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Natur report - Kreis Unna

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<strong>Natur</strong><br />

<strong>report</strong><br />

Band 10 2006<br />

Schwerpunkt-<br />

Thema:<br />

Nachhaltiges<br />

Leben im <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong><br />

Jahrbuch der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V.


<strong>Natur</strong> <strong>report</strong><br />

Jahrbuch der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />

für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V.<br />

Ausgabe 10 • 2006<br />

3


4<br />

Jahrbuch der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für<br />

den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V.<br />

Ausgabe 10 • 2006<br />

ISSN 1438-4906<br />

ISBN 3-9803244-6-8<br />

Erscheinungstermin: März 2006<br />

Herausgeber: <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />

für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V., Westenhellweg 110,<br />

59192 Bergkamen<br />

Vorsitzender: Walter Teumert<br />

Redaktion und Realisierung: MediaKom<br />

– Medien- und Kommunikationsberatung<br />

Thomas Horschler mbH, <strong>Unna</strong><br />

Zitiervorschlag: <strong>Natur</strong><strong>report</strong> 2006, Jb. <strong>Natur</strong>förderungsges.<br />

<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

Wenn nicht anders angegeben, stammen die<br />

Fotos und Abbildungen in den Beiträgen von<br />

den Autoren.<br />

Die in den Aufsätzen vertretenen Meinungen<br />

müssen nicht unbedingt der Meinung der<br />

Mitglieder der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />

oder der Redaktion entsprechen. Die Autoren<br />

sind für den Inhalt ihrer Aufsätze selbst<br />

verantwortlich.


INHALT<br />

Inhalt ................................................................................................................................. 5<br />

Vorwort ............................................................................................................................. 7<br />

Nachhaltigkeit im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

Nachhaltigkeit, ein Markenname mit Zukunft, Dr. Klaus Reuter ......................................... 9<br />

Der Begriff „Nachhaltigkeit” und der vieldeutige Umgang damit, Heinrich Behrens ........ 15<br />

Nachhaltigkeit – Geschichte eines Plastikwortes, Adrian Mork ........................................ 17<br />

Nachhaltigkeit in der Praxis am Beispiel des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>, Michael Makiolla ................... 21<br />

Nachhaltige Siedlungsflächenentwicklung in Lünen, Astrid Linn ...................................... 28<br />

Agenda im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

„Für <strong>Unna</strong> handeln! – Der Hellweg und die weite Welt”, Dr. Joachim Schmidt ................ 33<br />

Versuch einer Darstellung am Beispiel der Fröndenberger<br />

LA 21-Gruppe, Barbara Streich ........................................................................................ 38<br />

Es ist angerichtet – Augenschmaus und Gaumenfreuden, Carola Bartelheimer ................ 43<br />

Beispiele aus der Praxis – für die Praxis, Jutta Eickelpasch ................................................ 45<br />

Mit den Sinnen die Umwelt erleben, Rolf Böttger ............................................................ 48<br />

Regionale Lebensmittel – Ein Weg, der sich lohnt?!, Karin Baumann ............................... 51<br />

Landaktiv – das vielseitige Dienstleistungsangebot vom Bauernhof, Sabine Döring ......... 54<br />

Nachhaltiges Leben<br />

Mit Spiel und Spaß die <strong>Natur</strong> entdecken und lieben lernen, Dorothee Weber-Köhling ..... 57<br />

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr?!, Heike Niemand ........................... 59<br />

„...während sich das Ganze zu einem wunderbaren Gewebe<br />

zusammenfügt”, Elke Kieninger ....................................................................................... 62<br />

Bauen & Wohnen<br />

Chancen und Potentiale einer energetischen Altbausanierung, Dr. Johannes Spruth ........ 65<br />

Gut gelüftet und gut abgedichtet – Lufttechnische Sanierung<br />

im Bestand, Wolfgang Schürings ..................................................................................... 79<br />

Wer renoviert oder saniert, spart hohe Energiekosten, Matthias Tresp ............................ 85<br />

5


6 INHALT<br />

Personen<br />

„Es geht immer um <strong>Natur</strong> und Landschaft”, Corinna Glück ............................................. 88<br />

<strong>Natur</strong> erleben<br />

Beiträge zur Organismenwelt des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> IV, Götz H. Loos,<br />

Bernd Margenburg, Karin Margenburg, Sebastian Sczepanski, Hans-Jürgen Geyer .......... 90<br />

Die Situation der Salzpflanzenflora im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, Götz H. Loos, Dietrich Büscher .......... 98<br />

Beobachtungen zur Begleitflorendiversität im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, Götz H. Loos,<br />

Klaus-Günter Zander ......................................................................................................110<br />

Neues aus der Orchideenwelt des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>, Bernd Margenburg,<br />

Sebastian Sczepanski ..................................................................................................... 122<br />

Die Schnepfe – ein Name, der oft missbraucht wird, Helmut July .................................. 125<br />

Die „Vögel des Glücks” auf Reisen, Horst Schenkel ....................................................... 130<br />

Ein etwas anderer Beitrag zur Nachhaltigkeit, Heinz Herkenrath .................................... 135<br />

Aktionen<br />

Wohltuende Kraft der Farben und Formen, Jutta Sucker ............................................... 136<br />

<strong>Natur</strong>schutz „under construction”, Ludwig Holzbeck .................................................... 138<br />

Veranstaltungen auf der Ökologiestation des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> 2006, Birgit Manz .............. 142<br />

<strong>Natur</strong> des Jahres<br />

Der Kleiber .................................................................................................................... 144<br />

Die Koppe ..................................................................................................................... 145<br />

Die Schwarz-Pappel ....................................................................................................... 146<br />

Das Wiesen-Schaumkraut .............................................................................................. 147<br />

Der Ästige Stachelbart ................................................................................................... 148<br />

Die Breitblättrige Stendelwurz ....................................................................................... 149<br />

Verzeichnis der Autoren ..................................................................................................151


� Der Begriff der „Nachhaltigkeit“<br />

Es gibt noch viel zu tun,<br />

machen wir also verstärkt weiter!<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

wie oft sagen wir: „Ab jetzt<br />

ändere ich mein Verhalten und<br />

tue mehr für die Umwelt und die<br />

nachfolgenden Generationen.“<br />

Wie oft haben wir ein schlechtes<br />

Gewissen, wenn wir feststellen<br />

müssen, wir tun es doch nicht?<br />

Wir rechtfertigen uns häufig<br />

damit, dass es andere auch nicht<br />

tun, statt uns an denen zu orientieren,<br />

die es bereits tun und<br />

Erfolge verbuchen können.<br />

Es ist fünf vor zwölf. Umweltkatastrophen<br />

wie der Tsunami in Südost-<br />

asien und der Hurrikan „Katrina“ in<br />

den USA sind Beispiele dafür. Dabei ist<br />

das Schlagwort Nachhaltigkeit in aller<br />

Munde. Aber was bedeutet es überhaupt?<br />

Die vorliegende Ausgabe des<br />

Jahrbuches der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />

für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V. (NFG)<br />

nimmt den Begriff der Nachhaltigkeit<br />

genau unter die Lupe, betrachtet ihn<br />

aus verschiedenen Perspektiven und<br />

dokumentiert ebenso die Aktivitäten<br />

Walter Teumert, Vorsitzender der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />

für den <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> e.V.<br />

im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> – und mit ihnen kann<br />

sich meiner Ansicht nach die Region<br />

durchaus sehen lassen. Was nicht<br />

heißen soll, dass wir jetzt die Hände<br />

in den Schoß legen können.<br />

Die Fülle der vorliegenden Beiträge<br />

verdeutlicht, wie vielfältig und leben-<br />

VORWORT<br />

dig dieses Thema ist, das nach den<br />

Weltgipfeln in Rio de Janeiro von 1992<br />

und 2002 erneut eine ganz andere<br />

Bedeutung erhielt. Dr. Klaus Reuter<br />

etwa stellt in seinem Beitrag mit dem<br />

Titel „Nachhaltigkeit, ein Markenname“<br />

u.a. die Frage, ob die Ziele der<br />

Nachhaltigkeit im alltäglichen Handeln<br />

verankert sind und auf allen staatlichen<br />

Ebenen in konkretes Handeln<br />

umgesetzt werden. Während Heinrich<br />

Behrens den Begriff der Nachhaltigkeit<br />

aus philosophischer Sicht betrachtet,<br />

beleuchtet ihn Landrat Michael Makiolla<br />

aus kommunaler Sicht. Die Überlegungen<br />

des Landrats widmen sich<br />

der Stärkung nachhaltigen Handelns<br />

im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>.<br />

Die dann folgenden spannenden<br />

Beiträge befassen sich mit praktischen<br />

Beispielen aus der Agenda im<br />

<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> – der Fröndenberger LA<br />

21-Gruppe, dem Stadtökologischen<br />

Erlebnispfad in <strong>Unna</strong>, regionalen<br />

Lebensmitteln oder Dienstleistungsangeboten<br />

direkt vom Bauernhof und<br />

anderen mehr. Ganz frei nach dem<br />

Motto „Früh übt sich“ folgt ein Ex-<br />

7


8 VORWORT<br />

kurs zur Umwelterziehung – ebenfalls<br />

aus verschiedenen Blickrichtungen<br />

betrachtet.<br />

Über das Schwerpunktthema hinaus<br />

widmet sich der <strong>Natur</strong><strong>report</strong> auch<br />

in diesem Jahr wieder einer Reihe<br />

weiterer Bereiche – unter anderem<br />

können wir etwas über nachhaltiges<br />

Bauen und Wohnen erfahren. Verschiedene<br />

Beiträge nehmen uns mit<br />

auf eine Reise durch Wald, Wiesen<br />

und Gärten. Dabei machen wir nicht<br />

nur Bekanntschaft mit der Salzpflanzenflora<br />

und mit Orchideen, sondern<br />

auch mit Schnepfen, Kranichen und<br />

Gartenvögeln.<br />

An dieser Stelle möchte ich noch<br />

erwähnen, dass der „<strong>Natur</strong><strong>report</strong>“<br />

ein offenes Diskussionsforum ist und<br />

die Beiträge die Meinung der Autoren<br />

widerspiegeln. Ohne diese Offenheit<br />

hätte unsere Arbeit schließlich nicht<br />

den Stellenwert erreichen können,<br />

den sie sich in der Vergangenheit erarbeitet<br />

hat.<br />

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen<br />

eine anregende – und selbstverständlich<br />

auch nachhaltige – Lektüre.<br />

Walter Teumert<br />

Vorsitzender der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />

für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>


� Ein Blick zurück und nach vorne<br />

Nachhaltigkeit,<br />

ein Markenname mit Zukunft<br />

Futurekids – junge Teilnehmer der Renewables 2004. Foto: LAG21<br />

von Klaus Reuter<br />

Nachhaltigkeit umschreibt nur<br />

unzureichend die Lösungsansätze,<br />

die von den Weltgipfeln 1992 in<br />

Rio de Janeiro und 2002 in Johan-<br />

nesburg als umfassende globale<br />

Ziele und Leitbilder unter dem Begriff<br />

„sustainable development“<br />

zusammengefasst wurden.<br />

Basierend auf einer Analyse der<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

ökonomischen, sozialen und ökologischen<br />

Situation, in der sich die Welt im<br />

ausgehenden 20. Jahrhundert befand,<br />

haben sich die Staatengemeinschaft<br />

und Nicht-Regierungs-Organisationen<br />

(NRO) auf ein Handlungsprogramm<br />

9


10 NACHHALTIGKEIT<br />

geeinigt, das als Leitbild einer zukunftsgerechten<br />

oder auch nachhaltigen<br />

Entwicklung verstanden werden<br />

sollte.<br />

Ein wichtiger Schritt der Definition<br />

von Nachhaltigkeit war der Bericht<br />

der Brundlandt-Kommission von 1987.<br />

Kurz gesagt, wird dort die intertemporale<br />

Verantwortung der heute<br />

lebenden Generation eingefordert.<br />

Die jeweils lebenden Generationen<br />

dürfen mit ihren Lebensstilen und<br />

Wirtschaftsweisen die Chancen und<br />

die Lebensqualität der zukünftigen<br />

Generationen nicht einschränken.<br />

Heute ist das so genannte Drei-Säulen-Konzept<br />

am populärsten: Nachhaltigkeit<br />

liegt vor, wenn ökologische<br />

Funktionalität, ökonomische Effizienz<br />

und soziale Verantwortung gleichzeitig<br />

erreicht sind.<br />

Nach 13 Jahren des Prozesses stellt<br />

sich die Frage, ob diese Ziele im alltäglichen<br />

Handeln verankert sind und<br />

in konkretes Handeln auf allen staatlichen<br />

Ebenen umgesetzt werden?<br />

Wer die hinteren Seiten einer Tageszeitung<br />

aufschlägt, möchte meinen,<br />

dass die Probleme dieser Welt eher<br />

drängender und dramatischer werden.<br />

Immer noch leben 1,2 Milliarden Menschen<br />

in bitterster Armut, haben keinen<br />

Zugang zu sauberem Trinkwasser.<br />

Headlines werden erst geschrieben,<br />

wenn Europa und Reichtum durch einen<br />

„Ansturm“ von wenigen Hundert<br />

Afrikanern auf spanische Enklaven<br />

und italienische Häfen bedroht wird.<br />

Steigende Ölpreise machen deutlich,<br />

dass Ressourcen endlich sein können<br />

und ein Gesellschaftssystem, dass sich<br />

über einhundert Jahre abhängig gemacht<br />

hat, ins Schlingern gerät, wenn<br />

der Hunger nach dem schwarzen Gold<br />

nicht mehr befriedigt werden kann.<br />

Umweltkatastrophen, wie Hurrikans<br />

im Golf von Mexiko, die eine solche<br />

Macht erreichen, dass amerikanische<br />

Großstädte weggefegt werden, mit<br />

Auswirkungen auf den globalen Finanzmarkt,<br />

da Versicherungen auf<br />

Grund der Schadensfälle erhebliche<br />

Mehrlasten zu tragen haben.<br />

� Nachhaltigkeit organisieren<br />

Trotz dieser eher düsteren Rückschau<br />

hat sich in den vergangen Jahren<br />

auf fast allen staatlichen Ebenen etwas<br />

entwickelt. Der Begriff Nachhaltigkeit<br />

geht in die öffentliche Auseinandersetzung<br />

ein. Kommunen und <strong>Kreis</strong>e<br />

waren die ersten, die sich noch in den<br />

90er Jahren auf den Weg machten<br />

und begannen den Begriff mit praktischem<br />

Handeln zu transformieren.<br />

Die Vielzahl und Qualität der Lokalen<br />

Agenden in Deutschland und auch in<br />

NRW zeigen auf, dass Bürgerinnen<br />

und Bürger, Verwaltung und Politik<br />

den Ergebnissen der Weltkonferenzen<br />

ein Gesicht geben wollen. Auf Landesebene<br />

wurde in der vergangenen<br />

Legislaturperiode die Agenda 21 NRW<br />

gestartet, die nicht nur an Dutzenden<br />

Best-Practice-Beispielen aufgezeigt<br />

hat, dass eine nachhaltige Entwicklung<br />

mehr als nur ein glänzender Rahmen<br />

einer ansonsten unbemalten Leinwand<br />

ist. Die bunten Pinselstriche, die verschiedenen<br />

Stilarten, fügten sich hier<br />

allmählich durch die Partizipation<br />

wichtiger gesellschaftlicher Gruppen<br />

zu einem Gesamtbild, einem Leitzielkatalog<br />

für Nordrhein-Westfalen zusammen.<br />

Kompromisse wurden hierbei<br />

gefunden und an einigen Stellen auch<br />

retouchiert, ergänzt und Skizzen hinzugefügt.<br />

Mit einem Bericht an den<br />

Landtag hat die Landesregierung Vorschläge<br />

für die Weiterführung des Prozesses<br />

eingereicht. Hier gilt es gerade<br />

von nichtstaatlicher Seite, von den vielen<br />

Vereinen und Verbänden, Kirchen,<br />

Gewerkschaften und der Wirtschaft<br />

das Erreichte zu sichern und die Ziele<br />

einer Umsetzung zuzuführen.<br />

Auf Bundesebene hat der Rat für<br />

Nachhaltige Entwicklung diverse Diskussionsprozesse<br />

eingeleitet, die Auswirkungen<br />

auf die Politikgestaltung<br />

der nächsten Dekaden haben wird. So<br />

wurden durch Dialogveranstaltungen


etwa das 30 Hektar-Ziel bis zum Jahr<br />

2020 für einen ressourcenschonenden<br />

Umgang mit der Fläche propagiert.<br />

Bedenkt man, dass heute noch pro<br />

Tag in Deutschland knapp unter hundert<br />

Hektar Fläche verbraucht und<br />

versiegelt werden, ist diese Zielsetzung<br />

nahezu revolutionär, da sie auf<br />

den Ebenen der Länder, regional und<br />

in der Kommunalplanung erhebliche<br />

Diskussions- und Änderungsprozesse<br />

einleiten wird. Auch wenn dieses<br />

quantitative Ziel nicht einfach umzulegen<br />

ist auf den Flächenverbrauch in<br />

den Kommunen, so ist es eine klare<br />

Aufforderung sich auf dieser Ebene mit<br />

qualitativen Zielsetzungen zu nähern.<br />

Abgesehen von der staatlichen Seite<br />

entwickelt sich auch in der Wirtschaft<br />

eine Stimmung, die aufzeigt, dass Umwelt-<br />

und Ressourcenschutz gewinnbringend<br />

und nicht konträr zu einem<br />

ökonomischen erfolgreich agierenden<br />

Unternehmensziel zu verstehen<br />

sind. So gibt es seit einigen Jahren in<br />

Nordrhein-Westfalen mit PIUS (Produktionsintegrierter<br />

Umweltschutz)<br />

und Ökocheck-Projekten, die in den<br />

Unternehmen durch ein qualitativ<br />

verbessertes Umweltmanagement zu<br />

erheblichen Ressourceneinsparungen<br />

kommen, die sich wirtschaftlich rechnen<br />

lassen.<br />

Aber auch in großen börsenno-<br />

A wie Agenda. Foto: LAG21<br />

tierten Unternehmen zeigt sich die<br />

Erkenntnis, dass Deutschland sich als<br />

Exportweltmeister auch im globalen<br />

Maßstab seiner sozialen Verantwortung<br />

stellen muss. Aktienunternehmen<br />

verfassen heutzutage ganz natürlich<br />

Nachhaltigkeitsberichte. Es wird aufgezeigt,<br />

wie nicht nur bei eigenen<br />

Produktionsprozessen ressourcenschonend<br />

gehandelt wird, sondern<br />

es wird als Marktfaktor empfunden,<br />

dass weltweit unter gerechten Arbeitsbedingungen<br />

produziert wird.<br />

Leitziele für die großen AG´s werden<br />

in einem CSR (corporate social responsibility)<br />

festgeschrieben. Aufgabe der<br />

Zivilgesellschaft ist es hier, die oftmals<br />

schönen Worte dem Praxistest zu un-<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

terziehen und sich nicht durch Hochglanzbroschüren<br />

blenden zu lassen,<br />

sondern den Finger in die Wunden zu<br />

legen und an einer Weiterentwicklung<br />

kritisch mitzuarbeiten.<br />

Kirchengemeinden machen sich auf<br />

den Weg und zeigen durch eine Beteiligung<br />

an Projekten, wie dem „Grünen<br />

Hahn“ oder auf europäischer Ebene<br />

mit „sustainable churches“ auf, dass<br />

verantwortliches Handeln direkt im<br />

eigenen Haus anfängt. So lassen sich<br />

Gemeindehäuser, Tagungsstätten und<br />

sonstige kirchliche Einrichtungen hinsichtlich<br />

ihres Umweltverhaltens zertifizieren.<br />

Gerade unter Kostenaspekten<br />

auch ein Argument, bei sinkenden<br />

Kirchensteuerzahlern weiterhin Infrastrukturen<br />

vorhalten zu können.<br />

Trotz dieser Mut machenden Entwicklungen<br />

ist der Gedanke der<br />

Nachhaltigkeit längst noch nicht so<br />

in der Gesellschaft verankert, dass<br />

von einem ganzheitlich akzeptierten<br />

Leitbild gesprochen werden kann. Das<br />

Denken in Systemen und Netzwerken,<br />

wie es schon Frederic Vester, in den<br />

70er Jahren angemahnt hat, fällt, so<br />

scheint es heute, schwer.<br />

Nachhaltigkeit wird oftmals immer<br />

noch als freiwillige Leistung verstanden,<br />

die in guten – hier sind finanziell<br />

gute gemeint – Zeiten leistbar ist, aber<br />

in Zeiten der Haushaltsicherungskon-<br />

11


12 NACHHALTIGKEIT<br />

zepte doch eher als kaum finanzierbare<br />

Zusatzaufgabe verstanden wird.<br />

Nachhaltigkeit wird nicht als Teil des<br />

Lösungskonzeptes für die Zukunft<br />

verstanden. Dabei haben sich in der<br />

kommunalen Daseinsvorsorge die<br />

Probleme verändert. Wenn wir heute<br />

die Anforderungen des demografischen<br />

Wandels an eine veränderte<br />

Stadtentwicklung besprechen, dann<br />

ist das eine Aufgabe, bei dem alle<br />

Fachbereiche in Querschnittsarbeitsgruppen<br />

zur Problemlösung beitragen<br />

müssen. Eine strikte Versäulung der<br />

Verwaltung nach Fachbereichen ist<br />

hier nur hinderlich. Gerade der demografische<br />

Wandel zeigt auf, dass<br />

wir aktuell dazu gezwungen werden<br />

Lösungen zu suchen, die langfristig<br />

angelegt sind und zukunftsgerecht<br />

wirken. Ein Erfolg, der sich durch die<br />

Arbeit an einer Lokalen Agenda, einem<br />

kommunalen Nachhaltigkeitskonzept,<br />

in den Kommunen zeigt, ist die positiv<br />

veränderte Einbindung von Bürgerinnen<br />

und Bürgern. Planungswerkstätten,<br />

runde Tische, Agendabeiräte und<br />

andere Beteiligungsverfahren, die zur<br />

kontinuierlichen Konsultation oder<br />

auch speziell zu Einzelthemen einberufen<br />

werden, führen dazu, dass die<br />

Bürgerschaft sich ihr Recht auf Mitsprache<br />

zurückerkämpft. Die Qualität<br />

der Partizipationsergebnisse vermin-<br />

dert die Angst von Verwaltung und<br />

Politik vor Machtverlust. Kommunale<br />

Bürgerhaushalte, Stadteilkonferenzen,<br />

Kinder- und Jugendparlament sind<br />

weitere Indizes der Veränderung.<br />

� Pflicht der Kommunen<br />

In Zukunft wird sich die Arbeit der<br />

Lokalen Agenda 21 daran messen<br />

lassen müssen, in wie weit es ihr<br />

gelingt in die zentralen Kernbereiche<br />

des kommunalen Handels vorzustoßen.<br />

Nachhaltigkeit ist eine originäre<br />

Pflichtaufgabe der Kommunen auf<br />

dem Weg zu einer zukunftsgerechten<br />

Entwicklung.<br />

Dabei stellen sich drei Hauptschwerpunkte<br />

für die künftige Arbeit:<br />

� Bewältigung des demografischen<br />

Wandels,<br />

� Reduktion des Ressourcenverbrauchs<br />

und<br />

� Kommunale Finanzen<br />

� Demografische Entwicklung<br />

Die Bevölkerungspyramide in der<br />

Bundesrepublik steht auf dem Kopf.<br />

Während der Anteil der Älteren immer<br />

größer und der Anteil der Berufstätigen<br />

immer kleiner wird, nimmt<br />

Deutschlands Bevölkerung drastisch<br />

ab. In Nordrhein-Westfalen wird es<br />

nach heutigen Prognosen Kommunen<br />

geben, die bis zum Jahr 2020 fast 20<br />

Porzent ihrer Bevölkerung verlieren<br />

werden, andere Regionen werden<br />

nach einer kurzfristigen Boomphase<br />

bevölkerungsstatisch in eine Stagnation<br />

übergehen. Nach Jahren des<br />

Konkurrenzkampfes der Kommunen,<br />

um solvente Gewerbetreibende und<br />

Industrie beginnt nun ein Einwohnerkannibalismus.<br />

Mit jedem einkommenssteuerpflichtigen<br />

Abwanderer<br />

geht einer Kommune 1.100 Euro an<br />

direkten Einnahmen und 15.000 Euro<br />

an Kaufkraft verloren. Hier stellt sich<br />

unter Aspekten der Nachhaltigkeit die<br />

Frage, wie mit einer ständig alternden<br />

Gesellschaft umgegangen werden<br />

kann, welche Infrastrukturen sind<br />

noch notwendig oder müssen sogar<br />

ausgebaut werden, um attraktiv für<br />

junge Familien zu bleiben?<br />

� Verbrauch reduzieren<br />

Heute werden bundesweit jeden<br />

Tag nahezu 100 Hektar Fläche neu<br />

versiegelt. Der Rat für nachhaltige<br />

Entwicklung der Bundesregierung hat<br />

als quantitatives Ziel eine Reduktion<br />

auf 30 Hektar im Jahr 2020 beschrieben.<br />

Diese Zielsetzung mit all seinen<br />

qualitativen Aspekten zu erreichen<br />

ist nur möglich, wenn direkt vor Ort<br />

über die kommunale Planungshoheit<br />

der Kommunen Diskussionsprozesse<br />

eingeleitet werden. Wie kann ich den


Ressourcenverbrauch an Flächen steuern<br />

und managen? Hierzu muss jede<br />

Kommune ein langfristig wirkendes<br />

Instrument entwerfen, das Leitbilder<br />

und Zielsetzungen und Zeithorizonte<br />

beschreibt. Erst durch Evaluation des<br />

heutigen und zukünftigen Handels<br />

durch ein Berichtswesen, kann ein solcher<br />

nachhaltiger Steuerungsprozess<br />

funktionieren.<br />

� Kommunale Finanzen<br />

„Über Geld redet man nicht – Geld<br />

hat man!“, dieser Spruch gilt für das<br />

kommunale Finanzwesen schon lange<br />

nicht mehr. Die Realität in den Kommunen<br />

ist dadurch gekennzeichnet,<br />

dass Haushaltsicherungskonzepte<br />

bestehen, Tafelsilber an Grundstücken<br />

und Gebäuden veräußert wurde und<br />

wird, und freiwillige Leistungen immer<br />

mehr unter Druck stehen. Auch die<br />

Lokale Agenda 21 ist hiervon massiv<br />

betroffen. In jedem neuen Haushalt<br />

muss für Personal und Projekte gestritten<br />

werden.<br />

Zanele Maria Rini, Kapstadt – Referentin der LAG 21. Foto: Germanwatch<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

Um sich als Kommune Zukunftsoptionen<br />

offen zu halten, wird es angesichts<br />

dieser Rahmenbedingungen zunehmend<br />

wichtiger, Nachhaltigkeitsaspekte<br />

im lokalen Finanzmanagement<br />

zu berücksichtigen. Das Neue Kommunale<br />

Finanzmanagement (NKF) bietet<br />

hierbei auch Agenda 21-Akteuren die<br />

Möglichkeit der Einflussnahme. In den<br />

nächsten Jahren, bis 2009 muss das<br />

NKF in allen Kommunen eingeführt<br />

sein, werden von den Kommunen Produktbereiche<br />

definiert, die keinesfalls<br />

13


14 NACHHALTIGKEIT<br />

starr sind, sondern auch der politischen<br />

Entscheidungsfindung unterliegen. Im<br />

Sinne einer nachhaltigen Finanzplanung<br />

ist der Zeitpunkt für Agenda21-<br />

Aktive günstig, um in den Dialog mit<br />

Rat und Verwaltung einzutreten und<br />

die Definition der Produktbereiche<br />

gemeinsam zu entwickeln.<br />

� Das Netzwerk ist aktiv<br />

Das Netzwerk der Agenda 21-Städte,<br />

die Landesarbeitsgemeinschaft<br />

Agenda 21 NRW e.V. (LAG 21 NRW)<br />

unterstützt die Kommunen bei den<br />

aufgezeigten Schwerpunkten in vielfältiger<br />

Weise. Nicht nur als Dienstleisterin<br />

für Informationen, sondern<br />

gerade durch die gemeinsame Projekt-<br />

und Kampagnenarbeit, werden<br />

Schwerpunkthemen einer nachhaltigen<br />

Entwicklung systematisch erarbeitet.<br />

In der LAG 21 NRW haben sich<br />

mittlerweile über 120 Kommunen und<br />

<strong>Kreis</strong>e, Vereine und Verbände, Kirchen<br />

und Gewerkschaften, sowie Einzelpersonen<br />

zusammengeschlossen, um kreativ<br />

und entschlossen Zukunftsfragen<br />

anzugehen. Auf Tagungen, gemeinsamen<br />

Workshops und im Rahmen<br />

von Kampagnen zu aktuellen Fragen,<br />

wird hierbei der interkommunale Austausch<br />

gepflegt und landesweit agiert.<br />

Neben den öffentlichkeitswirksamen<br />

Kampagnen widmet sich die LAG 21<br />

Bärbel Höhn, MdB, besucht das BioEnergieNetzwerk Ostwestfalen. Foto: LAG21<br />

NRW zudem in Projekten den oben<br />

genannten Schwerpunkten. So wird<br />

aktuell mit vier Modellkommunen an<br />

einem nachhaltigen Flächenmanagementsystem<br />

gearbeitet, dass unter den<br />

Kriterien der Partizipation und Nachhaltigkeit<br />

etabliert werden soll und<br />

die Ergebnisse als Muster für weitere<br />

Städte Verwendung finden können.<br />

Als Lobby der Agenda 21- Kommunen<br />

setzt sich die LAG 21 dafür ein, dass<br />

die Landesagenda stärker mit den<br />

Lokalen Agenden verknüpft wird und<br />

wirbt bei der Landespolitik für eine<br />

offensive Nachhaltigkeitspolitik auf<br />

Landesebene. Die LAG 21 NRW ist<br />

darüber hinaus Kooperationspartner<br />

für eine Vielzahl von Projekten und<br />

Kampagnen anderer Träger.<br />

� Nachhaltigkeit als Marke<br />

Jeden Tag bekommen wir durch<br />

eine aggressive Werbung vermittelt,<br />

dass Produkte als Marken mit einem<br />

Lebensgefühl von Freiheit und ewiger<br />

Jugend verbunden sind. Sekundär geht<br />

es tatsächlich um das Produkt selbst,<br />

primär soll die Marke verdeutlichen<br />

zu welcher gesellschaftlichen Gruppe<br />

man sich zählt. Entwickeln wir also<br />

ein Gegenmodell zu einer neoliberalen<br />

Globalisierung, das sich Werten<br />

der ökologischen, ökonomischen und<br />

sozialen Gerechtigkeit verschreibt.<br />

Entwickeln wir Nachhaltigkeit als Marke<br />

weiter, betreiben einen positiven<br />

Lobbyismus und werben öffentlich<br />

auf allen gesellschaftlichen Ebenen für<br />

eine zukunftgerechte Entwicklung.


� Eine philosophische Betrachtungsweise<br />

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ und<br />

der vieldeutige Umgang damit<br />

von Heinrich Behrens<br />

Kaum ein Begriff sorgt zur Zeit in<br />

der öffentlichen Debatte für so<br />

viel Irritationen wie der der Nachhaltigkeit,<br />

wenn man ernsthaft<br />

den jeweils benutzten Begriff aus<br />

seinem ideologischen Zusammenhang<br />

herauszulösen und inhaltlich<br />

eindeutig zu verstehen versucht.<br />

Die, die sich dem Zeitgeist andienen<br />

möchten, benutzen ihn. Jeder, der<br />

meint, politisch korrekt auftreten zu<br />

müssen, führt ihn im Munde. In fast<br />

jedem Parteiprogramm taucht er auf.<br />

Man möchte ja bei dem Wähler gut<br />

ankommen. Neoliberale Politiker wie<br />

fundamentalistische Umweltschützer<br />

argumentieren damit gleichermaßen,<br />

natürlich jeweils mit anderer Zielsetzung<br />

und von einer anderen ideologischen<br />

Basis aus.<br />

Nachhaltigkeit oder sustainability<br />

ist spätestens seit der UN-Konferenz<br />

für Umwelt und Entwicklung 1992<br />

in Rio de Janeiro zum Leitbegriff<br />

des Umweltschutzes geworden. Als<br />

„nachhaltig“ definiert dieser Bericht<br />

eine Entwicklung, die die Bedürfnisse<br />

der Gegenwart befriedigt, ohne zu<br />

riskieren, dass künftige Generationen<br />

ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr<br />

befriedigen können.<br />

Der Leser erkennt sofort, dass<br />

die in der Definition zum Ausdruck<br />

kommenden Bedürfnisse menschliche<br />

sind, die Definition also eine deutlich<br />

anthropozentrische, den Menschen ins<br />

Zentrum setzende Betrachtungsweise<br />

zum Ausdruck bringt. Die natürlichen<br />

Ressourcen, um deren Schutz es geht,<br />

damit die nachfolgenden Generationen<br />

noch eine Überlebenschance haben,<br />

unterstehen der menschlichen Verfügungsgewalt<br />

im Sinne des göttlichen<br />

Unterwerfungsauftrages „Machet<br />

euch die Erde untertan“. Die <strong>Natur</strong> hat<br />

keinen Eigenwert aus sich selbst heraus<br />

oder an sich selbst.<br />

Hier tauchen folgende Fragen auf :<br />

Ist eine andere als die anthropozentrische<br />

Sichtweise überhaupt praktisch<br />

realisierbar? Kann der Mensch dieses<br />

möglicherweise aus gattungsegoistischen<br />

Gründen ihm stammesge-<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

schichtlich mitgegebene Weltbild<br />

zugunsten etwa einer ganzheitlichen<br />

Betrachtungsweise aufgeben, also<br />

die übrige Welt der Lebewesen als<br />

Mitgeschöpfle aktiv in sein Handeln<br />

einbeziehen? Die Wirklichkeit straft<br />

eine solche Möglichkeit Lügen: In<br />

einem nie dagewesenen Ausmaß wird<br />

mit Hilfe der zur Verfügung stehenden<br />

Technik die <strong>Natur</strong> zerstört, ausgebeutet<br />

und zur Befriedigung eben dieser<br />

im menschlichen Erbgut verankerten<br />

und individuell sowie kollektiv ausgeprägten<br />

Bedürfnisse genutzt. Daran<br />

hat auch die ethisch fundierte Reflexion<br />

auf den Begriff der Nachhaltigkeit<br />

nichts geändert. Im Gegenteil. Das<br />

Benutzen des Begriffs schafft eine<br />

zusätzliche Rechtfertigung dafür, die<br />

alten Strategien der <strong>Natur</strong>zerstörung<br />

und – ausbeutung mit einem Mäntelchen<br />

zu umhüllen, das als Verpackung<br />

für eine ökologische Rechtfertigung<br />

für ein unökologisches Wirtschaften<br />

herhalten kann.<br />

Das verdeckte Schielen auf Umsatzsteigerungen,<br />

auf ökonomisches und<br />

industrielles Wachstum hintertreibt<br />

15


16 NACHHALTIGKEIT<br />

aber die mainstream-artig formulierten<br />

Beteuerungen, man habe sich ja<br />

zum Verfechter der Nachhaltigkeit<br />

gemacht. Die Forderung kann also nur<br />

lauten, angesichts der begrifflichen<br />

Unübersichtlichkeit und bewusst inszenierten<br />

Unklarheit entweder ganz<br />

auf den Begriff der Nachhaltigkeit<br />

zu verzichten oder ihn nur dann zu<br />

benutzen, wenn ehrlicherweise auch<br />

der Inhalt mit erläutert wird. Wenn<br />

ich voraussetze, dass nachfolgende<br />

Generationen ein Bedürfnis nach<br />

Befriedigung des Hungers, des Durstes,<br />

nach Bildung, nach beruflicher<br />

Selbstverwirklichung, nach Bekleidung<br />

und Gesundheit haben, muss<br />

ich fragen, ob ich die Bedingungen<br />

dafür nicht schon jetzt zerstöre, wenn<br />

alle meine angedachten nachhaltigen<br />

Maßnahmen nicht verhindern, dass<br />

die Erderwärmung mit den damit verbundenen<br />

Klimaproblemen gestoppt<br />

wird, wenn ich militärisch aufrüste,<br />

den konsumptiven Markt weiter anheize,<br />

die regenerativen Energieträger<br />

nicht fördere oder fortschreitend die<br />

Erdoberfläche versiegele. Eine Politik,<br />

die auf dem Boden des alten neoliberalen,<br />

kapitalistischen Paradigmas die<br />

Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik<br />

zum zentralen Anliegen macht, darf<br />

sich nicht nachhaltig nennen. Wenn ich<br />

feststelle, dass ein Perspektivwechsel<br />

von einer anthropozentrischen weg<br />

hin zu einer biozentrischen oder holistisch-ganzheitlichenBetrachtungsweise<br />

des Begriffs „Nachhaltigkeit“<br />

nicht zu erwarten ist, ja wahrscheinlich<br />

eben aus gattungsspezifischen Grün-<br />

den praktisch nicht möglich ist, dann<br />

bleibt mir nur die Chance, mich an<br />

die vom amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler<br />

Hermann E. Daly<br />

formulierten drei goldenen Regeln der<br />

Nachhaltigkeit zu halten :<br />

1. Belastung der Ökosysteme nicht<br />

über die Grenzen ihrer Absorptionsfähigkeit<br />

hinaus ;<br />

2. statt Raubbau Nutzung erneuerbarer<br />

Ressourcen innerhalb ihrer<br />

Regenerationsmöglichkeiten ;<br />

3. Ersetzung von zu Ende gehenden<br />

durch erneuerbare Ressourcen.<br />

Doch von einem solchen Paradigma<br />

aktiver Politik sind wir alle noch weit<br />

entfernt. Ansätze sind erkennbar.<br />

Ich rate an, mit dem Begriff der<br />

Nachhaltigkeit ehrlich und vorsichtig-<br />

defensiv umzugehen.


