bedeutung oft unterschätzt, ist<br />
jedoch wichtiger denn je. Dies sollte<br />
spätestens seit den <strong>Natur</strong>?-Katastrophen<br />
oder Terroranschlägen der jüngsten<br />
Vergangenheit mit ihren Folgen<br />
für Ökologie, Ökonomie und Soziales<br />
deutlich geworden sein. Auch aus die-<br />
Am Kurpark in <strong>Unna</strong>-Königsborn. Foto: Schmidt<br />
ser Erkenntnis heraus unterstützt die<br />
Stadt <strong>Unna</strong> seit vielen Jahren Projekte<br />
im Bereich Bildung und Beratung zu<br />
Umwelt-, Verbraucher- und Agenda<br />
21-Themen:<br />
� Umweltberatungszentrum<br />
Im Umweltberatungszentrum sind<br />
mehrere Institutionen aktiv: Umweltberatung,<br />
Verbraucherzentrale NRW<br />
e.V. mit Umwelt-, Abfall-, Energie- und<br />
Pflegeberatung, Stadtbetriebe <strong>Unna</strong><br />
und der Allgemeine Deutsche Fahrradclub<br />
(ADFC). In einem Ladenlokal<br />
des Rathauses wird umfassend zu<br />
allen Themen rund um Umwelt- und<br />
Verbraucherfragen beraten. Darüber<br />
hinaus besteht die Möglichkeit, Informationsbroschüren<br />
und andere Artikel<br />
käuflich zu erwerben. Auch werden<br />
Korken zum Recycling oder alte Batterien<br />
entgegengenommen.<br />
� Stadtökologischer Erlebnispfad<br />
Ein Projektvorschlag aus dem Handlungskonzept<br />
Agenda 21 war die<br />
Errichtung eines stadtökologischen<br />
Erlebnispfades in <strong>Unna</strong>. Für das Projekt<br />
haben sich viele Bürgerinnen und<br />
Bürger zu einer Arbeitsgruppe zusammengeschlossen<br />
und gemeinsam den<br />
Erlebnispfad entwickelt und realisiert.<br />
Grundlage war eine Diplomarbeit von<br />
Kai Zimmermann zum Thema. Nach<br />
einem langen Diskussionsprozess,<br />
vielen Abstimmungsgesprächen und<br />
Werben um Fördermittel und Sponsorengelder<br />
wurde der Erlebnispfad (4,6<br />
Kilometer lang, 21 Stationen) in <strong>Unna</strong>s<br />
Innenstadt im August 2005 feierlich<br />
eröffnet. Der Stadtökologische Erlebnispfad<br />
wird in diesem NFG-Report<br />
von Rolf Böttger ausführlich vorgestellt<br />
(siehe Seite 48).<br />
� Weitere Initiativen<br />
Die bisher beschriebenen langfristigen<br />
Projekte und Aktivitäten können<br />
nur einen kleinen Überblick über den<br />
breit angelegten Prozess der Lokalen
Agenda 21 in <strong>Unna</strong> vermitteln. Viele<br />
weitere Initiativen und Maßnahmen<br />
wurden unterstützt und realisiert.<br />
Beispiele sind:<br />
� „Lebendige Schule in einer lebendigen<br />
Stadt“ (Umweltwettbewerb)<br />
� Weltkindertag<br />
� Diavortrag Rüdiger Nehberg<br />
� Internetwettbewerb „Komm mit<br />
– mach Stadt“<br />
� Aktion „Der Pott kocht fair“<br />
� Skudden-Projekt Mühlhausen,<br />
Förderung<br />
� „Eine-Welt-Kalender“, Geschwister<br />
Scholl-Gymnasium<br />
� Finanzielle Unterstützung einer thermischen<br />
Solaranlage, Gesamtschule<br />
Königsborn<br />
� Wettbewerb „Zukunftsfähige Kommune“<br />
� Aktion „König von <strong>Unna</strong>“<br />
� Radiosendung Agenda 21<br />
� Themen-Radtouren<br />
� Teilnahme am „Gesundmarkt“<br />
� „Klimastaffel“<br />
� Tag der Regionen<br />
� Tag des bürgerschaftlichen Engagements<br />
� Ideenwettbewerb „Neues Logo<br />
Agenda 21“<br />
Eine umfangreiche Dokumentation<br />
und Beschreibung sämtlicher<br />
Aktivitäten ist im Handlungskonzept<br />
Lokale Agenda 21 der Stadt <strong>Unna</strong><br />
nachzulesen.<br />
� Ausblick und Planung<br />
Der Prozess der Lokalen Agenda<br />
21 in <strong>Unna</strong> steht nicht still und entwickelt<br />
sich dynamisch weiter. Auch<br />
die drei jüngsten Projekte aus dem<br />
neuen Handlungskonzept zielen darauf<br />
ab, als Verwaltung vorbildhaft im<br />
Sinne der Nachhaltigkeit zu arbeiten,<br />
bürgerschaftliches Engagement zu<br />
aktivieren und langfristige Strategien<br />
zu entwickeln:<br />
� Ökoaudit Rathaus <strong>Unna</strong><br />
Eine Projektgruppe der Verwal-<br />
AGENDA IM KREIS UNNA<br />
tung untersucht das Rathaus und<br />
den städtischen Fuhrpark hinsichtlich<br />
Ressourcenverbrauch, Umweltschutz<br />
und Maßnahmen zur Reduzierung von<br />
Materialeinsätzen.<br />
� Informationsabende<br />
Unter Beteiligung der jeweiligen<br />
Ortsvorsteher werden themenbezogene<br />
Veranstaltungen in den Ortsteilen<br />
organisiert. Daraus werden gemeinsame<br />
Projekte und Maßnahmen des ehrenamtlichen<br />
Engagements entwickelt<br />
und realisiert.<br />
� Nachhaltigkeitsindikatoren<br />
Diese Thematik gewinnt auch im<br />
Hinblick auf das Neue Kommunale<br />
Finanzmanagement (NKF) zunehmend<br />
an Bedeutung. Unter Orientierung an<br />
Zieldefinitionen entwickelt eine Arbeitsgruppe<br />
der Verwaltung geeignete<br />
Indikatoren und implementiert diese<br />
in die Produktbücher des städtischen<br />
Haushalts.<br />
37
38 AGENDA IM KREIS UNNA<br />
� Agenda 21-Prozess in Fröndenberg/Ruhr<br />
Versuch einer Darstellung am Beispiel der<br />
Fröndenberger LA 21-Gruppe<br />
von Barbara Streich<br />
Der politische Wille, die Charta<br />
von Aalborg zu unterzeichnen und<br />
den Startschuss für den Beginn<br />
eines Agendaprozesses zu ermöglichen,<br />
wurde ab 1998 parteien-<br />
übergreifend in Fröndenberg/Ruhr<br />
formuliert. Der Rat der Stadt<br />
erteilte im Rahmen verschiedener<br />
Beschlussfassungen (Haushaltssatzung,<br />
Einrichtung ABM, Personalentscheidungen)<br />
seine förmliche<br />
Zustimmung zur Initiierung des<br />
Agendaprozesses im Bereich der<br />
Stadt Fröndenberg/Ruhr.<br />
Am 9. Juni 1999 wird folgender<br />
Beschluss gefasst: „Der Rat bekräftigt<br />
nochmals und ausdrücklich, dass<br />
in der Stadt Fröndenberg/Ruhr der<br />
Agendaprozess durchgeführt wird<br />
und beschließt die Unterzeichnung<br />
der Charta von Aalborg.“ Den Auftakt<br />
zum Agendaprozess machte eine vom<br />
Agendabüro der Stadt Fröndenberg/<br />
Ruhr begleitete Veranstaltung am 8.<br />
Juni 1999 in der Gesamtschule. Aus<br />
dieser Auftaktveranstaltung heraus,<br />
bildeten sich vier Agenda-Arbeitsgruppen,<br />
nämlich „Wirtschaft und Arbeit“,<br />
„Freizeit, Kultur und Soziales Leben“,<br />
„Lebensraum Stadt, Stadtentwicklung“<br />
und „Umwelt- und <strong>Natur</strong>schutz/<br />
Landwirtschaft“.<br />
Im Folgenden wird versucht, die<br />
nachhaltige Arbeit der Lokalen Agendagruppe<br />
„Umwelt- und <strong>Natur</strong>schutz/Landwirtschaft“<br />
darzustellen,<br />
ohne dabei den Anspruch zu haben,<br />
dies in Vollständigkeit zu tun. Vorbemerkungen:<br />
Wichtig für die Agendaarbeit<br />
war und ist die kontinuierliche<br />
Begleitung durch das Agendabüro<br />
des Rathauses. Seit circa fünf Jahren<br />
leistet Hubert Sallamon kompetent als<br />
zuständiger Mitarbeiter Arbeiten wie<br />
Einladungs- und Protokollerstellung<br />
und Koordination und Begleitung der<br />
Gruppenarbeit. Der Agendaarbeit<br />
steht, beginnend mit dem Jahr 2002,<br />
erstmals ein Etat von jährlich 5.000,00<br />
Euro zur Verfügung.<br />
Die Arbeitsgruppe „Umwelt- und<br />
<strong>Natur</strong>schutz/Landwirtschaft“ besteht<br />
zur Zeit (2005) aus elf Aktiven und<br />
tagt regelmäßig einmal im Monat. Um<br />
die Gruppe nach innen und außen zu<br />
stärken und zu vertreten, teilt sich ein<br />
„Trio“ die Arbeit: Diane Bruners als<br />
Gruppensprecherin, Heike Niemand<br />
als Stellvertreterin und Barbara Streich<br />
als Presse- und Öffentlichkeitssprecherin.<br />
Die Agendagruppe ist jederzeit<br />
offen für interessierte Bürgerinnen und<br />
Bürger.<br />
� Rückblick<br />
In diesen nunmehr sieben Jahren<br />
seit der Installation der LA 21 in Fröndenberg/Ruhr<br />
hat es in der Gruppe<br />
eine Vielzahl von Themen gegeben,<br />
die diskutiert, bearbeitet und zum Teil<br />
auch umgesetzt wurden. Am 17. August<br />
1999 traf sich die Arbeitsgruppe<br />
„Umwelt- und <strong>Natur</strong>schutz/Landwirtschaft“<br />
zum ersten Mal. In den anfänglichen<br />
Sitzungen „tasteten“ sich<br />
die Teilnehmer an Themen, die sie bearbeiten<br />
wollten heran. Schaffung von<br />
Spielräumen für Kinder, Verständnis<br />
für Zusammenhänge in der <strong>Natur</strong>, der<br />
Umwelt und der Landwirtschaft und<br />
gesunde Ernährung – mit diesen noch
Der Stand eines regionalen Gartenbaubetriebes auf dem Frühlingsmarkt 2004. Foto: Streich<br />
recht allgemein formulierten Themen<br />
wollte sich die Gruppe beschäftigen.<br />
Unter Zuhilfenahme von Referenten<br />
stand so zum Beispiel der „<strong>Natur</strong>nahe<br />
Spielplatz“ in der Diskussion. Im<br />
Jahr 2000 diskutierte die Gruppe die<br />
Neuaufstellung des Landschaftsplans.<br />
Überlegungen zu einer Direktvermarktungsbroschüre<br />
für Fröndenberg/Ruhr<br />
scheiterten zwar – mit Hinweis auf die<br />
damalige <strong>Kreis</strong>broschüre – an der nicht<br />
bewilligten Finanzierung.<br />
� Bauern- und Frühlingsmarkt<br />
Aber aus der Beschäftigung mit<br />
regionaler Vermarktung entstand die<br />
Idee, sich zum „Tag der Regionen“<br />
am 30. September 2001 mit einem<br />
AGENDA IM KREIS UNNA<br />
Agendamarkt zu beteiligen: Dies war<br />
die „Geburt“ des „1. Fröndenberger<br />
Bauernmarktes“. Dazu formulierte die<br />
Gruppe folgende Ziele:<br />
� Förderung regionaler Vermarktung<br />
� Stärkung bäuerlicher Familienunternehmen<br />
� Entlastung der Umwelt durch kurze<br />
Transportwege<br />
39
40 AGENDA IM KREIS UNNA<br />
� Höheres Vertrauen in frische und<br />
hochwertige Nahrungsmittel<br />
Der Agenda-Bauernmarkt sollte<br />
aber nicht nur aus lokalen/regionalen<br />
bäuerlichen Direktvermarktern<br />
bestehen. Es sollten weitere Aspekte<br />
von Agenda berücksichtigt werden.<br />
So kamen der Eine-Welt-Laden der Ev.<br />
Kirchengemeinde, Unicef und erfreulicherweise<br />
ein Stand mit Umweltzentrum,<br />
der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
und der Biologischen Station des<br />
<strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> hinzu. Mit der Maßgabe,<br />
regionale und/oder ökologische<br />
Produkte einzusetzen, wurde die<br />
gesamte Bewirtung an ehrenamtlich<br />
arbeitende Vereine und Fördervereine<br />
übertragen.<br />
Schließlich sollte ein attraktives<br />
Beiprogramm die Besucher dazu<br />
bewegen, länger auf dem Markt zu<br />
verweilen. Dabei setzte die Agendagruppe<br />
verstärkt auf Angebote<br />
für Kinder, die zum Mitmachen und<br />
kreativem Gestalten anregen sollten.<br />
Zur Finanzierung des Kultur- und<br />
Kinderprogramms wurden Sparkasse<br />
und Stadtwerke „ins Boot geholt“.<br />
Schließlich kam und kommt der guten<br />
Zusammenarbeit mit dem „Kulturverein<br />
Kettenschmiede“ eine besondere<br />
Bedeutung zu. So können die Besucher<br />
der Agendamärkte auch gleichzeitig<br />
Ministerin Bärbel Höhn war Schirmherrin<br />
des Frühlingsmarktes 2005.<br />
Foto: Grüne NRW<br />
das ganztägig geöffnete Schmiedemuseum<br />
mit seinen Ausstellungsstücken<br />
und Vorführungen anschauen.<br />
Die Ausrichtung des ersten Fröndenberger<br />
Bauernmarktes stellte sich<br />
als großer Erfolg dar. Aus unterschiedlichen<br />
Richtungen erfuhren die damals<br />
fünf Aktiven eine außerordentlich<br />
positive Resonanz. Es wurde der<br />
Wunsch an die Gruppe herangetragen,<br />
mit einem weiteren Agendamarkt<br />
nicht bis in einem Jahr zu warten. Mit<br />
dem „Frühlingsmarkt“, zeitgleich mit<br />
der Eröffnung der Kettenschmiede<br />
am ersten Sonntag im April, installierte<br />
die Gruppe so einen weiteren<br />
Agendamarkt. Dieser gab passend<br />
zur Jahreszeit heimischen Gärtnern,<br />
Landschaftsgärtnern und Betrieben<br />
rund um Haus und Garten die Möglichkeit,<br />
sich zu präsentieren. Sowohl<br />
das Konzept des Kultur-und Kinderprogrammes<br />
als auch das der Bewirtung<br />
wurden weitergeführt.<br />
Am 2. Oktober 2005 fand der mitt-<br />
lerweile „5. Fröndenberger Bauernmarkt“<br />
im Landschaftspark Ruhraue<br />
zum „Tag der Regionen“/Erntedankfest<br />
statt. Seit dem 2. Bauernmarkt<br />
wird dieser mit einem von beiden<br />
Kirchen veranstalteten Ökumenischen<br />
Gottesdienst bereichert. Der<br />
„5. Fröndenberger Frühlingsmarkt“<br />
ist in Planung. Die Agendamärkte der<br />
LA21-Gruppe sind mittlerweile zu<br />
einem festen Bestandteil des Fröndenberger<br />
Veranstaltungsangebotes
geworden, mit dem die Stadt auch<br />
kreisweit wirbt.<br />
� Karitative Projekte<br />
Durch Sammlung von Spendengeldern<br />
bei den Ausstellern für einen sozialen<br />
Zweck erzielte die Agendagruppe<br />
zwischen 450.- und 700.- Euro, die<br />
ökologischen und karitativen Projekten<br />
wie „Urlaub ohne Koffer“, „Stentroper<br />
Gärten“ oder der pädagogischen Umweltarbeit<br />
mit Kindern in der „Windmühle“<br />
zugute kamen.<br />
Seit Herbst 2003 begleiten Schirmherrschaften<br />
die Märkte der LA 21, so<br />
waren die Landräte Gerd Achenbach<br />
und Michael Makiolla sowie die Landesministerin<br />
Bärbel Höhn (Frühlingsmarkt<br />
2005) in dieser Funktion vor Ort<br />
und konnten sich von Angebot und<br />
Qualität der Agenda-Veranstaltung<br />
ein eigenes Bild machen.<br />
Die Agendagruppe „Umwelt- und<br />
<strong>Natur</strong>schutz/Landwirtschaft“ hat sich<br />
in den vergangenen Jahren aber nicht<br />
nur mit den Agendamärkten und deren<br />
kontinuierlicher Weiterentwicklung<br />
beschäftigt.<br />
� Weitere Erfolge<br />
Es gab eine Vielzahl von weiteren<br />
Projekten, die bearbeitet wurden. Hier<br />
seien nur einige genannt: Im Frühsommer<br />
2002 setzte sich die Agendagrup-<br />
pe erfolgreich dafür ein, den über 100<br />
Jahre alten Laubbaumbestand nicht<br />
einem fragwürdigen touristischen<br />
Ausbau des Bismarckturms auf der<br />
Wilhelmshöhe zu opfern. „Tourismus<br />
könne nur mit und nicht gegen die<br />
<strong>Natur</strong> entwickelt werden“, so der<br />
Wortlaut des Agenda-Antrags. Diesem<br />
Argument folgte der zuständige<br />
Fachausschuss einstimmig, gegen die<br />
Verwaltungsvorlage.<br />
Im September des gleichen Jahres<br />
stand eine Podiumsdiskussion auf dem<br />
Programm, die in Kooperation mit der<br />
Evangelischen Kirchengemeinde veranstaltet<br />
wurde. Zum Thema „Agrarwende:<br />
Sinn oder Unsinn“ diskutierten<br />
zwei Landwirte und die Bundestagskandidaten<br />
aus dem <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> unter<br />
der Leitung eines Kirchenreferenten.<br />
Vor und mit einer engagierten und interessierten<br />
Zuhörerschaft wurden die<br />
unterschiedlichen Wege zu Themen<br />
wie Intensiv- oder Freilandhaltung,<br />
Tiertransporte, Verbraucherschutz<br />
oder künftige Ausrichtung der Landwirtschaft<br />
deutlich.<br />
Am 5. Dezember 2002 nahmen<br />
Agendamitglieder an der Tagung und<br />
Besichtigungstour anlässlich „10 Jahre<br />
Öko-Stadt Hamm“ teil. Sie waren beeindruckt<br />
von den unterschiedlichen<br />
Projekten und konnten Anregungen<br />
für die weitere Arbeit vor Ort erhalten.<br />
AGENDA IM KREIS UNNA<br />
Um für sich selbst, aber auch für die<br />
Öffentlichkeit ein Resümee der bisher<br />
geleisteten Agendaarbeit zu ziehen,<br />
beschloss die Gruppe im Oktober<br />
2002, sich an eine Dokumentation<br />
heranzuwagen.<br />
Es sollte diese in Form einer Wanderausstellung<br />
und als Heft erstellt<br />
werden. Das Vorhaben erwies sich als<br />
ein langwieriger, zum Teil schwieriger<br />
Prozess. Es erforderte eine Vielzahl<br />
von Sitzungen, in denen Konzepte<br />
erarbeitet wurden, über Gestaltung,<br />
Bearbeitung der Themenfelder, Fotoeinsatz<br />
und Präsentation kreativ „gestritten“<br />
wurde. Zur Beratung wurde<br />
eine Grafikerin hinzugezogen. Am 13.<br />
Juli 2004 war es endlich soweit: Die<br />
als Wanderausstellung konzipierte Dokumentation,<br />
mit Geldern des <strong>Kreis</strong>es<br />
bezuschusst, konnte in Anwesenheit<br />
von Bürgermeister Egon Krause und<br />
dem Leiter des Fachbereichs <strong>Natur</strong><br />
und Umwelt des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>, Ludwig<br />
Holzbeck, der Presse und der Öffentlichkeit<br />
präsentiert werden.<br />
Um über den eigenen „Tellerrand“<br />
hinauszuschauen, nahmen zwei Agendamitglieder<br />
an der Fachtagung des<br />
Landkreistages im Februar 2005 in<br />
Emsdetten teil. Neben verschiedenen<br />
Anregungen konnten hier auch<br />
Kontakte geknüpft werden. Aus einer<br />
Teilnahme an der Jahrestagung der<br />
41
42 AGENDA IM KREIS UNNA<br />
Landesagenda NRW entwickelte sich<br />
der Wunsch nach einer Anbindung.<br />
Dem Agendaantrag auf Mitgliedschaft<br />
stimmte die Politik zu; die Kommune<br />
Fröndenberg/Ruhr ist somit seit dem<br />
22. August 2005 Mitglied der Landesagenda.<br />
Aktuell beschäftigt sich<br />
die Agendagruppe mit zwei Themen:<br />
Feinstäube und Gentechnologie. Zum<br />
Thema Feinstäube und Rußpartikelfilter<br />
ließ sich die Gruppe im Juli 2005 bei<br />
der Firma HJS in Menden über diese<br />
Problematik informieren. In einem Antrag<br />
an den Bürgermeister Egon Krause<br />
soll bei zukünftigen Auftragsvergaben<br />
für Schulbusse/ÖPNV die Ausstattung<br />
mit Dieselrußfiltern gefordert werden,<br />
zum Wohl unserer Kinder und unserer<br />
Umwelt. Weiterhin wird gerade eine<br />
Veranstaltung über fair gehandelte<br />
und produzierte Blumen vorbereitet.<br />
� Ausblick<br />
Die LA 21-Gruppe „Umwelt- und<br />
<strong>Natur</strong>schutz/Landwirtschaft“ will<br />
auch zukünftig den von ihr eingeschlagenen<br />
Weg der Stärkung von Strukturen<br />
und Inhalten der Regionalisierung<br />
weitergehen, um so einen Beitrag im<br />
Sinne einer nachhaltigen Entwicklung<br />
zum Wohle ihrer Bürgerinnen und<br />
Bürger zu leisten.<br />
� Danksagung<br />
Im Namen unserer Agendagruppe<br />
möchte ich mich für Unterstützung<br />
und Begleitung bei folgenden Personen<br />
und Einrichtungen bedanken:<br />
Bürgermeister Egon Krause, den Landräten<br />
Gerd Achenbach und Michael<br />
Makiolla, Ludwig Holzbeck, Birgit<br />
Manz und Ralf Sänger, der Sparkasse<br />
und den Stadtwerken Fröndenbergs<br />
und last but not least Agendakoordinator<br />
Hubert Sallamon.
� Die Stentroper Gärten<br />
Es ist angerichtet –<br />
Augenschmaus und Gaumenfreude<br />
von Carola Bartelheimer<br />
Von leuchtenden roten, fruchtigen<br />
Tomaten bis zu deftigem Wirsing,<br />
von scharfen Rettichen bis zu<br />
knackigen Salaten: Gemüse frisch<br />
aus dem Garten ist ein gesunder<br />
Genuss. Dabei braucht man nicht<br />
unbedingt einen eigenen Garten<br />
zu haben.<br />
Hiervon konnten sich 20 Familien<br />
aus dem Raum Fröndenberg, Menden,<br />
Holzwickede und Bergkamen im vergangenen<br />
Jahr überzeugen. Sie „mieteten“<br />
im Frühjahr 2005 eine Gemüseparzelle<br />
in den „Stentroper Gärten“<br />
und konnten bis Ende Oktober laufend<br />
Spinat, Radieschen, Kohlrabi, Bohnen,<br />
Möhren und noch ungefähr 20 andere<br />
Gemüsearten sowie aromatische Kräuter<br />
und Sommerblumen ernten.<br />
Das GemüseSelbstErnte-Projekt der<br />
Oase Stentrop, dem Bildungs- und Begegnungszentrum<br />
des Evangelischen<br />
Kirchenkreises <strong>Unna</strong>, basiert auf einer<br />
aus Österreich stammenden Idee, die<br />
1999 erstmals in Deutschland erfolg-<br />
reich umgesetzt wurde. Das Prinzip<br />
ist einfach: Eine Ackerfläche wird mit<br />
verschiedenen Gemüsearten, Kräutern<br />
und Blumen aus ökologischer Anzucht<br />
eingesät bzw. bepflanzt und in Beete<br />
eingeteilt. Die jeweils circa 80 Quadratmeter<br />
großen Parzellen werden<br />
AGENDA IM KREIS UNNA<br />
Ganz gleich ob knackige Möhren oder schmackhafte Radieschen: Sie sind aus<br />
dem eigenen Garten immer ein besonderer Genuss. Foto: Archiv<br />
von Frühjahr bis Herbst gegen einen<br />
festen Saisonbetrag an Verbraucher<br />
übergeben. Sie verpflichten sich zur<br />
Einhaltung der Richtlinien des ökologischen<br />
Landbaus und übernehmen<br />
in ihrem „Garten auf Zeit“ über den<br />
Sommer sämtliche Pflegearbeiten<br />
43
44 AGENDA IM KREIS UNNA<br />
(Beikrautregulierung, Nachsaat der<br />
abgeernteten Reihen). Dafür können<br />
sie viel Gemüse ernten – erfahrungsgemäß<br />
reicht eine Parzelle aus, um eine<br />
vierköpfige Familie eine Saison lang<br />
mit frischem Gemüse zu versorgen.<br />
Die Oase Stentrop stellt Wasser zur<br />
Verfügung und sorgt für eine regelmäßige<br />
gartenbauliche Beratung, so<br />
dass auch Gartenneulinge Ernteerfolge<br />
verbuchen können. Ist die Fläche Ende<br />
Oktober abgeerntet, wird die Parzelle<br />
zur Einarbeitung der Ernterückstände<br />
und Bodenbearbeitung zurückgegeben.<br />
Im nächsten Frühjahr entscheiden<br />
die Nutzer neu, ob sie eine weitere<br />
Saison an dem GemüseSelbstErnte-<br />
Projekt teilnehmen möchten.<br />
Der naturgemäße Gemüseanbau<br />
in den Stentroper Gärten hat somit<br />
einen mehrfachen Nutzen: Das<br />
Erfolgserlebnis reicher Ernten von<br />
gesundem, knackig frischem Gemüse<br />
und das Bewusstsein, zur Erhaltung<br />
der Umwelt beizutragen. Überdies<br />
bietet das Projekt zahlreiche weitere<br />
Perspektiven:<br />
� Gartenarbeiten als Ausgleich<br />
zum Alltag,<br />
� Erholung im Grünen und Bewegung<br />
an der frischen Luft,<br />
� sinnvolle Freizeitgestaltung mit<br />
der ganzen Familie,<br />
� direkte Begegnung mit der <strong>Natur</strong><br />
und der Schöpfung …<br />
� Kontakt<br />
Wenn Sie in der Gartensaison 2006<br />
eine Parzelle übernehmen möchten,<br />
nehmen wir Ihre Anmeldung gerne<br />
entgegen. Weitere Information bei:<br />
Oase Stentrop, Bildungs- und Begegnungszentrum<br />
des Ev. Kirchenkreises<br />
<strong>Unna</strong>, Stentroper Weg 35, 58730<br />
Fröndenberg – Stentrop, Tel. 02303<br />
288-129 (H. Schiefer), internet: www.<br />
oase-stentrop.de
� Nachhaltigkeit konkret – zeigen, „wie das geht“<br />
Beispiele aus der Praxis –<br />
für die Praxis<br />
von Jutta Eickelpasch<br />
Erfahrungen und Gespräche<br />
mit einzelnen Interessierten und<br />
größeren Gruppen machten<br />
auch 2005 oft genug deutlich:<br />
Dem ‘Durchschnittsbürger’ sind<br />
Begriffe wie Nachhaltigkeit im<br />
Allgemeinen und ‘Fairer Handel’<br />
im Besonderen immer noch nicht<br />
ausreichend bekannt, obwohl die<br />
Konferenz von Rio, in der sie zum<br />
vorrangigen Ziel und Schlagwort<br />
wurde, schon mehr als zehn Jahre<br />
zurückliegt.<br />
Um so wichtiger ist es, sie ganz<br />
konkret mit Leben zu füllen – immer<br />
wieder, an verschiedenen Orten, von<br />
verschiedenen Institutionen und Multiplikatoren.<br />
� Die Buchtauschbörse<br />
Bei verschiedenen Aktionen der<br />
Umweltberatung beteiligten sich Hunderte<br />
Kamenerinnen und Kamener,<br />
handelten nachhaltig, hatten Spaß<br />
an der Sache, ohne dass explizit von<br />
Nachhaltigkeit gesprochen wurde oder<br />
das Wort auch nur auftauchte. Das<br />
schönste Beispiel: Die Buchtauschbörse<br />
der Verbraucherzentrale in<br />
Kooperation mit dem Bürgerhaus in<br />
Kamen-Methler.<br />
Sätze wie „Guck mal – der Roman<br />
AGENDA IM KREIS UNNA<br />
„Nehme ich Janosch oder doch lieber Mickey-Mouse?” – Die Buchtauschbörse ist<br />
auch bei den Kleinen ganz beliebt. Foto: Eickelpasch<br />
‘Nicht ohne meine Tochter‘ ist gleich<br />
fünfmal dabei!“ oder „Endlich haben<br />
wir wieder Zeit gehabt, unser Bücherregal<br />
auszumisten!“ oder „Dieses<br />
Janoschbuch musst du unbedingt mitnehmen,<br />
das ist bei unseren Kindern<br />
ganz besonders angekommen!“ oder<br />
45
46 AGENDA IM KREIS UNNA<br />
„ Ich trenne mich wirklich ungern von<br />
den alten Krimis, aber ich muss mal<br />
Platz für `was Neues machen.“ waren<br />
überall zu hören. Die Buchtauschbörse<br />
im Bürgerhaus Methler ist mittlerweile<br />
zu einer beliebten Institution<br />
geworden.<br />
Die Umweltberatung der Verbraucherzentrale<br />
versucht seit vielen Jahren<br />
die Bedeutung von nachhaltigem Konsum<br />
zu kommunizieren und vor allem,<br />
diese Idee für den Verbraucher mit<br />
Leben zu füllen und konkrete Handlungsmöglichkeiten<br />
aufzuzeigen.<br />
Das Prinzip der Tauschbörse: Alte<br />
Bücher werden zusammengesucht und<br />
eine Woche im Bürgerhaus gesammelt.<br />
Jeder, der in der einen Woche Bücher<br />
abgibt, erhält einen Gutschein und<br />
darf in der darauffolgenden Abholphase<br />
sich neue, alte Bücher aussuchen.<br />
Jeder Tauscher darf höchstens die<br />
Menge an Büchern mitnehmen, die<br />
er auch abgeben hat. Die Erfahrung<br />
zeigt, dass meistens etwas weniger<br />
wieder mitgenommen werden. Ein<br />
Tauscher, der – was auch einen vorläufigen<br />
Rekord darstellt – 120 alte<br />
Krimis abgab, wollte nur zwei Dutzend<br />
neue Bücher wieder mitnehmen. Um<br />
die 3.000 Bücher, die pro Tauschbörse<br />
ihre Besitzer wechseln, werden von<br />
den Organisatorinnen mühevoll geordnet,<br />
um den Tauschenden später<br />
die Auswahl zu erleichtern.<br />
Da gibt es die umfangreiche Romanecke,<br />
die beliebte Kinderecke,<br />
die interessante Sachbuchecke, den<br />
spannenden Tisch mit Weltliteratur,<br />
die begehrte Konsalik- und Simmelecke,<br />
die informativen Biographien und<br />
– nicht zu vergessen – die atemberaubenden<br />
Krimis. Die Buchtauschbörse<br />
sorgt für Begegnung und Austausch<br />
– im wahrsten Sinne des Wortes. Jeder,<br />
der mitmacht, entrümpelt seinen<br />
Keller, seine Regale, verabschiedet sich<br />
von dem, was er nicht (mehr) braucht,<br />
ohne es gleich in die Mülltonne zu<br />
werfen. Gibt es ein besseres Beispiel<br />
für praktizierte Nachhaltigkeit? In den<br />
letzen sechs Jahren wurden bei sechs<br />
Tauschbörsen rund 15.000 Bücher<br />
getauscht.<br />
Bei jeder Aktion bleiben einige<br />
hundert Bücher übrig, die zwar keinen<br />
Abnehmer finden, aber immer noch<br />
zu schade für den Altpapiercontainer<br />
sind. Diese werden Jahr für Jahr für<br />
Cent-Beträge an Interessierte abgegeben.<br />
Das Geld, das hier eingenommen<br />
wird, fließt in eine jährliche stattfindende<br />
Kinder-Umwelt-Aktion von<br />
Verbraucherzentrale und Bürgerhaus<br />
– ist also wirklich nachhaltig angelegt.<br />
Die Buchtauschbörse ist sicher eins der<br />
anschaulichsten Beispiele für gelebte<br />
Nachhaltigkeit: ökologisch sinnvoll,<br />
ökonomisch interessant und förderlich<br />
für das soziale Miteinander.<br />
� Nachhaltig Einkaufen<br />
Ganz bewusst beim Händler in<br />
meiner Stadt einkaufen, die Eier von<br />
‘glücklichen Hühnern’ des Nachbarbauern<br />
besorgen, den Honig beim<br />
Kamener Imker bestellen, den Apfelsaft<br />
von <strong>Unna</strong>er Streuobstwiesen<br />
bevorzugen – vier weitere Beispiele<br />
für nachhaltiges und verantwortungsvolles<br />
Konsumieren. „Nachhaltigkeit“<br />
hat also keineswegs immer etwas mit<br />
Askese oder Verzicht zu tun: So kann<br />
selbst das Trinken einer köstlichen<br />
Tasse Espresso nachhaltig sein – wenn<br />
es sich dabei um „fairen“ Kaffee<br />
handelt, kann auch hier getrost von<br />
einem Stück Nachhaltigkeit gesprochen<br />
werden.<br />
Produkte aus fairem Handel unterstützen<br />
die Produzenten in den<br />
Entwicklungsländern. Der Betrag,<br />
den der Verbraucher mehr zahlt als<br />
für herkömmliche Produkte, dient<br />
ganz konkret der Verbesserung der<br />
Lebensverhältnisse der Arbeiter vor<br />
Ort – er fließt in garantierte Mindestlöhne,<br />
in den Bau eines Brunnens<br />
oder einer Schule, oder er kommt der<br />
Verbesserung der Arbeitsverhältnisse<br />
oder des Gesundheitschutzes zugute.<br />
Der Mehrpreis dient zugleich der Ver-
esserung der Produktqualität. Viele<br />
Produkte werden nach Biorichtlinien<br />
angebaut oder zumindest in Anlehnung<br />
daran. Es gibt Kaffee aus Fairem<br />
Handel, Tee, Cappuccino, mittlerweile<br />
auch Schokolade und eine Vielzahl<br />
an Non-Food-Produkten. Ob etwas<br />
wirklich fair gehandelt ist, erkennt man<br />
an den geschützten Siegeln. Am weitesten<br />
verbreitet und wohl am ehesten<br />
bekannt ist das TransFair-Siegel.<br />
� Nachhaltigkeit macht Spaß<br />
Kleine Fußballer machen es vor: Mit<br />
verschiedenen Aktionen versucht die<br />
Umweltberaterin der Verbraucherzentrale,<br />
der breiten Masse, nicht nur<br />
Kleingruppen aus der „Ökoszene“, den<br />
Nutzen von fair-gehandelten Produkten<br />
näher zu bringen. Primäres Ziel:<br />
Faire Produkte kennen und wissen, wo<br />
ich sie in meiner Stadt kaufen kann.<br />
Durch Marktchecks und daraus entstehenden<br />
kleinen Einkaufsratgebern<br />
wird der Kauf dieser Produkte vereinfacht<br />
und gleichzeitig das heimische<br />
Angebot transparenter gemacht. In<br />
Kooperation mit dem Fachbereich<br />
Planung und Umwelt der Stadt Kamen<br />
führte die Umweltberatung verschiedene<br />
Veranstaltungen durch, in denen<br />
den Kamener Bürgerinnen und Bürger<br />
faire Produkte vorgestellt wurden.<br />
Jedermann konnte hier testen und<br />
schmecken, sich von Geschmack oder<br />
Qualität überzeugen oder einfach<br />
neugierig gemacht werden. So schossen<br />
Kinder des SUS Kaiserau mit fairen<br />
Bällen (ohne Kinderarbeit genäht) auf<br />
eine Torwand, die interessierten Eltern<br />
wurden parallel über Einkaufsmöglichkeiten<br />
von fairen Produkten informiert.<br />
An einem Dezembertag wurden bei<br />
eisigen Temperaturen in der Fußgängerzone<br />
Tee aus fairem Handel ausgeschenkt<br />
und Einkaufsratgeber verteilt.<br />
Zwei Versuche, eine nachhaltige Idee<br />
bekannter zu machen und Nutzungshemmnisse<br />
bei Verbraucherinnen und<br />
Verbrauchern abzubauen.<br />
Ganz entscheidend ist dabei, neue<br />
Aktionsplakat 2002<br />
AGENDA IM KREIS UNNA<br />
Zielgruppen für die Idee der Nachhaltigkeit<br />
zu gewinnen, was in Zeiten<br />
knapper Budgets natürlich nicht einfacher<br />
wird. Eine Botschaft, die es zu<br />
vermitteln gilt: Lerne faire Produkte<br />
kennen und schätzen! Nicht jeder kann<br />
und will gleich zu hundert Prozent<br />
darauf umsteigen, zumal sie ja um<br />
Einiges teurer sind als vergleichbare<br />
Produkte beim Discounter. Wenn jeder<br />
nur ab und zu mal zu den nachhaltigen<br />
Produkten greift – zum Muttertag, als<br />
Mitbringsel für Freunde oder als Weihnachtsgeschenk<br />
für die hilfsbereite<br />
Nachbarin –, dann ist schon ein ganzes<br />
Stück gewonnen. Doch nicht nur der<br />
Endverbraucher ist gefragt, oft genug<br />
müssen Interessierte lange suchen,<br />
um faire Produkte zu finden, teilweise<br />
längere Wege und Mühen auf sich<br />
nehmen, weil sie längst nicht so gut<br />
zu bekommen sind wie herkömmliche<br />
und immer noch ein Nischen-Dasein<br />
führen.<br />
� Kontakt<br />
Wer mehr zum Thema Nachhaltigkeit<br />
wissen möchte, Material für<br />
Schulen und Bildungsangebote sucht,<br />
kann sich an die Umweltberaterinnen<br />
der Verbraucherzentralen wenden.<br />
Im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>: Verbraucherzentrale<br />
in Kamen, Umweltinfostelle der Verbraucherzentrale<br />
in <strong>Unna</strong>.<br />
47
48 AGENDA IM KREIS UNNA<br />
� Der Stadtökologische Erlebnispfad <strong>Unna</strong><br />
Mit den Sinnen<br />
die Umwelt erleben<br />
von Rolf Böttger<br />
Was ist eigentlich ein stadtökologischer<br />
Erlebnispfad? Ein dreieinhalb<br />
Kilometer langer Rundweg<br />
durch <strong>Unna</strong>, auf dem der Interessierte<br />
an 21 Stationen die Umwelt<br />
mit allen Sinnen erleben kann.<br />
Die Idee stammt aus einer im Jahre<br />
1998 erstellten Diplomarbeit, die „Die<br />
Gestaltung stadtökologischer Erlebnispfade“<br />
zum Inhalt hatte. Im ersten Teil<br />
der Arbeit wurden die theoretischen<br />
Grundlagen zusammengestellt und<br />
Planungskriterien erarbeitet. Darauf<br />
aufbauend wurde als konkretes<br />
Beispiel ein solcher Pfad für <strong>Unna</strong><br />
entwickelt. Auf einem dreieinhalb<br />
Kilometer langen Rundweg sollte an<br />
21 Stationen ein Umwelterleben mit<br />
allen Sinnen ermöglicht werden. Der<br />
Autor, Kai Zimmermann aus Kamen,<br />
schlägt für die Umsetzung des Lehrpfades<br />
die Einrichtung eines „Stadtökologischen<br />
Stammtisches“ vor, in<br />
dem auf Grundlage der Diplomarbeit<br />
ein endgültiger Entwurf sowie dessen<br />
Eröffnungsrundgang im August 2005 Foto: Anonymus<br />
konkrete Ausführung erarbeitet wird.<br />
Aufgrund der aufgewendeten Sorgfalt<br />
erschien es sehr sinnvoll, möglichst<br />
viele der skizzierten Stationen und<br />
Ideen umzusetzen.<br />
� Umsetzung der Idee<br />
Zwischenzeitlich wurde der „Stadtökologische<br />
Stammtisch“ als Arbeitskreis<br />
Stadtökologischer Erlebnispfad<br />
gegründet. Für jede Station war ein
Mitglied im Arbeitskreis Stadtökologie<br />
federführend verantwortlich.<br />
Die jeweiligen Stationstafeln wurden<br />
individuell für diesen Erlebnispfad<br />
erstellt. Die Inhalte wurden von den<br />
Arbeitskreismitgliedern erarbeitet.<br />
Um eine hohe Qualität der Gestaltung<br />
zu erreichen, erfolgte die Umsetzung<br />
in Zusammenarbeit mit einer Grafik-Designerin.<br />
Bei der Umsetzung<br />
der einzelnen Stationen wurde eine<br />
Vielzahl von weiteren Einzelpersonen<br />
und Gruppen (Vereine, Schulen,<br />
Kindergärten) in die Ausführung und<br />
den Aufbau integriert. Dabei wurden<br />
die Beteiligten in vielfältiger Weise mit<br />
dem behandelten Thema und darüber<br />
hinaus mit den weiteren Themen des<br />
Erlebnispfades intensiv vertraut. Die<br />
Ausarbeitung der Stationen mit Pädagogen<br />
und den Fachleuten stellt sicher,<br />
dass die Themen von verschiedenen<br />
Seiten beleuchtet werden und somit<br />
ein vertiefter Zugang erreicht wird.<br />
Insbesondere dadurch, dass nahezu<br />
alle Felder (z. B. Pflanzen, Tiere, Klima)<br />
des Themenspektrums Stadtökologie<br />
und Mensch erlebbar vermittelt<br />
werden, stellt der Erlebnispfad einen<br />
wertvollen Beitrag im Sinne der Agenda<br />
21 dar. Die Vielschichtigkeit des<br />
Lebensraums Stadt sowie die Bezüge<br />
zu jedem Einzelnen werden dargestellt.<br />
Ein bewussteres Erleben und ein<br />
daraus resultierender schonenderer<br />
Umgang mit dem Lebensraum ist Ziel<br />
dieses Projektes. Die Umsetzung des<br />
Erlebnispfades kann nur ein erster<br />
Schritt sein, wobei auch schon in der<br />
Erarbeitungsphase durch die Diskussion<br />
ein Dialog über die verschiedenen<br />
Umweltthemen und Medien in Gang<br />
kommt. Von entscheidender Bedeutung<br />
wird es sein, den Pfad langfristig<br />
AGENDA IM KREIS UNNA<br />
zu betreuen (z. B. Angebot von qualifizierten<br />
Führungen) und weiter zu entwickeln<br />
(Materialien für verschiedene<br />
Alters- und Zielgruppen).<br />
� Broschüre erhältlich<br />
Seit dem Sommer 2005 steht der<br />
Pfad der Bevölkerung zur Verfügung,<br />
eine begleitende Broschüre ist kostenlos<br />
bei der Stadt <strong>Unna</strong> erhältlich.<br />
Gemeinsame Pflanzaktion mit den Kindern der Nicolaischule. Foto: Nähring<br />
49
50 AGENDA IM KREIS UNNA<br />
Die folgende Auflistung gibt einen Überblick über die bearbeiteten Themen an den 21 Stationen.<br />
Name Thema Lage<br />
Einladung zur Stadtsafari Begrüßung Umweltberatungszentrum/Rathaus<br />
1 Oasen in der Stadt Bedeutung von Stadtbäumen Vor der Post<br />
2 Ein lebendes Fossil Der Ginkgo Niesenstraße<br />
3 Gärten, die in den Himmel wachsen Fassadenbegrünung G.-Hauptmann-Str.<br />
4 Hier erleben Sie ihr blaues Wunder Färbepflanzen Nicolai-Grundschule<br />
5 Schnuppern Sie mal ´rein Duftpflanzen KITA Sonnenschein Mozartstraße<br />
6 Der <strong>Unna</strong>er Westfriedhof Friedhöfe Westfriedhof<br />
7 Aufbruch auf neuen Wegen Flächenversiegelung Lindenbrauerei<br />
8 Klima zum Anfassen Stadtklima Parkplatz Lindenbrauerei<br />
9 Alles Müll? Müll und Recycling Wendehammer Südwall<br />
10 Ein Herz für Blumen Rasen-Wiese Oelckenthurm<br />
11 Wasser marsch! Wasser Wasserstr./Ostring<br />
12 Biene ist nicht gleich Biene! Solitärbienen in der Stadt Herderstraße<br />
13 Kleine Weltenbummler Mauersegler Herderstraße<br />
14 Kein Leben auf großem Fuß Lebensbedingungen von Stadtbäumen Schulfhof P.-Weiss-Gesamtschule<br />
15 Auf der Mauer auf der Lauer Mauerritzen Stadtmauer an der Voßkuhle<br />
16 Nelkenteppiche und Bonsaipflänzchen Pflasterritzenvegetation Vosskuhle Güldener Trog<br />
17 Baum-Memory Bäume im Stadtpark Stadtgarten<br />
18 Wann platzt der Knoten? Mobilität und Verkehrsverhalten Busbahnhof<br />
19 Wenn Ihnen die <strong>Natur</strong> auf´s Dach steigt Dachbegrünung Rathaus Umweltberatungszentrum<br />
20 Energetischer Tritt-den-Lukas Energie Rathaus Stadtwerke
� Äpfel aus <strong>Unna</strong> oder Neuseeland?<br />
Regionale Lebensmittel:<br />
Ein Weg, der sich lohnt?!<br />
von Karin Baumann<br />
„Was soll man denn noch essen?“<br />
Diese häufig gestellte Frage an die<br />
Verbraucherzentrale NRW zielt<br />
nicht auf die Quantität, sondern<br />
erweist sich als Problem der Qualität.<br />
Das Vertrauen in die Lebensmittelqualität<br />
ist gesunken. Meist<br />
ist nicht mehr nachvollziehbar, wo<br />
und wie Lebensmittel erzeugt und<br />
verarbeitet werden. Gewünscht<br />
wird aber eine sichere, nachvollziehbare<br />
Produktion, Verarbeitung<br />
und Vermarktung.<br />
Äpfel aus Neuseeland, Steaks aus<br />
Argentinien, israelische Erdbeeren<br />
– alles ist überall und zu jeder Zeit verfügbar.<br />
Die Globalisierung hat Einzug<br />
gehalten in unsere Kühlschränke. Sind<br />
wir nun endlich im Schlaraffenland<br />
angekommen oder hat dieser Überfluss<br />
auch seinen Preis? Ernähren wir<br />
uns heute gesünder als früher? Diese<br />
Frage ist nicht leicht zu beantworten.<br />
Die heutige Vielfalt ermöglicht<br />
eine abwechslungsreiche Ernährung.<br />
Hygienische Probleme sind sicher<br />
geringer als zu Großmutters Zeiten.<br />
Gleichzeitig gibt es neue Belastungen<br />
durch die „Industrialisierung“ der<br />
Produktion und Verarbeitung sowie<br />
längere Transporte mit entsprechender<br />
Anforderung an Konservierung. Ob<br />
Pestizidrückstände im Obst, Antibiotika<br />
im Fleisch oder gentechnisch veränderte<br />
Bestandteile in Nahrungsmitteln<br />
– viele Stoffe und Prozesse wirken<br />
nicht nur in der Nahrungskette, sondern<br />
auch andernorts in der Umwelt<br />
und Gesellschaft. Beispiele sind die<br />
Gewässerbelastung mit Pestiziden und<br />
Düngemitteln, antibiotikaresistente<br />
Krankheitserreger oder Allergien gegen<br />
versteckte Inhaltsstoffe.<br />
� Discount verdrängt Bauern?<br />
Bei immer schärferem Wettbewerb<br />
geben die großen Lebensmittel-<br />
Handelsketten den Preisdruck an die<br />
gesamte Ernährungswirtschaft weiter.<br />
Die Discounter in Deutschland bestimmen<br />
die Preisgestaltung. Kleine und<br />
mittelständische landwirtschaftliche<br />
oder handwerkliche Betriebe oder<br />
AGENDA IM KREIS UNNA<br />
Lebensmittelhändler werden vom<br />
Markt gedrängt. Fast nirgendwo in<br />
Europa sind Nahrungsmittel so billig<br />
und geben Haushalte so wenig dafür<br />
aus, wie in Deutschland. Dabei ist<br />
unsere Ernährung nicht nachhaltig.<br />
Sie verursacht ökologische Schäden,<br />
soziale Probleme und steigende gesellschaftliche<br />
Kosten, die in unserer<br />
Volkswirtschaft versteckt oder offen<br />
subventioniert werden. Denn nachhaltig<br />
konsumieren heißt, negative<br />
Auswirkungen des eigenen Konsums<br />
auf Umwelt und Gesellschaft soweit<br />
wie möglich vermeiden. In Bezug auf<br />
die Ernährung heißt das:<br />
� den Fleischkonsum verringern,<br />
� ökologisch erzeugte Lebensmittel<br />
bevorzugen,<br />
� gering bzw. mäßig verarbeitete<br />
Lebensmittel vorziehen,<br />
� unverpackte oder umweltverträglich<br />
verpackte Erzeugnisse auswählen,<br />
� sozialverträglich erzeugte, verarbeitete<br />
und vermarktete Produkte<br />
(Produkte aus fairem Handel) kaufen<br />
sowie<br />
51
52 AGENDA IM KREIS UNNA<br />
Auszeichnung der Familie Behmenburg (v.l.): Andre Schmitt (Futureins), Werner Kolter (Bürgermeister der Stadt <strong>Unna</strong>), Sabine<br />
und Wolfgang Behmenburg, Karin Baumann und Martina Bahde (Umweltberatung <strong>Unna</strong>). Foto: Verbraucherzentrale NRW<br />
� regional und saisonal erzeugte Lebensmittel<br />
wählen.<br />
Lebensmittel aus der Region erfüllen<br />
viele dieser Forderungen. Denn<br />
Lebensmittel, die dort produziert, verarbeitet<br />
und konsumiert werden, wo<br />
man wohnt, haben viele Vorteile. Man<br />
kann so nicht nur nachvollziehen, wo<br />
und wie sie produziert wurden. Sie sind<br />
häufig sogar frischer und schmecken<br />
oft auch einfach besser. Sie werden<br />
aber kaum als Alternative wahrgenommen,<br />
vor allem, weil viel zu wenig über<br />
ihren Nutzen für den Einzelnen und für<br />
die Gesellschaft bekannt ist.<br />
Damit dies nicht so bleibt, hat sich<br />
die Verbraucherzentrale NRW zur<br />
Aufgabe gemacht, regionale Lebensmittel<br />
zu einem Thema für die Öffentlichkeit<br />
zu machen. So macht sie auf<br />
verschiedenen Wegen diesen Nutzen<br />
deutlich und trägt so dazu bei, dass<br />
sich gesellschaftliche Akteure für die<br />
Regionalvermarktung stark machen<br />
und vor allem, dass mehr regionale<br />
Produkte konsumiert werden.<br />
� Kampagne futureins<br />
Unter dem Motto „Mmh, lecker!<br />
Iss` mal was aus der Region!“ zeigte<br />
die Kampagne futureins den Menschen<br />
in NRW, wie sie beim Kauf von
Lebensmitteln nicht nur auf „Nummer<br />
sicher“ gehen, sondern dabei auch<br />
noch genießen können. Mit der öffentlichen<br />
symbolischen und feierlichen<br />
Übergabe der futureins-„Nachhaltigkeits-EINS“<br />
an ausgewählte Anbieter<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> sprach die Kampagne<br />
in diesem Jahr diesen stellvertretend<br />
für andere „leuchtende“ Beispiele<br />
ihre ausdrückliche Anerkennung aus.<br />
Ziel ist es, durch diese Auszeichnung<br />
weitere Mitstreiter dafür zu gewinnen,<br />
mehr Produkte aus regionalem Anbau<br />
und regionaler Produktion anzubieten<br />
oder einzukaufen. Weil es im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> viele lobenswerte Aktivitäten im<br />
Bereich der regionalen Produkte gibt,<br />
zeichnete die Verbraucherzentrale<br />
insgesamt acht Anbieter aus.<br />
Auch die Umweltberaterinnen der<br />
Beratungsstellen der Verbraucherzentrale<br />
in <strong>Unna</strong> und Kamen unterstützen<br />
die Vermarktung regionaler Produkte<br />
durch viele Aktionen, u.a. erstellten<br />
sie jeweils für <strong>Unna</strong> und Kamen einen<br />
regionalen Einkaufsführer, der Verbrauchern<br />
in <strong>Unna</strong> und Kamen einen<br />
Überblick über regionale Einkaufsmöglichkeiten<br />
bietet.<br />
AGENDA IM KREIS UNNA<br />
Im Frühjahr 2005 erhielt die <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft die Auszeichnung für die<br />
Unterstützung und Durchführung des Obstwiesen- und Apfelsaftprojektes im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong>. Foto: Verbraucherzentrale NRW<br />
� Kontakt<br />
Erhältlich sind die Einkaufsführer<br />
sowie Informationen in den Verbraucherzentralen<br />
in <strong>Unna</strong>, Rathausplatz<br />
21, in Kamen, Kirchstraße 7.<br />
53
54<br />
AGENDA IM KREIS UNNA<br />
� Nachhaltiges Handeln in der Praxis<br />
Landaktiv – das vielseitige<br />
Dienstleistungsangebot vom Bauernhof<br />
von Sabine Döring<br />
Landaktiv ist ein Verein, unter<br />
dessen Dach sich landwirtschaftliche<br />
Betriebe der Region Ruhr<br />
– Lippe – Hellweg eine neue<br />
wirtschaftliche Basis erarbeiten.<br />
Landfrauen haben sich zusammengeschlossen,<br />
um im Bereich<br />
Erwerbs- und Einkommensalternativen<br />
ein zusätzliches Einkommen<br />
zu erwirtschaften.<br />
Der Verein wurde im November<br />
1998 unter dem Namen Landfrauen-<br />
Service Ruhr – Lippe – Hellweg, kurz<br />
landaktiv, gegründet. Ein zentral eingerichtetes<br />
Büro dient der Vermittlung<br />
der Angebote der Mitglieder und ist<br />
Schaltstelle für die Wünsche und Anfragen<br />
der Bevölkerung. 22 Mitglieder<br />
bieten ihre Dienstleistungsangebote<br />
unter sechs Schwerpunkten an.<br />
� landaktiv touristisch<br />
Raus aufs Land; unter diesem Motto<br />
lernen Sie mit Halb-, Ganz- oder Zweitagestouren<br />
die Sehenswürdigkeiten<br />
der Region, die herrliche Landschaft<br />
zwischen Ruhr und Lippe und die<br />
Kleinode der Soester Börde kennen.<br />
Landaktiv stellt das individuelle Programm<br />
für Einzelpersonen, Familien<br />
oder Gruppen zusammen. Bequem<br />
lassen sich die Touren mit dem Bus<br />
nachvollziehen, intensiver lernen Sie<br />
Land und Leute auf dem Fahrrad oder<br />
auf einer Wanderung kennen.<br />
Ferien auf dem Land, im südlichen<br />
Münsterland haben Sie die Möglichkeit<br />
in gemütlich eingerichteten Ferienwohnungen<br />
die münsterländische<br />
Parklandschaft zu entdecken.<br />
� landaktiv Feiertag<br />
Feiern auf dem Lande; genießen Sie<br />
in rustikaler, gemütlicher Atmosphäre<br />
Ihre persönliche Feier oder nutzen Sie<br />
das stimmungsvolle Ambiente eines<br />
Bauernhofs für Ihre betriebliche Veranstaltung.<br />
� landaktiv froh im Stroh<br />
Spaß auf dem Land, die Alternative<br />
zu Kinobesuch, Fastfood und<br />
Computerspielen. Die phantasievol-<br />
len Angebote für Kindergeburtstage,<br />
Schulausflüge oder Abschlußfeiern<br />
bieten Kindern eine gute Möglichkeit<br />
das Leben auf einem Bauernhof<br />
kennen zu lernen. Die Kinderfeier mit<br />
Ponyreiten oder Kutschfahrten, das<br />
abendliche Lagerfeuer mit leckeren<br />
Würstchen und Stockbrot ist immer<br />
ein besonderes Erlebnis.<br />
� landaktiv kulinarisch<br />
Von westfälisch – rustikal bis italienisch<br />
– elegant; qualifizierte Landfrauen<br />
sorgen für Ihr leibliches Wohl<br />
und bieten einen Rundumservice für<br />
Ihre Feier an. Schon bei der Planung<br />
werden Sie mit Tips und Anregungen<br />
unterstützt und erhalten Hilfe bei der<br />
Durchführung Ihrer individuellen Veranstaltung.<br />
Mit hofeigenen Produkten<br />
gebackene Kuchen sind immer ein<br />
Highlight.<br />
� landaktiv kreativ<br />
Kreatives malen auf dem Bauernhof;<br />
mit einer erfahrenen Kursleiterin und<br />
in malerisch – ländlichem Ambiente<br />
erhalten die Teilnehmer überraschende
Möglichkeiten, sich auf der Leinwand<br />
frei mit Farben und Formen auszudrücken<br />
und dabei den Alltag für einige<br />
Stunden hinter sich zu lassen. Ein<br />
weiteres Angebot ist die professionelle<br />
Dekoration bei Veranstaltungen von<br />
der eleganten Bühnengestaltung bis<br />
zur rustikalen Ausstattung der Räumlichkeiten.<br />
� landaktiv regionale Anbieter<br />
Spezialitäten aus dem östlichen<br />
Ruhrgebiet landfrisch auf den Tisch;<br />
das Motto für regional erzeugte landwirtschaftliche<br />
Produkte. Ob Käse aus<br />
der Hofkäserei, Fisch vom Fischhof,<br />
Brot gebacken mit hofeigenem Getreide,<br />
Hähnchen vom Geflügelhof oder<br />
Senf hergestellt nach traditionellen<br />
Rezepten – all diese Produkte begeistern<br />
mit ihrem guten Geschmack und<br />
guter Qualität bei Veranstaltungen<br />
und Events die Besucher.<br />
� Begeisternde Aktionen<br />
Seit September 2002 ist landaktiv<br />
ein Projekt der Modellregion östliches<br />
Ruhrgebiet. Die Maßnahme ist seit<br />
Ende 2005 beendet. In dieser Zeit fanden<br />
mehrere Veranstaltungen statt.<br />
Das 1. Event fand im Sommer 2004<br />
auf dem landwirtschaftlichen Betrieb<br />
„Haus Rutenborn“ der Familie Schulte<br />
in Schwerte-Geisecke unter dem<br />
Motto „Kunst und Kultur im Kuhstall“<br />
statt. Da, wo im Winter die Kühe stehen,<br />
hingen an den Wänden des frisch<br />
gestrichenen Stalls die Ergebnisse der<br />
action painting Kurse. Einige Kursteilnehmerinnen<br />
stellten ihre Bilder zur<br />
Dekoration zur Verfügung. Mitten<br />
in der Stallgasse war die Bühne aufgebaut,<br />
die Zuschauer saßen in den<br />
Boxen der Kühe.<br />
Die Familie Glitz-Ehringhausen in<br />
AGENDA IM KREIS UNNA<br />
Die Veranstaltung „Kunst und Kultur im Kuhstall” lockte viele Interessierte nach<br />
Schwerte-Geiseke. Foto: landaktiv<br />
Werne stellte ihren Betrieb für eine<br />
zweite Veranstaltung im August 2005<br />
zur Verfügung. Zahlreiche Besucher<br />
genossen das (Kultur)Programm<br />
„Landkultur in Ehringhausen“, informierten<br />
sich über regenerative Energien,<br />
stärkten sich an den regionalen<br />
Köstlichkeiten und saßen gemütlich<br />
in rustikaler Atmosphäre bei Kaffee<br />
und selbstgebackenem Kuchen zusammen.<br />
55
56 AGENDA IM KREIS UNNA<br />
Die Gemeinschaft der regionalen<br />
Anbieter hatte die Möglichkeit der<br />
Beteiligung beim BVB – Catering in<br />
den Stammtischebenen für ca. 3.000<br />
Gäste im Westfalenstadion ebenso<br />
wie bei der WR/WAZ Mediennacht<br />
in der Postbank in Dortmund und bei<br />
der Auftaktveranstaltung zum Green<br />
– Goal – Konzept zur Fußballweltmeisterschaft<br />
2006 im Rathaus der Stadt<br />
Dortmund. Bei all diesen Veranstaltungen<br />
arbeiteten die Mitglieder „Hand in<br />
Hand“, der Teamgeist wurde dadurch<br />
gefördert.<br />
� Öffentlichkeitsarbeit<br />
Durch die Förderung Regionen<br />
aktiv konnte ein Konzept für die Öffentlichkeitsarbeit<br />
entwickelt werden,<br />
so dass landaktiv sich professionell<br />
darstellen konnte. Die Medien zeigten<br />
großes Interesse an der landaktiv-Idee<br />
und berichteten ausführlich. Mehrmals<br />
wurden Berichte im regionalen<br />
Der BVB-Käse war nur ein köstlicher<br />
Renner, der an regionalen Produkten<br />
angeboten wurde. Foto: landaktiv<br />
WDR Fernsehprogramm und auch<br />
bundesweit im ZDF ausgestrahlt.<br />
Das landwirtschaftliche Wochenblatt<br />
berichtete über die action painting<br />
Kurse und über die BVB Veranstal-<br />
tungen. Durch die Unterstützung der<br />
Medien und durch die Teilnahme an<br />
öffentlichen Veranstaltungen stieg<br />
der Bekanntheitsgrad von landaktiv.<br />
Die Tätigkeitsfelder der Mitglieder<br />
wurden in der Bevölkerung immer<br />
mehr bekannt und nachgefragt. Die<br />
professionelle Ausstattung des Informationsstands<br />
trägt zur zeitgemäßen<br />
Darstellung der Serviceangebote der<br />
Mitglieder bei.<br />
� Ausblick<br />
Weiter werden die Mitglieder die<br />
Chancen der Einkommensalternativen<br />
nutzen und ihre Dienstleistungen verstärkt<br />
in der Öffentlichkeit darstellen.<br />
Den regionalen Anbietern ist deutlich<br />
geworden, dass die regionale Landwirtschaft<br />
im Servicebereich für die<br />
Verbraucher interessante Angebote<br />
machen kann. Dieses setzt eine gute<br />
Qualität und hohe Professionalität<br />
voraus.
� Andere Wege nachhaltiger Umwelterziehung<br />
Mit Spiel und Spaß die <strong>Natur</strong><br />
entdecken und lieben lernen<br />
von Dorothee Weber-Köhling<br />
Neben der klassischen Umwelterziehung<br />
– im Rahmen<br />
des außerschulischen Lernortes<br />
Ökologiestation – wo Angebote<br />
zu speziellen Themen von den<br />
Vorschulgruppen im Kindergarten<br />
sowie Klassen unterschiedlicher<br />
Schulformen angenommen werden,<br />
greift das Umweltzentrum<br />
Westfalen seit Jahren auch andere<br />
Möglichkeiten zur nachhaltigen<br />
Umweltbildung auf.<br />
Gemeinsam mit weiteren Kooperationspartnern<br />
ermöglicht die Ökologiestation<br />
Kindern unterschiedlichen<br />
Alters Erfahrungen in und mit der<br />
<strong>Natur</strong>. So bietet das Umweltzentrum<br />
Westfalen in den Oster-, Sommer- und<br />
Herbstferien Aktionen für Kinder an.<br />
Neben dem Betreuungsaspekt in den<br />
Ferien und dem spielerischen Aneignen<br />
von Fach- bzw. historischem Wissen,<br />
bekommen die Kinder einen anderen<br />
Zugang zu ihrer Umwelt und können<br />
diverse <strong>Natur</strong>erfahrungen machen.<br />
� Theater und vieles mehr<br />
Beim Theaterseminar in den Osterferien<br />
werden Umweltthemen aufgegriffen<br />
und spielerisch umgesetzt.<br />
Im Vordergrund steht hier natürlich<br />
neben dem Auseinandersetzen mit<br />
<strong>Natur</strong>themen der künstlerische und<br />
kreative Aspekt. Das Ergebnis ist ein<br />
Theaterstück, welches am Ende der<br />
Ferienwoche vor Eltern und Bekannten<br />
aufgeführt wird. Die Kinder sind in die<br />
Handlung mit eingebunden, entwerfen<br />
Kostüme und Kulisse selbst und<br />
beschäftigen sich eine Woche lang mit<br />
einem Umweltthema.<br />
Bei der Halloween-Woche in den<br />
Herbstferien steht der kulturelle Aspekt<br />
an erster Stelle. Aber gerade der<br />
Vergleich unterschiedlicher Kulturen<br />
und Bräuche und die Umsetzung in die<br />
eigene Lebenswelt trägt zur nachhaltigen<br />
Umwelterziehung der Kinder bei.<br />
Eindrucksvoll lässt sich nachhaltige<br />
Umwelterziehung aber auch bei dem<br />
Historischen Spiel in den Sommerferien<br />
aufzeigen. Neben der Vermittlung<br />
von historischem Wissen, in Form von<br />
„Geschichte (er)leben“ bekommen die<br />
NACHHALTIGES LEBEN<br />
Kinder einen Einblick in Lebensformen,<br />
die ihre heutige Umwelt in einem anderen<br />
Blickwinkel erscheinen lässt. Die<br />
Kinder entfernen sich eine Woche von<br />
der modernen Zivilisation und tauchen<br />
– einem Zeitsprung gleich – in eine<br />
vergangene Lebenswelt ein.<br />
� In fremde Welten tauchen<br />
Die Rolle, die die Kinder während<br />
des Historischen Spiels übernehmen,<br />
wählen sie selbst, ob es nun das Erlernen<br />
eines Handwerks ist oder die<br />
Ausbildung zum adeligen Ritter oder<br />
zur adeligen Hofdame. Ihre Aufgabe<br />
erfüllen sie wie Erwachsene und tragen<br />
so zum eigenen Lebensunterhalt in der<br />
Gesellschaft bei. Das bedeutet aber<br />
auch, dass sie Aufgaben übernehmen<br />
die sie in der Gegenwart zum Teil nicht<br />
mehr dürfen oder nicht mehr übernehmen<br />
brauchen, da sie von anderen<br />
oder von Maschinen übernommen<br />
werden. Die Elemente Feuer, Wasser,<br />
Erde und Licht bekommen während<br />
des Spiels wieder eine wichtige Bedeutung<br />
für die Kinder. Feuer wärmt<br />
und spendet Licht. Ohne Feuer gibt es<br />
57
58 NACHHALTIGES LEBEN<br />
kein Essen und kein warmes Wasser.<br />
Wie mühsam es ist, Feuer zu machen<br />
mit Feuereisen, Feuerstein, Zunderschwamm<br />
und Heu und wie mühsam<br />
es ist, Brennholz zu hacken; all dies<br />
sind Erfahrungen, die die Kinder in<br />
der heutigen Zeit nicht mehr machen<br />
(brauchen). Diese Erfahrungen tragen<br />
aber auch dazu bei, das <strong>Natur</strong>material<br />
Holz in der Gegenwart anders einzuschätzen<br />
und dessen Stellenwert anzuheben.<br />
Dass sich früher die Essenzubereitung<br />
über Stunden hinzog und alles<br />
frisch geerntet und zubereitet wurde,<br />
auch das sind Einsichten, die die Kinder<br />
mit in die Gegenwart nehmen und die<br />
Bedeutung von Lebensmittel anders<br />
bewerten lassen. Auch das Element<br />
Wasser war in der Vergangenheit ein<br />
kostbares Gut. Das Wasser musste<br />
vom Brunnen geholt, über dem offenen<br />
Feuer erwärmt werden und kam<br />
nicht - wie heute - wohl temperiert<br />
aus dem Wasserhahn. Gerade wegen<br />
dieses hohen Aufwandes ging man<br />
früher sparsamer mit Wasser um, anstatt<br />
wie heute eher verschwenderisch.<br />
Denn was man immer hat, schätzt man<br />
nicht mehr. Der Umgang mit authentischen<br />
Werkzeugen zeigt den Kindern<br />
die Wichtigkeit und Bedeutung von<br />
Handarbeit. Hierbei machen die Kinder<br />
aber auch noch ganzheitliche Erfahrungen,<br />
indem sie vom Rohprodukt<br />
Mädchen erlernen längst vergessene<br />
Fertigkeiten. Fotos: Umweltzentrum<br />
Holz hacken ist „Männersache”.<br />
über die einzelnen Handwerksschritte<br />
bis zum fertigen Gegenstand alles<br />
selbst gemacht haben. So erfahren sie<br />
auch eine Menge über die Nützlichkeit<br />
von <strong>Natur</strong>produkten und was man aus<br />
ihnen machen kann, z. B. das Färben<br />
von Rohwolle mit Pflanzenfarbstoffen<br />
oder das Filzen von Wolle und das Herstellen<br />
von Dingen für den täglichen<br />
Gebrauch.<br />
Das Historische Spiel verlangt von<br />
seinen Mitspielern die Fähigkeit, zwischen<br />
der Realität der Spielwelt und<br />
der Realität der Welt außerhalb des<br />
Spiels zu unterscheiden. Darin besteht<br />
das enorme Lernpotential des Historischen<br />
Spiels: Was in der Spielwelt<br />
passiert hat zwar keine greifbaren<br />
Konsequenzen außerhalb des Spiels,<br />
aber es vermittelt Einsichten sowohl in<br />
menschliche Verhaltensmuster sowie<br />
dem Leben in der <strong>Natur</strong> und mit der<br />
<strong>Natur</strong> als der technische Fortschritt<br />
noch nicht so weit wie in der heutigen<br />
Zeit war. Gerade das vergleichen und<br />
reflektieren von Gestern und Heute<br />
trägt zur nachhaltigen Umwelterziehung<br />
bei.<br />
Fazit: Das Historische Spiel ist ein<br />
großes, komplexes Projekt. Es setzt<br />
Lernprozesse in Gang sowohl über<br />
Geschichte als auch über Strategien zur<br />
Lebensbewältigung, über den Umgang<br />
mit der <strong>Natur</strong> und das Leben in der<br />
<strong>Natur</strong> und darüber, wie Wissenschaft<br />
funktioniert. Das Historische Spiel ist<br />
„lebendige“ Umwelterziehung.
� Die evangelische Tageseinrichtung Oase in Fröndenberg stellt sich vor<br />
Was Hänschen nicht lernt,<br />
lernt Hans nimmer mehr?!<br />
von Heike Niemand<br />
Die evangelische Tageseinrichtung<br />
Oase in Fröndenberg hat 1999<br />
über ein <strong>Natur</strong>-Erlebnis-Konzept<br />
ihr eigenes Profil entwickelt. Ziel<br />
ist eine ganzheitliche Gesundheitsförderung,<br />
d.h. körperliche,<br />
psychische und soziale Ressourcen<br />
der Kinder werden bei uns gestärkt<br />
und gefördert.<br />
Unser Team hat sich stärkenorientiert<br />
in den Bereichen <strong>Natur</strong>, Kunst,<br />
Gesundheit und Bewegung fortgebildet<br />
und gestaltet mit dem erworbenen<br />
Fachwissen die inhaltliche Arbeit mit<br />
den Kindern. Impulse aus den erweiterten<br />
Qualifikationen führten zu<br />
verschiedenen Langzeitprojekten, die<br />
den Gedanken der Nachhaltigkeit und<br />
des <strong>Natur</strong>schutzes tragen.<br />
� von Bäumen und Beeren<br />
Im April 1999 begannen wir gemeinsam<br />
mit Kindern und Eltern unser<br />
Außengelände naturnah umzugestalten.<br />
So entstanden ein Weidentipi, Auf der Suche nach Bodenschätzen Foto: Niemand<br />
NACHHALTIGES LEBEN<br />
59
60 NACHHALTIGES LEBEN<br />
ein Weidentunnel und ein offener<br />
Sandspielbereich mit einer natürlichen<br />
Eingrenzung durch Baumstämme, Steine<br />
und Sträucher. Eine Todholzhecke<br />
bietet Schutz für Insekten und Spinnen<br />
und auch „Brennnesseln“ dürfen in<br />
bestimmten Bereichen des Geländes<br />
wachsen. Im November 1999 machte<br />
die Partei Bündnis 90/die Grünen<br />
durch eine Spende den Kauf verschiedener<br />
heimischer Beerengehölze möglich<br />
und es entstand die „Bärenstarke<br />
Beerenecke“.<br />
Ziel ist es, die heimischen Pflanzen<br />
kennen zu lernen und die Früchte<br />
sowie Heilkräfte der <strong>Natur</strong> zu nutzen.<br />
Dabei wird auch der Aspekt<br />
berücksichtigt, was unsere Tiere um<br />
uns herum brauchen, um sich wohl<br />
zufühlen und anzusiedeln. So wurden<br />
bewusst mehrere Faulbaumbüsche<br />
gepflanzt, die zwar für uns Menschen<br />
giftig sind, aber eine wichtige Nahrungsquelle<br />
der Zitronenfalterraupen<br />
darstellen. Die Kinder lernen über den<br />
Umgang mit giftigen Pflanzen, dass<br />
es in der <strong>Natur</strong> Nahrung gibt, die für<br />
uns Menschen ungenießbar ist, ohne<br />
die es aber die Artenvielfalt der Tiere<br />
nicht gäbe. Ein Sandkasten wurde zu<br />
einem Gemüsebeet umfunktioniert in<br />
dem Kartoffeln, Zucchini und Kohlrabi<br />
gepflanzt wurden.<br />
Zur selben Zeit erarbeitete die Ein-<br />
richtung zusammen mit der Arbeitsgruppe<br />
Umwelt, <strong>Natur</strong> und Landwirtschaft<br />
einen Forderungskatalog für<br />
naturnahe Spielräume als Alternative<br />
oder Ergänzung zu den Fröndenberger<br />
Spielplätzen. Darin forderten wir komplexe,<br />
sinnliche Erfahrung- und Spielbereiche<br />
mit Rückzugsmöglichkeiten,<br />
Plätzen zum Träumen, Toben, Klettern<br />
und zum Abenteuerspiel. Dabei soll<br />
man durchaus die natürlichen Gegebenheiten<br />
der Landschaft ausnutzen.<br />
Liegt der Spielplatz beispielsweise an<br />
einem Bach oder Hügel, lässt sich hier<br />
die <strong>Natur</strong> wunderbar erleben.<br />
� Ausflüge und Aktionen<br />
Im Rahmen des Konzeptes etablierten<br />
sich zwei feste Waldtage, an<br />
denen die Kinder das nahe gelegene<br />
Löhnbachtal und den Lunapark für<br />
sich erobern. Begleitet von der <strong>Natur</strong>pädagogin<br />
Heike Niemand, der<br />
Erzieherin Christel Kieffer und „Karl,<br />
dem Kobold“ lernen die Kinder alles<br />
Wissenswerte über die heimische<br />
Tier- und Pflanzenwelt. Sie gehen auf<br />
Spurensuche, beobachten Vögel, Insekten<br />
und Frösche, untersuchen den<br />
Bach nach Lebewesen und sammeln<br />
Wildkräuter, um mit diesen ein leckeres<br />
Essen zu kochen.<br />
Im Jahr 2002 nahm die Einrichtung<br />
erfolgreich an dem Wettbewerb „Er-<br />
lebter Frühling“ teil und belegte auf<br />
Landesebene den ersten Platz. Über<br />
drei Monate beobachteten die Kinder<br />
die Entwicklung der Rotbuche und<br />
führten als Abschluss des Projektes ein<br />
kleines Theaterstück auf, in dem Karl,<br />
der Kobold sich mit dem Buchenblatt<br />
„Meckerließchen“ anfreundet und<br />
Einblick in die jahreszeitlichen Veränderungen<br />
der Buche gibt. Im Frühling<br />
gab es dann zarte Buchenblätter zum<br />
Probieren und zum Herbst wurden die<br />
Bucheckern geröstet und geknabbert.<br />
2003 setzen die Oase-Kinder ein musikalisches<br />
Denkmal für den kleinen<br />
„Edi Hummel“. Wieder im Rahmen<br />
der Arbeit zum „Erlebten Frühling“<br />
bauten wir einen Hummel-Nistkasten,<br />
bekamen noch einen oberirdischen<br />
und einen unterirdischen Nistkasten<br />
gesponsert und legten eine Wiese mit<br />
Rotklee an. Aus den gesammelten Beobachtungen<br />
über das Aussehen und<br />
Verhalten der Hummeln komponierte<br />
uns der Kinderliedermacher Klaus<br />
Niemand ein eigenes Hummellied.<br />
Dieses studierten wir mit den Kindern<br />
ein, fuhren dann mit einer Gruppe von<br />
zehn Kindern in ein Dortmunder Tonstudio<br />
und so entstand im Juni 2003<br />
eine eigene CD.<br />
Weitere Projekte folgten: Es wurde<br />
ein Schmetterlingsraupen – Aufzucht-<br />
und -beobachtungskasten gebaut
und wir konnten mit den Kindern<br />
die Entwicklung, Verpuppung und<br />
das Schlüpfen des „Kleinen Fuchses“<br />
erleben. In der Osterzeit organisierten<br />
wir einen Brutkasten und nach<br />
gespannten Tagen des Drehens und<br />
Durchleuchtens kündigte sich schon<br />
in der Schale das Schlüpfen der ersten<br />
Küken an. Die Leih-Glucke Berta der<br />
Erzieherin Ute Ahnert kümmerte sich<br />
anschließend sofort fürsorglich um die<br />
24 quicklebendigen Küken. Sie war der<br />
Star in der Oase. Kinder, Eltern und<br />
Team waren begeistert. Der Besuch<br />
von Landwirten schloss sich an und so<br />
lernten die Vorschulkinder z.B. auf dem<br />
Milchviehbetrieb der Familie Pante wie<br />
man aus Milch Butter herstellt.<br />
Die Neugier, Begeisterung und der<br />
Wissensdurst der Kinder bestärkten<br />
uns, unser Konzept immer wieder zu<br />
erweitern. Inzwischen stellen wir einmal<br />
wöchentlich unseren Quark selber<br />
her. Die Milch dazu und den Käse für<br />
unser gesundes Frühstück holen wir<br />
von der Käserei Wellie aus Warmen.<br />
Im Rahmen der „Apfel-Projektwoche“<br />
sammeln und ernten wir einmal im<br />
Jahr Äpfel und verarbeiten diese auf<br />
dem Stockumer Hofmarkt zusammen<br />
mit Bauer Behmenburg zu eigenem<br />
Apfelsaft. Bauer Eckey beliefert uns<br />
mit Fleisch und Wurstwaren seines<br />
Neulandbetriebes. Gemüsebauer<br />
Na, was haben die Jungs denn vor?<br />
Foto: Niemand<br />
Frens bringt wöchentlich das Obst<br />
und Gemüse für das Frühstück und<br />
Mittagessen. Für die Kooperation mit<br />
den Landwirten und das Verwenden<br />
regionaler Produkte bei der Zubereitung<br />
unserer Mahlzeiten wurden wir<br />
beim Frühlingsmarkt von der Umweltministerin<br />
Bärbel Höhn mit dem<br />
„futureins“- Projektpreis der NRW-<br />
Verbraucherzentrale ausgezeichnet.<br />
NACHHALTIGES LEBEN<br />
� Körper und Gesundheit<br />
Auch im Bereich der Gesundheit,<br />
Bewegung und Entspannung bilden<br />
wir uns weiter und binden diese Themen<br />
in unsere tägliche Arbeit mit den<br />
Kindern ein. Morgens beginnen wir<br />
den Tag mit drei Minuten Wassertreten<br />
nach „Kneipp“, anschließend<br />
gibt es ein ausgewogenes, gesundes<br />
Frühstück und mit selbst hergestelltem<br />
Massageöl kann man sich in den Nebenräumen<br />
zu leiser Musik untereinander<br />
massieren und entspannen.<br />
Inzwischen ist ein großes Netzwerk<br />
entstanden, das unsere Einrichtung in<br />
kontinuierlichen kleinen Schritten aufgebaut<br />
hat. Die Kooperation mit der<br />
<strong>Natur</strong>fördergesellschaft für den <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong>, der Arbeitsgruppe Umwelt-<br />
und <strong>Natur</strong>schutz/Landwirtschaft der<br />
Agenda 21, der Stadt Fröndenberg,<br />
der Landwirte und der Partei Bündnis<br />
90/die Grünen ist für uns eine Bereicherung<br />
und wir möchten uns nun bei<br />
dieser Gelegenheit ganz herzlich für<br />
die gute Zusammenarbeit bedanken.<br />
� Neugierig geworden?<br />
Sollten wir Sie neugierig gemacht<br />
haben, laden wir Sie herzlich ein, nach<br />
Absprache unsere Einrichtung zu besuchen<br />
und kennen zu lernen. Kita Oase,<br />
Schröerstraße 13, 58730 Fröndenberg,<br />
Telefon: 02373 72292.<br />
61
62<br />
NACHHALTIGES LEBEN<br />
� Kosmische Erziehung im Montessori-Kinderhaus<br />
„... während sich das Ganze zu einem<br />
wunderbaren Gewebe zusammenfügt“<br />
von Elke Kieninger<br />
„Dies ist ein wesentlicher Erziehungsgrundsatz:<br />
Einzelheiten lehren<br />
bedeutet Verwirrung stiften.<br />
Die Beziehung unter den Dingen<br />
herstellen bedeutet Erkenntnisse<br />
vermitteln.“ So beschreibt die<br />
italienische Ärztin, <strong>Natur</strong>wissenschaftlerin<br />
und Pädagogin Maria<br />
Montessori (1870-1952) in ihrem<br />
Spätwerk das Anliegen der „Kosmischen<br />
Erziehung“.<br />
Es gehe schon im Kindesalter darum,<br />
die verschiedenen Aspekte des Wissens<br />
von der Welt und vom Kosmos zu<br />
verbinden. „Astronomie, Geografie,<br />
Geologie, Biologie, Physik, Chemie<br />
sind nur Details eines Ganzen.“ Oder:<br />
„Wir können das Ganze mit einem<br />
Tuch vergleichen, in dem jedes Detail<br />
eine Stickerei darstellt, während sich<br />
das Ganze zu einem wunderbaren<br />
Gewebe zusammen fügt.“<br />
Wie kann es aber nun gelingen,<br />
schon kleinen Kindern vernetztes und<br />
systemisches Denken zu vermitteln?<br />
Wie werden die Grundlagen für eine<br />
Haltung dem Universum und der<br />
Menschheit gegenüber geschaffen, die<br />
von Verantwortungsbewusstsein und<br />
Rücksichtnahme geprägt ist? Denn<br />
Maria Montessori geht es nicht um<br />
reines Faktenwissen, sondern um den<br />
Aufbau von Haltungen mit dem Ziel<br />
der Wahrnehmung der Verantwortung<br />
gegenüber der Schöpfung. Sie war<br />
ihrer Zeit weit voraus, als sie im frühen<br />
20. Jahrhundert den Raubbau an der<br />
<strong>Natur</strong> anprangerte, vor der atomaren<br />
Bedrohung warnte und auch deshalb<br />
eine Pädagogik forderte, die ein friedliches<br />
Zusammenleben in der „nazione<br />
unica“ möglich machen sollte.<br />
Maria Montessori hat vor allem<br />
während ihrer Zeit in Indien (1939 bis<br />
1949), wohin sie sich während des<br />
Zweiten Weltkrieges zurückgezogen<br />
hatte, versucht, ihre Ideen in konkrete<br />
pädagogische Praxis umzusetzen.<br />
Spätere Montessori-Pädagogen und<br />
besonders ihr Sohn Mario haben diese<br />
Aufgabe fortgeführt. Heute gibt es<br />
vielfältige Materialien für die Arbeit<br />
mit Kindern aller Altersstufen. Und<br />
die Kosmische Erziehung, der Maria<br />
Montessori für die Altersgruppe der<br />
sechs- bis zwölfjährigen besondere<br />
Bedeutung zugesprochen hat, kann<br />
bereits im Kindergarten-Alter realisiert<br />
werden.<br />
� Kartoffel-Projekt<br />
Gudula Papen-Wächter, stellvertretende<br />
Leiterin des Montessori-Kinderhauses<br />
in <strong>Unna</strong>, beschreibt die Idee<br />
der Kosmischen Erziehung so: „Die<br />
Arbeiten und Materialien bieten dem<br />
Kind vielfältige Möglichkeiten, durch<br />
Staunen über beobachtbare Phänomene<br />
und experimentelles, entdeckendes<br />
Lernen zu Erkenntnissen im naturwissenschaftlichen<br />
Bereich zu gelangen.“<br />
Und: Gerade weil bei den Kindern, die<br />
in großer Zahl fern der <strong>Natur</strong> aufwachsen,<br />
der Sinn für Zusammenhänge<br />
verloren gegangen sei, müsse nach<br />
Wegen gesucht werden, regionale und<br />
globale Zusammenhänge kindgerecht<br />
aufzuarbeiten.<br />
Im Montessori-Kinderhaus geschieht<br />
das im täglichen Miteinander,<br />
in der Kosmos-AG und mittels einzel-
ner Projekte. Jüngstes Beispiel: das<br />
Kartoffel-Projekt.<br />
Fragt man die Kinder nach der<br />
Herkunft der Kartoffel, wird zunächst<br />
einmal der Supermarkt genannt,<br />
erzählt Gudula Papen-Wächter. Also<br />
haben die Montessori-Pädagoginnen<br />
gemeinsam mit den Kindern Kartoffeln<br />
in einer luftigen Kiste einige Wochen<br />
aufbewahrt, sie dann, als die Triebe<br />
sich durch die Schale gebohrt hatten,<br />
in der Erde vergraben und beobachtet,<br />
wie nach ungefähr zwei Monaten die<br />
Pflanzen blühten. All das, was zunächst<br />
unter der Erde geschah, haben<br />
die Kinder auf bunten Bildtafeln verfolgt.<br />
Im Herbst war es schließlich so<br />
weit: Es durfte geerntet werden – im<br />
Kinderhaus und auf einem Feld in Kessebüren,<br />
das ein Bauer zur Verfügung<br />
gestellt hatte.<br />
Nun galt es zu erfahren, was man<br />
alles mit Kartoffeln machen kann.<br />
Rezepte wurden gesammelt und<br />
ausprobiert. Die Kartoffel als Druckstempel<br />
wurde entdeckt. Und natürlich<br />
wurden Teile der Kartoffel auch<br />
unter dem Mikroskop genauestens<br />
in Augenschein genommen und die<br />
Kartoffel-Stärke zum Thema gemacht.<br />
Denn dass diese in so vielen anderen<br />
Lebensmitteln zu finden ist oder z. B.<br />
bei der Papier-Herstellung benötigt<br />
wird, wussten auch viele Eltern nicht.<br />
In einem Kartoffelbuch, für jedes Kind<br />
erstellt, haben die Kleinen außerdem<br />
alles über die lange Reise der Kartoffel<br />
von Südamerika nach Europa erfahren.<br />
Das Märchen vom Kartoffel-König,<br />
der nicht gegessen werden wollte, bis<br />
er zwei hungrigen Kindern begegnet<br />
ist, wurde im Freispiel umgesetzt<br />
und beim Kartoffelfest aufgeführt.<br />
Kurzum: „Schon Drei- bis Sechsjäh-<br />
NACHHALTIGES LEBEN<br />
Während des Kartoffel-Projektes ernten die Kinder selbst die Knollen auf einem<br />
Feld in Kessebüren. Foto: privat<br />
rige können spielerisch eine ganze<br />
Menge über Herkunft, Geschichte,<br />
Wachstum, Nutzung, Verarbeitung,<br />
industrielle Nutzung und Weiterverarbeitung<br />
der Kartoffel erfahren“, so<br />
Gudula Papen-Wächter.<br />
� Kosmos-AG<br />
Als ehemalige Biologie-Laborantin<br />
leitet die heutige Pädagogin auch die<br />
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64 NACHHALTIGES LEBEN<br />
Kosmos-AG des Montessori-Kinderhauses.<br />
Themen wie „Vom Urknall<br />
bis heute“ oder „Vom Korn zum Brot“<br />
werden hier über einen längeren Zeitraum<br />
– manchmal ein ganzes Kindergartenjahr<br />
– altersgerecht aufbereitet.<br />
Die typischen Montessori-Materialien,<br />
aber auch der Einfallsreichtum der Erzieherin<br />
helfen weiter. So haben Gudula<br />
Papen-Wächter und die Kinder ein<br />
50 Meter langes Zeitband gebastelt,<br />
das den Verlauf von fünf Milliarden<br />
Jahren Erd-Geschichte darstellt. Was<br />
die Kinder verblüfft hat: Erst auf den<br />
letzten 20 Metern des Bandes ist ganz<br />
viel geschehen. Und die Geschichte<br />
des Menschen findet gerade einmal<br />
auf einem Zentimeter Platz.<br />
� Jahreszeiten "begreifen"<br />
Maria Montessori und ihr Sohn<br />
Mario haben die Idee, geschichtliche<br />
Abläufe linear durch Bänder oder<br />
Leisten darzustellen, entwickelt. Das<br />
Kind erhält so die Möglichkeit, je nach<br />
Entwicklungsstand, Prozesse sensomotorisch<br />
durch Entlanggehen oder<br />
kognitiv durch in Zahlen ausgedrückte<br />
Zeitspannen zu erfassen. Gearbeitet<br />
wird außerdem mit <strong>Kreis</strong>-Systemen.<br />
Der Jahreskreis z. B. besteht aus 365<br />
unterschiedlich gefärbten Kugeln, denen<br />
Bilder und Gegenstände zugeordnet<br />
werden können. Tage, Monate und<br />
Jahreszeiten können auf diese Weise<br />
schon die Dreijährigen „begreifen“.<br />
Immer geht es Maria Montessori bei<br />
dem von ihr entwickelten Material<br />
darum, die in der <strong>Natur</strong> realisierte<br />
kosmische Ordnung deutlich zu machen.<br />
Das Kind erhält zunächst eine<br />
Übersicht, ein Ordnungsschema vom<br />
Globalen und lernt dann immer mehr<br />
Einzelheiten kennen.<br />
� Vielfalt der <strong>Natur</strong><br />
Im Alltag des Montessori-Kinderhauses<br />
gehören zur Erfahrung des<br />
Jahreskreises natürlich auch Ausflüge<br />
in die <strong>Natur</strong>. Werden im Herbst etwa<br />
auf einem Spaziergang oder im großen<br />
Garten Blätter gesammelt, bedeutet<br />
das, die Vielfalt der <strong>Natur</strong> ganz konkret<br />
zu erleben. Kein Blatt gleicht dem<br />
anderen. Auch Blätter eines Baumes<br />
unterscheiden sich. Manche zeigen<br />
Spuren von Tierfraß oder sind zur Ablagestätte<br />
von Insekteneiern geworden.<br />
Die Frage nach dem Warum eröffnet<br />
den Blick in neue Bereiche. Die Fragen<br />
der Kinder werden durch Erzählungen,<br />
Bildtafeln und einfache Versuche auf<br />
kindgemäße Weise, jedoch nicht verkindlicht<br />
beantwortet. Der Blick durch<br />
die Lupe, um etwas ganz genau zu<br />
studieren – im Kinderhaus ist er eine<br />
Selbstverständlichkeit.<br />
Kosmische Erziehung bedeutet<br />
auch und vor allem, so betont Gudula<br />
Papen-Wächter, die Übernahme von<br />
Verantwortung anderen Lebewesen<br />
gegenüber. Die Tiere des Kinderhauses<br />
– Vögel, Mäuse, Meerschweinchen<br />
und Hasen – werden deshalb von den<br />
Vorschulkindern versorgt. Es gibt einen<br />
festen Plan, der die Zuständigkeiten<br />
regelt. Denn das Ordnungsprinzip,<br />
das in der Kosmischen Erziehung<br />
eine so große Rolle spielt, ist eines<br />
der grundlegenden Bausteine der<br />
Montessori-Pädagogik: Kinder brauchen<br />
Freiräume – aber auch klare<br />
Orientierung. Sie mögen es, wenn die<br />
Dinge an ihrem Platz liegen, sie mögen<br />
Zeitrhythmen und Rituale. Kinder, die<br />
solche Orientierung und Sicherheit<br />
erfahren haben, können sich auch<br />
späteren Herausforderungen frei und<br />
selbstbewusst stellen. Die Montessori-<br />
Pädagogin erinnert an den Ausflug in<br />
die <strong>Natur</strong>: „Wenn die Kinder nach der<br />
strukturierten Beschäftigung mit den<br />
Blattformen, den dazugehörigen Namen<br />
und Begriffen wieder in die <strong>Natur</strong><br />
hinausgehen, nehmen sie Bäume<br />
und Blätter in einer anderen Art und<br />
Weise wahr. Die Freude der Kinder,<br />
wenn sie einzelne Bäume und sogar<br />
einzelne abgefallene Blätter wiedererkennen,<br />
zeigt die Bedeutung dieser<br />
ordnenden Arbeiten für die kindliche<br />
Entwicklung.“
� Wer saniert, spart Kosten<br />
Chancen und Potentiale einer<br />
energetischen Altbausanierung<br />
von Johannes Spruth<br />
Deutschland ist schon gebaut ...<br />
Etwa 66 Prozent aller Wohngebäude<br />
wurden vor 1978 errichtet.<br />
Im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> sind es ca. 75 Prozent.<br />
Bis zu diesem Baujahr gab es<br />
keine Wärmeschutzverordnung,<br />
die Anforderungen an die energetische<br />
Qualität der Gebäudehülle<br />
stellt. Lediglich DIN-Normen<br />
verlangten einen Mindestwärmeschutz,<br />
um Feuchtigkeitsschäden<br />
an Bauteilen zu verhindern.<br />
Solche Gebäude im Ursprungszustand<br />
haben einen jährlichen Heizwärmeverbrauch<br />
von über 25 Liter Öl<br />
bzw. Kubikmeter Gas bezogen auf<br />
den Quadratmeter Wohnfläche. Auch<br />
die Heizungsanlagen der damaligen<br />
Bauart haben hohe Verluste. Einen<br />
Teil dieser Verluste bestimmt der<br />
Schornsteinfeger mit den Immissionsschutzmessungen<br />
in Form des Abgasverlustes.<br />
Zusätzlich ergeben sich<br />
aber insbesondere bei älteren Kesseln<br />
erhebliche Verluste während der Be-<br />
triebsbereitschaftszeit. Zum einen sind<br />
alte Kessel oft erheblich zu groß für<br />
den Heizwärmebedarf des Gebäudes<br />
ausgelegt worden und zum anderen<br />
BAUEN & WOHNEN<br />
Schön, aber die Energiekosten steigen so manchem Hauseigentümer übers Dach.<br />
Foto: HCL<br />
sind sie schlecht wärmegedämmt: Der<br />
Heizraum ist oft der wärmste Raum<br />
des Gebäudes. Insgesamt ergibt sich<br />
so ein Jahresanlagenwirkungsgrad,<br />
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66 BAUEN & WOHNEN<br />
der angibt, welcher Bruchteil der<br />
eingesetzten Brennstoffenergie als<br />
Nutzenergie zur Verfügung steht. Bei<br />
alten Kesseln liegt dieser Wert oft<br />
unter 70 Prozent, d.h. etwa ein Drittel<br />
des Brennstoffs wird nicht genutzt.<br />
Dies belastet durch Kohlendioxidemissionen<br />
unser Klima und durch die<br />
Energiekosten den Geldbeutel.<br />
Durch die energetische Altbausanierung<br />
von Gebäudehülle und<br />
Heizungsanlage lassen sich erhebliche<br />
Einsparungen erzielen. In zahlreichen<br />
Gutachten haben Experten Einsparpotentiale<br />
von über 50 Prozent angegeben.<br />
Dies deckt sich auch mit den<br />
Erfahrungen der Energieberatung der<br />
Verbraucherzentrale aus Hunderten<br />
von eigenen Energiegutachten. Auch<br />
der Gesetzgeber hat das hohe Einsparpotential<br />
bei Bestandsgebäuden erkannt.<br />
Einerseits wurden durch Förderprogramme<br />
Anreize geschaffen, in die<br />
energetische Verbesserung älterer Gebäude<br />
zu investieren, andererseits gibt<br />
es in der Energieeinsparverordnung<br />
(EnEV) Nachrüstungsverpflichtungen<br />
und Anforderungen an die Ausführung<br />
von Sanierungsmaßnahmen.<br />
� Förderprogramme<br />
Es gibt zahlreiche Förderprogramme,<br />
die teilweise auch miteinander<br />
kombiniert werden können. Förder-<br />
programme ändern sich ständig. Die<br />
jeweils aktuelle Übersicht ist zum<br />
Download-Preis von 1,50 Euro auf<br />
www.vz-nrw.de erhältlich. Hier nur ein<br />
kurzer Überblick der zur Zeit (Stand<br />
Februar 2006) aktuellen Förderprogramme:<br />
� KFW-Programme<br />
Seit 2001 gibt es ein Förderprogramm<br />
für die energetische Sanierung<br />
von Wohngebäuden. Die Kreditanstalt<br />
für Wiederaufbau stellt für ihr „KfW-<br />
CO2-Gebäudesanierungs-Programm“<br />
Kredite zur Verfügung. Diese liegen<br />
etwa 2,5 Prozent unterhalb der<br />
marktüblichen Zinsen, d. h. aktuell<br />
bei 1,0 Prozent effektivem Jahreszins<br />
und zehn Jahren Zinsbindung bei<br />
100 Prozent Auszahlung. Sie werden<br />
für Wohngebäude vergeben, die vor<br />
1983 fertiggestellt wurden. Es können<br />
entweder vorgegebene Maßnahmenpakete<br />
durchgeführt werden oder im<br />
„Maßnahmenpaket 4“ wird bei beliebigen<br />
Maßnahmen mit einem Gutachten<br />
die Kohlendioxid Einsparung<br />
nachgewiesen. Für Einzelmaßnahmen<br />
gibt es das Programm „Wohnraum<br />
modernisieren“ mit Zinssätzen ab 1,71<br />
Prozent effektiv, je nach Maßnahmen,<br />
Zinsbindungsfrist und Laufzeit.<br />
Weitere Informationen unter –www.<br />
kfw-foerderbank.de.<br />
� Marktanreizprogramm des<br />
Bundes – www.bafa.de<br />
Thermische Solaranlagen und Holzheizungen<br />
werden durch das Bundesamt<br />
für Wirtschaft bezuschusst.<br />
� Holzabsatzförderungsprogramm<br />
– www.forst.nrw.de<br />
Über die staatlichen Forstämter<br />
werden Holzheizungen unter Umständen<br />
durch einen weiteren Zuschuss<br />
gefördert.<br />
� Nachrüstverpflichtungen<br />
Die Energieeinsparverordnung<br />
(EnEV) verlangt bis Ende 2006 die<br />
Dämmung von zugänglichen, aber<br />
nicht begehbaren Dachböden bis<br />
zum U-Wert von unter 0,3 W/m2K.<br />
(Im Allgemeinen sind 14 Zentimeter<br />
Dämmung erforderlich). Der übliche,<br />
begehbare Trockenboden ist damit<br />
zwar nicht gemeint, jedoch empfiehlt<br />
sich auch dort eine ausreichende<br />
Dämmung (s.u.). Eine weitere Nachrüstverpflichtung<br />
bis Ende 2006 bezieht<br />
sich auf ungedämmte Heizrohre<br />
in unbeheizten Räumen und auf den<br />
Austausch eines vor 1978 eingebauten<br />
Heizkessels. Unter Umständen<br />
gibt es für den vor kurzem energetisch<br />
verbesserten alten Heizkessel<br />
eine „Galgenfrist“ bis Ende 2008.<br />
Alle Nachrüstverpflichtungen gelten
nicht für das selbstgenutzte Ein- bzw.<br />
Zweifamilienhaus, außer bei einem<br />
Eigentümerwechsel. Der neue Eigentümer<br />
hat dann zwei Jahre Zeit für die<br />
Nachrüstung.<br />
� Anforderungen an die energetische<br />
Altbausanierung<br />
Neben diesen Nachrüstungsverpflichtungen<br />
gibt es in der Energieeinsparverordnung<br />
(EnEV) Anforderungen<br />
an die Durchführung für den Fall,<br />
dass an Bauteilen mit einer Fläche von<br />
über 20 Prozent einer Fassade Maßnahmen<br />
durchgeführt werden.<br />
Bei Dachsanierungen darf der U-<br />
Wert (früher k-Wert, Maß für den<br />
Wärmeverlust) maximal 0,30 W/(m²K)<br />
betragen, was einer Dämmstärke von<br />
ungefähr 14 Zentimeter entspricht.<br />
Wir empfehlen nach Möglichkeit eine<br />
Dämmstärke von 20 Zentimeter (U-<br />
Wert ca. 0,20 W/m²K). Der genaue<br />
U-Wert des gedämmten Daches<br />
hängt neben der Dämmstärke auch<br />
vom Aufbau des Daches und von der<br />
Wärmeleitfähigkeitsgruppe (WLG)<br />
des Dämmstoffs ab. Für Flachdachsanierungen<br />
gilt der schärfere Wert von<br />
maximal 0,25 W/(m²K).<br />
Werden bei Außenwänden Dämmstoffe<br />
eingebracht oder der Putz<br />
erneuert, so darf der neue U-Wert<br />
höchstens 0,35 W/m²K betragen.<br />
Abb. 1: Dämmung einer Holzbalkendecke<br />
Dies entspricht etwa zehn Zentimeter<br />
Dämmstärke. Wir empfehlen, einen<br />
U-Wert von unter 0,30 W/m²K anzustreben.<br />
Dies entspricht einer Dämmstärke<br />
von etwa zwölf Zentimeter.<br />
Möglich sind auch zehn Zentimeter<br />
Dämmstärke mit einem Dämmstoff<br />
WLG 035. Wird bei zweischaligem<br />
Mauerwerk die vorhandene Hohlschicht<br />
vollständig mit Dämmstoff<br />
(z.B. Perlite) ausgeblasen, so gibt es<br />
eine Ausnahmegenehmigung für diese<br />
Kerndämmungen, da der U-Wert von<br />
0,35 W/m²K nur mit einer aufwändigen<br />
zusätzlichen Außendämmung zu<br />
erzielen wäre.<br />
Für neue Fenster schreibt die EnEV<br />
einen mittleren U-Wert von höchstens<br />
1,70 W/m²K vor. Dieser Wert berücksichtigt<br />
auch die Wärmebrückenver-<br />
BAUEN & WOHNEN<br />
luste des Einbauzustandes und des<br />
Rahmenanteils.<br />
Der neue U-Wert der Kellerdecke<br />
darf höchstens 0,40 W/m²K (bei Dämmung<br />
auf der unbeheizten Kellerseite)<br />
betragen. Dies entspricht etwa einer<br />
Dämmstärke von ungefähr acht Zentimetern.<br />
Der genaue U-Wert hängt von<br />
der vorhandenen Kellerdecke und von<br />
der Wärmeleitfähigkeitsgruppe des<br />
verwendeten Dämmstoffs ab.<br />
� Energiesparmaßnahmen<br />
� Dach<br />
Beim ausgebauten Dach kommen<br />
die Dachschrägen und der Dachboden<br />
für eine Dämmung in Frage. Soll später<br />
einmal der Spitzboden ausgebaut<br />
werden, so ist es sinnvoll, schon jetzt<br />
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68 BAUEN & WOHNEN<br />
die gesamte Dachfläche zu dämmen.<br />
Wenn der Spitzboden aber in absehbarer<br />
Zeit nicht für Wohnzwecke<br />
genutzt werden soll, so empfiehlt<br />
sich eine Dämmung des Dachbodens.<br />
Muss der Dachboden nicht begehbar<br />
sein, so reicht es, Dämmstoffmatten<br />
mehrlagig mit versetztem Stoß aufzulegen<br />
oder einen Schüttdämmstoff<br />
(Perlitekörnung oder Zellulosefasern)<br />
aufzubringen. Für eine ausreichende<br />
Dämmwirkung sollten 14 Zentimeter<br />
nicht unterschritten werden. Wichtig<br />
ist, dass der Dämmstoff nicht von<br />
kalter Luft unterströmt werden kann.<br />
Werden Platten oder Bretter auf<br />
Lagerhölzern verlegt, ist der Boden<br />
begehbar. Bei alten Holzbalkendecken<br />
ist meistens ausreichend Hohlraum<br />
vorhanden, der mit Zelluloseflocken<br />
ausgeblasen werden kann. Dies ist ein<br />
recht preisgünstiges Verfahren.<br />
Aufwändiger ist eine nachträgliche<br />
Wärmedämmung der Dachschrägen<br />
im ausgebauten Teil. Manchmal ist es<br />
möglich, Dämmstoffplatten zwischen<br />
die Sparren vorzuschieben. Dies ist<br />
bauphysikalisch unproblematisch,<br />
wenn der Dachausbau innen luftdicht<br />
verputzt ist und zwischen Unterspannbahn<br />
und Dämmstoff durchgehend<br />
eine Belüftungsschicht von mindestens<br />
zwei Zentimetern verbleibt. In Zweifelsfällen<br />
kann innen zusätzlich eine<br />
Abb. 2: Dämmung des Schrägdaches<br />
Dampfsperre angebracht werden.<br />
Unter Umständen ist das Dach für<br />
eine Einblasdämmung geeignet. Hier<br />
ist es ratsam, eine Fachfirma zu fragen.<br />
Alle weiteren Dämmarbeiten erfordern<br />
die Demontage des Dachausbaus oder<br />
eine Dachneudeckung.<br />
Beim Schrägdach kann die Dämmung<br />
auf, zwischen oder unter den<br />
Sparren angebracht werden. Zur<br />
Vermeidung von Bauschäden ist ein<br />
mehrschaliger Aufbau notwendig: Auf<br />
der kalten Seite des Dämmstoffs eine<br />
Winddichtungsebene, die den Dämmstoff<br />
vor „Unterwanderung“ mit kalter<br />
Luft schützt und die gleichzeitig<br />
eventuell durch die Dachdeckung<br />
eingedrungenes Wasser ableitet;<br />
zusätzlich eine oder zwei Belüftungsebenen<br />
und auf der warmen Seite<br />
eine Luftdichtungsebene, die meistens<br />
auch die Funktion der Dampfsperre<br />
übernimmt.<br />
Als Unterdach ist eine Kunststofffolie<br />
als Unterspannbahn oder ein<br />
festes Unterdach aus Holzschalung<br />
oder Holzweichfaserplatten möglich.<br />
Wichtig ist ausreichende Belüftung<br />
zwischen Unterdach und Dacheindeckung,<br />
um eventuell eingedrungene<br />
Feuchtigkeit schnell austrocknen zu<br />
lassen.<br />
Die größten Wasserdampfmengen<br />
gelangen durch warme Raumluft in<br />
die Dachkonstruktion, wenn sich diese<br />
auf dem Weg durch den Dämmstoff<br />
abkühlt. Warme Luft kann nämlich<br />
wesentlich mehr Feuchtigkeit tragen<br />
als kalte, ohne fühlbar feucht zu<br />
sein, wie man es am beschlagenen<br />
Badezimmerspiegel sehen kann. Die<br />
weitaus meisten Feuchteschäden an<br />
Dachkonstruktionen beruhen auf der<br />
durch Spalten, Ritzen oder Löcher<br />
eingedrungenen Raumluft. Notwendig<br />
ist deshalb sorgfältigste Ausführung<br />