� Eine kritische Betrachtungsweise<br />

Nachhaltigkeit –<br />

Geschichte eines Plastikwortes<br />

von Adrian Mork<br />

Spätestens seit der zweiten Welt-<br />

Umweltkonferenz 1992 in Rio ist<br />

der Begriff „Nachhaltigkeit“ in<br />

aller Munde. Vielfältig sind die<br />

Forderungen bei Entwicklungszielen<br />

jedweder Art, das Prinzip der<br />

Nachhaltigkeit zu berücksichtigen.<br />

Dabei wird in der Regel versäumt,<br />

je nach Konkretisierungsgrad des angesprochenen<br />

Bereichs Erläuterungen<br />

bzw. Definitionen von Nachhaltigkeit<br />

zu geben. Nachhaltigkeit wird häufig<br />

mit den Worten „dauerhaft“, „stetig“,<br />

„tragfähig“ und „zukunftsfähig“ in<br />

Verbindung gebracht. Donella und<br />

Dennis Meadows geben folgende Beschreibung<br />

von Nachhaltigkeit: „Eine<br />

Gesellschaft ist dann nachhaltig, wenn<br />

sie so strukturiert ist und sich so verhält,<br />

dass sie über alle Generationen<br />

existenzfähig bleibt.“<br />

� Nachhaltigkeit und Forstwirtschaft<br />

Das Konzept der „Nachhaltigkeit“<br />

wird erstmalig in der aufblühenden<br />

Forstwirtschaft des späten 18. Jahrhunderts<br />

verwendet. Georg Ludwig<br />

Hartigs „Anwendung zur Taxation<br />

der Forsten“ (1795), wahrscheinlich<br />

der erste forstliche Erzeugungsplan<br />

überhaupt, stellt die Forderung der<br />

nachhaltigen Wirkung aller forstlichen<br />

Maßnahmen in den Vordergrund: „Es<br />

läßt sich keine dauerhafte Forstwirt-<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

Der Begriff der Nachhaltigkeit wurde erstmalig in der Forstwirtschaft des späten 18.<br />

Jahrhunderts verwendet. Foto: Archiv<br />

schaft denken und erwarten, wenn<br />

die Holzabgabe aus den Wäldern nicht<br />

auf Nachhaltigkeit berechnet ist. Jede<br />

weise Forstdirektion muß daher die<br />

Waldungen (...) taxieren lassen, und<br />

sie zwar so hoch als möglich, doch so<br />

benutzen machen, daß die Nachkommenschaft<br />

wenigstens eben so viel<br />

Vortheil daraus ziehen kann, als sich<br />

die jetzt lebende Generation zueignet.<br />

17


18 NACHHALTIGKEIT<br />

Aus den Waldungen des Staates soll<br />

jährlich nicht mehr und nicht weniger<br />

Holz genommen werden, als bey guter<br />

Bewirthschaftung mit immerwährender<br />

Nachhaltigkeit daraus zu beziehen<br />

möglich ist.“ Heinrich Cotta, erster<br />

und langjähriger Direktor der ersten<br />

Forstakademie der Welt in Tharandt<br />

schrieb 1816 in seiner „Anweisung<br />

zum Waldbau“: „Die Forstwirtschaft<br />

lehrt die Waldungen so zu behandeln,<br />

daß sie als solche den größten Nutzen<br />

nachhaltig gewähren.“ So weit die<br />

Historie und die Theorie.<br />

Leider hat sich gerade die jüngere<br />

Forstwirtschaft und –wissenschaft<br />

trotz dieser frühen Erkenntnisse gerade<br />

nicht als sehr nachhaltig wirtschaftend<br />

gezeigt, bis in den 20er Jahren des<br />

letzten Jahrhunderts der Preußische<br />

Oberforstmeister und Direktor der<br />

Forstakademie zu Eberswalde, Alfred<br />

Möller, mit seinem „Dauerwaldgedanken“<br />

einen entscheidenden Impuls<br />

für eine ökologischere Ausrichtung<br />

gegeben hat. Auch Alfred Möllers<br />

ganzheitliches Konzept einer kahlschlagsfreien<br />

Waldbewirtschaftung<br />

hat die Mehrheit der forstwirtschaftlichen<br />

Praxis noch nicht erreicht.<br />

Nach wie vor sind in Deutschland<br />

Monokulturen und der so genannte<br />

Altersklassenwald vorherrschend,<br />

wobei Nadelbäume (Fichte, Douglasie)<br />

den größeren Anteil einnehmen. In<br />

einem immer stärkeren Maße werden<br />

zudem Wälder (auch und gerade die<br />

im Besitz der öffentlichen Hand) einer<br />

Kurzfristökonomie des schnellen Geldes<br />

unterworfen. Langfristige Schäden<br />

durch den Einsatz von Großmaschinen<br />

(Bodenverdichtung, Rückeschäden),<br />

ein vermehrter Wegebau (und damit<br />

Zerschneidung) im Wald werden dabei<br />

überwiegend in Kauf genommen.<br />

� Der Mensch als integrativer<br />

Bestandteil der Umwelt<br />

Im Gegensatz zu rein biologischen<br />

auf die <strong>Natur</strong> bezogene Fachbegriffe,<br />

wie „ökologisches Gleichgewicht“,<br />

„geschlossene Stoffkreisläufe“ oder<br />

„Biodiversität“ steht bei dem Begriff<br />

„Nachhaltigkeit“ der Nutzen-Aspekt<br />

durch den Menschen im Vordergrund.<br />

Dem Faktor Mensch wird damit ein integrativer<br />

Standpunkt eingeräumt, die<br />

Trennung von Mensch und Umwelt,<br />

wie sie im traditionellen <strong>Natur</strong>schutz<br />

geschah und noch heute in der <strong>Natur</strong>schutzgesetzgebung<br />

erkennbar ist,<br />

aufgehoben. Diese starke Betonung<br />

des Nutzen-Aspektes für den Menschen<br />

ist aus der Geschichte der Waldwirtschaft<br />

heraus erklärbar, waren<br />

doch die Wälder im 18. Jahrhundert<br />

durch unsachgemäße Behandlung<br />

sowohl stark degradiert als auch in<br />

keiner Weise wirtschaftlich effizient<br />

genutzt. So schreibt Friedrich Leopold<br />

Pfeil (1816) „Bloß im Stockholze,<br />

welches auf der Erde verfault, gehen<br />

viel Tausende Klaftern verloren, da in<br />

den allerwenigsten Gegenden daran<br />

gedacht wird, die Bäume zu roden,<br />

statt zu hauen.“ Die aufkommende<br />

Forstwirtschaft versuchte dieser Ressourcenvergeudung<br />

eine effiziente<br />

– eben nachhaltige – Wirtschaftsform<br />

gegenüberzustellen.<br />

� Ewige Nachhaltigkeit<br />

Die langen Umtriebszeiten der<br />

Forstwirtschaft führen zu einer Betrachtungsweise<br />

über die Generationengrenze<br />

hinweg. Hier liegt der<br />

Schlüssel des Nachhaltigkeitsbegriffs.<br />

Da alle zukünftigen Generationen per<br />

Definition gleichgestellt sind, muss<br />

Nachhaltigkeit ein dauerhaftes, ein<br />

ewiges Prinzip darstellen. Ebenfalls<br />

der Forstwirtschaft entlehnt ist auch<br />

das Konzept der Vorratsbildung: Kein<br />

System kann auf ewig seinen Fortbestand<br />

garantieren, das nicht tendenziell<br />

in der Lage ist, Vorräte zu bilden.<br />

Diese Rücklage ist notwendig, um<br />

unvorhersehbare Beeinträchtigungen<br />

– „schlechte Zeiten“ – überwinden zu<br />

können. Dieses „Vorratsprinzip“ begegnet<br />

uns allenthalben in der <strong>Natur</strong>,<br />

bei Tieren, die überwintern müssen,


ei Pflanzen, die einen deutlichen<br />

Überschuss an Samen produzieren bis<br />

hin zur Entfaltung der Artenvielfalt an<br />

sich, als Vorrats-Option auf mögliche<br />

Umweltveränderungen.<br />

Folgt man dem Konzept der Vorratsbildung<br />

müssen alle ressourcenverbrauchendenWirtschaftsweisen<br />

dergestalt auf den Kopf gestellt<br />

werden, dass in dem Maße, in dem<br />

Ressourcen in Anspruch genommen<br />

werden, andere Ressourcen sogar<br />

in einem stärkeren Maße gebildet<br />

werden müssten. Zusammenfassend<br />

beinhaltet Nachhaltigkeit<br />

� den Menschen als integrativen Bestandteil<br />

zukünftiger Entwicklung.<br />

� absolute Generationsgerechtigkeit<br />

und damit ein ewiges Prinzip.<br />

� nicht einen nur ausgeglichenen<br />

Stoffkreislauf (Recycling), sondern<br />

einen Umgang mit Ressourcen der<br />

darüber hinaus tendenziell sogar<br />

Vorratsbildung ermöglicht.<br />

Tatsächlich wird fast gegen all diese,<br />

eine nachhaltige Entwicklung kennzeichnenden<br />

Bedingungen, verstoßen.<br />

Nach wie vor verbraucht die Menschheit<br />

in atemberaubender Weise sowohl<br />

fossile Brennstoffe als auch die wenigen<br />

Uranvorkommen. Nach wie vor<br />

werden großflächig Wälder abgeholzt,<br />

Auch die nachfolgenden Generationen<br />

sollen noch im Laub spielen können.<br />

Foto: Archiv<br />

werden Flächen für Straßen, Wohnungsbau<br />

und Verkehrserschließung<br />

in Anspruch genommen und zerstört,<br />

gehen landwirtschaftliche Nutzflächen<br />

wegen Übernutzung (Bodenerosion)<br />

verloren usw. Die wenigen Fortschritte<br />

im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung,<br />

wie eine stärkere Überwachung<br />

der Produktion toxischer Substanzen,<br />

Dosenpfand, Auflagen gegen den<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

Feinstaub, Einspruchsrechte anerkannter<br />

<strong>Natur</strong>schutzverbände gegen den<br />

Flächenverbrauch, die Entwicklung<br />

neuer Formen regenerativer Energiegewinnung,<br />

Förderung des Ökolandbaus<br />

etc. werden von einseitigen<br />

Lobbygruppen in Industrie und Politik<br />

mit unsäglichen „Hamsterattacken“<br />

verunglimpft und ins Lächerliche gezogen.<br />

Auch die Forstwirtschaft, die<br />

Wiege des Nachhaltigkeitsgedankens,<br />

bleibt nicht verschont. In jüngster Zeit<br />

und unter dem Signum neoliberaler<br />

Marktwirtschaft steht sogar die staatliche<br />

Forstwirtschaft, die zumindest in<br />

den Landesgesetzgebungen auch in<br />

Nordrhein-Westfalen deutlich nachhaltiger<br />

geworden ist, insgesamt auf<br />

dem Prüfstand des Profits. Der Ruf<br />

nach Privatisierung der im Besitz der<br />

öffentlichen Hand befindlichen Wälder<br />

wird immer lauter (und mit ihm der<br />

Klang der Motorsäge).<br />

� Wie nachhaltig ist die Nachhaltigkeit?<br />

Nach den hoffnungsvollen 90er<br />

Jahren, im Anschluss an die Umweltkonferenz<br />

von Rio und der davon<br />

ausgehenden Nachhaltigkeitsdebatte,<br />

aus der die Agendabewegung auch vor<br />

Ort entstanden ist, macht sich langsam<br />

Katerstimmung breit. Konnte in den<br />

letzten Jahren eine Aufweichung und<br />

19


20 NACHHALTIGKEIT<br />

immer größer werdende Beliebigkeit<br />

und Benutzung des Nachhaltigkeitsbegriffs<br />

konstatiert werden (Plastikwort<br />

– kann für alles benutzt, verbraucht<br />

weggeworfen und wieder recycelt<br />

werden) wird nun die Diskussion über<br />

eine nachhaltige Entwicklung in die<br />

Steinzeit zurückkatapultiert. Wieder<br />

muss die Ökologie als Buhmann für<br />

die schlechte ökonomische Entwicklung<br />

herhalten. Längere Laufzeiten für<br />

Atomkraftwerke und die Einführung<br />

der Gentechnik in die Landwirtschaft<br />

sind ebenfalls Vorzeichen, die vom bereits<br />

eingeschlagenen Pfad einer nachhaltigen<br />

Entwicklung in Deutschland<br />

wieder wegführen. Auf der globalen<br />

Ebene wird das so genannte Kyoto-<br />

Protokoll, ein wichtiger Meilenstein zu<br />

einer Ressourcen schonenderen Weltwirtschaft,<br />

immer noch vom weltweit<br />

größten Ressourcenverbraucher, den<br />

USA abgelehnt, weil es als Hindernis<br />

für die eigene Wirtschaftsentwicklung<br />

empfunden wird. Auch hierzulande<br />

wird von den großen Volksparteien<br />

„Wachstum“ als Allheilmittel aus<br />

der ökonomischen Krise empfohlen,<br />

obwohl genau dieses Wachstum<br />

Ursache für den immer schnelleren<br />

Ressourcenverbrauch darstellt und<br />

letztlich nicht zu einer stabilen, das<br />

heißt nachhaltigen Entwicklung führen<br />

kann. Bleibt abzuwarten ob nur<br />

Katastrophen, wie beispielsweise die<br />

durch die Klimaveränderung hervor-<br />

gerufene Zunahme der Wirbelstürme<br />

und Überschwemmungen zu einem<br />

nachhaltigen Umdenken der Menschen<br />

führen werden.<br />

Weiterführende Literatur:<br />

Bode, W.: <strong>Natur</strong>nahe Waldwirtschaft, Prozeßschutz<br />

oder biologische Nachhaltigkeit?<br />

Holm 1997<br />

Creutz, H.: Das Geld-Syndrom, Wege zu einer<br />

krisenfreien Marktwirtschaft, Aachen 2003<br />

Maedows, D.H.: Die neuen Grenzen des<br />

Wachstums, Stuttgart 1992<br />

Meister, G., Offenberger, M.: Die Zeit des<br />

Waldes, Frankfurt 2004<br />

Möller, A.: Der Dauerwaldgedanke, Berlin<br />

1922, Nachdruck Degreif-Verlag, Oberteuringen<br />

1992


� Eine kommunale Betrachtungsweise<br />

Nachhaltigkeit in der Praxis<br />

am Beispiel des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong><br />

von Michael Makiolla<br />

Seit einigen Jahren spielt der<br />

Begriff „Nachhaltigkeit“ in der<br />

politischen Diskussion über die<br />

weitere Zukunft unseres Landes<br />

eine wichtige Rolle. Der Begriff<br />

der „Nachhaltigkeit“ umfasst eine<br />

ausgewogene Verfolgung sozialer,<br />

wirtschaftlicher und ökologischer<br />

Ziele, sowohl global als auch auf<br />

lokaler Ebene. Mein Thema ist natürlich<br />

die Stärkung nachhaltigen<br />

Handelns im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>.<br />

Hier gibt es eine Vielzahl von<br />

Handlungsfeldern, auf denen die<br />

verschiedensten Akteure im Sinne der<br />

Nachhaltigkeit tätig werden können.<br />

Wer zu nachhaltigem Handeln aufruft,<br />

muss auch mit gutem Beispiel<br />

vorangehen.<br />

Für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> hat bereits in<br />

der Vergangenheit der Gedanke der<br />

Nachhaltigkeit in seinem Handeln als<br />

öffentliche Verwaltung eine wichtige<br />

Rolle gespielt. Das wird auch zukünftig<br />

so sein und – wo nötig – werden wir<br />

unsere Bemühungen noch intensivieren.<br />

In der Arbeit des <strong>Kreis</strong>es gibt es heute<br />

verschiedene Ansätze, die vor diesem<br />

Hintergrund eine nicht unwesentliche<br />

Bedeutung haben. Hierzu zählen<br />

unter anderen das Öko-Audit und die<br />

Umweltleitlinien der <strong>Kreis</strong>verwaltung,<br />

die Ideenbörse Umweltschutz und<br />

die Landschaftsplanung. Vorstellen<br />

möchte ich Ihnen an dieser Stelle die<br />

Aktivitäten im Bereich der Lokalen<br />

Agenda UN 21 im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, unsere<br />

Anstrengungen für eine nachhaltige<br />

Sicherung von Mobilität, die Arbeit der<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

Preisverleihung Wettbewerb Energetische Altbausanierung. Foto: <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

Koordinierungsstelle Altenarbeit, die<br />

Integrationskonferenz im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>,<br />

sowie den „Zukunftsdialog – Entwicklungsperspektiven<br />

im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>“.<br />

� Lokale Agenda UN 21<br />

Der Beginn des Agenda-Prozesses<br />

geht zurück auf die UN-Konferenz<br />

für Umwelt und Entwicklung im Juni<br />

1992 in Rio de Janeiro. In der Folge<br />

haben auch der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> sowie die<br />

kreisangehörigen Kommunen den<br />

Agenda-Prozess auf lokaler Ebene<br />

eingeleitet, wobei der Prozess des<br />

<strong>Kreis</strong>es hauptsächlich auf der Multipli-<br />

21


22 NACHHALTIGKEIT<br />

katorenebene stattfindet, um Beispiele<br />

zu geben und weitere Prozes-se anzuregen.<br />

In der Folge haben sich nach<br />

der Auftaktveranstaltung am 11. September<br />

1998 bis zum Ende des Jahres<br />

1998 sechs Fachforen (Auto/Verkehr,<br />

Bildung, Landwirtschaft, Privater Konsum,<br />

Wirtschaft sowie Wohnungsbau)<br />

gebildet. Das Arbeitsziel der Foren<br />

war die Formulierung von Handlungsfeldern,<br />

die – unterstützt von einer<br />

gezielten Öffentlichkeitsarbeit – in<br />

der Bevölkerung eine Bewusstseins-<br />

und Verhaltensänderung im Sinne<br />

der Lokalen Agenda UN 21 erreichen<br />

sollten.<br />

Mit einem Gesamtforum zur Bilanzierung<br />

der Lokalen Agenda UN 21 am<br />

15. November 2001 sowie der Vorlage<br />

der Handlungsempfehlungen für den<br />

<strong>Kreis</strong>tag durch die Fachforen fand die<br />

erste Phase der Lokalen Agenda 21 im<br />

<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> einen Abschluss. Gleichzeitig<br />

wurde von dem Gesamtforum die<br />

zweite Phase eingeleitet, in der es gilt,<br />

den erfolgreich begonnenen Prozess<br />

der Lokalen Agenda 21 fortzusetzen.<br />

Dies geschieht über die von den<br />

Fachforen angeregten Projekte und<br />

eine Öffentlichkeitsarbeit, die die hier<br />

erzielten Arbeitsergebnisse weitergibt.<br />

Die im Rahmen der bisherigen Arbeit<br />

angelaufenen Projekte sollen weiterentwickelt,<br />

bzw. nach und nach zu ei-<br />

nem erfolgreichen Abschluss gebracht<br />

werden. Damit sollen die Bürgerinnen<br />

und Bürger kontinuierlich auf die Ziele<br />

der Lokalen Agenda 21 aufmerksam<br />

gemacht und deren Umsetzbarkeit<br />

aufgezeigt werden. Zu diesem Zweck<br />

werden aber auch bei entsprechendem<br />

Anlass Aktionen auf lokaler Ebene<br />

durchgeführt.<br />

Zu diesen Projekten gehören unter<br />

anderen die „Agenda 21 in der<br />

Schule“, „Region aktiv“ und die energetische<br />

Altbausanierung, die ich<br />

Ihnen nachfolgend genauer vorstellen<br />

möchte.<br />

� Energetische Altbausanierung<br />

im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

Vor dem Hintergrund der Ressourcenknappheit<br />

und dadurch rapide<br />

steigender Energiepreise, gewinnt das<br />

Thema Energieeffizienz immer größere<br />

Bedeutung. Dabei kommt dem<br />

Handlungsfeld Wohnungswesen eine<br />

tragende Rolle zu, gerade auch auf<br />

kommunaler Ebene. Denn die privaten<br />

Haushalte verbrauchen knapp 30 Prozent<br />

der gesamten Endenergie.<br />

Da die Altbauten (vor 1977 erbaut)<br />

ca. 75 Prozent des Wohnungsbestandes<br />

in NRW ausmachen und etwa 90<br />

Prozent des Heizenergieverbrauchs<br />

in NRW für diese Gebäude benötigt<br />

wird, liegt das größte Potential für<br />

Einsparungen in privaten Haushalten<br />

im Bereich der energetischen Altbausanierung.<br />

Mit einem guten Paket<br />

von Maßnahmen lassen sich die Energiekosten<br />

eines Gebäudes leicht<br />

halbieren. Wenn es gelingt dieses<br />

Potential zu realisieren, entfaltet dies<br />

in mehrfacher Hinsicht eine positive<br />

Wirkung:<br />

Der Umwelt kommt zugute, dass<br />

die Bildung des klimaschädlichen<br />

„Treibhausgases“ Kohlendioxid stark<br />

vermindert wird. Die vor allem durch<br />

die Heizkosten bestimmte „zweite<br />

Miete“ kann erheblich verringert<br />

werden, so dass sich Maßnahmen<br />

der energetischen Altbausanierung<br />

für Eigentümer und Mieter über die<br />

Jahre refinanzieren. Zusätzlich kann<br />

der Wohnkomfort oft entscheidend<br />

erhöht werden. Gleichzeitig haben das<br />

Handwerk, Energieberater, Architekten<br />

und andere Baufachleute die Aussicht<br />

auf zusätzliche Aufträge, wodurch die<br />

lokale Wirtschaft gestärkt wird.<br />

Aus dem Fachforum „Wohnungsbau<br />

UN 21“ der Lokalen Agenda im<br />

<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> heraus, hat sich bereits im<br />

Jahr 2002 ein Arbeitskreis „Energetische<br />

Altbausanierung im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>“<br />

gebildet, mit dem Ziel, die Bedeutung<br />

dieses Themas stärker im öffentliche<br />

Bewusstsein zu verankern und in der<br />

Folge die Chancen und Potentiale


esser zu nutzen. Teilnehmer des Arbeitskreises<br />

sind überwiegend Architekten,<br />

Energieberater, Handwerker<br />

und sonstige Baufachleute, wobei<br />

Organisation und Moderation von<br />

dem Agenda-Büro des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong><br />

geleistet werden.<br />

Seine Ziele will der Arbeitskreis nicht<br />

etwa mit theoretischen Erörterungen,<br />

sondern mit einer projektorientierten<br />

Öffentlichkeitsarbeit erreichen. Hier<br />

wurde, neben Veranstaltungen, bereits<br />

einiges auf den Weg gebracht.<br />

Neben dem „Gebäude-Check Energie“<br />

(2003) und einer Thermographieaktion<br />

für Gebäude (2004/05), die<br />

dem Aufspüren von Schwachstellen<br />

mit hohen Energieverlusten sowie<br />

als Orientierungshilfe zu sinnvollen<br />

Energiesparmaßnahmen dienten, wurde<br />

2004/05 in Kooperation mit der<br />

<strong>Kreis</strong>handwerkerschaft Hellweg der<br />

Wettbewerb „Energetische Altbausanierung<br />

im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>“ durchgeführt.<br />

Bewertet wurden Sanierungsvorhaben<br />

aus dem Bereich des Wohnungsbaus,<br />

die im Zeitraum von 2000 bis 2004<br />

durchgeführt worden sind. Gesucht<br />

wurden Beispiele aus den Bereichen<br />

Altbausanierung und energetische<br />

Baumaßnahmen von kompletten Gebäuden<br />

bzw. Siedlungsbereichen bis<br />

zu wegweisenden Einzelelementen,<br />

die aufgrund ihres Innovationsgehaltes<br />

wichtige Impulse z.B. für Baustoffe,<br />

Energienutzung, Ressourcenschonung,<br />

Sanierung, Marktfähigkeit geben<br />

können.<br />

Insgesamt waren neun Beiträge,<br />

von der Siedlungsmaßnahme über Einzelhaussanierungen<br />

bis zu Einzelmaßnahmen,<br />

zu verzeichnen. Von diesen<br />

waren immerhin vier als vorbildliche<br />

Beiträge preiswürdig, während für<br />

zwei Einzelmaßnahmen Anerkennungen<br />

ausgesprochen wurden. Die<br />

Ergebnisse werden in einer Dokumentation<br />

festgehalten. Außerdem ist eine<br />

(Wander-) Ausstellung geplant.<br />

Aktuell haben sich zwei Arbeitsgruppen<br />

gebildet, die konkrete Sanierungsmaßnahmen,<br />

zum einen der<br />

GWG Schwerte e.G. in Schwerte und<br />

der UKBS (<strong>Unna</strong>er <strong>Kreis</strong>- Bau- und<br />

Siedlungsgesellschaft) in Holzwickede,<br />

begleiten, und Vorschläge für<br />

eine energetische Optimierung erarbeiten.<br />

Auch künftig sollen weitere<br />

Projekte aufgegriffen werden, um die<br />

Bedeutung des Handlungsfeldes<br />

energetische Altbausanierung in die<br />

Öffentlichkeit zu transportieren. Denn<br />

ein Ergebnis der bisherigen Arbeit ist,<br />

dass in diesem Bereich im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

noch Handlungsbedarf besteht.<br />

� Nachhaltige Mobilität<br />

Zunehmende Mobilitätsansprüche<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

haben das Verkehrsaufkommen spürbar<br />

erhöht. Deshalb geht es heute und<br />

zukünftig mehr denn je darum, die<br />

Mobilitätsbedürfnisse zu befriedigen,<br />

ohne gleichzeitig unsere Lebensgrundlagen<br />

zu gefährden. Nachhaltige<br />

Mobilität bedeutet für uns, die<br />

Entstehung von Verkehr zu erkennen<br />

und damit Möglichkeiten zur Verkehrsvermeidung,<br />

-verlagerung oder<br />

verträglicheren Abwicklung zu schaffen.<br />

Die <strong>Kreis</strong>verwaltung engagiert<br />

sich dafür, die Verkehrsbelastungen<br />

wie beispielsweise Schadstoff- oder<br />

Lärmemissionen durch Maßnahmen<br />

im Zusammenhang mit der Stärkung<br />

des so genannten „Umweltverbundes“<br />

(ÖPNV, Radverkehr, Fußverkehr,<br />

Russpartikelfilter in Bussen) entgegenzuwirken.<br />

Dabei tritt insbesondere der Sektor<br />

des Öffentlichen Personennahverkehrs<br />

in den Vordergrund, weil der <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> per Gesetz seit 1996 Aufgabenträger<br />

für den ÖPNV ist, d. h. verantwortlich<br />

für Planung, Organisation<br />

und Ausgestaltung insbesondere des<br />

Busverkehrs. Ein wesentlicher Bestandteil<br />

der gesetzlichen Vorgaben<br />

ist die Verpflichtung zur Aufstellung<br />

eines Nahverkehrsplanes (NVP), was<br />

zur Zeit im Sinne einer Fortschreibung<br />

des alten NVP in Abstimmung mit den<br />

Städten und Gemeinden sowie den<br />

23


24 NACHHALTIGKEIT<br />

Ein Beispiel für Energetische Altbausanierung: Virchowstraße in Schwerte.<br />

Foto: Ralf Breer<br />

Verkehrsunternehmen geschieht.<br />

Trotz knapper finanzieller Ressourcen<br />

wird der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> mit dem<br />

neuen Nahverkehrsplan ab 2007 für<br />

die Folgejahre für die Bevölkerung<br />

im Sinne der Daseinsvorsorge eine<br />

„ausreichende Verkehrsbedienung“<br />

sicherstellen. Mit Hilfe flexibler Bedienungsformen<br />

wird die notwendigste<br />

ÖPNV-Versorgung auch in Räumen<br />

und Zeiten schwacher Verkehrsnachfrage<br />

sichergestellt werden. Zusätzlich<br />

kommt der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> seiner<br />

Verantwortung für eine nachhaltige<br />

Mobilität nach, in dem er die speziellen<br />

Bedürfnisse bestimmter Nutzergruppen<br />

analysiert und Maßnahmen zur<br />

Attraktivitätssteigerung insbesondere<br />

des ÖPNV für diese Nutzergruppen<br />

(wie beispielsweise Senioren, Familien,<br />

Kinder und Jugendliche, Beschäftigte)<br />

ergreift. In diesem Zusammenhang<br />

werden marketingintensive Projekte<br />

zur Verbesserung von Service, Sicherheit,<br />

Information, Ticket-Angeboten,<br />

Infrastrukturelle Einrichtungen, beson-<br />

dere Fahrplanangebote etc.) initiiert<br />

und umgesetzt.<br />

Darüber hinaus engagiert sich der<br />

<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> im Bereich des regionalen<br />

Radverkehrs, was sowohl den touristischen<br />

Bereich als auch das Alltagsradfahren<br />

betrifft. Neue Beschilderungssysteme,<br />

Kartengrundlagen und digitale<br />

Routenführungstechniken werden<br />

dabei forciert. Auch die Mitgliedschaft<br />

des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> im NRW-weiten Bürgerservice<br />

„Pendlernetz“ mit dem Ziel<br />

der organisierten, internetbasierten<br />

Disposition von Fahrgemeinschaften<br />

trägt zum Ziel des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> bei,<br />

die Mobilität im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> mittel-<br />

bis langfristig umweltfreundlicher zu<br />

gestalten.<br />

Auch abseits der klassischen umwelt-<br />

und energiepolitischen Handlungsfelder<br />

rückt der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> den<br />

Gedanken des nachhaltigen Handelns<br />

stärker in den Fokus der Akteure.<br />

� Altenarbeit<br />

Nachhaltiges Handeln findet sich<br />

auch im Feld der Altenarbeit wieder:<br />

Seit Oktober 1989 kann der <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> eine kontinuierliche Sozialplanung<br />

für ältere Menschen vorweisen,<br />

die als Querschnittsaufgabe prozessorientiert<br />

und bedarfsgerecht in der<br />

„Koordinierungsstelle Altenarbeit“<br />

im Fachbereich „Arbeit und Soziales“


organisiert wird. Am Beispiel des umfangreichen<br />

Planes „Ältere Menschen<br />

im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>“ wurde schon 1992<br />

deutlich, dass „Altenplanung“ nicht<br />

am „grünen Tisch“ erfolgt, sondern<br />

auf dem lebendigen Austausch mit<br />

den Fachgremien des „Netzwerkes<br />

der Altenarbeit“ basiert. Seinerzeit<br />

wurden zur fachlichen Diskussion und<br />

Umsetzung der Untersuchungsergebnisse<br />

und Erkenntnisse spezielle Fachgruppen<br />

organisiert, so zum Beispiel<br />

für sämtliche Pflegeheime oder alle<br />

Tagespflegen. Aus dieser Planungsbegleitung<br />

wurde das heute noch immer<br />

ständig wachsende und sich personell<br />

verjüngende „Netzwerk“ mit zahlreichen<br />

Fachgruppen und Gremien, organisiert<br />

von der Koordinierungsstelle<br />

Altenarbeit.<br />

Pünktlich zur Einführung der Pflegeversicherung<br />

1995 erwuchs gleichsam<br />

organisch die „<strong>Kreis</strong>pflegekonferenz“<br />

zur Umsetzung des Bundesgesetzes<br />

auf der örtlichen Ebene. Inzwischen<br />

sind die örtlichen Pflegekonferenzen<br />

im Landespflegegesetz NRW verankert.<br />

Erkenntnisse aus Gerontologie,<br />

Geriatrie oder Gerontopsychiatrie<br />

fanden und finden unmittelbarer Eingang<br />

in die fachliche und betriebliche<br />

Praxis vor Ort. Umgekehrt werden Bedarfslagen,<br />

finanzielle Probleme oder<br />

strukturelle Defizite rasch und instituti-<br />

onell gesichert an die verantwortlichen<br />

Fachgremien und die Politik gemeldet.<br />

Alle Beteiligten profitieren von dieser<br />

Vernetzung. Synergetische Effekte<br />

werden durch die Zusammenarbeit frei<br />

und die Wirksamkeit von Maßnahmen<br />

wird dabei stetig überprüft. Konkrete<br />

Beispiele finden sich reichlich, sei es<br />

beim bedürfnisorientierten Zuwachs<br />

an Pflegeheimen oder der Entwicklung<br />

und Einführung neuer ambulanter<br />

Dienste wie „Wohnberatung“ oder<br />

„Pflegeberatung“.<br />

Ohne die Absicht, nachhaltig die<br />

richtigen „Weichenstellungen“ für die<br />

Zukunft vorzunehmen, ließe sich die<br />

Handlungsmaxime für die Altenarbeit<br />

des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> gar nicht realisieren:<br />