der raumseitigen Luftdichtungsebene.<br />
Eine verputzte Wand ist luftdicht,<br />
eine Holzvertäfelung mit darrunterliegenden,<br />
auf die Sparren getackerten<br />
Randleistenmatten dagegen nicht.<br />
Hier ist zusätzlich eine durchgehende<br />
Luftdichtungsebene durch eine<br />
Folie oder eine spezielle Baupappe<br />
erforderlich. Die Stöße, Anschlüsse
und Rohrdurchdringungen müssen<br />
dauerhaft verklebt werden. Es müssen<br />
hierfür Spezialklebebänder oder<br />
-kartuschen verwendet werden und<br />
zusätzlich sollten die Klebestellen mit<br />
aufgeschraubten Anpresslatten oder<br />
eingeputztem Streckmetall gesichert<br />
werden. Eventuell ist vor dem Innenausbau<br />
eine Luftdichtigkeitsmessung<br />
sinnvoll. Als gängige Baupraxis wird<br />
meist ein belüftetes Dach ausgeführt.<br />
Bei dieser bewährten Konstruktion<br />
befindet sich eine weitere Belüftungsebene<br />
zwischen Unterspannbahn und<br />
Dämmstoff. Nachteilig sind jedoch<br />
Problempunkte wie Dachgauben<br />
und Rohrdurchführungen, die Notwendigkeit<br />
des Holzschutzes und<br />
das „Verschenken“ von Zentimetern<br />
für die Dämmschicht. Für größere<br />
Dämmstoffstärken, wie sie nach der<br />
EnEV gefordert werden, empfiehlt<br />
sich Vollsparrendämmung. Vorteil:<br />
Der gesamte Sparrenquerschnitt steht<br />
für Dämmzwecke zur Verfügung und<br />
Holzschutz wird entbehrlich. Hierfür<br />
ist eine diffusionsoffene Unterspannbahn<br />
oder ein diffusionsoffenes festes<br />
Unterdach aus Holzweichfaserplatten,<br />
hinreichend trockenes Bauholz und<br />
eine dampfbremsende Luftdichtungsschicht<br />
Voraussetzung. Bei den<br />
üblichen Unterdachfolien ist die Vollsparrendämmung<br />
jedoch riskant.<br />
Abb. 2: Wärmedämmverbundsystem<br />
� Außenwand<br />
Eine gute Außendämmung kann<br />
vor allem bei schlecht gedämmten<br />
Altbauten die Energieverluste durch<br />
die Wände auf weniger als ein Viertel<br />
verringern. Einsparungen von vielen<br />
hundert Euro pro Jahr sind keine Seltenheit.<br />
Außerdem werden die Wände<br />
innen wärmer: Es wird angenehmer<br />
im Raum und Feuchtigkeitsschäden<br />
durch Tauwasser werden vermieden.<br />
Für die Außenwanddämmung gibt es<br />
verschiedene Verfahren: Die Außendämmung,<br />
die mittels Wärmedämmverbundsystem<br />
oder hinterlüfteter<br />
Fassade erfolgen kann, die Kerndäm-<br />
BAUEN & WOHNEN<br />
mung und die Innendämmung.<br />
Ist das Haus verputzt? Ist die<br />
Außenwand einschalig? Muss die<br />
Fassade ohnehin in näherer Zukunft<br />
renoviert werden? Dann kommt ein<br />
Wärmedämmverbundsystem, auch als<br />
Thermohaut bezeichnet, in Frage. Bei<br />
dieser Form der Außendämmung werden<br />
Dämmstoffplatten direkt auf das<br />
Mauerwerk oder auf den vorhandenen<br />
Außenputz aufgeklebt und/oder<br />
angedübelt. Besonders kostengünstig<br />
ist dies, wenn die Kosten für Gerüst,<br />
Verputz und Anstrich sowieso anfallen<br />
würden und Putzabschlagen vermieden<br />
werden kann.<br />
69
70 BAUEN & WOHNEN<br />
Auf die Dämmplatten wird als<br />
Spannungsausgleich ein Armierungsgewebe<br />
geklebt und anschließend<br />
verputzt. Es gibt eine Vielzahl von<br />
Thermohaut-System-Anbietern mit<br />
Gewährleistungszeiten bis zu zehn<br />
Jahren. Abzuraten ist vom Selbstbau<br />
und von der Kombination von Dämmstoff<br />
und Putz auf eigene Faust. Die<br />
Fassade kann mit Kunststoffputz,<br />
mineralischem Putz oder Steinen<br />
(„Riemchen“) versehen werden. Aus<br />
bauphysikalischer Sicht ist ein „diffusionsoffener“<br />
Aufbau zu bevorzugen,<br />
weil dann in die Konstruktion eventuell<br />
eingedrungene Feuchtigkeit verdunsten<br />
kann ohne Schaden anzurichten.<br />
Der Schallschutz einer Außenwand<br />
kann durch Mineralfasermatten leicht<br />
verbessert werden, wozu Styropor<br />
ungeeignet ist. Es gibt viele Häuser<br />
mit Thermohaut, die schon Jahrzehnte<br />
schadensfrei überstanden haben.<br />
Zu beachten sind neben ökologischer<br />
und gesundheitlicher Unbedenklichkeit<br />
der Dämmstoffe auch Probleme<br />
bei der Anbringung von Schaltern,<br />
Markisen, Geländern, Regenfallrohren<br />
usw. Thermohaut-System-Anbieter<br />
haben bisweilen hierfür spezielle Konstruktionselemente.<br />
Eine ähnlich gute Dämmwirkung<br />
hat die hinterlüftete Fassade, wobei<br />
zwischen der Wärmedämmung und<br />
Abb. 3: Vorhangfassade<br />
der äußeren wetterfesten Verkleidung<br />
ein Zwischenraum, die so genannte<br />
„Hinterlüftung“, frei bleibt. Dieses<br />
Verfahren ist allerdings fast immer<br />
teurer als die Thermohaut und kommt<br />
meist dann zur Anwendung, wenn die<br />
Wand nicht verputzt, sondern verkleidet<br />
werden soll.<br />
Bei einer Vorhangfassade kostet die<br />
eigentliche Konstruktion das meiste.<br />
Der Dämmstoffanteil beträgt weniger<br />
als ein Fünftel der Gesamtkosten. Es<br />
ist deshalb sinnvoll, möglichst stark<br />
zu dämmen. Für die Sanierung einer<br />
vorhandenen Fassade sind zwölf bis<br />
15 Zentimeter Dämmstoff empfehlenswert.<br />
Da beim Altbau nicht alle<br />
Wärmebrücken beseitigt werden können,<br />
bringt eine dickere Dämmschicht<br />
nicht mehr viel.<br />
Die Vorhangfassade besteht aus<br />
einer tragenden Unterkonstruktion<br />
und der Dämmung sowie der Außenwandbekleidung<br />
(Vorhang). Die Tragkonstruktion<br />
sollte wärmebrückenarm<br />
sein. Gekreuzte Lattung, spezielle<br />
Befestigungssysteme etc. sind möglich.<br />
Dämmstoffplatten müssen dem<br />
Anwendungstyp W oder WV angehören.<br />
Falls ein geschlossener Hohlraum<br />
geschaffen wird, können Zelluloseflocken<br />
eingeblasen werden. Bei allen<br />
Konstruktionen ist ausreichende Hinterlüftung<br />
wichtig: Abstand zwischen<br />
Dämmung und Vorhang sowie Zu- und<br />
Abluftöffnungen. Der Dämmstoff<br />
selbst darf jedoch nicht von kalter<br />
Luft hinterströmt werden: winddichte<br />
Ausführung. Es sollte auch unbedingt<br />
auf wärmebrückenarmen Anschluss an<br />
Fensterlaibungen, Kellerdecke, Flachdachattika<br />
etc. geachtet werden.<br />
Hat das Gebäude ein zweischaliges<br />
Mauerwerk? Besteht es aus einer<br />
tragenden Wand, einer Vorsatzschale<br />
(Klinker) und einer dazwischenliegenden<br />
Luftschicht? Bei der Kerndämmung<br />
wird die Luftschicht mit einem<br />
Dämmstoff ausgefüllt. Das Dämmmaterial<br />
muss allerdings so beschaffen<br />
sein, dass es praktisch kein Wasser<br />
aufnimmt oder dieses zumindest rasch<br />
wieder abgibt. Die Kerndämmung ist<br />
ein recht preisgünstiges Verfahren zur<br />
Verbesserung des Wärmeschutzes.<br />
Für Mauerwerke mit belüfteter
Luftschicht ist Kerndämmung die<br />
Voraussetzung für weitere Außendämmung.<br />
Jede Dämmschicht auf der<br />
Außenschale nützt nämlich wenig, solange<br />
dahinter die mit der Außenluft in<br />
Verbindung stehende kalte Luftschicht<br />
liegt. Zur nachträglichen Kerndämmung<br />
gibt es zwei Methoden:<br />
1. Für das Ausschäumen der Luftschicht<br />
mit Kunststoffschäumen<br />
wird das Mauerwerk von außen<br />
in regelmäßigen Abständen angebohrt.<br />
Durch die Bohrlöcher wird<br />
vorgeschäumter Kunststoff (z.B.<br />
Polyurethanschaum) zwischen die<br />
Mauerwerksschalen eingebracht.<br />
Durch spezielle Zusätze dehnt sich<br />
der Schaum aus, füllt die gesamte<br />
Luftschicht und verfestigt sich. Von<br />
dieser Art der Kerndämmung raten<br />
wir ab. Zum einen ist die Produktion<br />
des Kunststoffes recht energieaufwändig.<br />
Zum anderen können<br />
die Schäume bei unsachgemäßer<br />
Einbringung wie auch in eingebautem<br />
Zustand Formaldehyddämpfe<br />
freisetzen – mit den bekannten<br />
gesundheitlichen Folgen.<br />
2. Einblasen von losen Schüttdämmstoffen<br />
durch vorher in die Außenwand<br />
gebohrte Löcher. In<br />
Frage kommen Polystyrol-Perlen,<br />
Blähperlite, Mineralfaser-Flocken<br />
Abb. 4: Kerndämmung<br />
oder Kork-Granulat. Alle diese<br />
Schüttdämmstoffe müssen wasserabweisend<br />
(hydrophobiert) sein.<br />
Aus ökologischer Sicht kommen<br />
am ehesten Blähperlite und Kork-<br />
Granulat in Frage. Insbesondere<br />
bei Mineralfaser-Flocken ist darauf<br />
zu achten, dass alle Zwischenräume<br />
lückenlos gefüllt werden, da diese<br />
Flocken sich gerne an Vorsprüngen,<br />
Putzresten etc. „festklammern“.<br />
Die nachträgliche Kerndämmung<br />
eines Ein- bis Zweifamilienhauses<br />
dauert kaum länger als einen Tag und<br />
verändert das Aussehen des Hauses<br />
nicht. Für diese Maßnahme ist praktisch<br />
jedes Luftschicht-Mauerwerk<br />
geeignet. Es sollte bei jeder Kerndäm-<br />
BAUEN & WOHNEN<br />
mung darauf geachtet werden, dass<br />
sie von einer Fachfirma ausgeführt<br />
wird, die einer Güteüberwachung<br />
unterliegt und für ihr Verfahren eine<br />
bauaufsichtliche Zulassung hat. Es ist<br />
ratsam, vor Ausführung der Arbeiten<br />
die äußere Mauerschale auf Risse und<br />
undichte Fugen zu kontrollieren. Eventuell<br />
vorhandene Mängel müssen beseitigt<br />
werden, bevor der Dämmstoff<br />
eingebracht wird. Gleiches gilt auch für<br />
Luftschlitze im Außenmauerwerk. Ist<br />
die Mauerschale undicht oder durchfeuchtet,<br />
wird auch die Kerndämmung<br />
feucht und die Dämmwirkung wird<br />
dadurch entscheidend herabgesetzt.<br />
Das Mauerwerk sollte möglichst<br />
von außen gedämmt werden, da<br />
dies aus bauphysikalischen Gründen<br />
unproblematischer ist. Falls Fassaden<br />
aus gestalterischen und denkmalpflegerischen<br />
Gründen erhalten bleiben<br />
müssen, so muss dank der Innendämmung<br />
auf den Wärmeschutz nicht<br />
verzichtet werden.<br />
Viele Hauseigentümer und Mieter<br />
entscheiden sich aber auch aus finanziellen<br />
Gründen für die Innendämmung.<br />
Das ist verständlich. Denn während<br />
bei der Außendämmung zumindest<br />
einer Gebäudeseite komplett - tunlichst<br />
durch eine Fachfirma - gedämmt<br />
werden muss, sind Dämmmaßnahmen<br />
im Inneren auch teilweise möglich und<br />
71
72 BAUEN & WOHNEN<br />
mit etwas handwerklichem Geschick<br />
selbst auszuführen.<br />
Doch Vorsicht: Innendämmung<br />
kann im nachhinein teuer werden.<br />
Weil durch solche Maßnahmen die<br />
Außenwände weiter auskühlen, kann<br />
im Raum entstehender Wasserdampf,<br />
der durch das Mauerwerk ins Freie<br />
dringt, bereits in der Wand kondensieren<br />
und zu Feuchtigkeitsschäden<br />
führen. Daher ist es ratsam, vor der<br />
Dämmschicht eine Dampfsperre anzubringen.<br />
Es gibt nach DIN 4108 jedoch<br />
auch unter bestimmten Umständen<br />
die Möglichkeit, auf eine Dampfsperre<br />
zu verzichten. Nähere Informationen<br />
gibt es bei der Energieberatung der<br />
Verbraucherzentrale.<br />
Ob mit oder ohne Dampfsperre:<br />
Sorgfältiges Arbeiten ist notwendig,<br />
um dauerhaft Ritzen und Fugen zu<br />
vermeiden, durch welche warme<br />
Raumluft hinter die Dämmung gelangen<br />
kann, wo sie auf der kalten<br />
Außenwand kondensieren würde.<br />
Schon unzureichend abgedichtete<br />
Elektroinstallationsdosen können Ärger<br />
verursachen. Haben sich bereits<br />
Stockflecken oder Schimmel an den<br />
Wänden gebildet, darf auf keinen Fall<br />
von innen gedämmt werden, ohne die<br />
Wand vollständig auszutrocknen und<br />
den Schimmel zu beseitigen. Besondere<br />
Vorsicht gilt bei Geschossdecken<br />
Abb. 5: Innendämmung<br />
aus Holzbalken. Hierbei muss die Dämmung<br />
mit dampfdichtem Dämmstoff,<br />
z.B. Schaumglas, zwischen die Balkenköpfe<br />
fortgesetzt werden. Ansonsten<br />
besteht die Gefahr, dass das Holz an<br />
den Kontaktstellen zur Außenwand<br />
verrottet.<br />
Raumfeuchtigkeit kann an kalten<br />
Stellen – den so genannten Wärmebrücken<br />
–kondensieren. Einbindende<br />
Innenwände und Betondecken können<br />
entschärft werden, wenn die<br />
Dämmung etwa 30 Zentimeter auf<br />
die entsprechende Wand oder Decke<br />
verlängert wird. Ein dampfdichter<br />
Dämmstoffstreifen oder ein Dämmkeil<br />
mit aufgeklebter dampfdichter Alu-<br />
Raufaser verringern diese Wärmebrücke.<br />
In jedem Fall sollte die Dämmung<br />
mit etwa zwei Zentimeter Stärke in die<br />
Fensterlaibungen gezogen werden.<br />
Die wirtschaftlich günstigste Dämm-<br />
stoffstärke beträgt sechs bis acht Zentimeter.<br />
Sie liegt damit niedriger als der<br />
empfohlene Wert für Außendämmung<br />
mit etwa zwölf Zentimeter, weil bei Innendämmung<br />
nie alle Wärmebrücken<br />
beseitigt werden können.<br />
� Fenster<br />
Neue Wärmeschutzfenster haben<br />
wesentlich geringere Wärmeverluste<br />
als Fenster mit Isolierglas oder sogar<br />
Einfachglas. Bei Wärmeschutzverglasungen<br />
– „Thermopane" ist kein Wärmeschutzglas<br />
– ist die innere Scheibe<br />
mit einer wärmereflektierenden Schicht<br />
bedampft. Der Scheibenzwischenraum<br />
ist mit einem Edelgas gefüllt. In der<br />
Regel wird nicht nur die Verglasung,<br />
sondern das gesamte Fenster erneuert.<br />
Ein Austausch der Verglasung kann<br />
allenfalls dann sinnvoll sein, wenn für<br />
die vorhandenen Fensterrahmen eine<br />
verbleibende Lebensdauer von mindestens<br />
15 Jahren erwartet wird und<br />
wenn sie in der Lage sind, das höhere<br />
Gewicht und die dickere Verglasung<br />
aufzunehmen.<br />
Es ist empfehlenswert, Wärmeschutzverglasungen<br />
mit einem U-<br />
Wert des Glases von höchstens 1,30<br />
W/m²K einzusetzen. Bei einem neuen<br />
Fenster ist zudem auf einen gut<br />
wärmedämmenden Rahmen und<br />
Scheibenverbund (kein Aluminium)
Wert zu legen. Sein U-Wert sollte ausgewiesen<br />
sein und unter 2,0 W/m²K<br />
liegen. Wichtig ist eine fachgerechte<br />
Montage der Fensterrahmen mit<br />
einem luftdichten Anschluss an die<br />
angrenzenden Bauteile (Außenwand,<br />
Dachschräge, Gaubenkonstruktion).<br />
Bloßes Ausschäumen der Fugen mit<br />
Montageschaum reicht dazu nicht aus.<br />
Besonderes Augenmerk ist auf eine<br />
luftdichte Einbindung von Rollladenkästen<br />
zu richten.<br />
� Keller<br />
Wenn der Keller eines Hauses im<br />
Winter unbeheizt bleibt, sollte die<br />
Kellerdecke beziehungsweise die Fußböden<br />
im Erdgeschoss ähnlich gut gedämmt<br />
werden wie die Außenwände.<br />
Andernfalls entstehen beträchtliche<br />
Wärmeverluste und damit unnötig<br />
hohe Heizkosten. Entsprechendes gilt<br />
für geheizte Räume im Keller. Hierbei<br />
empfiehlt sich eine Dämmung des<br />
Kellerbodens und der Kellerwände<br />
im beheizten Bereich. Auch bei der<br />
Dämmung zum Keller hin gilt: Je dicker<br />
der Wärmeschutz, um so besser ist das<br />
Ergebnis. Allerdings wird die Dicke der<br />
Dämmschicht vielfach durch niedrige<br />
Kellerdecken begrenzt.<br />
Die nachträgliche Dämmung der<br />
Kellerdecke ist natürlich nur sinnvoll,<br />
wenn die Kellerräume darunter auf<br />
Abb. 6 Beschichtete Wärmeschutzverglasung<br />
Dauer unbeheizt bleiben sollen. Eine<br />
solche Dämmung kann mit etwas<br />
Geschick auch der Laie durchführen.<br />
Dämmstoff- oder Verbundplatten jeglicher<br />
Art werden dichtgestoßen unter<br />
die Kellerdecke geklebt oder gedübelt.<br />
Vorher muss der Untergrund gut vorbereitet<br />
werden, Betongrate werden<br />
abgeschlagen. Dann werden die Platten<br />
von einer Ecke aus beginnend dicht<br />
an dicht unter der Decke angebracht.<br />
Für unter der Decke entlanglaufende<br />
Leitungen müssen Aussparungen geschnitten<br />
oder die Platten eingekerbt<br />
werden. Eventuell müssen die Platten<br />
zweilagig mit versetzten Stößen angebracht<br />
werden, um auf die optimale<br />
Dämmstoffstärke von neun Zentime-<br />
BAUEN & WOHNEN<br />
tern zu kommen. Eine Dampfsperre<br />
ist nicht nötig. Beheizte und häufig<br />
benutzte Kellerräume werden an<br />
der Außenseite der Trennwand zum<br />
unbeheizten Bereich gedämmt. Dann<br />
liegt die Dämmung auf der kalten Seite<br />
und deswegen sind auch in diesem Fall<br />
Dampfsperren unnötig. Anders ist es,<br />
wenn die fast immer ungedämmten<br />
Außenwände im beheizten Bereich<br />
wärmetechnisch verbessert werden<br />
sollen. Gerade die Wandteile, die aus<br />
der Erde herausragen, können erhebliche<br />
Wärmeverluste bewirken. Hier<br />
bleibt nur eine Innendämmung. Diese<br />
muss sehr sorgfältig mit einer Dampfsperre<br />
versehen werden, die überall<br />
dicht angeschlossen wird.<br />
73
74 BAUEN & WOHNEN<br />
Wer Kosten sparen will: Mit etwas Geschick kann der Laie seinen Keller selbst<br />
dämmen. Foto: HCL<br />
Die Dämmung des Erdgeschossbodens<br />
oder bei beheizten Kellerräumen<br />
des Kellerbodens ist aufwändiger, da<br />
sie stärker strapaziert wird. Hier sind<br />
meist zwei Lagen erforderlich, von<br />
denen die obere größerem Druck<br />
standhalten muss. Ansonsten besteht<br />
die Gefahr, dass sich Risse im Estrich<br />
bilden. Die untere Lage sollte – soweit<br />
erforderlich – einen Trittschallschutz<br />
bieten. Vor Einbringen einer Dämmschicht<br />
in den Kellerfußboden sollte<br />
eine Sperrschicht gegen aufsteigende<br />
Feuchtigkeit eingebracht werden.<br />
Konstruktive Probleme kann es bei<br />
Türöffnungen und Treppen geben.<br />
� Heizungsanlage<br />
Es gibt zahlreiche moderne Heizungssysteme,<br />
die sich je nach Gebäude<br />
eignen: Eine Öl- oder Gas-<br />
Brennwertheizung, eine Holzheizung<br />
mit Holzpellets, eine Wärmepumpenanlage<br />
oder ein Klein-Blockheizkraftwerk,<br />
alles mit oder ohne solare<br />
Unterstützung.<br />
Den Heizkessel erneuern und gleichzeitig<br />
bei Öl oder Gas bleiben? Dann<br />
empfiehlt sich in den meisten Fällen<br />
der Einbau eines Brennwertkessels.<br />
Brennwertkessel erreichen Jahresnutzungsgrade<br />
von 99 bis 105 Prozent,<br />
weil sie die Kondensationswärme des<br />
Wasserdampfes im Abgas zusätzlich<br />
nutzen. Bei der Verbrennung entsteht<br />
nämlich Wasser, welches in der Flamme<br />
verdampft. Durch Brennwerttechnik<br />
ist es möglich, auch die Energie zu<br />
nutzen, die bei Niedertemperaturkesseln<br />
mit dem im Abgas enthaltenen<br />
Wasserdampf entweicht. Dadurch ist<br />
bei Öl- und Gasheizungen eine um
etwa zehn bis 15 Prozent bessere Ausnutzung<br />
des Brennstoffes möglich, die<br />
auch dem Geldbeutel zu Gute kommt.<br />
Ein Teil des Kondenswassers entsteht<br />
im Schornstein. Dabei verbindet es sich<br />
mit Abgasinhaltsstoffen und wird zur<br />
Säure. Deshalb muss das Abgassystem<br />
säurebeständig sein. Daher ist der<br />
Einbau einer neuen Abgasleitung in<br />
den Schornsteinschacht erforderlich.<br />
Zu Fragen der Schornsteinanpassung<br />
sollte der zuständige Bezirksschornsteinfegermeister<br />
befragt werden. Als<br />
besonders kostengünstige Möglichkeit<br />
bietet sich die Dachheizzentrale an.<br />
Das Brennwertgerät wird dabei im<br />
Dachraum installiert, wodurch auf<br />
einen Schornstein verzichtet werden<br />
kann. Kessel und Schornstein müssen<br />
an das häusliche Abwassersystem<br />
angeschlossen werden, um für den Abfluss<br />
des Kondenswassers zu sorgen.<br />
Denn schon in kleineren Gebäuden<br />
kommen in der Heizzeit einige Kubikmeter<br />
Abwasser zusammen. Die<br />
Heizkörper alter Heizungsanlagen sind<br />
in der Regel großzügig bemessen und<br />
ermöglichen eine Brennwertnutzung<br />
durch die niedrige Rücklauftemperatur.<br />
Um die Vorzüge des neuen Kessels<br />
vollständig auszunutzen, muss die<br />
Regelung sachgerecht eingestellt sein.<br />
Bei Übergabe der Heizung durch den<br />
Fachbetrieb sollte man sich genau die<br />
Abb. 7: Brennwertkessel (kompakte<br />
Bauform)<br />
Bedienung des Gerätes zeigen lassen.<br />
Eine regelmäßige Wartung verlängert<br />
die Lebensdauer des neuen Kessels<br />
und sorgt für einen störungsfreien<br />
und umweltschonenden Betrieb. Es<br />
ist ratsam, bei der Heizungsanlage auf<br />
niedrigen Stromverbrauch der Pumpen<br />
zu achten.<br />
Soll der Energieträger gewechselt<br />
werden? Eine Möglichkeit zum komfortablen<br />
Heizen mit Holz sind Holz-<br />
Pellets, kleine Presslinge aus naturbelassenen<br />
Holzresten. Diese können wie<br />
Öl mit dem Tankwagen angeliefert<br />
werden. Der Lageraum kann sich<br />
im Keller befinden oder es kann ein<br />
BAUEN & WOHNEN<br />
Erdtank installiert werden. Die Pellets<br />
werden mittels Schnecke oder Gebläse<br />
zum Kessel gefördert, der vollautomatisch<br />
die Zufuhr je nach Wärmebedarf<br />
regelt. Da Holz beim Wachsen dieselbe<br />
Menge Kohlendioxid aufnimmt, wie es<br />
bei der Verbrennung entsteht, handelt<br />
es sich hierbei um eine kohlendioxidneutrale<br />
Heiztechnik mit erneuerbarer<br />
Energie. Folglich ergibt sich auch bei<br />
der Bewertung im Rahmen der EnEV<br />
ein günstiger Wert.<br />
Eine weitere innovative Heiztechnik<br />
sind Wärmepumpen, die Umgebungswärme<br />
aus Grundwasser, Erdreich oder<br />
Luft für die Heizung und/oder Warmwasserbereitung<br />
nutzen. Eine Wärmepumpe<br />
hat jede/r im Haus, nämlich<br />
den Kühlschrank, der Wärme aus<br />
dem Inneren nach außen transportiert<br />
entgegen dem üblichen Wärmefluss<br />
von warm zu kalt. Dazu benötigt der<br />
Kompressor des Kühlschranks den Antrieb<br />
durch einen Elektromotor. Ebenso<br />
wird bei der Wärmepumpe Strom<br />
eingesetzt, um der kühlen Umgebung<br />
Wärme zu entziehen und auf höherem<br />
Temperaturniveau dem Heizsystem<br />
zu Verfügung zu stellen. Bei einer gut<br />
geplanten und gebauten Anlage wird<br />
das vierfache des eingesetzten Stromes<br />
als Heizwärme gewonnen und<br />
die Energiekosten sinken auf etwa die<br />
Hälfte eines herkömmlichen Heizkes-<br />
75
76 BAUEN & WOHNEN<br />
sels. Besonders effektiv arbeitet die<br />
Wärmepumpe mit einer Fußbodenheizung.<br />
Auch in der EnEV macht die<br />
Wärmepumpe eine gute Figur. Es gibt<br />
mittlerweile auch schon für kleinere<br />
Objekte Blockheizkraftwerke auf dem<br />
Markt, die gleichzeitig Strom und Wärme<br />
erzeugen und so zu einer erheblichen<br />
Energieeinsparung im Vergleich<br />
zu der Stromerzeugung im Kraftwerk<br />
beitragen. Diese müssen so ins Heizungssytem<br />
integriert werden, dass die<br />
anfallende Wärme auch genutzt werden<br />
kann und eine Laufzeit des Aggregats<br />
von etwa 5.000 Stunden im Jahr<br />
erzielt wird. Sinnvoll sind für kleinere<br />
Objekte Blockheizkraftwerke, die ihre<br />
Leistung dem Wärmebedarf stufenlos<br />
in weiten Grenzen anpassen können.<br />
Diese Kraft-Wärmekopplung ergibt<br />
eine geringe Kohlendioxid-Belastung<br />
und eine gute Anlagenaufwandszahl,<br />
so dass die Vorgaben der EnEV leicht<br />
zu erfüllen sind. Zur Unterstützung<br />
der Heizungsanlage vor allem in der<br />
Übergangszeit eignen sich große Solarkollektoren<br />
(etwa ab zwölf Meter²<br />
Kollektorfläche) mit Pufferspeicher<br />
von mindestens 800 Litern. Genauere<br />
Informationen gibt es bei einer Energieberatung.<br />
� Warmwasserbereitung<br />
In vielen Haushalten wird für die<br />
Warmwasserbereitung ein großer Energieaufwand<br />
betrieben. Vor allem im<br />
Sommer, wenn der Heizkessel nur für<br />
die Warmwasserbereitung in Betrieb<br />
gehalten wird, geht besonders bei<br />
alten Kesseln der größte Teil der eingesetzten<br />
Energie ungenutzt verloren.<br />
Die Stillstandsverluste sind hoch, der<br />
Wirkungsgrad dagegen ist niedrig. Auf<br />
die Warmwasserbereitung entfallen<br />
heute über zehn Prozent des Energieverbrauchs<br />
im Haushalt. Da lohnt<br />
es sich, die Warmwassererzeugung<br />
einmal unter die Lupe zu nehmen.<br />
Denn Schwachstellen gibt es in der<br />
Regel bei allen älteren Heizkesseln mit<br />
eingebauter Warmwasserbereitung.<br />
Entweder ist die Wassertemperatur<br />
viel zu hoch, weil sie sich nicht dem<br />
Bedarf entsprechend regeln lässt, oder<br />
es entstehen erhebliche Energieverluste<br />
durch Auskühlung und Abstrahlung,<br />
weil ständig eine große Wassermenge<br />
auf hoher Temperatur gehalten wird.<br />
Hier helfen aber oft schon einfache<br />
Verbesserungsmöglichkeiten: Durch<br />
eine bessere Wärmedämmung etwa<br />
– auch an den Leitungen – lassen sich<br />
Auskühl- und Abstrahlverluste erheblich<br />
verkleinern. Verluste, die durch<br />
die Warmwasserzirkulation entstehen,<br />
sind durch den Einbau einer Umwälzpumpe<br />
mit Schaltuhr vermeidbar. Es<br />
können die tatsächlichen Nutzungs-<br />
zeiten eingestellt werden, so dass<br />
warmes Wasser nur bei Bedarf durch<br />
die Leitungen kreist. In anderen Fällen<br />
allerdings ist der Energieverschwendung<br />
nicht so leicht beizukommen.<br />
Das gilt vor allem dann, wenn der<br />
Heizkessel zu groß bemessen ist und<br />
ständig mit überhöhter Leistung arbeitet<br />
oder wenn sich die Temperaturen<br />
im Speicher nicht regulieren lassen.<br />
Dann lohnt es sich, über die Installation<br />
eines neuen Warmwassersystems<br />
nachzudenken. Die Einbaukosten werden<br />
durch die größeren Einspareffekte<br />
oft schnell wieder wettgemacht.<br />
Ein moderner Heizkessel mit indirekt<br />
beheiztem Speicher etwa gibt nur<br />
dann Wärme ab, wenn der Thermostat<br />
sie anfordert. Moderne Speicher sind<br />
überdies wesentlich besser isoliert und<br />
lassen sich in der Temperatur so niedrig<br />
einstellen, dass an der Entnahmestelle<br />
kaum kaltes Wasser beigemischt werden<br />
muss. Um eine größtmögliche<br />
Energieeinsparung zu erreichen, ist es<br />
natürlich auch wichtig, Speicherinhalt<br />
und Aufheizzeit genau zu bemessen<br />
und auf die jeweiligen Verbrauchsgewohnheiten<br />
abzustimmen. Eine andere<br />
energiesparende Alternative ist die<br />
Beheizung des Warmwasserspeichers<br />
durch eine Solaranlage. Bereits seit<br />
vielen Jahren wird Sonnenenergie<br />
zur Erwärmung des Dusch- und
Badewassers genutzt. Eine typische<br />
Brauchwasseranlage für eine vierköpfige<br />
Familie benötigt etwa sechs Meter<br />
Kollektorfläche und einen 300 Liter<br />
Speicher. Sie kann zwischen 50 bis<br />
60 Prozent des Warmwasserbedarf<br />
decken – für den Rest ist meistens der<br />
ohnehin vorhandene Heizkessel als<br />
Nachheizung zuständig. Neben den<br />
weit verbreiteten Flachkollektoren<br />
können die effektiveren (es reichen<br />
dann ungefähr vier Meter²) aber<br />
teureren Vakuumröhrenkollektoren<br />
eingebaut werden. Über Fördergelder<br />
für Solaranlagen informiert die Energieberatung<br />
der Verbraucherzentrale.<br />
Dort sind auch die Antragsformulare<br />
erhältlich. Wegen der hohen Stromkosten<br />
und der großen Verluste bei<br />
der Stromerzeugung im Kraftwerk<br />
gibt es nur wenige Fälle, wo es wirtschaftlicher<br />
und umweltschonender<br />
ist, anstelle des Speicherverfahrens<br />
Durchlaufgeräte einzusetzen, die<br />
kontinuierlich geringe Mengen heißes<br />
Wasser erzeugen. Zwar sind die Einbaukosten<br />
wesentlich geringer, aber<br />
verrechnet mit den Betriebskosten liegen<br />
die zentralen Systeme mit indirektem<br />
Speicher meist günstiger – auch<br />
unter Umweltgesichtspunkten.<br />
� Abstimmung der Maßnahmen<br />
Der günstigste Zeitpunkt für eine<br />
energetische Sanierung ist dann, wenn<br />
ohnehin am Gebäude Arbeiten anstehen;<br />
denn dann fallen für die zusätzliche<br />
Wärmedämmung nur ein Teil der<br />
Mehrkosten an, was deren Wirtschaftlichkeit<br />
maßgebend steigert. Zudem<br />
erhalten Sie die Möglichkeit, z.B. Ihre<br />
Dachneudeckung mit den günstigen<br />
Krediten der Kreditanstalt für Wiederaufbau<br />
(KfW) zu finanzieren. Da die<br />
Kosten der Dämmmaterialien im Vergleich<br />
zu den Kosten der Maßnahme<br />
gering sind, sollte an der Dämmstärke<br />
nicht gespart werden.<br />
Bei umfassenden Sanierungen von<br />
Haus und Haustechnik kann das Haus<br />
zum „Niedrigenergiehaus im Bestand“<br />
gemacht werden und damit in den Genuss<br />
des Tilgungszuschusses kommen.<br />
Für noch weitergehende Sanierungen<br />
gibt es bei der Deutschen Energieagentur<br />
ein spezielles Förderprogramm<br />
„Besser als ein Neubau“, was nun in<br />
die zweite Projektphase eingetreten<br />
ist. Nähere Informationen gibt es unter<br />
www.neh-im-bestand.de. Werden nur<br />
die Fenster erneuert, ohne gleichzeitig<br />
die Außenwand zu dämmen, kann es<br />
bei falschem Lüftungsverhalten zu<br />
Feuchteschäden an den Außenwänden<br />
kommen. Es sollte darauf geachtet<br />
werden, dass die neuen Fenster so<br />
eingebaut werden, dass eine nachträgliche<br />
Dämmung der Fensterleibung bei<br />
BAUEN & WOHNEN<br />
einer späteren Außenwanddämmung<br />
möglich ist. Bei gleichzeitiger Fenstersanierung<br />
und Dämmung der Außenwand<br />
führt dies zu einer optimalen,<br />
wärmebrückenfreien Konstruktion,<br />
wenn die neuen Fenster bündig mit<br />
der äußeren Wandfläche montiert und<br />
die Dämmung über den Blendrahmen<br />
gezogen wird. Sinnvoll ist die Kombination<br />
einer Gebäudesanierung mit<br />
dem Einbau einer kontrollierten Wohnungslüftung,<br />
insbesondere wenn die<br />
Außenwand nicht mitgedämmt wird.<br />
� Beratungsmöglichkeiten<br />
Vor einer Altbausanierung sollte eine<br />
genaue Gebäude-Analyse und eine<br />
objektive Beratung stehen. In NRW<br />
gibt es die Möglichkeit, das Gebäude<br />
unter die Lupe nehmen zu lassen,<br />
zum Beispiel durch den Schornsteinfegermeister<br />
oder durch besonders<br />
geschulte Handwerksmeister. Der so<br />
genannte „Gebäude-Check-Energie“<br />
kostet dank Förderung durch das Land<br />
NRW nur 25 Euro. Adressen von Ansprechpartnern<br />
sind über die Hotline<br />
der Energie-Agentur NRW Tel. 0180–5<br />
–33 52 26 oder im Internet unter www.<br />
ea-nrw.de. erhältlich. Auch Mitglieder<br />
der Architektenkammer Nordrhein-<br />
Westfalen und der Ingenieurkammer<br />
Bau NRW bieten eine Startberatung<br />
für die energetische Sanierung eines<br />
77
78 BAUEN & WOHNEN<br />
Hauses an. Dank Förderung durch<br />
das Land NRW kostet diese Beratung<br />
nur 48 Euro. Alle technischen, ökologischen<br />
und wirtschaftlichen Aspekte<br />
sinnvoller Energieeinsparmaßnahmen<br />
und die wichtigsten Gebäudedaten<br />
werden festgestellt und die energetisch<br />
bedeutenden Werte ermittelt.<br />
Adressen: www.aknw.de oder Tel.<br />
0211 4967-19.<br />
Durch vom Bundesamt für Wirtschaft<br />
und Ausfuhrkontrolle (BAFA)<br />
zugelassene Architekten und Ingenieure<br />
wird die vom Bund geförderte<br />
Vor-Ort-Beratung durchgeführt.<br />
Der Eigenanteil für dieses Gutachten<br />
liegt etwa bei 230 Euro. Die Berater<br />
helfen auch bei der Nutzung des<br />
Kreditprogramms zur energetischen<br />
Sanierung von Gebäuden der KfW<br />
(Kreditanstalt für Wiederaufbau). Sie<br />
sind zugelassen, den Einsparnachweis<br />
für das Maßnahmenpaket 4 zu erbringen.<br />
Näheres erfahren Sie im Internet<br />
unter www.bafa.de oder unter der<br />
Telefonnummer 06196 495-365. Auch<br />
die Energieberatung der Verbraucherzentrale<br />
NRW in <strong>Unna</strong>, Kamen und<br />
Lünen kann helfen – vereinbaren Sie<br />
ein Beratungsgespräch.
� Wohnungslüftung und Luftdichtigkeit<br />
Gut gelüftet und gut abgedichtet –<br />
Lufttechnische Sanierung im Bestand<br />
von Wolfgang Schürings<br />
Gute Luft ist das Lebenselixier<br />
Nummer eins. Doch was wir für<br />
die Umwelt schon lange fordern,<br />
wird in den eigenen vier Wänden<br />
oft sträflich vernachlässigt. Dabei<br />
entscheidet die Qualität der Luft<br />
gerade hier über Wohlbefinden,<br />
Gesundheit und Erhalt der Bausubstanz.<br />
Was nutzen kontrollierte<br />
Wohnungslüftung, lufttechnische<br />
Sanierungen und Luftdichtigkeit<br />
wirklich und wie werden sie sinnvoll<br />
umgesetzt?<br />
Wohnungslüftung und Luftdichtigkeit<br />
bedingen sich im Wohnungsbau<br />
gegenseitig. Motor dieser Entwicklung<br />
im Neubau ist die Energieeinsparverordnung<br />
(EnEV) mit entsprechenden<br />
Normen zur Raumlufttechnik. Doch<br />
zunehmende Bedeutung erlangen<br />
beide Maßnahmen auch bei der Sanierung<br />
und Wohnungserneuerung.<br />
Im Gebäudebestand sind es vor allem<br />
Gebäudemängel und Bauschäden wegen<br />
Feuchtigkeit, die den Einbau von<br />
Lüftungstechnik voranbringen.<br />
Besonders bedeutsam sind die Beseitigung<br />
von Feuchteschäden wegen<br />
Kondensat an inneren Oberflächen<br />
wie Laibungen, geometrischen Wär-<br />
BAUEN & WOHNEN<br />
Wolfgang Schürings zeigt das Haus, für dessen Belüftung er eine Auszeichnung im<br />
Rahmen des Wettbewerbs Energetische Altbausanierung des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> erhielt.<br />
Foto: Ruhr Nachrichten Bludau<br />
mebrücken und schlecht isolierten und<br />
belüfteten Gebäudeteilen.<br />
� Die Ursachen<br />
Bei der Sanierung beginnen Pro-<br />
79
80 BAUEN & WOHNEN<br />
bleme mit der Raumluft vielfach mit<br />
dem gut gemeinten Austausch von<br />
Fenstern. Alte Modelle mit U-Werten<br />
(früher: k-Wert) von 2,6 und schlechter<br />
werden durch hochwärmegedämmtes<br />
Wärmeschutzglas mit U-Werten von<br />
1,3 und besser ersetzt und an den<br />
Anschlüssen luftdicht eingebaut. Der<br />
Preis: unhygienische Luft bis hin zu<br />
Schimmelpilzbildung an verbleibenden<br />
Wärmebrücken (früher Kältebrücken).<br />
Daraus zu schließen, Isolierung mache<br />
krank und bringe womöglich nicht die<br />
erwünschte und theoretisch berechnete<br />
Einsparung an Heizenergie, wäre<br />
dennoch falsch. Das Verständnis der<br />
lufttechnischen Seite der Wohnung<br />
bringt Klarheit. Selbst unter Baufachleuten<br />
setzt sich erst langsam die<br />
Erkenntnis durch, dass (gemäß DIN<br />
1946-6) ein Mindestluftwechsel in<br />
Wohnungen sichergestellt werden<br />
muss, um die beiden Anforderungen<br />
hygienische Raumluft und Energieeinsparung<br />
sinnvoll zu verbinden.<br />
� Konsequenz für den Neubau<br />
Saubere und reine Luft benötigt<br />
ständige Lufterneuerung. Dies ist bei<br />
kontrollierter Lüftung gewährleistet.<br />
Daher erfüllen nur hoch wärmegedämmte<br />
und luftdichte Gebäude, die<br />
über eine kontrollierte Wohnungslüftung<br />
mit oder auch ohne Wärmerück-<br />
gewinnung verfügen, die Anforderungen<br />
an modernen Wohnungsbau.<br />
Hier wird in der Regel gleichmäßig<br />
und bei Belastung eventuell kurzfristig<br />
verstärkt gelüftet. Dies ist jeder<br />
Stoßlüftung weit überlegen. Beim<br />
kontrollierten Lüften stimmt auch die<br />
Luftrichtung. Feuchtigkeit dringt nicht<br />
vom Bad ins Schlafzimmer. Bei umgekehrter<br />
Luftrichtung wird Feuchtigkeit<br />
an der Quelle abgeführt.<br />
Sofern sie richtig geplant und<br />
ausgeführt sind, verzeichnen Lüftungsanlagen<br />
eine ganze Reihe von<br />
Vorteilen:<br />
� Komfortgewinn: frische Luft und<br />
zunehmende Behaglichkeit – ohne<br />
Zugluft<br />
� Energieeinsparung: bessere Luft bei<br />
gleichem oder deutlich niedrigerem<br />
Heizenergieverbrauch je nach dem<br />
Maß der Wärmerückgewinnung<br />
� Schutz vor Bauschäden wegen<br />
Feuchtigkeit und Kondensat<br />
� Keine neuen Risiken: Wohnen funktioniert<br />
ohne Eingriff der Bewohner<br />
Fenster können z.B. geschlossen<br />
bleiben<br />
� Mit Dichtigkeit effizienter<br />
Je dichter die Gebäudehülle desto<br />
effektiver arbeitet die Wohnungslüftung.<br />
Hochdichte Wohnungen benötigen<br />
für gleich bleibende Luftqualität<br />
in allen Räumen nur alle drei Stunden<br />
einen Luftwechsel; weniger dichte<br />
alle zwei Stunden. Bei Fensterlüftung<br />
lässt sich der Luftwechsel nicht gezielt<br />
regeln. Die Anforderungen an<br />
die Luftdichtigkeit steigen je höher<br />
die Wärmerückgewinnung der Wohnungslüftung.<br />
Ideal sind n50-Werte<br />
von 0,6/h und niedriger bei der Prüfung<br />
der Luftdichtigkeit, wie sie auch<br />
im Passivhaus gefordert sind.<br />
� Streitigkeiten vermeiden<br />
Mit Feuchteschäden in der Mietwohnung<br />
beginnt oft auch der Streit<br />
um den Verursacher. War es der Mieter<br />
durch falsches Lüften oder sind<br />
es Probleme an der Bausubstanz?<br />
Die Diskussion um falsches Lüften<br />
bei Wohnungen mit aufgetretenem<br />
Schimmelpilzbefall erübrigt sich, wenn<br />
geeignete lufttechnische Maßnahmen<br />
gewählt und andere bauphysikalische<br />
Maßnahmen wie Beseitigung starker<br />
oder unzugänglicher Wärmebrücken,<br />
berücksichtigt werden.<br />
� Lufttechnische Sanierung<br />
Das „Zauberwort“ lufttechnische<br />
Sanierung ist noch lange nicht Allgemeingut.<br />
Die folgende Tabelle gibt<br />
einen Überblick über lufttechnische<br />
Sanierungsverfahren im Gebäudebestand.
Baulicher Mangel/Art Vorkommen/Auftreten<br />
bei Holzbau/<br />
Fertighäusern<br />
Daraus wird deutlich, dass kontrollierte<br />
Wohnungslüftung als Kernbestandteil<br />
der Sanierung mehr leistet als<br />
Zwangsbelüftung. Wichtig für die lufttechnische<br />
Sanierung sind ausreichende<br />
Luftmengen in jedem Wohnraum.<br />
Dies soll von besonders leisen Lüftern<br />
bzw. günstig angeordneten Ventilatoren<br />
sichergestellt werden. Darüber<br />
hinaus entscheidet immer der Einzelfall<br />
welches Lüftungssystem die Anforderungen<br />
im Bestand am besten erfüllt.<br />
So ist beispielsweise in der oberirdi-<br />
Vorkommen/Auftreten<br />
bei Massivbau<br />
geeignete<br />
Sanierungsverfahren<br />
schen Wohnung bei Kondensatfeuchte<br />
ein ausreichender Mindestluftwechsel<br />
zu planen um Schimmelpilz oder<br />
erhöhte Feuchtigkeit dauerhaft auszuschließen.<br />
Wärmerückgewinnung<br />
ist hier wünschenswert, aber nicht<br />
unbedingt erforderlich. Weiteres<br />
Kriterium bei der Systemauswahl ist<br />
einfache Einbindung.<br />
� Kontrollierte Kellerlüftung<br />
Die kontrollierte Wohnungslüftung<br />
von Souterrainwohnungen ist ein bis-<br />
BAUEN & WOHNEN<br />
bauliche Voraussetzungen<br />
Geruch<br />
raum + LUFT Fertighaus kein akuter Feuchteschaden/<br />
ältere Fertighäuser<br />
aus den 70er Jahren<br />
tec<br />
keine durchfeuchtete Wand/<br />
Schadstoffe eine vor Schlagregen geschützte<br />
Konstruktion<br />
Schimmelpilz schlecht gedämmt,<br />
Wärmebrücken<br />
Muffiger Geruch<br />
Schimmel einfach weglüften<br />
mit kontrollierter<br />
Wohnungslüftung<br />
massive Keller Kellergeschoss Kellerlüftomatsystem<br />
Begleitmaßnahmen zur Beseitigung<br />
von Wärmebrücken<br />
erforderlich<br />
kleine bis mittlere<br />
Feuchtelasten<br />
z.T. Schimmelpilz nur geringer Feuchteeintrag bei<br />
Schäden an der Abdichtung<br />
lang weitgehend unbearbeitetes Feld.<br />
Doch gerade in Kellerräumen spielt<br />
eine intelligente Regelung der Lüftung<br />
besonders im Sommer eine wichtige<br />
Rolle, um Kondensatprobleme zu<br />
vermeiden. In Zusammenarbeit mit<br />
Kooperationspartnern hat der Autor<br />
Wolfgang Schürings ein Kellerlüftomatsystem<br />
entwickelt, das diesen<br />
Anforderungen möglichst preiswert<br />
und komfortabel gerecht wird.<br />
Das Kellerlüftomatsystem steuert<br />
die Lüftung in Souterrain- und Keller-<br />
81
82 BAUEN & WOHNEN<br />
wohnungen so, dass weder muffige<br />
Luft noch Schimmelpilz entstehen. Mit<br />
Hilfe von Innen- und Außenfühlern<br />
wird temperaturabhängig gelüftet,<br />
ohne die Luftfeuchte unnötig zu erhöhen.<br />
� Gerüche verbannen<br />
Jede sinnvolle Lufttechnik und<br />
Wohnungslüftung erfordert eine<br />
individuelle Betrachtung. Ein Beispiel<br />
sind ältere Fertighäuser aus den 70er<br />
und 80er Jahren. Hier leiden die<br />
Bewohner in einigen Fällen unter erheblicher<br />
Geruchsbildung, die bislang<br />
nur durch sehr komplexe und teure Sanierungen<br />
behoben werden konnten.<br />
raum+LUFT Fertighaus-Tec heißt das<br />
luft-technische Sanierungsverfahren<br />
von Wolfgang Schürings, das diese<br />
Geruchsbelästigung deutlich mindert.<br />
Ein spezielles Lüftungssystem mit<br />
Wärme- und Feuchterückgewinnung<br />
ermöglicht bei Ausdünstungen von<br />
Schadstoffen und verbleibenden Restgeruch<br />
höhere Luftwechselraten als<br />
üblich, ohne die Raumluft im Winter<br />
zu stark auszutrocknen.<br />
Ein völliger Stopp des Verfalls ist<br />
bei Fertighäusern, die vor 30 Jahren<br />
bauphysikalisch falsch geplant<br />
und ausgeführt wurden, nur mit<br />
finanziell erheblichen Investitionen<br />
möglich. Hierbei wird teilweise die<br />
Kritische Konstruktion und Spanplatten<br />
führen zu Geruchsbelästigung. Foto:<br />
raum + LUFT<br />
gesamte Fassade erneuert. Ein Ziel<br />
von raum+LUFT Fertighaus-Tec ist<br />
es daher, mit vertretbarem finanziellen<br />
Aufwand ein möglichst gutes<br />
Ergebnis der Gebäudesanierung zu<br />
erreichen und den voranschreitenden<br />
Verfall von Gebäuden deutlich zu<br />
verzögern und wieder gut bewohnbar<br />
zu machen. Dazu ist die Einbindung<br />
lufttechnischer Sanierungsmaßnahmen<br />
ins Gesamtkonzept erforderlich.<br />
Anderenfalls bleiben zumindest die<br />
Geruchsprobleme auch nach der<br />
Sanierung. Zusätzliche Maßnahmen,<br />
die die Dämmung verbessern oder<br />
erneuern und Dämmlücken beseitigen,<br />
sind auch hier meist ratsam.<br />
� Problemloser Holzrahmenbau<br />
An dieser Stelle sei eine kurze Bemerkung<br />
zum Holzhausbau erlaubt.<br />
Aufgrund neuer bau-physikalischer<br />
Kenntnisse kann heute z. B. im modernen<br />
Holzrahmenbau dauerhaft schadensfrei<br />
gebaut werden. Aufgrund der<br />
dichten Bauweise ist hier selbstverständlich<br />
genauso wie im Massivhausbau<br />
kontrollierte Wohnungslüftung<br />
gleichermaßen sinnvoll.<br />
� Dicke Luft im Fertighaus<br />
Jahrelang litt Familie Thiemann/<br />
Schlürmann im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> unter dem<br />
Geruch, der ihr Fertighaus aus den<br />
70er Jahren zunehmend unbewohnbar<br />
machte. Die Firma raum+LUFT konnte<br />
die Wohnung weitgehend von dieser<br />
muffigen Luft befreien. Für die lufttechnische<br />
Sanierung erhielt Wolfgang<br />
Schürings im September 2005 einen<br />
Preis aus den Händen von Landrat<br />
Michael Makiolla im zweiten Wettbewerb<br />
„Zukunftweisendes Bauen im<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>“ (siehe Foto Seite 79).<br />
� Schritt für Schritt saniert<br />
Bei raum+LUFT Fertighaus Tec
werden eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen<br />
kombiniert. Der erste Schritt<br />
ist die Problemanalyse ggf. mit Schadstoffmessungen<br />
durch Sachverständige<br />
und Baubiologen.<br />
Vor der Erstellung eines Abdichtungskonzeptes,<br />
wird der unkontrollierte<br />
Luftwechsel mit Hilfe der<br />
erweiterten Luftdichtigkeitsmessung<br />
raum+LUFT Leckluftwechselermittlung<br />
festgestellt, um so die<br />
Selbstlüftung des Wohngebäudes<br />
abzuschätzen. Zur Verbesserung der<br />
Luftdichtigkeit verbauen Handwerker<br />
hochwertige Materialien. Anschließend<br />
wird die Belüftung verbessert.<br />
Gleichzeitig wird Wärmerückgewinnung<br />
ermöglicht. Aus Bad und Küche<br />
wird Luft so abgsaugt, dass die Wärme<br />
daraus in die Wohn- und Schlafräume<br />
fließt. Die Feuchtigkeit hingegen wird<br />
nach draußen geleitet.<br />
Eine fernsteuerbare automatische<br />
Feuchte- und Luftmengenregelung<br />
der Luftklimaanlage reduziert zu<br />
hohe Feuchtigkeit in der Raumluft<br />
und beugt gleichzeitig zu trockener<br />
Luft vor. Nach Abdichtung oder<br />
Kapselung verbleibende Schadstoffe<br />
werden durch die Lüftung verdünnt<br />
und abgeführt. Maßnahmen zur Geruchsneutralisation<br />
runden die Sache<br />
ab. Damit werden Möbel und Bauteile,<br />
die den unangenehm süßlichen<br />
Erweiterter Blower-Door-Test ermittelt<br />
Leckluftwechsel. Foto: raum + LUFT<br />
Geruch des Fertighauses festhalten,<br />
geruchneutralisiert. Ergänzend werden<br />
regelmäßig dämmtechnische Maßnahmen<br />
durchgeführt, um den Wert und<br />
die energetische Qualität des Hauses<br />
zu steigern. Der Bewohner steuert die<br />
Luftqualität nun nach der Sanierung<br />
über Fernbedienung.<br />
� Effekte der Sanierung<br />
Durch die Sanierungsverfahren<br />
gelangt deutlich weniger Geruch ins<br />
Innere der Wohnung. Ergänzt durch<br />
die kontrollierte Lüftungsanlage, die<br />
BAUEN & WOHNEN<br />
Feuchtigkeit an der Quelle abführt,<br />
wird auch der Feuchteintrag in die<br />
Holzkonstruktion und Dämmebene<br />
verringert. Insgesamt wird der Gebäudeverfall<br />
und das Risiko des weiteren<br />
Wertverlustes auf ein normales Maß<br />
abgesenkt. Wohnen ohne die vormals<br />
starken Geruchsbildungen bedeutet<br />
eine neue Wohn- und Lebensqualität,<br />
zusätzlich sinkt der Heizenergieverbrauch<br />
bei den Häusern. Der Schutz<br />
vor Luftschadstoffen ist durch die Belüftung<br />
des Gebäudes gewährleistet.<br />
Um den Energiestandard des Gebäudes<br />
modulweise an zukunftsfähige<br />
Standards anzupassen, setzt<br />
raum+LUFT überwiegend passivhaustaugliche<br />
Komponenten in der Sanierung<br />
ein. Es kommen hochwertige<br />
Spezialfolien, Klebe- und Dichtungsmaterialien<br />
sowie Dichtungsbahnen<br />
zum Einsatz, ebenso Versiegelungen.<br />
Fachfirmen beseitigen Dämmlücken,<br />
um Feuchteausfall bei Temperaturschwankungen<br />
in der Konstruktion zu<br />
begrenzen und um zusätzliche Energieeinsparungspotentiale<br />
zu nutzen.<br />
� Kooperation und Kompetenz<br />
Die Anforderungen und Möglichkeiten<br />
in der Sanierung sind so vielfältig<br />
wie unsere Häuser. Nur in Kooperation<br />
mit spezialisierten Fachbetrieben<br />
werden daher Abdichtungen, wärme-<br />
83
84 BAUEN & WOHNEN<br />
technische Maßnahmen zur Dämmung<br />
und Installationen von Haustechnikkomponenten<br />
ausgeführt.<br />
Das Augenmerk wird auf die Verzahnung<br />
von Lufttechnik, Wärmetechnik<br />
durch Dämmung und Feuchtetechnik<br />
beispielsweise mit Sanierputz<br />
gelegt:<br />
� Bei raum + LUFT Fertighaus<br />
Tec werden in der lufttechnischen<br />
Sanierung spezielle Systeme wie z. B.<br />
Geruchsneutralisation und Feuchteregulierung<br />
im Wohnraum eingesetzt.<br />
Geruchsneutralisation ist bei Bildung<br />
von Chloranisolen in den Holzhauswänden<br />
erforderlich.<br />
� Nach dem Abschluss einer Schimmelpilzsanierung<br />
z.B. wegen Kondensatfeuchte<br />
können abschließend<br />
Raumluftreiniger eingesetzt<br />
werden.<br />
� Diffusionsoffene Sanierputze dienen<br />
beim Einbau einer kontrollierten<br />
Kellerlüftung mit dem Kellerlüftomatsystem<br />
als Begleitmaßnahmen<br />
Kondensatfeuchte – Grund für Schimmelpilz.<br />
Foto: raum + LUFT<br />
zur Reduzierung von Feuchtigkeit<br />
und Schutz der Aussenwände.<br />
Bei der Messung und Probennahme<br />
ist die Fachkompetenz von Baubiolo-<br />
gen gefragt. Baubiologen und Sachverständige<br />
können im Zweifelsfall<br />
messtechnisch und mit der Analyse<br />
von Proben der Ursache auf den Grund<br />
gehen, um Entscheidungsgrundlagen<br />
für geeignete Sanierungsmethoden<br />
zu schaffen.<br />
� Fazit<br />
In zahlreichen Referenzobjekten ist<br />
Wolfgang Schürings mit Kooperationspartnern<br />
der Nachweis gelungen,<br />
den Wiederbefall mit Schimmelpilz<br />
erfolgreich zu vermeiden und Feuchtigkeitsprobleme<br />
zu lösen. Gleiches<br />
gilt für Souterrainwohnungen und<br />
Kellerräume. Hierbei sind intelligente<br />
Konzepte und sorgfältige Planung<br />
notwendig, die Möglichkeiten von<br />
Wohnungslüftung und lufttechnischen<br />
Messungen optimal auszunutzen.<br />
Letztlich nutzt die Verbesserung der<br />
Wohnraumluft allen: Den Menschen,<br />
dem Erhalt des Gebäudebestandes<br />
und der Umwelt.
� Thermografieaktion im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
Wer renoviert oder saniert,<br />
spart hohe Energiekosten<br />
von Matthias Tresp<br />
Im Zeichen sprunghaft steigender<br />
Energiepreise, gewinnt die Suche<br />
nach Möglichkeiten der Energieeinsparung<br />
zunehmend an Bedeutung.<br />
Ein großes Einsparpotential<br />
bietet der Wohnungsbau, weil die<br />
privaten Haushalte nahezu ein<br />
Drittel der gesamten Endenergie<br />
verbrauchen. Insbesondere die<br />
Altbauten, die in NRW ungefähr<br />
drei Viertel des Wohnungsbestandes<br />
umfassen, verbrauchen ca. 90<br />
Prozent der Heizenergie.<br />
Die gut durchgeführte Sanierung<br />
eines Altbaus kann die Heizkosten<br />
des Gebäudes erheblich reduzieren,<br />
im Idealfall sogar halbieren. Zusätzlich<br />
ergibt sich eine positive Wirkung<br />
für die Umwelt, weil die Bildung des<br />
klimaschädlichen „Treibhausgases“<br />
Kohlendioxid stark vermindert wird.<br />
Allerdings gibt es kein Patentrezept<br />
im Sinne von festen Regeln für die energetische<br />
Altbausanierung, sondern<br />
nur individuelle Lösungen. Häuser<br />
Saniertes Fachwerkhaus in <strong>Unna</strong>. Foto: <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
sind eben keine Massenprodukte,<br />
sondern jeder Bau ist letztlich ein<br />
Unikat, das individuell zu sanieren ist.<br />
Daher gilt in jedem Fall: Erst beraten<br />
lassen, dann sanieren. Nur eine um-<br />
BAUEN & WOHNEN<br />
fassende Betrachtung garantiert, dass<br />
energetische Teilerfolge nicht durch<br />
Nachlässigkeiten in anderen Bereichen,<br />
z.B. das Problem möglicher Schimmelpilzbildung<br />
durch bauphysikalische<br />
85
86 BAUEN & WOHNEN<br />
Thermografieaufnahme eines Einfamilienhauses. Fotos: BQS<br />
Schwachstellen (Wärmebrücken)<br />
oder nicht ausreichenden Luftwechsel<br />
und fehlende Feuchteabfuhr, erkauft<br />
werden. Ein guter Energieberater<br />
kann aus der Vielzahl von machbaren<br />
Sanierungsmaßnahmen ein sinnvolles<br />
Maßnahmenpaket schnüren.<br />
� Vorbereitung ist A und O<br />
Vor Durchführung von Sanierungsmaßnahmen<br />
muss daher zunächst<br />
geprüft werden, in welchen Bereichen<br />
eines Objektes hohe Energieverluste<br />
auftreten. Eine geeignete Methode<br />
um Problembereiche aufzuspüren ist<br />
die Gebäudethermografie. Eine große<br />
Hürde für den Einsatz der gängigen<br />
Gebäudethermografie, mit Terminierung<br />
und ausführlichem Gutachten,<br />
ist jedoch der hohe Preis von rund<br />
750 Euro.<br />
Um hier Abhilfe zu schaffen, hat<br />
das Agenda- Büro des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong><br />
mit einer renommierten Fachfirma<br />
- BQS Bau-Qualitäts-Sicherungs-<br />
GmbH – als Kooperationspartner<br />
eine Thermografieaktion initiiert. Das<br />
Projekt wurde erstmals Anfang 2005<br />
mit kreisweit circa 200 Teilnehmern<br />
durchgeführt. Zum Jahresende 2005<br />
wurden die Teilnehmer angefragt, ob<br />
und welche Sanierungsmaßnahmen<br />
sie in der Folge durchgeführt haben<br />
oder noch durchführen wollen, um<br />
die Ergebnisse auswerten zu können.<br />
Aufgrund der guten Resonanz folgt<br />
die zweite Auflage der Aktion Anfang<br />
2006 und soll auch zukünftig weitergeführt<br />
werden.<br />
In diesem Rahmen wird eine Infrarot-Gebäudethermografie<br />
zum<br />
Sonderpreis von 120 Euro für freistehende<br />
Häuser mit maximal vier<br />
Wohneinheiten, Doppelhaushälften<br />
und Reiheneckhäuser angeboten. Für<br />
Reihenmittelhäuser werden auf Grund<br />
der geringeren Fassadenfläche 100<br />
Euro berechnet. Dabei werden bis zu<br />
sechs Thermoaufnahmen (Panorama-<br />
und Detailaufnahmen) von allen einsehbaren<br />
Hausbereichen erstellt. Eine
konkrete Terminierung erfolgt nicht,<br />
die Aufnahmen werden angefertigt,<br />
sobald die Witterungsverhältnisse dies<br />
zulassen.<br />
� Ergebnisse dokumentiert<br />
Als Ergebnis erhalten die Teilnehmer<br />
eine Mappe, die eine kurze Einführung<br />
in das Infrarot-Thermografie-<br />
Verfahren und Hinweise, wie man<br />
Thermoaufnahmen interpretieren<br />
kann, beinhaltet. Neben der Digitalaufnahme<br />
des Bauobjekts sind mehrere<br />
repräsentative thermografische<br />
Aufnahmen enthalten. Darüber hinaus<br />
werden mehrere Seiten mit Beispielen<br />
möglicher thermischer Auffälligkeiten<br />
aufgelistet, die typische Mängel und<br />
ihre Erscheinungsformen darstellen.<br />
Seitens des Agenda-Büros werden weitere<br />
Informationen, wie beispielsweise<br />
eine Liste der Energieberater im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong>, Informationen zur Energieberatung<br />
sowie Tipps zur Finanzierung und<br />
Förderung, beigefügt. Das Agenda-<br />
Büro nimmt auch stichprobenartig eine<br />
Qualitätskontrolle der Thermografie-<br />
Mappen vor.<br />
Voraussetzung für die Teilnahme<br />
ist, dass das Grundstück nachts ohne<br />
nicht zu erwartende Gefahren, wie<br />
z.B. freilaufende Hunde, ungesicherte<br />
Baugruben etc. frei zugänglich ist. Die<br />
Untersuchung findet technisch bedingt<br />
vorwiegend nachts und bei entsprechenden<br />
Witterungsverhältnissen<br />
(Windstille ohne Regen, Nebel oder<br />
Schnee und Außentemperaturen von<br />
maximal 5 Grad Celsius) statt.<br />
Die Infrarot-Thermografie ist ein<br />
Verfahren, welches die Temperaturverteilung<br />
einer Gebäudeoberfläche<br />
mit einer sehr hohen Genauigkeit grafisch<br />
darstellt. Ziel der Untersuchung<br />
bei einer Thermografieaktion ist es,<br />
die Oberflächentemperaturverteilung<br />
an einem Gebäude zu dokumentieren.<br />
Um aussagefähige Ergebnisse zu erzielen,<br />
muss das Gebäudescanning unter<br />
Bedingungen durchgeführt werden,<br />
die optimale Ergebnisse gewährleisten.<br />
Das bedeutet, dass die Untersuchung<br />
während der Heizperiode bei einem<br />
Temperaturgefälle von innen nach<br />
außen von mindestens 10°Grad Celsius<br />
durchgeführt wird. In der Praxis<br />
BAUEN & WOHNEN<br />
erfolgen die Untersuchungen bei Außentemperaturen<br />
von maximal 5°Grad<br />
Celsius und weniger. Ein Gebäude,<br />
welches z.B. von Efeu oder dicht stehenden<br />
Bäumen abgeschirmt wird,<br />
erschwert die Messungen bzw. kann<br />
eine Analyse unmöglich machen.<br />
� Ausblick<br />
Um das Potential der energetischen<br />
Altbausanierung ausschöpfen zu können,<br />
ist nicht nur die Vermittlung von<br />
Informationen über die Bedeutung des<br />
Themas, sondern gerade das Aufzeigen<br />
von Schwachstellen des eigenen<br />
Objektes, erforderlich. Das Scanning<br />
dient also als Entscheidungshilfe bei<br />
Gebäudemängeln und als Grundlage<br />
für eine Vor-Ort-Beratung durch einen<br />
Energieberater. Ziel ist es, zunehmend<br />
die Umsetzung einer sinnvollen energetischen<br />
Sanierung des Altbaubestandes<br />
in Gang zu bringen. Denn<br />
ein Ergebnis der bisherigen Arbeit des<br />
Fachforums Wohnungsbau der Lokalen<br />
Agenda ist auch, dass in diesem<br />
Bereich im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> noch großer<br />
Handlungsbedarf besteht.<br />
87
88 PERSONEN<br />
� Biografie: Friedrich von Bodelschwingh<br />
„Es geht immer um<br />
<strong>Natur</strong> und Landschaft“<br />
von Corinna Glück<br />
Wer von Bergkamen-Oberaden<br />
kommend Richtung Kamen fährt,<br />
sieht rechts und links weite Felder<br />
und schöne Waldstücke. Ein wenig<br />
versteckt führt rechts ein kleiner<br />
Feldweg zum Haus Velmede.<br />
Inmitten dieser reizvollen <strong>Natur</strong><br />
ist Friedrich Wilhelm v. Bodelschwingh<br />
groß geworden. Kein<br />
Wunder also, dass sich der nun<br />
70-Jährige mit Leib und Seele für<br />
diese Landschaft einsetzt.<br />
„Ich war nur einer von vielen“ sagt<br />
er bescheiden und nennt beispielhaft<br />
einige Namen von Mitstreitern: Karl-<br />
Heinz Albrecht, Otto Buschmann, Dr.<br />
Heinz-Gerd Büter, Ehepaar Cornelissen,<br />
Heinz Haeske, Helmut July, Wilfrid<br />
Loos, Heinrich Mertens, Herbert Reiss,<br />
Manfred Scholz, Heinrich Schumacher,<br />
Prof. Wilfried Stichmann und Hans<br />
Zakel. „Wir haben gemeinschaftlich<br />
gearbeitet und einiges erreicht.“<br />
Gemeint ist damit vor allem sein jahrelanges<br />
ehrenamtliches Engagement<br />
im Landschaftsbeirat des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong><br />
und in vielen weiteren Organisationen<br />
für den <strong>Natur</strong>schutz.<br />
Diese Verpflichtung wurde dem<br />
gelernten Landwirt sprichwörtlich in<br />
die Wiege gelegt: Als Urenkel des<br />
Gründers der v. Bodelschwinghschen<br />
Anstalten gilt auch für ihn die Familienweisheit:<br />
„Für andere tätig sein“.<br />
Das ist für ihn keine Bürde sondern<br />
selbstverständlich. „Man muss Verantwortung<br />
übernehmen – ganz gleich,<br />
ob in Politik, Kirche oder Berufsstand“,<br />
erklärt er. So gehörte er nicht nur 18<br />
Jahre lang für die CDU dem Stadtrat<br />
Bergkamen an, sondern war auch<br />
40 Jahre als Presbyter aktiv im Kirchenvorstand<br />
und als Vertreter seiner<br />
Gemeinde in der <strong>Kreis</strong>synode <strong>Unna</strong>.<br />
Als Ortslandwirt setzte er sich über<br />
mehr als 20 Jahre für die Belange der<br />
Bauern ein. Seine größten Verdienste<br />
für <strong>Natur</strong> und Landschaft hatte v. Bodelschwingh<br />
allerdings knapp 30 Jahre<br />
lang als Vorsitzender des Landschaftsbeirates.<br />
Dieses Gremium, das aus<br />
Vertretern der <strong>Natur</strong>schutzverbände<br />
einerseits und aus Bauern, Förstern,<br />
Gärtnern und Anglern andererseits<br />
besteht, berät die Landschaftsbehörde<br />
des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>.<br />
� Für die <strong>Natur</strong> gekämpft<br />
„Dabei müssen die Entscheidungen<br />
immer zum Schutz der Landschaft und<br />
frei von anderen Interessen gefällt<br />
werden“, erklärt der <strong>Natur</strong>freund das<br />
Prozedere. Seien hier nur die bedeutendsten<br />
Errungenschaften genannt:<br />
die auf den Weg gebrachten Verfahren<br />
bezüglich der Aufstellung der Landschaftspläne<br />
für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, die<br />
Diskussion um die Nordwanderung<br />
des Steinkohlebergbaus, die streckenweise<br />
verhinderte OW III a, die durch<br />
Massen gebaut werden sollte, der<br />
gestoppte Bau der L 821 n von Werne<br />
nach Holzwickede sowie der B 233n<br />
und der B 61n.<br />
Als so genannter Anwalt für <strong>Natur</strong><br />
und Landschaft lag v. Bodelschwinghs<br />
herausragende Qualität während der<br />
Verhandlungen und Diskussionen<br />
zwischen den widerstreitenden Interessen<br />
darin, möglichst einen Konsens<br />
zwischen <strong>Natur</strong>schützern und
<strong>Natur</strong>nutzern herbeizuführen. Für die<br />
<strong>Natur</strong> setzte sich Friedrich Wilhelm v.<br />
Bodelschwingh in seiner täglichen Arbeit<br />
auch auf seinem Hof Velmede ein<br />
– auf dem er übrigens geboren wurde.<br />
„Ich habe den schönsten Beruf, den<br />
es gibt“, schwärmt er mit strahlenden<br />
Augen.<br />
� Jung den Hof übernommen<br />
Gelernt hat er den Beruf von der<br />
Pieke auf. Nach dem Abitur lernte er<br />
je ein Jahr auf Höfen in der Nähe von<br />
Hannover und Herford und absolvierte<br />
anschließend ein Landwirtschaftsstudium<br />
in Bonn und Kiel. Nachdem v. Bodelschwingh<br />
dann ein Jahr einen Hof<br />
in Schleswig-Holstein verwaltet hatte,<br />
kehrte er nach Bergkamen-Weddinghofen<br />
zurück. Schon als 27-Jähriger<br />
übernahm er den elterlichen Hof, weil<br />
sein Vater ab 1953 zum Abgeordneten<br />
in den Bonner Bundestag gewählt wurde.<br />
Damals lebten noch acht Familien<br />
mit 20 Kindern auf dem Gut. Im Zuge<br />
der Währungsreform und der steigenden<br />
Löhne geriet der Betrieb fast<br />
in die roten Zahlen. So schaffte der<br />
Landwirt Kühe, Schweine und Hühner<br />
ab und stellte den Betrieb komplett<br />
auf Ackerbau um. Diese Entscheidung<br />
erwies sich als richtig: Mit dem Anbau<br />
von Kartoffeln, Zuckerrüben, Getreide,<br />
Raps, Mais und Grassamen gelangte<br />
der Hof wieder in sicheres Gewässer.<br />
Neben der Bewirtschaftung des Hofes<br />
unterrichtete v. Bodelschwingh vier<br />
Jahre lang einmal wöchentlich an<br />
der Realschule Oberaden das Fach<br />
Biologie.<br />
Als sich 1974 die Gelegenheit bot,<br />
in Bönen einen zweiten Hof zu pachten,<br />
schlug der Landwirt zu. Auf Gut<br />
Brüggen spezialisierte er sich aufgrund<br />
seiner guten Erfahrungen ebenfalls auf<br />
den Ackerbau. Beide Höfe wurden<br />
von nur einer zusätzlichen Arbeitskraft<br />
geführt. Aber nach elf Jahren wurde<br />
der Pachtvertrag für diesen Hof nicht<br />
verlängert. „Es war ein Verlust für<br />
mich, als ich 1985 die Arbeit dort<br />
aufgeben musste“, erinnert sich v.<br />
Bodelschwingh. Damit er seine treue<br />
Arbeitskraft nicht entlassen musste,<br />
begann er mit dem Anbau von Gemüse.<br />
„Dadurch gab es wieder Arbeit für<br />
uns beide,“ stellt der Landwirt nüchtern<br />
fest. Bis zu 180 Tonnen Weiß- und<br />
Rotkohl erntete er jährlich, den er von<br />
Oktober bis Ostern frisch verkaufte.<br />
Inzwischen hat er den Hof auf seinen<br />
Sohn übertragen. Gebäude und Ackerflächen<br />
sind heute verpachtet. Richtig<br />
ruhig ist es allerdings noch nicht um<br />
Friedrich Wilhelm v. Bodelschwingh<br />
geworden. Er pflegt das Anwesen und<br />
hält den Wald in Ordnung – also immer<br />
noch ganz im Dienst der <strong>Natur</strong>.<br />
PERONEN<br />
Friedrich Wilhelm von Bodelschwingh<br />
auf Haus Velmede. Foto: Glück<br />
89
90<br />
NATUR ERLEBEN<br />
� Daten zum Lebeweseninventar<br />
Beiträge zur Organismenwelt<br />
des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> IV<br />
von Götz Heinrich Loos, Bernd<br />
Margenburg, Karin Margenburg,<br />
Sebastian Sczepanski und Hans<br />
Jürgen Geyer<br />
Im Anschluss an die Zusammenstellungen<br />
in den vorhergehenden<br />
<strong>Natur</strong><strong>report</strong>-Jahrbüchern (Loos<br />
2002, 2003; Loos & Margenburg<br />
2005) werden nachfolgend<br />
weitere Fundmitteilungen von<br />
Cyanobakterien, Pilzen, Flechten,<br />
Moosen und Tieren aus dem <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> mitgeteilt.<br />
Zur Anordnung und sonstigen<br />
Darstellungsweise vgl. Loos (2002).<br />
Für zukünftige weitere Zusammenstellungen<br />
bitten wir nach wie vor<br />
alle naturkundlich Interessierten um<br />
die Mitteilung beobachteter Organismenarten<br />
sowie von Auffälligkeiten im<br />
Zusammenhang mit diesen (Verhalten,<br />
abweichende Zeiten des Auftretens,<br />
besondere Lebensräume etc.).<br />
Die am Tag der Artenvielfalt 2005<br />
in Bergkamen erhobenen Artenlisten<br />
sollen in einem gesonderten Beitrag<br />
in der Beiheftreihe des <strong>Natur</strong><strong>report</strong><br />
in kommentierter Form veröffentlicht<br />
werden.<br />
Hingewiesen werden soll noch auf<br />
die Homepage der Ornithologischen<br />
Arbeitsgemeinschaft <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
(http://www.oagkreisunna.de/), wo<br />
unter der Rubrik „Gesehen – gehört“<br />
Vogelbeobachtungen zusammengestellt<br />
werden. Weitere ausgewählte<br />
aktuelle Beobachtungen zur Flora und<br />
Fauna werden auf der Homepage des<br />
NABU-<strong>Kreis</strong>verbandes <strong>Unna</strong> (http://<br />
www.nabu-unna.de) präsentiert.<br />
Finderkürzel:<br />
BHe = B. Hennigs (Kamen)<br />
BMg = B. Margenburg<br />
BotAG = Exkursionen der Botanik-AG des<br />
NABU-<strong>Kreis</strong>verbandes <strong>Unna</strong> (meist mit Anke<br />
Bienengräber, BMg, Erika Heckmann, GL,<br />
HJG, KMg)<br />
BSKU = Biologische Station im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
EP = Elisabeth Postler (Kamen)<br />
GL = G. H. Loos<br />
HJG = H. J. Geyer<br />
KMg = K. Margenburg<br />
LB = Lothar Blödow (Herne)<br />
Pfl = H.-J. Pflaume (Lünen)<br />
Scz = S. Sczepanski<br />
WL = Wilfrid Loos (Kamen)<br />
WP = Wolfgang Postler (Kamen)<br />
� Cyanobakterien<br />
� Nostoc commune – Große Gallertalge<br />
Bergkamen-Heil, am Kanal, am<br />
Kraftwerk sowie vielfach an und auf<br />
der Halde Großes Holz – 4311/41, 43<br />
(2004-05 GL); Friedhof Bergkamen-<br />
Rünthe, spärlich – 4311/24 (2005<br />
BotAG).<br />
� Pilze<br />
� Athelia arachnoidea – Große<br />
Algenspinne<br />
Dieser auf baumstammbewohnenden<br />
Flechten und Algen parasitierende<br />
Pilz ist im <strong>Kreis</strong>gebiet weit verbreitet<br />
und oft häufig (nicht nur siedlungsnah<br />
und in Siedlungen), offenbar in den<br />
letzten Jahren häufiger geworden.<br />
Nachweise (2004-05) liegen vor aus:<br />
4311/23-24, 31-34, 41-44; 4411/21-<br />
24, 41-44; 4412/11-14, 21, 23, 24,
31-34, 41; 4413/13; 4511/22-24;<br />
4512/11-14, 21-23 (GL; BotAG).<br />
� Flechten<br />
� Hypogymnia physodes – Hornblatt-Blasenflechte<br />
Hat sich lokal ziemlich stark ausgebreitet,<br />
insbesondere in bewaldeten<br />
oder schattigen Gebieten wie im Kurler<br />
Busch in Kamen-Kaiserau/Dortmund-<br />
Husen – 4411/23 (2004 f. GL), im<br />
Buschholt bei Fröndenberg-Frömern<br />
– 4512/21 (2005 GL), an der Ruhrbrücke<br />
in Fröndenberg – 4512/23<br />
(2005 GL).<br />
� Melanelia glabratula und Melanelia<br />
subaurifera – Feinisidiöse<br />
Trübschüsselflechte und GoldschimmerndeTrübschüsselflechte<br />
Beide Arten haben sich in den<br />
letzten Jahren erheblich ausgebreitet,<br />
dabei scheint M. subaurifera sowohl in<br />
der Individuenzahl als auch in der Zahl<br />
der Vorkommen häufiger zu sein. Seit<br />
2004 wurde M. subaurifera an Bäumen<br />
in folgenden Rasterfeldern nachgewiesen:<br />
4311/23-24, 41-43; 4411/21-24;<br />
4412/11-14, 21, 23, 31-34; Nachweise<br />
nur von M. glabratula: 4511/21-23;<br />
4512/21, 23; Nachweise beider Arten:<br />
4311/34; 4411/42; 4412/22; 4512/12<br />
(GL; BotAG).<br />
NATUR ERLEBEN<br />
Xanthoria parietina – Gewöhnliche Gelbflechte. Foto: Margenburg<br />
� Physcia stellaris – Sternförmige<br />
Schwielenflechte<br />
Neu für das <strong>Kreis</strong>gebiet angegeben<br />
bei Killmann (2002: 56) als „<strong>Unna</strong> (TK<br />
4411/4)“.<br />
� Punctelia subrudecta – Unbereifte<br />
Punktschüsselflechte<br />
Ist gewiss seltener als P. ulophylla,<br />
aber mit Sicherheit in der Lippeaue bei<br />
Bergkamen-Heil – 4311/32 (GL).<br />
� Ramalina farinacea – Sorediöse<br />
Astflechte und Evernia prunastri<br />
– Pflaumenflechte<br />
2004-05 an zahlreichen Stellen<br />
im Kurler Busch in Kamen-Kaiserau/<br />
Dortmund (-Husen/-Kurl/-Lanstrop)<br />
– 4411/21, 23 (GL; KMg, BMg & GL).<br />
R. farinacea ist neu für das <strong>Kreis</strong>gebiet.<br />
� Xanthoria ucrainica – Ukrainische<br />
Gelbflechte<br />
Nach Dobson (2005: 462) gehören<br />
die bisher als Xanthoria candelaria<br />
kartierten Vorkommen zu dieser Art.<br />
Andere Vertreter der X. candelaria-<br />
91
92 NATUR ERLEBEN<br />
Gruppe konnten bisher nicht im <strong>Kreis</strong>gebiet<br />
gefunden werden.<br />
� Moose<br />
Untersuchungen der BotAG in<br />
Kamen und Bergkamen sowie ausgedehntere<br />
Exkursionen von HJG an der<br />
Ruhr in Fröndenberg haben zahlreiche<br />
Moosneufunde, darunter auch eine<br />
Reihe von Erstnachweisen für den <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> ergeben.<br />
Etwa ein Drittel der erfassten<br />
Moosarten wurde ausschließlich,<br />
schwerpunktmäßig oder zumindest<br />
gelegentlich auf der Borke von Laubbäumen<br />
nachgewiesen.<br />
Neben den unten aufgeführten<br />
und näher kommentierten Arten<br />
wurden 2004 bis 05 folgende weitere,<br />
meist häufige Moose als Epiphyten<br />
nachgewiesen: Amblystegium<br />
serpens – Kriechendes Stumpfdeckelmoos,<br />
Brachythecium rutabulum<br />
– Krücken-Kurzbüchsenmoos, B.<br />
velutinum – Samt-Kurzbüchsenmoos,<br />
Bryum argenteum – Silber-Birnmoos,<br />
B. capillare – Haarblättriges Birnmoos,<br />
Ceratodon purpureus – Purpurstieliges<br />
Hornzahnmoos, Dicranoweisia cirrata<br />
– Lockiges Gabelzahnperlmoos,<br />
Hypnum cupressiforme – Zypressen-<br />
Schlafmoos, Orthotrichum diaphanum<br />
– Glashaartragendes Goldhaarmoos,<br />
Tortula muralis – Mauer-Drehzahn-<br />
moos (letzteres zuvor verbreitet an<br />
Mauern und Gestein, erst seit kurzer<br />
Zeit vermehrt an Bäumen, 2005 schon<br />
verbreitet epiphytisch).<br />
Ein ausführlicher Aufsatz über die<br />
Ausbreitung epiphytischer Moose im<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> wird auf die Homepage<br />
des NABU-<strong>Kreis</strong>verbandes <strong>Unna</strong> unter<br />
der Adresse (http://www.nabu-unna.<br />
de) unter die Rubrik „Moose“ gestellt<br />
werden.<br />
� Brachythecium populeum (s.str.)<br />
–Pappel-Kurzbücksenmoos<br />
Auf basenreicher Steinunterlage in<br />
luftfeuchten Wäldern, so in Bergkamen-<br />
Heil – 4311/31 (2005 BotAG).<br />
Eine oft übersehene Art, die anscheinend<br />
nicht selten ist, allerdings fehlen<br />
noch viele Nachweise.<br />
� Cryphaea heteromalla – Einseitswendiges<br />
Tarnfruchtmoos<br />
Epiphytisch auf einer Bruch-Weide<br />
an der Ruhr südlich Fröndenberg<br />
– 4512/23 (2005 HJG).<br />
� Dicranodontium denudatum<br />
– Bruchblattmoos<br />
Bergkamen-Heil, Friedhof, alter,<br />
schattiger Teil – 4311/32 (2005 Bot-<br />
AG). In der Westfälischen Bucht<br />
äußerst stark zurückgegangen (gilt<br />
als ausgestorben, aber inzwischen<br />
wenigstens an drei Stellen nachgewiesen).<br />
� Dicranum montanum – Berg-Gabelzahnmoos<br />
„Epiphytisch“ auf einer Holzbank<br />
in Kamen, Parkanlage Galgenberg<br />
– 4312/33 (2005 BotAG).<br />
� Dicranum tauricum – Steifblättriges<br />
Gabelzahnmoos<br />
Epiphytisch auf einer Bruch-Weide<br />
an der Ruhr südlich Fröndenberg<br />
– 4512/23 (2005 HJG). Das Moos ist<br />
anhand der leicht abbrechenden Blattspitzen<br />
(dienen der vegetativen Reproduktion)<br />
gut zu erkennen und wurde<br />
in der Vergangenheit durch die sauren<br />
Luftverunreinigungen gefördert.<br />
� Frullania dilatata – Breitblättriges<br />
Sackmoos<br />
Epiphytisch auf einer Bruch-Weide<br />
an der Ruhr südlich Fröndenberg<br />
– 4512/23 (2005 HJG).<br />
� Grimmia pulvinata – Polster-Kissenmoos<br />
Basiphytisches Gesteinsmoos,<br />
mehrfach c. spg. an Laubbäumen<br />
gefunden, z. B. in Kamen, Parkanlage<br />
Galgenberg - 4312/33 (2005 BotAG),<br />
in Bergkamen-Heil an der Ökologiestation<br />
– 4311/41 (2004, 05 BotAG)
und an der Ruhr bei Fröndenberg<br />
– 4512/23 (2005 HJG).<br />
� Leskea polycarpa – Vielfrüchtiges<br />
Leskemoos<br />
Epiphytisch auf einem Berg-Ahorn<br />
in der Parkanlage Galgenberg bei Kamen<br />
– 4312/33 (2005 BotAG) sowie<br />
auf Bruch-Weiden an der Ruhr südlich<br />
Fröndenberg, p.p. c. spg. - 4512/23<br />
(2005 HJG). Auch sonst mehrfach<br />
gefunden, z. B. in Kamen-Methler<br />
– 4411/21 (2005 GL).<br />
� Metzgeria furcata – Gegabeltes<br />
Igelhaubenmoos<br />
Epiphytisch auf einem Feld-Ahorn in<br />
Kamen in der Parkanlage Galgenberg<br />
– 4312/33 (2005 BotAG).<br />
� Orthotrichum anomalum – Stein-<br />
Goldhaarmoos<br />
Basiphytisches Gesteinsmoos,<br />
mehrfach c.spg. an Laubbäumen<br />
gefunden, z. B. am Galgenberg bei<br />
Kamen – 4312/33 (2005 BotAG), in<br />
Bergkamen-Heil neben der Ökologiestation<br />
– 4311/41 (2005 BotAG)<br />
und an der Ruhr bei Fröndenberg<br />
– 4512/23 (2005 HJG).<br />
� Orthotrichum lyellii – Lyells<br />
Goldhaarmoos<br />
Epiphytisch auf einer Bruch-Wei-<br />
Riccia glauca – Blaugrünes Sternlebermoos.<br />
Foto: Margenburg<br />
de an der Ruhr südlich Fröndenberg<br />
– 4512/23 (2005 HJG).<br />
� Orthotrichum pulchellum – Niedliches<br />
Goldhaarmoos<br />
Epiphytisch auf einer Bruch-Weide<br />
an der Ruhr südlich Fröndenberg<br />
– 4512/23 (2005 HJG).<br />
� Orthotrichum speciosum – Ansehnliches<br />
Goldhaarmoos<br />
Epiphytisch auf einer Bruch-Wei-<br />
NATUR ERLEBEN<br />
de an der Ruhr südlich Fröndenberg<br />
– 4512/23 (2005 HJG).<br />
� Orthotrichum stramineum<br />
– Strohgelbhaubiges Goldhaarmoos<br />
Epiphytisch auf Bruch-Weiden<br />
an der Ruhr südlich Fröndenberg<br />
– 4512/23 (2005 HJG).<br />
� Plagiothecium undulatum – Gewelltes<br />
Plattmoos<br />
Im Flachland seltener und in der<br />
Regel nicht außerhalb von Wäldern.<br />
Vermutlich eingeschleppt in der<br />
Parkanlage Galgenberg bei Kamen<br />
– 4312/33 (2005 BotAG).<br />
� Rhizomnium punctatum – Punktiertes<br />
Wurzelsternmoos<br />
An feuchten Stellen auf schattigen<br />
Böden, so mehrfach um Bergkamen-<br />
Heil, auch auf dem Friedhof – 4311/31<br />
+ 32 (2005 BotAG).<br />
� Riccia glauca – Blaugrünes<br />
Sternlebermoos<br />
Stark zurückgegangene Art. In einer<br />
neu angelegten Blänke bei Bergkamen-Heil<br />
– 4311/41 (2005 Pfl).<br />
� Schistidium crassipilum – Dickhaar-Spalthütchen<br />
Epilithisch auf einer Bank in Kamen<br />
93
94 NATUR ERLEBEN<br />
am Galgenberg – 4312/33 (2005<br />
BotAG).<br />
� Tortula latifolia – Breitblättriges<br />
Drehzahnmoos<br />
Epiphytisch auf Bruch-Weiden an<br />
der Ruhr südlich Fröndenberg, oft bestandsbildend<br />
– 4512/23 (2005 HJG).<br />
Häufig im Überschwemmungsbereich<br />
der größeren Flüsse (Lippe, Ruhr) auf<br />
Stämmen von Uferweiden, meist mit<br />
Schwemmsand und Schwemmlehm<br />
imprägniert.<br />
� Tortula ruralis = Syntrichia ruralis<br />
– Erd-Drehzahnmoos<br />
In Fröndenberg an der Ruhr am<br />
Grund von Bäumen – 4512/23 (2005<br />
HJG).<br />
� Ulota bruchii – Bruchs Krausblattmoos<br />
Epiphytisch auf Berg-Ahorn und<br />
Silber-Ahorn in der Parkanlage am Galgenberg<br />
bei Kamen – 4312/33 (2005<br />
BotAG). Epiphytisch auf Bruch-Weiden<br />
an der Ruhr südlich Fröndenberg<br />
– 4512/23 (2005 HJG).<br />
� Ulota crispa – Krauseres Krausblattmoos<br />
Epiphytisch auf einem Feld- in der<br />
Parkanlage am Galgenberg bei Kamen<br />
– 4312/33 (2005 BotAG).<br />
� Heuschrecken<br />
Eine ausführliche Studie zur Heuschreckenfauna<br />
des NSG Holzplatz in<br />
Kamen/Bönen, bei der die Bestände<br />
von Leptophyes albovittata – Gestreifte<br />
Zartschrecke und Phaneroptera<br />
falcata – Gewöhnliche Sichelschrecke<br />
im Mittelpunkt stehen, wurde von S.<br />
Sczepanski (2005) kürzlich publiziert.<br />
� Chorthippus albomarginatus<br />
– Weißrandiger Grashüpfer<br />
Sichere Vorkommen sind aus dem<br />
<strong>Kreis</strong>gebiet nicht bekannt. In den<br />
1990er Jahren konnte die Art in der<br />
Lippeaue an allerdings nicht mehr<br />
lokalisierbaren Stellen nachgewiesen<br />
werden. Aus jüngerer Zeit gibt es lediglich<br />
einen Einzelfund aus dem NSG<br />
„Holzplatz“ bei Bönen – 4412/21<br />
(2003 GL), hier vielleicht eingeschleppt.<br />
� Conocephalus discolor = C.<br />
fuscus – Langflügelige Schwertschrecke<br />
Von dieser sich seit Jahren ausbreitenden<br />
Art konnten seit 1999 vermehrt<br />
Funde im <strong>Kreis</strong>gebiet gemacht<br />
werden. In Lünen in den NSG „In den<br />
Kämpen“ – 4311/32 (1999, 2005 Scz),<br />
„Zwiebelfeld“ – 4310/44 (2002 Scz &<br />
BHe) und „Schleuse Horst“ – 4310/42<br />
(2002 Scz & BHe); Bergkamen-Heil,<br />
Königslandwehr – 4311/34 (2002<br />
Scz); <strong>Unna</strong>, Massener Bach – 4411/24<br />
(2001 Scz & EP); NSG „In der Lake“<br />
– 4311/34 (2002 Scz & BHe); Uferbereich<br />
der Funne nordöstlich von<br />
Selm – 4210/44 (2003 Scz); Bönen,<br />
NSG „Sandbachtal“ – 4412/21 (2003,<br />
05 Scz & BHe); Ufer des Datteln-<br />
Hamm-Kanales in Bergkamen-Rünthe<br />
– 4311/42 (2005 Scz). Unmittelbar<br />
außerhalb auf Hammer Stadtgebiet im<br />
Jahr 2005 im NSG „Eckernkamp/Im<br />
Brauck“ – 4312/13 bereits massenhaft<br />
(Scz).<br />
� Sphingonotus caerulans – Blauflügelige<br />
Sandschrecke<br />
Erstnachweis für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
auf dem Südteil des NSG „Holzplatz“<br />
– 4412/12 (2005 BSKU). Von dieser<br />
vom Aussterben bedrohten Heuschreckenart<br />
sind in den letzten Jahren vermehrt<br />
Vorkommen auf Bahnhöfen und<br />
Industriebrachen gefunden worden.<br />
Bereits 2001 gelang der Erstnachweis<br />
auf Hammer Stadtgebiet nur wenige<br />
Kilometer von der <strong>Kreis</strong>grenze entfernt<br />
(vgl. auch Sczepanski 2005).<br />
� Tetrix subulata – Säbel-Dornschrecke<br />
Öfters als bislang angenommen an<br />
vegetationsarmen Gewässerufern und<br />
auf Feuchtwiesen zu finden. Aufgrund
der geringen Größe und der unscheinbaren<br />
Lebensweise der Tetrix-Arten<br />
sicherlich oft übersehen. Bönen, NSG<br />
„Holzplatz“ – 4412/21 (2003 Scz);<br />
Holzwickede, NSG „Sölder Bruch“<br />
– 4411/43 (2002 Scz & BHe); Süggelbach<br />
bei Lünen-Gahmen – 4410/22<br />
(2001 WL & GL; 2003 Scz & BHe);<br />
Königslandwehr in Bergkamen-Heil<br />
– 4311/34 (2002 Scz); Lünen-Beckinghausen<br />
NSG „In den Kämpen“<br />
– 4311/32 (2005 Scz & BHe); Bönen,<br />
NSG „Sandbachtal“ – 4412/21 (2005<br />
Scz); <strong>Kreis</strong>teich in <strong>Unna</strong>-Mühlhausen<br />
– 4412/14 (2005 Scz).<br />
� Libellen<br />
� Brachytron pratense – Früher<br />
Schilfjäger<br />
Mittlerweile (wieder) im nördlichen<br />
und mittleren <strong>Kreis</strong>gebiet zu finden<br />
(siehe auch Loos 2002). Funde einzelner<br />
Tiere stammen aus dem NSG<br />
„In den Kämpen“ bei Lünen-Beckinghausen<br />
– 4311/32 (2005 EP & WP),<br />
<strong>Unna</strong>-Mühlhausen – 4412/14 (2004<br />
EP & WP) und einem Waldteich am<br />
Datteln-Hamm-Kanal in Höhe Beversee<br />
bei Bergkamen – 4311/42 (2003<br />
EP & WP).<br />
� Coenagrion mercuriale – Helm-<br />
Azurjungfer<br />
Erstnachweis dieser nach der FFH-<br />
Richtlinie europaweit zu schützenden<br />
Art für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>: Der Fundort<br />
ist ein grabenartig ausgebauter Bach<br />
in Bergkamen – 4311/43 (gefunden<br />
2005 von EP & WP). Neben männlichen<br />
und weiblichen Tieren konnte<br />
auch die Paarung und Eiablage in Berle<br />
(Sium erectum) am Fundort beobachtet<br />
werden (EP, WP, Scz, GL). Eine Bodenständigkeit<br />
ist daher wahrscheinlich.<br />
� Cordulia aenea – Gewöhnliche<br />
Smaragdlibelle<br />
Seit den letzten Jahren wieder<br />
häufiger im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> gefunden:<br />
<strong>Unna</strong>-Mühlhausen – 4412/14 (2003<br />
EP & WP, 2005 Scz); Lünen-Beckinghausen,<br />
NSG „In den Kämpen“<br />
– 4311/32 (2003 EP & WP, 2005 Scz);<br />
Bergkamen, Waldteich am Datteln-<br />
Hamm-Kanal auf Höhe des Beversees<br />
– 4311/42 (2003 EP & WP).<br />
� Crocothemis erythraea – Feuerlibelle<br />
In den letzten Jahren regelmäßige<br />
Einzelfunde im nördlichen und<br />
mittleren <strong>Kreis</strong>gebiet. <strong>Unna</strong>-Mühlhausen<br />
– 4412/14 (2003, 05 EP &<br />
WP); Bergkamen, Bergehalde Großes<br />
Holz – 4311/41 (2005 EP & WP);<br />
Königslandwehr in Bergkamen-Heil<br />
– 4311/34 (2000 EP & WP); Lünen-<br />
Beckinghausen, NSG „In den Kämpen“<br />
NATUR ERLEBEN<br />
– 4311/32 (2005 EP & WP).<br />
� Gomphus flavipes – Asiatische<br />
Keiljungfer<br />
Der Erstnachweis für den <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> stammt aus dem Jahr 2005 vom<br />
Datteln-Hamm-Kanal auf Höhe des<br />
Beversees in Bergkamen – 4311/42<br />
(Exuvienfund: 2005 EP & WP). Ein Jahr<br />
zuvor konnte die Art bereits am Dattel-<br />
Hamm-Kanal auf Hammer Stadtgebiet<br />
durch Exuvienfunde nachgewiesen<br />
werden. Bei den Funden handelt es<br />
sich um die ersten Fortpflanzungsnachweise<br />
der Art in Schiffahrtsstraßen<br />
überhaupt (siehe auch Postler,<br />
Postler & Kilimann 2005).<br />
� Ischnura pumilio – Kleine Pechlibelle<br />
Mittlerweile zerstreut an mehreren<br />
Stellen im nördlichen und mittleren<br />
<strong>Kreis</strong>gebiet nachgewiesen: Bönen,<br />
NSG „Sandbachtal“ – 4412/21 (2003,<br />
2004 EP & WP, 2005 Scz); Süggelbach<br />
bei Lünen-Gahmen – 4410/22 (2003<br />
Scz & BHe); Kamen-Rottum – 4312/33<br />
(2005 EP & WP); Königslandwehr in<br />
Bergkamen-Heil – 4311/34 (2004 EP<br />
& WP, 2005 Scz).<br />
� Lestes dryas – Glänzende Binsenjungfer<br />
Außer den bereits bei Loos (2002)<br />
95
96 NATUR ERLEBEN<br />
gemeldeten Funden aus <strong>Unna</strong>-Mühlhausen<br />
nur ein weiterer Einzelfund<br />
auf dem Südteil des NSG „Holzplatz“<br />
– 4412/12 (2002 Scz).<br />
� Lestes virens vestalis – Kleine<br />
Binsenjungfer<br />
Nach vielen Jahren erstmals wieder<br />
2002 im <strong>Kreis</strong>gebiet in <strong>Unna</strong>-Mühlhausen<br />
– 4412/14 (2002 EP & WP)<br />
gefunden. Weitere grenznahe Funde<br />
existieren aus dem NSG „Eckernkamp/<br />