„Schaffung einer abgestimmten, bedarfsgerechten,<br />

sozialen, kulturellen<br />

und gesundheitlich-pflegerischen<br />

Infrastruktur, die insbesondere auch<br />

das möglichst lebenslange Wohnen<br />

zuhause fördert und einen integrativ<br />

verlaufenden demographischen<br />

Wandel sowie die Stärkung der Selbsthilfekräfte<br />

und des ehrenamtlichen<br />

Engagements gewährleisten kann.“<br />

� Integrationskonferenz<br />

Bereits seit dem Jahr 2001 gibt es<br />

die parteiübergreifende Integrationsoffensive<br />

des Landes NRW. Mit ihr<br />

wurde der Paradigmenwechsel hin<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

zum Bekenntnis der Bundesrepublik<br />

Deutschland als Einwanderungsland<br />

eingeleitet. Weiterer Meilenstein in<br />

dieser Entwicklung ist das im Januar<br />

2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz,<br />

mit dem erstmals den<br />

Kommunen besondere Aufgaben bei<br />

der Integration von Migrantinnen und<br />

Migranten zugewiesen werden.<br />

Der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> hat einen über dem<br />

Landesdurchschnitt liegenden Anteil<br />

von Zuwanderern an der Gesamtbevölkerung.<br />

Er wird auch weiterhin<br />

durch Zuwanderung von Menschen<br />

geprägt sein, die mit einer langfristigen<br />

Lebens- und Arbeitsperspektive ins<br />

Land kommen. Mit Blick auf die zu<br />

erwartende demografische Entwicklung<br />

der Region werden wir zukünftig<br />

auf Zuwanderung angewiesen sein<br />

und von ihr profitieren (müssen).<br />

Für eine erfolgreiche Integration der<br />

Zuwanderer in unsere Gesellschaft<br />

bedarf es deshalb ganz besonderer<br />

Anstrengungen. Erforderlich im Sinne<br />

der Nachhaltigkeit ist eine strategische<br />

Steuerung der Zuwanderung<br />

und der zukünftigen kommunalen<br />

Integrationsarbeit durch Leitlinien und<br />

Zielvorgaben.<br />

Der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> hat diese Herausforderung<br />

angenommen und dazu<br />

am 16. November 2005 eine erste<br />

Integrationskonferenz im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

25


26 NACHHALTIGKEIT<br />

durchgeführt. Sie soll zweimal pro<br />

Jahr stattfinden und als Instrument<br />

zur Vernetzung von Angeboten und<br />

Akteuren sowie als Kommunikationsplattform<br />

und Lobbygremium dienen.<br />

In Abstimmungsgesprächen sollen<br />

Rückmeldungen aus der Praxis geholt,<br />

Probleme erkannt und benannt, Handlungsbedarf<br />

festgelegt und Interessen<br />

ausgeglichen werden. Ziel ist es, ein<br />

Netzwerkmanagement für das Handlungsfeld<br />

Integration aufzubauen.<br />

Die zukünftigen Konferenzen werden<br />

durch die Themen ‚Integration und<br />

Arbeit’, ‚Bildung und Erziehung’ sowie<br />

‚integrationsfördernde Maßnahmen’<br />

geprägt sein.<br />

Die Integrationskonferenz wurde<br />

im Rahmen des durch das Land Nordrhein-Westfalen<br />

geförderten Projekts<br />

‚KOMM IN – <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>’ ins Leben<br />

gerufen. Weitere Ziele dieses Projekts<br />

sind eine bisher fehlende zeitnahe und<br />

passgenaue Vermittlung von Zuwanderern<br />

in Integrationskurse und andere<br />

Integrationsangebote sowie eine Optimierung<br />

der Angebotsstruktur. Zur<br />

Vermittlung der Migrantinnen und<br />

Migranten in diese Angebote im <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> dient ein neu geschaffenes Integrationsportal.<br />

Bei dieser Datenbank<br />

handelt es sich um ein bislang bundesweit<br />

einzigartiges, wirkungsvolles<br />

Instrument, das es dem <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

ermöglicht, seine Steuerungsfunktion<br />

zwischen den Anbietern vor Ort und<br />

den Nachfragenden wahrzunehmen.<br />

� Zukunftsdialog<br />

Die Frage, wie wir mehr und nachhaltig<br />

Beschäftigung im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

schaffen können, steht im Mittelpunkt<br />

des „Zukunftsdialogs – Entwicklungsperspektiven<br />

im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>“.<br />

Der Zukunftsdialog ist ein noch am<br />

Anfang stehender Prozess, dessen<br />

konkrete Ergebnisse zum Jahreswechsel<br />

2006/07 vorliegen sollen. Dieser<br />

Prozess bezieht alle im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

wichtigen Akteure ein. An erster Stelle<br />

stehen hier die Städte und Gemeinden<br />

des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>. Mit weiteren Personen<br />

verschiedener Institutionen wie<br />

der Industrie- und Handelskammer zu<br />

Dortmund, der <strong>Kreis</strong>handwerkerschaft,<br />

den Agenturen für Arbeit in Dortmund<br />

und Hamm und vielen mehr bestehen<br />

seit langen Jahren gute Kontakte.<br />

Diese wirken bei dem Zukunftsdialog<br />

<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> mit. Darüber hinaus sollen<br />

aber auch weitere Akteure aus der<br />

Bürgerschaft und Unternehmen mit<br />

gefunden und einbezogen werden, die<br />

sich die Interessen des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> zu<br />

ihrem Anliegen machen wollen.<br />

Eine wesentliche Zielsetzung des<br />

Zukunftsdialogs ist die bessere Positionierung<br />

und Wahrnehmbarkeit des<br />

<strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> in der Region und darüber<br />

hinaus. Hierfür braucht es neben<br />

klar formulierten Entwicklungszielen,<br />

einer Handlungsstrategie und hierauf<br />

bezogenen Projekten das abgestimmte<br />

Handeln der verschiedenen Akteure<br />

und das gemeinsame Eintreten dieser<br />

für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>. Dies bedeutet<br />

auch im Sinne von Nachhaltigkeit die<br />

Aktivierung aller kreisinternen Kräfte<br />

sowie die Bündelung der Kompetenzen<br />

und Abstimmung der verschiedenen<br />

Akteure. Die Sicherung und Schaffung<br />

von nachhaltiger Beschäftigung steht<br />

im Mittelpunkt des Zukunftsdialogs.<br />

Dies bedeutet aus meiner Sicht die Betrachtung<br />

sowohl des Handlungsfeldes<br />

Arbeit, Wirtschaft, Technologie und<br />

Wissenschaft als auch von Familie, Bildung,<br />

Leben, Wohnen und Umwelt.<br />

In einer Auftaktveranstaltung Anfang<br />

2006 sollen diese Inhalte mit<br />

wichtigen Akteuren im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

diskutiert, Entwicklungsziele formuliert<br />

sowie erste Ansätze einer Handlungsstrategie<br />

konkretisiert werden. Anschließend<br />

soll dies in Arbeitsgruppen<br />

vertieft und verbreitert werden. Ende<br />

2006 sollen dann die Ergebnisse dieses<br />

Zukunftsdialoges vorliegen.<br />

Natürlich können bereits parallel<br />

erste Projekte umgesetzt werden, die<br />

in die Gesamtstrategie passen. Wichtig<br />

ist mir auch, dass dies ein kontinuier-


licher Prozess wird, dass die Kommunikation<br />

mit den für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

„alten“ und neu gewonnen Akteuren<br />

über das Jahr 2006 hinaus bestehen<br />

bleibt und im Sinne der Nachhaltigkeit<br />

gemeinsam zukunftsgerichtet an der<br />

Profilierung und Positionierung des<br />

<strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> gearbeitet wird.<br />

Die genannten Beispiele verdeutlichen,<br />

dass der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> eine Vielzahl<br />

von Aktivitäten auf zahlreichen<br />

Handlungsfeldern im Sinne der Nach-<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

Deutschlehrerin Barbara Daniel zitiert Schiller während der kleinen Einweihungsfeier des Amphitheaters am Ernst-Barlach-<br />

Gymnsasium <strong>Unna</strong>. Das Projekt wurde im Rahmen von Agenda in der Schule und der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft unterstützt.<br />

Foto: Archiv<br />

haltigkeit vorweisen kann. Ich hoffe<br />

damit Anregungen zur Nachahmung<br />

durch möglichst viele Akteure auf<br />

<strong>Kreis</strong>ebene zu geben und damit die<br />

Zukunftsfähigkeit „UN“seres <strong>Kreis</strong>es<br />

<strong>Unna</strong> zu stärken.<br />

27


28<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

� „Fläche – ohne Ende?“<br />

Nachhaltige Siedlungsflächenentwicklung<br />

in Lünen<br />

Eine der 19 Ausstellungstafeln „Fläche – ohne Ende?" Foto: Stadt Lünen


von Astrid Linn<br />

Rund 100 Hektar Land werden<br />

Tag für Tag in Deutschland versiegelt.<br />

Insgesamt ist 90 Prozent der<br />

zusätzlichen Flächeninanspruchnahme<br />

allein auf das ständige<br />

Wachstum der Siedlungsgebiete,<br />

einschließlich der dazu benötigten<br />

Verkehrsflächen, zurückzuführen.<br />

Eine gigantische Fläche, die uns<br />

dennoch nicht wirklich berührt.<br />

Denn der einzelne Bürger sieht<br />

davon gerade einmal die Baustelle<br />

in der Nebenstraße, die Arbeiten an<br />

der Straßenverbreiterung ein paar<br />

Kilometer weiter, einen Acker, der nun<br />

Bauland wird.<br />

Als Ziel in der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie<br />

ist die Minderung der<br />

Flächeninanspruchnahme auf 30 Hektar<br />

pro Tag bis ins Jahr 2020 formuliert<br />

worden. Um diesen Wandel hin zu<br />

einer schonenden und sparsamen<br />

Bodennutzung zu erreichen, müssen<br />

nicht nur die bundesweiten rechtlichen,<br />

planerischen und ökonomischen<br />

Rahmenbedingungen (Subventionen,<br />

Steuern etc.) auf dieses Ziel ausgerichtet<br />

werden. Insbesondere sind auf<br />

der lokalen Ebene Einzelmaßnahmen<br />

und Strategien für eine nachhaltige<br />

Stadtentwicklung zu suchen.<br />

Im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> wurde in den vergangenen<br />

Jahren eine Vielzahl von<br />

Maßnahmen zum Schutz des Freiraums<br />

umgesetzt. Obwohl die Stadt<br />

Lünen sich am Rande des industriellen<br />

Ballungsraumes Ruhrgebiet befindet<br />

und der Druck auf die Inanspruchnahme<br />

von Freiräumen erheblich ist, ist<br />

es der Stadt über Jahre gelungen mit<br />

ihren Flächen zu haushalten. Freiräume<br />

wurden erhalten und entwickelt, alte<br />

Bergbaustandorte als Brachflächen recycelt<br />

und flächensparende, kompakte<br />

Wohnsiedlungen gebaut.<br />

Das eigene Handeln kritisch reflektieren<br />

und die Erfahrungen an andere<br />

weitergeben – das sind zwei Gründe,<br />

warum sich die Stadt Lünen mit dem<br />

<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> an einer Wanderausstellung<br />

zu Fragen der Landnutzung und des<br />

Flächenverbrauchs in Nordrhein-Westfalen<br />

beteiligt hat. Die Ausstellung<br />

„Fläche – ohne Ende“ wurde von der<br />

NRW-Stiftung maßgeblich gefördert<br />

und vom Wissenschaftsladen Bonn<br />

begleitet. Fünf Basistafeln geben einen<br />

Überblick des Flächengebrauchs in<br />

NRW und werden durch insgesamt 14<br />

spezifische Tafeln der Städte Hamm,<br />

Herdecke, Herzogenrath, Lünen und<br />

Wülfrath ergänzt. Die Tafeln zeigen<br />

historisches Material und stellen Informationen<br />

zu aktuellen Fragestellungen<br />

vor Ort vor. Die drei Tafeln der Stadt<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

Lünen behandeln die Themen nachhaltige<br />

Siedlungsflächenentwicklung,<br />

Folgen und Folgenutzungen des Bergbaus<br />

und die Innenstadtentwicklung<br />

an der Lippe im Nutzungswandel. Hier<br />

wird ein Blick auf die Ausstellungstafel<br />

zur Siedlungsflächenentwicklung als<br />

Grundlage für eine vorausschauende<br />

Stadtplanung geworfen.<br />

� Wie ist Lünen entstanden?<br />

Die Siedlungsgeschichte des Raumes<br />

Lünen bildete die bis heute für die<br />

Stadt Lünen bedeutsame polyzentrale<br />

Struktur heraus: Verdichtete Siedlungsflächen<br />

in kompakten Ortsteilen<br />

mit circa 91.000 Einwohnern und<br />

Gewerbestandorte im eindrucksvollen<br />

Wechsel mit der landwirtschaftlich geprägten<br />

Kulturlandschaft und durchzogen<br />

vom breiten Band der Lippeaue.<br />

Erste bäuerliche Besiedlungen wurden<br />

in Lünen bereits vor 900 Jahren<br />

in hochwasserfreien Flächen nördlich<br />

der Lippe nachgewiesen. Die Urkarte<br />

aus dem Jahr 1839 zeigt Lünen noch<br />

in ihren mittelalterlichen Umrissen,<br />

umgeben von Wäldern und entfernt<br />

liegenden Bauernschaften wie Wethmar,<br />

Nordlünen und Alstedde als<br />

kleine bebaute Inseln. Die in die Fläche<br />

ausufernde Besiedlung begann erst<br />

mit der Industrialisierung. Die Stadt<br />

Lünen wandelte sich schnell von der<br />

29


30 NACHHALTIGKEIT<br />

Handwerker- und Ackerbürgerstadt<br />

zur Bergbaustadt. Die standortgebundenen<br />

Bergbaueinrichtungen nahmen<br />

keine Rücksicht auf historische<br />

Siedlungsstrukturen und waren das<br />

bestimmende Entwicklungselement<br />

im Raum. Mit dem verbesserten Anschluss<br />

der Stadt an das Verkehrsnetz<br />

über den 1914 fertig gestellten Lippe-<br />

Seitenkanal und die Anbindung der<br />

Eisenbahnlinien an das Ruhrgebiet<br />

1905 und nach Münster 1928 ergaben<br />

sich neue Entwicklungsimpulse. Industrieansiedlungen,<br />

wie Westfalia und<br />

Luisenhütte, liegen zunächst weit von<br />

den Siedlungsbereichen entfernt und<br />

werden später ausschlaggebend für die<br />

weitere Siedlungsentwicklung.<br />

In Verbindung mit den Zechen<br />

entstanden weiträumige Bergarbeitersiedlungen<br />

für die in großer Zahl<br />

angeworbenen Arbeitskräfte. Es sind<br />

häufig extensiv bebaute Quartiere mit<br />

einheitlichen Baustilen und großen<br />

Grabelandflächen. In den Gebäuden<br />

an sich lebten allerdings viele Menschen<br />

auf engem Raum. Heute sind die<br />

insgesamt rund 8.500 bereits sanierten<br />

Wohnungen sehr beliebt.<br />

Die Ortsteile haben durch ihre<br />

eigenständigen Entwicklungsgeschichten<br />

ihre jeweilige Identität bewahrt,<br />

womit die Grundlage für eine nachhaltige<br />

Stadtentwicklung gegeben ist.<br />

� Häuschen im Grünen<br />

Die Stadt Lünen hat aufgrund ihrer<br />

günstigen Lage am Rand des hoch<br />

verdichteten Ballungskerns des östlichen<br />

Ruhrgebietes im Übergangsbereich<br />

zum ländlichen Freiraum eine<br />

vergleichsweise hohe Attraktivität<br />

als Wohnstandort. So nehmen alle<br />

Gebäudeflächen, einschließlich ihrer<br />

zugehörigen Freiflächen, fast ein<br />

Drittel der Stadtfläche ein. Zusammen<br />

mit den Verkehrs- und Betriebsflächen<br />

macht die Siedlungsfläche in Lünen<br />

45 Prozent des Stadtgebietes aus. Auf<br />

dieser Siedlungsfläche leben ungefähr<br />

3.500 Einwohner je Kilometer, so dass<br />

sich eine höhere Siedlungsdichte als im<br />

nord-rheinwestfälischen Durchschnitt<br />

mit rund 2.500 Einwohnern je Kilometer<br />

ergibt. Die Gesamtbevölkerung<br />

stieg mit der industriellen Entwicklung<br />

von 3.900 Einwohnern 1880 auf<br />

10.500 Einwohner im Jahr 1900, auf<br />

18.126 Einwohner im Jahr 1920 an und<br />

verdoppelt sich dann sprunghaft von<br />

bereits 45.000 im Jahr 1945 auf 91.127<br />

Einwohner zum 1. Januar 2005.<br />

� Siedlungsprofil<br />

Eine räumliche Orientierung und ein<br />

gutes Strukturprofil will sich die Stadt<br />

durch folgende Prinzipien sichern, die<br />

fachlich als Kriterien für eine nachhaltige<br />

Stadtentwicklung anerkannt sind:<br />

� die polyzentrale Stadt mit mehreren<br />

städtischen Siedlungsschwerpunkten<br />

und ablesbaren Ortsteil- und<br />

Stadtgrenzen,<br />

� die Stadt der kurzen Wege durch<br />

Nutzungsmischungen und Dichte/verdichtete<br />

Wohngebiete in der<br />

Nähe von Grünräumen,<br />

� zusammenhängende Freiräume als<br />

ökologische und gliedernde Elemente<br />

zwischen den Besiedlungen.<br />

Ein Instrument zur planvollen Stadtentwicklung<br />

Lünens und ein Bekenntnis<br />

zu ihrer polyzentrischen Struktur<br />

ist das Zentrenkonzept aus dem Jahr<br />

1980. Damit wurden einerseits urbane<br />

Schwerpunkte zukünftiger Siedlungstätigkeit<br />

herausgestellt, andererseits<br />

Freiräume für Landschaftsschutz, Erholung<br />

und Landwirtschaft freigelassen<br />

und wenige Verkehrsachsen für die<br />

erforderlichen Austauschbeziehungen<br />

zwischen den Stadtteilen bzw. zum<br />

östlichen Ruhrgebiet bestimmt. Mit<br />

der Erkenntnis, dass die Wohnqualität<br />

in den Zentren wesentlich von<br />

Quantität und Qualität benachbarter<br />

Freiräume abhängt, wurde beispielsweise<br />

ein Zusammenwachsen des<br />

größten Ortsteils Brambauer mit dem<br />

Stadtkern Lünens verhindert.<br />

� Brachflächenrecycling<br />

Wie bereits oben beschreiben, hat


Wohnprojekt Riehtwiese in Brambauer nach ökologischen und flächensparenden<br />

Kriterien. Foto: Stadt Lünen<br />

nichts die Stadt Lünen so entscheidend<br />

geprägt wie der Steinkohlebergbau.<br />

Auf der grünen Wiese wurden gut 190<br />

Hektar für die Zechenstandorte und<br />

Kokereien in Anspruch genommen –<br />

immerhin drei Prozent des Stadtgebietes.<br />

Alle ehemaligen Bergbauflächen<br />

wurden im Rahmen des Strukturwan-<br />

dels in die Zukunftsplanung der Stadt<br />

Lünen einbezogen. In Lünen haben<br />

zum Erfolg der Brachflächenentwicklungen<br />

die frühen Überlegungen über<br />

Nachnutzungsstrategien beigetragen,<br />

da die Durchführung der Sanierung<br />

so in Abhängigkeit von den Folgenutzungen<br />

Gewerbe, Wohnen oder auch<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

Rekultivierung optimal entwickelt<br />

werden konnten. Für den Erfolg bei<br />

der Umsetzung von innovativen Planungskonzeptionen,<br />

respektive deren<br />

Akzeptanz, bedarf es aufgeschlossener<br />

Flächeneigner und Investoren.<br />

Die ökonomischen, stadtentwicklungspolitischen<br />

und ökologischen<br />

Gesichtspunkte müssen zielführend<br />

kombiniert und für das jeweilige<br />

Einzelprojekt gemeinsam mit der öffentlichen<br />

Planung und den Genehmigungsbehörden<br />

optimiert werden.<br />

� Neuer Flächennutzungsplan<br />

Mit der Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes<br />

2003 bis 2005 wurde<br />

die Siedlungsflächenentwicklung noch<br />

stärker am Ziel der Nachhaltigkeit orientiert.<br />

Eine Zersiedlung – also durch<br />

Profitinteresse geleitetes Ausufern<br />

städtischer Bebauung in den agrarischen<br />

Bereich – soll weiterhin vermieden<br />

werden. Eine Erweiterung von<br />

Wohn- oder Gewerbebereichen findet<br />

nur noch im begrenzten Umfang statt.<br />

Die zwischen den einzelnen Ortsteilen<br />

Lünens liegenden Freiräume und der<br />

Freiraum der Lippaue werden weiterhin<br />

zur klaren, räumlichen Gliederung<br />

des Stadtgebietes beitragen. Insbesondere<br />

die drei Siedlungsschwerpunkte<br />

Lünen-Mitte mit Lünen-Nord, Lünen-<br />

Süd mit Horstmar und Brambauer kön-<br />

31


32 NACHHALTIGKEIT<br />

nen als tragfähige Funktionseinheiten<br />

bezeichnet werden. Hier wirkt sich die<br />

verdichtete Stadtstruktur positiv auf<br />

� die geringere versiegelte Fläche pro<br />

Einwohner,<br />

� die Anerkennung als fahrradfreundliche<br />

Stadt, wie dies z.B. die Fahrradstraße<br />

(Leezenpatt) quer durchs<br />

Stadtgebiet verdeutlicht,<br />

� die Sicherung regionaler Grünzüge,<br />

� die Schaffung von Kleingartenanlagen,<br />

die auch heute noch mit<br />

einen Umfang von 27,5 Hektar<br />

zum durchgrünten Siedlungsbild<br />

beitragen,<br />

� die Sicherung der Nahversorgung<br />

aus.<br />

Aufgabe der Städte ist es, Stadtplanung<br />

langfristig und vorausschauend<br />

anzugehen. Dabei hat die Daten-<br />

analyse der eigenen kommunalen<br />

Bevölkerungsentwicklung in Lünen<br />

den Handelnden aus Politik und Verwaltung<br />

konkrete Hinweise für die<br />

Siedlungsentwicklung der Zukunft<br />

gegeben. Einer der bedeutendsten<br />

demographischen Trends für die<br />

zukünftige Wohnungsnachfrage ist<br />

– neben der Stagnation des bisherigen<br />

Bevölkerungswachstums – die<br />

Zunahme der älteren Menschen an<br />

der Gesamtbevölkerung, wobei die<br />

über 65-jährigen 2015 bereits über<br />

20 Prozent der Lüner Bevölkerung<br />

ausmachen.<br />

Fest steht, dass die Gruppe der<br />

Senioren zu einem bestimmenden<br />

Faktor der Wohnungsnachfrage wird.<br />

So gibt es Hinweise darauf, dass gerade<br />

die kompakten Stadtbereiche<br />

mit ihrer Infrastrukturdichte günstige<br />

Standortvoraussetzungen für die<br />

wachsende Gruppe der älteren Menschen<br />

bieten.<br />

� Kontakt<br />

Neugierig auf die Ausstellung geworden?<br />

Es gibt eine 40-seitige<br />

Begleitbroschüre, die kostenlos beim<br />

Wissenschaftsladen Bonn bestellt oder<br />

im Internet herunter geladen werden<br />

kann. Die Ausstellung „Fläche ohne<br />

Ende“ will auf ihrer Wanderschaft<br />

durch Nordrhein-Westfalen in möglichst<br />

vielen Städten eine breite Diskussion<br />

anregen. Im Jahr 2005 war sie<br />

bereits in Bergkamen, am Möhnesee,<br />

in Hamm und Lünen zu sehen.<br />

Auch im Jahr 2006 besteht noch die<br />

Möglichkeit, die Ausstellung in die eigene<br />

Stadt zu holen.Interessierte können<br />

sich unter Flaechennutzung@wilabonn.<br />

de, Tel. 0228 20161-0 oder unter<br />

www.wilabonn.de informieren.