Im Brauck“ in Hamm-Sandbochum<br />
– 4312/14 (2004 GL) und dem NSG<br />
„Lanstroper See“ in Dortmund-Lanstrop<br />
– 4411/12 (2005 EP & WP).<br />
� Leucorrhinia rubicunda – Nordische<br />
Moosjungfer<br />
In den letzten Jahren gelang lediglich<br />
die Einzelbeobachtung eines<br />
vermutlich umherstreifenden Tieres in<br />
<strong>Unna</strong>-Mühlhausen – 4412/14 (2004<br />
EP & WP).<br />
� Orthetrum brunneum – Südlicher<br />
Blaupfeil<br />
Neuere Nachweise aus dem <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> stammen aus <strong>Unna</strong>-Mühlhausen<br />
– 4412/14 (2003 EP & WP);<br />
Bergkamen, Bergehalde Großes Holz<br />
– 4311/41 (2003 LB); Bönen, NSG<br />
„Sandbachtal“ – 4412/21 (2004 EP<br />
& WP); Bönen, Seseke bei Bramey-<br />
Lennigsen – 4412/21 (2005 EP &<br />
WP); Heidegraben in Bergkamen-<br />
Oberaden – 4311/43 (2005 EP & WP)<br />
und Beverbach bei Bergkamen-Rünthe<br />
– 4312/31 (Exuvienfund 2005 EP &<br />
WP).<br />
� Orthetrum coerulescens – Kleiner<br />
Blaupfeil<br />
Ein einzelnes Männchen 2001<br />
zwischen zahlreichen Männchen des<br />
Südlichen Blaupfeils am Süggelbach<br />
bei Lünen-Gahmen – 4410/22 (2001<br />
Scz).<br />
� Sympecma fusca – Gemeine<br />
Winterlibelle<br />
Seit dem Jahr 2004 mehrfach an<br />
verschiedenen Stellen im <strong>Kreis</strong>gebiet<br />
nachgewiesen. Königslandwehr in<br />
Bergkamen-Heil - 4311/34 (2004 EP<br />
& WP, 2005 EP, WP, Scz, Pfl); Lünen-<br />
Beckinghausen, NSG „In den Kämpen“<br />
– 4311/32 (2005 EP, WP & Scz); <strong>Kreis</strong>-<br />
teich in <strong>Unna</strong>-Mühlhausen - 4412/14<br />
(2004, 2005 EP, WP & Scz); Bönen,<br />
NSG „Holzplatz“ – 4412/21 (2004<br />
BSKU); Lippeaue, NSG „Disselkamp“<br />
– 4311/41 (2004 BSKU).<br />
� Sympetrum fonscolombei – Frühe<br />
Heidelibelle<br />
Neben dem bereits bei Loos (2003)<br />
erwähnten Vorkommen in Bergka-<br />
men-Heil konnte die Art auch im<br />
nahegelegenen NSG „In der Laake“<br />
– 4311/34 (2002 Scz) in einem Individuum<br />
nachgewiesen werden.<br />
� Käfer<br />
� Harmonia axyridis – Asiatischer<br />
Marienkäfer<br />
Diese Art wird zur biologischen<br />
Bekämpfung von Blattläusen in Gewächshäusern<br />
eingesetzt und tritt seit<br />
2004 in Westfalen verwildert auf. Rehage<br />
& Terlutter (2005) nennen einige<br />
der Erstfunde. Unerwähnt bleibt dort,<br />
dass 2004 im Bochumer Westen ein<br />
vorübergehendes Massenauftreten zu<br />
beobachten war. In Bochum-Langendreer<br />
wurden allein an einem etwas<br />
freistehenden Haus in der Dördelstraße<br />
über Wochen Zehntausende von<br />
Exemplaren festgestellt.<br />
Im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> wurde die Art zuerst<br />
im Juli 2004 in Kamen-Westick<br />
im Garten Heidkamp 32 – 4411/21<br />
in einem Exemplar beobachtet (GL),<br />
allerdings kann hier eine direkte Einschleppung<br />
von besagtem Langendreerer<br />
Haus durch den Beobachter<br />
nicht ganz ausgeschlossen werden. Im<br />
Jahre 2005 gelangen weitere Nachweise<br />
in Bergkamen und Kamen, doch<br />
sicherlich noch häufig übersehen. In<br />
Bergkamen-Oberaden konnte die Art<br />
zahlreich auf der Bergehalde Großes
Holz – 4311/41 (2005 EP, WP, BHe &<br />
Scz, GL), auch in Larven- und Puppenstadium,<br />
gefunden werden.<br />
� Hohltiere<br />
� Craspedacusta sowerbyi – Süßwassermeduse<br />
Wurde im Jahr 2004 erstmals im<br />
<strong>Kreis</strong>gebiet in der Lippeaue in Bergkamen-Rünthe<br />
– 4311/24 (2004 BHe<br />
& Scz) zahlreich in einem Überlauf<br />
gefunden. Die Art ist in den letzten<br />
warmem Jahren vermehrt vor allem<br />
im westlichen Ruhrgebiet gefunden<br />
worden (siehe u.a. den Link zu faunistischen<br />
Funden unter http://www.<br />
bswr.de).<br />
� Säugetiere<br />
� Sciurus vulgaris – Eichhörnchen<br />
Hat in den Siedlungsgebieten z. T.<br />
bedeutend zugenommen, worauf auch<br />
mehrere Hinweise aus der Bevölkerung<br />
(aus Kamen, Bergkamen und <strong>Unna</strong>)<br />
hindeuten. Im Bereich Kamen-Lüner<br />
Höhe / B 61 (4411/22) wurden mehr-<br />
fach jeweils an einem Tag (2005) mindestens<br />
fünf Exemplare beobachtet,<br />
davon vier fuchsrote und ein braunes<br />
(GL). Auch im Siedlungsbereich Weißdornweg<br />
/ Rotdornweg / Heidkamp<br />
in Kamen-Westick (4411/21+22)<br />
zeitgleich mindestens vier Tiere (GL).<br />
Die Zunahme äußert sich auch in einer<br />
größeren Zahl an totgefahrenen Tieren<br />
auf den Straßen, so in Kamen 2005 auf<br />
der Lünener Str. in Höhe Tankstelle, am<br />
<strong>Kreis</strong>verkehr am Stadtpark, in Heeren-<br />
Werve auf der Bergstraße, in <strong>Unna</strong> auf<br />
dem Afferder Weg nahe <strong>Kreis</strong>verkehr<br />
sowie gegenüber dem Bahnhof (GL).<br />
Literatur:<br />
Dobson, F. S. (2005): Lichens. An Illustrated<br />
Guide to the British and Irish Species. 5. Aufl.<br />
– Slough.<br />
Killmann, D. (2002): Bemerkenswerte Funde<br />
epiphytischer Flechten in Nordrhein-Westfalen.<br />
– Decheniana 155: 55-58.<br />
Loos, G. H. (2002): Beiträge zur Organismenwelt<br />
des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>. – <strong>Natur</strong><strong>report</strong>, Jahrbuch<br />
NATUR ERLEBEN<br />
der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für den <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> 6: 83-90.<br />
Loos, G. H. (2003): Beiträge zur Organismenwelt<br />
des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> II. – <strong>Natur</strong><strong>report</strong>,<br />
Jahrbuch der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für<br />
den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> 7: 94-96.<br />
Loos, G. H. & Margenburg, B. (2005): Beiträge<br />
zur Organismenwelt des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> III. – <strong>Natur</strong><strong>report</strong>,<br />
Jahrbuch der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> 9: 66-68.<br />
Postler, E., Postler, W. & Kilimann, N. (2005):<br />
Entwicklungsnachweise von Gomphus flavipes<br />
im Datteln-Hamm-Kanal und im Rhein-Herne-<br />
Kanal (Odonata: Gomphidae). – Libellula 24<br />
(1/2): 83-86.<br />
Rehage, H. O. & Terlutter, H. (2005): Harmonia<br />
axyridis (PALLAS, 1773) neu für Westfalen<br />
(Coleoptera, Coccinellidae). – <strong>Natur</strong> u. Heimat<br />
(Münster) 65 (4): 128.<br />
Sczepanski, S. (2005): Die Heuschreckenfauna<br />
des NSG „Holzplatz“ bei Bönen (<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>)<br />
unter Berücksichtigung der Gestreiften Zartschrecke<br />
(Leptophyes albovittata KOLL.) und der<br />
Gemeinen Sichelschrecke (Phaneroptera falcata<br />
PODA) (Insecta: Saltatoria). – <strong>Natur</strong> u. Heimat<br />
(Münster) 65 (3): 65-76.<br />
97
98<br />
NATUR ERLEBEN<br />
� Pflanzen salzbeeinflusster Standorte und ihre Dynamik<br />
Die Situation der Salzpflanzenflora<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
von Götz Heinrich Loos und<br />
Dietrich Büscher<br />
Binnensalzstellen zählen zu den<br />
von der Intensivierung der Kultur<br />
am stärksten bedrohten Biotopen<br />
überhaupt – sei es durch<br />
Landwirtschaft, sei es durch<br />
Flächenverbrauch, sei es durch<br />
wasserbauliche Maßnahmen.<br />
Selbst indirekte Eingriffe in diese<br />
empfindlichen Lebensräume können<br />
sie nachhaltig verändern und<br />
naturschutzfachlich entwerten.<br />
Ein kürzlich veröffentlichtes Buch<br />
(Raabe & Lienenbecker 2004)<br />
zeigt die alarmierende Situation<br />
des Zustandes, der Flora, Vegetation<br />
und Fauna der westfälischen<br />
Binnensalzstellen auf.<br />
Vorliegender Aufsatz soll die aktuelle<br />
Verbreitungs- und Gefährdungssituation<br />
der Salzpflanzen im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> beleuchten. Nebenbei werden<br />
in Zusammenhang damit wesentliche<br />
Befunde des genannten Buches erörtert,<br />
insbesondere dort, wo die Ansich-<br />
ten genannter Autoren nach unserer<br />
Meinung unzureichend erscheinen<br />
oder eindeutig fehlerhaft sind, somit<br />
einer Ergänzung oder Verbesserung<br />
bedürfen.<br />
� Vorbemerkungen<br />
Festzustellen ist zunächst, dass<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> – wie auch sonst im<br />
Ruhrgebiet – naturlandschaftliche<br />
Binnensalzstellen ebenso auftreten wie<br />
kulturbedingte (vgl. u.a. Büscher 1984,<br />
1999). Letztere beruhen im Wesentlichen<br />
auf bergbaulichen Tätigkeiten:<br />
Austrittsstellen von salzhaltigen Wässern<br />
an Bergehalden sowie (ehemals)<br />
durch Bergwerksabwässer salzbelastete<br />
Fließgewässer. Früher wurde<br />
die Salzbelastung der Fließgewässer<br />
auch durch Salinenabwässer bewirkt.<br />
Erbohrte Salzbrunnen und davon abgehende<br />
Leitungen und Gräben waren<br />
weitere Standorte von Salzpflanzen.<br />
Seit etwa 25 Jahren spielen zudem<br />
Straßenränder, an denen Salzpflanzen<br />
aufgrund der Verwendung von Streusalzen<br />
z. T. in ausgedehnten Beständen<br />
auftreten, eine bedeutende Rolle – und<br />
unter ihnen besonders die Autobahnen,<br />
auf denen im Winter sehr viel Salz<br />
ausgebracht wird. Feuchtgebiete, in<br />
die salzhaltiges Sickerwasser aus den<br />
Bergehalden gelangte (und gelangt),<br />
sind aber nicht minder bedeutsam als<br />
naturlandschaftliche Binnensalzstellen<br />
und zeigen wohl auch Ähnlichkeiten im<br />
Wasserchemismus.<br />
Hier kann man bereits Raabe &<br />
Lienenbecker (2004) kritisieren, weil<br />
sie ausschließlich die naturlandschaftlichen<br />
Binnensalzstellen behandeln. Die<br />
Inkonsequenz einer solchen Auswahl<br />
wird deutlich, wenn man beachtet,<br />
dass man bei vielen Binnensalzstellen<br />
aufgrund jahrhundertelanger Nutzung<br />
zur Kochsalzgewinnung und/oder<br />
anschließendem Aufbau von Kurbadbetrieben<br />
kaum vom ursprünglichen<br />
Zustand sprechen kann. Zudem wurden<br />
neben natürlichen Quellen oft<br />
künstliche Brunnen erbohrt und das<br />
erhaltene Solewasser gemischt. Das<br />
betraf die einzige im Buch aufgeführte<br />
Salzstelle im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, das Salzgebiet<br />
<strong>Unna</strong>-Königsborn, in besonderem<br />
Maße.
NATUR ERLEBEN<br />
Gradierwerk Friedrichsborn in <strong>Unna</strong>-Königsborn; erhalten sind nur das Mühlengebäude und das Salzsiederhaus. Foto: Archiv<br />
� Was sind Salzpflanzen?<br />
Salzpflanzen können definiert werden<br />
als Pflanzen, die regelmäßig an<br />
salzbeeinflussten Standorten vorkommen.<br />
Das hier in der Hauptsache<br />
betrachtete Salz ist Kochsalz (NaCl),<br />
daneben spielt auch Kalisalz (KCl) eine<br />
gewisse Rolle. Der Begriff „Salzpflanze“<br />
ist nicht deckungsgleich mit dem<br />
in der ökologischen Literatur meist<br />
gebrauchten Begriff „Halophyt“ (heißt<br />
allerdings wörtlich übersetzt ebenfalls<br />
„Salzpflanze“), für den es darüber hinaus<br />
keine einheitliche Definition gibt<br />
(Brandes 1999a). Allerdings gebrauchen<br />
wir den Begriff Salzpflanze hier<br />
auch in einem weiteren Sinne als Raabe<br />
& Lienenbecker (2004), denn deren<br />
Gebrauch des Terminus entspricht der<br />
Halophytendefinition der meisten Autoren:<br />
Pflanzen, die ausschließlich oder<br />
fast ausschließlich an salzbeeinflussten<br />
Standorten vorkommen. Im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> treten keine Pflanzenarten auf,<br />
die auf Salz angewiesen sind, also als<br />
„obligate Halophyten“ anzusprechen<br />
sind. Stattdessen treten hier Arten auf,<br />
die salztolerant sind, also Salz ertragen<br />
oder in ihrer Konkurrenz sogar durch<br />
Salz gefördert werden, ohne dass sie<br />
physiologisch Salz benötigen.<br />
Wo man freilich die Grenze zwischen<br />
„fakultativer Halophyt“ und „salztolerant“<br />
bzw. an salzbeeinflussten Stellen<br />
öfters (aber auch an anderen Standorten)<br />
auftretend ziehen möchte, ist<br />
99
100 NATUR ERLEBEN<br />
willkürlich. Eine sinnvolle Abgrenzung<br />
könnte vielleicht aus den Salzzahlen<br />
entwickelt werden, die Ellenberg & al.<br />
(1992) für sämtliche Farn- und Blütenpflanzen<br />
Mitteleuropas anführen.<br />
Brandes (1999a) hat jedoch gezeigt,<br />
dass diese teilweise nachbesserungsbedürftig<br />
sind und auch eigene Beobachtungen<br />
erbringen diesbezüglich<br />
einige Fragezeichen. Wir verwenden<br />
daher den Begriff Salzpflanzen im<br />
eingangs genannten Sinne: Pflanzen<br />
mit regelmäßigen Vorkommen an salzbeeinflussten<br />
Standorten, auch wenn<br />
sie an anderen Standorten ebenfalls<br />
und überwiegend sogar häufiger auftreten.<br />
Einbezogen werden hier also<br />
sowohl z. B. der Echte Sellerie, Apium<br />
graveolens, der in seiner einheimischen<br />
Ausgangssippe ausschließlich an<br />
Salzstellen vorkommt (bzw. vorkam),<br />
als auch Arten wie Elymus repens, die<br />
Kriechende Quecke, eher bekannt<br />
als wenig beliebte Acker- und Gartenpflanze,<br />
aber auch an sämtlichen<br />
Salzstellen im <strong>Kreis</strong>gebiet vorhanden<br />
und z. T. bestandsbildend.<br />
Bei Arten wie der Quecke, die ein<br />
breites ökologisches Spektrum aufweisen,<br />
liegt nahe, dass an Salzstellen<br />
besondere Varietäten (Ökotypen)<br />
vorkommen, die durchaus Gegenstand<br />
des <strong>Natur</strong>schutzes werden könnten, da<br />
sie bei dieser engeren taxonomischen<br />
Betrachtung ebenfalls als auf Salzstellen<br />
beschränkte Sippen angesehen<br />
werden müssten. Eine Klärung derartiger<br />
kryptischer, d.h. rein äußerlich<br />
nicht erkennbarer Sippen kann jedoch<br />
im Wesentlichen nur im Labor erfolgen<br />
– was bisher kaum durchgeführt wurde,<br />
so dass hierüber praktisch keine<br />
Erkenntnisse vorliegen.<br />
� Das Salzgebiet Königsborn<br />
früher und heute<br />
Das einzige natürliche Salzgebiet<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> liegt in <strong>Unna</strong>-Königsborn.<br />
Der Name „Königsborn“ war<br />
ursprünglich die Bezeichnung eines<br />
1734 angelegten Salzbrunnens, der<br />
später zunächst auf das neu angelegte<br />
Kurbad und schließlich den gesamten<br />
dort gelegenen Ort Brockhausen übertragen<br />
wurde. Salzgewinnung ist hier<br />
allerdings seit 1389 nachweisbar (u.a.<br />
Timm 1978).<br />
Königsborn reiht sich in die Hellweg-Salzquellen<br />
ein, die perlschnurartig<br />
von <strong>Unna</strong> bis Salzkotten unmittelbar<br />
nördlich des Haarstranges neben<br />
zahlreichen süßwasserführenden<br />
artesischen Quellen auftreten und für<br />
die Begründung und den Aufstieg der<br />
hier vorhandenen Städte (besonders<br />
für <strong>Unna</strong>, Werl, Soest, Erwitte und<br />
Salzkotten, später auch für die Kurbäder<br />
Sassendorf und Westernkotten)<br />
entscheidende Bedeutung hatten.<br />
Auch weiter westlich und nördlich<br />
gab es einzelne Salzquellen oder<br />
zumindest erbohrte Salzbrunnen (im<br />
<strong>Kreis</strong> in den heutigen Kommunalgebieten<br />
von Kamen, Bönen und Werne,<br />
außerhalb in den heutigen Stadtgebieten<br />
von Hamm, Dortmund, Bochum,<br />
vielleicht auch Herne). Zumindest<br />
über die möglicherweise natürlichen<br />
Salzstellen in diesen Gebieten ist<br />
jedoch kaum etwas bekannt, während<br />
die jüngeren Brunnen aufgrund<br />
von technischen Unterlagen gut dokumentiert<br />
sind. Viele der ehemals<br />
natürlichen Salzquellen führen heute<br />
– sofern nicht versiegt bzw. überhaupt<br />
noch vorhanden – Süßwasser. Die<br />
Gradierwerk-Nachbildungen, die man<br />
heute bisweilen besichtigen kann (z.<br />
B. in Werne) sind im Wesentlichen als<br />
Touristenattraktionen gedacht und<br />
stellen keine Salzpflanzenstandorte<br />
dar. Im hydrogeologischen Kapitel des<br />
Buches von Raabe & Lienenbecker, das<br />
von Michel (2004) verfasst wurde,<br />
werden die Hellweg-Salzquellen dem<br />
Münsterland zugeordnet, was etwas<br />
befremdet (das Münstersche Becken,<br />
ohnehin besser als Westfälische Bucht<br />
zu bezeichnen, ist räumlich nicht identisch<br />
mit dem Münsterland!).<br />
Die Geschichte der Salzgewinnung<br />
und Salinenanlagen in Königsborn hat
Timm (1978) ausführlich dargestellt.<br />
Hierauf beziehen sich viele spätere<br />
lokalhistorische Arbeiten, auch bei<br />
Walter (2004), der das Kapitel über<br />
„Salzgewinnung und Salinen“ bei<br />
Raabe & Lienenbecker verfasst hat,<br />
finden sich keine Informationen darüber<br />
hinaus. Walter erwähnt die Soleleitung<br />
von Werries nach Königsborn,<br />
aber nicht den um 1840 angelegten<br />
Rollmannsbrunnen bei Heeren, der<br />
ebenfalls für die Gewinnung zusätzlicher<br />
Sole genutzt wurde, denn in<br />
Königsborn versiegten in Folge des<br />
Bergbaus immer mehr Solequellen.<br />
Ursprünglich war dort nach Steinkohle<br />
gebohrt worden, man stieß jedoch auf<br />
Salzwasser, das dann in einer Röhrenleitung<br />
nach Königsborn abgeführt<br />
wurde. Salzpflanzen wurden auch hier<br />
nachgewiesen (Jüngst 1869 nennt von<br />
hier die Salz-Schuppenmiere, Spergularia<br />
salina, Padberg 1897 den Echten<br />
Sellerie, Apium graveolens). An diesem<br />
Aspekt sieht man deutlich, dass eine<br />
Trennung zwischen natürlichen und<br />
künstlichen Salzstellen willkürlich ist.<br />
Allein die jahrhundertelange Nutzung<br />
der Quellen in Königsborn mit ihrer zunehmend<br />
technischen Verbauung hat<br />
dieses Salzgebiet wesentlich geprägt.<br />
Nach dem ersten Hinweis bei Meigen<br />
& Weniger (1819) sind die ersten<br />
floristischen Angaben aus dem Gebiet<br />
der Saline Königsborn Suffrian (1836)<br />
zu verdanken. Er notierte hier u.a. den<br />
Echten Sellerie, Apium graveolens, den<br />
Abstehenden Salzschwaden, Puccinellia<br />
distans, die Salz-Schuppenmiere,<br />
Spergularia salina, die Botten-Binse,<br />
Juncus gerardii, sowie die Rosen-<br />
Melde, Atriplex rosea. Aber bereits<br />
v. Bönninghausen (1824) fand die<br />
Botten-Binse, Juncus gerardii, und die<br />
Entferntährige Segge, Carex distans<br />
s. lat., bei <strong>Unna</strong>; möglicherweise<br />
beziehen sich diese Angaben auf Königsborn<br />
oder eine andere Salzquelle.<br />
Viele bedeutende Salzpflanzen wurden<br />
hier bis in die 1950er Jahre nachgewiesen,<br />
zuletzt durch die im <strong>Kreis</strong>gebiet<br />
zwischen den 1920er und den 1970er<br />
Jahren intensiv tätigen Floristen W.<br />
Bierbrodt, H. Lange und H. Neidhardt<br />
(vgl. Angaben bei Runge 1990 und<br />
Büscher & Loos, in Vorbereitung:<br />
„Flora des mittleren Westfalen“, vorliegende<br />
Manuskriptteile). Nachdem<br />
inzwischen das Gelände vollständig<br />
verändert ist, finden sich Salzpflanzen<br />
nur noch rudimentär, sind allerdings<br />
nicht ganz verschwunden. So sind<br />
Vorkommen des Salzschwadens an<br />
Straßenrändern, an Ruderalstellen und<br />
in Rasenflächen hier zweifellos auf<br />
das einstige Vorkommen im Salinenbereich<br />
zurückzuführen, während sie<br />
an vergleichbaren Stellen anderenorts<br />
NATUR ERLEBEN<br />
neophytisch sein dürften (vgl. Büscher<br />
1984). Auch ein Restvorkommen des<br />
hier ebenfalls seit langem bekannten<br />
Erdbeer-Klees, Trifolium fragiferum,<br />
konnte im Park in einer Rasenfläche<br />
wiedergefunden werden. Auch von<br />
Colobium taraxacoides (= Leontodon<br />
saxatilis), der Zinnensaat, gibt es in<br />
einer Rasenfläche ein Vorkommen,<br />
wobei aber unbekannt ist, ob es sich<br />
um ein Relikt der Salinenflora oder<br />
eine Neueinwanderung handelt. Die<br />
Entferntährige Segge, welche sich<br />
lange gehalten hat, ist allerdings offensichtlich<br />
erloschen.<br />
Als bemerkenswert und signifikant<br />
für die Ausbreitung über die natürlichen<br />
Vorkommen hinaus, nennen wir<br />
die Nachweise des Echten Sellerie um<br />
Königsborn herum: Im Salinenbereich<br />
wurde die Art (wie erwähnt) schon von<br />
Suffrian (1836) gefunden und dann<br />
über die Jahrzehnte bis 1952 (von H.<br />
Neidhardt) nachgewiesen. Bierbrodt<br />
(1923) gibt sie als „verbreitet“ für<br />
Königsborn an. Am Rollmannsbrunnen<br />
bei Heeren, von wo eine Soleleitung<br />
nach Königsborn ging, fand sie Padberg<br />
(1897). 1921 wurde sie „sehr<br />
üppig“ von W. Bierbrodt in Afferde<br />
westlich Königsborn am Dorfbach,<br />
in den salzhaltiges Abwasser geleitet<br />
wurde, gefunden. 1931 fand Bierbrodt<br />
den Sellerie „am Weg nach Kamen<br />
101
102 NATUR ERLEBEN<br />
nahe Wirtshaus Rehfuß“ ebenfalls<br />
unweit Königsborn, im gleichen Jahr<br />
schließlich in einem „Chausseegraben<br />
am Heerener Weg“ in Kamen-Süd,<br />
nahe der Verkehrsachse nach <strong>Unna</strong><br />
(heute B 233), die direkt durch den<br />
ehemaligen Salinenbereich führt, aber<br />
ebenso unweit des Rollmannsbrunnen<br />
liegt. Es ist anzunehmen, dass der Sellerie<br />
um die Jahrhundertwende 19./20.<br />
Jahrhundert entlang der Leitung vom<br />
Rollmannsbrunnen nach Königsborn,<br />
aber ebenso an der heutigen B 233-<br />
Strecke verschiedentlich verschleppt<br />
wurde bzw. gewandert ist.<br />
� Heutige Salzpflanzenflora im<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
Der Zusammenhang zwischen natürlichen<br />
und anthropogenen salzbeeinflussten<br />
Gebieten sollte am Beispiel<br />
des Sellerie deutlich geworden sein.<br />
Eine klare Trennlinie ist hier kaum zu<br />
ziehen. Für eine Übersicht eignet sich<br />
dennoch eine Aufteilung, wobei eine<br />
Gliederung nach Brandes (1999a) in<br />
„primäre Binnensalzstellen“, „sekundäre<br />
Salzstellen“ und „salzbeeinflusste<br />
Flora an Verkehrsanlagen“ (im Original<br />
„Vegetation“) von uns favorisiert<br />
wird. In Königsborn findet man alle<br />
drei Typen, wobei das primäre Salzgebiet<br />
nicht mehr vorhanden ist.<br />
Sekundäre Salzstellen im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
Blick nach Norden: die Gradierwerke Friedrichsborn und Lange Wand (im Hintergrund).<br />
Foto: Archiv<br />
sind vor allem die Gewässer an den Füßen<br />
der Bergehalden. Hier finden sich<br />
Gräben und Bergsenkungsgewässer,<br />
teils auch miteinander verzahnt bzw.<br />
die Gräben haben durch Bergsenkungen<br />
eine Verbreiterung hin zu einem<br />
Weiher erfahren. Durch salzhaltige<br />
Sickerwässer aus den Halden bildeten<br />
sich hier Salzpflanzenfluren, meist<br />
dominiert durch den Abstehenden<br />
Salzschwaden. Die große Zeit dieser<br />
Gebiete ist allerdings vielfach vorbei.<br />
Oft sickern keine salzhaltigen Wässer<br />
mehr aus den maturierten Halden oder<br />
sie sind mit häufigen salztoleranten Arten<br />
zugewachsen, so dass die bemer-<br />
kenswerteren, weitgehend auf Salzstellen<br />
beschränkten Sippen verdrängt<br />
wurden bzw. ihre Ansiedlungsmöglichkeiten<br />
stark eingeschränkt sind. Der<br />
bemerkenswerteste Fund gelang an<br />
einem großen Flachgewässer am Fuß<br />
der Halde Großes Holz in Bergkamen,<br />
wo sogar ein spärliches Vorkommen<br />
der Strand-Aster, Aster tripolium, entdeckt<br />
werden konnte. Leider existiert<br />
dieses Gewässer, das anfangs einen<br />
extrem hohen Salzgehalt aufwies<br />
(zunächst lebten hier im Wasser nur<br />
Stichlinge, während sich eine breite,<br />
völlig vegetationsfreie Zone rund um<br />
das Gewässer zog und Dutzende von
toten Molchen im Wasser schwammen,<br />
die anscheinend den hohen<br />
Salzgehalt nicht überlebten), nicht<br />
mehr. Eine ausgedehnte Salzpflanzenflur<br />
entwickelte sich Mitte der 1980er<br />
Jahre auch am Fuß einer Halde südlich<br />
des Zechengeländes Königsborn 3/4<br />
in Kamen-Heeren-Werve. Diese Flur<br />
bestand aus einem großen Bestand<br />
des Salzschwadens, dann siedelte sich<br />
die Kriechende Quecke an und dominierte<br />
den Bereich an den trockeneren<br />
Rändern, während ein kleiner Bestand<br />
des Schilfs, Phragmites australis, der<br />
zunächst durch den hohen Salzgehalt<br />
offenbar modifiziert war und niedrigwüchsig<br />
blieb, sich nachfolgend in die<br />
Fläche ausbreitete und die Pflanzen<br />
wohl aufgrund des abnehmenden<br />
Salzgehaltes ihre durchschnittliche<br />
Größe erreichten. Dazwischen siedelte<br />
sich vor allem das Zottige Weidenröschen,<br />
Epilobium hirsutum, an. Inzwischen<br />
ist das Gebiet zugewachsen.<br />
Heute existieren noch ausgedehntere<br />
Fluren des Salzschwadens an Halden<br />
im Stadtgebiet von Lünen.<br />
Der Salzschwaden wuchs auch auf<br />
den brachgefallenen Zechengeländen<br />
an kleinen Lachen und anderen<br />
Feuchtstellen sowie an Lachen und<br />
Flachgewässern auf Halden und an<br />
Klärteichen der Zechen. Ob hier ein<br />
Zusammenhang mit Salzbeeinflus-<br />
sung vorliegt, ist derzeit noch nicht<br />
grundsätzlich geklärt; zumindest für<br />
die Zechenklärteiche ist es jedoch<br />
anzunehmen. Ähnliches gilt wohl<br />
für Gräben und flache Stillgewässer<br />
auf und an Mülldeponien, die jedoch<br />
heute keine Rolle spielen. Wohl ist der<br />
Salzschwaden aber die prominenteste<br />
Sippe der „salzbeeinflussten Flora an<br />
Verkehrsanlagen“, namentlich Straßenrändern.<br />
Derartige Vorkommen<br />
sind zerstreut im gesamten <strong>Kreis</strong>gebiet<br />
vorhanden, sogar in Schwerte-Bürenbruch,<br />
also in den höheren, kaum<br />
urban-industriell geprägten Bereichen.<br />
Allerdings handelt es sich um eine<br />
typische Landstraßenart, die kaum<br />
dagegen an Autobahnen vorkommt.<br />
Typische Autobahnarten sind hingegen<br />
das Dänische Löffelkraut, Cochlearia<br />
danica, die Stink-Kresse, Lepidium<br />
ruderale, sowie die Melden-Arten<br />
Atriplex heterosperma (= A. micrantha)<br />
und A. sagittata. Von der Salz-Schuppenmiere,<br />
Spergularia salina, konnte<br />
bisher nur ein Vorkommen im Kamener<br />
Kreuz entdeckt werden. Die neueste<br />
Autobahn-Salzpflanze ist die Breitblättrige<br />
Kresse, Lepidium latifolium, die<br />
sich ausgehend vom Autobahnkreuz<br />
Dortmund-Nordwest scheinbar recht<br />
langsam ausbreitet (dort zuerst von<br />
H. Haeupler, Bochum, bemerkt). Bei<br />
anderen neueren Autobahnwanderern<br />
NATUR ERLEBEN<br />
wie dem Klebrigen Alant, Pulicaria (=<br />
Dittrichia, Inula) graveolens, oder Loesels<br />
Rauke, Sisymbrium loeselii, bleibt ein<br />
Zusammenhang mit der Salzstreuung,<br />
die für das Auftreten der Salzpflanzen<br />
an Straßenrändern verantwortlich ist,<br />
noch ungewiss, weshalb sie hier nicht<br />
als Salzpflanzen behandelt werden.<br />
Offensichtliche Salzpflanzenvorkommen<br />
an Eisenbahnanlagen im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> sind äußerst selten. So wurde<br />
hier der Salzschwaden gefunden, selten<br />
auch der Rote Gänsefuß, Chenopodium<br />
rubrum. Ein Vorkommen der<br />
Rosen-Melde, Atriplex rosea, in Kamen,<br />
das nicht klein war, ist inzwischen auf<br />
unerklärliche Weise wieder erloschen.<br />
Da es sich, vom Salzschwaden abgesehen,<br />
nicht um Arten handelt, die<br />
nahezu ausschließlich an Salzstellen<br />
wachsen, blieben diese Vorkommen<br />
bei unserer vorliegenden Studie unberücksichtigt.<br />
Die folgende Tabelle gibt eine Gesamtübersicht<br />
über die Vorkommen<br />
von Salzpflanzen an Salzstellen im<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>. Ausgeklammert bleiben<br />
die Vorkommen an anderen Standorten,<br />
so ist z. B. Spergularia rubra an<br />
primären Salzstellen erloschen, kommt<br />
aber (neben massenhaften Beständen<br />
an Autobahnen und hier wohl als Salzpflanze)<br />
hauptsächlich noch auf Bahn-<br />
und Brachgelände vor, was jedoch hier<br />
103
104 NATUR ERLEBEN<br />
Agrostis stolonifera s. lat. - Weißes Straussgras<br />
Anthemis perforata - Geruchlose Kamille<br />
Apium graveolens - Echter Sellerie<br />
Aster tripolium - Strand-Aster<br />
Atriplex heterosperma - Verschiedensamige Melde<br />
Atriplex patula - Ausgebreitete Melde<br />
Atriplex prostrata - Spieß-Melde<br />
Atriplex rosea - Rosen-Melde<br />
Atriplex sagittata - Glänzende Melde<br />
Bolboschoenus laticarpus - Breitfrüchtige Strandsimse<br />
Bolboschoenus maritimus - Salz-Strandsimse<br />
Calamagrostis epigejos - Land-Reitgras<br />
Carex hirta - Raue Segge<br />
Carex distans s. lat. - Entferntährige Segge<br />
Carex otrubae - Falsche Fuchs-Segge<br />
Centaurium pulchellum - Kleines Tausendgüldenkraut<br />
Chenopodium glaucum - Blaugrüner Gänsefuß<br />
Chenopodium rubrum - Roter Gänsefuß<br />
Cochlearia danica - Dänisches Löffelkraut<br />
Colobium taraxacoides - Zinnensaat<br />
Coronopus squamatus - Niederligender Krähenfuß<br />
Elymus repens s. lat. - Kriechende Quecke<br />
Epilobium hirsutum - Zottiges Weidenröschen<br />
Erigeron canadensis - Kanadisches Berufskraut<br />
Festuca arundinacea s. lat. - Rohr-Schwingel<br />
Festuca rubra s. lat. - Rot-Schwingel<br />
Hordeum jubatum - Mähnen-Gerste<br />
Juncus compressus – Zusammengedrückte Binse<br />
Juncus gerardii - Botten-Binse<br />
Juncus inflexus - Blaugrüne Binse<br />
Juncus ranarius - Frosch-Binse<br />
Lepidium latifolium – Breitblättrige Kresse<br />
Lepidium ruderale - Stink-Kresse<br />
Lotus glaber - Schmalblättriger Hornklee<br />
Lythrum salicaria – Blut-Weiderich<br />
Odontites vulgaris - Später Zahntrost<br />
Phragmites australis - Schilf<br />
Plantago lanceolata s. lat. - Spitz-Wegerich<br />
Plantago winteri s. lat. - Winters Wegerich<br />
Poa humilis s. lat. - Bläuliches Rispengras<br />
Potamogeton pectinatus – Kamm-Laichkraut<br />
Potentilla anserina - Gänse-Fingerkraut<br />
Puccinellia distans s. lat. – Abstehender Salzschwaden<br />
Pulicaria dysenterica - Große Ruhrwurz<br />
Ranunculus sceleratus - Gift-Hahnenfuß<br />
Rumex maritimus - Strand-Ampfer<br />
Schoenoplectus tabernaemontani - Stein-Simse<br />
Sonchus arvensis - Acker-Gänsedistel<br />
Spergularia rubra - Rote Schuppenmiere<br />
Spergularia salina - Salz-Schuppenmiere<br />
Trifolium fragiferum - Erdbeer-Klee<br />
Triglochin palustre - Sumpf-Dreizack<br />
Zannichellia pedunculata – Salz-Teichfaden<br />
St SE WE LÜ BK KA BÖ UN HW FB SW<br />
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nicht erwähnt wird, da es sich nicht um<br />
Salzpflanzenvorkommen handelt.<br />
Die Abkürzungen in der nebenstehenden<br />
Tabelle bedeuten:<br />
St = Status (bezogen auf die Verhältnisse in<br />
Westfalen insgesamt; Grundlage sind dabei die<br />
Beobachtungen und Studien der Verfasser):<br />
S = Ausschließlich an Salzstellen vorkommende<br />
Sippen<br />
V = Sippen mit Vorkommen vorwiegend an<br />
Salzstellen, aber auch an nicht kochsalzbeeinflussten<br />
Standorten<br />
N = Sippen, die vorwiegend nicht an Salzstellen<br />
vorkommen, jedoch dort große Bestände bilden<br />
und/oder auf den Salzgehalt durch charakteristische<br />
Modifikationen reagieren<br />
A = „Ambivalente“ Sippen, d.h. in gleicher<br />
Weise an Salzstellen und an nicht kochsalzbeeinflussten<br />
Standorten<br />
Die Städte und Gemeinden: SE = Selm, WE =<br />
Werne, LÜ = Lünen, BK = Bergkamen, KA = Kamen,<br />
BÖ = Bönen, UN = <strong>Unna</strong>, HW = Holzwickede,<br />
FB = Fröndenberg, SW = Schwerte.<br />
Darunter werden Vorkommen an Salzstellen in<br />
den einzelnen Kommunen genannt:<br />
P = Vorkommen an primären Salzstellen (nur<br />
Königsborn und nur noch unmittelbar apophytische<br />
Vorkommen, d.h. in der Nähe ehemaliger<br />
primärer Salzstellen)<br />
H = Vorkommen an sekundären Salzstellen<br />
(Soleleitungen, Haldenfüße, Zechengelände,<br />
Haldengewässer, Klärteiche, Parkteich)<br />
R = Vorkommen an Straßenrändern.<br />
Zusätzliche Häufigkeitsangaben:<br />
+ = ausgerottet, ausgestorben oder verschollen<br />
e = einzelnes Vorkommen<br />
m = an mehreren Stellen im Kommunalgebiet<br />
vorkommend<br />
� Fehleinschätzungen<br />
Viele der weitgehend auf Salzstellen<br />
beschränkten Arten wachsen gleich<br />
„häufig“ auch auf stark verdichteten<br />
Tonböden (oft Mergel) – ein Aspekt,<br />
der bei Raabe & Lienenbecker (2004)<br />
unerklärlicherweise noch nicht einmal<br />
als Fußnote erwähnt wird. Beachtet<br />
man dieses Phänomen nicht, kann<br />
man schnell auf eine falsche Fährte<br />
geführt werden. Eine derartige „duale<br />
Autökologie“ zeigen Arten wie der<br />
Erdbeer-Klee – Trifolium fragiferum, die<br />
Ruhrwurz – Pulicaria dysenterica und<br />
die Zusammengedrückte Binse – Juncus<br />
compressus (sowie die meisten<br />
„A“-Arten in der nebenstehenden Tabelle).<br />
Eine weitere hier einzuordnende<br />
Art ist der Schmalblättrige Hornklee,<br />
Lotus glaber (= L. tenuis, L. tenuifolius),<br />
der bei Raabe & Lienenbecker (2004)<br />
ganz falsch eingeschätzt wird, da er<br />
seine Hauptvorkommen im mittleren<br />
Westfalen auf Tonböden besitzt.<br />
Die Art wurde zuerst in den „Sauren<br />
Kämpen“ bei Hamm-Berge gefunden,<br />
die bei Padberg (1897) und Bierbrodt<br />
NATUR ERLEBEN<br />
(1923) fälschlich als Salzstelle interpretiert<br />
werden. Ein vergleichbares<br />
großes Vorkommen existierte in einer<br />
ehemaligen Mergelgrube an der Grenze<br />
Hamm/Kamen/Bönen, ohne dass<br />
hier Salzbeeinflussung festzustellen<br />
war. In jüngster Zeit erscheint die Art<br />
auch in Ansaaten, so dass der floristische<br />
Status immer mit einiger Vorsicht<br />
beurteilt werden muss.<br />
Die Vorkommen der Strandsimse<br />
an der Lippe wurden bislang oft mit<br />
einer Salzbelastung der Lippe gedeutet.<br />
Tatsächlich gab es jedoch keine<br />
weiteren Hinweise in der Flora darauf.<br />
Die aktuelle taxonomische Klärung des<br />
Komplexes zeigt, dass jene Sippe, zuvor<br />
als Hybridkomplex „Bolboschoenus<br />
yagara x maritimus“ eingeschätzt, davor<br />
als „B. maritimus subsp. maritimus“, eine<br />
eigenständige, stabile Art darstellt,<br />
die jüngst von Marhold & al. (2004)<br />
als Bolboschoenus laticarpus beschrieben<br />
wurde. Diese Art ist salztolerant,<br />
kommt aber sehr viel häufiger an nicht<br />
salzbeeinflussten Standorten vor und<br />
ist kein Zeiger derartiger Standorte.<br />
Die üblicherweise an den Salzstellen<br />
vorkommende Art ist B. maritimus im<br />
engeren Sinne (= B. maritimus subsp.<br />
compactus). Wir haben B. laticarpus<br />
hier zusätzlich aufgenommen, weil sie<br />
auch in <strong>Unna</strong>-Königsborn vorkam und<br />
in Werne am Parkteich in Nähe des<br />
105
106 NATUR ERLEBEN<br />
Gradierwerkes wächst (obwohl hier<br />
ein Zusammenhang zunächst einmal<br />
nachzuweisen wäre), ansonsten tritt<br />
diese Art im <strong>Kreis</strong> nirgendwo an Salzstellen<br />
auf und ist auch sonst in Westfalen<br />
an Salzstellen äußerst selten.<br />
Einige von uns publizierte Angaben<br />
werden von Raabe & Lienenbecker<br />
(2004) in Zweifel gezogen. Der wissenschaftssoziologischen<br />
Redlichkeit<br />
halber ist zu erwähnen, dass diese<br />
Zweifel fachlich irrelevant und für die<br />
Zweifler disqualifizierend sind.<br />
Raabe zog bereits seit Längerem<br />
Funde der Botten-Binse und von<br />
Plantago winteri - Winters Wegerich<br />
im Nachbarkreis Soest durch uns in<br />
Zweifel und bezweifelt im Buch diese<br />
Angaben weiterhin, obwohl bei Loos<br />
(1996) zu den Vorkommen Stellung<br />
genommen worden ist und sie auch<br />
bei Haeupler, Jagel & Schumacher<br />
(2003) berücksichtigt wurden. Es<br />
wird moniert, dass den Autoren von<br />
uns keine Herbarbelege von diesen<br />
Funden vorgelegt wurden. Ob sie nun<br />
die Belege gesehen hätten oder nicht,<br />
ist aber unerheblich. Da der Erstautor<br />
die genannten Sippen selbst in Teilen<br />
ihrer Gesamtverbreitungsgebiete, in<br />
Herbarien und in Kultur über Jahre<br />
hinweg taxonomisch und ökologisch<br />
untersucht hat, bestand keine Veranlassung,<br />
diese Feststellungen den ge-<br />
nannten Autoren, die gewiss nicht als<br />
prüfende Kenner dieser Sippen nach<br />
Art einr letzten Instanz in Betracht<br />
kommen, persönlich zu belegen.<br />
Der Fall von Winters Wegerich verdient<br />
eine eingehendere Betrachtung,<br />
weil auch im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> Biotypen<br />
nachgewiesen wurden, die hier eingeordnet<br />
werden können. Die letzte<br />
Formulierung zeigt schon, dass hier<br />
eine komplexere Problematik vorliegt<br />
als sie gemeinhin dargestellt wird.<br />
Selbstbestäubung (Autogamie) sorgt<br />
dafür, dass in der Gruppe des Breit-<br />
Wegerichs (Plantago major s.latiss.,<br />
d.h. im weitesten Sinne), wozu P. winteri<br />
zählt, einerseits recht streng abgegrenzte<br />
Typen auftreten, andererseits<br />
entstehen in Folge von mehr oder minder<br />
regelmäßiger Durchbrechung der<br />
Autogamie mittels Fremdbestäubung<br />
durch Kreuzung zwischen derartigen<br />
Typen neue Sippen. Die auftretenden<br />
Biotypen lassen sich in der Masse drei<br />
allerdings nicht scharf abgegrenzten<br />
Sammelgruppen innerhalb der Großgruppe<br />
des Breit-Wegerichs zuordnen:<br />
Plantago major, P. uliginosa (= P.<br />
intermedia; der Vielsamige Wegerich)<br />
und P. winteri. Verwischt werden diese<br />
Idealtypen durch Sippen, die dem<br />
einen Typ äußerlich nahestehen, aber<br />
z. B. eine Samenanzahl pro Kapsel<br />
aufweisen wie ein anderer. Eine solche<br />
zwischen dem P. major- und dem P.<br />
uliginosa-Typ vermittelnde Sippe, die<br />
als Hybride zwischen beiden gedeutet<br />
wurde, ist P. (x)moravica Chrtek. Es<br />
existieren – oftmals nur bei genauer<br />
statistischer Betrachtung der Pflanzen<br />
– auch äußerlich sichtbare Merkmalsunterschiede<br />
zwischen einzelnen Sippen<br />
innerhalb der genannten Gruppen<br />
(Details s. bei Loos 1996).<br />
Wisskirchen (1998) bezweifelt einige<br />
der bei Loos (1996) angegebenen<br />
Extremwerte bei sonstigen Merkmalen<br />
einer jeweils anderen Sippe; da jedoch<br />
zu einer Absicherung der Ergebnisse<br />
eine hinreichende Zahl von Fruchtkapseln<br />
untersucht und dabei peinlich genau<br />
beachtet wurde, dass die Zahl der<br />
Samen pro Kapsel vollständig erfasst<br />
werden konnte, ist die Möglichkeit<br />
von Zählfehlern hier ebenso definitiv<br />
auszuräumen wie eine mangelnde Beachtung<br />
der übrigen Merkmale. Vielmehr<br />
erscheint Wisskirchens Vorgehen<br />
äußerst fragwürdig, die Komplexität in<br />
der Großgruppe dadurch reduzieren<br />
zu wollen, indem er ein überholtes,<br />
vielschichtig-inkonsequentes Unterartkonzept<br />
reetabliert (ein konsequentes<br />
und die Phylogenese berücksichtigendes,<br />
sinnvolleres Unterartkonzept wird<br />
hingegen bei Loos 1997 dargelegt).<br />
Durch die weitgehende genetische<br />
Isolierung der elementaren Sippen
sind diese viel besser charakterisierte<br />
Arten als manche der als „gute“ Arten<br />
angesehene Pflanzen; vorausgesetzt,<br />
dass das so genannte „Biologische<br />
Artkonzept“ als strenges (wenn auch<br />
bei weitem nicht einziges, vgl. Loos<br />
1997) Definitionskriterium für den<br />
Artrang angesehen wird – sowie<br />
eine genaue Untersuchung sowohl<br />
der augenscheinlichen wie auch der<br />
kryptischen Merkmale. Leider haben<br />
selbst zuvor in dieser Hinsicht fortschrittlichere<br />
Bestimmungsbücher<br />
Wisskirchens Konzeption übernom-<br />
NATUR ERLEBEN<br />
Wo einst Salz gewonnen und gewerblich für ganz Westfalen aufbereitet wurde, wächst heute im Kurpark <strong>Unna</strong>-Königsborn<br />
eine facettenreiche Vegetation. Foto: Archiv<br />
men. Genau diese Simplifizierung der<br />
Verhältnisse findet sich auch bei Raabe<br />
& Lienenbecker (2004: 132) – ohne jeden<br />
Hinweis auf die Konsequenzen der<br />
Selbstbestäubung, ohne jede Erwähnung<br />
der taxonomischen Problematik.<br />
Spätestens damit wird offensichtlich,<br />
107
108 NATUR ERLEBEN<br />
dass die Zweifel genannter Autoren<br />
unangemessen sind.<br />
� Nachhaltiger Salzpflanzenschutz<br />
– möglich oder nicht?<br />
Salzpflanzenschutz ist in erster<br />
Instanz Biotopschutz. Das gilt naturgemäß<br />
für die primären Salzstellen.<br />
In Königsborn ist diese Möglichkeit<br />
verwirkt, es sei denn, es lässt sich wieder<br />
eine ergiebige Salzquelle freilegen.<br />
Angesichts der finanziellen Engpässe<br />
der Kommunen sind derartige Überlegungen<br />
reinste Utopie. Der Fokus<br />
kann daher nur auf den sekundären<br />
Salzstellen liegen. Ein Schutz von Straßenrändern<br />
bzw. besonders von Autobahnmittelstreifen<br />
erscheint dagegen<br />
zumindest derzeit als kaum denkbar.<br />
Die dort auftretenden Arten sind auch<br />
in der Regel in Ausbreitung begriffen<br />
und die vormalige Gefährdungseinstufung<br />
der betreffenden Arten ist eher<br />
zurückzunehmen.<br />
Der Rückgang der salzbeeinflussten<br />
Gewässer an Haldenfüßen ist zumindest<br />
teilweise nicht aufzuhalten, zumindest<br />
soweit, wie die Aussickerung<br />
von salzhaltigen Wässern nachlässt.<br />
Schutzmaßnahmen können allerdings<br />
für persistent salzbeeinflusste Gewässer<br />
eingeleitet werden, indem:<br />
1. die Ausbreitung von konkurrenzstarken<br />
Arten verhindert wird (zu Pfle-<br />
gemaßnahmen und Verhinderung<br />
von Überwachsung durch Schilf<br />
und Queckenrasen an primären<br />
Salzstellen finden sich z. B. einige<br />
instruktive Aufsätze bei Brandes<br />
1999b – entsprechende Konzepte<br />
müssten für die sekundären Salzstellen<br />
entwickelt werden);<br />
2. die Umgestaltung von Bergehalden,<br />
Zechenklärteichen und ihrer<br />
Umgebung zumindest dort, wo<br />
bemerkenswerte Salzpflanzen-<br />
Vorkommen existieren, verhindert<br />
wird und der Status quo erhalten<br />
bleibt (Beispiele für die Bedrohung<br />
von Salzpflanzenbeständen s. bei<br />
Büscher 1999).<br />
In Werne wurde vor Jahren die Anlage<br />
eines „Salzgartens“ am Gradierwerk<br />
angedacht, um die Bevölkerung<br />
für die Thematik der Salzpflanzen zu<br />
sensibilisieren. Leider konnte keine<br />
politische Mehrheit für eine solche<br />
Anlage gewonnen werden. Tatsächlich<br />
sollte aber auch darüber weiter<br />
nachgedacht werden, um den Schutz<br />
derartiger Fluren an Bergehalden verständlich<br />
darstellen und begründen zu<br />
können. Alternativ zu dem Standort<br />
in Werne könnte ein solcher Garten<br />
auch in <strong>Unna</strong>-Königsborn eingerichtet<br />
werden.<br />
Ein wesentliches Argument der<br />
Gegner des Schutzes sekundärer<br />
Salzstellen ist die Tatsache, dass es<br />
sich bei den dort vorkommenden Salzpflanzen<br />
nicht um primär einheimische<br />
Vorkommen, sondern um neophytische,<br />
wenigstens aber apophytische<br />
Bestände handelt. Und genau hier ist<br />
ein Unterschied anzulegen: Apophytische<br />
Vorkommen sind Überlebende<br />
der ehemaligen primären Salzstellen,<br />
während neophytische Bestände neu<br />
in den Großraum eingewandert sind.<br />
Unterscheiden lassen sie sich in der<br />
Regel nicht augenscheinlich, sondern<br />
nur nach kryptischen, insbesondere<br />
das Genom betreffenden Merkmalen.<br />
Auch hierzu kann man nur von Laborarbeiten<br />
(insbesondere DNA-Sequenzierungen)<br />
Klarheit erwarten. Konsequenter<br />
Salzpflanzenschutz – gleich<br />
welcher Art – erfordert jedenfalls<br />
einige finanzielle Aufwendungen.<br />
Literatur<br />
Bierbrodt, W. (1923): Die Pflanzenwelt unserer<br />
Heimat. Beiträge zur Flora des <strong>Kreis</strong>es Hamm.<br />
– Manuskript. Kamen.<br />
v. Bönninghausen, C. M. F. (1824): Prodromus<br />
Florae Monasteriensis westphalorum.<br />
– Münster.<br />
Brandes, D. (1999a): Flora und Vegetation<br />
salzbeeinflußter Habitate im Binnenland - eine<br />
Einführung. - Braunschweiger Geobotanische<br />
Arbeiten 6: 7-12.
Brandes, D. (Hrsg.) (1999b): Vegetation salz-<br />
beeinflußter Habitate im Binnenland. – Braun-<br />
schweiger Geobotanische Arbeiten 6.<br />
Büscher, D. (1984): Über das Vorkommen<br />
des Abstehenden Salzschwadens (Puccinellia<br />
distans (L.) Parl.) und der Mähnen-Gerste<br />
(Hordeum jubatum L.) im östlichen Ruhrgebiet.<br />
- Dortmunder Beiträge zur Landeskunde<br />
18: 47-54.<br />
Büscher, D. (1999): Salztolerante Pflanzen in<br />
Mittelwestfalen. - Braunschweiger Geobotanische<br />
Arbeiten 6: 193-200.<br />
Ellenberg, H., Weber, H. E., Düll, R., Wirth, V.,<br />
Werner, W. & D. Paulissen (1992): Zeigerwerte<br />
der Gefäßpflanzen Mitteleuropas. 2. Aufl.<br />
– Scripta Geobotanica (Göttingen) XVIII.<br />
Haeupler, H., Jagel, A. & Schumacher, W.<br />
(2003): Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen<br />
in Nordrhein-Westfalen. - Recklinghausen.<br />
Jüngst, L. V. (1869): Flora Westfalens. 3. Aufl.<br />
– Bielefeld.<br />
Loos, G. H. (1996): Sind Juncus gerardii LOI-<br />
SEL. und Plantago winteri WIRTG. obligate oder<br />
fakultative Halophyten? – Flor. Rundbr. 30 (2):<br />
154-157.<br />
Loos, G. H. (1997): Definitionsvorschläge für<br />
den Artbegriff und infraspezifische Einheiten<br />
aus der Sicht eines regionalen Florenprojektes.<br />
– Dortmunder Beitr. Landeskde. 31: 247-266.<br />
Marhold, K., Hroudová, Z., Duchácek, M. &<br />
Zákravsky, P. (2004): The Bolboschoenus maritimus<br />
group (Cyperaceae) in Central Europe,<br />
including B. laticarpus spec. nova. – Phyton<br />
(Horn) 44 (1): 1-21.<br />
Meigen, J. W. & Weniger, H. L. (1819): Systematisches<br />
Verzeichnis der an den Ufern des<br />
Rheins, der Roer, der Maas, der Ourte und in<br />
den angränzenden Gegenden wild wachsenden<br />
und gebaut werdenden phanerogamischen<br />
Pflanzen. – Rommerskirchen, Köln.<br />
Michel, G. (2004): Hydrogeologie des Salzwassers.<br />
– In: Raabe, U. & Lienenbecker, H.,<br />
Salzstellen in Westfalen und im angrenzenden<br />
Niedersachsen, pp. 15-37. Bielefeld (Ilex-Bücher<br />
<strong>Natur</strong> 4).<br />
NATUR ERLEBEN<br />
Padberg, F. (1897): Zur Flora von Hamm in<br />
Westfalen. – Allgem. Bot. Zeitschr. (Karlsruhe)<br />
3 (7/8).<br />
Raabe, U. & Lienenbecker, H. (2004): Salzstellen<br />
in Westfalen und im angrenzenden Niedersachsen.<br />
– Bielefeld (Ilex-Bücher <strong>Natur</strong> 4).<br />
Runge, F. (1990): Die Flora Westfalens. 3. Aufl.<br />
– Münster.<br />
Suffrian, E. (1836): Beitrag zu genaueren<br />
Kenntnis der Flora von Dortmund. – Flora 19<br />
(1, 20): 305-316; 19 (1, 21): 321-326.<br />
Timm, W. (1978): Von den Brockhauser<br />
Salzwerken zur Saline Königsborn. – Hagener<br />
Hefte 7.<br />
Walter, H.-H. (2004): Salzgewinnung und<br />
Salinen in früherer Zeit – In: Raabe, U. & Lienenbecker,<br />
H., Salzstellen in Westfalen und<br />
im angrenzenden Niedersachsen, pp. 38-72.<br />
Bielefeld (Ilex-Bücher <strong>Natur</strong> 4).<br />
Wisskirchen, R. (1998): Plantago L. – In: Wisskirchen,<br />
R. & Haeupler, H., Standardliste der<br />
Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands, pp.<br />
366-370. Stuttgart.<br />
109
110 NATUR ERLEBEN<br />
� Öko-Landbau als nachhaltiger Schutz für Ackerbeikräuter<br />
Beobachtungen zur Begleitflorendiversität des<br />
ökologischen Ackerbaus im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
von Götz Heinrich Loos und<br />
Klaus-Günter Zander<br />
Der Rückgang der Vielfalt an<br />
Ackerbeikräutern (auch Ackerkräuter,<br />
Ackerunkräuter, „Ackerwildkräuter“,<br />
Ackerbegleitpflanzen<br />
o.ä.) gehört zu den Themen des<br />
Arten- und Zönosenschutzes, die<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> ehemals vorrangig<br />
aufgegriffen wurden.<br />
Weil durch die inzwischen sehr ungünstigen<br />
Entschädigungsleistungen<br />
das Ackerrandstreifenprogramm, bei<br />
dem äußere Streifen sonst intensiv<br />
bewirtschafteter Äcker aus der Behandlung<br />
mit Herbiziden und Mineraldüngung<br />
genommen werden, nahezu<br />
in die Bedeutungslosigkeit geführt<br />
haben, sind die Überlebensmöglichkeiten<br />
von Sippen, die sich nicht an die<br />
Intensivbehandlung anpassen können,<br />
erneut äußerst problematisch geworden<br />
(s. auch Hitzke 1997).<br />
Bereits Ende der 1980er Jahre<br />
galten von den 250 früher in Nordrhein-Westfalen<br />
als typische Be-<br />
gleiter des Getreides angesehenen<br />
Blütenpflanzenarten 86 (das sind 34,4<br />
% der Gesamtzahl) als ausgestorben,<br />
verschollen oder gefährdet (Kalkkuhl<br />
1991). Besonders betroffen sind die<br />
Pflanzengesellschaften der (Winter-)Halmfruchtbestände<br />
(van Elsen<br />
1989; Hofmeister & Garve 1998).<br />
In zahlreichen vergleichenden Untersuchungen<br />
wurde nachgewiesen,<br />
dass auf ökologisch bewirtschafteten<br />
Getreideäckern bis zu fünffach und im<br />
Bestandesinneren sogar bis zu sechsfach<br />
höhere Artenzahlen der typischen<br />
Ackerbegleitpflanzen zu finden sind<br />
als auf konventionell bearbeiteten<br />
Vergleichsflächen (Frieben 1997; The<br />
Soil Association 2001). Dass in einigen<br />
Bereichen des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> aufgrund<br />
historischer Angaben und Herbarbelege<br />
potenziell mit einer reichen Ackerflora<br />
gerechnet werden kann, belegen<br />
die Zusammenstellungen bei Büscher<br />
(1985). Nachfolgende Auswertungen<br />
von Herbarien sowie des Herbars und<br />
der Botanischen Tagebücher des vormaligen<br />
<strong>Kreis</strong>naturschutzbeauftragten<br />
W. Bierbrodt durch D. Büscher und<br />
den Erstautor (bereits weitgehend<br />
berücksichtigt in den Karten bei Hae<br />
upler, Jagel & Schumacher 2003), die<br />
freundlicherweise Herr Prof. Dr. H.<br />
Ant (Münster) ermöglichte, ergaben<br />
für einige, heute im <strong>Kreis</strong>gebiet akut<br />
vom Aussterben bedrohte oder ausgestorbene<br />
bzw. verschollene Arten<br />
weitere, z. T. überraschende Nachweise<br />
(z. B. Ranunculus arvensis, der<br />
Acker-Hahnenfuß, ehemals verbreitet<br />
in den Kamener Mergelgebieten;<br />
Legousia speculum-veneris, der Große<br />
Frauenspiegel, in einem Acker in Kaiserau/Kamen-Methler;<br />
etc.).<br />
Während sich die Erfolgskontrollen<br />
des Ackerrandstreifenprogramms in<br />
den 1980er/90er Jahren naturgemäß<br />
auf die im Programm befindlichen, außerhalb<br />
der betreffenden Randstreifen<br />
fast immer intensiv bewirtschafteten<br />
Äcker bezogen, blieben die ökologisch<br />
bewirtschafteten Äcker weitestgehend<br />
unbeachtet (zur Definition von Öko-<br />
Landbau vgl. vor allem SRU 1994, UBA<br />
1997 und speziell für Nordrhein-Westfalen<br />
MUNLV NRW 2000). Erst seit<br />
1995 hat der Erstautor im Öko-Land-
au stehende Ackerflächen (Wintergetreide,<br />
selten Hackfrüchte) in Bergkamen<br />
(Weddinghofen), Kamen (Lüner<br />
Höhe, Methler), Bönen (Bramey-Lenningsen)<br />
und <strong>Unna</strong> (nördliches Haarstranggebiet)<br />
systematisch floristisch<br />
untersucht. Der Zweitautor schließlich<br />
unternahm im Rahmen eines Teils seiner<br />
Diplomarbeit (Zander 2004) eine<br />
vergleichende Untersuchung von zwei<br />
Flächen im Öko-Landbau und einem<br />
konventionell bewirtschafteten Acker<br />
in Bergkamen (Weddinghofen) über<br />
die Vegetationsperiode 2001 hinweg.<br />
Wesentliche Ergebnisse dieser Untersuchungen<br />
und Schlussfolgerungen<br />
in Hinblick auf einen nachhaltigen<br />
Schutz von Ackerbeikräutern werden<br />
– im Anschluss auf einen Blick auf die<br />
Situation der Landwirtschaft, insbesondere<br />
den Öko-Landbau – im Folgenden<br />
dargestellt (wissenschaftliche<br />
Pflanzennamen nach Büscher & Loos<br />
mscr., „Flora des mittleren Westfalen“;<br />
bei evtl. mehrdeutigen Sippennamen<br />
ohne Zusatz „s. lat.“ sind diese immer<br />
im engeren taxonomischen Sinne<br />
gemeint).<br />
� Anteil des Öko-Landbaus<br />
Der Strukturwandel in der Landwirtschaft<br />
bewirkt im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> wie<br />
generell einen erheblichen Rückgang<br />
der landwirtschaftlichen Betriebe.<br />
Von den 1154 Betrieben, die man<br />
im Jahre 1987 im <strong>Kreis</strong>gebiet zählte,<br />
waren 1999 nur noch 780 Betriebe<br />
übrig. Somit hat sich deren Anzahl<br />
innerhalb einer Zeitspanne von lediglich<br />
zwölf Jahren um fast ein Drittel<br />
verringert. Alle Prognosen besagen,<br />
dass sich das „Höfesterben“ in den<br />
kommenden Jahren nicht nur fortsetzen,<br />
sondern noch beschleunigen wird<br />
(Drees 2001). Besonders betroffen<br />
sind hauptsächlich kleinere bis mittlere<br />
und Nebenerwerbsbetriebe. Die überwiegend<br />
verbleibenden Großbetriebe<br />
sind schon derzeit stark technisiert<br />
und rationalisiert, wobei das geregelte<br />
Ausbringen von Herbiziden, Gülle und<br />
Kunstdünger zu den standardisierten<br />
Verfahren im Ablauf der Anbaupflanzenproduktion<br />
gehört. Um einerseits<br />
dem Höfesterben entgegenzuwirken<br />
und andererseits Umwelt und <strong>Natur</strong>schutz<br />
mit der landwirtschaftlichen<br />
Produktion zu verbinden, wurden<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> verschiedene Projekte<br />
auf den Weg gebracht. Ziele sind der<br />
fortschreitenden Globalisierung auch<br />
in der Landwirtschaft durch Stärkung<br />
und Unterstützung lokaler und regionaler<br />
Wirtschaftsstrukturen entgegenzutreten.<br />
Ein Beispiel war die Aktion<br />
„UNsere Knolle“: Kartoffelanbau nach<br />
strengen Qualitätskriterien, unter<br />
Verzicht auf Herbizide und der Redu-<br />
NATUR ERLEBEN<br />
Papaver rhoeas – Klatsch-Mohn.<br />
Foto: Margenburg<br />
zierung von Düngemitteln, lediglich<br />
unter Einsatz des hofeigenen Mistes<br />
(Helberg-Gödde 2000). Leider musste<br />
das Projekt wegen Schwierigkeiten bei<br />
der Verarbeitung und Vermarktung<br />
111
112 NATUR ERLEBEN<br />
der Kartoffeln im Jahr 2004 eingestellt<br />
werden.<br />
Trotzdem wird mit einem Anteil von<br />
56,7 % an der Gesamtfläche des <strong>Kreis</strong>gebietes<br />
vorwiegend intensiver Ackerbau<br />
betrieben (<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> 2000). Mit<br />
einem Anteil von lediglich 0,55 % oder<br />
knapp 170 ha an der gesamten landwirtschaftlich<br />
genutzten Fläche des<br />
<strong>Kreis</strong>gebietes (mündl. Mitt. BIOLAND<br />
und NATURLAND am 25.09.2000)<br />
liegen die ökologisch bewirtschafteten<br />
Flächen deutlich unter dem NRW-<br />
Landesdurchschnitt von 3 % bzw.<br />
45.039 ha (SÖL 2003) und sind damit<br />
in einem traditionellen Ackerbaugebiet<br />
wie den Hellwegbörden deutlich unterrepräsentiert.<br />
Im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> wirtschaften<br />
weniger als zehn Landwirte<br />
nach den Richtlinien der Verbände BI-<br />
OLAND und NATURLAND. Daneben<br />
gibt es den Erzeugerzusammenschluss<br />
NEULAND Westfalen e.V., der sich die<br />
artgerechte Tierhaltung auf die Fahnen<br />
geschrieben hat.<br />
Ob in Zukunft durch die verschiedenen<br />
Förderprogramme der EU, des<br />
Bundes und des Landes eine Ausbreitung<br />
und Ausweitung des Öko-Landbaus<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> eintreten wird,<br />
bleibt abzuwarten.<br />
� Die Bodenverhältnisse<br />
Die Bodenverhältnisse in allen<br />
Frucht des Klatsch-Mohns. Foto: Margenburg<br />
untersuchten Bereichen sind für den<br />
Getreideanbau jedenfalls günstig, sie<br />
weisen schon von <strong>Natur</strong> aus einen<br />
hohen Nährstoffgehalt auf. Während<br />
in Bergkamen und Kamen die<br />
Untersuchungsflächen auf sandigen<br />
Löss-Lehmböden, z. T. mit Lössschleier,<br />
der stellenweise über pleistozänen<br />
Geschiebelehm und/oder Emschertonmergel<br />
lagert, liegen, ist der<br />
Lehm- und Tonanteil bei den Flächen<br />
in Bönen und <strong>Unna</strong> höher (in Bönen<br />
noch deutlicher bestimmt durch den<br />
Emschermergel), während der Sand<br />
zurücktritt. Allerdings lassen sich<br />
bereits innerhalb eines Ackers Bodenartenwechsel<br />
erkennen, der ebenso<br />
die Bodentypen bestimmt, welche<br />
von Braunerden bis zu Gleyen und<br />
Pseudogleyen reichen. Abgesehen von<br />
einigen Äckern in Auenlage in Bönen<br />
liegen alle Flächen in seit langem (z.<br />
T. seit der Jungsteinzeit) als Ackerflur<br />
genutzten Abschnitten der Börde. Sie<br />
sind fast sämtlich von ausgedehnten<br />
konventionell genutzten Ackerschlägen<br />
umgeben.<br />
� Gesamtübersicht Ackerflora<br />
Die konventionell genutzten Äcker
weisen in der Regel eine sehr geringe<br />
Sippendiversität aufweisen, die sich<br />
nicht nur durch die Herbizide ergibt,<br />
sondern auch das dichtstehende und<br />
niedrigwüchsige Getreide. Im Allgemeinen<br />
handelt es sich um Sippen,<br />
gegen die Selektivherbizide eingesetzt<br />
werden müssen: Zum einen Gräser,<br />
zum zweiten herbizidresistente Sippen<br />
der Zweikeimblättrigen und zum dritten<br />
solche, die mit den sich im Zuge<br />
des Getreidewachsens zunehmend<br />
ungünstiger gestaltenden Belichtungsverhältnissen<br />
zurecht kommen (wobei<br />
es hier viele Überschneidungen mit der<br />
zweiten Gruppe gibt). An Gräsern sind<br />
es im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> regelmäßig – je nach<br />
Bodenverhältnissen – Elymus repens,<br />
die Quecke, Alopecurus myosuroides,<br />
das Acker-Fuchsschwanzgras, Bromus<br />
sterilis, die Taube Trespe, Apera spicaventi,<br />
der Windhalm, Poa trivialis, das<br />
Gewöhnliche Rispengras, Dactylis glomerata,<br />
das Knäuelgras und bei höheren<br />
Feuchtegraden Holcus lanatus, das<br />
Wollige Honiggras. Im Unterwuchs<br />
kommt noch Poa annua, das Einjährige<br />
Rispengras, hinzu – sowie Festuca<br />
(früher Lolium) perennis, das Deutsche<br />
Weidelgras.<br />
Bei den anderen Pflanzen finden<br />
sich in den Getreideäckern überwiegend<br />
durch Mineraldünger und<br />
Gülle geförderte Stickstoffzeiger wie<br />
Cirsium arvense, die Acker-Kratzdistel,<br />
Galium aparine, das Kletten-Labkraut,<br />
Glechoma hederacea, der Gundermann,<br />
Heracleum sphondylium, der<br />
Wiesen-Bärenklau, Lapsana communis,<br />
der Rainkohl, sowie Urtica dioica, die<br />
Große Brennnessel. Häufig ist auch<br />
die Geruchlose Kamille, Anthemis (=<br />
Tripleurospermum) perforata, während<br />
die Echte Kamille deutlich zurücktritt.<br />
Als schattenverträgliche Arten<br />
wachsen im Unterwuchs meist Stellaria<br />
media s.lat., die Vogelmiere, Viola<br />
arvensis, das Acker-Stiefmütterchen,<br />
Veronica arvensis, der Feld-Ehrenpreis,<br />
überwiegend auf dichteren Böden<br />
auch häufig der Kriechende Hahnenfuß,<br />
Ranunculus repens. Die beiden<br />
häufigsten Arten, die einen besseren<br />
Lichtgenuss erzielen, indem sie am<br />
Getreide hochranken können, sonst<br />
aber auch im Unterwuchs erscheinen,<br />
sind die Acker-Winde, Convolvulus arvensis,<br />
und die Zaun-Winde, Calystegia<br />
sepium. Weitere Sippen, die der Zweitautor<br />
im untersuchten konventionellen<br />
Acker in Bergkamen-Weddinghofen<br />
finden konnte, sind: Achillea millefolium<br />
– Wiesen-Schafgarbe, Alliaria petiolata<br />
– Knoblauchsrauke, Anthriscus sylvestris<br />
– Wiesen-Kerbel, Cardamine hirsuta<br />
– Behaartes Schaumkraut, Crepis capillaris<br />
– Kleinköpfiger Pippau, Lamium<br />
album – Weiße Taubnessel, Plantago<br />
NATUR ERLEBEN<br />
lanceolata s. lat. – Spitz-Wegerich,<br />
Stellaria holostea – Große Sternmiere,<br />
Taraxacum sect. Ruderalia spp. – Löwenzahn<br />
und Trifolium repens – Weiß-<br />
Klee. Während die Große Sternmiere<br />
eine Ausnahmeerscheinung ist, die<br />
vom benachbarten Saum eingewandert<br />
ist, finden sich die anderen relativ<br />
regelmäßig in konventionell genutzten<br />
Äckern des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>, wenn auch<br />
oft nur vereinzelt. Eine repräsentative<br />
Erhebung möglichst vieler konventioneller<br />
Äcker – auch mit Häufigkeiten<br />
innerhalb der Untersuchungsflächen<br />
– steht allerdings noch aus. Generell<br />
sollte allerdings die relative Sippenarmut<br />
auffallen. Viele der genannten<br />
Arten gelten als „Problemunkräuter“,<br />
weil sie nicht auf Breitbandherbizide<br />
ansprechen – aufgrund der oben<br />
genannten Eigenschaften. Neben der<br />
höheren Sippenzahl ist auch die Individuenzahl<br />
und -dichte in den ökologisch<br />
bewirtschafteten Äckern auffällig, die<br />
mitunter eine exakte Erfassung der Gesamtflora<br />
erschwert. Folgende Sippen<br />
wurden in den untersuchten Öko-Flächen<br />
zwischen 1995 und 2005 festgestellt<br />
(Sippen in Fettdruck werden als<br />
Ackerbegleitpflanzen bei Wolff-Straub<br />
1989 geführt; Frequenzangaben: x =<br />
in einem der untersuchten Äcker, xx =<br />
in mehreren Äckern, xxx = in nahezu<br />
allen Äckern):<br />
113
114 NATUR ERLEBEN<br />
Acer pseudoplatanus – Berg-Ahorn (Jungpflanze) x<br />
Bergkamen Kamen Bönen <strong>Unna</strong><br />
Achillea millefolium – Wiesen-Schafgarbe xx xx x x<br />
Aethusa cynapium s. lat. – Hundspetersilie x xx x<br />
Alopecurus myosuroides – Acker-Fuchsschwanzgras xx xxx xxx xx<br />
Alopecurus pratensis – Wiesen-Fuchsschwanzgras x<br />
Anagallis arvensis – Acker-Gauchheil xx x xx xx<br />
Anthemis perforata – Geruchlose Kamille xxx xxx xx xxx<br />
Apera spica-venti – Windhalm xx xx x x<br />
Aphanes arvensis – Acker-Sinau xx xxx xx xx<br />
Arabidopsis thaliana – Acker-Schmalwand xx xx x xxx<br />
Arrhenatherum elatius – Glatthafer xx xx xx<br />
Artemisia vulgaris – Beifuß x x<br />
Atriplex patula – Ausgebreitete Melde xx xx<br />
Brassica napus – Raps xx x x x<br />
Bromus hordeaceus – Weiche Trespe xx xx xx<br />
Bromus inermis – Wehrlose Trespe x<br />
Bromus sterilis – Taube Trespe xxx xxx xxx xxx<br />
Calystegia sepium – Zaun-Winde xx xx xx x<br />
Capsella bursa-pastoris s. lat. – Hirtentäschelkraut xxx xxx xxx xxx<br />
Cardamine hirsuta – Behaartes Schaumkraut xx xx x<br />
Carduus multiflorus – Krause Distel x x xx x<br />
Carex hirta – Raue Segge x<br />
Centaurea cyanus – Kornblume x<br />
Cerastium glomeratum – Knäuel-Hornkraut xx x x<br />
Cerastium semidecandrum – Sand-Hornkraut xx<br />
Cerastium tomentosum – Filziges Hornkraut x<br />
Cerastium vulgare - Gewöhnliches Hornkraut xx xx xx xx<br />
Chaerophyllum temulum – Taumel-Kälberkropf x x<br />
Chamerion angustifolium – Wald-Weidenröschen x<br />
Chenopodium album – Weißer Gänsefuß xx xx x xx<br />
Chenopodium lanceolatum – Lanzettblättriger Gänsefuß xx xx<br />
Chenopodium polyspermum – Vielsamiger Gänsefuß x x x x<br />
Cirsium arvense – Acker-Kratzdistel xxx xxx xxx xx
NATUR ERLEBEN<br />
Bergkamen Kamen Bönen <strong>Unna</strong><br />
Cirsium vulgare – Lanzett-Kratzdistel x xx<br />
Convolvulus arvensis – Acker-Winde xxx xx xxx xxx<br />
Crepis capillaris – Kleinköpfiger Pippau xx xx x<br />
Dactylis glomerata – Knäuelgras xxx xxx xx xxx<br />
Daucus carota – Wilde Möhre x xx<br />
Echinochloa crus-galli – Hühnerhirse x<br />
Elymus repens – Kriechende Quecke xx xx xx x<br />
Epilobium adenocaulon – Drüsiges Weidenröschen xx x x<br />
Epilobium lamyi – Lamys Weidenröschen x<br />
Epilobium parviflorum – Kleinblütiges Weidenröschen x xx x x<br />
Epilobium tetragonum – Vierkantiges Weidenröschen x<br />
Equisetum arvense – Acker-Schachtelhalm xx x x x<br />
Erigeron canadensis – Kanadisches Berufkraut xx xx xx xx<br />
Euphorbia helioscopia – Sonnenwendige Wolfsmilch xxx xx xx x<br />
Fallopia convolvulus – Winden-Knöterich xx x x<br />
Festuca arundinacea s. lat. – Rohr-Schwingel xx xx xx xx<br />
Festuca italica = composita – Welsches Weidelgras xxx xx x<br />
Festuca perennis – Deutsches Weidelgras xxx xxx xx xxx<br />
Fumaria officinalis – Echter Erdrauch x<br />
Galium aparine – Kletten-Labkraut xxx xxx xxx xxx<br />
Geranium dissectum – Schlitzblättriger Storchschnabel xx xx xx<br />
Geranium pusillum – Kleiner Storchschnabel x x<br />
Glechoma hederacea – Gundermann xx xxx xxx xx<br />
Gnaphalium uliginosum – Sumpf-Ruhrkraut xx xx x x<br />
Heracleum sphondylium – Wiesen-Bärenklau x xx xx xx<br />
Holcus lanatus – Wolliges Honiggras xx xx xx xx<br />
Juncus bufonius – Kröten-Binse x x<br />
Lactuca serriola (integrifolia) – Stachel-Lattich x<br />
Lamium album – Weiße Taubnessel xx x xx xx<br />
Lamium maculatum – Gefleckte Taubnessel x<br />
Lamium purpureum – Rote Taubnessel xxx xxx xx xx<br />
Lapsana communis – Rainkohl xxx xxx xxx xxx<br />
Lathyrus pratensis – Wiesen-Platterbse xx x<br />
115
116 NATUR ERLEBEN<br />
Bergkamen Kamen <strong>Unna</strong> Bönen<br />
Lathyrus tuberosus – Erdnuss-Platterbse x<br />
Leontodon autumnalis – Herbst-Löwenzahn x<br />
Lotus sativus – Saat-Hornklee xx x<br />
Lotus uliginosus – Sumpf-Hornklee xx<br />
Matricaria discoidea – Strahllose Kamille xx x x xx<br />
Matricaria recutita – Echte Kamille xx xxx xx xxx<br />
Medicago lupulina s. lat. – Hopfenklee xx x xx<br />
Myosotis arvensis – Acker-Vergissmeinnicht xx xxx x xxx<br />
Papaver rhoeas – Klatsch-Mohn xxx xx xxx xxx<br />
Persicaria amphibia – Wasser-Knöterich xx x<br />
Persicaria hydropiper – Wasserpfeffer x x<br />
Persicaria maculosa – Floh-Knöterich xx xx xx xx<br />
Persicaria pallida – Acker-Knöterich xx xx x xx<br />
Phleum pratense s. lat. – Wiesen-Lieschgras xx xx xx xx<br />
Plantago lanceolata s. lat. – Spitz-Wegerich xx xx x<br />
Plantago major s. lat. – Breit-Wegerich xxx xxx xxx xxx<br />
Plantago uliginosa s. lat. – Vielsamiger Wegerich xxx xx xx xx<br />
Poa annua – Einjähriges Rispengras xxx xxx xxx xxx<br />
Poa trivialis – Gewöhnliches Rispengras xxx xxx xxx xxx<br />
Polygonum arenastrum – Gleichblättriger Vogelknöterich xx xx x x<br />
Polygonum aviculare – Großer Vogelknöterich xx xx xx<br />
Potentilla anserina – Gänse-Fingerkraut xx x xxx x<br />
Potentilla reptans – Kriechendes Fingerkraut xx<br />
Ranunculus arvensis – Acker-Hahnenfuß x<br />
Ranunculus repens –Kriechender Hahnenfuß xxx xxx xxx xx<br />
Rorippa sylvestris s. lat. – Wilde Sumpfkresse x x<br />
Rumex acetosella – Kleiner Sauer-Ampfer xx<br />
Rumex crispus – Krauser Ampfer xx xx xxx xx<br />
Rumex obtusifolius – Stumpfblättriger Ampfer xxx xxx xxx xx<br />
Sagina procumbens – Niederliegendes Mastkraut xx x xx x<br />
Senecio inaequidens – Schmalblättriges Greiskraut xx<br />
Senecio jacobaea – Jakobs-Greiskraut x x<br />
Senecio vulgaris – Gewöhnliches Greiskraut xx xx x x
Silene pratensis – Weiße Lichtnelke x x<br />
NATUR ERLEBEN<br />
Bergkamen Kamen Bönen <strong>Unna</strong><br />
Sinapis arvensis – Acker-Senf xx xxx xx<br />
Sisymbrium officinale – Wege-Rauke xx xx xx xx<br />
Sonchus arvensis – Acker-Gänsedistel x xx<br />
Sonchus asper – Raue Gänsedistel xx xx xx xx<br />
Sonchus oleraceus – Kohl-Gänsedistel x xx x<br />
Stellaria media s. lat. – Vogelmiere xxx xxx xxx xxx<br />
Taraxacum sect. Ruderalia spp. Löwenzahn (u.a. T. alatum, T.<br />
hemicyclum, T. laticordatum, T. pannucium)<br />
xxx xxx xxx xxx<br />
Thlaspi arvense – Acker-Hellerkraut xx x<br />
Trifolium hybridum – Schweden-Klee x x<br />
Trifolium repens – Weiß-Klee xxx xx xxx xx<br />
Trifolium sativum s. lat. – Saat-Rot-Klee xx xx xx xx<br />
Urtica dioica – Große Brennnessel xxx xxx xxx xxx<br />
Veronica arvensis – Feld-Ehrenpreis xx xx xx x<br />
Veronica beccabunga – Bachbunge x<br />
Veronica hederifolia – Efeu-Ehrenpreis xx xxx xx xx<br />
Veronica persica – Persischer Ehrenpreis xx xx x xx<br />
Veronica sublobata – Hain-Ehrenpreis x<br />
Vicia angustifolia – Schmalblättrige Wicke xx<br />
Vicia cracca – Vogel-Wicke xx x<br />
Vicia hirsuta – Behaarte Wicke xx xx xx xx<br />
Vicia segetalis – Getreide-Wicke xx x<br />
Vicia tetrasperma – Viersamige Wicke xx x xx xx<br />
Vicia villosa – Zottel-Wicke xx<br />
Viola arvensis – Acker-Stiefmütterchen xx xxx xx xxx<br />
� Auffälligkeiten und<br />
Besonderheiten<br />
Unter den genannten Sippen fällt<br />
auf, dass praktisch das gesamte<br />
Spektrum an nährstoffbevorzugenden<br />
Ackerbegleitpflanzen vorhanden ist<br />
und diese auch in den meisten Äckern<br />
auftreten. Auch ohne Gülle und Kunstdünger<br />
ist der Boden nährstoffreich<br />
genug, um diese Arten zu fördern.<br />
Arten, die vorwiegend auf ärmeren<br />
Böden zu finden sind (wie Cerastium<br />
semidecandrum, Rumex acetosella und<br />
Vicia angustifolia) treten ausschließlich<br />
auf den Bergkamener Äckern auf, wo<br />
z. T. der Sandgehalt höher ist und die<br />
Nährstoffe folglich eher durch die<br />
Grobporen aus den für Ackerpflanzen<br />
117
118 NATUR ERLEBEN<br />
relevanten Nährschichten des Bodens<br />
nach unten abgeführt werden. Bei einer<br />
Gesamtbilanz fällt jedoch auf, dass<br />
die Stickstoffzeiger hier ebenso und<br />
auch in ähnlichen Mengen vertreten<br />
sind wie an den reicheren Standorten.<br />
Dieser nivellierende Effekt in der floristischen<br />
Zusammensetzung (vgl. Koch<br />
& Hurle 1978, Knauer 1993, Eggers &<br />
Zwerger 1998) ergibt sich zwar auch<br />
natürlicherweise aus dem Übergangs<br />
charakter der Bodenarten zwischen<br />
Sand und Lehm, dürfte jedoch im<br />
Wesentlichen (insbesondere was die<br />
Biomasse betrifft) auf immittierte<br />
Nährstoffe aus den benachbarten<br />
konventionell bewirtschafteten Äckern<br />
beruhen. Auffällig ist weiterhin eine<br />
Konzentration von Feuchtezeigern<br />
auf den Bönener Äckern; diese liegen<br />
z. T. auf Gley- und Pseudogleyböden,<br />
wobei insbesondere die letzteren noch<br />
rezent wasserzügig sind und sich dort<br />
vor allem im Herbst mitunter lokale<br />
Wasserstauungen ergeben, die ein<br />
Auftreten von Arten der Zwergbinsenfluren<br />
(Nanocyperion) ermöglichen.<br />
Allerdings gelangen hier bislang keine<br />
Funde seltener Arten.<br />
Die bemerkenswertesten, auch<br />
überregional bedeutsamen Funde tätigte<br />
der Zweitautor mit zwei Arten der<br />
Roten Liste NRW (Wolff-Straub & al.<br />
1999): Kornblume, Centaurea cyanus,<br />
und Acker-Hahnenfuß, Ranunculus<br />
arvensis, beide in Bergkamen-Weddinghofen.<br />
Die Kornblume ist im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> nur noch auf Sandböden regelmäßiger<br />
zu finden, war früher aber<br />
auch – anders als in anderen Räumen<br />
– auf reicheren, schwereren Böden<br />
regelmäßig und oft häufig vorhanden<br />
(u.a. nach mündl. Mitteilung von<br />
W. Loos, Kamen). Der Schwerpunkt<br />
der heutigen Bestände liegt auf den<br />
Sandterrassen der Lippe sowie auch<br />
außerhalb derselben im Raum Bergkamen-Rünthe/-Overberge.<br />
Allerdings schwanken die Bestände<br />
stark in Abhängigkeit von den Herbizidgaben.<br />
Der Acker-Hahnenfuß<br />
wurde in den letzten 15 Jahren (von<br />
A. Förster, <strong>Unna</strong>/Haan) in <strong>Unna</strong> und<br />
Fröndenberg am Haarstrang wiedergefunden,<br />
galt jedoch im Bereich der<br />
Mergelhöhen in Kamen und Bergkamen<br />
seit Jahrzehnten als ausgestorben<br />
oder verschollen, obwohl W. Bierbrodt<br />
(nach seinen Tagebuchaufzeichnungen)<br />
ihn hier in der ersten Hälfte des<br />
20. Jahrhunderts regelmäßig nachweisen<br />
konnte.<br />
Als bemerkenswerte Arten für den<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, weil zurückgegangen oder<br />
-gehend, können ferner die folgenden<br />
Arten gelten: Fumaria officinalis, Lathyrus<br />
tuberosus (allerdings zwischenzeitlich<br />
etwas ausgebreitet, jetzt wieder<br />
rückgängig), Rumex acetosella, Thlaspi<br />
arvense, Vicia angustifolia und V. villosa<br />
(sofern nicht aus Ansaaten stammend).<br />
Im Gegenzug sind folgende Arten erst<br />
in den letzten zehn Jahren häufiger<br />
geworden und breiten sich weiterhin<br />
aus: Cerastium semidecandrum, Echinochloa<br />
crus-galli (beide früher fast nur<br />
in den Sandgebieten), Epilobium lamyi,<br />
Geranium dissectum, G. pusillum (beide<br />
wenigstens regional), Lactuca serriola<br />
und Senecio inaequidens, auch Veronica<br />
hederifolia ist häufiger geworden, was<br />
vermutlich mit der Herausbildung herbizidresistenter<br />
Sippen zu tun hat.<br />
Eine Anmerkung zur Verteilung der<br />
Sippen in den Äckern: Der überwiegende<br />
Teil findet sich – nicht anders<br />
als auf konventionellen Flächen – im<br />
Randbereich, weil hier die Belichtung<br />
und die Einwanderungsmöglichkeit<br />
von benachbarten Ruderalstellen wie<br />
Brachen oder Straßenrändern, wo<br />
viele Ackerbegleitpflanzen ebenfalls<br />
vorkommen, günstiger ist. Auch bei<br />
ökologischer Bewirtschaftung haben<br />
sich die Bestände generell verdichtet,<br />
so dass im inneren Bereich der Äcker<br />
Sippen- und Individuenzahl abnehmen,<br />
allerdings nicht im gleichen<br />
Umfang wie in den extrem dichten<br />
konventionellen Beständen. Immerhin<br />
konnte der Zweitautor in seinen<br />
Untersuchungsflächen von den 64
nachgewiesenen Sippen 45 im Randbereich<br />
und 34 im Bestandesinneren<br />
feststellen.<br />
� Schlussfolgerungen<br />
Die Sippendiversität auf den ökologisch<br />
bewirtschafteten Äckern ist<br />
bedeutend höher als auf den konventionellen<br />
Flächen. Dies ergibt sich<br />
bereits aus den in der obigen Artenliste<br />
geführten Sippen, die fast überall<br />
nachgewiesen werden konnten. Beispielsweise<br />
wurden in Kamen 25 Sippen<br />
in allen untersuchten Äckern des<br />
Öko-Landbaus nachgewiesen, während<br />
in den über die Jahre untersuchten<br />
konventionellen Äckern lediglich 8 Sippen<br />
in allen Flächen festgestellt werden<br />
konnten. Auch der vom Zweitautor<br />
durchgeführte Vergleich eines der<br />
ökologisch bewirtschafteten Weddinghofer<br />
Ackers mit einem benachbarten<br />
Acker konnte eine analoge Situation<br />
aufzeigen. Damit sind die in anderen<br />
Regionen erhobenen Befunde auch auf<br />
den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> übertragbar (vgl. z. B.<br />
Hermann, Hampel & Bachtaler 1986,<br />
Plakolm 1990, Frieben 1990, Frieben<br />
& Köpke 1994 u.a.).<br />
Die ökologische Bewirtschaftungsweise<br />
sorgt allerdings nicht immer<br />
für günstige Lebensbedingungen<br />
insbesondere der gefährdeten Sippen.<br />
Insbesondere das Striegeln der Äcker<br />
Centaurea cyanus – Kornblume. Foto: Margenburg<br />
und Halmfruchtanbau mit Untersaaten<br />
ermöglicht im Wesentlichen robusteren<br />
oder wenigstens konkurrenzkräftigen<br />
Sippen das Überleben und die Vermehrung,<br />
während empfindlichere<br />
Ackerkräuter verschwinden bzw. kaum<br />
über das Keimstadium hinauskommen<br />
und dann verdrängt werden (vgl. auch<br />
Anger & Kühbach 1993). Jene robusten<br />
NATUR ERLEBEN<br />
und konkurrenzstarken Sippen sind<br />
aber wenigstens teilweise diejenigen,<br />
die auch in konventionellen Äckern<br />
regelmäßig vorkommen. Dennoch ist<br />
die Sippenvielfalt und die Individuenzahl<br />
höher – einerseits in Beständen<br />
ohne Untersaaten, andererseits vor der<br />
Striegelung. Die Überlebensstrategie<br />
muss dann eine Verkürzung der Ent-<br />
119
120 NATUR ERLEBEN<br />
wicklungszeit sein, was offensichtlich<br />
auch gelingt. Das Diasporenpotenzial<br />
im Boden reicht derzeit offenbar auch<br />
noch aus, dass gelegentlich empfindlichere<br />
Sippen zur Entwicklung gelangen.<br />
Ob ihnen allerdings gelingt, sich<br />
weiter zu vermehren, muss insbesondere<br />
im <strong>Kreis</strong>gebiet noch eingehender<br />
untersucht werden. Es fällt jedenfalls<br />
auf, dass die bemerkenswertesten<br />
Arten nur in einem Acker und dann in<br />
geringer Individuenzahl aufgetreten<br />
sind, was darauf hindeutet, dass die<br />
Bewirtschaftungsweise für sie auch<br />
nicht optimal ist. Dass sie dennoch<br />
auftreten, scheint vor allem mit dem<br />
Verzicht auf Herbizide zusammen zu<br />
hängen. Der ökologische Landbau ist<br />
für die Erhaltung einer hohen Ackerbegleitpflanzendiversität<br />
somit zwar<br />
in gewissem Umfang geeignet. Wenn<br />
aber die Diasporenbank der stark<br />
zurückgegangenen und gefährdeten<br />
Sippen allmählich ausfällt, bleibt ungewiss,<br />
ob jene in den Öko-Äckern<br />
überleben können. Damit ist die Nachhaltigkeit<br />
dieser Wirtschaftungsweise<br />
im Hinblick auf den Schutz gefährdeter<br />
Sippen zweifelhaft, wenn auch eine<br />
hohe Sippendiversität erhalten bleibt.<br />
Solange der konventionelle Landbau<br />
überwiegt, erscheint es daher sinnvoller,<br />
ein Nebeneinander von Öko-<br />
Landbau und Ackerrandstreifenpro-<br />
gramm auf konventionellen Flächen<br />
zu propagieren. Dazu muss jedoch<br />
das Ackerrandstreifenprogramm wieder<br />
exponiert und die Leistungen für<br />
die Landwirte verbessert werden (zu<br />
Alternativen vgl. Hitzke 1997). Es<br />
erscheint jedoch zunächst sinnvoll,<br />
zwanzig Jahre nach der Arbeit von<br />
Büscher (1985) für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
eine umfassende neue Studie über die<br />
aktuelle Situation der Ackerbeikräuter,<br />
ihre Lebensbedingungen und ihre<br />
Überlebensmöglichkeit in ökologisch<br />
bewirtschafteten Äckern in Auftrag<br />
zu geben.<br />
Literatur:<br />
AGÖL (1996): Rahmenrichtlinien für den<br />
Ökologischen Landbau. 14. Aufl. - SÖL-Sonderausgabe<br />
(Bad Dürkheim) 17.<br />
Anger, M. & Kühbach, W. (1993): Mechanische<br />
Beikrautbekämpfung und ihre Wirkung<br />
auf die Entwicklung von Kulturpflanzen und<br />
Beikrautpopulationen bei biologisch-dynamischer<br />
Bewirtschaftung. - Abschlussbericht<br />
„Forschungs- und Entwicklungsvorhaben Alternativer<br />
Landbau Boschheide Hof 1979-1992“<br />
= Forschung und Beratung (Düsseldorf), Reihe<br />
C 49: 166-176.<br />
Büscher, D. (1985): Ackerwildkräuter im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong>. - Schrift der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>. <strong>Unna</strong>.<br />
Drees, P. (2001): Das Höfesterben im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> schreitet voran. - <strong>Natur</strong><strong>report</strong>, Jahrbuch<br />
der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für den <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> 5: 26-28.<br />
Eggers, T. & Zwerger, P. (1998): Arten und<br />
Biotopschutz im Rahmen von Produktionsverfahren<br />
im Feldbau - Stand und Entwicklungstendenzen.<br />
- Schriftenreihe Vegetationskunde<br />
29: 49-57.<br />
Frieben, B. (1990): Bedeutung des Organischen<br />
Landbaus für den Erhalt von Ackerwildkräutern.<br />
- <strong>Natur</strong> und Landschaft 65 (7/8): 379-382.<br />
Frieben, B. (1997): Arten und Biotopschutz<br />
durch organischen Landbau. In: Weiger, H.<br />
& Willer, H., <strong>Natur</strong>schutz durch ökologischen<br />
Landbau. Ökologische Konzepte 5: 73-92.<br />
Frieben, B. & Köpke U. (1994): Bedeutung des<br />
Organischen Landbaus für den Arten- und<br />
Biotopschutz in der Agrarlandschaft. - In:<br />
Integrative Extensivierungs- und <strong>Natur</strong>schutzstrategien.<br />
Forschungsberichte des Lehr- u.<br />
Forschungsschwerpunktes „Umwelt- und<br />
Standortgerechte Landwirtschaft„ (Bonn) 15:<br />
77-88.<br />
Haeupler, H., Jagel, A. & Schumacher, W.<br />
(2003): Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen<br />
in Nordrhein-Westfalen. - Recklinghausen.<br />
Helberg-Gödde, B. (2000): Frisch auf den Tisch:<br />
Aus der Region - für die Region. - <strong>Natur</strong><strong>report</strong>,<br />
Jahrbuch der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für<br />
den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> 3: 33-36.<br />
Hermann, G., Hampl, U. & Bachtaler, G. (1986):<br />
Unkrautbesatz und Unkrautentwicklung. Ergebnisvergleich<br />
von Regulierungsmaßnahmen bei
ökologischer und konventioneller Wirtschafts-<br />
weise in Winterweizen, Futterrüben, Kartoffeln<br />
und Mais. - Bayerisches Landwirtschaftliches<br />
Jahrbuch 63 (7): 795-805.<br />
Hitzke, P. (1997): Bedrohte Schönheit - Feldblumen<br />
am Hellweg. Hrsg. v. BUND-Landesverband<br />
Nordrhein-Westfalen in Verbindung<br />
mit dem <strong>Kreis</strong> Soest, Soest.<br />
Hofmeister, H. & Garve, E. (1998): Lebensraum<br />
Acker. Pflanzen der Äcker und ihre Ökologie. 2.<br />
Aufl. - Hamburg, Berlin, Wien.<br />
Kalkkuhl, R. (1991): Vorwort. - In: Schutz<br />
der Ackerwildkräuter und ihrer Lebensräume<br />
- Ackerränder in Nordrhein-Westfalen. Hrsg. v.<br />
Landesamt für Agrarordnung NRW, Münster.<br />
Knauer, N. (1993): Ökologie und Landwirtschaft.<br />
Situation - Konflikte - Lösungen.<br />
- Stuttgart.<br />
Koch, W. & Hurle, K. (1978): Grundlagen der<br />
Unkrautbekämpfung. - Stuttgart.<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> (Hrsg.) (2000): Zahlenspiegel.<br />
- <strong>Unna</strong>.<br />
Munlv NRW (2000): Im Einklang mit der <strong>Natur</strong>.<br />
- Düsseldorf.<br />
Plakolm, G. (1990): Unkrauterhebungen in<br />
biologisch und konventionell bewirtschafteten<br />
Getreideäckern Oberösterreichs. - Veröffentlichungen<br />
der Bundesanstalt für Agrarbiologie<br />
Linz/Donau 20: 41-54.<br />
SÖL (2003): Ökologischer Landbau in Deutschland<br />
und in NRW. - URL: http://www.soel.de/<br />
oekolandbau/deutschland_bulae_stat.html.<br />
SRU (1994): Umweltgutachten. - Stuttgart.<br />
The Soil Association (2001): Größere Artenvielfalt<br />
durch Ökolandbau. - Ökologie & Landbau<br />
117 (1): 46.<br />
UBA (1997): Nachhaltiges Deutschland: Wege<br />
zu einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung.<br />
- Berlin.<br />
van Elsen, T. (1989): Ackerwildkraut-Bestände<br />
biologisch-dynamisch und konventionell bewirtschafteter<br />
Hackfruchtäcker in der Nieder-<br />
NATUR ERLEBEN<br />
rheinischen Bucht. - Lebendige Erde (Darmstadt)<br />
4: 277-282.<br />
Wolff-Straub, R. (1989): Vergleich der Ackerwildkraut-Vegetation<br />
alternativ und konventionell<br />
bewirtschafteter Äcker. - In: König, W.,<br />
Sunkel, R. & al., Alternativer und konventioneller<br />
Landbau. Schriftenreihe der LÖLF 11:<br />
70-112.<br />
Wolff-Straub, R., Büscher, D., Diekjobst,<br />
H., Fasel, P., Foerster, E., Jagel, A., Kaplan,<br />
K., Koslowski, I., Kutzelnigg, H., Raabe, U.,<br />
Schumacher, W. & Vanberg, C. (1999): Rote<br />
Liste der gefährdeten Farn- und Blütenpflanzen<br />
(Pteridophyta et Spermatophyta) in Nordrhein-<br />
Westfalen. 3. Fassung. - Schriftenreihe der<br />
LÖBF/LafAO NRW 17: 75-171.<br />
Zander, K.-G. (2004): Die Auswirkungen des<br />
Ökologischen Landbaus auf die Ackerbegleitflora<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>. - Diplomarbeit am<br />
Geographischen Institut der Ruhr-Universität<br />
Bochum. Bochum.<br />
121
122<br />
� Orchideen-Report<br />
NATUR ERLEBEN<br />
Neues aus der Orchideenwelt<br />
des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong><br />
von Bernd Margenburg und<br />
Sebastian Sczepanski<br />
Gut kartierte Wälder mit vermeintlich<br />
bekanntem Arteninventar<br />
schließen überraschende<br />
Neufunde wie die Entdeckung<br />
einer Waldhyazinthe, die im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> als verschollen galt, nicht<br />
aus. Auch über einen weiteren<br />
Standort der Bienen-Ragwurz und<br />
einen dreisten Orchideendiebstahl<br />
kann berichtet werden.<br />
� Waldhyazinthen- Hybride<br />
entdeckt<br />
Die Liste bemerkenswerter Orchideenfunde<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> kann auch<br />
im Jahr 2005 fortgeführt werden.<br />
Im Rahmen des GEO-Tages der Artenvielfalt<br />
am 11. Juni 2005, an dem<br />
der NABU <strong>Kreis</strong>verband <strong>Unna</strong> zum<br />
ersten Mal teilnahm, wurde auch ein<br />
Waldgebiet untersucht, das schon<br />
für einige interessante botanische<br />
Funde sorgte. Neben vielen anderen<br />
Pflanzenarten finden auch Orchideen<br />
dort einen geeigneten Lebensraum.<br />
Waldhyazinthe –Planthera X hybrida<br />
Foto: Margenburg<br />
Neben unserer häufigsten Orchidee,<br />
der Breitblättrigen Stendelwurz (Epipactis<br />
helleborine), und dem Großen<br />
Zweiblatt (Listera ovata) ist auch ein<br />
Standort mit Vogelnestwurz (Neottia<br />
nidus-avis) bekannt. Eine absolute<br />
Überraschung war jedoch der Fund<br />
von Heinz-Joachim Pflaume, der<br />
erstmals dort eine Waldhyazinthe<br />
entdeckte.<br />
Fundorte der Grünen Waldhyazinthe<br />
(Platanthera chlorantha) wurden<br />
zuletzt 1926 aus <strong>Unna</strong> und Massen<br />
gemeldet (Höppner/Preuss 1926).<br />
Das besondere Merkmal der Grünlichen<br />
Waldhyazinthe ist, dass die<br />
Staubbeutelfächer weit voneinander<br />
getrennt sind und nach oben schräg<br />
zusammenlaufen (trapezförmig). Der<br />
dazwischen liegende Sporneingang ist<br />
gut sichtbar. Der Sporn ist waagerecht<br />
und am Ende etwas abgeflacht. Bei<br />
genauerer Betrachtung der Pflanze<br />
durch Sebastian Sczepanski und Götz<br />
Heinrich Loos zeigte sich, dass diese<br />
Orchidee auch die Merkmale der Zweiblättrigen<br />
Waldhyazinthe (Platanthera<br />
bifolia) besitzt. Hier sind die Staub-
eutelfächer parallel, eng zusammen<br />
stehend und verdecken teilweise den<br />
Sporneingang. Der Sporn ist leicht abwärts<br />
gebogen. Ein historischer Fund<br />
der Zweiblättrigen Waldhyazinthe im<br />
<strong>Kreis</strong>gebiet ist bislang nur aus dem<br />
mittlerweile abgeholzten Buchholz<br />
bei Holzwickede bekannt geworden.<br />
Ein von P. Demandt im Jahre 1876<br />
gesammelter Herbarbeleg ist im Herbar<br />
des Westfälischen Museums für<br />
<strong>Natur</strong>kunde in Münster hinterlegt.<br />
Da die neu entdeckte Waldhyazinthe<br />
die Merkmale beider Elternarten<br />
besitzt, handelt es sich eindeutig um<br />
eine Hybride von Platanthera bifolia x<br />
Platanthera chlorantha (= Platanthera<br />
x hybrida). Nächste Fundorte dieser<br />
Hybride sind aus dem Münsterland<br />
bekannt, wo sie genau wie im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> in lichten Laubwäldern auch<br />
ohne die Elternarten siedelt.<br />
Offen bleibt die Frage, wie die Samen<br />
bis in den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> gekommen<br />
sind. Da Orchideensamen sehr klein<br />
und leicht sind, können Orchideensamen<br />
durchaus über 100 Kilometer<br />
weit mit dem Wind verdriftet werden<br />
und so ganz natürlich zum Standort<br />
gelangt sein. Vielleicht existiert im<br />
Norden des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> auch noch<br />
ein bislang unentdecktes Vorkommen?<br />
Auch ein Einschleppen z. B. mit Forstfahrzeugen<br />
kann nicht ausgeschlossen<br />
Bienen-Ragwurz Foto: Margenburg<br />
werden. Interessant ist, dass der Wald<br />
sehr schonend durchforstet wurde, so<br />
dass mehr Licht zum Waldboden gelangt<br />
und damit die Pflanze erstmals<br />
genügend Licht zur Blüte erhielt. Die<br />
nicht-blühende Pflanze blieb vielleicht<br />
über Jahre unentdeckt und erst der<br />
auffällige Blütenstand in diesem Jahr<br />
ermöglichte den für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
sehr erfreulichen Pflanzenfund.<br />
� Interessante Erscheinungsform<br />
der Bienen-Ragwurz<br />
An dem im Jahr 2004 entdeckten<br />
Standort der Bienen-Ragwurz (Ophrys<br />
apifera) konnten im Jahr 2005 keine<br />
NATUR ERLEBEN<br />
Pflanzen gefunden werden. Dafür<br />
blühten auf einem benachbarten<br />
Werksgelände über 50 Pflanzen. Besonders<br />
auffällig waren Funde einer<br />
besonderen Erscheinungsform dieser<br />
Orchideenart. Die Pflanzen haben<br />
Petalen, die den Sepalen ähnlich sind.<br />
Bis in die jüngste Zeit werden derartige<br />
Pflanzen als Varietät Ophrys apifera<br />
var. friburgensis (Freyhold) bezeichnet.<br />
Wissenschaftliche Untersuchungen<br />
in der Nordeifel (Baum et. al. 2002)<br />
bestätigen jedoch die oft geäußerte<br />
Vermutung, dass eine taxonomische<br />
Bewertung solcher Erscheinungsformen<br />
nicht zulässig ist, da die Pflan-<br />
123
124 NATUR ERLEBEN<br />
zen von Jahr zu Jahr spontan in ihrer<br />
Gestalt wechseln können. Trotzdem<br />
bleibt die Freude über den Fund, zeugt<br />
sie doch von der Variabilität unserer<br />
heimischen Orchideenarten.<br />
� <strong>Natur</strong>frevler am Werk<br />
Nur drei Jahre überlebte eine neu<br />
entstandene Orchideenpopulation am<br />
Regenrückhaltebecken Schlosserstraße<br />
(ehemaliges Karstadt-Hochregallager)<br />
an der Stadtgrenze zwischen <strong>Unna</strong><br />
und Kamen. Im Juli 2005 wurden die<br />
drei stattlichen Pflanzen von einem<br />
„<strong>Natur</strong>freund“ ausgegraben. Damit<br />
wurde ein für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> einmaliger<br />
Pflanzenstandort zerstört. Stabilisierte<br />
Hybridpopulationen, wie in<br />
diesem Fall zwischen dem Gefleckten<br />
Knabenkraut und dem Breitblättrigen<br />
Knabenkraut, sind eine Besonderheit<br />
Nordrhein-Westfalens und genießen<br />
höchste Schutzwürdigkeit. Hier wurde<br />
der Beginn einer Entwicklung, die<br />
gegebenenfalls bis zur Artentwicklung<br />
führen kann, aus Unkenntnis oder<br />
auch ganz gezielt, um eine attraktive<br />
Pflanze für den Garten zu bekommen,<br />
unwiederbringlich zerstört. Alle einheimischen<br />
Orchideen sind gesetzlich<br />
geschützt. Weder Teile der Pflanze<br />
noch ganze Pflanzen dürfen der <strong>Natur</strong><br />
entnommen werden. Im Garten sind<br />
die Überlebenschancen dieser Orchidee,<br />
die einen passenden Pilzpartner<br />
braucht, äußerst gering. „Die <strong>Natur</strong> ist<br />
kein Selbstbedienungsladen“ sagte der<br />
NABU <strong>Kreis</strong>verband <strong>Unna</strong> und setzte<br />
200,00 Euro Belohnung für sachdienliche<br />
Hinweise, die zur Ermittlung des<br />
Täters führen, aus. Über den Orchideendiebstahl<br />
wurde in der Presse und im<br />
Rundfunk ausführlich berichtet. Leider<br />
bisher ohne Erfolg. Auch die Hoffnung,<br />
dass der „Pflanzenliebhaber“<br />
ein Einsehen hat und die Orchideen<br />
wieder an ihren natürlichen Standort<br />
zurückbringt, erfüllte sich nicht. Somit<br />
können sich andere Bürgerinnen und<br />
Bürger im nächsten Jahr nicht mehr<br />
an den wunderschönen Blüten dieser<br />
Orchideen erfreuen. Der NABU <strong>Kreis</strong>-<br />
verband <strong>Unna</strong> und der Arbeitskreis<br />
Heimische Orchideen NRW bittet<br />
deshalb alle <strong>Natur</strong>freunde sich an das<br />
Motto zu halten: Ansehen ja, pflücken<br />
oder ausgraben nie.<br />
Literatur:<br />
Arbeitskreis Heimische Orchideen Nordrhein-<br />
Westfalen des BUND-NW e.V. (Hrsg.) (2001):<br />
Die Orchideen Nordrhein-Westfalens – Selbstverlag.<br />
Baum, A., H. Baum, J. Claessens & J. Kleyenen<br />
(2002): Ophrys apifera Hudson, eine variable<br />
Art. – Jber. <strong>Natur</strong>w. Ver. Wuppertal 55: 78-<br />
94.<br />
Höppner, H. & H. Preuss (1926): Flora des Westfälisch-Rheinischen<br />
Industriegebietes unter<br />
Einschluß der Rheinischen Bucht. Dortmund<br />
Margenburg, B. (1998): Die Orchideen des<br />
<strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>.-<strong>Natur</strong>kundliche Reihe – Band<br />
1 - <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für den <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> e.V. (NFG).<br />
Margenburg, B. (2005): Die Orchidee des Jahres<br />
1995 – jetzt auch im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>.- <strong>Natur</strong><strong>report</strong>,<br />
Jahrbuch der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für<br />
den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> 9: 64-65.