� Agenda 21 in der Stadt <strong>Unna</strong><br />

„Für <strong>Unna</strong> handeln! –<br />

Der Hellweg und die weite Welt“<br />

von Joachim Schmidt<br />

Was ist aus der Agenda 21 geworden?<br />

Mit dem abstrakten<br />

Begriff aus der Rio-Konferenz der<br />

Vereinten Nationen aus dem Jahr<br />

1992 verbinden nach wie vor nur<br />

wenige konkrete Vorstellungen.<br />

Dabei finden gerade auf kommunaler<br />

Ebene sehr viele Projekte<br />

und Aktivitäten statt, die unter<br />

dem Leitbild der nachhaltigen<br />

Entwicklung Ökologie, Ökonomie<br />

und Soziales zum Wohle der Gemeinschaft<br />

nach vorne bringen.<br />

Am Beispiel der Stadt <strong>Unna</strong> wird<br />

im folgenden dokumentiert, welche<br />

Projekte der lokalen Agenda 21 erfolgreich<br />

waren und welche Aktivitäten<br />

weiter geplant sind.<br />

� Von Rio nach <strong>Unna</strong>!<br />

„Der Weg zu einer lebens- und liebenswerten<br />

Stadt!“ Bereits seit 1997<br />

ist die Agenda 21 Gegenstand vielfältiger<br />

Aktivitäten von Bürgerschaft, Verwaltung<br />

und Politik innerhalb der Stadt<br />

Energiemesse der Stadt <strong>Unna</strong> im Rathaus.<br />

Foto: Schmidt<br />

<strong>Unna</strong>. Erst kürzlich hat der Rat das<br />

bisherige Aktionsprogramm bewertet<br />

und ein neues Handlungskonzept zur<br />

lokalen Agenda 21 beschlossen. Darin<br />

wird ausführlich dargestellt, wie der<br />

bisherige Agenda 21-Prozess gestaltet<br />

und welche Arbeitsschwerpunkte für<br />

die Zukunft festgelegt wurden.<br />

Die Liste der Projekte und mitwir-<br />

AGENDA IM KREIS UNNA<br />

kenden Personen ist sehr umfangreich.<br />

Die Stadt <strong>Unna</strong> ist im Rahmen der<br />

lokalen Agenda 21 auf vielen Ebenen<br />

mit einer reichhaltigen Themenpalette<br />

aktiv. Eine umfassende und lückenlose<br />

Darstellung ist im Rahmen dieser<br />

Publikation nicht möglich. Die nachstehende<br />

Beschreibung beispielhafter<br />

Projekte konzentriert sich im Kern auf<br />

Themen aus dem Bereich Umwelt sowie<br />

„Eine Welt und Gerechtigkeit“.<br />

� Energiemesse<br />

Am 4. und 5. März 2006 findet<br />

die <strong>Unna</strong>er Energiemesse im Rathaus<br />

bereits zum 7. Mal statt. Das Projekt<br />

wurde von der Arbeitsgruppe „Energie,<br />

Wirtschaft, Konsum, Mobilität“<br />

ins Leben gerufen und ist inzwischen<br />

fester Bestandteil des <strong>Unna</strong>er Veranstaltungskalenders.<br />

Die Energiemesse findet immer am<br />

ersten Märzwochenende eines jeden<br />

Jahres, zeitgleich mit der Immobilienbörse<br />

der Sparkasse <strong>Unna</strong> statt. Über<br />

20 Aussteller und Firmen informieren<br />

im Rathaus und auf dem Vorplatz rund<br />

um das Thema Energie(sparen) sowie<br />

33


34 AGENDA IM KREIS UNNA<br />

modernste Haustechnik. Ein buntes<br />

Rahmenprogramm mit Vorträgen rundet<br />

die Veranstaltung ab, die gleichzeitig<br />

einen wichtigen Beitrag zum<br />

Klimaschutz und der damit zusammenhängenden<br />

Bewusstseinsbildung<br />

im Sinne der Agenda 21 leistet.<br />

� „Wir bauen Brücken“<br />

Ein weiteres wichtiges Thema der<br />

lokalen Agenda 21 in der Stadt <strong>Unna</strong><br />

war von Beginn an die weltweite humanitäre<br />

Hilfe.<br />

Die Arbeitsgruppe „Eine Welt und<br />

Gerechtigkeit“ hat schnell ermittelt,<br />

dass in <strong>Unna</strong> viele Gruppen, Vereine,<br />

Institutionen und Personen Entwicklungsprojekte<br />

in zahlreichen Ländern<br />

der Erde betreuen. In einer Broschüre<br />

– inzwischen neu aufgelegt – stellen<br />

sich fast 30 Initiativen aus <strong>Unna</strong> mit<br />

ihren Projekten in rund 20 Ländern<br />

Mittel- und Südamerikas, Afrikas,<br />

Asiens und Europas vor. Die Projekte<br />

sind vielfältig und individuell.<br />

Die Unterstützung umfasst technische<br />

Hilfe, Umweltschutz, Bildung<br />

und Schule, Gesundheitsvorsorge und<br />

Heilung, Frauenförderung, Kinderhilfe,<br />

Selbsthilfe, Integration, Förderung von<br />

Schulpatenschaften, Menschenrechte,<br />

fairen Handel, Austauschprojekte und<br />

vieles mehr.<br />

Einmal jährlich veranstalten die<br />

Aktionstag der „Eine-Welt-Gruppen” in<br />

der Bürgerhalle. Foto: Schmidt<br />

Initiativen den Aktionstag der „Eine-<br />

Welt-Gruppen“ in <strong>Unna</strong>, informieren<br />

über ihre Projekte und werben um<br />

Unterstützung.<br />

Zusätzlich informieren sie auf dem<br />

<strong>Unna</strong>er Weihnachtsmarkt in der<br />

„Blauen Bude“ über ihre weltweiten<br />

vorbildlichen Aktivitäten. Spenden<br />

und neue Mitstreiter sind jederzeit<br />

willkommen.<br />

� Ehrenamtlicher <strong>Natur</strong>schutz<br />

Der ehrenamtliche <strong>Natur</strong>schutz hat<br />

ebenso eine traditionell große Bedeutung<br />

in <strong>Unna</strong>. Viele Akteure tragen<br />

mit ihrem Engagement zu einer nachhaltigen<br />

Entwicklung von <strong>Natur</strong> und<br />

Landschaft im Stadtgebiet bei. Dabei<br />

erfolgt seit Jahren eine enge Kooperation<br />

zwischen den Beteiligten und der<br />

Verwaltung, die von allen parlamentarischen<br />

Gremien auf vielfältige Weise<br />

unterstützt wird. Als positive Beispiele<br />

sind zu nennen: Verein für Heimat<br />

und <strong>Natur</strong>, Mühlhausen/Uelzen e.V.<br />

Organisation des „Tag der Weide“ seit<br />

über 25 Jahren. Erwerb von über 20<br />

Flächen für den <strong>Natur</strong>schutz in einer<br />

Gesamtgröße von ungefähr 30 Hektar<br />

im Stadtgebiet <strong>Unna</strong>. Der Landerwerb<br />

wurde über Eigenmittel, Spenden,<br />

Zuschüsse und Förderprogramme realisiert.<br />

Durch die Akteure erfolgt eine<br />

kontinuierliche Pflege und ökologische<br />

Weiterentwicklung der Flächen und<br />

Biotope. Das Engagement ist bundesweit<br />

vorbildhaft.<br />

� Beschäftigungsmaßnahme<br />

„<strong>Natur</strong> und Umweltschutz“<br />

Das Projekt unter Leitung des Umweltbereichs<br />

der Stadt <strong>Unna</strong> blickt<br />

auf eine lange Laufzeit zurück. Seit<br />

Ende der 80er Jahre sind Langzeitarbeitslose<br />

unter fachlicher Anleitung<br />

damit beschäftigt, unterschiedliche<br />

<strong>Natur</strong>schutzmaßnahmen im Stadtgebiet<br />

<strong>Unna</strong> zu realisieren. Bis zu 20<br />

Teilnehmer in der Maßnahme pflanzen


Gehölze, durchforsten Waldflächen,<br />

gestalten Erlebnisräume, bauen Trockenmauern,<br />

pflegen Biotope, legen<br />

Wege an, errichten Amphibienschutzzäune<br />

oder renaturieren Flächen. Über<br />

eine sozialpädagogische Betreuung<br />

und fachliche Qualifizierung sollen die<br />

Arbeitslosen für das Berufsleben neu<br />

vorbereitet werden. Somit erhebt das<br />

Projekt einen hohen Anspruch sowohl<br />

an Erfordernisse des Umweltschutzes<br />

als auch der sozialen Integration.<br />

� „Saubere Landschaft“<br />

Auch diese spezielle Form des<br />

Bürgerengagements hat in <strong>Unna</strong> eine<br />

lange Tradition. In allen Ortsteilen<br />

finden in jedem Frühjahr regelmäßig<br />

Aktionen zur Dorfreinigung (Abfallbeseitigung<br />

aus der Landschaft) statt, an<br />

denen sich Schulklassen, Kindergärten,<br />

Ortsvereine, Sportclubs, <strong>Natur</strong>schutzgruppen,<br />

Feuerwehr, Landwirte,<br />

Schützenvereine, Kirchengemeinden u.<br />

v. m. aktiv beteiligen. Die ortsansässigen<br />

Medien berichten immer wieder<br />

gerne in Text und Bild über die vielen<br />

Aktivitäten und tragen damit positiv<br />

zur Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit<br />

bei. Die Aktionen werden auch<br />

durch die Stadtverwaltung unterstützt.<br />

So ermöglichen die Stadtbetriebe den<br />

Akteuren durch Bereitstellung von<br />

Sammelcontainern oder die Heraus-<br />

Gehölzpflanzungen in Hemmerde. Foto: Schmidt<br />

gabe von Deponie-Gutscheinen die<br />

Abgabe des eingesammelten Mülls an<br />

den Entsorgungseinrichtungen. Das<br />

Umweltamt unterstützt die freiwilligen<br />

und ehrenamtlichen Initiativen durch<br />

finanzielle Zuschüsse zu den traditionellen<br />

Verpflegungen nach vollbrachter<br />

Arbeit. In der Stadt <strong>Unna</strong> ist somit<br />

eine Bewegung entstanden, die in<br />

jedem Frühjahr zahlreiche Bürgerinnen<br />

und Bürger zusammenbringt, dem<br />

<strong>Natur</strong>- und Landschaftsschutz dient<br />

und damit auch dem Gedanken der<br />

lokalen Agenda 21 entspricht. Jedes<br />

Jahr finden rund zehn Aktionen mit<br />

insgesamt 150 bis 200 Teilnehmern<br />

statt. Der gleiche Teilnehmerkreis wirkt<br />

auch bei bürgerschaftlichen Pflanzaktionen<br />

mit.<br />

AGENDA IM KREIS UNNA<br />

� Initiative Kurpark Königsborn<br />

Im Jahr 1999 wurde der Förderverein<br />

Kurpark Königsborn e.V. gegründet.<br />

Die künftige Entwicklung dieser<br />

für <strong>Unna</strong> bedeutenden Grünfläche soll<br />

durch den Verein in Kooperation mit<br />

der Verwaltung konstruktiv begleitet<br />

werden. Auch die vielen auf dem<br />

Gelände aktiven Vereine und Institutionen<br />

wirken mit. Ein gemeinsames<br />

Konzept wurde entwickelt, das die<br />

Entstehung eines Kurparks „neuen<br />

Stils“ zum Ziel hat. Die Eckpunkte sind:<br />

Stärkung der vorhandenen Qualitäten,<br />

ökologische Aufwertung, Nutzung als<br />

Freizeit- und Erholungsstätte, Wiederbelebung<br />

der historischen Tradition<br />

sowie ästhetische Gestaltung. Viele<br />

Maßnahmen sind bereits realisiert.<br />

35


36 AGENDA IM KREIS UNNA<br />

Somit sind die Initiativen zum Kurpark<br />

Königsborn ebenfalls ein gutes Beispiel<br />

für nachhaltige Entwicklung im Sinne<br />

der lokalen Agenda 21.<br />

� Bildung und Beratung<br />

Die Bewusstseinsbildung für das Erkennen<br />

ökologischer Zusammenhänge<br />

und Nachhaltigkeitsaspekten wird in<br />

ihrer Bedeutung oft unterschätzt, ist<br />

jedoch wichtiger denn je. Dies sollte<br />

spätestens seit den <strong>Natur</strong>?-Katastrophen<br />

oder Terroranschlägen der jüngsten<br />

Vergangenheit mit ihren Folgen<br />

für Ökologie, Ökonomie und Soziales<br />

deutlich geworden sein. Auch aus die-<br />

Am Kurpark in <strong>Unna</strong>-Königsborn. Foto: Schmidt<br />

ser Erkenntnis heraus unterstützt die<br />

Stadt <strong>Unna</strong> seit vielen Jahren Projekte<br />

im Bereich Bildung und Beratung zu<br />

Umwelt-, Verbraucher- und Agenda<br />

21-Themen:<br />

� Umweltberatungszentrum<br />

Im Umweltberatungszentrum sind<br />

mehrere Institutionen aktiv: Umweltberatung,<br />

Verbraucherzentrale NRW<br />

e.V. mit Umwelt-, Abfall-, Energie- und<br />

Pflegeberatung, Stadtbetriebe <strong>Unna</strong><br />

und der Allgemeine Deutsche Fahrradclub<br />

(ADFC). In einem Ladenlokal<br />

des Rathauses wird umfassend zu<br />

allen Themen rund um Umwelt- und<br />

Verbraucherfragen beraten. Darüber<br />

hinaus besteht die Möglichkeit, Informationsbroschüren<br />

und andere Artikel<br />

käuflich zu erwerben. Auch werden<br />

Korken zum Recycling oder alte Batterien<br />

entgegengenommen.<br />

� Stadtökologischer Erlebnispfad<br />

Ein Projektvorschlag aus dem Handlungskonzept<br />

Agenda 21 war die<br />

Errichtung eines stadtökologischen<br />

Erlebnispfades in <strong>Unna</strong>. Für das Projekt<br />

haben sich viele Bürgerinnen und<br />

Bürger zu einer Arbeitsgruppe zusammengeschlossen<br />

und gemeinsam den<br />

Erlebnispfad entwickelt und realisiert.<br />

Grundlage war eine Diplomarbeit von<br />

Kai Zimmermann zum Thema. Nach<br />

einem langen Diskussionsprozess,<br />

vielen Abstimmungsgesprächen und<br />

Werben um Fördermittel und Sponsorengelder<br />

wurde der Erlebnispfad (4,6<br />

Kilometer lang, 21 Stationen) in <strong>Unna</strong>s<br />

Innenstadt im August 2005 feierlich<br />

eröffnet. Der Stadtökologische Erlebnispfad<br />

wird in diesem NFG-Report<br />

von Rolf Böttger ausführlich vorgestellt<br />

(siehe Seite 48).<br />

� Weitere Initiativen<br />

Die bisher beschriebenen langfristigen<br />

Projekte und Aktivitäten können<br />

nur einen kleinen Überblick über den<br />

breit angelegten Prozess der Lokalen


Agenda 21 in <strong>Unna</strong> vermitteln. Viele<br />

weitere Initiativen und Maßnahmen<br />

wurden unterstützt und realisiert.<br />

Beispiele sind:<br />

� „Lebendige Schule in einer lebendigen<br />

Stadt“ (Umweltwettbewerb)<br />

� Weltkindertag<br />

� Diavortrag Rüdiger Nehberg<br />

� Internetwettbewerb „Komm mit<br />

– mach Stadt“<br />

� Aktion „Der Pott kocht fair“<br />

� Skudden-Projekt Mühlhausen,<br />

Förderung<br />

� „Eine-Welt-Kalender“, Geschwister<br />

Scholl-Gymnasium<br />

� Finanzielle Unterstützung einer thermischen<br />

Solaranlage, Gesamtschule<br />

Königsborn<br />

� Wettbewerb „Zukunftsfähige Kommune“<br />

� Aktion „König von <strong>Unna</strong>“<br />

� Radiosendung Agenda 21<br />

� Themen-Radtouren<br />

� Teilnahme am „Gesundmarkt“<br />

� „Klimastaffel“<br />

� Tag der Regionen<br />

� Tag des bürgerschaftlichen Engagements<br />

� Ideenwettbewerb „Neues Logo<br />

Agenda 21“<br />

Eine umfangreiche Dokumentation<br />

und Beschreibung sämtlicher<br />

Aktivitäten ist im Handlungskonzept<br />

Lokale Agenda 21 der Stadt <strong>Unna</strong><br />

nachzulesen.<br />

� Ausblick und Planung<br />

Der Prozess der Lokalen Agenda<br />

21 in <strong>Unna</strong> steht nicht still und entwickelt<br />

sich dynamisch weiter. Auch<br />

die drei jüngsten Projekte aus dem<br />

neuen Handlungskonzept zielen darauf<br />

ab, als Verwaltung vorbildhaft im<br />

Sinne der Nachhaltigkeit zu arbeiten,<br />

bürgerschaftliches Engagement zu<br />

aktivieren und langfristige Strategien<br />

zu entwickeln:<br />

� Ökoaudit Rathaus <strong>Unna</strong><br />

Eine Projektgruppe der Verwal-<br />

AGENDA IM KREIS UNNA<br />

tung untersucht das Rathaus und<br />

den städtischen Fuhrpark hinsichtlich<br />

Ressourcenverbrauch, Umweltschutz<br />

und Maßnahmen zur Reduzierung von<br />

Materialeinsätzen.<br />

� Informationsabende<br />

Unter Beteiligung der jeweiligen<br />

Ortsvorsteher werden themenbezogene<br />

Veranstaltungen in den Ortsteilen<br />

organisiert. Daraus werden gemeinsame<br />

Projekte und Maßnahmen des ehrenamtlichen<br />

Engagements entwickelt<br />

und realisiert.<br />

� Nachhaltigkeitsindikatoren<br />

Diese Thematik gewinnt auch im<br />

Hinblick auf das Neue Kommunale<br />

Finanzmanagement (NKF) zunehmend<br />

an Bedeutung. Unter Orientierung an<br />

Zieldefinitionen entwickelt eine Arbeitsgruppe<br />

der Verwaltung geeignete<br />

Indikatoren und implementiert diese<br />

in die Produktbücher des städtischen<br />

Haushalts.<br />

37


38 AGENDA IM KREIS UNNA<br />

� Agenda 21-Prozess in Fröndenberg/Ruhr<br />

Versuch einer Darstellung am Beispiel der<br />

Fröndenberger LA 21-Gruppe<br />

von Barbara Streich<br />

Der politische Wille, die Charta<br />

von Aalborg zu unterzeichnen und<br />

den Startschuss für den Beginn<br />

eines Agendaprozesses zu ermöglichen,<br />

wurde ab 1998 parteien-<br />

übergreifend in Fröndenberg/Ruhr<br />

formuliert. Der Rat der Stadt<br />

erteilte im Rahmen verschiedener<br />

Beschlussfassungen (Haushaltssatzung,<br />

Einrichtung ABM, Personalentscheidungen)<br />

seine förmliche<br />

Zustimmung zur Initiierung des<br />

Agendaprozesses im Bereich der<br />

Stadt Fröndenberg/Ruhr.<br />

Am 9. Juni 1999 wird folgender<br />

Beschluss gefasst: „Der Rat bekräftigt<br />

nochmals und ausdrücklich, dass<br />

in der Stadt Fröndenberg/Ruhr der<br />

Agendaprozess durchgeführt wird<br />

und beschließt die Unterzeichnung<br />

der Charta von Aalborg.“ Den Auftakt<br />

zum Agendaprozess machte eine vom<br />

Agendabüro der Stadt Fröndenberg/<br />

Ruhr begleitete Veranstaltung am 8.<br />

Juni 1999 in der Gesamtschule. Aus<br />

dieser Auftaktveranstaltung heraus,<br />

bildeten sich vier Agenda-Arbeitsgruppen,<br />

nämlich „Wirtschaft und Arbeit“,<br />

„Freizeit, Kultur und Soziales Leben“,<br />

„Lebensraum Stadt, Stadtentwicklung“<br />

und „Umwelt- und <strong>Natur</strong>schutz/<br />

Landwirtschaft“.<br />

Im Folgenden wird versucht, die<br />

nachhaltige Arbeit der Lokalen Agendagruppe<br />

„Umwelt- und <strong>Natur</strong>schutz/Landwirtschaft“<br />

darzustellen,<br />

ohne dabei den Anspruch zu haben,<br />

dies in Vollständigkeit zu tun. Vorbemerkungen:<br />

Wichtig für die Agendaarbeit<br />

war und ist die kontinuierliche<br />

Begleitung durch das Agendabüro<br />

des Rathauses. Seit circa fünf Jahren<br />

leistet Hubert Sallamon kompetent als<br />

zuständiger Mitarbeiter Arbeiten wie<br />

Einladungs- und Protokollerstellung<br />

und Koordination und Begleitung der<br />

Gruppenarbeit. Der Agendaarbeit<br />

steht, beginnend mit dem Jahr 2002,<br />

erstmals ein Etat von jährlich 5.000,00<br />

Euro zur Verfügung.<br />

Die Arbeitsgruppe „Umwelt- und<br />

<strong>Natur</strong>schutz/Landwirtschaft“ besteht<br />

zur Zeit (2005) aus elf Aktiven und<br />

tagt regelmäßig einmal im Monat. Um<br />

die Gruppe nach innen und außen zu<br />

stärken und zu vertreten, teilt sich ein<br />

„Trio“ die Arbeit: Diane Bruners als<br />

Gruppensprecherin, Heike Niemand<br />

als Stellvertreterin und Barbara Streich<br />

als Presse- und Öffentlichkeitssprecherin.<br />

Die Agendagruppe ist jederzeit<br />

offen für interessierte Bürgerinnen und<br />

Bürger.<br />

� Rückblick<br />

In diesen nunmehr sieben Jahren<br />

seit der Installation der LA 21 in Fröndenberg/Ruhr<br />

hat es in der Gruppe<br />

eine Vielzahl von Themen gegeben,<br />

die diskutiert, bearbeitet und zum Teil<br />

auch umgesetzt wurden. Am 17. August<br />

1999 traf sich die Arbeitsgruppe<br />

„Umwelt- und <strong>Natur</strong>schutz/Landwirtschaft“<br />

zum ersten Mal. In den anfänglichen<br />

Sitzungen „tasteten“ sich<br />

die Teilnehmer an Themen, die sie bearbeiten<br />

wollten heran. Schaffung von<br />

Spielräumen für Kinder, Verständnis<br />

für Zusammenhänge in der <strong>Natur</strong>, der<br />

Umwelt und der Landwirtschaft und<br />

gesunde Ernährung – mit diesen noch


Der Stand eines regionalen Gartenbaubetriebes auf dem Frühlingsmarkt 2004. Foto: Streich<br />

recht allgemein formulierten Themen<br />

wollte sich die Gruppe beschäftigen.<br />

Unter Zuhilfenahme von Referenten<br />

stand so zum Beispiel der „<strong>Natur</strong>nahe<br />

Spielplatz“ in der Diskussion. Im<br />

Jahr 2000 diskutierte die Gruppe die<br />

Neuaufstellung des Landschaftsplans.<br />

Überlegungen zu einer Direktvermarktungsbroschüre<br />

für Fröndenberg/Ruhr<br />

scheiterten zwar – mit Hinweis auf die<br />

damalige <strong>Kreis</strong>broschüre – an der nicht<br />

bewilligten Finanzierung.<br />

� Bauern- und Frühlingsmarkt<br />

Aber aus der Beschäftigung mit<br />

regionaler Vermarktung entstand die<br />

Idee, sich zum „Tag der Regionen“<br />

am 30. September 2001 mit einem<br />

AGENDA IM KREIS UNNA<br />

Agendamarkt zu beteiligen: Dies war<br />

die „Geburt“ des „1. Fröndenberger<br />

Bauernmarktes“. Dazu formulierte die<br />

Gruppe folgende Ziele:<br />

� Förderung regionaler Vermarktung<br />

� Stärkung bäuerlicher Familienunternehmen<br />

� Entlastung der Umwelt durch kurze<br />

Transportwege<br />

39


40 AGENDA IM KREIS UNNA<br />

� Höheres Vertrauen in frische und<br />

hochwertige Nahrungsmittel<br />

Der Agenda-Bauernmarkt sollte<br />

aber nicht nur aus lokalen/regionalen<br />

bäuerlichen Direktvermarktern<br />

bestehen. Es sollten weitere Aspekte<br />

von Agenda berücksichtigt werden.<br />

So kamen der Eine-Welt-Laden der Ev.<br />

Kirchengemeinde, Unicef und erfreulicherweise<br />

ein Stand mit Umweltzentrum,<br />

der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />

und der Biologischen Station des<br />

<strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> hinzu. Mit der Maßgabe,<br />

regionale und/oder ökologische<br />

Produkte einzusetzen, wurde die<br />

gesamte Bewirtung an ehrenamtlich<br />

arbeitende Vereine und Fördervereine<br />

übertragen.<br />

Schließlich sollte ein attraktives<br />

Beiprogramm die Besucher dazu<br />

bewegen, länger auf dem Markt zu<br />

verweilen. Dabei setzte die Agendagruppe<br />

verstärkt auf Angebote<br />

für Kinder, die zum Mitmachen und<br />

kreativem Gestalten anregen sollten.<br />

Zur Finanzierung des Kultur- und<br />

Kinderprogramms wurden Sparkasse<br />

und Stadtwerke „ins Boot geholt“.<br />

Schließlich kam und kommt der guten<br />

Zusammenarbeit mit dem „Kulturverein<br />

Kettenschmiede“ eine besondere<br />

Bedeutung zu. So können die Besucher<br />

der Agendamärkte auch gleichzeitig<br />

Ministerin Bärbel Höhn war Schirmherrin<br />

des Frühlingsmarktes 2005.<br />

Foto: Grüne NRW<br />

das ganztägig geöffnete Schmiedemuseum<br />

mit seinen Ausstellungsstücken<br />

und Vorführungen anschauen.<br />

Die Ausrichtung des ersten Fröndenberger<br />

Bauernmarktes stellte sich<br />

als großer Erfolg dar. Aus unterschiedlichen<br />

Richtungen erfuhren die damals<br />

fünf Aktiven eine außerordentlich<br />

positive Resonanz. Es wurde der<br />

Wunsch an die Gruppe herangetragen,<br />

mit einem weiteren Agendamarkt<br />

nicht bis in einem Jahr zu warten. Mit<br />

dem „Frühlingsmarkt“, zeitgleich mit<br />

der Eröffnung der Kettenschmiede<br />

am ersten Sonntag im April, installierte<br />

die Gruppe so einen weiteren<br />

Agendamarkt. Dieser gab passend<br />

zur Jahreszeit heimischen Gärtnern,<br />

Landschaftsgärtnern und Betrieben<br />

rund um Haus und Garten die Möglichkeit,<br />

sich zu präsentieren. Sowohl<br />

das Konzept des Kultur-und Kinderprogrammes<br />

als auch das der Bewirtung<br />

wurden weitergeführt.<br />

Am 2. Oktober 2005 fand der mitt-<br />

lerweile „5. Fröndenberger Bauernmarkt“<br />

im Landschaftspark Ruhraue<br />

zum „Tag der Regionen“/Erntedankfest<br />

statt. Seit dem 2. Bauernmarkt<br />

wird dieser mit einem von beiden<br />

Kirchen veranstalteten Ökumenischen<br />

Gottesdienst bereichert. Der<br />

„5. Fröndenberger Frühlingsmarkt“<br />

ist in Planung. Die Agendamärkte der<br />

LA21-Gruppe sind mittlerweile zu<br />

einem festen Bestandteil des Fröndenberger<br />

Veranstaltungsangebotes


geworden, mit dem die Stadt auch<br />

kreisweit wirbt.<br />

� Karitative Projekte<br />

Durch Sammlung von Spendengeldern<br />

bei den Ausstellern für einen sozialen<br />

Zweck erzielte die Agendagruppe<br />

zwischen 450.- und 700.- Euro, die<br />

ökologischen und karitativen Projekten<br />

wie „Urlaub ohne Koffer“, „Stentroper<br />

Gärten“ oder der pädagogischen Umweltarbeit<br />

mit Kindern in der „Windmühle“<br />

zugute kamen.<br />

Seit Herbst 2003 begleiten Schirmherrschaften<br />

die Märkte der LA 21, so<br />

waren die Landräte Gerd Achenbach<br />

und Michael Makiolla sowie die Landesministerin<br />

Bärbel Höhn (Frühlingsmarkt<br />

2005) in dieser Funktion vor Ort<br />

und konnten sich von Angebot und<br />

Qualität der Agenda-Veranstaltung<br />

ein eigenes Bild machen.<br />

Die Agendagruppe „Umwelt- und<br />

<strong>Natur</strong>schutz/Landwirtschaft“ hat sich<br />

in den vergangenen Jahren aber nicht<br />

nur mit den Agendamärkten und deren<br />

kontinuierlicher Weiterentwicklung<br />

beschäftigt.<br />

� Weitere Erfolge<br />

Es gab eine Vielzahl von weiteren<br />

Projekten, die bearbeitet wurden. Hier<br />

seien nur einige genannt: Im Frühsommer<br />

2002 setzte sich die Agendagrup-<br />

pe erfolgreich dafür ein, den über 100<br />

Jahre alten Laubbaumbestand nicht<br />

einem fragwürdigen touristischen<br />

Ausbau des Bismarckturms auf der<br />

Wilhelmshöhe zu opfern. „Tourismus<br />

könne nur mit und nicht gegen die<br />

<strong>Natur</strong> entwickelt werden“, so der<br />

Wortlaut des Agenda-Antrags. Diesem<br />

Argument folgte der zuständige<br />

Fachausschuss einstimmig, gegen die<br />

Verwaltungsvorlage.<br />

Im September des gleichen Jahres<br />

stand eine Podiumsdiskussion auf dem<br />

Programm, die in Kooperation mit der<br />

Evangelischen Kirchengemeinde veranstaltet<br />

wurde. Zum Thema „Agrarwende:<br />

Sinn oder Unsinn“ diskutierten<br />

zwei Landwirte und die Bundestagskandidaten<br />

aus dem <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> unter<br />

der Leitung eines Kirchenreferenten.<br />

Vor und mit einer engagierten und interessierten<br />

Zuhörerschaft wurden die<br />

unterschiedlichen Wege zu Themen<br />

wie Intensiv- oder Freilandhaltung,<br />

Tiertransporte, Verbraucherschutz<br />

oder künftige Ausrichtung der Landwirtschaft<br />

deutlich.<br />

Am 5. Dezember 2002 nahmen<br />

Agendamitglieder an der Tagung und<br />

Besichtigungstour anlässlich „10 Jahre<br />

Öko-Stadt Hamm“ teil. Sie waren beeindruckt<br />

von den unterschiedlichen<br />

Projekten und konnten Anregungen<br />

für die weitere Arbeit vor Ort erhalten.<br />

AGENDA IM KREIS UNNA<br />

Um für sich selbst, aber auch für die<br />

Öffentlichkeit ein Resümee der bisher<br />

geleisteten Agendaarbeit zu ziehen,<br />

beschloss die Gruppe im Oktober<br />

2002, sich an eine Dokumentation<br />

heranzuwagen.<br />

Es sollte diese in Form einer Wanderausstellung<br />

und als Heft erstellt<br />

werden. Das Vorhaben erwies sich als<br />

ein langwieriger, zum Teil schwieriger<br />

Prozess. Es erforderte eine Vielzahl<br />

von Sitzungen, in denen Konzepte<br />

erarbeitet wurden, über Gestaltung,<br />

Bearbeitung der Themenfelder, Fotoeinsatz<br />

und Präsentation kreativ „gestritten“<br />

wurde. Zur Beratung wurde<br />

eine Grafikerin hinzugezogen. Am 13.<br />

Juli 2004 war es endlich soweit: Die<br />

als Wanderausstellung konzipierte Dokumentation,<br />

mit Geldern des <strong>Kreis</strong>es<br />

bezuschusst, konnte in Anwesenheit<br />

von Bürgermeister Egon Krause und<br />

dem Leiter des Fachbereichs <strong>Natur</strong><br />

und Umwelt des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>, Ludwig<br />

Holzbeck, der Presse und der Öffentlichkeit<br />

präsentiert werden.<br />

Um über den eigenen „Tellerrand“<br />

hinauszuschauen, nahmen zwei Agendamitglieder<br />

an der Fachtagung des<br />

Landkreistages im Februar 2005 in<br />

Emsdetten teil. Neben verschiedenen<br />

Anregungen konnten hier auch<br />

Kontakte geknüpft werden. Aus einer<br />

Teilnahme an der Jahrestagung der<br />

41


42 AGENDA IM KREIS UNNA<br />

Landesagenda NRW entwickelte sich<br />

der Wunsch nach einer Anbindung.<br />

Dem Agendaantrag auf Mitgliedschaft<br />

stimmte die Politik zu; die Kommune<br />

Fröndenberg/Ruhr ist somit seit dem<br />

22. August 2005 Mitglied der Landesagenda.<br />

Aktuell beschäftigt sich<br />

die Agendagruppe mit zwei Themen:<br />

Feinstäube und Gentechnologie. Zum<br />

Thema Feinstäube und Rußpartikelfilter<br />

ließ sich die Gruppe im Juli 2005 bei<br />

der Firma HJS in Menden über diese<br />

Problematik informieren. In einem Antrag<br />

an den Bürgermeister Egon Krause<br />

soll bei zukünftigen Auftragsvergaben<br />

für Schulbusse/ÖPNV die Ausstattung<br />

mit Dieselrußfiltern gefordert werden,<br />

zum Wohl unserer Kinder und unserer<br />

Umwelt. Weiterhin wird gerade eine<br />

Veranstaltung über fair gehandelte<br />

und produzierte Blumen vorbereitet.<br />

� Ausblick<br />

Die LA 21-Gruppe „Umwelt- und<br />

<strong>Natur</strong>schutz/Landwirtschaft“ will<br />

auch zukünftig den von ihr eingeschlagenen<br />

Weg der Stärkung von Strukturen<br />

und Inhalten der Regionalisierung<br />

weitergehen, um so einen Beitrag im<br />

Sinne einer nachhaltigen Entwicklung<br />

zum Wohle ihrer Bürgerinnen und<br />

Bürger zu leisten.<br />

� Danksagung<br />

Im Namen unserer Agendagruppe<br />

möchte ich mich für Unterstützung<br />

und Begleitung bei folgenden Personen<br />

und Einrichtungen bedanken:<br />

Bürgermeister Egon Krause, den Landräten<br />

Gerd Achenbach und Michael<br />

Makiolla, Ludwig Holzbeck, Birgit<br />

Manz und Ralf Sänger, der Sparkasse<br />

und den Stadtwerken Fröndenbergs<br />

und last but not least Agendakoordinator<br />

Hubert Sallamon.


� Die Stentroper Gärten<br />

Es ist angerichtet –<br />

Augenschmaus und Gaumenfreude<br />

von Carola Bartelheimer<br />

Von leuchtenden roten, fruchtigen<br />

Tomaten bis zu deftigem Wirsing,<br />

von scharfen Rettichen bis zu<br />

knackigen Salaten: Gemüse frisch<br />

aus dem Garten ist ein gesunder<br />

Genuss. Dabei braucht man nicht<br />

unbedingt einen eigenen Garten<br />

zu haben.<br />

Hiervon konnten sich 20 Familien<br />

aus dem Raum Fröndenberg, Menden,<br />

Holzwickede und Bergkamen im vergangenen<br />

Jahr überzeugen. Sie „mieteten“<br />

im Frühjahr 2005 eine Gemüseparzelle<br />

in den „Stentroper Gärten“<br />

und konnten bis Ende Oktober laufend<br />

Spinat, Radieschen, Kohlrabi, Bohnen,<br />

Möhren und noch ungefähr 20 andere<br />

Gemüsearten sowie aromatische Kräuter<br />

und Sommerblumen ernten.<br />

Das GemüseSelbstErnte-Projekt der<br />

Oase Stentrop, dem Bildungs- und Begegnungszentrum<br />

des Evangelischen<br />

Kirchenkreises <strong>Unna</strong>, basiert auf einer<br />

aus Österreich stammenden Idee, die<br />

1999 erstmals in Deutschland erfolg-<br />

reich umgesetzt wurde. Das Prinzip<br />

ist einfach: Eine Ackerfläche wird mit<br />

verschiedenen Gemüsearten, Kräutern<br />

und Blumen aus ökologischer Anzucht<br />

eingesät bzw. bepflanzt und in Beete<br />

eingeteilt. Die jeweils circa 80 Quadratmeter<br />

großen Parzellen werden<br />

AGENDA IM KREIS UNNA<br />

Ganz gleich ob knackige Möhren oder schmackhafte Radieschen: Sie sind aus<br />

dem eigenen Garten immer ein besonderer Genuss. Foto: Archiv<br />

von Frühjahr bis Herbst gegen einen<br />

festen Saisonbetrag an Verbraucher<br />

übergeben. Sie verpflichten sich zur<br />

Einhaltung der Richtlinien des ökologischen<br />

Landbaus und übernehmen<br />

in ihrem „Garten auf Zeit“ über den<br />

Sommer sämtliche Pflegearbeiten<br />

43


44 AGENDA IM KREIS UNNA<br />

(Beikrautregulierung, Nachsaat der<br />

abgeernteten Reihen). Dafür können<br />

sie viel Gemüse ernten – erfahrungsgemäß<br />

reicht eine Parzelle aus, um eine<br />

vierköpfige Familie eine Saison lang<br />

mit frischem Gemüse zu versorgen.<br />

Die Oase Stentrop stellt Wasser zur<br />

Verfügung und sorgt für eine regelmäßige<br />

gartenbauliche Beratung, so<br />

dass auch Gartenneulinge Ernteerfolge<br />

verbuchen können. Ist die Fläche Ende<br />

Oktober abgeerntet, wird die Parzelle<br />

zur Einarbeitung der Ernterückstände<br />

und Bodenbearbeitung zurückgegeben.<br />

Im nächsten Frühjahr entscheiden<br />

die Nutzer neu, ob sie eine weitere<br />

Saison an dem GemüseSelbstErnte-<br />

Projekt teilnehmen möchten.<br />

Der naturgemäße Gemüseanbau<br />

in den Stentroper Gärten hat somit<br />

einen mehrfachen Nutzen: Das<br />

Erfolgserlebnis reicher Ernten von<br />

gesundem, knackig frischem Gemüse<br />

und das Bewusstsein, zur Erhaltung<br />

der Umwelt beizutragen. Überdies<br />

bietet das Projekt zahlreiche weitere<br />

Perspektiven:<br />

� Gartenarbeiten als Ausgleich<br />

zum Alltag,<br />

� Erholung im Grünen und Bewegung<br />

an der frischen Luft,<br />

� sinnvolle Freizeitgestaltung mit<br />

der ganzen Familie,<br />

� direkte Begegnung mit der <strong>Natur</strong><br />

und der Schöpfung …<br />

� Kontakt<br />

Wenn Sie in der Gartensaison 2006<br />

eine Parzelle übernehmen möchten,<br />

nehmen wir Ihre Anmeldung gerne<br />

entgegen. Weitere Information bei:<br />

Oase Stentrop, Bildungs- und Begegnungszentrum<br />

des Ev. Kirchenkreises<br />

<strong>Unna</strong>, Stentroper Weg 35, 58730<br />

Fröndenberg – Stentrop, Tel. 02303<br />

288-129 (H. Schiefer), internet: www.<br />

oase-stentrop.de


� Nachhaltigkeit konkret – zeigen, „wie das geht“<br />

Beispiele aus der Praxis –<br />

für die Praxis<br />

von Jutta Eickelpasch<br />

Erfahrungen und Gespräche<br />

mit einzelnen Interessierten und<br />

größeren Gruppen machten<br />

auch 2005 oft genug deutlich:<br />

Dem ‘Durchschnittsbürger’ sind<br />

Begriffe wie Nachhaltigkeit im<br />

Allgemeinen und ‘Fairer Handel’<br />

im Besonderen immer noch nicht<br />

ausreichend bekannt, obwohl die<br />

Konferenz von Rio, in der sie zum<br />

vorrangigen Ziel und Schlagwort<br />

wurde, schon mehr als zehn Jahre<br />

zurückliegt.<br />

Um so wichtiger ist es, sie ganz<br />

konkret mit Leben zu füllen – immer<br />

wieder, an verschiedenen Orten, von<br />

verschiedenen Institutionen und Multiplikatoren.<br />

� Die Buchtauschbörse<br />

Bei verschiedenen Aktionen der<br />

Umweltberatung beteiligten sich Hunderte<br />

Kamenerinnen und Kamener,<br />

handelten nachhaltig, hatten Spaß<br />

an der Sache, ohne dass explizit von<br />

Nachhaltigkeit gesprochen wurde oder<br />

das Wort auch nur auftauchte. Das<br />

schönste Beispiel: Die Buchtauschbörse<br />

der Verbraucherzentrale in<br />

Kooperation mit dem Bürgerhaus in<br />

Kamen-Methler.<br />

Sätze wie „Guck mal – der Roman<br />

AGENDA IM KREIS UNNA<br />

„Nehme ich Janosch oder doch lieber Mickey-Mouse?” – Die Buchtauschbörse ist<br />

auch bei den Kleinen ganz beliebt. Foto: Eickelpasch<br />

‘Nicht ohne meine Tochter‘ ist gleich<br />

fünfmal dabei!“ oder „Endlich haben<br />

wir wieder Zeit gehabt, unser Bücherregal<br />

auszumisten!“ oder „Dieses<br />

Janoschbuch musst du unbedingt mitnehmen,<br />

das ist bei unseren Kindern<br />

ganz besonders angekommen!“ oder<br />

45


46 AGENDA IM KREIS UNNA<br />

„ Ich trenne mich wirklich ungern von<br />

den alten Krimis, aber ich muss mal<br />

Platz für `was Neues machen.“ waren<br />

überall zu hören. Die Buchtauschbörse<br />

im Bürgerhaus Methler ist mittlerweile<br />

zu einer beliebten Institution<br />

geworden.<br />

Die Umweltberatung der Verbraucherzentrale<br />

versucht seit vielen Jahren<br />

die Bedeutung von nachhaltigem Konsum<br />

zu kommunizieren und vor allem,<br />

diese Idee für den Verbraucher mit<br />

Leben zu füllen und konkrete Handlungsmöglichkeiten<br />

aufzuzeigen.<br />

Das Prinzip der Tauschbörse: Alte<br />

Bücher werden zusammengesucht und<br />

eine Woche im Bürgerhaus gesammelt.<br />

Jeder, der in der einen Woche Bücher<br />

abgibt, erhält einen Gutschein und<br />

darf in der darauffolgenden Abholphase<br />

sich neue, alte Bücher aussuchen.<br />

Jeder Tauscher darf höchstens die<br />

Menge an Büchern mitnehmen, die<br />

er auch abgeben hat. Die Erfahrung<br />

zeigt, dass meistens etwas weniger<br />

wieder mitgenommen werden. Ein<br />

Tauscher, der – was auch einen vorläufigen<br />

Rekord darstellt – 120 alte<br />

Krimis abgab, wollte nur zwei Dutzend<br />

neue Bücher wieder mitnehmen. Um<br />

die 3.000 Bücher, die pro Tauschbörse<br />

ihre Besitzer wechseln, werden von<br />

den Organisatorinnen mühevoll geordnet,<br />

um den Tauschenden später<br />

die Auswahl zu erleichtern.<br />

Da gibt es die umfangreiche Romanecke,<br />

die beliebte Kinderecke,<br />

die interessante Sachbuchecke, den<br />

spannenden Tisch mit Weltliteratur,<br />

die begehrte Konsalik- und Simmelecke,<br />

die informativen Biographien und<br />

– nicht zu vergessen – die atemberaubenden<br />

Krimis. Die Buchtauschbörse<br />

sorgt für Begegnung und Austausch<br />

– im wahrsten Sinne des Wortes. Jeder,<br />

der mitmacht, entrümpelt seinen<br />

Keller, seine Regale, verabschiedet sich<br />

von dem, was er nicht (mehr) braucht,<br />

ohne es gleich in die Mülltonne zu<br />

werfen. Gibt es ein besseres Beispiel<br />

für praktizierte Nachhaltigkeit? In den<br />

letzen sechs Jahren wurden bei sechs<br />

Tauschbörsen rund 15.000 Bücher<br />

getauscht.<br />

Bei jeder Aktion bleiben einige<br />

hundert Bücher übrig, die zwar keinen<br />

Abnehmer finden, aber immer noch<br />

zu schade für den Altpapiercontainer<br />

sind. Diese werden Jahr für Jahr für<br />

Cent-Beträge an Interessierte abgegeben.<br />

Das Geld, das hier eingenommen<br />

wird, fließt in eine jährliche stattfindende<br />

Kinder-Umwelt-Aktion von<br />

Verbraucherzentrale und Bürgerhaus<br />

– ist also wirklich nachhaltig angelegt.<br />

Die Buchtauschbörse ist sicher eins der<br />

anschaulichsten Beispiele für gelebte<br />

Nachhaltigkeit: ökologisch sinnvoll,<br />

ökonomisch interessant und förderlich<br />

für das soziale Miteinander.<br />

� Nachhaltig Einkaufen<br />

Ganz bewusst beim Händler in<br />

meiner Stadt einkaufen, die Eier von<br />

‘glücklichen Hühnern’ des Nachbarbauern<br />

besorgen, den Honig beim<br />

Kamener Imker bestellen, den Apfelsaft<br />

von <strong>Unna</strong>er Streuobstwiesen<br />

bevorzugen – vier weitere Beispiele<br />

für nachhaltiges und verantwortungsvolles<br />

Konsumieren. „Nachhaltigkeit“<br />

hat also keineswegs immer etwas mit<br />

Askese oder Verzicht zu tun: So kann<br />

selbst das Trinken einer köstlichen<br />

Tasse Espresso nachhaltig sein – wenn<br />

es sich dabei um „fairen“ Kaffee<br />

handelt, kann auch hier getrost von<br />

einem Stück Nachhaltigkeit gesprochen<br />

werden.<br />

Produkte aus fairem Handel unterstützen<br />

die Produzenten in den<br />

Entwicklungsländern. Der Betrag,<br />

den der Verbraucher mehr zahlt als<br />

für herkömmliche Produkte, dient<br />

ganz konkret der Verbesserung der<br />

Lebensverhältnisse der Arbeiter vor<br />

Ort – er fließt in garantierte Mindestlöhne,<br />

in den Bau eines Brunnens<br />

oder einer Schule, oder er kommt der<br />

Verbesserung der Arbeitsverhältnisse<br />

oder des Gesundheitschutzes zugute.<br />

Der Mehrpreis dient zugleich der Ver-


esserung der Produktqualität. Viele<br />

Produkte werden nach Biorichtlinien<br />

angebaut oder zumindest in Anlehnung<br />

daran. Es gibt Kaffee aus Fairem<br />

Handel, Tee, Cappuccino, mittlerweile<br />

auch Schokolade und eine Vielzahl<br />

an Non-Food-Produkten. Ob etwas<br />

wirklich fair gehandelt ist, erkennt man<br />

an den geschützten Siegeln. Am weitesten<br />

verbreitet und wohl am ehesten<br />

bekannt ist das TransFair-Siegel.<br />

� Nachhaltigkeit macht Spaß<br />

Kleine Fußballer machen es vor: Mit<br />

verschiedenen Aktionen versucht die<br />

Umweltberaterin der Verbraucherzentrale,<br />

der breiten Masse, nicht nur<br />

Kleingruppen aus der „Ökoszene“, den<br />

Nutzen von fair-gehandelten Produkten<br />

näher zu bringen. Primäres Ziel:<br />

Faire Produkte kennen und wissen, wo<br />

ich sie in meiner Stadt kaufen kann.<br />

Durch Marktchecks und daraus entstehenden<br />

kleinen Einkaufsratgebern<br />

wird der Kauf dieser Produkte vereinfacht<br />

und gleichzeitig das heimische<br />

Angebot transparenter gemacht. In<br />

Kooperation mit dem Fachbereich<br />

Planung und Umwelt der Stadt Kamen<br />

führte die Umweltberatung verschiedene<br />

Veranstaltungen durch, in denen<br />

den Kamener Bürgerinnen und Bürger<br />

faire Produkte vorgestellt wurden.<br />

Jedermann konnte hier testen und<br />

schmecken, sich von Geschmack oder<br />

Qualität überzeugen oder einfach<br />

neugierig gemacht werden. So schossen<br />

Kinder des SUS Kaiserau mit fairen<br />

Bällen (ohne Kinderarbeit genäht) auf<br />

eine Torwand, die interessierten Eltern<br />

wurden parallel über Einkaufsmöglichkeiten<br />

von fairen Produkten informiert.<br />

An einem Dezembertag wurden bei<br />

eisigen Temperaturen in der Fußgängerzone<br />

Tee aus fairem Handel ausgeschenkt<br />

und Einkaufsratgeber verteilt.<br />

Zwei Versuche, eine nachhaltige Idee<br />

bekannter zu machen und Nutzungshemmnisse<br />

bei Verbraucherinnen und<br />

Verbrauchern abzubauen.<br />

Ganz entscheidend ist dabei, neue<br />

Aktionsplakat 2002<br />

AGENDA IM KREIS UNNA<br />

Zielgruppen für die Idee der Nachhaltigkeit<br />

zu gewinnen, was in Zeiten<br />

knapper Budgets natürlich nicht einfacher<br />

wird. Eine Botschaft, die es zu<br />

vermitteln gilt: Lerne faire Produkte<br />

kennen und schätzen! Nicht jeder kann<br />

und will gleich zu hundert Prozent<br />

darauf umsteigen, zumal sie ja um<br />

Einiges teurer sind als vergleichbare<br />

Produkte beim Discounter. Wenn jeder<br />

nur ab und zu mal zu den nachhaltigen<br />

Produkten greift – zum Muttertag, als<br />

Mitbringsel für Freunde oder als Weihnachtsgeschenk<br />

für die hilfsbereite<br />

Nachbarin –, dann ist schon ein ganzes<br />

Stück gewonnen. Doch nicht nur der<br />

Endverbraucher ist gefragt, oft genug<br />

müssen Interessierte lange suchen,<br />

um faire Produkte zu finden, teilweise<br />

längere Wege und Mühen auf sich<br />

nehmen, weil sie längst nicht so gut<br />

zu bekommen sind wie herkömmliche<br />

und immer noch ein Nischen-Dasein<br />

führen.<br />

� Kontakt<br />

Wer mehr zum Thema Nachhaltigkeit<br />

wissen möchte, Material für<br />

Schulen und Bildungsangebote sucht,<br />

kann sich an die Umweltberaterinnen<br />

der Verbraucherzentralen wenden.<br />

Im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>: Verbraucherzentrale<br />

in Kamen, Umweltinfostelle der Verbraucherzentrale<br />

in <strong>Unna</strong>.<br />

47


48 AGENDA IM KREIS UNNA<br />

� Der Stadtökologische Erlebnispfad <strong>Unna</strong><br />

Mit den Sinnen<br />

die Umwelt erleben<br />

von Rolf Böttger<br />

Was ist eigentlich ein stadtökologischer<br />

Erlebnispfad? Ein dreieinhalb<br />

Kilometer langer Rundweg<br />

durch <strong>Unna</strong>, auf dem der Interessierte<br />

an 21 Stationen die Umwelt<br />

mit allen Sinnen erleben kann.<br />

Die Idee stammt aus einer im Jahre<br />

1998 erstellten Diplomarbeit, die „Die<br />

Gestaltung stadtökologischer Erlebnispfade“<br />

zum Inhalt hatte. Im ersten Teil<br />

der Arbeit wurden die theoretischen<br />

Grundlagen zusammengestellt und<br />

Planungskriterien erarbeitet. Darauf<br />

aufbauend wurde als konkretes<br />

Beispiel ein solcher Pfad für <strong>Unna</strong><br />

entwickelt. Auf einem dreieinhalb<br />

Kilometer langen Rundweg sollte an<br />

21 Stationen ein Umwelterleben mit<br />

allen Sinnen ermöglicht werden. Der<br />

Autor, Kai Zimmermann aus Kamen,<br />

schlägt für die Umsetzung des Lehrpfades<br />

die Einrichtung eines „Stadtökologischen<br />

Stammtisches“ vor, in<br />

dem auf Grundlage der Diplomarbeit<br />

ein endgültiger Entwurf sowie dessen<br />

Eröffnungsrundgang im August 2005 Foto: Anonymus<br />

konkrete Ausführung erarbeitet wird.<br />

Aufgrund der aufgewendeten Sorgfalt<br />

erschien es sehr sinnvoll, möglichst<br />

viele der skizzierten Stationen und<br />

Ideen umzusetzen.<br />

� Umsetzung der Idee<br />

Zwischenzeitlich wurde der „Stadtökologische<br />

Stammtisch“ als Arbeitskreis<br />

Stadtökologischer Erlebnispfad<br />

gegründet. Für jede Station war ein


Mitglied im Arbeitskreis Stadtökologie<br />

federführend verantwortlich.<br />

Die jeweiligen Stationstafeln wurden<br />

individuell für diesen Erlebnispfad<br />

erstellt. Die Inhalte wurden von den<br />

Arbeitskreismitgliedern erarbeitet.<br />

Um eine hohe Qualität der Gestaltung<br />

zu erreichen, erfolgte die Umsetzung<br />

in Zusammenarbeit mit einer Grafik-Designerin.<br />

Bei der Umsetzung<br />

der einzelnen Stationen wurde eine<br />

Vielzahl von weiteren Einzelpersonen<br />

und Gruppen (Vereine, Schulen,<br />

Kindergärten) in die Ausführung und<br />

den Aufbau integriert. Dabei wurden<br />

die Beteiligten in vielfältiger Weise mit<br />

dem behandelten Thema und darüber<br />

hinaus mit den weiteren Themen des<br />

Erlebnispfades intensiv vertraut. Die<br />

Ausarbeitung der Stationen mit Pädagogen<br />

und den Fachleuten stellt sicher,<br />

dass die Themen von verschiedenen<br />

Seiten beleuchtet werden und somit<br />

ein vertiefter Zugang erreicht wird.<br />

Insbesondere dadurch, dass nahezu<br />

alle Felder (z. B. Pflanzen, Tiere, Klima)<br />

des Themenspektrums Stadtökologie<br />

und Mensch erlebbar vermittelt<br />

werden, stellt der Erlebnispfad einen<br />

wertvollen Beitrag im Sinne der Agenda<br />

21 dar. Die Vielschichtigkeit des<br />

Lebensraums Stadt sowie die Bezüge<br />

zu jedem Einzelnen werden dargestellt.<br />

Ein bewussteres Erleben und ein<br />

daraus resultierender schonenderer<br />

Umgang mit dem Lebensraum ist Ziel<br />

dieses Projektes. Die Umsetzung des<br />

Erlebnispfades kann nur ein erster<br />

Schritt sein, wobei auch schon in der<br />

Erarbeitungsphase durch die Diskussion<br />

ein Dialog über die verschiedenen<br />

Umweltthemen und Medien in Gang<br />

kommt. Von entscheidender Bedeutung<br />

wird es sein, den Pfad langfristig<br />

AGENDA IM KREIS UNNA<br />

zu betreuen (z. B. Angebot von qualifizierten<br />

Führungen) und weiter zu entwickeln<br />

(Materialien für verschiedene<br />

Alters- und Zielgruppen).<br />

� Broschüre erhältlich<br />

Seit dem Sommer 2005 steht der<br />

Pfad der Bevölkerung zur Verfügung,<br />

eine begleitende Broschüre ist kostenlos<br />

bei der Stadt <strong>Unna</strong> erhältlich.<br />

Gemeinsame Pflanzaktion mit den Kindern der Nicolaischule. Foto: Nähring<br />

49


50 AGENDA IM KREIS UNNA<br />

Die folgende Auflistung gibt einen Überblick über die bearbeiteten Themen an den 21 Stationen.<br />

Name Thema Lage<br />

Einladung zur Stadtsafari Begrüßung Umweltberatungszentrum/Rathaus<br />

1 Oasen in der Stadt Bedeutung von Stadtbäumen Vor der Post<br />

2 Ein lebendes Fossil Der Ginkgo Niesenstraße<br />

3 Gärten, die in den Himmel wachsen Fassadenbegrünung G.-Hauptmann-Str.<br />

4 Hier erleben Sie ihr blaues Wunder Färbepflanzen Nicolai-Grundschule<br />

5 Schnuppern Sie mal ´rein Duftpflanzen KITA Sonnenschein Mozartstraße<br />

6 Der <strong>Unna</strong>er Westfriedhof Friedhöfe Westfriedhof<br />

7 Aufbruch auf neuen Wegen Flächenversiegelung Lindenbrauerei<br />

8 Klima zum Anfassen Stadtklima Parkplatz Lindenbrauerei<br />

9 Alles Müll? Müll und Recycling Wendehammer Südwall<br />

10 Ein Herz für Blumen Rasen-Wiese Oelckenthurm<br />

11 Wasser marsch! Wasser Wasserstr./Ostring<br />

12 Biene ist nicht gleich Biene! Solitärbienen in der Stadt Herderstraße<br />

13 Kleine Weltenbummler Mauersegler Herderstraße<br />

14 Kein Leben auf großem Fuß Lebensbedingungen von Stadtbäumen Schulfhof P.-Weiss-Gesamtschule<br />

15 Auf der Mauer auf der Lauer Mauerritzen Stadtmauer an der Voßkuhle<br />

16 Nelkenteppiche und Bonsaipflänzchen Pflasterritzenvegetation Vosskuhle Güldener Trog<br />

17 Baum-Memory Bäume im Stadtpark Stadtgarten<br />

18 Wann platzt der Knoten? Mobilität und Verkehrsverhalten Busbahnhof<br />

19 Wenn Ihnen die <strong>Natur</strong> auf´s Dach steigt Dachbegrünung Rathaus Umweltberatungszentrum<br />

20 Energetischer Tritt-den-Lukas Energie Rathaus Stadtwerke


� Äpfel aus <strong>Unna</strong> oder Neuseeland?<br />

Regionale Lebensmittel:<br />

Ein Weg, der sich lohnt?!<br />

von Karin Baumann<br />

„Was soll man denn noch essen?“<br />

Diese häufig gestellte Frage an die<br />

Verbraucherzentrale NRW zielt<br />

nicht auf die Quantität, sondern<br />

erweist sich als Problem der Qualität.<br />

Das Vertrauen in die Lebensmittelqualität<br />

ist gesunken. Meist<br />

ist nicht mehr nachvollziehbar, wo<br />

und wie Lebensmittel erzeugt und<br />

verarbeitet werden. Gewünscht<br />

wird aber eine sichere, nachvollziehbare<br />

Produktion, Verarbeitung<br />

und Vermarktung.<br />

Äpfel aus Neuseeland, Steaks aus<br />

Argentinien, israelische Erdbeeren<br />

– alles ist überall und zu jeder Zeit verfügbar.<br />

Die Globalisierung hat Einzug<br />

gehalten in unsere Kühlschränke. Sind<br />

wir nun endlich im Schlaraffenland<br />

angekommen oder hat dieser Überfluss<br />

auch seinen Preis? Ernähren wir<br />

uns heute gesünder als früher? Diese<br />

Frage ist nicht leicht zu beantworten.<br />

Die heutige Vielfalt ermöglicht<br />

eine abwechslungsreiche Ernährung.<br />

Hygienische Probleme sind sicher<br />

geringer als zu Großmutters Zeiten.<br />

Gleichzeitig gibt es neue Belastungen<br />

durch die „Industrialisierung“ der<br />

Produktion und Verarbeitung sowie<br />

längere Transporte mit entsprechender<br />

Anforderung an Konservierung. Ob<br />

Pestizidrückstände im Obst, Antibiotika<br />

im Fleisch oder gentechnisch veränderte<br />

Bestandteile in Nahrungsmitteln<br />

– viele Stoffe und Prozesse wirken<br />

nicht nur in der Nahrungskette, sondern<br />

auch andernorts in der Umwelt<br />

und Gesellschaft. Beispiele sind die<br />

Gewässerbelastung mit Pestiziden und<br />

Düngemitteln, antibiotikaresistente<br />

Krankheitserreger oder Allergien gegen<br />

versteckte Inhaltsstoffe.<br />

� Discount verdrängt Bauern?<br />

Bei immer schärferem Wettbewerb<br />

geben die großen Lebensmittel-<br />

Handelsketten den Preisdruck an die<br />

gesamte Ernährungswirtschaft weiter.<br />

Die Discounter in Deutschland bestimmen<br />

die Preisgestaltung. Kleine und<br />

mittelständische landwirtschaftliche<br />

oder handwerkliche Betriebe oder<br />

AGENDA IM KREIS UNNA<br />

Lebensmittelhändler werden vom<br />

Markt gedrängt. Fast nirgendwo in<br />

Europa sind Nahrungsmittel so billig<br />

und geben Haushalte so wenig dafür<br />

aus, wie in Deutschland. Dabei ist<br />

unsere Ernährung nicht nachhaltig.<br />

Sie verursacht ökologische Schäden,<br />

soziale Probleme und steigende gesellschaftliche<br />

Kosten, die in unserer<br />

Volkswirtschaft versteckt oder offen<br />

subventioniert werden. Denn nachhaltig<br />

konsumieren heißt, negative<br />

Auswirkungen des eigenen Konsums<br />

auf Umwelt und Gesellschaft soweit<br />

wie möglich vermeiden. In Bezug auf<br />

die Ernährung heißt das:<br />

� den Fleischkonsum verringern,<br />

� ökologisch erzeugte Lebensmittel<br />

bevorzugen,<br />

� gering bzw. mäßig verarbeitete<br />

Lebensmittel vorziehen,<br />

� unverpackte oder umweltverträglich<br />

verpackte Erzeugnisse auswählen,<br />

� sozialverträglich erzeugte, verarbeitete<br />

und vermarktete Produkte<br />

(Produkte aus fairem Handel) kaufen<br />

sowie<br />

51


52 AGENDA IM KREIS UNNA<br />

Auszeichnung der Familie Behmenburg (v.l.): Andre Schmitt (Futureins), Werner Kolter (Bürgermeister der Stadt <strong>Unna</strong>), Sabine<br />

und Wolfgang Behmenburg, Karin Baumann und Martina Bahde (Umweltberatung <strong>Unna</strong>). Foto: Verbraucherzentrale NRW<br />

� regional und saisonal erzeugte Lebensmittel<br />

wählen.<br />

Lebensmittel aus der Region erfüllen<br />

viele dieser Forderungen. Denn<br />

Lebensmittel, die dort produziert, verarbeitet<br />

und konsumiert werden, wo<br />

man wohnt, haben viele Vorteile. Man<br />

kann so nicht nur nachvollziehen, wo<br />

und wie sie produziert wurden. Sie sind<br />

häufig sogar frischer und schmecken<br />

oft auch einfach besser. Sie werden<br />

aber kaum als Alternative wahrgenommen,<br />

vor allem, weil viel zu wenig über<br />

ihren Nutzen für den Einzelnen und für<br />

die Gesellschaft bekannt ist.<br />

Damit dies nicht so bleibt, hat sich<br />

die Verbraucherzentrale NRW zur<br />

Aufgabe gemacht, regionale Lebensmittel<br />

zu einem Thema für die Öffentlichkeit<br />

zu machen. So macht sie auf<br />

verschiedenen Wegen diesen Nutzen<br />

deutlich und trägt so dazu bei, dass<br />

sich gesellschaftliche Akteure für die<br />

Regionalvermarktung stark machen<br />

und vor allem, dass mehr regionale<br />

Produkte konsumiert werden.<br />

� Kampagne futureins<br />

Unter dem Motto „Mmh, lecker!<br />

Iss` mal was aus der Region!“ zeigte<br />

die Kampagne futureins den Menschen<br />

in NRW, wie sie beim Kauf von


Lebensmitteln nicht nur auf „Nummer<br />

sicher“ gehen, sondern dabei auch<br />

noch genießen können. Mit der öffentlichen<br />

symbolischen und feierlichen<br />

Übergabe der futureins-„Nachhaltigkeits-EINS“<br />

an ausgewählte Anbieter<br />

im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> sprach die Kampagne<br />

in diesem Jahr diesen stellvertretend<br />

für andere „leuchtende“ Beispiele<br />

ihre ausdrückliche Anerkennung aus.<br />

Ziel ist es, durch diese Auszeichnung<br />

weitere Mitstreiter dafür zu gewinnen,<br />

mehr Produkte aus regionalem Anbau<br />

und regionaler Produktion anzubieten<br />

oder einzukaufen. Weil es im <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> viele lobenswerte Aktivitäten im<br />

Bereich der regionalen Produkte gibt,<br />

zeichnete die Verbraucherzentrale<br />

insgesamt acht Anbieter aus.<br />

Auch die Umweltberaterinnen der<br />

Beratungsstellen der Verbraucherzentrale<br />

in <strong>Unna</strong> und Kamen unterstützen<br />

die Vermarktung regionaler Produkte<br />

durch viele Aktionen, u.a. erstellten<br />

sie jeweils für <strong>Unna</strong> und Kamen einen<br />

regionalen Einkaufsführer, der Verbrauchern<br />

in <strong>Unna</strong> und Kamen einen<br />

Überblick über regionale Einkaufsmöglichkeiten<br />

bietet.<br />

AGENDA IM KREIS UNNA<br />

Im Frühjahr 2005 erhielt die <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft die Auszeichnung für die<br />

Unterstützung und Durchführung des Obstwiesen- und Apfelsaftprojektes im <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong>. Foto: Verbraucherzentrale NRW<br />

� Kontakt<br />

Erhältlich sind die Einkaufsführer<br />

sowie Informationen in den Verbraucherzentralen<br />

in <strong>Unna</strong>, Rathausplatz<br />

21, in Kamen, Kirchstraße 7.<br />

53


54<br />

AGENDA IM KREIS UNNA<br />

� Nachhaltiges Handeln in der Praxis<br />

Landaktiv – das vielseitige<br />

Dienstleistungsangebot vom Bauernhof<br />

von Sabine Döring<br />

Landaktiv ist ein Verein, unter<br />

dessen Dach sich landwirtschaftliche<br />

Betriebe der Region Ruhr<br />

– Lippe – Hellweg eine neue<br />

wirtschaftliche Basis erarbeiten.<br />

Landfrauen haben sich zusammengeschlossen,<br />

um im Bereich<br />

Erwerbs- und Einkommensalternativen<br />

ein zusätzliches Einkommen<br />

zu erwirtschaften.<br />

Der Verein wurde im November<br />

1998 unter dem Namen Landfrauen-<br />

Service Ruhr – Lippe – Hellweg, kurz<br />

landaktiv, gegründet. Ein zentral eingerichtetes<br />

Büro dient der Vermittlung<br />

der Angebote der Mitglieder und ist<br />

Schaltstelle für die Wünsche und Anfragen<br />

der Bevölkerung. 22 Mitglieder<br />

bieten ihre Dienstleistungsangebote<br />

unter sechs Schwerpunkten an.<br />

� landaktiv touristisch<br />

Raus aufs Land; unter diesem Motto<br />

lernen Sie mit Halb-, Ganz- oder Zweitagestouren<br />

die Sehenswürdigkeiten<br />

der Region, die herrliche Landschaft<br />

zwischen Ruhr und Lippe und die<br />

Kleinode der Soester Börde kennen.<br />

Landaktiv stellt das individuelle Programm<br />

für Einzelpersonen, Familien<br />

oder Gruppen zusammen. Bequem<br />

lassen sich die Touren mit dem Bus<br />

nachvollziehen, intensiver lernen Sie<br />

Land und Leute auf dem Fahrrad oder<br />

auf einer Wanderung kennen.<br />

Ferien auf dem Land, im südlichen<br />

Münsterland haben Sie die Möglichkeit<br />

in gemütlich eingerichteten Ferienwohnungen<br />

die münsterländische<br />

Parklandschaft zu entdecken.<br />

� landaktiv Feiertag<br />

Feiern auf dem Lande; genießen Sie<br />

in rustikaler, gemütlicher Atmosphäre<br />

Ihre persönliche Feier oder nutzen Sie<br />

das stimmungsvolle Ambiente eines<br />

Bauernhofs für Ihre betriebliche Veranstaltung.<br />

� landaktiv froh im Stroh<br />

Spaß auf dem Land, die Alternative<br />

zu Kinobesuch, Fastfood und<br />

Computerspielen. Die phantasievol-<br />

len Angebote für Kindergeburtstage,<br />

Schulausflüge oder Abschlußfeiern<br />

bieten Kindern eine gute Möglichkeit<br />

das Leben auf einem Bauernhof<br />

kennen zu lernen. Die Kinderfeier mit<br />

Ponyreiten oder Kutschfahrten, das<br />

abendliche Lagerfeuer mit leckeren<br />

Würstchen und Stockbrot ist immer<br />

ein besonderes Erlebnis.<br />

� landaktiv kulinarisch<br />

Von westfälisch – rustikal bis italienisch<br />

– elegant; qualifizierte Landfrauen<br />

sorgen für Ihr leibliches Wohl<br />

und bieten einen Rundumservice für<br />

Ihre Feier an. Schon bei der Planung<br />

werden Sie mit Tips und Anregungen<br />

unterstützt und erhalten Hilfe bei der<br />

Durchführung Ihrer individuellen Veranstaltung.<br />

Mit hofeigenen Produkten<br />

gebackene Kuchen sind immer ein<br />

Highlight.<br />

� landaktiv kreativ<br />

Kreatives malen auf dem Bauernhof;<br />

mit einer erfahrenen Kursleiterin und<br />

in malerisch – ländlichem Ambiente<br />

erhalten die Teilnehmer überraschende


Möglichkeiten, sich auf der Leinwand<br />

frei mit Farben und Formen auszudrücken<br />

und dabei den Alltag für einige<br />

Stunden hinter sich zu lassen. Ein<br />

weiteres Angebot ist die professionelle<br />

Dekoration bei Veranstaltungen von<br />

der eleganten Bühnengestaltung bis<br />

zur rustikalen Ausstattung der Räumlichkeiten.<br />

� landaktiv regionale Anbieter<br />

Spezialitäten aus dem östlichen<br />

Ruhrgebiet landfrisch auf den Tisch;<br />

das Motto für regional erzeugte landwirtschaftliche<br />

Produkte. Ob Käse aus<br />

der Hofkäserei, Fisch vom Fischhof,<br />

Brot gebacken mit hofeigenem Getreide,<br />

Hähnchen vom Geflügelhof oder<br />

Senf hergestellt nach traditionellen<br />

Rezepten – all diese Produkte begeistern<br />

mit ihrem guten Geschmack und<br />

guter Qualität bei Veranstaltungen<br />

und Events die Besucher.<br />

� Begeisternde Aktionen<br />

Seit September 2002 ist landaktiv<br />

ein Projekt der Modellregion östliches<br />

Ruhrgebiet. Die Maßnahme ist seit<br />

Ende 2005 beendet. In dieser Zeit fanden<br />

mehrere Veranstaltungen statt.<br />

Das 1. Event fand im Sommer 2004<br />

auf dem landwirtschaftlichen Betrieb<br />

„Haus Rutenborn“ der Familie Schulte<br />

in Schwerte-Geisecke unter dem<br />

Motto „Kunst und Kultur im Kuhstall“<br />

statt. Da, wo im Winter die Kühe stehen,<br />

hingen an den Wänden des frisch<br />

gestrichenen Stalls die Ergebnisse der<br />

action painting Kurse. Einige Kursteilnehmerinnen<br />

stellten ihre Bilder zur<br />

Dekoration zur Verfügung. Mitten<br />

in der Stallgasse war die Bühne aufgebaut,<br />

die Zuschauer saßen in den<br />

Boxen der Kühe.<br />

Die Familie Glitz-Ehringhausen in<br />

AGENDA IM KREIS UNNA<br />

Die Veranstaltung „Kunst und Kultur im Kuhstall” lockte viele Interessierte nach<br />

Schwerte-Geiseke. Foto: landaktiv<br />

Werne stellte ihren Betrieb für eine<br />

zweite Veranstaltung im August 2005<br />

zur Verfügung. Zahlreiche Besucher<br />

genossen das (Kultur)Programm<br />

„Landkultur in Ehringhausen“, informierten<br />

sich über regenerative Energien,<br />

stärkten sich an den regionalen<br />

Köstlichkeiten und saßen gemütlich<br />

in rustikaler Atmosphäre bei Kaffee<br />

und selbstgebackenem Kuchen zusammen.<br />

55


56 AGENDA IM KREIS UNNA<br />

Die Gemeinschaft der regionalen<br />

Anbieter hatte die Möglichkeit der<br />

Beteiligung beim BVB – Catering in<br />

den Stammtischebenen für ca. 3.000<br />

Gäste im Westfalenstadion ebenso<br />

wie bei der WR/WAZ Mediennacht<br />

in der Postbank in Dortmund und bei<br />

der Auftaktveranstaltung zum Green<br />

– Goal – Konzept zur Fußballweltmeisterschaft<br />

2006 im Rathaus der Stadt<br />

Dortmund. Bei all diesen Veranstaltungen<br />

arbeiteten die Mitglieder „Hand in<br />

Hand“, der Teamgeist wurde dadurch<br />

gefördert.<br />

� Öffentlichkeitsarbeit<br />

Durch die Förderung Regionen<br />

aktiv konnte ein Konzept für die Öffentlichkeitsarbeit<br />

entwickelt werden,<br />

so dass landaktiv sich professionell<br />

darstellen konnte. Die Medien zeigten<br />

großes Interesse an der landaktiv-Idee<br />

und berichteten ausführlich. Mehrmals<br />

wurden Berichte im regionalen<br />

Der BVB-Käse war nur ein köstlicher<br />

Renner, der an regionalen Produkten<br />

angeboten wurde. Foto: landaktiv<br />

WDR Fernsehprogramm und auch<br />

bundesweit im ZDF ausgestrahlt.<br />

Das landwirtschaftliche Wochenblatt<br />

berichtete über die action painting<br />

Kurse und über die BVB Veranstal-<br />

tungen. Durch die Unterstützung der<br />

Medien und durch die Teilnahme an<br />

öffentlichen Veranstaltungen stieg<br />

der Bekanntheitsgrad von landaktiv.<br />

Die Tätigkeitsfelder der Mitglieder<br />

wurden in der Bevölkerung immer<br />

mehr bekannt und nachgefragt. Die<br />

professionelle Ausstattung des Informationsstands<br />

trägt zur zeitgemäßen<br />

Darstellung der Serviceangebote der<br />

Mitglieder bei.<br />

� Ausblick<br />

Weiter werden die Mitglieder die<br />

Chancen der Einkommensalternativen<br />

nutzen und ihre Dienstleistungen verstärkt<br />

in der Öffentlichkeit darstellen.<br />

Den regionalen Anbietern ist deutlich<br />

geworden, dass die regionale Landwirtschaft<br />

im Servicebereich für die<br />

Verbraucher interessante Angebote<br />

machen kann. Dieses setzt eine gute<br />

Qualität und hohe Professionalität<br />

voraus.


� Andere Wege nachhaltiger Umwelterziehung<br />

Mit Spiel und Spaß die <strong>Natur</strong><br />

entdecken und lieben lernen<br />

von Dorothee Weber-Köhling<br />

Neben der klassischen Umwelterziehung<br />

– im Rahmen<br />

des außerschulischen Lernortes<br />

Ökologiestation – wo Angebote<br />

zu speziellen Themen von den<br />

Vorschulgruppen im Kindergarten<br />

sowie Klassen unterschiedlicher<br />

Schulformen angenommen werden,<br />

greift das Umweltzentrum<br />

Westfalen seit Jahren auch andere<br />

Möglichkeiten zur nachhaltigen<br />

Umweltbildung auf.<br />

Gemeinsam mit weiteren Kooperationspartnern<br />

ermöglicht die Ökologiestation<br />

Kindern unterschiedlichen<br />

Alters Erfahrungen in und mit der<br />

<strong>Natur</strong>. So bietet das Umweltzentrum<br />

Westfalen in den Oster-, Sommer- und<br />

Herbstferien Aktionen für Kinder an.<br />

Neben dem Betreuungsaspekt in den<br />

Ferien und dem spielerischen Aneignen<br />

von Fach- bzw. historischem Wissen,<br />

bekommen die Kinder einen anderen<br />

Zugang zu ihrer Umwelt und können<br />

diverse <strong>Natur</strong>erfahrungen machen.<br />

� Theater und vieles mehr<br />

Beim Theaterseminar in den Osterferien<br />

werden Umweltthemen aufgegriffen<br />

und spielerisch umgesetzt.<br />

Im Vordergrund steht hier natürlich<br />

neben dem Auseinandersetzen mit<br />

<strong>Natur</strong>themen der künstlerische und<br />

kreative Aspekt. Das Ergebnis ist ein<br />

Theaterstück, welches am Ende der<br />

Ferienwoche vor Eltern und Bekannten<br />

aufgeführt wird. Die Kinder sind in die<br />

Handlung mit eingebunden, entwerfen<br />

Kostüme und Kulisse selbst und<br />

beschäftigen sich eine Woche lang mit<br />

einem Umweltthema.<br />

Bei der Halloween-Woche in den<br />

Herbstferien steht der kulturelle Aspekt<br />

an erster Stelle. Aber gerade der<br />

Vergleich unterschiedlicher Kulturen<br />

und Bräuche und die Umsetzung in die<br />

eigene Lebenswelt trägt zur nachhaltigen<br />

Umwelterziehung der Kinder bei.<br />

Eindrucksvoll lässt sich nachhaltige<br />

Umwelterziehung aber auch bei dem<br />

Historischen Spiel in den Sommerferien<br />

aufzeigen. Neben der Vermittlung<br />

von historischem Wissen, in Form von<br />

„Geschichte (er)leben“ bekommen die<br />

NACHHALTIGES LEBEN<br />

Kinder einen Einblick in Lebensformen,<br />

die ihre heutige Umwelt in einem anderen<br />

Blickwinkel erscheinen lässt. Die<br />

Kinder entfernen sich eine Woche von<br />

der modernen Zivilisation und tauchen<br />

– einem Zeitsprung gleich – in eine<br />

vergangene Lebenswelt ein.<br />

� In fremde Welten tauchen<br />

Die Rolle, die die Kinder während<br />

des Historischen Spiels übernehmen,<br />

wählen sie selbst, ob es nun das Erlernen<br />

eines Handwerks ist oder die<br />

Ausbildung zum adeligen Ritter oder<br />

zur adeligen Hofdame. Ihre Aufgabe<br />

erfüllen sie wie Erwachsene und tragen<br />

so zum eigenen Lebensunterhalt in der<br />

Gesellschaft bei. Das bedeutet aber<br />

auch, dass sie Aufgaben übernehmen<br />

die sie in der Gegenwart zum Teil nicht<br />

mehr dürfen oder nicht mehr übernehmen<br />

brauchen, da sie von anderen<br />

oder von Maschinen übernommen<br />

werden. Die Elemente Feuer, Wasser,<br />

Erde und Licht bekommen während<br />

des Spiels wieder eine wichtige Bedeutung<br />

für die Kinder. Feuer wärmt<br />

und spendet Licht. Ohne Feuer gibt es<br />

57


58 NACHHALTIGES LEBEN<br />

kein Essen und kein warmes Wasser.<br />

Wie mühsam es ist, Feuer zu machen<br />

mit Feuereisen, Feuerstein, Zunderschwamm<br />

und Heu und wie mühsam<br />

es ist, Brennholz zu hacken; all dies<br />

sind Erfahrungen, die die Kinder in<br />

der heutigen Zeit nicht mehr machen<br />

(brauchen). Diese Erfahrungen tragen<br />

aber auch dazu bei, das <strong>Natur</strong>material<br />

Holz in der Gegenwart anders einzuschätzen<br />

und dessen Stellenwert anzuheben.<br />

Dass sich früher die Essenzubereitung<br />

über Stunden hinzog und alles<br />

frisch geerntet und zubereitet wurde,<br />

auch das sind Einsichten, die die Kinder<br />

mit in die Gegenwart nehmen und die<br />

Bedeutung von Lebensmittel anders<br />

bewerten lassen. Auch das Element<br />

Wasser war in der Vergangenheit ein<br />

kostbares Gut. Das Wasser musste<br />

vom Brunnen geholt, über dem offenen<br />

Feuer erwärmt werden und kam<br />

nicht - wie heute - wohl temperiert<br />

aus dem Wasserhahn. Gerade wegen<br />

dieses hohen Aufwandes ging man<br />

früher sparsamer mit Wasser um, anstatt<br />

wie heute eher verschwenderisch.<br />

Denn was man immer hat, schätzt man<br />

nicht mehr. Der Umgang mit authentischen<br />

Werkzeugen zeigt den Kindern<br />

die Wichtigkeit und Bedeutung von<br />

Handarbeit. Hierbei machen die Kinder<br />

aber auch noch ganzheitliche Erfahrungen,<br />

indem sie vom Rohprodukt<br />

Mädchen erlernen längst vergessene<br />

Fertigkeiten. Fotos: Umweltzentrum<br />

Holz hacken ist „Männersache”.<br />

über die einzelnen Handwerksschritte<br />

bis zum fertigen Gegenstand alles<br />

selbst gemacht haben. So erfahren sie<br />

auch eine Menge über die Nützlichkeit<br />

von <strong>Natur</strong>produkten und was man aus<br />

ihnen machen kann, z. B. das Färben<br />

von Rohwolle mit Pflanzenfarbstoffen<br />

oder das Filzen von Wolle und das Herstellen<br />

von Dingen für den täglichen<br />

Gebrauch.<br />

Das Historische Spiel verlangt von<br />

seinen Mitspielern die Fähigkeit, zwischen<br />

der Realität der Spielwelt und<br />

der Realität der Welt außerhalb des<br />

Spiels zu unterscheiden. Darin besteht<br />

das enorme Lernpotential des Historischen<br />

Spiels: Was in der Spielwelt<br />

passiert hat zwar keine greifbaren<br />

Konsequenzen außerhalb des Spiels,<br />

aber es vermittelt Einsichten sowohl in<br />

menschliche Verhaltensmuster sowie<br />

dem Leben in der <strong>Natur</strong> und mit der<br />

<strong>Natur</strong> als der technische Fortschritt<br />

noch nicht so weit wie in der heutigen<br />

Zeit war. Gerade das vergleichen und<br />

reflektieren von Gestern und Heute<br />

trägt zur nachhaltigen Umwelterziehung<br />

bei.<br />

Fazit: Das Historische Spiel ist ein<br />

großes, komplexes Projekt. Es setzt<br />

Lernprozesse in Gang sowohl über<br />

Geschichte als auch über Strategien zur<br />

Lebensbewältigung, über den Umgang<br />

mit der <strong>Natur</strong> und das Leben in der<br />

<strong>Natur</strong> und darüber, wie Wissenschaft<br />

funktioniert. Das Historische Spiel ist<br />

„lebendige“ Umwelterziehung.