� Der Große Brachvogel hat viele Verwandte<br />
Die Schnepfe – ein Name,<br />
der oft missbraucht wird<br />
von Helmut July<br />
„Du alte Schnepfe,“ sagt so<br />
mancher in seiner Wut und weiß<br />
gar nicht, von wem er gerade<br />
spricht. Diese Geschichte, die<br />
nicht wissenschaftlich sein will, soll<br />
einfach nur aufzeigen, wie interessant<br />
doch die <strong>Natur</strong> ist. Wer sich<br />
vernünftig verhält, kann auch mit<br />
dem Fernglas von den Wegen aus<br />
so manches entdecken. Aber nicht<br />
nur bei den Gefiederten ist das so.<br />
Aber Muße gehört dazu. Die <strong>Natur</strong><br />
darf nicht mit dem Fernsehen<br />
verwechselt werden.<br />
Brachvögel gehören zu den Schnepfenvögeln<br />
und sind unsere größten<br />
Schnepfen. Bald 90 Arten gehören<br />
zu dieser formenreichsten Gruppe. So<br />
klein wie Rotschwänzchen und so groß<br />
wie Krähen können sie sein. Schnepfen<br />
brüten in offenem Gelände. Von den<br />
fünf Arten der Brachvögel brüten bei<br />
uns nur der Große Brachvogel, den es<br />
im Münsterland noch gibt.<br />
Im März kommen die ersten Vögel<br />
Rotschenkel. Foto: July<br />
NATUR ERLEBEN<br />
aus wärmeren Gefilden zu uns zurück<br />
und suchen und verteidigen ihre Reviere,<br />
wobei sie ihre wohltönenden Rufe<br />
erschallen lassen, den jeder <strong>Natur</strong>freund,<br />
der sie hört, mit dem Frühling<br />
in Verbindung bringt. Im April ist es<br />
dann soweit. Die Nestmulde ist mit<br />
allen Gräsern ausgepolstert, und es<br />
werden vier hühnereigroße Eier gelegt,<br />
die sich kaum von der Umgebung abheben.<br />
Ebenso ist ein brütender Brachvogel<br />
in der abgestorbenen Vegetation<br />
des Vorjahres wegen seiner Tarnfarbe<br />
kaum auszumachen. Mit seinem<br />
abwärts gebogenen Schnabel ist er<br />
unverkennbar. Nicht vielen Menschen<br />
ist es vergönnt, so etwas erleben zu<br />
dürfen. Etwa dreißig Tage dauert die<br />
Brutzeit auf den vier Eiern. In der Regel<br />
legen Schnepfen vier Eier mit einigen<br />
Ausnahmen – der Seeregenpfeifer legt<br />
beispielsweise nur drei.<br />
Nach dem Schlupf sind Schnepfen<br />
oder Limikolen, wie sie in der Fachsprache<br />
genannt werden, Nestflüchter.<br />
Brachvögel sind mit rund einem Monat<br />
flügge und können ihr Revier verlassen.<br />
Ihre melodischen Rufe behalten<br />
125
126 NATUR ERLEBEN<br />
Brütender Brachvogel, der sich kaum in der Vegetation ausmachen lässt. Foto: July<br />
Sicherlich ein seltener Schnappschuss: Gerade geschlüpfte Brachvogelküken – eines<br />
müht sich noch. Foto: July<br />
sie aber bei. Sie haben dann nichts<br />
mehr mit der Balz zu tun. Wohl wegen<br />
fehlenden moorigen Flächen – siehe<br />
Münsterland – hat man den Großen<br />
Brachvogel, unsere größte Schnepfe,<br />
auch auf Feldern und Wiesen als<br />
Brutvogel entdeckt. Er kommt auch<br />
auf den Nordseeinseln vor. Im August<br />
verlassen sie uns wieder. Ihre Rufe hört<br />
man aber auch noch auf dem Zuge.<br />
Ähnliche Anforderungen an das<br />
Brutrevier wie der Brachvogel stellt<br />
die Uferschnepfe. Sie brütet 24 Tage.<br />
Beide Arten behalten auch nach den<br />
zweimaligen Mausern im Jahr ihre<br />
farblich nicht auffallenden Gefieder<br />
bei. Während der Brutzeit kann der<br />
Kundige die „Gretta-Gretta-Rufe“<br />
vom hohen Himmel hören. In den für<br />
Uferschnepfen interessanten Territorien<br />
brütet auch der Rotschenkel. Wie<br />
der Name sagt, hat er rote Schenkel<br />
(Beine). Er braucht über 20 Tage bis<br />
die Kükchen schlüpfen. Das Gelege<br />
ist gut getarnt. Hohe Gräser werden<br />
während der Brut wie eine Laube zusammengefügt<br />
und verhindern in den<br />
meisten Fällen „Einblicke“. Daher ist<br />
Vorsicht geboten, wenn über Wiesen<br />
gelaufen wird, auf denen Rotschenkel<br />
Gelege sein könnten. In der Regel ist es<br />
aber so, dass sie sich „melden“.<br />
Bei den Jägern ist von jeher die Jagd<br />
auf die Waldschnepfe beliebt, aber
in der heutigen Zeit sehr umstritten.<br />
Früher wurden erlegte Schnepfen<br />
mit den Innereien dem so genannten<br />
„Schnepfendreck“ verzehrt. Das<br />
wird ja wohl heute vorbei sein. Außer<br />
den Waldschnepfen sind bei uns alle<br />
anderen Schnepfenvögel geschützt.<br />
Sie brüten nicht wie andere auf freien<br />
Flächen, sondern im Wald, der kleine<br />
Lichtungen aufweist, und fliegen<br />
während ihrer Balz „puizend und<br />
quorrend“ über den Baumwipfeln.<br />
Gebrütet wird zweimal jeweils etwa<br />
23 Tage. 40 Tage dauert es bis der<br />
Nachwuchs selbstständig ist. Nicht<br />
alle Waldschnepfen verlassen uns im<br />
Herbst. So genannte Lagerschnepfen<br />
bleiben bei uns im Wald und verlassen<br />
uns erst bei strengem Frost. Auch hier<br />
gibt es nach den Mausern keine Unterschiede<br />
in der Färbung von Männchen<br />
und Weibchen. Eigenartig sind die Augen<br />
der Waldschnepfen angeordnet.<br />
Sie sitzen fast oben auf dem Kopf und<br />
können vermutlich so die Freßfeinde<br />
aus der Luft, z.B. den Habicht, besser<br />
erspähen. Alle Schnepfen sind Bodenbrüter,<br />
nur die Waldschnepfe bringt es<br />
fertig, in z.B. Alderfarn eine Nestmulde<br />
anzulegen, die bald zwei Meter vom<br />
Erdboden sein kann.<br />
� Himmelsziegen<br />
Himmelsziegen werden die Bekas-<br />
sinen im Volksmund genannt, weil<br />
die Männchen während der Balzflüge<br />
kleine Federn am Schwanz beim Flug<br />
aus größeren Höhen gegen den Wind<br />
stellen, die dann ein eigenartiges<br />
„Meckern“ hervorrufen. Daher der<br />
Name. Für den <strong>Natur</strong>freund ein schönes<br />
Erlebnis.<br />
Manche Schnepfenvögel sind in der<br />
Lage, beim „Stochern“ im Erdboden<br />
bei der Nahrungssuche den untersten<br />
NATUR ERLEBEN<br />
Flussregenpfeifer auf den Aufschüttungen am Datteln-Hamm-Kanal in Bergkamen-<br />
Rünthe, dort ist heute die Marina. Foto: Rolf Prothmann<br />
Teil des Schnabels zu öffnen. Es ist ein<br />
sehr sensibler Teil und damit in der<br />
Lage, Nahrung im Erdreich aufzuspüren<br />
und aufzunehmen.<br />
Der Säbelschnäbler wird in Norddeutschland<br />
im Volksmund „Schustervogel“<br />
genannt, weil sein aufwärts<br />
gebogener Schnabel an eine Schusternadel<br />
erinnert. Mit diesem Schnabel<br />
ist er in der Lage, in seichten Randbereichen<br />
von salzigem oder brackigem<br />
127
128 NATUR ERLEBEN<br />
Wasser, dieses durchzuseihen und<br />
dabei Nahrung aufzunehmen. Er ist in<br />
seinem schwarzweißen Gefieder und<br />
dem nach oben gebogenem Schnabel<br />
nicht zu verwechseln.<br />
� Lange Flugreise im Winter<br />
Gebrütet wird in Kolonien. Kommt<br />
man so einer Kolonie zu nahe, verleiten<br />
die Vögel den Störenfried mit<br />
hängenden Schwingen. Auch hier kann<br />
Männchen und Weibchen nicht nach<br />
dem Gefieder unterschieden werden.<br />
Den Winter verbringen Säbelschnäbler<br />
im wärmeren Süden bis hin<br />
nach Afrika.<br />
Imposante Erscheinungen sind die<br />
Kampfläufer. Während und vor der<br />
Brut präsentieren sich die Männchen<br />
mit einer bunten Halskrause, bei der<br />
keine der anderen gleicht und zum<br />
Imponiergehabe dieser schmucken<br />
Vögel gehört. Die Weibchen wählen<br />
die Nistmulde aus. Nach der Eiablage<br />
sind die Weibchen allein für die Brut<br />
verantwortlich. Sie brüten 21 Tage.<br />
Wem es vergönnt ist, einen so genannten<br />
„Turnierplatz“ der Männchen zu<br />
beobachten, hat ein ganz besonderes<br />
Erlebnis. Im Herbst verlassen uns auch<br />
diese Vögel. Männchen und Weibchen<br />
können dann nur noch an der unterschiedlichen<br />
Größe unterschieden<br />
werden, den Männchen fehlt dann<br />
Säbelschnäbler, der einen Störenfried zu verleiten versucht. Foto: July<br />
auch in ihrem Schlichtkleid die bunte<br />
Halskrause.<br />
Zu den Schnepfen zählt auch der<br />
allbekannte Kiebitz. Leider ist es so,<br />
dass er und andere der genannten Vögel<br />
durch Landwirtschaft, Rodungen,<br />
Straßenbau, Trockenlegung aber auch<br />
durch den Anspruch der Spaßgesellschaft<br />
(siehe Marina!) immer mehr<br />
zurückgedrängt werden. In unseren<br />
Bereichen fehlt es an <strong>Natur</strong>schutzleu-<br />
ten, die sich intensiv gegen manche<br />
Planungen stellen, wenn es auch aussichtslos<br />
erscheinen mag. Es gibt nur<br />
wenige Ausnahmen. Nur mit großen<br />
Mitgliederzahlen und Blümchen zeigen<br />
ist es nun wirklich nicht getan. Das ist<br />
nur eine Alibifunktion. Es fehlt aber<br />
auch der Einsatzwille.<br />
Zu den kleinsten Schnepfenvögeln<br />
gehört auch der Flußregenpfeifer,<br />
der in Bergkamen vor dem Bau der
Marina in mehreren Brutpaaren dort<br />
am Datteln-Hamm-Kanal jährlich<br />
gebrütet hat.<br />
Auf einer Restfläche, die noch<br />
nicht bebaut wurde, aber 2005 in<br />
die Planung gekommen ist, konnten<br />
letztlich noch ein Paar beobachtet<br />
werden. Es handelt sich ja nur um ein<br />
naturgeschütztes Vögelchen, welches<br />
nicht nur dort vertrieben wird. Es<br />
baut zwischen Steinchen und Kieseln<br />
an Flußufern, aber bei uns auf Bergbauanschüttungen<br />
seine Nestmulde.<br />
Erfreulich ist, dass der Flußregenpfeifer<br />
Ersatzbiotope annimmt, wie sie vor<br />
Jahren zwischen den Flotationsteichen<br />
im Haldenbereich von Schülern der<br />
früheren Harkortschule und Azubis des<br />
Bergbaus angelegt wurden.<br />
Aber durch die so genannte „Dreckerplanung“<br />
sind diese Flächen auch<br />
überplant und hinfällig. Ähnlich gefärbt<br />
ist der Sandregenpfeifer an der<br />
Küste, der selten im Binnenland brütet.<br />
Im Herbst verlassen uns auch diese<br />
Gefiederten.<br />
NATUR ERLEBEN<br />
Anmerkungen:<br />
Meine „Schnepfengeschichte“ soll kein Ersatz<br />
für ein Bestimmungsbuch sein, von denen es<br />
ganz viele gibt. Gute und weniger empfehlenswerte.<br />
Interessenten können sich aber<br />
informieren.<br />
Für den interessierten Leser:<br />
Bernhard Grzimek, Enzyklopädie des Tierreiches<br />
Vögel II, Kindler/Zürich 1969<br />
Hakan Delin / Lars Svensson, Der große Kosmos<br />
<strong>Natur</strong>führer Vögel, Kosmos / Stuttgart 2004<br />
Und andere einschlägige Bestimmungsbücher,<br />
die auch dieser Geschichte zu Grunde liegen.<br />
129
130<br />
� Der Zug der Kraniche (Grus grus)<br />
Die „Vögel des Glücks“<br />
auf Reisen<br />
von Horst Schenkel<br />
NATUR ERLEBEN<br />
Wer kennt sie nicht, die imposanten<br />
Zugformationen der grauen<br />
Kraniche am Himmel wenn sie, im<br />
Frühjahr und Herbst bei entsprechender<br />
Hochdruckwetterlage, in<br />
ihre Brutgebiete oder Winterquartiere<br />
ziehen. Wir werden meist<br />
erst auf sie aufmerksam, wenn<br />
wir ihre trompetenartigen „Kruu<br />
kruu“ Rufe vernehmen.<br />
Wenden wir unseren Blick nach<br />
oben, erkennen wir sie an der keilförmigen<br />
Flugformation (Windschattenprinzip)<br />
- aber Vorsicht bei der<br />
Bestimmung - auch Gänse, Großmöwen<br />
und andere ziehen in ähnlicher<br />
Weise. Nur die Flugsilhouette des<br />
Kranichs, mit dem lang gestreckten<br />
Hals und den gestreckten Beinen ist<br />
unverwechselbar. Bei großen Mengen<br />
verbinden sich einige Flugkeile miteinander.<br />
Wenn man die Gelegenheit<br />
hat, den Flug länger zu beobachten,<br />
erkennt man, dass nur die kräftigen<br />
Tiere sich in der Führungsarbeit ablö-<br />
sen, während der Rest des Zuges sich<br />
„mitziehen“ lässt. Beim Herbstzug<br />
sind die Familienverbände mit ein bis<br />
drei Jungvögeln noch zusammen. Man<br />
erkennt die Jungen, obwohl sie schon<br />
die Größe der Altvögel erreicht haben,<br />
an dem braunen Kopfbereich und der<br />
piepsenden Stimme.<br />
� Daten und Fakten<br />
Die grauen Kraniche sind 110 bis<br />
130 Zentimeter groß und haben eine<br />
Spannweite von 220 bis 245 Zentimetern<br />
bei einem Gewicht von fünf bis<br />
sieben Kilogramm. Die Lebenserwartung<br />
liegt bei 25 bis 30 Jahren und die<br />
Partner leben meist in „Dauerehe“. Die<br />
Fluggeschwindigkeit beträgt 50 bis 60<br />
Kilometer/Stunde, bei sehr günstigen<br />
Bedingungen, guter Thermik und<br />
Rückenwind, erreichen die Vögel die<br />
Richtgeschwindigkeit von Pkws auf<br />
der Autobahn (130 km/h). Die Flughöhe<br />
ist von Witterungsbedingungen<br />
abhängig, sie liegt zwischen 200 und<br />
1.000 Meter und kann bei Überwindung<br />
der Pyrenäen bis 4000 Meter<br />
betragen. Zugverbände in guter Kon-<br />
stitution schaffen nonstop bis 2.000<br />
Kilometer. So fliegen sie in einem Tag<br />
die Strecke von den großen Sammelplätzen<br />
in Mecklenburg-Vorpommern<br />
bis Mittelfrankreich/Lac du Der zu den<br />
ersten Winterquartieren.<br />
� Kranich-Arten<br />
Die Kraniche die bei uns auf dem<br />
Zuge vorkommen, gehören der westlichen<br />
Unterart des Grauen Kranichs<br />
(Grus grus) an. Die Brutgebiete erstrecken<br />
sich von der Elbe im Westen<br />
bis weit in das östliche Sibirien hinein<br />
aber nur die Tiere aus dem europäischen<br />
Bereich überfliegen unseren<br />
heimischen Raum. Der Flug in die<br />
Brutgebiete beginnt Ende Februar,<br />
hat seinen Höhepunkt im März und<br />
klingt im April ab. Den Flug in die<br />
Winterquartiere kann man schon ab<br />
August beobachten, im Oktober sind<br />
die größten Verbände unterwegs<br />
und selbst im Dezember gibt es noch<br />
einige Nachzügler. Neben dem hier<br />
beschriebenen Kranich gibt es vierzehn<br />
weitere Arten auf unserer Erde. Fast<br />
alle fliegen weite Wege zwischen Brut-
Kranichzug bei Vollmond. Foto: Schenkel<br />
und Überwinterungsgebiet. Die Tiere<br />
gelten in den verschiedenen Ländern<br />
als Frühlingsboten, Weisheitssymbol,<br />
Sinnbild für langes Leben und Vögel<br />
des Glücks. Seit 1926 tragen die<br />
Flieger der Deutschen Lufthansa eine<br />
Kranichsilhouette als Wappen. NABU,<br />
WWF und die Deutsche Lufthansa<br />
AG fördern neben vielen regionalen<br />
Verbänden und Privatleuten, den<br />
Kranichschutz.<br />
� Zugrouten<br />
Zwei große Zugrouten über den<br />
NATUR ERLEBEN<br />
europäischen Kontinent sind bekannt.<br />
Der westeuropäische Zugweg der<br />
Tiere aus Mitteleuropa und Skandinavien<br />
tangiert auch den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>.<br />
Die Route führt über Frankreich nach<br />
Spanien und weiter in den westlichen<br />
Teil Nordafrikas. Der osteuropäische<br />
131
132 NATUR ERLEBEN<br />
Beobachtung aus sicherer Entfernung. Foto: Schenkel<br />
Ein beringtes Tier im Zugtrupp. Foto: Schenkel<br />
Zugweg wird von Kranichen aus<br />
Finnland, den baltischen Staaten und<br />
Russland genutzt und führt über Ungarn<br />
und Süditalien nach Nordafrika.<br />
Beringungen haben ergeben, dass es<br />
auch Querstrecken über Mecklenburg-<br />
Vorpommern, Brandenburg und Polen<br />
gibt, die beide Routen miteinander<br />
verbinden. Zugverbände, die wir im<br />
Herbst über unserem <strong>Kreis</strong>gebiet<br />
sehen, können schon in Mittelfrankreich<br />
(Lac du Der Chantecoq) oder<br />
Südfrankreich (Landes de Gascogne)<br />
Winterquartier beziehen oder sie<br />
fliegen weiter nach Nordostspanien<br />
(Laguna de Gallocanta). Weitere<br />
Überwinterungsgebiete befinden sich<br />
in der Extremadura und Andalusien<br />
in Südspanien oder in Marokko/Nordafrika.<br />
� Rastgebiete<br />
Im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> rasteten früher auch<br />
einige Gruppen der durchziehenden<br />
Tiere in den Wiesenauen von Lippe<br />
und Ruhr oder in den Feldfluren der<br />
Hellwegbörde. Die Bepflanzung und<br />
Verdrahtung (Höchstspannungsleitungen)<br />
der Auen, die Flurveränderungen<br />
in der Börde und das geänderte<br />
Zugverhalten der Kraniche hat dazu<br />
beigetragen, dass immer weniger Tiere<br />
hier rasten. Der Schutz der Kraniche<br />
ist zwar gesetzlich geregelt, aber ohne
In der Thermik auf dem Weg nach oben. Foto: Schenkel<br />
ehrenamtliche und private Hilfe sähe<br />
die Zukunft dieser bedrohten Tierart<br />
traurig aus. So gibt es auf den Zugrouten<br />
an einigen Rastgebieten Fütterungsflächen<br />
um die Tiere von den<br />
landwirtschaftlich genutzten Äckern<br />
abzulenken (Ablenkfütterungen), so<br />
werden sie gleichzeitig für die weite<br />
strapaziöse Reise fit gemacht. Zu den<br />
imposantesten Beobachtungsgebieten<br />
zählen Rast- und Sammelplätze der<br />
Vorpommerschen Boddenlandschaft<br />
in der Rügen-Bockregion. Durch gezielte<br />
Besucherlenkung wird hier erreicht,<br />
dass die Tiere relativ ungestört<br />
rasten können. Die Fluchtdistanz, die<br />
normal bei ungefähr 300 Meter liegt,<br />
wird hier weit unterschritten. Hier<br />
lassen sich auch beringte Kraniche<br />
beobachten und identifizieren, im Rahmen<br />
der Schutzmaßnahmen werden<br />
dabei wichtige Erkenntnisse für die<br />
Landschaftsplanung gewonnen.<br />
� Farbmarkierungen<br />
Kraniche, die in unserer Region<br />
schon mal rasten, kann man mit einem<br />
Spektiv (25-60-fach) aus gesicherter<br />
Entfernung gut beobachten. Dabei<br />
sollte man auf Farbmarkierungen an<br />
den Beinen der Tiere achten. Selbst<br />
aus großer Entfernung sind die Farbkombinationen<br />
zu erkennen. Ab 1990<br />
erhalten Jungkraniche am rechten Bein<br />
NATUR ERLEBEN<br />
eine Individualkennung die aus drei<br />
verschiedenfarbigen Kunststoffringen<br />
(je zwei Zentimeter) besteht, das linke<br />
Bein wird mit einem dreifarbigen<br />
Landesring versehen. Für Deutschland<br />
gilt die Farbkennung (links): blau, seit<br />
1997: blau-weiß-blau, seit 1999: blaurot-blau,<br />
seit 2001: blau-schwarz-blau.<br />
Das Beringungsprojekt ist das Ergebnis<br />
von Vereinbarungen innerhalb der<br />
europäischen Kranichschutzgruppe.<br />
Hier wurde für jedes Land in Europa,<br />
in dem Kraniche brüten, ein Farbcode<br />
festgelegt. Wenn Sie ein beringtes Tier<br />
beobachten, bitte die Farbkombinationen<br />
beider Ringe und die Ortsangabe<br />
(Koordinaten) an die im Anhang ange-<br />
133
134 NATUR ERLEBEN<br />
gebene Adresse weiterleiten. Die Ringe<br />
werden von oben nach unten abgelesen.<br />
Der Flugstrecken-Lebenslauf wird<br />
dem Beobachter nachgeliefert und ist<br />
für den <strong>Natur</strong>freund eine Information<br />
über Zugverhalten und Lebensalter des<br />
entsprechenden Tieres.<br />
� Zusammenfassung<br />
Wer mit offenen Augen und Ohren<br />
durch unseren Lebensraum geht, wird<br />
viele Dinge im Umfeld entdecken die<br />
das Zusammenspiel in der <strong>Natur</strong> spannender<br />
und verständlicher machen.<br />
Der Kranichzug gehört zu den großen<br />
und erstaunlichen Ereignissen in unserer<br />
Umwelt. <strong>Natur</strong>freunde genießen<br />
den Anblick der „Vögel des Glücks“<br />
wenn sie ihnen auf ihrer weiten Reise<br />
begegnen.<br />
Rastende Kraniche auf abgeernteten Maisäckern. Foto: Schenkel<br />
Weiterführende Literatur:<br />
Karlsson, Britt u. Sture, „Der Zug der Kraniche“,<br />
ISBN: 3-920220-09-9<br />
Quellenangaben, Daten und Fakten und Adres-<br />
se für Ringfunde:<br />
Kranich-Informationszentrum, Lindenstraße<br />
27,18445 Groß Mohrdorf, Tel.: 0383 23-<br />
80540, E-Mail: gruidae@aol.com, Internet:<br />
www.kraniche.de
� Zauber der Gartenvögel<br />
Ein etwas anderer Beitrag<br />
zur Nachhaltigkeit<br />
von Heinz Herkenrath<br />
Irgendwann vor Jahrzehnten<br />
machte ich meinen großen Garten<br />
zu einem Zauberreich: Nicht<br />
mehr der wie abgeleckt wirkende<br />
Rasen, die Gräser mit der Maschine<br />
geköpft; nicht mehr alte<br />
Bäume beseitigen, sondern stehen<br />
lassen, bis sie von selbst umfallen;<br />
wucherndes Gesträuch an<br />
allen Rändern, Nesselfluren und<br />
<strong>Natur</strong>komposthaufen. Da blieben<br />
sie nicht aus: Igel und Maulwurf –<br />
seine Haufen machten uns Freude<br />
– Hausspitzmaus und Rötelmaus.<br />
Und eines Abends sah ich den<br />
Steinmarder im späten Licht unter dem<br />
Bewegungsmelder. Da war mein Glück<br />
vollkommen; denn ich habe zwölfeinhalb<br />
Jahre einen zahmen Steinmarder<br />
gehabt, den ich als Findling vom <strong>Unna</strong>er<br />
Kurpark aufgezogen hatte, der<br />
mir auf dem Körper kletterte, den ich<br />
wie einen Ball hochwerfen und wieder<br />
auffangen konnte, was er besonders<br />
liebte.<br />
Und dann die Vögel: Von den Fasanen<br />
bis zur achtköpfigen Zaunkönigsfamilie<br />
habe ich sie in allen Größen.<br />
Vorgestern sitzen meine Frau und ich<br />
beim Mittagessen. Plötzliches wildes<br />
Gekrächze der Rabenkrähen, Saatkrähen,<br />
Dohlen. „Da ist was im Busch!“<br />
sage ich, stehe auf und trete ans Fenster.<br />
Ich staune: Da sitzt der Habicht frei<br />
neben der Versteck bietenden Fichte<br />
– einen Moment nur, dann lässt er Kot<br />
fallen, dreht sich und saust niedrig in<br />
Richtung der alten Kläranlage davon.<br />
Im Vorjahr landete ein Habicht (derselbe?)<br />
auf der Beutejagd sogar auf<br />
unserem Gartenhäuschen, das wie<br />
ein Hänsel-und-Gretel-Hexenhaus<br />
aussieht.<br />
Außer dem Habicht kommt des<br />
öfteren sein kleiner Verwandter,<br />
der Sperber: Letzten Winter war ich<br />
gerade am „Knusperhäuschen“ mit<br />
Füttern beschäftigt, als ich Warnrufe<br />
der stets wachsamen Amseln (auch<br />
Schwarzdrosseln genannt) hörte. Ich<br />
drehte mich herum – siehe da: Vier<br />
Meter vor mir saust der Sperber in<br />
den kahlen Holunder, in dem Buch-<br />
NATUR ERLEBEN<br />
finken und Grünlinge hocken, packt<br />
sich einen und fliegt mit ihm zu Boden.<br />
Ich nähere mich ganz langsam,<br />
da fliegt er mit der kleinen Beute ein<br />
Stück weiter, beginnt zu kröpfen, wie<br />
man das Verzehren bei Greifvögeln<br />
und Eulen nennt. Apropos Eulen: Im<br />
Oktober flog „unsere“ schneeweiße<br />
Schleiereule wenige Zentimeter an<br />
meinem Kopf geisterhaft in der Dämmerung,<br />
nur vom Haustürlicht blass<br />
beschienen, vorbei, als ich auf der<br />
Haustreppe stand. Andere Greife: Der<br />
Mäusebussard kreist über Garten und<br />
angrenzender Wiese; der Turmfalke<br />
fängt Mäuse, versucht sich vergeblich<br />
an Vögeln. „Meine“ Meisen sind so<br />
vertraut, dass mir eine Kohlmeise von<br />
der Hand Erdnüsse holte, Blaumeisen<br />
nah herankommen. Eine Dohle fing im<br />
Vorjahr unvorsichtige junge Meisen,<br />
was Rabenkrähen, Elstern und Eichelhäher<br />
nie taten und tun – bisher.<br />
Die Beobachtung „meiner“ Gartenvögel<br />
ist eine tägliche Freude – gerade,<br />
wenn man alters- und gesundheitsbedingt<br />
leider nicht mehr verreisen<br />
kann.<br />
135
136 AKTIONEN<br />
� Kunstaktion auf Haus Rutenborn<br />
Wohltuende Kraft<br />
der Farben und Formen<br />
von Jutta Sucker<br />
Action-Painting: Malen ohne<br />
festes Ziel einfach aus dem Bauch<br />
heraus. Vorgaben und Zwänge<br />
gibt es nicht. Auch beim landaktiv-Workshop<br />
ist erlaubt, was<br />
gefällt. Während der Sommermonate<br />
finden unter Leitung der<br />
Grafik-Designerin Jutta Sucker in<br />
der malerischen Atmosphäre des<br />
Hauses Rutenborn in Schwerte-<br />
Geisecke Kurse statt.<br />
Action-Painting, zu deutsch Aktionsmalerei,<br />
ist eine kreative Selbsterfahrung<br />
für alle, die einige entspannende<br />
Stunden lang aus dem Alltag<br />
aussteigen wollen. Zugleich ist es ein<br />
Event, das an verschiedenen Orten<br />
stattfinden kann. Die urige Atmosphäre<br />
einer alten Scheune, das Fachwerk-<br />
Ambiente eines Bauernhofes oder die<br />
sonnige Blumenwiese. Action-Painting<br />
ist flexibel und kann für die verschiedensten<br />
Orte gebucht werden.<br />
In den bereits gelaufenen Kursen<br />
entdeckten viele Teilnehmer aller<br />
Ein Beispiel für Action-Painting. Foto: Sucker<br />
Altersklassen die wohltuende Kraft<br />
der Farben und Formen. Gleichzeitig<br />
erfuhren sie, wie entspannend und<br />
anregend es sein kann, sich unter<br />
freiem Himmel und auf einladender<br />
Leinwand mal so richtig gehen zu<br />
lassen. Mit Unterstützung von Jutta<br />
Sucker entstehen mit Acrylfarben, Pin-
seln, Schwämmen, Bürsten und vielen<br />
anderen Materialien Werke, mit denen<br />
die kleinen und großen KünstlerInnen<br />
ihren Gefühlen und Empfindungen<br />
ganz spontan Ausdruck verschaffen.<br />
Für die bisherigen Teilnehmer jedenfalls<br />
wurde das Angebot stets zu einem<br />
Happening mit Erlebnis-Charakter und<br />
mitunter sogar Selbsterfahrungswert.<br />
Mit Action-Painting lässt sich die<br />
Angebotspalette der Erlebnis-Landwirtschaft<br />
um eine im wahrsten Sinne<br />
des Wortes „farbige“ Facette bereichern.<br />
Kombiniert mit dem jeweiligen<br />
Angebot des Hofes eröffnen sich so<br />
interessante Synergie-Effekte.<br />
Was ist eigentlich Action-Painting?<br />
AKTIONEN<br />
� Kontakt<br />
Gebucht werden können diese<br />
Kurse über das landaktiv-Servicebüro<br />
bei Sabine Döring, Telefon 02303<br />
962173 oder direkt bei Jutta Sucker,<br />
Telefon 02303 255095 oder Birgit<br />
Schulte/Haus Rutenborn, Telefon<br />
02304 41369.<br />
Der Begriff Action-Painting – Aktionsmalerei – wurde erstmalig 1952 vom amerikanischen Kunstkritiker Harold<br />
Rosenberg in der Zeitschrift „Art News“ erwähnt. Kennzeichnend für die Action-Painting ist der auf dynamischer Malgestik<br />
beruhende Handlungsablauf bei der Bildgestaltung. Von Jackson Pollock, einem der Hauptvertreter des Action-<br />
Painting, ist bekannt, dass er den Farbträger häufig auf den Fußboden legte und von allen Seiten her „malte“, wobei er<br />
zum Auftragen der Farben nicht nur Pinsel, sondern auch Spachteln und Holzstücke etc. verwendete. Vielfach wurde<br />
von ihm die Farbe auch getropft, mit Pinseln gespritzt oder aus Behältern geschüttet. Die Maler des Action-Painting<br />
hatten keine konkrete Vorstellung im Sinn, die sie als Bild realisieren wollten, sondern sie betrachteten den Bildträger<br />
(Leinwand etc.), wie Jackson Pollock es ausdrückte, als Arena, wo eine Aktion stattfinden sollte. Sie nahmen das zur<br />
Herstellung eines Bildes nötige Material und stellten sich der Herausforderung, den Bildträger zu modifizieren; das<br />
Ergebnis war dann das Bild. Das verstandesmäßige Bewusstsein wurde bisweilen ausgeschaltet und im Vordergrund<br />
stand immer die Aktion. Komposition, Form, Farbe und Bildträger wurden als zweitrangig angesehen.<br />
137
138<br />
� Weltjugendtag im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
<strong>Natur</strong>schutz<br />
„under construction"<br />
von Ludwig Holzbeck<br />
AKTIONEN<br />
Im August 2005 fand in Köln der<br />
Weltjugendtag der katholischen<br />
Kirche statt. Vor dem Großereignis<br />
mit nahezu 1 Million Teilnehmern<br />
standen die Tage der Begegnung<br />
in den deutschen Diözesen, die<br />
vom 11. bis zum 15. August 2005<br />
im Vorfeld des XX. Weltjugendtages<br />
stattfanden. Rund 130 Jugendliche<br />
und junge Erwachsene<br />
aus Indien, Rumänien, Italien und<br />
dem afrikanischen Malawi waren<br />
Gäste im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>.<br />
Als zentraler Bestandteil der Tage<br />
der Begegnung stand der Tag des sozialen<br />
Engagements - under construction<br />
- am 13. August 2005 im Mittelpunkt<br />
des Aufenthaltes hier in <strong>Unna</strong>, an dem<br />
der Glaube praktische Anwendung erfahren<br />
sollte. Ziel war es, die wesentlichen<br />
Grundelemente der katholischen<br />
Kirche in Liturgie, Verkündigung und<br />
Diakonie in ihrer wechselseitigen Bezogenheit<br />
aufzugreifen und erfahrbar zu<br />
machen. Das Ereignis des Weltjugend-<br />
tages bot dazu eine ideale Möglichkeit.<br />
Der Glaube bekommt Realität, wenn<br />
aus den christlichen Werten heraus<br />
das soziale, politische, kulturelle<br />
und ökologische Umfeld des Lebens<br />
wahrgenommen und mitgestaltet<br />
wird. Hierbei verbinden sich, von der<br />
biblischen Schöpfungsverantwortung<br />
ausgehend, die individuellen Aspekte<br />
des persönlichen Glaubensvollzugs mit<br />
der Aufforderung, gemeinschaftlich<br />
tätig zu werden.<br />
� Praktische <strong>Natur</strong>schutzarbeit<br />
Aus diesem Kontext heraus entschloss<br />
sich der Pastoralverbund <strong>Unna</strong>,<br />
den Jugendlichen, die nach <strong>Unna</strong> kommen<br />
sollten, neben sozialen und kulturellen<br />
Projekten auch Ökologieprojekte<br />
anzubieten. In diesen Projekten<br />
sollte einerseits gemäß dem Motto<br />
„under construction“ praktische <strong>Natur</strong>schutzarbeit<br />
geleistet andererseits<br />
aber auch vermittelt werden, warum<br />
und wie sich <strong>Natur</strong>schützer vor Ort<br />
aus ihrer Verantwortung heraus für<br />
ihre Umwelt engagieren.<br />
Am 13. August 2005, dem Tag des<br />
sozialen Engagements, standen neben<br />
anderen Aktionen diese angedachten<br />
<strong>Natur</strong>schutzprojekte auf dem Programm.<br />
Wie viele Teilnehmer würden<br />
letztlich kommen? Welche Arbeiten<br />
können sinnvollerweise verrichtet<br />
werden? Wo gibt es geeignete Einsatzorte?<br />
Wie kommen die Teilnehmer<br />
dorthin und wie wird die Verpflegung<br />
sichergestellt? Fragen über Fragen,<br />
die es im Vorfeld zu beantworten<br />
galt. Schnell fand sich eine kleine<br />
Organisationsrunde, der Dr. Josef Cornelissen<br />
und Karl-Heinz Albrecht aus<br />
<strong>Unna</strong>-Mühlhausen, Heinz Schlockermann<br />
aus Bönen-Lenningsen, Anke<br />
Bienengräber von der Biologischen<br />
Station, Hermann Knüwer vom <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> sowie der Autor für die <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
angehörten.<br />
Zunächst galt es, über sinnvolle Projekte<br />
nachzudenken. Aus einer größeren<br />
Auswahl verblieben letztlich drei<br />
Vorschläge: eine Teichentschlammung<br />
in der Öko-Zelle in Mühlhausen, der<br />
Abtransport von Mahdgut aus einer<br />
Feuchtwiese in Lenningsen sowie die<br />
Beseitigung von Grünabfällen aus
einer Hecke in Lünern. Viele fleißige<br />
Hände trugen dazu bei, dass diese<br />
Vorhaben erfolgreich durchgeführt<br />
werden konnten. Die Gesellschaft für<br />
Wertstoff- und Abfallwirtschaft für<br />
den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> stellte kostenlos in<br />
Mühlhausen, Lünern und Bönen Container<br />
auf, so dass Bodenaushub und<br />
Mahdgut ordnungs-gemäß entsorgt<br />
werden konnten.<br />
Die Stadtbetriebe <strong>Unna</strong> lieferten<br />
Schubkarren, Schaufeln, Harken und<br />
sonstige Gerätschaften. Landwirt Karl<br />
Kötter aus Uelzen stellte einen Trecker<br />
mit Anhänger zur Verfügung, das katholische<br />
Krankenhaus <strong>Unna</strong> sorgte<br />
für das leibliche Wohl und zahlreiche<br />
weitere Personen stellten Stiefel und<br />
andere Gebrauchsgegenstände zur<br />
Verfügung und halfen selbst bei den<br />
Aktionen tatkräftig mit. Nicht zu vergessen<br />
ist, dass sehr viele Teilnehmer<br />
am Weltjugendtag während der Tage<br />
der Begegnung in den Familien herzlich<br />
aufgenommen wurden und dort<br />
Unterkunft fanden.<br />
� Drei Einsatzorte<br />
Die Witterungsbedingungen am<br />
Vortag des Aktionstages ließen nichts<br />
Gutes erahnen. Es regnete in Strömen.<br />
Doch Petrus war gnädig und<br />
bescherte am Samstag bestes Wetter<br />
bei strahlendem Sonnenschein. Nach<br />
AKTIONEN<br />
Mahdgut wird von eienr Feuchtwiese in Lenningsen abgetragen. Foto. L. Hoffmann<br />
der offiziellen Begrüßung in <strong>Unna</strong><br />
durch Bürgermeister Werner Kolter<br />
wurden die Gäste mit Bussen zu den<br />
Einsatzorten gefahren, wo sie bereits<br />
von ortsansässigen Helfern erwartet<br />
wurden.<br />
� Mühlhausen<br />
In der „Ökozelle“ in Mühlhausen<br />
waren die Stiefel schnell auf die großen<br />
und kleinen Füße verteilt, die<br />
Arbeitsgeräte ausgegeben und Sinn<br />
und Zweck der Maßnahme erläutert.<br />
Es galt, einen verlandeten Teich als<br />
Lebensraum für Amphibien, Libellen<br />
und andere Lebewesen zu optimieren.<br />
Diese Arbeiten hätten auf Grund<br />
des unwegsamen Geländes nicht mit<br />
Großmaschinen verrichtet werden<br />
können. Ob groß oder eher klein, ob<br />
Junge oder Mädchen, ob praktisch<br />
erfahren oder nicht, es wurde mit<br />
139
140 AKTIONEN<br />
vereinten Kräften zugepackt, gegraben,<br />
geschaufelt, geharkt und Schubkarren<br />
quasi im Akkord bewegt. Das<br />
dabei gelegentlich ein unfreiwilliges<br />
(?) Schlammbad genommen wurde,<br />
förderte letztlich nur die Stimmung.<br />
Überhaupt war die Motivation und<br />
der Zusammenhalt über Nationalitäten,<br />
Sprachen und Kulturen hinweg<br />
überaus beeindruckend. Nachdem<br />
sechs Kubikmeter Schlamm bewegt<br />
worden waren und die Kräfte dann<br />
doch allmählich schwanden, erläuterte<br />
Dr. Josef Cornelissen bei einem<br />
Rundgang durch Mühlhausen die hier<br />
realisierten <strong>Natur</strong>schutzprojekte, die<br />
landschaftlichen Besonderheiten und<br />
gab auch interessante Informationen<br />
zur Geschichte von Mühlhausen.<br />
� Lenningsen<br />
Das Abtransportieren von Mahdgut<br />
aus einer Feuchtwiese stand in Lenningsen<br />
auf dem Programm. Nach den<br />
starken Niederschlägen vom Vortag<br />
hatte sich die Fläche jedoch beinahe<br />
in einen Flachsee verwandelt. Deshalb<br />
machte sich die dortige Arbeitsgruppe<br />
zunächst auf, unter Leitung von<br />
Heinz Schlockermann und Anke Bienengräber<br />
einen kleinen Rundgang<br />
durch Lenningsen zu machen, wobei<br />
den interessiert zuhörenden Gästen<br />
verschiedene <strong>Natur</strong>schutzmaßnah-<br />
Nicht: alle für einen, sondern alle in einem... Foto: Knüwer<br />
men vorgestellt und heimatkundliche<br />
Hintergrundinformationen vermittelt<br />
wurden. Nach der Theorie folgte<br />
anschließend der praktische Teil.<br />
Ausgerüstet mit Planen, Gabeln und<br />
Karren ging es dem Mahdgut zu Leibe.<br />
Die Feuchtwiese war nämlich zu<br />
vernässt, als dass Maschinen für den<br />
Abtransport hätten eingesetzt werden<br />
können. Bei den Handarbeiten kamen<br />
dabei auch äußerst unkonventionelle<br />
Methoden zum Einsatz: Eine Schubkarre<br />
lässt sich eben nicht nur von einer<br />
Person schieben; denn, wenn jeder<br />
einen Holm anpackt und schiebt, geht<br />
es auch mit vereinten Kräften zu zweit.<br />
Auch dies war, wie alle Projekte insgesamt,<br />
ein deutliches und praktisches<br />
Beispiel für gemeinsames, verantwortungsbewusstes<br />
Handeln im Sinne der<br />
Bewahrung der Schöpfung. Der Spaß<br />
und die Lust am gemeinsamen Erleben<br />
war auch hier riesig.<br />
� Lünern<br />
Auch in Lünern wurde kräftig zugepackt.<br />
Hier galt es, verdorbenes Heu,<br />
das vor längerer Zeit in eine Hecke<br />
hineingeschoben worden war und<br />
dort die Bodenvegetation unterdrückt
hatte, in Handarbeit zu beseitigen. Alle<br />
packten kräftig zu und in Nullkommanix<br />
waren auch hier die Arbeiten<br />
verrichtet. Besonderen Gefallen fand<br />
der ungewöhnliche Transfer zum<br />
Mittagessen nach Mühlhausen. Statt<br />
die bereitgestellten PKW zu nutzen,<br />
baten die Jugendlichen Karl Kötter<br />
die Chauffeurdienste zu übernehmen.<br />
Und so fuhren die begeisterten Teilnehmer<br />
wohl erstmalig und vielleicht<br />
auch letztmalig im Viehanhänger,<br />
gezogen von einem Trecker, von<br />
Lünern nach Mühlhausen. Während<br />
der Fahrt wurden natürlich Lieder<br />
gesungen. Unterwegs staunten Passanten<br />
und Anwohner über die große<br />