� Die evangelische Tageseinrichtung Oase in Fröndenberg stellt sich vor<br />

Was Hänschen nicht lernt,<br />

lernt Hans nimmer mehr?!<br />

von Heike Niemand<br />

Die evangelische Tageseinrichtung<br />

Oase in Fröndenberg hat 1999<br />

über ein <strong>Natur</strong>-Erlebnis-Konzept<br />

ihr eigenes Profil entwickelt. Ziel<br />

ist eine ganzheitliche Gesundheitsförderung,<br />

d.h. körperliche,<br />

psychische und soziale Ressourcen<br />

der Kinder werden bei uns gestärkt<br />

und gefördert.<br />

Unser Team hat sich stärkenorientiert<br />

in den Bereichen <strong>Natur</strong>, Kunst,<br />

Gesundheit und Bewegung fortgebildet<br />

und gestaltet mit dem erworbenen<br />

Fachwissen die inhaltliche Arbeit mit<br />

den Kindern. Impulse aus den erweiterten<br />

Qualifikationen führten zu<br />

verschiedenen Langzeitprojekten, die<br />

den Gedanken der Nachhaltigkeit und<br />

des <strong>Natur</strong>schutzes tragen.<br />

� von Bäumen und Beeren<br />

Im April 1999 begannen wir gemeinsam<br />

mit Kindern und Eltern unser<br />

Außengelände naturnah umzugestalten.<br />

So entstanden ein Weidentipi, Auf der Suche nach Bodenschätzen Foto: Niemand<br />

NACHHALTIGES LEBEN<br />

59


60 NACHHALTIGES LEBEN<br />

ein Weidentunnel und ein offener<br />

Sandspielbereich mit einer natürlichen<br />

Eingrenzung durch Baumstämme, Steine<br />

und Sträucher. Eine Todholzhecke<br />

bietet Schutz für Insekten und Spinnen<br />

und auch „Brennnesseln“ dürfen in<br />

bestimmten Bereichen des Geländes<br />

wachsen. Im November 1999 machte<br />

die Partei Bündnis 90/die Grünen<br />

durch eine Spende den Kauf verschiedener<br />

heimischer Beerengehölze möglich<br />

und es entstand die „Bärenstarke<br />

Beerenecke“.<br />

Ziel ist es, die heimischen Pflanzen<br />

kennen zu lernen und die Früchte<br />

sowie Heilkräfte der <strong>Natur</strong> zu nutzen.<br />

Dabei wird auch der Aspekt<br />

berücksichtigt, was unsere Tiere um<br />

uns herum brauchen, um sich wohl<br />

zufühlen und anzusiedeln. So wurden<br />

bewusst mehrere Faulbaumbüsche<br />

gepflanzt, die zwar für uns Menschen<br />

giftig sind, aber eine wichtige Nahrungsquelle<br />

der Zitronenfalterraupen<br />

darstellen. Die Kinder lernen über den<br />

Umgang mit giftigen Pflanzen, dass<br />

es in der <strong>Natur</strong> Nahrung gibt, die für<br />

uns Menschen ungenießbar ist, ohne<br />

die es aber die Artenvielfalt der Tiere<br />

nicht gäbe. Ein Sandkasten wurde zu<br />

einem Gemüsebeet umfunktioniert in<br />

dem Kartoffeln, Zucchini und Kohlrabi<br />

gepflanzt wurden.<br />

Zur selben Zeit erarbeitete die Ein-<br />

richtung zusammen mit der Arbeitsgruppe<br />

Umwelt, <strong>Natur</strong> und Landwirtschaft<br />

einen Forderungskatalog für<br />

naturnahe Spielräume als Alternative<br />

oder Ergänzung zu den Fröndenberger<br />

Spielplätzen. Darin forderten wir komplexe,<br />

sinnliche Erfahrung- und Spielbereiche<br />

mit Rückzugsmöglichkeiten,<br />

Plätzen zum Träumen, Toben, Klettern<br />

und zum Abenteuerspiel. Dabei soll<br />

man durchaus die natürlichen Gegebenheiten<br />

der Landschaft ausnutzen.<br />

Liegt der Spielplatz beispielsweise an<br />

einem Bach oder Hügel, lässt sich hier<br />

die <strong>Natur</strong> wunderbar erleben.<br />

� Ausflüge und Aktionen<br />

Im Rahmen des Konzeptes etablierten<br />

sich zwei feste Waldtage, an<br />

denen die Kinder das nahe gelegene<br />

Löhnbachtal und den Lunapark für<br />

sich erobern. Begleitet von der <strong>Natur</strong>pädagogin<br />

Heike Niemand, der<br />

Erzieherin Christel Kieffer und „Karl,<br />

dem Kobold“ lernen die Kinder alles<br />

Wissenswerte über die heimische<br />

Tier- und Pflanzenwelt. Sie gehen auf<br />

Spurensuche, beobachten Vögel, Insekten<br />

und Frösche, untersuchen den<br />

Bach nach Lebewesen und sammeln<br />

Wildkräuter, um mit diesen ein leckeres<br />

Essen zu kochen.<br />

Im Jahr 2002 nahm die Einrichtung<br />

erfolgreich an dem Wettbewerb „Er-<br />

lebter Frühling“ teil und belegte auf<br />

Landesebene den ersten Platz. Über<br />

drei Monate beobachteten die Kinder<br />

die Entwicklung der Rotbuche und<br />

führten als Abschluss des Projektes ein<br />

kleines Theaterstück auf, in dem Karl,<br />

der Kobold sich mit dem Buchenblatt<br />

„Meckerließchen“ anfreundet und<br />

Einblick in die jahreszeitlichen Veränderungen<br />

der Buche gibt. Im Frühling<br />

gab es dann zarte Buchenblätter zum<br />

Probieren und zum Herbst wurden die<br />

Bucheckern geröstet und geknabbert.<br />

2003 setzen die Oase-Kinder ein musikalisches<br />

Denkmal für den kleinen<br />

„Edi Hummel“. Wieder im Rahmen<br />

der Arbeit zum „Erlebten Frühling“<br />

bauten wir einen Hummel-Nistkasten,<br />

bekamen noch einen oberirdischen<br />

und einen unterirdischen Nistkasten<br />

gesponsert und legten eine Wiese mit<br />

Rotklee an. Aus den gesammelten Beobachtungen<br />

über das Aussehen und<br />

Verhalten der Hummeln komponierte<br />

uns der Kinderliedermacher Klaus<br />

Niemand ein eigenes Hummellied.<br />

Dieses studierten wir mit den Kindern<br />

ein, fuhren dann mit einer Gruppe von<br />

zehn Kindern in ein Dortmunder Tonstudio<br />

und so entstand im Juni 2003<br />

eine eigene CD.<br />

Weitere Projekte folgten: Es wurde<br />

ein Schmetterlingsraupen – Aufzucht-<br />

und -beobachtungskasten gebaut


und wir konnten mit den Kindern<br />

die Entwicklung, Verpuppung und<br />

das Schlüpfen des „Kleinen Fuchses“<br />

erleben. In der Osterzeit organisierten<br />

wir einen Brutkasten und nach<br />

gespannten Tagen des Drehens und<br />

Durchleuchtens kündigte sich schon<br />

in der Schale das Schlüpfen der ersten<br />

Küken an. Die Leih-Glucke Berta der<br />

Erzieherin Ute Ahnert kümmerte sich<br />

anschließend sofort fürsorglich um die<br />

24 quicklebendigen Küken. Sie war der<br />

Star in der Oase. Kinder, Eltern und<br />

Team waren begeistert. Der Besuch<br />

von Landwirten schloss sich an und so<br />

lernten die Vorschulkinder z.B. auf dem<br />

Milchviehbetrieb der Familie Pante wie<br />

man aus Milch Butter herstellt.<br />

Die Neugier, Begeisterung und der<br />

Wissensdurst der Kinder bestärkten<br />

uns, unser Konzept immer wieder zu<br />

erweitern. Inzwischen stellen wir einmal<br />

wöchentlich unseren Quark selber<br />

her. Die Milch dazu und den Käse für<br />

unser gesundes Frühstück holen wir<br />

von der Käserei Wellie aus Warmen.<br />

Im Rahmen der „Apfel-Projektwoche“<br />

sammeln und ernten wir einmal im<br />

Jahr Äpfel und verarbeiten diese auf<br />

dem Stockumer Hofmarkt zusammen<br />

mit Bauer Behmenburg zu eigenem<br />

Apfelsaft. Bauer Eckey beliefert uns<br />

mit Fleisch und Wurstwaren seines<br />

Neulandbetriebes. Gemüsebauer<br />

Na, was haben die Jungs denn vor?<br />

Foto: Niemand<br />

Frens bringt wöchentlich das Obst<br />

und Gemüse für das Frühstück und<br />

Mittagessen. Für die Kooperation mit<br />

den Landwirten und das Verwenden<br />

regionaler Produkte bei der Zubereitung<br />

unserer Mahlzeiten wurden wir<br />

beim Frühlingsmarkt von der Umweltministerin<br />

Bärbel Höhn mit dem<br />

„futureins“- Projektpreis der NRW-<br />

Verbraucherzentrale ausgezeichnet.<br />

NACHHALTIGES LEBEN<br />

� Körper und Gesundheit<br />

Auch im Bereich der Gesundheit,<br />

Bewegung und Entspannung bilden<br />

wir uns weiter und binden diese Themen<br />

in unsere tägliche Arbeit mit den<br />

Kindern ein. Morgens beginnen wir<br />

den Tag mit drei Minuten Wassertreten<br />

nach „Kneipp“, anschließend<br />

gibt es ein ausgewogenes, gesundes<br />

Frühstück und mit selbst hergestelltem<br />

Massageöl kann man sich in den Nebenräumen<br />

zu leiser Musik untereinander<br />

massieren und entspannen.<br />

Inzwischen ist ein großes Netzwerk<br />

entstanden, das unsere Einrichtung in<br />

kontinuierlichen kleinen Schritten aufgebaut<br />

hat. Die Kooperation mit der<br />

<strong>Natur</strong>fördergesellschaft für den <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong>, der Arbeitsgruppe Umwelt-<br />

und <strong>Natur</strong>schutz/Landwirtschaft der<br />

Agenda 21, der Stadt Fröndenberg,<br />

der Landwirte und der Partei Bündnis<br />

90/die Grünen ist für uns eine Bereicherung<br />

und wir möchten uns nun bei<br />

dieser Gelegenheit ganz herzlich für<br />

die gute Zusammenarbeit bedanken.<br />

� Neugierig geworden?<br />

Sollten wir Sie neugierig gemacht<br />

haben, laden wir Sie herzlich ein, nach<br />

Absprache unsere Einrichtung zu besuchen<br />

und kennen zu lernen. Kita Oase,<br />

Schröerstraße 13, 58730 Fröndenberg,<br />

Telefon: 02373 72292.<br />

61


62<br />

NACHHALTIGES LEBEN<br />

� Kosmische Erziehung im Montessori-Kinderhaus<br />

„... während sich das Ganze zu einem<br />

wunderbaren Gewebe zusammenfügt“<br />

von Elke Kieninger<br />

„Dies ist ein wesentlicher Erziehungsgrundsatz:<br />

Einzelheiten lehren<br />

bedeutet Verwirrung stiften.<br />

Die Beziehung unter den Dingen<br />

herstellen bedeutet Erkenntnisse<br />

vermitteln.“ So beschreibt die<br />

italienische Ärztin, <strong>Natur</strong>wissenschaftlerin<br />

und Pädagogin Maria<br />

Montessori (1870-1952) in ihrem<br />

Spätwerk das Anliegen der „Kosmischen<br />

Erziehung“.<br />

Es gehe schon im Kindesalter darum,<br />

die verschiedenen Aspekte des Wissens<br />

von der Welt und vom Kosmos zu<br />

verbinden. „Astronomie, Geografie,<br />

Geologie, Biologie, Physik, Chemie<br />

sind nur Details eines Ganzen.“ Oder:<br />

„Wir können das Ganze mit einem<br />

Tuch vergleichen, in dem jedes Detail<br />

eine Stickerei darstellt, während sich<br />

das Ganze zu einem wunderbaren<br />

Gewebe zusammen fügt.“<br />

Wie kann es aber nun gelingen,<br />

schon kleinen Kindern vernetztes und<br />

systemisches Denken zu vermitteln?<br />

Wie werden die Grundlagen für eine<br />

Haltung dem Universum und der<br />

Menschheit gegenüber geschaffen, die<br />

von Verantwortungsbewusstsein und<br />

Rücksichtnahme geprägt ist? Denn<br />

Maria Montessori geht es nicht um<br />

reines Faktenwissen, sondern um den<br />

Aufbau von Haltungen mit dem Ziel<br />

der Wahrnehmung der Verantwortung<br />

gegenüber der Schöpfung. Sie war<br />

ihrer Zeit weit voraus, als sie im frühen<br />

20. Jahrhundert den Raubbau an der<br />

<strong>Natur</strong> anprangerte, vor der atomaren<br />

Bedrohung warnte und auch deshalb<br />

eine Pädagogik forderte, die ein friedliches<br />

Zusammenleben in der „nazione<br />

unica“ möglich machen sollte.<br />

Maria Montessori hat vor allem<br />

während ihrer Zeit in Indien (1939 bis<br />

1949), wohin sie sich während des<br />

Zweiten Weltkrieges zurückgezogen<br />

hatte, versucht, ihre Ideen in konkrete<br />

pädagogische Praxis umzusetzen.<br />

Spätere Montessori-Pädagogen und<br />

besonders ihr Sohn Mario haben diese<br />

Aufgabe fortgeführt. Heute gibt es<br />

vielfältige Materialien für die Arbeit<br />

mit Kindern aller Altersstufen. Und<br />

die Kosmische Erziehung, der Maria<br />

Montessori für die Altersgruppe der<br />

sechs- bis zwölfjährigen besondere<br />

Bedeutung zugesprochen hat, kann<br />

bereits im Kindergarten-Alter realisiert<br />

werden.<br />

� Kartoffel-Projekt<br />

Gudula Papen-Wächter, stellvertretende<br />

Leiterin des Montessori-Kinderhauses<br />

in <strong>Unna</strong>, beschreibt die Idee<br />

der Kosmischen Erziehung so: „Die<br />

Arbeiten und Materialien bieten dem<br />

Kind vielfältige Möglichkeiten, durch<br />

Staunen über beobachtbare Phänomene<br />

und experimentelles, entdeckendes<br />

Lernen zu Erkenntnissen im naturwissenschaftlichen<br />

Bereich zu gelangen.“<br />

Und: Gerade weil bei den Kindern, die<br />

in großer Zahl fern der <strong>Natur</strong> aufwachsen,<br />

der Sinn für Zusammenhänge<br />

verloren gegangen sei, müsse nach<br />

Wegen gesucht werden, regionale und<br />

globale Zusammenhänge kindgerecht<br />

aufzuarbeiten.<br />

Im Montessori-Kinderhaus geschieht<br />

das im täglichen Miteinander,<br />

in der Kosmos-AG und mittels einzel-


ner Projekte. Jüngstes Beispiel: das<br />

Kartoffel-Projekt.<br />

Fragt man die Kinder nach der<br />

Herkunft der Kartoffel, wird zunächst<br />

einmal der Supermarkt genannt,<br />

erzählt Gudula Papen-Wächter. Also<br />

haben die Montessori-Pädagoginnen<br />

gemeinsam mit den Kindern Kartoffeln<br />

in einer luftigen Kiste einige Wochen<br />

aufbewahrt, sie dann, als die Triebe<br />

sich durch die Schale gebohrt hatten,<br />

in der Erde vergraben und beobachtet,<br />

wie nach ungefähr zwei Monaten die<br />

Pflanzen blühten. All das, was zunächst<br />

unter der Erde geschah, haben<br />

die Kinder auf bunten Bildtafeln verfolgt.<br />

Im Herbst war es schließlich so<br />

weit: Es durfte geerntet werden – im<br />

Kinderhaus und auf einem Feld in Kessebüren,<br />

das ein Bauer zur Verfügung<br />

gestellt hatte.<br />

Nun galt es zu erfahren, was man<br />

alles mit Kartoffeln machen kann.<br />

Rezepte wurden gesammelt und<br />

ausprobiert. Die Kartoffel als Druckstempel<br />

wurde entdeckt. Und natürlich<br />

wurden Teile der Kartoffel auch<br />

unter dem Mikroskop genauestens<br />

in Augenschein genommen und die<br />

Kartoffel-Stärke zum Thema gemacht.<br />

Denn dass diese in so vielen anderen<br />

Lebensmitteln zu finden ist oder z. B.<br />

bei der Papier-Herstellung benötigt<br />

wird, wussten auch viele Eltern nicht.<br />

In einem Kartoffelbuch, für jedes Kind<br />

erstellt, haben die Kleinen außerdem<br />

alles über die lange Reise der Kartoffel<br />

von Südamerika nach Europa erfahren.<br />

Das Märchen vom Kartoffel-König,<br />

der nicht gegessen werden wollte, bis<br />

er zwei hungrigen Kindern begegnet<br />

ist, wurde im Freispiel umgesetzt<br />

und beim Kartoffelfest aufgeführt.<br />

Kurzum: „Schon Drei- bis Sechsjäh-<br />

NACHHALTIGES LEBEN<br />

Während des Kartoffel-Projektes ernten die Kinder selbst die Knollen auf einem<br />

Feld in Kessebüren. Foto: privat<br />

rige können spielerisch eine ganze<br />

Menge über Herkunft, Geschichte,<br />

Wachstum, Nutzung, Verarbeitung,<br />

industrielle Nutzung und Weiterverarbeitung<br />

der Kartoffel erfahren“, so<br />

Gudula Papen-Wächter.<br />

� Kosmos-AG<br />

Als ehemalige Biologie-Laborantin<br />

leitet die heutige Pädagogin auch die<br />

63


64 NACHHALTIGES LEBEN<br />

Kosmos-AG des Montessori-Kinderhauses.<br />

Themen wie „Vom Urknall<br />

bis heute“ oder „Vom Korn zum Brot“<br />

werden hier über einen längeren Zeitraum<br />

– manchmal ein ganzes Kindergartenjahr<br />

– altersgerecht aufbereitet.<br />

Die typischen Montessori-Materialien,<br />

aber auch der Einfallsreichtum der Erzieherin<br />

helfen weiter. So haben Gudula<br />

Papen-Wächter und die Kinder ein<br />

50 Meter langes Zeitband gebastelt,<br />

das den Verlauf von fünf Milliarden<br />

Jahren Erd-Geschichte darstellt. Was<br />

die Kinder verblüfft hat: Erst auf den<br />

letzten 20 Metern des Bandes ist ganz<br />

viel geschehen. Und die Geschichte<br />

des Menschen findet gerade einmal<br />

auf einem Zentimeter Platz.<br />

� Jahreszeiten "begreifen"<br />

Maria Montessori und ihr Sohn<br />

Mario haben die Idee, geschichtliche<br />

Abläufe linear durch Bänder oder<br />

Leisten darzustellen, entwickelt. Das<br />

Kind erhält so die Möglichkeit, je nach<br />

Entwicklungsstand, Prozesse sensomotorisch<br />

durch Entlanggehen oder<br />

kognitiv durch in Zahlen ausgedrückte<br />

Zeitspannen zu erfassen. Gearbeitet<br />

wird außerdem mit <strong>Kreis</strong>-Systemen.<br />

Der Jahreskreis z. B. besteht aus 365<br />

unterschiedlich gefärbten Kugeln, denen<br />

Bilder und Gegenstände zugeordnet<br />

werden können. Tage, Monate und<br />

Jahreszeiten können auf diese Weise<br />

schon die Dreijährigen „begreifen“.<br />

Immer geht es Maria Montessori bei<br />

dem von ihr entwickelten Material<br />

darum, die in der <strong>Natur</strong> realisierte<br />

kosmische Ordnung deutlich zu machen.<br />

Das Kind erhält zunächst eine<br />

Übersicht, ein Ordnungsschema vom<br />

Globalen und lernt dann immer mehr<br />

Einzelheiten kennen.<br />

� Vielfalt der <strong>Natur</strong><br />

Im Alltag des Montessori-Kinderhauses<br />

gehören zur Erfahrung des<br />

Jahreskreises natürlich auch Ausflüge<br />

in die <strong>Natur</strong>. Werden im Herbst etwa<br />

auf einem Spaziergang oder im großen<br />

Garten Blätter gesammelt, bedeutet<br />

das, die Vielfalt der <strong>Natur</strong> ganz konkret<br />

zu erleben. Kein Blatt gleicht dem<br />

anderen. Auch Blätter eines Baumes<br />

unterscheiden sich. Manche zeigen<br />

Spuren von Tierfraß oder sind zur Ablagestätte<br />

von Insekteneiern geworden.<br />

Die Frage nach dem Warum eröffnet<br />

den Blick in neue Bereiche. Die Fragen<br />

der Kinder werden durch Erzählungen,<br />

Bildtafeln und einfache Versuche auf<br />

kindgemäße Weise, jedoch nicht verkindlicht<br />

beantwortet. Der Blick durch<br />

die Lupe, um etwas ganz genau zu<br />

studieren – im Kinderhaus ist er eine<br />

Selbstverständlichkeit.<br />

Kosmische Erziehung bedeutet<br />

auch und vor allem, so betont Gudula<br />

Papen-Wächter, die Übernahme von<br />

Verantwortung anderen Lebewesen<br />

gegenüber. Die Tiere des Kinderhauses<br />

– Vögel, Mäuse, Meerschweinchen<br />

und Hasen – werden deshalb von den<br />

Vorschulkindern versorgt. Es gibt einen<br />

festen Plan, der die Zuständigkeiten<br />

regelt. Denn das Ordnungsprinzip,<br />

das in der Kosmischen Erziehung<br />

eine so große Rolle spielt, ist eines<br />

der grundlegenden Bausteine der<br />

Montessori-Pädagogik: Kinder brauchen<br />

Freiräume – aber auch klare<br />

Orientierung. Sie mögen es, wenn die<br />

Dinge an ihrem Platz liegen, sie mögen<br />

Zeitrhythmen und Rituale. Kinder, die<br />

solche Orientierung und Sicherheit<br />

erfahren haben, können sich auch<br />

späteren Herausforderungen frei und<br />

selbstbewusst stellen. Die Montessori-<br />

Pädagogin erinnert an den Ausflug in<br />

die <strong>Natur</strong>: „Wenn die Kinder nach der<br />

strukturierten Beschäftigung mit den<br />

Blattformen, den dazugehörigen Namen<br />

und Begriffen wieder in die <strong>Natur</strong><br />

hinausgehen, nehmen sie Bäume<br />

und Blätter in einer anderen Art und<br />

Weise wahr. Die Freude der Kinder,<br />

wenn sie einzelne Bäume und sogar<br />

einzelne abgefallene Blätter wiedererkennen,<br />

zeigt die Bedeutung dieser<br />

ordnenden Arbeiten für die kindliche<br />

Entwicklung.“


� Wer saniert, spart Kosten<br />

Chancen und Potentiale einer<br />

energetischen Altbausanierung<br />

von Johannes Spruth<br />

Deutschland ist schon gebaut ...<br />

Etwa 66 Prozent aller Wohngebäude<br />

wurden vor 1978 errichtet.<br />

Im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> sind es ca. 75 Prozent.<br />

Bis zu diesem Baujahr gab es<br />

keine Wärmeschutzverordnung,<br />

die Anforderungen an die energetische<br />

Qualität der Gebäudehülle<br />

stellt. Lediglich DIN-Normen<br />

verlangten einen Mindestwärmeschutz,<br />

um Feuchtigkeitsschäden<br />

an Bauteilen zu verhindern.<br />

Solche Gebäude im Ursprungszustand<br />

haben einen jährlichen Heizwärmeverbrauch<br />

von über 25 Liter Öl<br />

bzw. Kubikmeter Gas bezogen auf<br />

den Quadratmeter Wohnfläche. Auch<br />

die Heizungsanlagen der damaligen<br />

Bauart haben hohe Verluste. Einen<br />

Teil dieser Verluste bestimmt der<br />

Schornsteinfeger mit den Immissionsschutzmessungen<br />

in Form des Abgasverlustes.<br />

Zusätzlich ergeben sich<br />

aber insbesondere bei älteren Kesseln<br />

erhebliche Verluste während der Be-<br />

triebsbereitschaftszeit. Zum einen sind<br />

alte Kessel oft erheblich zu groß für<br />

den Heizwärmebedarf des Gebäudes<br />

ausgelegt worden und zum anderen<br />

BAUEN & WOHNEN<br />

Schön, aber die Energiekosten steigen so manchem Hauseigentümer übers Dach.<br />

Foto: HCL<br />

sind sie schlecht wärmegedämmt: Der<br />

Heizraum ist oft der wärmste Raum<br />

des Gebäudes. Insgesamt ergibt sich<br />

so ein Jahresanlagenwirkungsgrad,<br />

65


66 BAUEN & WOHNEN<br />

der angibt, welcher Bruchteil der<br />

eingesetzten Brennstoffenergie als<br />

Nutzenergie zur Verfügung steht. Bei<br />

alten Kesseln liegt dieser Wert oft<br />

unter 70 Prozent, d.h. etwa ein Drittel<br />

des Brennstoffs wird nicht genutzt.<br />

Dies belastet durch Kohlendioxidemissionen<br />

unser Klima und durch die<br />

Energiekosten den Geldbeutel.<br />

Durch die energetische Altbausanierung<br />

von Gebäudehülle und<br />

Heizungsanlage lassen sich erhebliche<br />

Einsparungen erzielen. In zahlreichen<br />

Gutachten haben Experten Einsparpotentiale<br />

von über 50 Prozent angegeben.<br />

Dies deckt sich auch mit den<br />

Erfahrungen der Energieberatung der<br />

Verbraucherzentrale aus Hunderten<br />

von eigenen Energiegutachten. Auch<br />

der Gesetzgeber hat das hohe Einsparpotential<br />

bei Bestandsgebäuden erkannt.<br />

Einerseits wurden durch Förderprogramme<br />

Anreize geschaffen, in die<br />

energetische Verbesserung älterer Gebäude<br />

zu investieren, andererseits gibt<br />

es in der Energieeinsparverordnung<br />

(EnEV) Nachrüstungsverpflichtungen<br />

und Anforderungen an die Ausführung<br />

von Sanierungsmaßnahmen.<br />

� Förderprogramme<br />

Es gibt zahlreiche Förderprogramme,<br />

die teilweise auch miteinander<br />

kombiniert werden können. Förder-<br />

programme ändern sich ständig. Die<br />

jeweils aktuelle Übersicht ist zum<br />

Download-Preis von 1,50 Euro auf<br />

www.vz-nrw.de erhältlich. Hier nur ein<br />

kurzer Überblick der zur Zeit (Stand<br />

Februar 2006) aktuellen Förderprogramme:<br />

� KFW-Programme<br />

Seit 2001 gibt es ein Förderprogramm<br />

für die energetische Sanierung<br />

von Wohngebäuden. Die Kreditanstalt<br />

für Wiederaufbau stellt für ihr „KfW-<br />

CO2-Gebäudesanierungs-Programm“<br />

Kredite zur Verfügung. Diese liegen<br />

etwa 2,5 Prozent unterhalb der<br />

marktüblichen Zinsen, d. h. aktuell<br />

bei 1,0 Prozent effektivem Jahreszins<br />

und zehn Jahren Zinsbindung bei<br />

100 Prozent Auszahlung. Sie werden<br />

für Wohngebäude vergeben, die vor<br />

1983 fertiggestellt wurden. Es können<br />

entweder vorgegebene Maßnahmenpakete<br />

durchgeführt werden oder im<br />

„Maßnahmenpaket 4“ wird bei beliebigen<br />

Maßnahmen mit einem Gutachten<br />

die Kohlendioxid Einsparung<br />

nachgewiesen. Für Einzelmaßnahmen<br />

gibt es das Programm „Wohnraum<br />

modernisieren“ mit Zinssätzen ab 1,71<br />

Prozent effektiv, je nach Maßnahmen,<br />

Zinsbindungsfrist und Laufzeit.<br />

Weitere Informationen unter –www.<br />

kfw-foerderbank.de.<br />

� Marktanreizprogramm des<br />

Bundes – www.bafa.de<br />

Thermische Solaranlagen und Holzheizungen<br />

werden durch das Bundesamt<br />

für Wirtschaft bezuschusst.<br />

� Holzabsatzförderungsprogramm<br />

– www.forst.nrw.de<br />

Über die staatlichen Forstämter<br />

werden Holzheizungen unter Umständen<br />

durch einen weiteren Zuschuss<br />

gefördert.<br />

� Nachrüstverpflichtungen<br />

Die Energieeinsparverordnung<br />

(EnEV) verlangt bis Ende 2006 die<br />

Dämmung von zugänglichen, aber<br />

nicht begehbaren Dachböden bis<br />

zum U-Wert von unter 0,3 W/m2K.<br />

(Im Allgemeinen sind 14 Zentimeter<br />

Dämmung erforderlich). Der übliche,<br />

begehbare Trockenboden ist damit<br />

zwar nicht gemeint, jedoch empfiehlt<br />

sich auch dort eine ausreichende<br />

Dämmung (s.u.). Eine weitere Nachrüstverpflichtung<br />

bis Ende 2006 bezieht<br />

sich auf ungedämmte Heizrohre<br />

in unbeheizten Räumen und auf den<br />

Austausch eines vor 1978 eingebauten<br />

Heizkessels. Unter Umständen<br />

gibt es für den vor kurzem energetisch<br />

verbesserten alten Heizkessel<br />

eine „Galgenfrist“ bis Ende 2008.<br />

Alle Nachrüstverpflichtungen gelten


nicht für das selbstgenutzte Ein- bzw.<br />

Zweifamilienhaus, außer bei einem<br />

Eigentümerwechsel. Der neue Eigentümer<br />

hat dann zwei Jahre Zeit für die<br />

Nachrüstung.<br />

� Anforderungen an die energetische<br />

Altbausanierung<br />

Neben diesen Nachrüstungsverpflichtungen<br />

gibt es in der Energieeinsparverordnung<br />

(EnEV) Anforderungen<br />

an die Durchführung für den Fall,<br />

dass an Bauteilen mit einer Fläche von<br />

über 20 Prozent einer Fassade Maßnahmen<br />

durchgeführt werden.<br />

Bei Dachsanierungen darf der U-<br />

Wert (früher k-Wert, Maß für den<br />

Wärmeverlust) maximal 0,30 W/(m²K)<br />

betragen, was einer Dämmstärke von<br />

ungefähr 14 Zentimeter entspricht.<br />

Wir empfehlen nach Möglichkeit eine<br />

Dämmstärke von 20 Zentimeter (U-<br />

Wert ca. 0,20 W/m²K). Der genaue<br />

U-Wert des gedämmten Daches<br />

hängt neben der Dämmstärke auch<br />

vom Aufbau des Daches und von der<br />

Wärmeleitfähigkeitsgruppe (WLG)<br />

des Dämmstoffs ab. Für Flachdachsanierungen<br />

gilt der schärfere Wert von<br />

maximal 0,25 W/(m²K).<br />

Werden bei Außenwänden Dämmstoffe<br />

eingebracht oder der Putz<br />

erneuert, so darf der neue U-Wert<br />

höchstens 0,35 W/m²K betragen.<br />

Abb. 1: Dämmung einer Holzbalkendecke<br />

Dies entspricht etwa zehn Zentimeter<br />

Dämmstärke. Wir empfehlen, einen<br />

U-Wert von unter 0,30 W/m²K anzustreben.<br />

Dies entspricht einer Dämmstärke<br />

von etwa zwölf Zentimeter.<br />

Möglich sind auch zehn Zentimeter<br />

Dämmstärke mit einem Dämmstoff<br />

WLG 035. Wird bei zweischaligem<br />

Mauerwerk die vorhandene Hohlschicht<br />

vollständig mit Dämmstoff<br />

(z.B. Perlite) ausgeblasen, so gibt es<br />

eine Ausnahmegenehmigung für diese<br />

Kerndämmungen, da der U-Wert von<br />

0,35 W/m²K nur mit einer aufwändigen<br />

zusätzlichen Außendämmung zu<br />

erzielen wäre.<br />

Für neue Fenster schreibt die EnEV<br />

einen mittleren U-Wert von höchstens<br />

1,70 W/m²K vor. Dieser Wert berücksichtigt<br />

auch die Wärmebrückenver-<br />

BAUEN & WOHNEN<br />

luste des Einbauzustandes und des<br />

Rahmenanteils.<br />

Der neue U-Wert der Kellerdecke<br />

darf höchstens 0,40 W/m²K (bei Dämmung<br />

auf der unbeheizten Kellerseite)<br />

betragen. Dies entspricht etwa einer<br />

Dämmstärke von ungefähr acht Zentimetern.<br />

Der genaue U-Wert hängt von<br />

der vorhandenen Kellerdecke und von<br />

der Wärmeleitfähigkeitsgruppe des<br />

verwendeten Dämmstoffs ab.<br />

� Energiesparmaßnahmen<br />

� Dach<br />

Beim ausgebauten Dach kommen<br />

die Dachschrägen und der Dachboden<br />

für eine Dämmung in Frage. Soll später<br />

einmal der Spitzboden ausgebaut<br />

werden, so ist es sinnvoll, schon jetzt<br />

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68 BAUEN & WOHNEN<br />

die gesamte Dachfläche zu dämmen.<br />

Wenn der Spitzboden aber in absehbarer<br />

Zeit nicht für Wohnzwecke<br />

genutzt werden soll, so empfiehlt<br />

sich eine Dämmung des Dachbodens.<br />

Muss der Dachboden nicht begehbar<br />

sein, so reicht es, Dämmstoffmatten<br />

mehrlagig mit versetztem Stoß aufzulegen<br />

oder einen Schüttdämmstoff<br />

(Perlitekörnung oder Zellulosefasern)<br />

aufzubringen. Für eine ausreichende<br />

Dämmwirkung sollten 14 Zentimeter<br />

nicht unterschritten werden. Wichtig<br />

ist, dass der Dämmstoff nicht von<br />

kalter Luft unterströmt werden kann.<br />

Werden Platten oder Bretter auf<br />

Lagerhölzern verlegt, ist der Boden<br />

begehbar. Bei alten Holzbalkendecken<br />

ist meistens ausreichend Hohlraum<br />

vorhanden, der mit Zelluloseflocken<br />

ausgeblasen werden kann. Dies ist ein<br />

recht preisgünstiges Verfahren.<br />

Aufwändiger ist eine nachträgliche<br />

Wärmedämmung der Dachschrägen<br />

im ausgebauten Teil. Manchmal ist es<br />

möglich, Dämmstoffplatten zwischen<br />

die Sparren vorzuschieben. Dies ist<br />

bauphysikalisch unproblematisch,<br />

wenn der Dachausbau innen luftdicht<br />

verputzt ist und zwischen Unterspannbahn<br />

und Dämmstoff durchgehend<br />

eine Belüftungsschicht von mindestens<br />

zwei Zentimetern verbleibt. In Zweifelsfällen<br />

kann innen zusätzlich eine<br />

Abb. 2: Dämmung des Schrägdaches<br />

Dampfsperre angebracht werden.<br />

Unter Umständen ist das Dach für<br />

eine Einblasdämmung geeignet. Hier<br />

ist es ratsam, eine Fachfirma zu fragen.<br />

Alle weiteren Dämmarbeiten erfordern<br />

die Demontage des Dachausbaus oder<br />

eine Dachneudeckung.<br />

Beim Schrägdach kann die Dämmung<br />

auf, zwischen oder unter den<br />

Sparren angebracht werden. Zur<br />

Vermeidung von Bauschäden ist ein<br />

mehrschaliger Aufbau notwendig: Auf<br />

der kalten Seite des Dämmstoffs eine<br />

Winddichtungsebene, die den Dämmstoff<br />

vor „Unterwanderung“ mit kalter<br />

Luft schützt und die gleichzeitig<br />

eventuell durch die Dachdeckung<br />

eingedrungenes Wasser ableitet;<br />

zusätzlich eine oder zwei Belüftungsebenen<br />

und auf der warmen Seite<br />

eine Luftdichtungsebene, die meistens<br />

auch die Funktion der Dampfsperre<br />

übernimmt.<br />

Als Unterdach ist eine Kunststofffolie<br />

als Unterspannbahn oder ein<br />

festes Unterdach aus Holzschalung<br />

oder Holzweichfaserplatten möglich.<br />

Wichtig ist ausreichende Belüftung<br />

zwischen Unterdach und Dacheindeckung,<br />

um eventuell eingedrungene<br />

Feuchtigkeit schnell austrocknen zu<br />

lassen.<br />

Die größten Wasserdampfmengen<br />

gelangen durch warme Raumluft in<br />

die Dachkonstruktion, wenn sich diese<br />

auf dem Weg durch den Dämmstoff<br />

abkühlt. Warme Luft kann nämlich<br />

wesentlich mehr Feuchtigkeit tragen<br />

als kalte, ohne fühlbar feucht zu<br />

sein, wie man es am beschlagenen<br />

Badezimmerspiegel sehen kann. Die<br />

weitaus meisten Feuchteschäden an<br />

Dachkonstruktionen beruhen auf der<br />

durch Spalten, Ritzen oder Löcher<br />

eingedrungenen Raumluft. Notwendig<br />

ist deshalb sorgfältigste Ausführung<br />

der raumseitigen Luftdichtungsebene.<br />

Eine verputzte Wand ist luftdicht,<br />

eine Holzvertäfelung mit darrunterliegenden,<br />

auf die Sparren getackerten<br />

Randleistenmatten dagegen nicht.<br />

Hier ist zusätzlich eine durchgehende<br />

Luftdichtungsebene durch eine<br />

Folie oder eine spezielle Baupappe<br />

erforderlich. Die Stöße, Anschlüsse


und Rohrdurchdringungen müssen<br />

dauerhaft verklebt werden. Es müssen<br />

hierfür Spezialklebebänder oder<br />

-kartuschen verwendet werden und<br />

zusätzlich sollten die Klebestellen mit<br />

aufgeschraubten Anpresslatten oder<br />

eingeputztem Streckmetall gesichert<br />

werden. Eventuell ist vor dem Innenausbau<br />

eine Luftdichtigkeitsmessung<br />

sinnvoll. Als gängige Baupraxis wird<br />

meist ein belüftetes Dach ausgeführt.<br />

Bei dieser bewährten Konstruktion<br />

befindet sich eine weitere Belüftungsebene<br />

zwischen Unterspannbahn und<br />

Dämmstoff. Nachteilig sind jedoch<br />

Problempunkte wie Dachgauben<br />

und Rohrdurchführungen, die Notwendigkeit<br />

des Holzschutzes und<br />

das „Verschenken“ von Zentimetern<br />

für die Dämmschicht. Für größere<br />

Dämmstoffstärken, wie sie nach der<br />

EnEV gefordert werden, empfiehlt<br />

sich Vollsparrendämmung. Vorteil:<br />

Der gesamte Sparrenquerschnitt steht<br />

für Dämmzwecke zur Verfügung und<br />

Holzschutz wird entbehrlich. Hierfür<br />

ist eine diffusionsoffene Unterspannbahn<br />

oder ein diffusionsoffenes festes<br />

Unterdach aus Holzweichfaserplatten,<br />

hinreichend trockenes Bauholz und<br />

eine dampfbremsende Luftdichtungsschicht<br />

Voraussetzung. Bei den<br />

üblichen Unterdachfolien ist die Vollsparrendämmung<br />

jedoch riskant.<br />

Abb. 2: Wärmedämmverbundsystem<br />

� Außenwand<br />

Eine gute Außendämmung kann<br />

vor allem bei schlecht gedämmten<br />

Altbauten die Energieverluste durch<br />

die Wände auf weniger als ein Viertel<br />

verringern. Einsparungen von vielen<br />

hundert Euro pro Jahr sind keine Seltenheit.<br />

Außerdem werden die Wände<br />

innen wärmer: Es wird angenehmer<br />

im Raum und Feuchtigkeitsschäden<br />

durch Tauwasser werden vermieden.<br />

Für die Außenwanddämmung gibt es<br />

verschiedene Verfahren: Die Außendämmung,<br />

die mittels Wärmedämmverbundsystem<br />

oder hinterlüfteter<br />

Fassade erfolgen kann, die Kerndäm-<br />

BAUEN & WOHNEN<br />

mung und die Innendämmung.<br />

Ist das Haus verputzt? Ist die<br />

Außenwand einschalig? Muss die<br />

Fassade ohnehin in näherer Zukunft<br />

renoviert werden? Dann kommt ein<br />

Wärmedämmverbundsystem, auch als<br />

Thermohaut bezeichnet, in Frage. Bei<br />

dieser Form der Außendämmung werden<br />

Dämmstoffplatten direkt auf das<br />

Mauerwerk oder auf den vorhandenen<br />

Außenputz aufgeklebt und/oder<br />

angedübelt. Besonders kostengünstig<br />

ist dies, wenn die Kosten für Gerüst,<br />

Verputz und Anstrich sowieso anfallen<br />

würden und Putzabschlagen vermieden<br />

werden kann.<br />

69


70 BAUEN & WOHNEN<br />

Auf die Dämmplatten wird als<br />

Spannungsausgleich ein Armierungsgewebe<br />

geklebt und anschließend<br />

verputzt. Es gibt eine Vielzahl von<br />

Thermohaut-System-Anbietern mit<br />

Gewährleistungszeiten bis zu zehn<br />

Jahren. Abzuraten ist vom Selbstbau<br />

und von der Kombination von Dämmstoff<br />

und Putz auf eigene Faust. Die<br />

Fassade kann mit Kunststoffputz,<br />

mineralischem Putz oder Steinen<br />

(„Riemchen“) versehen werden. Aus<br />

bauphysikalischer Sicht ist ein „diffusionsoffener“<br />

Aufbau zu bevorzugen,<br />

weil dann in die Konstruktion eventuell<br />

eingedrungene Feuchtigkeit verdunsten<br />

kann ohne Schaden anzurichten.<br />

Der Schallschutz einer Außenwand<br />

kann durch Mineralfasermatten leicht<br />

verbessert werden, wozu Styropor<br />

ungeeignet ist. Es gibt viele Häuser<br />

mit Thermohaut, die schon Jahrzehnte<br />

schadensfrei überstanden haben.<br />

Zu beachten sind neben ökologischer<br />

und gesundheitlicher Unbedenklichkeit<br />

der Dämmstoffe auch Probleme<br />

bei der Anbringung von Schaltern,<br />

Markisen, Geländern, Regenfallrohren<br />

usw. Thermohaut-System-Anbieter<br />

haben bisweilen hierfür spezielle Konstruktionselemente.<br />

Eine ähnlich gute Dämmwirkung<br />

hat die hinterlüftete Fassade, wobei<br />

zwischen der Wärmedämmung und<br />

Abb. 3: Vorhangfassade<br />

der äußeren wetterfesten Verkleidung<br />

ein Zwischenraum, die so genannte<br />

„Hinterlüftung“, frei bleibt. Dieses<br />

Verfahren ist allerdings fast immer<br />

teurer als die Thermohaut und kommt<br />

meist dann zur Anwendung, wenn die<br />

Wand nicht verputzt, sondern verkleidet<br />

werden soll.<br />

Bei einer Vorhangfassade kostet die<br />

eigentliche Konstruktion das meiste.<br />

Der Dämmstoffanteil beträgt weniger<br />

als ein Fünftel der Gesamtkosten. Es<br />

ist deshalb sinnvoll, möglichst stark<br />

zu dämmen. Für die Sanierung einer<br />

vorhandenen Fassade sind zwölf bis<br />

15 Zentimeter Dämmstoff empfehlenswert.<br />

Da beim Altbau nicht alle<br />

Wärmebrücken beseitigt werden können,<br />

bringt eine dickere Dämmschicht<br />

nicht mehr viel.<br />

Die Vorhangfassade besteht aus<br />

einer tragenden Unterkonstruktion<br />

und der Dämmung sowie der Außenwandbekleidung<br />

(Vorhang). Die Tragkonstruktion<br />

sollte wärmebrückenarm<br />

sein. Gekreuzte Lattung, spezielle<br />

Befestigungssysteme etc. sind möglich.<br />

Dämmstoffplatten müssen dem<br />

Anwendungstyp W oder WV angehören.<br />

Falls ein geschlossener Hohlraum<br />

geschaffen wird, können Zelluloseflocken<br />

eingeblasen werden. Bei allen<br />

Konstruktionen ist ausreichende Hinterlüftung<br />

wichtig: Abstand zwischen<br />

Dämmung und Vorhang sowie Zu- und<br />

Abluftöffnungen. Der Dämmstoff<br />

selbst darf jedoch nicht von kalter<br />

Luft hinterströmt werden: winddichte<br />

Ausführung. Es sollte auch unbedingt<br />

auf wärmebrückenarmen Anschluss an<br />

Fensterlaibungen, Kellerdecke, Flachdachattika<br />

etc. geachtet werden.<br />

Hat das Gebäude ein zweischaliges<br />

Mauerwerk? Besteht es aus einer<br />

tragenden Wand, einer Vorsatzschale<br />

(Klinker) und einer dazwischenliegenden<br />

Luftschicht? Bei der Kerndämmung<br />

wird die Luftschicht mit einem<br />

Dämmstoff ausgefüllt. Das Dämmmaterial<br />

muss allerdings so beschaffen<br />

sein, dass es praktisch kein Wasser<br />

aufnimmt oder dieses zumindest rasch<br />

wieder abgibt. Die Kerndämmung ist<br />

ein recht preisgünstiges Verfahren zur<br />

Verbesserung des Wärmeschutzes.<br />

Für Mauerwerke mit belüfteter


Luftschicht ist Kerndämmung die<br />

Voraussetzung für weitere Außendämmung.<br />

Jede Dämmschicht auf der<br />

Außenschale nützt nämlich wenig, solange<br />

dahinter die mit der Außenluft in<br />

Verbindung stehende kalte Luftschicht<br />

liegt. Zur nachträglichen Kerndämmung<br />

gibt es zwei Methoden:<br />

1. Für das Ausschäumen der Luftschicht<br />

mit Kunststoffschäumen<br />

wird das Mauerwerk von außen<br />

in regelmäßigen Abständen angebohrt.<br />

Durch die Bohrlöcher wird<br />

vorgeschäumter Kunststoff (z.B.<br />

Polyurethanschaum) zwischen die<br />

Mauerwerksschalen eingebracht.<br />

Durch spezielle Zusätze dehnt sich<br />

der Schaum aus, füllt die gesamte<br />

Luftschicht und verfestigt sich. Von<br />

dieser Art der Kerndämmung raten<br />

wir ab. Zum einen ist die Produktion<br />

des Kunststoffes recht energieaufwändig.<br />

Zum anderen können<br />

die Schäume bei unsachgemäßer<br />

Einbringung wie auch in eingebautem<br />

Zustand Formaldehyddämpfe<br />

freisetzen – mit den bekannten<br />

gesundheitlichen Folgen.<br />

2. Einblasen von losen Schüttdämmstoffen<br />

durch vorher in die Außenwand<br />

gebohrte Löcher. In<br />

Frage kommen Polystyrol-Perlen,<br />

Blähperlite, Mineralfaser-Flocken<br />

Abb. 4: Kerndämmung<br />

oder Kork-Granulat. Alle diese<br />

Schüttdämmstoffe müssen wasserabweisend<br />

(hydrophobiert) sein.<br />

Aus ökologischer Sicht kommen<br />

am ehesten Blähperlite und Kork-<br />

Granulat in Frage. Insbesondere<br />

bei Mineralfaser-Flocken ist darauf<br />

zu achten, dass alle Zwischenräume<br />

lückenlos gefüllt werden, da diese<br />

Flocken sich gerne an Vorsprüngen,<br />

Putzresten etc. „festklammern“.<br />

Die nachträgliche Kerndämmung<br />

eines Ein- bis Zweifamilienhauses<br />

dauert kaum länger als einen Tag und<br />

verändert das Aussehen des Hauses<br />

nicht. Für diese Maßnahme ist praktisch<br />

jedes Luftschicht-Mauerwerk<br />

geeignet. Es sollte bei jeder Kerndäm-<br />

BAUEN & WOHNEN<br />

mung darauf geachtet werden, dass<br />

sie von einer Fachfirma ausgeführt<br />

wird, die einer Güteüberwachung<br />

unterliegt und für ihr Verfahren eine<br />

bauaufsichtliche Zulassung hat. Es ist<br />

ratsam, vor Ausführung der Arbeiten<br />

die äußere Mauerschale auf Risse und<br />

undichte Fugen zu kontrollieren. Eventuell<br />

vorhandene Mängel müssen beseitigt<br />

werden, bevor der Dämmstoff<br />

eingebracht wird. Gleiches gilt auch für<br />

Luftschlitze im Außenmauerwerk. Ist<br />

die Mauerschale undicht oder durchfeuchtet,<br />

wird auch die Kerndämmung<br />

feucht und die Dämmwirkung wird<br />

dadurch entscheidend herabgesetzt.<br />

Das Mauerwerk sollte möglichst<br />

von außen gedämmt werden, da<br />

dies aus bauphysikalischen Gründen<br />

unproblematischer ist. Falls Fassaden<br />

aus gestalterischen und denkmalpflegerischen<br />

Gründen erhalten bleiben<br />

müssen, so muss dank der Innendämmung<br />

auf den Wärmeschutz nicht<br />

verzichtet werden.<br />

Viele Hauseigentümer und Mieter<br />

entscheiden sich aber auch aus finanziellen<br />

Gründen für die Innendämmung.<br />

Das ist verständlich. Denn während<br />

bei der Außendämmung zumindest<br />

einer Gebäudeseite komplett - tunlichst<br />

durch eine Fachfirma - gedämmt<br />

werden muss, sind Dämmmaßnahmen<br />

im Inneren auch teilweise möglich und<br />

71


72 BAUEN & WOHNEN<br />

mit etwas handwerklichem Geschick<br />

selbst auszuführen.<br />

Doch Vorsicht: Innendämmung<br />

kann im nachhinein teuer werden.<br />

Weil durch solche Maßnahmen die<br />

Außenwände weiter auskühlen, kann<br />

im Raum entstehender Wasserdampf,<br />

der durch das Mauerwerk ins Freie<br />

dringt, bereits in der Wand kondensieren<br />

und zu Feuchtigkeitsschäden<br />

führen. Daher ist es ratsam, vor der<br />

Dämmschicht eine Dampfsperre anzubringen.<br />

Es gibt nach DIN 4108 jedoch<br />

auch unter bestimmten Umständen<br />

die Möglichkeit, auf eine Dampfsperre<br />

zu verzichten. Nähere Informationen<br />

gibt es bei der Energieberatung der<br />

Verbraucherzentrale.<br />

Ob mit oder ohne Dampfsperre:<br />

Sorgfältiges Arbeiten ist notwendig,<br />

um dauerhaft Ritzen und Fugen zu<br />

vermeiden, durch welche warme<br />

Raumluft hinter die Dämmung gelangen<br />

kann, wo sie auf der kalten<br />

Außenwand kondensieren würde.<br />

Schon unzureichend abgedichtete<br />

Elektroinstallationsdosen können Ärger<br />

verursachen. Haben sich bereits<br />

Stockflecken oder Schimmel an den<br />

Wänden gebildet, darf auf keinen Fall<br />

von innen gedämmt werden, ohne die<br />

Wand vollständig auszutrocknen und<br />

den Schimmel zu beseitigen. Besondere<br />

Vorsicht gilt bei Geschossdecken<br />

Abb. 5: Innendämmung<br />

aus Holzbalken. Hierbei muss die Dämmung<br />

mit dampfdichtem Dämmstoff,<br />

z.B. Schaumglas, zwischen die Balkenköpfe<br />

fortgesetzt werden. Ansonsten<br />

besteht die Gefahr, dass das Holz an<br />

den Kontaktstellen zur Außenwand<br />

verrottet.<br />

Raumfeuchtigkeit kann an kalten<br />

Stellen – den so genannten Wärmebrücken<br />

–kondensieren. Einbindende<br />

Innenwände und Betondecken können<br />

entschärft werden, wenn die<br />

Dämmung etwa 30 Zentimeter auf<br />

die entsprechende Wand oder Decke<br />

verlängert wird. Ein dampfdichter<br />

Dämmstoffstreifen oder ein Dämmkeil<br />

mit aufgeklebter dampfdichter Alu-<br />

Raufaser verringern diese Wärmebrücke.<br />

In jedem Fall sollte die Dämmung<br />

mit etwa zwei Zentimeter Stärke in die<br />

Fensterlaibungen gezogen werden.<br />

Die wirtschaftlich günstigste Dämm-<br />

stoffstärke beträgt sechs bis acht Zentimeter.<br />

Sie liegt damit niedriger als der<br />

empfohlene Wert für Außendämmung<br />

mit etwa zwölf Zentimeter, weil bei Innendämmung<br />

nie alle Wärmebrücken<br />

beseitigt werden können.<br />

� Fenster<br />

Neue Wärmeschutzfenster haben<br />

wesentlich geringere Wärmeverluste<br />

als Fenster mit Isolierglas oder sogar<br />

Einfachglas. Bei Wärmeschutzverglasungen<br />

– „Thermopane" ist kein Wärmeschutzglas<br />

– ist die innere Scheibe<br />

mit einer wärmereflektierenden Schicht<br />

bedampft. Der Scheibenzwischenraum<br />

ist mit einem Edelgas gefüllt. In der<br />

Regel wird nicht nur die Verglasung,<br />

sondern das gesamte Fenster erneuert.<br />

Ein Austausch der Verglasung kann<br />

allenfalls dann sinnvoll sein, wenn für<br />

die vorhandenen Fensterrahmen eine<br />

verbleibende Lebensdauer von mindestens<br />

15 Jahren erwartet wird und<br />

wenn sie in der Lage sind, das höhere<br />

Gewicht und die dickere Verglasung<br />

aufzunehmen.<br />

Es ist empfehlenswert, Wärmeschutzverglasungen<br />

mit einem U-<br />

Wert des Glases von höchstens 1,30<br />

W/m²K einzusetzen. Bei einem neuen<br />

Fenster ist zudem auf einen gut<br />

wärmedämmenden Rahmen und<br />

Scheibenverbund (kein Aluminium)


Wert zu legen. Sein U-Wert sollte ausgewiesen<br />

sein und unter 2,0 W/m²K<br />

liegen. Wichtig ist eine fachgerechte<br />

Montage der Fensterrahmen mit<br />

einem luftdichten Anschluss an die<br />

angrenzenden Bauteile (Außenwand,<br />

Dachschräge, Gaubenkonstruktion).<br />

Bloßes Ausschäumen der Fugen mit<br />

Montageschaum reicht dazu nicht aus.<br />

Besonderes Augenmerk ist auf eine<br />

luftdichte Einbindung von Rollladenkästen<br />

zu richten.<br />

� Keller<br />

Wenn der Keller eines Hauses im<br />

Winter unbeheizt bleibt, sollte die<br />

Kellerdecke beziehungsweise die Fußböden<br />

im Erdgeschoss ähnlich gut gedämmt<br />

werden wie die Außenwände.<br />

Andernfalls entstehen beträchtliche<br />

Wärmeverluste und damit unnötig<br />

hohe Heizkosten. Entsprechendes gilt<br />

für geheizte Räume im Keller. Hierbei<br />

empfiehlt sich eine Dämmung des<br />

Kellerbodens und der Kellerwände<br />

im beheizten Bereich. Auch bei der<br />

Dämmung zum Keller hin gilt: Je dicker<br />

der Wärmeschutz, um so besser ist das<br />

Ergebnis. Allerdings wird die Dicke der<br />

Dämmschicht vielfach durch niedrige<br />

Kellerdecken begrenzt.<br />

Die nachträgliche Dämmung der<br />

Kellerdecke ist natürlich nur sinnvoll,<br />

wenn die Kellerräume darunter auf<br />

Abb. 6 Beschichtete Wärmeschutzverglasung<br />

Dauer unbeheizt bleiben sollen. Eine<br />

solche Dämmung kann mit etwas<br />

Geschick auch der Laie durchführen.<br />

Dämmstoff- oder Verbundplatten jeglicher<br />

Art werden dichtgestoßen unter<br />

die Kellerdecke geklebt oder gedübelt.<br />

Vorher muss der Untergrund gut vorbereitet<br />

werden, Betongrate werden<br />

abgeschlagen. Dann werden die Platten<br />

von einer Ecke aus beginnend dicht<br />

an dicht unter der Decke angebracht.<br />

Für unter der Decke entlanglaufende<br />

Leitungen müssen Aussparungen geschnitten<br />

oder die Platten eingekerbt<br />

werden. Eventuell müssen die Platten<br />

zweilagig mit versetzten Stößen angebracht<br />

werden, um auf die optimale<br />

Dämmstoffstärke von neun Zentime-<br />

BAUEN & WOHNEN<br />

tern zu kommen. Eine Dampfsperre<br />

ist nicht nötig. Beheizte und häufig<br />

benutzte Kellerräume werden an<br />

der Außenseite der Trennwand zum<br />

unbeheizten Bereich gedämmt. Dann<br />

liegt die Dämmung auf der kalten Seite<br />

und deswegen sind auch in diesem Fall<br />

Dampfsperren unnötig. Anders ist es,<br />

wenn die fast immer ungedämmten<br />

Außenwände im beheizten Bereich<br />

wärmetechnisch verbessert werden<br />

sollen. Gerade die Wandteile, die aus<br />

der Erde herausragen, können erhebliche<br />

Wärmeverluste bewirken. Hier<br />

bleibt nur eine Innendämmung. Diese<br />

muss sehr sorgfältig mit einer Dampfsperre<br />

versehen werden, die überall<br />

dicht angeschlossen wird.<br />

73


74 BAUEN & WOHNEN<br />

Wer Kosten sparen will: Mit etwas Geschick kann der Laie seinen Keller selbst<br />