Begeisterung und Lebensfreude der<br />
jungen Menschen. In der Ökozelle<br />
Mühlhausen trafen sich alle Teilnehmer<br />
zum gemeinschaftlichen Mittagessen.<br />
Es wurden Lieder gesungen und in<br />
zahlreichen Gesprächen, Erfahrungen<br />
ausgetauscht und vertieft.<br />
AKTIONEN<br />
� Resümée<br />
Alles in allem haben die Aktionen<br />
dazu beigetragen, das Verständnis<br />
füreinander, das Miteinander und<br />
unser aller Verantwortung für die Umwelt<br />
und die Schöpfung zu festigen<br />
und neu zu beleben. Viele positive<br />
Eindrücke haben unsere Gäste und<br />
auch die hiesigen Teilnehmer mitnehmen<br />
können. Allen hat es Spaß<br />
gemacht, es waren mehr als nur Tage<br />
der Begegnung.<br />
Im Nachhinein trafen viele positive Rückläufe ein. Eine Reaktion eines Teilnehmers aus Italien erreichte per E-Mail Christine<br />
Loi, die freundlicherweise Dolmetscherdienste übernommen hatte:<br />
Ciao Cristina,<br />
ich bin Eliano, einer der Pilgergruppe, die Du am 13. August in Bönen begleitet hast. Schlussendlich ist es uns doch gelungen,<br />
unsere Arbeiten auf dem Feld in Angriff zu nehmen (und wir haben auch sehr viel Spaß dabei gehabt!). Alles summiert ist der<br />
Einsatz sehr zu unseren Guns ten ausgefallen: 1,5 Stunden Arbeit im Tausch gegen drei Mahlzeiten (Frühstück, Mittagessen<br />
und Kaffeetrinken mit Kuchen). Eine wirklich gute „Sache“!<br />
Danke und vielmals Danke, wir haben uns sehr gut angenommen und aufgehoben gefühlt.<br />
Eliano<br />
141
142<br />
� Hier ist richtig was los<br />
Veranstaltungen auf der<br />
Ökologiestation des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> 2006<br />
von Birgit Manz<br />
AKTIONEN<br />
Unter dem Motto „Hier ist richtig<br />
was los" bietet die Ökologiestation<br />
des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> Fortbildungen<br />
für Pädagogen und <strong>Natur</strong>freunde<br />
sowie Aktionen für Kinder<br />
während der Schulferien.<br />
� Fortbildungen für Pädagogen<br />
und <strong>Natur</strong>freunde<br />
Angeboten von der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
e.V. und der Umweltzentrum Westfalen<br />
GmbH<br />
� Kräuterwerkstatt<br />
„Nicht durch die Apotheke, sondern<br />
durch die Küche geht der Weg zur<br />
Gesundheit": Von jeher nutzen Menschen<br />
Wildkräuter zur Bereicherung<br />
ihrer Mahlzeiten und zur Heilung von<br />
Krankheiten. Das Wissen um die Kraft<br />
der Wildkräuter ist in den vergangenen<br />
Jahrzehnten weitgehend verlorengegangen,<br />
da ganzjährig Frischgemüse<br />
zur Verfügung steht. Oder wissen<br />
Sie, wie man aus Brennnesselspitzen<br />
eine Suppe bereiten kann, die nicht<br />
nur köstlich schmeckt, sondern auch<br />
blutreinigend wirkt, was unserem<br />
Körper nach dem Winter sehr gut tut?<br />
Die Kräuterwerkstatt informiert über<br />
Wildkräuter, die wir draußen in Feld<br />
und Flur finden können und über ihre<br />
Wirkungen. Außerdem wird gemeinsam<br />
ein Wildkräutermenü zubereitet.<br />
Termin: Montag, 8. Mai 2006<br />
9.00 Uhr – 16.00 Uhr<br />
Kosten: 35 EUR<br />
Anmeldung bis Montag, 24. April 2006<br />
� Wespen und Bienen<br />
„Man muss Sie nicht lieben, kann<br />
aber mit ihnen leben“: Im Haus und<br />
Garten nistende Wespen und Bienen<br />
versetzen jedes Jahr viele Bürger in<br />
helle Aufregung. Gerade ErzieherInnen<br />
und LehrerInnen sind – was den<br />
Kindergarten und Schulbereich angeht<br />
– verunsichert, wenn sich Wespen<br />
oder Bienen hier ansiedeln. Ziel des<br />
Seminars ist es, einen fundierten<br />
Überblick von dieser interessanten<br />
Insektengruppe zu erhalten und fal-<br />
sche Ängste abzubauen. Auch wer<br />
als Ansprechpartner und Berater bei<br />
Wespenproblemen für Bürger arbeiten<br />
möchte, bekommt hier eine fundierte<br />
Wissensbasis vermittelt.<br />
Termin: Dienstag, 30. Mai 2006<br />
von 9.00 – 16.00 Uhr<br />
Kosten: 65 EUR<br />
Anmeldung bis Dienstag, 16. Mai 2006<br />
Weitere Informationen und Anmeldungen<br />
zu den Fortbildungen bei Dorothee Weber<br />
– Köhling, Umweltzentrum Westfalen<br />
GmbH, Tel.: 02389 980913<br />
� Ferienaktionen<br />
Gemeinsames Angebot der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
für den<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V., der Umweltzentrum<br />
Westfalen GmbH und der Jugendkunstschule<br />
der Stadt Bergkamen.<br />
� Landart für Kinder von 10 bis<br />
15 Jahren<br />
„... nichts wird für die Ewigkeit gemacht,<br />
sondern für den Augenblick.“:<br />
Bäume und Gräser, Steine und Sand,<br />
Wasser und Eis; Gestaltungsmaterial
kann alles sein, was die <strong>Natur</strong> zur<br />
jeweiligen Jahreszeit bietet. Vier Tage<br />
lang werden die Teilnehmer zu Künstlern<br />
in der <strong>Natur</strong>. Entwickelt werden<br />
kleine Kunstwerke aus allem, was die<br />
<strong>Natur</strong> zu bieten hat. Die Teilnehmer<br />
dringen immer weiter in die <strong>Natur</strong> vor<br />
und prüfen die vielfältigen Materialien<br />
auf Tauglichkeit für ihre Kunstwerke.<br />
Sie suchen geeignete Gestaltungsplätze,<br />
Räume, Zwischenräume und<br />
gestalten sie mit ihrer Fantasie. Das<br />
Ziel soll nicht ein möglichst perfektes<br />
Kunstwerk sein, vielmehr liegt der<br />
Schwerpunkt auf dem spielerischen<br />
Experimentieren.<br />
Termin: 18. – 21. April 2006<br />
Di – Do, 10.00 bis 16.00 Uhr,<br />
Fr., 10.00 bis 14.00 Ur<br />
Kosten: 50 EUR<br />
Anmeldung und weitere Informationen<br />
bei der Jugendkunstschule Bergkamen,<br />
Gereon Kleinhubbert, 02307 965463.<br />
� Mittelalterliches Leben in einem<br />
Prämonstratenserkloster<br />
Historisches Spiel für Kinder ab 8<br />
Jahren und Jugendliche: „Und vergib<br />
uns unsere Schuld...“. Wir denken uns<br />
das Jahr des Herrn 1123. In der Familie<br />
Gottfried von Cappenberg rumort<br />
es schon seit längerer Zeit. Gottfried<br />
trägt sich mit dem Gedanken der<br />
Welt zu entsagen und seine Burg in<br />
ein Prämonstratenserkloster umzuwandeln.<br />
Der Widerstand in seiner<br />
Familie, besonders von Seiten seines<br />
Bruders Odo, gegen dieses Vorhaben<br />
ist stark. Odo möchte das Erbe seines<br />
Bruders, der keine Söhne hat, antreten<br />
können und versucht, mit vielen<br />
Mitteln das Vorhaben seines Bruders<br />
zu verhindern.<br />
Nach einer heftigen Familienauseinandersetzung<br />
platzt der Knoten und<br />
Gottfried von Cappenberg verkündet,<br />
dass mit Hilfe des Bischofs von Münster<br />
die Burg Cappenberg zum Kloster<br />
wird. Ein gesandter Mönch leistet Hilfe<br />
bei der Umgestaltung der Bauten und<br />
AKTIONEN<br />
Wie man Feuer macht, ist eine Fertigkeit, die die Kinder während der Historischen<br />
Spiele lernen.<br />
bei der Einführung der Klosterregeln.<br />
Trotz des Widerstands von Odo, der<br />
zum Prior des Klosters wird, entfaltet<br />
sich langsam eine klösterliche Atmosphäre.<br />
Während einer morgendlichen Andacht<br />
schreckt ein grausiger Fund das<br />
klösterliche Leben jäh auf. Ein schreckliches<br />
Verbrechen ist geschehen!<br />
Termin: 3. – 7. Juli 2006<br />
Kosten: 95 EUR Teilnahme am Spiel<br />
230 EUR incl. Übernachtung<br />
Anmeldung und weitere Informationen<br />
beim Umweltzentrum Westfalen, Dorotheee<br />
Weber-Köhling unter der Telefonnummer<br />
02389 980913<br />
143
144<br />
NATUR DES JAHRES<br />
� Vogel des Jahres 2006<br />
Der Kleiber<br />
NABU und Landesbund für Vogelschutz<br />
(LBV) haben den Kleiber<br />
zum Vogel des Jahres 2006<br />
gekürt. Der Kleiber (Sitta europaea)<br />
steht stellvertretend für einen<br />
Lebensraum in Deutschland und<br />
Mitteleuropa, der ebenso unverzichtbar<br />
für viele andere Vögel wie<br />
Spechte, Meisen oder Greifvögel<br />
ist: Seine Wahl ist also ein Plädoyer<br />
für den Schutz von Buchen-<br />
und Eichenwäldern.<br />
Als Stimme unserer Wälder hört<br />
man die Männchen von Ende Dezember<br />
bis ins Frühjahr mit der lauten<br />
Pfeifstrophe „wi wi wi“ weithin rufen.<br />
Als einziger Vogel kann der Kleiber den<br />
Baumstamm kopfüber hinunterlaufen.<br />
Der Name beschreibt die „handwerkliche“<br />
Fähigkeit des Vogels, den Eingang<br />
der Bruthöhle durch „Kleibern“<br />
(Kleben) von Lehmkügelchen auf die<br />
eigene Körpergröße zu verkleinern.<br />
Mit zwölf bis 15 Zentimetern ist der<br />
Kleiber etwa so groß wie eine Kohlmeise.<br />
Typisch sind die kompakte Gestalt,<br />
der relativ große Kopf, das blaugraue<br />
Für den Menschen unverzichtbar: der<br />
Kleiber. Foto: NABU/M. Delpho<br />
Obergefieder sowie der schwarze<br />
Augenstreif von den Schultern bis zum<br />
langen spitzen Schnabel. Kleiber leben<br />
zur Vegetationszeit hauptsächlich von<br />
Insekten und Spinnen, zum Herbst hin<br />
auch von Samen verschiedener Laub-<br />
und Nadelbäume und von Sonnenblumen.<br />
Lieblingsnahrung der Kleiber<br />
sind allerdings Maden, weswegen sie<br />
auch oft Spechtmeisen genannt werden.<br />
Das Weibchen legt im April oder<br />
Mai sechs bis acht rotbraun gefleckte<br />
Eier. Verlässt der Vogel seine Nisthöhle<br />
auch nur für kurze Zeit, deckt<br />
er die Eier mit Blättern zu. Die Brut<br />
dauert im Schnitt zwischen 14 und<br />
15 Tagen, die Jungvögel bleiben nach<br />
dem Schlüpfen noch 22 bis 25 Tage im<br />
Nest. Beim Ausfliegen sind die jungen<br />
Kleiber schon sichere Flieger, die schon<br />
versuchen, ihr Revier zu gründen. Wie<br />
die Kleiber von Ende April bis Ende<br />
Mai brüten, kommt es vor, dass späte<br />
Fröste zum Tode der gesamten Brut<br />
führen.<br />
Der Kleiber ist in Europa, Asien und<br />
Nordwestafrika verbreitet. Allerdings<br />
lebt acht Prozent der europäischen<br />
Kleiberpopulation in Deutschland.<br />
Damit hat Deutschland eine zentrale<br />
Verantwortung für die Art und ihren<br />
Lebensraum mit höhlenreichen Altholzbeständen<br />
und strukturreichen,<br />
lichten Laub-, Laubmisch- und Nadelwäldern.<br />
Diese sind gleichzeitig ein<br />
Wasserspeicher und nehmen sehr viel<br />
Kohlendioxid aus der Luft auf.
� Fisch des Jahres<br />
Die Koppe<br />
Der Verband Deutscher Sportfischer<br />
(VDSF) und das Österreichische<br />
Kuratorium für Fischerei und<br />
Gewässerschutz (ÖKF) haben<br />
erstmals in einer gemeinsamen<br />
Aktion die gleiche Fischart zum<br />
Fisch des Jahres gewählt: die<br />
Koppe (Cottus gobio). Sie wollen<br />
mit der Wahl auf die Gefährdung<br />
dieser wenig bekannten, markanten<br />
und urigen Fischart hinweisen.<br />
In weiten Teilen Deutschlands zählt<br />
die Koppe zu den bedrohten Tierarten.<br />
Die Koppe (auch: Mühlkoppe oder<br />
Groppe) bewohnt sehr saubere, rasch<br />
fließende Bäche und kleinere Flüsse<br />
mit steinigem Grund, aber auch sommerkühle,<br />
sauerstoffreiche Seen. In<br />
den Bächen der Forellenregion lebt sie<br />
in einer Höhe von bis zu 2000 Meter<br />
über dem Meeresspiegel. Sie verbirgt<br />
sich tagsüber zwischen Steinen und<br />
Wasserpflanzen. In der Dämmerung<br />
jagt sie nach Insektenlarven, Bachflohkrebsen<br />
und Fischbrut. Mit ihrem<br />
großen Kopf und ihrem breiten Maul<br />
wirkt sie, trotz ihrer geringen Größe<br />
Die Koppe. Foto: Michel Roggo<br />
von zehn bis 15 Zentimetern, recht<br />
imposant. Dazu tragen auch die<br />
sehr großen fächerförmigen Brustflossen<br />
und zwei Rückenflossen mit<br />
Stachelstrahlen bei. Die Färbung des<br />
keulenförmigen Körpers ist bräunlich<br />
bis dunkelgrau, mit unregelmäßiger<br />
Marmorierung, was die Koppe in Ruhestellung<br />
auf steinigem Untergrund<br />
nahezu unsichtbar macht.<br />
Die Laichzeit fällt – je nach Gewässer<br />
– in die Zeit von Februar bis<br />
Mai. Das Weibchen legt dabei 100<br />
NATUR DES JAHRES<br />
bis 200 Eier unter Steinen oder in<br />
einer Art Laichgrube ab. Das Männchen<br />
bewacht das Gelege und sorgt<br />
durch Fächeln mit den Brustflossen<br />
für Frischwasserzufuhr bis die Larven<br />
geschlüpft sind. Nach dem Schlüpfen<br />
treiben sie mit dem Wasserstrom abwärts<br />
und wandern erst als Jungfische<br />
wieder den Bach aufwärts.<br />
Die Koppe ist sehr empfindlich<br />
gegenüber Verunreinigungen und<br />
kann deshalb als Bioindikator für die<br />
ökologische Qualität eines Gewässers<br />
angesehen werden. Intakte Koppenvorkommen<br />
weisen auf strukturreiche,<br />
naturnahe Fließgewässer mit hoher<br />
Wasserqualität hin. Vielerorts machen<br />
Uferverbau und der Einbau von Wehren<br />
in die Gewässerläufe eine Wiederbesiedlung<br />
früherer Wohngewässer<br />
unmöglich. Koppen gehören zu den<br />
Kurzdistanzwanderfischen. Bei ihren<br />
Aufwärtswanderungen stellen Barrieren<br />
im Bach ein großes Problem dar,<br />
weil sie als bodengebundene Fischart<br />
ohne Schwimmblase selbst Hindernisse<br />
von nur 10 bis 15 Zentimetern Höhe<br />
nicht überwinden kann.<br />
145
146<br />
� Baum des Jahres<br />
NATUR DES JAHRES<br />
Die Schwarz-Pappel<br />
Das Kuratorium Baum des Jahres<br />
hat die Schwarz-Pappel (Populus<br />
nigra) zum Baum des Jahres 2006<br />
ernannt.<br />
Einst Charakterart der Flussauen<br />
– heute vom Aussterben bedroht: Die<br />
Schwarz-Pappel gehört zur Familie<br />
der Weidengewächse und verdankt<br />
ihren Namen der dunklen Baumrinde.<br />
Sie wächst bis zu 35 Meter hoch, der<br />
Stamm kann zwei Meter dick werden.<br />
Die Blätter der Schwarz-Pappel<br />
erinnern in ihrer Form an ein Dreieck.<br />
Sie haben eine schmale, lange Spitze.<br />
Der Blattrand besitzt abgerundete,<br />
nach vorne zeigende Zähnchen.<br />
Die glänzend dunkelgrünen Blätter<br />
sind relativ groß, einige können bis<br />
zu neun Zentimeter lang werden.<br />
Die Schwarz-Pappel kommt fast in<br />
ganz Europa vor, mit Ausnahme von<br />
Skandinavien, Schottland, Irland und<br />
Nordrussland. Laut Kuratorium sind<br />
in Deutschland nicht mehr als 3.000<br />
Altbäume der Schwarz-Pappel sicher<br />
identifiziert. Der Baum soll nur noch<br />
in Reliktvorkommen an Rhein, Elbe<br />
und Oder vorkommen. Die ehemalige<br />
Charakterart der Flussauen ist so selten<br />
geworden, dass sie auf der Roten<br />
Liste bedrohter Pflanzenarten steht.<br />
Vor allem die Rodung von Flussauen<br />
und die Absenkung des Grundwassers<br />
zerstören den Lebensraum des imposanten<br />
Baumes, der bis zu 200 Jahre<br />
alt werden kann.<br />
Voraussetzung für die natürliche<br />
Verbreitung und Erhaltung der<br />
Schwarz-Pappel in den europäischen<br />
Flusssystemen, sind geeignete Biotope.<br />
Die von der Schwarzpappel besiedelten<br />
Standorte werden höchstens eine<br />
Baumgeneration gehalten. Danach<br />
gehen diese Standorte vor allem auf<br />
Grund des bei den regelmäßigen<br />
Überschwemmungen eingetragenen<br />
feinen Bodenmaterials (Sedimentation)<br />
in Hartholzaue über. Deshalb<br />
müssen für ein Überleben dieser Art<br />
geeignete Rohböden immer wieder<br />
neu entstehen.<br />
Die Weichholzauen gehören zu<br />
den am meisten gefährdeten Waldstandorten<br />
Mitteleuropas. In den<br />
vergangenen Jahrhunderten hat die<br />
Trockenlegung der Auenstandorte für<br />
Siedlung, Landwirtschaft, Industrie,<br />
Erholungseinrichtungen, Flussbegradigungen,<br />
Kanalisierung und Eindeichungen<br />
die Biotopfläche drastisch<br />
verringert. Aber auch der verstärkte<br />
Anbau von Hybridpappeln und anderen<br />
Baumarten aus ökonomischen<br />
Gründen hat zu dem Rückgang der<br />
Auenwälder und damit der Schwarz-<br />
Pappel beigetragen.<br />
Seit dem 17. Jahrhundert werden in<br />
Europa auch amerikanische Schwarz-<br />
Pappeln beziehungsweise Schwarzpappelhybriden<br />
angepflanzt, die aus<br />
Kreuzungen der amerikanischen mit<br />
der einheimischen Schwarzpappel hervorgegangen<br />
sind. Von den Schwarzpappelhybriden<br />
ist die heimische<br />
Schwarz-Pappel nur sehr schwer zu<br />
unterscheiden. Weltweit gibt es rund<br />
60 Pappelarten.<br />
Anmerkung<br />
Zur Situation der Schwarz-Pappel im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
siehe den Aufsatz „Die Schwarz-Pappel - Eine<br />
bedrohte Baumart im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>“ im <strong>Natur</strong><strong>report</strong>-Jahrbuch<br />
4: 53-57.
� Blume des Jahres<br />
Das Wiesen-Schaumkraut<br />
Die Stiftung <strong>Natur</strong>schutz Hamburg<br />
und Stiftung zum Schutze<br />
gefährdeter Pflanzen hat das<br />
Wiesen-Schaumkraut zur Blume<br />
des Jahres 2006 ernannt. Mit<br />
der Feuchtwiesenart Cardamine<br />
pratensis soll auf schleichende Gefährdungstendenzen<br />
aufmerksam<br />
gemacht werden. Hervorgerufen<br />
durch länderübergreifende Entwässerungsmaßnahmen(Eindeichung<br />
der Auenbereiche), aber<br />
auch durch regionale und örtliche<br />
Bewirtschaftungsmaßnahmen<br />
im Binnenland sind immer mehr<br />
Grünlandarten betroffen.<br />
Innerhalb der Kulturlandschaft<br />
kommen Bestände von Cardamine<br />
pratensis in unterschiedlichsten Biotopen<br />
vor: auf gedüngten Feuchtwiesen<br />
und -weiden, in Talauen, in Flachmooren,<br />
auf feuchten Stellen in Wäldern, in<br />
Uferbereichen, auf den feucht- frischen<br />
Wiesen- und Rasenflächen in Grünanlagen<br />
und Gärten. Cardamine pratensis<br />
gehört zur Pflanzenfamilie der Kreuzblütler<br />
(Brassicaceae/ Cruciferae), die<br />
weltweit mit 350 Pflanzengattungen<br />
verbreitet ist. Die bis zu 60 Zentimeter<br />
hohe Feuchtwiesenart besitzt bodennah<br />
rosettenartige Grundblätter und<br />
unpaarig gefiederte Teilblättchen im<br />
Das Wiesenschaumkraut ist essbar.<br />
Foto: Stiftung <strong>Natur</strong>schutz Hamburg<br />
NATUR DES JAHRES<br />
oberen Stängelabschnitt. Der hohle<br />
Stängel ist fast rund, die Blütenstände<br />
blasslila, -rosa oder weiß. Die Blüten<br />
sind sehr nektarreich und werden<br />
durch zahlreiche Insekten wie zum Beispiel<br />
den Aurora-Falter (Anthocharis<br />
cardamines) angeflogen, weil dessen<br />
Raupen sich gern von dem Pflanzensaft<br />
des Schaumkrautes ernähren. Die<br />
Pflanzensamen befinden sich in einer<br />
Schote, welche bei Reife aufspringt.<br />
Wenn die grundständigen Blätter des<br />
Wiesen-Schaumkrautes feuchten Boden<br />
berühren, dann passiert es sehr<br />
oft, dass sich an den Ansatzstellen<br />
der Fiederblättchen wurzelnde Brutknospen<br />
bilden, die zu selbständigen<br />
Pflanzen heranwachsen (vegetative<br />
Selbstverbreitung). Das Wiesen-<br />
Schaumkraut ist essbar. Es hat einen<br />
leicht scharfen, würzigen und bitteren<br />
Geschmack. Auch als Hausmittel findet<br />
die Pflanze Anwendung: Wiesen-<br />
Schaumkraut-Tee gilt als Heilmittel<br />
gegen Rheuma. Außerdem wird ihm<br />
eine belebende Wirkung nachgesagt<br />
und enthält Senfölglykoside, Bitterstoffe<br />
und Vitamin C.<br />
147
148<br />
� Pilz des Jahres<br />
NATUR DES JAHRES<br />
Der Ästige Stachelbart<br />
Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie<br />
(DGfM) hat den Ästigen<br />
Stachelbart zum „Pilz des Jahres<br />
2006“ gewählt, um auf eine seltene<br />
und gefährdete Pilzart hinzuweisen,<br />
deren Lebensraum – alte<br />
Buchenwälder – geschützt werden<br />
sollte. Der Ästige Stachelbart (Hericium<br />
coralloides) beeindruckt vor<br />
allem durch sein exotisch anmutendes<br />
Äußeres. Bizarr geformt,<br />
unendlich verzweigt und blendend<br />
weiß, könnte man den Stachelbart<br />
eher für eine Südseekoralle halten.<br />
Der Ästige Stachelbart erreicht<br />
einen Durchmesser von über 20 Zentimetern.<br />
Er entspringt einem dicken<br />
Strunk, verzweigt sich in immer feinere<br />
Äste, an denen sich seine Sporen bilden.<br />
Jedes kleine Ästchen bildet Hunderte<br />
davon. Sie sind es, die wiederum<br />
an alten Buchen auskeimen, im Holz<br />
ein feines Geflecht entwickeln – das<br />
Myzel – und so den Stamm vermorschen<br />
lassen. Erst in der letzten Phase<br />
der Holzzersetzung bilden sich die<br />
Fruchtkörper des Ästigen Stachelbartes,<br />
also die besagte Koralle.<br />
Er ernährt sich saprotroph, wächst<br />
also nur auf totem Holz und schädigt<br />
damit nicht die lebende Buche. Vielmehr<br />
trägt er dazu bei, den organischen<br />
Abfall des Waldes zu beseitigen<br />
und bereitet damit auch für andere<br />
Organismen einen Lebensraum: Für<br />
Insekten, die im morschen Holz leben<br />
oder für Spechte, die dort leichter ihre<br />
Höhle zimmern können.<br />
Mit dem Verschwinden alter Buchen<br />
engt sich logischerweise auch<br />
sein Vorkommen ein. Zusätzlich muss<br />
er sich gegen seine Konkurrenten,<br />
den Zunderschwamm und den Flachporling,<br />
wehren. Aus diesem Grund<br />
ist sein Vorkommen in Deutschland<br />
stark gefährdet; nur in Regionen mit<br />
alten Buchenbeständen auf nicht zu<br />
trockenen Böden kann man ihm noch<br />
etwas häufiger begegnen – wie zum<br />
Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern.<br />
Die heutigen waldbaulichen Maßnah-<br />
men, die unsere Fichtenmonokulturen<br />
durch Zwischenpflanzen von Buchen<br />
in Mischwälder umgestalten, werden<br />
dem Ästigen Stachelbart künftig<br />
bessere Lebensräume ermöglichen.<br />
Allerdings erst in mehr als 100 Jahren<br />
– dann, wenn die heute gepflanzten<br />
Buchen das nötige Alter erreicht<br />
haben. Deswegen gilt: Absterbende<br />
Buchen nach Möglichkeit stehen<br />
lassen, um dem Ästigen Stachelbart<br />
und anderen Pilzen und Organismen<br />
geeigneten Lebensraum zu erhalten!<br />
Vielleicht kann der Ästige Stachelbart<br />
wie seine Schwesterart – der<br />
Igelstachelbart, auch Affenkopfpilz<br />
genannt – in Zukunft medizinisch genutzt<br />
werden. Die traditionelle chinesische<br />
Medizin setzt den Affenkopfpilz<br />
bereits ein.<br />
Wer weiß, vielleicht wird der Ästige<br />
Stachelbart eines Tages kultiviert und<br />
angebaut, um aus ihm Inhaltsstoffe<br />
und antitumorakitve Substanzen zu<br />
gewinnen, die kranken Menschen<br />
helfen, gesund zu werden.
� Orchidee des Jahres<br />
Die Breitblättrige Stendelwurz<br />
Der Arbeitskreis Heimischer Orchideen<br />
(AHO) hat die Breitblättrige<br />
Stendelwurz (Epipactis helleborine)<br />
zur Orchidee des Jahres 2006<br />
gewählt. Er will damit auf die<br />
Verschlechterungen der Lebensräume<br />
selbst recht häufiger Arten<br />
wie die Breitblättrige Stendelwurz<br />
hinweisen.<br />
Tatsächlich gehört die Breitblättrige<br />
Stendelwurz zu den in der Fläche am<br />
weitesten verbreiteten Orchideen. In<br />
Deutschland kommt sie von der Küste<br />
bis zu den Alpen in fast allen Regionen<br />
vor. In Sachsen allerdings werden die<br />
Bestände als gefährdet eingestuft und<br />
auch in der norddeutschen Tiefebene<br />
und in Schleswig-Holstein verzeichnet<br />
man laut AHO Rückgänge. Das Gesamtareal<br />
bedeckt Europa mit Ausnahme<br />
des Polarkreises, Teile Nordafrikas<br />
sowie Klein- und Vorderasien bis nach<br />
Pakistan an den Rand des Himalaya,<br />
weiter nördlich bis Zentralsibirien.<br />
Im Vergleich zu anderen Orchideen<br />
ist die Breitblättrige Stendelwurz recht<br />
wenig spezialisiert. Sie verträgt mehr<br />
Bei der Breitblättrigen Stendelwurz<br />
kann ein Blütenstand aus bis zu 80 Einzelblüten<br />
bestehen. Foto: Margenburg<br />
Nährstoffe im Boden und kommt mit<br />
weniger Licht aus als die meisten heimischen<br />
Erdorchideen. Hauptlebensraum<br />
sind Laub- und Mischwälder aller Art,<br />
vor allem Buchen- und Hainbuchenwälder;<br />
oft wächst sie an lichten Waldwegen.<br />
Selbst in Nadelholzbestände<br />
dringt die Breitblättrige Stendelwurz<br />
gelegentlich ein, am anderen Rand des<br />
NATUR DES JAHRES<br />
Spektrum gibt es zudem Wuchsorte<br />
auf Trockenrasen. Auch in Parks und<br />
parkähnlichen Friedhöfen findet man<br />
sie gelegentlich.<br />
Die Breitblättrige Stendelwurz<br />
– auch als Breitblättrige Sumpfwurz<br />
oder Breitblättriger Sitter bekannt<br />
– wird im Normalfall etwa 80 Zentimeter<br />
groß, kann auf reichen Standorten<br />
aber auch mehr als einen Meter<br />
Höhe erreichen. Namensgebend<br />
sind die kräftigen, breitblättrigen<br />
und dunkelgrünen Blätter, wobei die<br />
mittleren Blätter am größten werden.<br />
Die Blütenstände tragen ungefähr 15<br />
bis 80 Einzelblüten. Diese wiederum<br />
haben die typische Form der meisten<br />
heimischen Orchideen mit drei äußeren<br />
und drei inneren Blütenblättern.<br />
Das zentrale innere Blütenblatt ist zu<br />
einer großen Lippe umgebildet. Die<br />
Blütenblätter sind außen grünlich,<br />
innen mehr oder minder stark rötlich<br />
oder purpurn überlaufen.<br />
Die enormen Unterschiede der<br />
Erscheinungsform und der Standorte<br />
führen unter Botanikern immer wieder<br />
zu Diskussionen, ob es sich denn<br />
149
150<br />
NATUR ERLEBEN<br />
wirklich um die gleiche Art handelt.<br />
Gelegentlich werden Unterarten, Varietäten<br />
oder sogar ganz neue Arten<br />
benannt. Erschwerend kommt hinzu,<br />
dass allgemein zwischen den heimischen<br />
Orchideen-Arten nur geringe<br />
genetische Fortpflanzungsbarrieren<br />
existieren. Bastarde zwischen zwei<br />
Arten, so genannte Hybride, gibt es<br />
deshalb zuhauf.<br />
Wie von auch anderen Waldorchideen<br />
oder der Türkenbundlilie bekannt,<br />
werden Stendelwurz-Pflanzen<br />
gerne von Rehen verbissen, so dass<br />
nur ein kleiner Teil zur Blüte kommt.<br />
Die vergleichsweise späte Blütezeit<br />
des Breitblättrigen Stendelwurz reicht<br />
von Anfang Juli bis Ende August. Der<br />
Blütenstaub ist in Pollenpaketen versammelt.<br />
Schlüpfen Insekten auf der<br />
Suche nach Nektar in die Blüte, heften<br />
sich die mit Klebescheiben versehenen<br />
Pollenpakete auf deren Rücken oder<br />
Kopf. Besuchen die Insekten – bei<br />
der Breitblättrigen Stendelwurz meist<br />
Wespen – dann die nächste Blüte,<br />
tragen sie den Pollen genau zur Narbe<br />
und die Befruchtung findet statt. Nach<br />
Ausreifen des kapselartigen Fruchtstandes<br />
wird der staubfeine Samen<br />
vom Wind bis zu zehn Kilometer weit<br />
verbreitet. Da die Samen keinerlei<br />
Nährstoffvorräte mit sich tragen, sind<br />
sie zur erfolgreichen Keimung auf bestimmte<br />
Pilze angewiesen, mit denen<br />
sie eine Symbiose eingehen. Die Pilze<br />
versorgen die Samen mit Wasser und<br />
Nährsalzen. Bis daraus blühfähige Orchideen<br />
erwachsen, vergehen Jahre.<br />
Anmerkung<br />
Zur Situation im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> siehe auch „Epipactis<br />
helleborine: Eine Orchidee mit Zukunft“.<br />
In: <strong>Natur</strong><strong>report</strong>-Jahrbuch 1: 85-86
Verzeichnis der Autoren<br />
Arbeitskreise Heimische Orchideen,<br />
Kletterberggürtel 13, 50939<br />
Köln.<br />
Carola Bartelheimer ist Mitarbeiterin<br />
des Bildungs- und Begegnungszentrums<br />
Oase Stentrop.<br />
Anschrift: Stentroper Weg 31, 58730<br />
Fröndenberg-Stentrop.<br />
Karin Baumann ist Diplom-Oecothrophologin<br />
und Umweltberaterin<br />
der Verbraucherzentrale NRW, Beratungsstelle<br />
<strong>Unna</strong>. Anschrift: Rathausplatz<br />
21, 59423 <strong>Unna</strong>.<br />
Heinrich Behrens ist Schulleiter<br />
an der Geschwister-Scholl-Gesamtschule<br />
in Lünen. Anschrift: Gerberweg<br />
1, 59174 Kamen.<br />
Rolf Böttger ist Diplom-Biologe<br />
und Mitarbeiter im Umweltamt der<br />
Stadt <strong>Unna</strong>. Anschrift: Klosterstr. 12,<br />
59425 <strong>Unna</strong>.<br />
Dietrich Büscher ist Regierungsdirektor<br />
bei der Bezirksregierung<br />
Arnsberg (Abteilung Bergbau und Energie<br />
in NRW), Leiter der floristischen<br />
Kartierung des mittleren Westfalens<br />
(ehemals als Regionalstellenleiter<br />
Ruhrgebiet-Ost) sowie der Botanischen<br />
Arbeitsgemeinschaft mittleres<br />
Westfalen mit dem östlichen Ruhrgebiet.<br />
Anschrift: Callenbergweg 12,<br />
44369 Dortmund.<br />
Deutsche Gesellschaft für Mykologie<br />
(DGfM), Informations- und<br />
Pressewart Heinz Ebert. Anschrift:<br />
Kierweg 3, 54558 Mückeln (Eifel).<br />
Sabine Döring ist Ansprechpartnerin<br />
des Vereins landaktiv. Anschrift:<br />
Osterkämpe 20, 59427 <strong>Unna</strong>.<br />
Jutta Eickelpasch ist Diplom-<br />
Oecotrophologin und arbeitet als<br />
Abfall- und Umweltberaterin bei der<br />
Verbraucherzentrale NRW, Beratungsstelle<br />
Kamen. Anschrift: Kirchstr. 7,<br />
59174 Kamen.<br />
Dr. Hans Jürgen Geyer ist Wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter bei der<br />
AUTOREN<br />
Arbeitsgemeinschaft Biologischer<br />
Umweltschutz im <strong>Kreis</strong> Soest e. V.;<br />
Anschrift: Möllerstr. 24, 59555 Lippstadt.<br />
Corinna Glück ist Redakteurin der<br />
Agentur Mediakom. Anschrift: Friedrich-Ebert-Straße<br />
19, <strong>Unna</strong>.<br />
Heinz Herkenrath ist Träger des<br />
Umweltpreises der Gemeinde Holzwickede,<br />
Ehrenmitglied des <strong>Kreis</strong>verbandes<br />
<strong>Unna</strong> des Deutschen Bundes für<br />
Vogelschutz und des Historischen Vereins<br />
<strong>Unna</strong>. Er war Ortsheimatpfleger<br />
für Holzwickede. Anschrift: Rausinger<br />
Str. 45, 59439 Holzwickede.<br />
Ludwig Holzbeck ist Dipl. Ingenieur<br />
und Bauassessor, Geschäftsführer<br />
der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft sowie<br />
Leiter des Fachbereichs <strong>Natur</strong> und<br />
Umwelt des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>. Anschrift:<br />
Platanenallee 16, 59425 <strong>Unna</strong>.<br />
Helmut July ist Landschaftswächter<br />
in Bergkamen. Anschrift: Am Wiehagen<br />
18, 59192 Bergkamen.<br />
151
152 AUTOREN<br />
Kuratorium „Baum des Jahres,<br />
c/o Bund deutscher Baumschulen<br />
(BdB) e. V. Anschrift: Kneippstraße 15,<br />
95615 Marktredwitz.<br />
Elke Kieninger ist Redakteurin<br />
der Agentur Mediakom. Anschrift:<br />
Friedrich-Ebert-Straße 19, <strong>Unna</strong>.<br />
Astrid Linn ist Dipl.-Ingenieurin<br />
Raumplanung, Bauassessorin und<br />
Referentin für Stadtentwicklung in<br />
der Stadt Lünen. Anschrift: Rathaus<br />
Lünen, Willy-Brandt-Platz 1, 44530<br />
Lünen.<br />
Götz H. Loos ist Dipl.-Geograph,<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter an<br />
der Biologischen Station Westliches<br />
Ruhrgebiet und Doktorand an der<br />
Ruhr-Universität Bochum. Anschrift:<br />
Biologische Station Westliches Ruhrgebiet<br />
e. V., Ripshorster Str. 306, 46117<br />
Oberhausen.<br />
Michael Makiolla, Jurastudium<br />
in Bonn, 1987 bis 1990 persönlicher<br />
Referent und Pressesprecher des Regierungspräsidenten<br />
Arnsberg, 1990<br />
bis 2004 Sozial- und Kulturdezernent<br />
des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>, 2000 bis 2004 <strong>Kreis</strong>direktor,<br />
seit Oktober 2004 Landrat<br />
des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>. Anschrift: Friedrich-<br />
Ebert-Straße, 59425 <strong>Unna</strong>.<br />
Bernd Margenburg ist Diplom-<br />
Physiker, Vorsitzender des NABU<br />
<strong>Kreis</strong>verbandes <strong>Unna</strong>, stellvertretender<br />
Vorsitzender der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> und<br />
<strong>Kreis</strong>beauftragter für Orchideenschutz<br />
des Arbeitskreises Heimische Orchideen<br />
Nordrhein-Westfalen für den<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>. Anschrift: Auf der Klause<br />
5, 59192 Bergkamen.<br />
Birgit Manz ist Diplom-Ingenieurin<br />
für Landespflege und in der Geschäftsführung<br />
der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft.<br />
Anschrift: Westenhellweg<br />
110, 59192 Bergkamen.<br />
Karin Margenburg ist Diplom-<br />
Geographin, u.a. tätig in der Botanik-<br />
AG des NABU-<strong>Kreis</strong>verbandes <strong>Unna</strong>,<br />
Angestellte am Amt für Agrarordnung<br />
Soest mit dem Zuständigkeitsgebiet<br />
Vertragsnaturschutz; Anschrift: Auf<br />
der Klause 5, 59192 Bergkamen.<br />
Adrian Mork ist Dipl.-Ingenieur<br />
für Raumplanung sowie ehemaliger<br />
Leiter und Gründer der <strong>Natur</strong>schutzjugend<br />
Schwerte im NABU. Anschrift:<br />
An der Körne 6, 59174 Kamen.<br />
<strong>Natur</strong>schutzbund Deutschland<br />
e.V. (NABU), Herbert-Rabius-Straße<br />
26, 53225 Bonn.<br />
Heike Niemand ist <strong>Natur</strong>pädagogin<br />
und Erzieherin in der Kindertagesstätte<br />
Oase in Fröndenberg. Anschrift:<br />
Schröerstr. 13, 58730 Fröndenberg.<br />
Dr. Klaus Reuter ist Geschäftsführer<br />
der Landesarbeitsgemeinschaft<br />
Agenda 21 NRW e.V. (LAG21 NRW).<br />
Die LAG21 NRW versteht sich als<br />
landesweite Aktionsplattform und<br />
als Verbindungsmitglied zwischen<br />
Agenda-Akteuren, Politik und Öffentlichkeit,<br />
für soziale und ökonomische<br />
Gerechtigkeit sowie ökologische Ausgeglichenheit.<br />
Anschrift: Berliner Platz<br />
12, 58638 Iserlohn.<br />
Horst Schenkel ist Arbeitskreissprecher<br />
der Fachgruppe <strong>Natur</strong> &<br />
Heimatkunde – Umweltschutz im NFD<br />
„NATURFREUNDE“ Landesverband<br />
NRW e.V., aktives NABU-Mitglied<br />
und Landschaftswächter bei der Stadt<br />
Hamm. Anschrift: Hülshoffstraße 17,<br />
59071 Hamm.<br />
Dr. Joachim Schmidt ist Diplom-<br />
Geograph und Leiter des Bereichs<br />
Umwelt bei der Stadt <strong>Unna</strong>. Anschrift:<br />
Klosterstr. 12, 59423 <strong>Unna</strong>, E-Mail:<br />
joachim.schmidt@stadt-unna.de.<br />
Wolfgang Schürings ist Inhaber<br />
von raum+LUFT und seit zehn Jahren
in der Lüftungs- und Umwelttechnik<br />
tätig. Er ist Mitglied in verschiedenen<br />
Fachverbänden, wie z.B. Fachverband<br />
Luftdichtung im Bauwesen e.V. Kassel.<br />
Anschrift: raum+LUFT Lünenerstr. 70,<br />
59379 Selm.<br />
Schutzgemeinschaft Deutsches<br />
Wild (SDWi), Godesberger<br />
Allee 108-112, 53175 Bonn.<br />
Stiftung <strong>Natur</strong>schutz Hamburg,<br />
Steintorweg 8, 20099 Hamburg.<br />
Sebastian Sczepanski ist Mitarbeiter<br />
des Arbeitskreises Heimische<br />
Orchideen Nordrhein-Westfalen und<br />
des NABU <strong>Kreis</strong>verband <strong>Unna</strong> e.V. Anschrift:<br />
Oststraße 32, 59174 Kamen.<br />
Verband Deutscher Sportfischer<br />
(VDSF), Siemensstraße 11-13,<br />
63071 Offenbach.<br />
Dr. Johannes Spruth ist Energieberater<br />
bei der Verbraucherzentrale<br />
in Arnsberg. Anschrift: Burgstraße 5,<br />
59755 Arnsberg.<br />
Barbara Streich ist zuständig<br />
für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />
der LA21-Gruppe Umwelt- und <strong>Natur</strong>schutz/Landwirtschaft.<br />
Anschrift:<br />
Eberhardstr. 3, 58730 Fröndenberg.<br />
Jutta Sucker ist Grafik-Designerin<br />
und Künstlerin, seit 1996 freiberuflich<br />
tätig und landaktiv-Mitglied. Anschrift:<br />
Platanenallee 11, 59425 <strong>Unna</strong>.<br />
AUTOREN<br />
Matthias Tresp ist Diplom-Verwaltungswirt<br />
und beim <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>,<br />
Fachbereich <strong>Natur</strong> und Umwelt tätig.<br />
Er ist für die Aufgabenbereiche<br />
Geschäftsführung <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
und Lokale Agenda 21<br />
zuständig. Anschrift: Platanenalle 16,<br />
59425 <strong>Unna</strong>.<br />
Dorothee Weber-Köhling organisiert<br />
den umweltpädagogischen Bereich<br />
des Umweltzentrums Westfalen.<br />
Anschrift: Westenhellweg 110, 59192<br />
Bergkamen.<br />
Klaus-Günter Zander ist Diplom-<br />
Geograph und hat sich auf das Thema<br />
Landschaftsökologie spezialisiert. Er<br />
lebt in Dortmund.<br />
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