dämmen. Foto: HCL<br />

Die Dämmung des Erdgeschossbodens<br />

oder bei beheizten Kellerräumen<br />

des Kellerbodens ist aufwändiger, da<br />

sie stärker strapaziert wird. Hier sind<br />

meist zwei Lagen erforderlich, von<br />

denen die obere größerem Druck<br />

standhalten muss. Ansonsten besteht<br />

die Gefahr, dass sich Risse im Estrich<br />

bilden. Die untere Lage sollte – soweit<br />

erforderlich – einen Trittschallschutz<br />

bieten. Vor Einbringen einer Dämmschicht<br />

in den Kellerfußboden sollte<br />

eine Sperrschicht gegen aufsteigende<br />

Feuchtigkeit eingebracht werden.<br />

Konstruktive Probleme kann es bei<br />

Türöffnungen und Treppen geben.<br />

� Heizungsanlage<br />

Es gibt zahlreiche moderne Heizungssysteme,<br />

die sich je nach Gebäude<br />

eignen: Eine Öl- oder Gas-<br />

Brennwertheizung, eine Holzheizung<br />

mit Holzpellets, eine Wärmepumpenanlage<br />

oder ein Klein-Blockheizkraftwerk,<br />

alles mit oder ohne solare<br />

Unterstützung.<br />

Den Heizkessel erneuern und gleichzeitig<br />

bei Öl oder Gas bleiben? Dann<br />

empfiehlt sich in den meisten Fällen<br />

der Einbau eines Brennwertkessels.<br />

Brennwertkessel erreichen Jahresnutzungsgrade<br />

von 99 bis 105 Prozent,<br />

weil sie die Kondensationswärme des<br />

Wasserdampfes im Abgas zusätzlich<br />

nutzen. Bei der Verbrennung entsteht<br />

nämlich Wasser, welches in der Flamme<br />

verdampft. Durch Brennwerttechnik<br />

ist es möglich, auch die Energie zu<br />

nutzen, die bei Niedertemperaturkesseln<br />

mit dem im Abgas enthaltenen<br />

Wasserdampf entweicht. Dadurch ist<br />

bei Öl- und Gasheizungen eine um


etwa zehn bis 15 Prozent bessere Ausnutzung<br />

des Brennstoffes möglich, die<br />

auch dem Geldbeutel zu Gute kommt.<br />

Ein Teil des Kondenswassers entsteht<br />

im Schornstein. Dabei verbindet es sich<br />

mit Abgasinhaltsstoffen und wird zur<br />

Säure. Deshalb muss das Abgassystem<br />

säurebeständig sein. Daher ist der<br />

Einbau einer neuen Abgasleitung in<br />

den Schornsteinschacht erforderlich.<br />

Zu Fragen der Schornsteinanpassung<br />

sollte der zuständige Bezirksschornsteinfegermeister<br />

befragt werden. Als<br />

besonders kostengünstige Möglichkeit<br />

bietet sich die Dachheizzentrale an.<br />

Das Brennwertgerät wird dabei im<br />

Dachraum installiert, wodurch auf<br />

einen Schornstein verzichtet werden<br />

kann. Kessel und Schornstein müssen<br />

an das häusliche Abwassersystem<br />

angeschlossen werden, um für den Abfluss<br />

des Kondenswassers zu sorgen.<br />

Denn schon in kleineren Gebäuden<br />

kommen in der Heizzeit einige Kubikmeter<br />

Abwasser zusammen. Die<br />

Heizkörper alter Heizungsanlagen sind<br />

in der Regel großzügig bemessen und<br />

ermöglichen eine Brennwertnutzung<br />

durch die niedrige Rücklauftemperatur.<br />

Um die Vorzüge des neuen Kessels<br />

vollständig auszunutzen, muss die<br />

Regelung sachgerecht eingestellt sein.<br />

Bei Übergabe der Heizung durch den<br />

Fachbetrieb sollte man sich genau die<br />

Abb. 7: Brennwertkessel (kompakte<br />

Bauform)<br />

Bedienung des Gerätes zeigen lassen.<br />

Eine regelmäßige Wartung verlängert<br />

die Lebensdauer des neuen Kessels<br />

und sorgt für einen störungsfreien<br />

und umweltschonenden Betrieb. Es<br />

ist ratsam, bei der Heizungsanlage auf<br />

niedrigen Stromverbrauch der Pumpen<br />

zu achten.<br />

Soll der Energieträger gewechselt<br />

werden? Eine Möglichkeit zum komfortablen<br />

Heizen mit Holz sind Holz-<br />

Pellets, kleine Presslinge aus naturbelassenen<br />

Holzresten. Diese können wie<br />

Öl mit dem Tankwagen angeliefert<br />

werden. Der Lageraum kann sich<br />

im Keller befinden oder es kann ein<br />

BAUEN & WOHNEN<br />

Erdtank installiert werden. Die Pellets<br />

werden mittels Schnecke oder Gebläse<br />

zum Kessel gefördert, der vollautomatisch<br />

die Zufuhr je nach Wärmebedarf<br />

regelt. Da Holz beim Wachsen dieselbe<br />

Menge Kohlendioxid aufnimmt, wie es<br />

bei der Verbrennung entsteht, handelt<br />

es sich hierbei um eine kohlendioxidneutrale<br />

Heiztechnik mit erneuerbarer<br />

Energie. Folglich ergibt sich auch bei<br />

der Bewertung im Rahmen der EnEV<br />

ein günstiger Wert.<br />

Eine weitere innovative Heiztechnik<br />

sind Wärmepumpen, die Umgebungswärme<br />

aus Grundwasser, Erdreich oder<br />

Luft für die Heizung und/oder Warmwasserbereitung<br />

nutzen. Eine Wärmepumpe<br />

hat jede/r im Haus, nämlich<br />

den Kühlschrank, der Wärme aus<br />

dem Inneren nach außen transportiert<br />

entgegen dem üblichen Wärmefluss<br />

von warm zu kalt. Dazu benötigt der<br />

Kompressor des Kühlschranks den Antrieb<br />

durch einen Elektromotor. Ebenso<br />

wird bei der Wärmepumpe Strom<br />

eingesetzt, um der kühlen Umgebung<br />

Wärme zu entziehen und auf höherem<br />

Temperaturniveau dem Heizsystem<br />

zu Verfügung zu stellen. Bei einer gut<br />

geplanten und gebauten Anlage wird<br />

das vierfache des eingesetzten Stromes<br />

als Heizwärme gewonnen und<br />

die Energiekosten sinken auf etwa die<br />

Hälfte eines herkömmlichen Heizkes-<br />

75


76 BAUEN & WOHNEN<br />

sels. Besonders effektiv arbeitet die<br />

Wärmepumpe mit einer Fußbodenheizung.<br />

Auch in der EnEV macht die<br />

Wärmepumpe eine gute Figur. Es gibt<br />

mittlerweile auch schon für kleinere<br />

Objekte Blockheizkraftwerke auf dem<br />

Markt, die gleichzeitig Strom und Wärme<br />

erzeugen und so zu einer erheblichen<br />

Energieeinsparung im Vergleich<br />

zu der Stromerzeugung im Kraftwerk<br />

beitragen. Diese müssen so ins Heizungssytem<br />

integriert werden, dass die<br />

anfallende Wärme auch genutzt werden<br />

kann und eine Laufzeit des Aggregats<br />

von etwa 5.000 Stunden im Jahr<br />

erzielt wird. Sinnvoll sind für kleinere<br />

Objekte Blockheizkraftwerke, die ihre<br />

Leistung dem Wärmebedarf stufenlos<br />

in weiten Grenzen anpassen können.<br />

Diese Kraft-Wärmekopplung ergibt<br />

eine geringe Kohlendioxid-Belastung<br />

und eine gute Anlagenaufwandszahl,<br />

so dass die Vorgaben der EnEV leicht<br />

zu erfüllen sind. Zur Unterstützung<br />

der Heizungsanlage vor allem in der<br />

Übergangszeit eignen sich große Solarkollektoren<br />

(etwa ab zwölf Meter²<br />

Kollektorfläche) mit Pufferspeicher<br />

von mindestens 800 Litern. Genauere<br />

Informationen gibt es bei einer Energieberatung.<br />

� Warmwasserbereitung<br />

In vielen Haushalten wird für die<br />

Warmwasserbereitung ein großer Energieaufwand<br />

betrieben. Vor allem im<br />

Sommer, wenn der Heizkessel nur für<br />

die Warmwasserbereitung in Betrieb<br />

gehalten wird, geht besonders bei<br />

alten Kesseln der größte Teil der eingesetzten<br />

Energie ungenutzt verloren.<br />

Die Stillstandsverluste sind hoch, der<br />

Wirkungsgrad dagegen ist niedrig. Auf<br />

die Warmwasserbereitung entfallen<br />

heute über zehn Prozent des Energieverbrauchs<br />

im Haushalt. Da lohnt<br />

es sich, die Warmwassererzeugung<br />

einmal unter die Lupe zu nehmen.<br />

Denn Schwachstellen gibt es in der<br />

Regel bei allen älteren Heizkesseln mit<br />

eingebauter Warmwasserbereitung.<br />

Entweder ist die Wassertemperatur<br />

viel zu hoch, weil sie sich nicht dem<br />

Bedarf entsprechend regeln lässt, oder<br />

es entstehen erhebliche Energieverluste<br />

durch Auskühlung und Abstrahlung,<br />

weil ständig eine große Wassermenge<br />

auf hoher Temperatur gehalten wird.<br />

Hier helfen aber oft schon einfache<br />

Verbesserungsmöglichkeiten: Durch<br />

eine bessere Wärmedämmung etwa<br />

– auch an den Leitungen – lassen sich<br />

Auskühl- und Abstrahlverluste erheblich<br />

verkleinern. Verluste, die durch<br />

die Warmwasserzirkulation entstehen,<br />

sind durch den Einbau einer Umwälzpumpe<br />

mit Schaltuhr vermeidbar. Es<br />

können die tatsächlichen Nutzungs-<br />

zeiten eingestellt werden, so dass<br />

warmes Wasser nur bei Bedarf durch<br />

die Leitungen kreist. In anderen Fällen<br />

allerdings ist der Energieverschwendung<br />

nicht so leicht beizukommen.<br />

Das gilt vor allem dann, wenn der<br />

Heizkessel zu groß bemessen ist und<br />

ständig mit überhöhter Leistung arbeitet<br />

oder wenn sich die Temperaturen<br />

im Speicher nicht regulieren lassen.<br />

Dann lohnt es sich, über die Installation<br />

eines neuen Warmwassersystems<br />

nachzudenken. Die Einbaukosten werden<br />

durch die größeren Einspareffekte<br />

oft schnell wieder wettgemacht.<br />

Ein moderner Heizkessel mit indirekt<br />

beheiztem Speicher etwa gibt nur<br />

dann Wärme ab, wenn der Thermostat<br />

sie anfordert. Moderne Speicher sind<br />

überdies wesentlich besser isoliert und<br />

lassen sich in der Temperatur so niedrig<br />

einstellen, dass an der Entnahmestelle<br />

kaum kaltes Wasser beigemischt werden<br />

muss. Um eine größtmögliche<br />

Energieeinsparung zu erreichen, ist es<br />

natürlich auch wichtig, Speicherinhalt<br />

und Aufheizzeit genau zu bemessen<br />

und auf die jeweiligen Verbrauchsgewohnheiten<br />

abzustimmen. Eine andere<br />

energiesparende Alternative ist die<br />

Beheizung des Warmwasserspeichers<br />

durch eine Solaranlage. Bereits seit<br />

vielen Jahren wird Sonnenenergie<br />

zur Erwärmung des Dusch- und


Badewassers genutzt. Eine typische<br />

Brauchwasseranlage für eine vierköpfige<br />

Familie benötigt etwa sechs Meter<br />

Kollektorfläche und einen 300 Liter<br />

Speicher. Sie kann zwischen 50 bis<br />

60 Prozent des Warmwasserbedarf<br />

decken – für den Rest ist meistens der<br />

ohnehin vorhandene Heizkessel als<br />

Nachheizung zuständig. Neben den<br />

weit verbreiteten Flachkollektoren<br />

können die effektiveren (es reichen<br />

dann ungefähr vier Meter²) aber<br />

teureren Vakuumröhrenkollektoren<br />

eingebaut werden. Über Fördergelder<br />

für Solaranlagen informiert die Energieberatung<br />

der Verbraucherzentrale.<br />

Dort sind auch die Antragsformulare<br />

erhältlich. Wegen der hohen Stromkosten<br />

und der großen Verluste bei<br />

der Stromerzeugung im Kraftwerk<br />

gibt es nur wenige Fälle, wo es wirtschaftlicher<br />

und umweltschonender<br />

ist, anstelle des Speicherverfahrens<br />

Durchlaufgeräte einzusetzen, die<br />

kontinuierlich geringe Mengen heißes<br />

Wasser erzeugen. Zwar sind die Einbaukosten<br />

wesentlich geringer, aber<br />

verrechnet mit den Betriebskosten liegen<br />

die zentralen Systeme mit indirektem<br />

Speicher meist günstiger – auch<br />

unter Umweltgesichtspunkten.<br />

� Abstimmung der Maßnahmen<br />

Der günstigste Zeitpunkt für eine<br />

energetische Sanierung ist dann, wenn<br />

ohnehin am Gebäude Arbeiten anstehen;<br />

denn dann fallen für die zusätzliche<br />

Wärmedämmung nur ein Teil der<br />

Mehrkosten an, was deren Wirtschaftlichkeit<br />

maßgebend steigert. Zudem<br />

erhalten Sie die Möglichkeit, z.B. Ihre<br />

Dachneudeckung mit den günstigen<br />

Krediten der Kreditanstalt für Wiederaufbau<br />

(KfW) zu finanzieren. Da die<br />

Kosten der Dämmmaterialien im Vergleich<br />

zu den Kosten der Maßnahme<br />

gering sind, sollte an der Dämmstärke<br />

nicht gespart werden.<br />

Bei umfassenden Sanierungen von<br />

Haus und Haustechnik kann das Haus<br />

zum „Niedrigenergiehaus im Bestand“<br />

gemacht werden und damit in den Genuss<br />

des Tilgungszuschusses kommen.<br />

Für noch weitergehende Sanierungen<br />

gibt es bei der Deutschen Energieagentur<br />

ein spezielles Förderprogramm<br />

„Besser als ein Neubau“, was nun in<br />

die zweite Projektphase eingetreten<br />

ist. Nähere Informationen gibt es unter<br />

www.neh-im-bestand.de. Werden nur<br />

die Fenster erneuert, ohne gleichzeitig<br />

die Außenwand zu dämmen, kann es<br />

bei falschem Lüftungsverhalten zu<br />

Feuchteschäden an den Außenwänden<br />

kommen. Es sollte darauf geachtet<br />

werden, dass die neuen Fenster so<br />

eingebaut werden, dass eine nachträgliche<br />

Dämmung der Fensterleibung bei<br />

BAUEN & WOHNEN<br />

einer späteren Außenwanddämmung<br />

möglich ist. Bei gleichzeitiger Fenstersanierung<br />

und Dämmung der Außenwand<br />

führt dies zu einer optimalen,<br />

wärmebrückenfreien Konstruktion,<br />

wenn die neuen Fenster bündig mit<br />

der äußeren Wandfläche montiert und<br />

die Dämmung über den Blendrahmen<br />

gezogen wird. Sinnvoll ist die Kombination<br />

einer Gebäudesanierung mit<br />

dem Einbau einer kontrollierten Wohnungslüftung,<br />

insbesondere wenn die<br />

Außenwand nicht mitgedämmt wird.<br />

� Beratungsmöglichkeiten<br />

Vor einer Altbausanierung sollte eine<br />

genaue Gebäude-Analyse und eine<br />

objektive Beratung stehen. In NRW<br />

gibt es die Möglichkeit, das Gebäude<br />

unter die Lupe nehmen zu lassen,<br />

zum Beispiel durch den Schornsteinfegermeister<br />

oder durch besonders<br />

geschulte Handwerksmeister. Der so<br />

genannte „Gebäude-Check-Energie“<br />

kostet dank Förderung durch das Land<br />

NRW nur 25 Euro. Adressen von Ansprechpartnern<br />

sind über die Hotline<br />

der Energie-Agentur NRW Tel. 0180–5<br />

–33 52 26 oder im Internet unter www.<br />

ea-nrw.de. erhältlich. Auch Mitglieder<br />

der Architektenkammer Nordrhein-<br />

Westfalen und der Ingenieurkammer<br />

Bau NRW bieten eine Startberatung<br />

für die energetische Sanierung eines<br />

77


78 BAUEN & WOHNEN<br />

Hauses an. Dank Förderung durch<br />

das Land NRW kostet diese Beratung<br />

nur 48 Euro. Alle technischen, ökologischen<br />

und wirtschaftlichen Aspekte<br />

sinnvoller Energieeinsparmaßnahmen<br />

und die wichtigsten Gebäudedaten<br />

werden festgestellt und die energetisch<br />

bedeutenden Werte ermittelt.<br />

Adressen: www.aknw.de oder Tel.<br />

0211 4967-19.<br />

Durch vom Bundesamt für Wirtschaft<br />

und Ausfuhrkontrolle (BAFA)<br />

zugelassene Architekten und Ingenieure<br />

wird die vom Bund geförderte<br />

Vor-Ort-Beratung durchgeführt.<br />

Der Eigenanteil für dieses Gutachten<br />

liegt etwa bei 230 Euro. Die Berater<br />

helfen auch bei der Nutzung des<br />

Kreditprogramms zur energetischen<br />

Sanierung von Gebäuden der KfW<br />

(Kreditanstalt für Wiederaufbau). Sie<br />

sind zugelassen, den Einsparnachweis<br />

für das Maßnahmenpaket 4 zu erbringen.<br />

Näheres erfahren Sie im Internet<br />

unter www.bafa.de oder unter der<br />

Telefonnummer 06196 495-365. Auch<br />

die Energieberatung der Verbraucherzentrale<br />

NRW in <strong>Unna</strong>, Kamen und<br />

Lünen kann helfen – vereinbaren Sie<br />

ein Beratungsgespräch.


� Wohnungslüftung und Luftdichtigkeit<br />

Gut gelüftet und gut abgedichtet –<br />

Lufttechnische Sanierung im Bestand<br />

von Wolfgang Schürings<br />

Gute Luft ist das Lebenselixier<br />

Nummer eins. Doch was wir für<br />

die Umwelt schon lange fordern,<br />

wird in den eigenen vier Wänden<br />

oft sträflich vernachlässigt. Dabei<br />

entscheidet die Qualität der Luft<br />

gerade hier über Wohlbefinden,<br />

Gesundheit und Erhalt der Bausubstanz.<br />

Was nutzen kontrollierte<br />

Wohnungslüftung, lufttechnische<br />

Sanierungen und Luftdichtigkeit<br />

wirklich und wie werden sie sinnvoll<br />

umgesetzt?<br />

Wohnungslüftung und Luftdichtigkeit<br />

bedingen sich im Wohnungsbau<br />

gegenseitig. Motor dieser Entwicklung<br />

im Neubau ist die Energieeinsparverordnung<br />

(EnEV) mit entsprechenden<br />

Normen zur Raumlufttechnik. Doch<br />

zunehmende Bedeutung erlangen<br />

beide Maßnahmen auch bei der Sanierung<br />

und Wohnungserneuerung.<br />

Im Gebäudebestand sind es vor allem<br />

Gebäudemängel und Bauschäden wegen<br />

Feuchtigkeit, die den Einbau von<br />

Lüftungstechnik voranbringen.<br />

Besonders bedeutsam sind die Beseitigung<br />

von Feuchteschäden wegen<br />

Kondensat an inneren Oberflächen<br />

wie Laibungen, geometrischen Wär-<br />

BAUEN & WOHNEN<br />

Wolfgang Schürings zeigt das Haus, für dessen Belüftung er eine Auszeichnung im<br />

Rahmen des Wettbewerbs Energetische Altbausanierung des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> erhielt.<br />

Foto: Ruhr Nachrichten Bludau<br />

mebrücken und schlecht isolierten und<br />

belüfteten Gebäudeteilen.<br />

� Die Ursachen<br />

Bei der Sanierung beginnen Pro-<br />

79


80 BAUEN & WOHNEN<br />

bleme mit der Raumluft vielfach mit<br />

dem gut gemeinten Austausch von<br />

Fenstern. Alte Modelle mit U-Werten<br />

(früher: k-Wert) von 2,6 und schlechter<br />

werden durch hochwärmegedämmtes<br />

Wärmeschutzglas mit U-Werten von<br />

1,3 und besser ersetzt und an den<br />

Anschlüssen luftdicht eingebaut. Der<br />

Preis: unhygienische Luft bis hin zu<br />

Schimmelpilzbildung an verbleibenden<br />

Wärmebrücken (früher Kältebrücken).<br />

Daraus zu schließen, Isolierung mache<br />

krank und bringe womöglich nicht die<br />

erwünschte und theoretisch berechnete<br />

Einsparung an Heizenergie, wäre<br />

dennoch falsch. Das Verständnis der<br />

lufttechnischen Seite der Wohnung<br />

bringt Klarheit. Selbst unter Baufachleuten<br />

setzt sich erst langsam die<br />

Erkenntnis durch, dass (gemäß DIN<br />

1946-6) ein Mindestluftwechsel in<br />

Wohnungen sichergestellt werden<br />

muss, um die beiden Anforderungen<br />

hygienische Raumluft und Energieeinsparung<br />

sinnvoll zu verbinden.<br />

� Konsequenz für den Neubau<br />

Saubere und reine Luft benötigt<br />

ständige Lufterneuerung. Dies ist bei<br />

kontrollierter Lüftung gewährleistet.<br />

Daher erfüllen nur hoch wärmegedämmte<br />

und luftdichte Gebäude, die<br />

über eine kontrollierte Wohnungslüftung<br />

mit oder auch ohne Wärmerück-<br />

gewinnung verfügen, die Anforderungen<br />

an modernen Wohnungsbau.<br />

Hier wird in der Regel gleichmäßig<br />

und bei Belastung eventuell kurzfristig<br />

verstärkt gelüftet. Dies ist jeder<br />

Stoßlüftung weit überlegen. Beim<br />

kontrollierten Lüften stimmt auch die<br />

Luftrichtung. Feuchtigkeit dringt nicht<br />

vom Bad ins Schlafzimmer. Bei umgekehrter<br />

Luftrichtung wird Feuchtigkeit<br />

an der Quelle abgeführt.<br />

Sofern sie richtig geplant und<br />

ausgeführt sind, verzeichnen Lüftungsanlagen<br />

eine ganze Reihe von<br />

Vorteilen:<br />

� Komfortgewinn: frische Luft und<br />

zunehmende Behaglichkeit – ohne<br />

Zugluft<br />

� Energieeinsparung: bessere Luft bei<br />

gleichem oder deutlich niedrigerem<br />

Heizenergieverbrauch je nach dem<br />

Maß der Wärmerückgewinnung<br />

� Schutz vor Bauschäden wegen<br />

Feuchtigkeit und Kondensat<br />

� Keine neuen Risiken: Wohnen funktioniert<br />

ohne Eingriff der Bewohner<br />

Fenster können z.B. geschlossen<br />

bleiben<br />

� Mit Dichtigkeit effizienter<br />

Je dichter die Gebäudehülle desto<br />

effektiver arbeitet die Wohnungslüftung.<br />

Hochdichte Wohnungen benötigen<br />

für gleich bleibende Luftqualität<br />

in allen Räumen nur alle drei Stunden<br />

einen Luftwechsel; weniger dichte<br />

alle zwei Stunden. Bei Fensterlüftung<br />

lässt sich der Luftwechsel nicht gezielt<br />

regeln. Die Anforderungen an<br />

die Luftdichtigkeit steigen je höher<br />

die Wärmerückgewinnung der Wohnungslüftung.<br />

Ideal sind n50-Werte<br />

von 0,6/h und niedriger bei der Prüfung<br />

der Luftdichtigkeit, wie sie auch<br />

im Passivhaus gefordert sind.<br />

� Streitigkeiten vermeiden<br />

Mit Feuchteschäden in der Mietwohnung<br />

beginnt oft auch der Streit<br />

um den Verursacher. War es der Mieter<br />

durch falsches Lüften oder sind<br />

es Probleme an der Bausubstanz?<br />

Die Diskussion um falsches Lüften<br />

bei Wohnungen mit aufgetretenem<br />

Schimmelpilzbefall erübrigt sich, wenn<br />

geeignete lufttechnische Maßnahmen<br />

gewählt und andere bauphysikalische<br />

Maßnahmen wie Beseitigung starker<br />

oder unzugänglicher Wärmebrücken,<br />

berücksichtigt werden.<br />

� Lufttechnische Sanierung<br />

Das „Zauberwort“ lufttechnische<br />

Sanierung ist noch lange nicht Allgemeingut.<br />

Die folgende Tabelle gibt<br />

einen Überblick über lufttechnische<br />

Sanierungsverfahren im Gebäudebestand.


Baulicher Mangel/Art Vorkommen/Auftreten<br />

bei Holzbau/<br />

Fertighäusern<br />

Daraus wird deutlich, dass kontrollierte<br />

Wohnungslüftung als Kernbestandteil<br />

der Sanierung mehr leistet als<br />

Zwangsbelüftung. Wichtig für die lufttechnische<br />

Sanierung sind ausreichende<br />

Luftmengen in jedem Wohnraum.<br />

Dies soll von besonders leisen Lüftern<br />

bzw. günstig angeordneten Ventilatoren<br />

sichergestellt werden. Darüber<br />

hinaus entscheidet immer der Einzelfall<br />

welches Lüftungssystem die Anforderungen<br />

im Bestand am besten erfüllt.<br />

So ist beispielsweise in der oberirdi-<br />

Vorkommen/Auftreten<br />

bei Massivbau<br />

geeignete<br />

Sanierungsverfahren<br />

schen Wohnung bei Kondensatfeuchte<br />

ein ausreichender Mindestluftwechsel<br />

zu planen um Schimmelpilz oder<br />

erhöhte Feuchtigkeit dauerhaft auszuschließen.<br />

Wärmerückgewinnung<br />

ist hier wünschenswert, aber nicht<br />

unbedingt erforderlich. Weiteres<br />

Kriterium bei der Systemauswahl ist<br />

einfache Einbindung.<br />

� Kontrollierte Kellerlüftung<br />

Die kontrollierte Wohnungslüftung<br />

von Souterrainwohnungen ist ein bis-<br />

BAUEN & WOHNEN<br />

bauliche Voraussetzungen<br />

Geruch<br />

raum + LUFT Fertighaus kein akuter Feuchteschaden/<br />

ältere Fertighäuser<br />

aus den 70er Jahren<br />

tec<br />

keine durchfeuchtete Wand/<br />

Schadstoffe eine vor Schlagregen geschützte<br />

Konstruktion<br />

Schimmelpilz schlecht gedämmt,<br />

Wärmebrücken<br />

Muffiger Geruch<br />

Schimmel einfach weglüften<br />

mit kontrollierter<br />

Wohnungslüftung<br />

massive Keller Kellergeschoss Kellerlüftomatsystem<br />

Begleitmaßnahmen zur Beseitigung<br />

von Wärmebrücken<br />

erforderlich<br />

kleine bis mittlere<br />

Feuchtelasten<br />

z.T. Schimmelpilz nur geringer Feuchteeintrag bei<br />

Schäden an der Abdichtung<br />

lang weitgehend unbearbeitetes Feld.<br />

Doch gerade in Kellerräumen spielt<br />

eine intelligente Regelung der Lüftung<br />

besonders im Sommer eine wichtige<br />

Rolle, um Kondensatprobleme zu<br />

vermeiden. In Zusammenarbeit mit<br />

Kooperationspartnern hat der Autor<br />

Wolfgang Schürings ein Kellerlüftomatsystem<br />

entwickelt, das diesen<br />

Anforderungen möglichst preiswert<br />

und komfortabel gerecht wird.<br />

Das Kellerlüftomatsystem steuert<br />

die Lüftung in Souterrain- und Keller-<br />

81


82 BAUEN & WOHNEN<br />

wohnungen so, dass weder muffige<br />

Luft noch Schimmelpilz entstehen. Mit<br />

Hilfe von Innen- und Außenfühlern<br />

wird temperaturabhängig gelüftet,<br />

ohne die Luftfeuchte unnötig zu erhöhen.<br />

� Gerüche verbannen<br />

Jede sinnvolle Lufttechnik und<br />

Wohnungslüftung erfordert eine<br />

individuelle Betrachtung. Ein Beispiel<br />

sind ältere Fertighäuser aus den 70er<br />

und 80er Jahren. Hier leiden die<br />

Bewohner in einigen Fällen unter erheblicher<br />

Geruchsbildung, die bislang<br />

nur durch sehr komplexe und teure Sanierungen<br />

behoben werden konnten.<br />

raum+LUFT Fertighaus-Tec heißt das<br />

luft-technische Sanierungsverfahren<br />

von Wolfgang Schürings, das diese<br />

Geruchsbelästigung deutlich mindert.<br />

Ein spezielles Lüftungssystem mit<br />

Wärme- und Feuchterückgewinnung<br />

ermöglicht bei Ausdünstungen von<br />

Schadstoffen und verbleibenden Restgeruch<br />

höhere Luftwechselraten als<br />

üblich, ohne die Raumluft im Winter<br />

zu stark auszutrocknen.<br />

Ein völliger Stopp des Verfalls ist<br />

bei Fertighäusern, die vor 30 Jahren<br />

bauphysikalisch falsch geplant<br />

und ausgeführt wurden, nur mit<br />

finanziell erheblichen Investitionen<br />

möglich. Hierbei wird teilweise die<br />

Kritische Konstruktion und Spanplatten<br />

führen zu Geruchsbelästigung. Foto:<br />

raum + LUFT<br />

gesamte Fassade erneuert. Ein Ziel<br />

von raum+LUFT Fertighaus-Tec ist<br />

es daher, mit vertretbarem finanziellen<br />

Aufwand ein möglichst gutes<br />

Ergebnis der Gebäudesanierung zu<br />

erreichen und den voranschreitenden<br />

Verfall von Gebäuden deutlich zu<br />

verzögern und wieder gut bewohnbar<br />

zu machen. Dazu ist die Einbindung<br />

lufttechnischer Sanierungsmaßnahmen<br />

ins Gesamtkonzept erforderlich.<br />

Anderenfalls bleiben zumindest die<br />

Geruchsprobleme auch nach der<br />

Sanierung. Zusätzliche Maßnahmen,<br />

die die Dämmung verbessern oder<br />

erneuern und Dämmlücken beseitigen,<br />

sind auch hier meist ratsam.<br />

� Problemloser Holzrahmenbau<br />

An dieser Stelle sei eine kurze Bemerkung<br />

zum Holzhausbau erlaubt.<br />

Aufgrund neuer bau-physikalischer<br />

Kenntnisse kann heute z. B. im modernen<br />

Holzrahmenbau dauerhaft schadensfrei<br />

gebaut werden. Aufgrund der<br />

dichten Bauweise ist hier selbstverständlich<br />

genauso wie im Massivhausbau<br />

kontrollierte Wohnungslüftung<br />

gleichermaßen sinnvoll.<br />

� Dicke Luft im Fertighaus<br />

Jahrelang litt Familie Thiemann/<br />

Schlürmann im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> unter dem<br />

Geruch, der ihr Fertighaus aus den<br />

70er Jahren zunehmend unbewohnbar<br />

machte. Die Firma raum+LUFT konnte<br />

die Wohnung weitgehend von dieser<br />

muffigen Luft befreien. Für die lufttechnische<br />

Sanierung erhielt Wolfgang<br />

Schürings im September 2005 einen<br />

Preis aus den Händen von Landrat<br />

Michael Makiolla im zweiten Wettbewerb<br />

„Zukunftweisendes Bauen im<br />

<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>“ (siehe Foto Seite 79).<br />

� Schritt für Schritt saniert<br />

Bei raum+LUFT Fertighaus Tec


werden eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen<br />

kombiniert. Der erste Schritt<br />

ist die Problemanalyse ggf. mit Schadstoffmessungen<br />

durch Sachverständige<br />

und Baubiologen.<br />

Vor der Erstellung eines Abdichtungskonzeptes,<br />

wird der unkontrollierte<br />

Luftwechsel mit Hilfe der<br />

erweiterten Luftdichtigkeitsmessung<br />

raum+LUFT Leckluftwechselermittlung<br />

festgestellt, um so die<br />

Selbstlüftung des Wohngebäudes<br />

abzuschätzen. Zur Verbesserung der<br />

Luftdichtigkeit verbauen Handwerker<br />

hochwertige Materialien. Anschließend<br />

wird die Belüftung verbessert.<br />

Gleichzeitig wird Wärmerückgewinnung<br />

ermöglicht. Aus Bad und Küche<br />

wird Luft so abgsaugt, dass die Wärme<br />

daraus in die Wohn- und Schlafräume<br />

fließt. Die Feuchtigkeit hingegen wird<br />

nach draußen geleitet.<br />

Eine fernsteuerbare automatische<br />

Feuchte- und Luftmengenregelung<br />

der Luftklimaanlage reduziert zu<br />

hohe Feuchtigkeit in der Raumluft<br />

und beugt gleichzeitig zu trockener<br />

Luft vor. Nach Abdichtung oder<br />

Kapselung verbleibende Schadstoffe<br />

werden durch die Lüftung verdünnt<br />

und abgeführt. Maßnahmen zur Geruchsneutralisation<br />

runden die Sache<br />

ab. Damit werden Möbel und Bauteile,<br />

die den unangenehm süßlichen<br />

Erweiterter Blower-Door-Test ermittelt<br />

Leckluftwechsel. Foto: raum + LUFT<br />

Geruch des Fertighauses festhalten,<br />

geruchneutralisiert. Ergänzend werden<br />

regelmäßig dämmtechnische Maßnahmen<br />

durchgeführt, um den Wert und<br />

die energetische Qualität des Hauses<br />

zu steigern. Der Bewohner steuert die<br />

Luftqualität nun nach der Sanierung<br />

über Fernbedienung.<br />

� Effekte der Sanierung<br />

Durch die Sanierungsverfahren<br />

gelangt deutlich weniger Geruch ins<br />

Innere der Wohnung. Ergänzt durch<br />

die kontrollierte Lüftungsanlage, die<br />

BAUEN & WOHNEN<br />

Feuchtigkeit an der Quelle abführt,<br />

wird auch der Feuchteintrag in die<br />

Holzkonstruktion und Dämmebene<br />

verringert. Insgesamt wird der Gebäudeverfall<br />

und das Risiko des weiteren<br />

Wertverlustes auf ein normales Maß<br />

abgesenkt. Wohnen ohne die vormals<br />

starken Geruchsbildungen bedeutet<br />

eine neue Wohn- und Lebensqualität,<br />

zusätzlich sinkt der Heizenergieverbrauch<br />

bei den Häusern. Der Schutz<br />

vor Luftschadstoffen ist durch die Belüftung<br />

des Gebäudes gewährleistet.<br />

Um den Energiestandard des Gebäudes<br />

modulweise an zukunftsfähige<br />

Standards anzupassen, setzt<br />

raum+LUFT überwiegend passivhaustaugliche<br />

Komponenten in der Sanierung<br />

ein. Es kommen hochwertige<br />

Spezialfolien, Klebe- und Dichtungsmaterialien<br />

sowie Dichtungsbahnen<br />

zum Einsatz, ebenso Versiegelungen.<br />

Fachfirmen beseitigen Dämmlücken,<br />

um Feuchteausfall bei Temperaturschwankungen<br />

in der Konstruktion zu<br />

begrenzen und um zusätzliche Energieeinsparungspotentiale<br />

zu nutzen.<br />

� Kooperation und Kompetenz<br />

Die Anforderungen und Möglichkeiten<br />

in der Sanierung sind so vielfältig<br />

wie unsere Häuser. Nur in Kooperation<br />

mit spezialisierten Fachbetrieben<br />

werden daher Abdichtungen, wärme-<br />

83


84 BAUEN & WOHNEN<br />

technische Maßnahmen zur Dämmung<br />

und Installationen von Haustechnikkomponenten<br />

ausgeführt.<br />

Das Augenmerk wird auf die Verzahnung<br />

von Lufttechnik, Wärmetechnik<br />

durch Dämmung und Feuchtetechnik<br />

beispielsweise mit Sanierputz<br />

gelegt:<br />

� Bei raum + LUFT Fertighaus<br />

Tec werden in der lufttechnischen<br />

Sanierung spezielle Systeme wie z. B.<br />

Geruchsneutralisation und Feuchteregulierung<br />

im Wohnraum eingesetzt.<br />

Geruchsneutralisation ist bei Bildung<br />

von Chloranisolen in den Holzhauswänden<br />

erforderlich.<br />

� Nach dem Abschluss einer Schimmelpilzsanierung<br />

z.B. wegen Kondensatfeuchte<br />

können abschließend<br />

Raumluftreiniger eingesetzt<br />

werden.<br />

� Diffusionsoffene Sanierputze dienen<br />

beim Einbau einer kontrollierten<br />

Kellerlüftung mit dem Kellerlüftomatsystem<br />

als Begleitmaßnahmen<br />

Kondensatfeuchte – Grund für Schimmelpilz.<br />

Foto: raum + LUFT<br />

zur Reduzierung von Feuchtigkeit<br />

und Schutz der Aussenwände.<br />

Bei der Messung und Probennahme<br />

ist die Fachkompetenz von Baubiolo-<br />

gen gefragt. Baubiologen und Sachverständige<br />

können im Zweifelsfall<br />

messtechnisch und mit der Analyse<br />

von Proben der Ursache auf den Grund<br />

gehen, um Entscheidungsgrundlagen<br />

für geeignete Sanierungsmethoden<br />

zu schaffen.<br />

� Fazit<br />

In zahlreichen Referenzobjekten ist<br />

Wolfgang Schürings mit Kooperationspartnern<br />

der Nachweis gelungen,<br />

den Wiederbefall mit Schimmelpilz<br />

erfolgreich zu vermeiden und Feuchtigkeitsprobleme<br />

zu lösen. Gleiches<br />

gilt für Souterrainwohnungen und<br />

Kellerräume. Hierbei sind intelligente<br />

Konzepte und sorgfältige Planung<br />

notwendig, die Möglichkeiten von<br />

Wohnungslüftung und lufttechnischen<br />

Messungen optimal auszunutzen.<br />

Letztlich nutzt die Verbesserung der<br />

Wohnraumluft allen: Den Menschen,<br />

dem Erhalt des Gebäudebestandes<br />

und der Umwelt.


� Thermografieaktion im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

Wer renoviert oder saniert,<br />

spart hohe Energiekosten<br />

von Matthias Tresp<br />

Im Zeichen sprunghaft steigender<br />

Energiepreise, gewinnt die Suche<br />

nach Möglichkeiten der Energieeinsparung<br />

zunehmend an Bedeutung.<br />

Ein großes Einsparpotential<br />

bietet der Wohnungsbau, weil die<br />

privaten Haushalte nahezu ein<br />

Drittel der gesamten Endenergie<br />

verbrauchen. Insbesondere die<br />

Altbauten, die in NRW ungefähr<br />

drei Viertel des Wohnungsbestandes<br />

umfassen, verbrauchen ca. 90<br />

Prozent der Heizenergie.<br />

Die gut durchgeführte Sanierung<br />

eines Altbaus kann die Heizkosten<br />

des Gebäudes erheblich reduzieren,<br />

im Idealfall sogar halbieren. Zusätzlich<br />

ergibt sich eine positive Wirkung<br />

für die Umwelt, weil die Bildung des<br />

klimaschädlichen „Treibhausgases“<br />

Kohlendioxid stark vermindert wird.<br />

Allerdings gibt es kein Patentrezept<br />

im Sinne von festen Regeln für die energetische<br />

Altbausanierung, sondern<br />

nur individuelle Lösungen. Häuser<br />

Saniertes Fachwerkhaus in <strong>Unna</strong>. Foto: <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

sind eben keine Massenprodukte,<br />

sondern jeder Bau ist letztlich ein<br />

Unikat, das individuell zu sanieren ist.<br />

Daher gilt in jedem Fall: Erst beraten<br />

lassen, dann sanieren. Nur eine um-<br />

BAUEN & WOHNEN<br />

fassende Betrachtung garantiert, dass<br />

energetische Teilerfolge nicht durch<br />

Nachlässigkeiten in anderen Bereichen,<br />

z.B. das Problem möglicher Schimmelpilzbildung<br />

durch bauphysikalische<br />

85


86 BAUEN & WOHNEN<br />

Thermografieaufnahme eines Einfamilienhauses. Fotos: BQS<br />

Schwachstellen (Wärmebrücken)<br />

oder nicht ausreichenden Luftwechsel<br />

und fehlende Feuchteabfuhr, erkauft<br />

werden. Ein guter Energieberater<br />

kann aus der Vielzahl von machbaren<br />

Sanierungsmaßnahmen ein sinnvolles<br />

Maßnahmenpaket schnüren.<br />

� Vorbereitung ist A und O<br />

Vor Durchführung von Sanierungsmaßnahmen<br />

muss daher zunächst<br />

geprüft werden, in welchen Bereichen<br />

eines Objektes hohe Energieverluste<br />

auftreten. Eine geeignete Methode<br />

um Problembereiche aufzuspüren ist<br />

die Gebäudethermografie. Eine große<br />

Hürde für den Einsatz der gängigen<br />

Gebäudethermografie, mit Terminierung<br />

und ausführlichem Gutachten,<br />

ist jedoch der hohe Preis von rund<br />

750 Euro.<br />

Um hier Abhilfe zu schaffen, hat<br />

das Agenda- Büro des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong><br />

mit einer renommierten Fachfirma<br />

- BQS Bau-Qualitäts-Sicherungs-<br />

GmbH – als Kooperationspartner<br />

eine Thermografieaktion initiiert. Das<br />

Projekt wurde erstmals Anfang 2005<br />

mit kreisweit circa 200 Teilnehmern<br />

durchgeführt. Zum Jahresende 2005<br />

wurden die Teilnehmer angefragt, ob<br />

und welche Sanierungsmaßnahmen<br />

sie in der Folge durchgeführt haben<br />

oder noch durchführen wollen, um<br />

die Ergebnisse auswerten zu können.<br />

Aufgrund der guten Resonanz folgt<br />

die zweite Auflage der Aktion Anfang<br />

2006 und soll auch zukünftig weitergeführt<br />

werden.<br />

In diesem Rahmen wird eine Infrarot-Gebäudethermografie<br />

zum<br />

Sonderpreis von 120 Euro für freistehende<br />

Häuser mit maximal vier<br />

Wohneinheiten, Doppelhaushälften<br />

und Reiheneckhäuser angeboten. Für<br />

Reihenmittelhäuser werden auf Grund<br />

der geringeren Fassadenfläche 100<br />

Euro berechnet. Dabei werden bis zu<br />

sechs Thermoaufnahmen (Panorama-<br />

und Detailaufnahmen) von allen einsehbaren<br />

Hausbereichen erstellt. Eine


konkrete Terminierung erfolgt nicht,<br />

die Aufnahmen werden angefertigt,<br />

sobald die Witterungsverhältnisse dies<br />

zulassen.<br />

� Ergebnisse dokumentiert<br />

Als Ergebnis erhalten die Teilnehmer<br />

eine Mappe, die eine kurze Einführung<br />

in das Infrarot-Thermografie-<br />

Verfahren und Hinweise, wie man<br />

Thermoaufnahmen interpretieren<br />

kann, beinhaltet. Neben der Digitalaufnahme<br />

des Bauobjekts sind mehrere<br />

repräsentative thermografische<br />

Aufnahmen enthalten. Darüber hinaus<br />

werden mehrere Seiten mit Beispielen<br />

möglicher thermischer Auffälligkeiten<br />

aufgelistet, die typische Mängel und<br />

ihre Erscheinungsformen darstellen.<br />

Seitens des Agenda-Büros werden weitere<br />

Informationen, wie beispielsweise<br />

eine Liste der Energieberater im <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong>, Informationen zur Energieberatung<br />

sowie Tipps zur Finanzierung und<br />

Förderung, beigefügt. Das Agenda-<br />

Büro nimmt auch stichprobenartig eine<br />

Qualitätskontrolle der Thermografie-<br />

Mappen vor.<br />

Voraussetzung für die Teilnahme<br />

ist, dass das Grundstück nachts ohne<br />

nicht zu erwartende Gefahren, wie<br />

z.B. freilaufende Hunde, ungesicherte<br />

Baugruben etc. frei zugänglich ist. Die<br />

Untersuchung findet technisch bedingt<br />

vorwiegend nachts und bei entsprechenden<br />

Witterungsverhältnissen<br />

(Windstille ohne Regen, Nebel oder<br />

Schnee und Außentemperaturen von<br />

maximal 5 Grad Celsius) statt.<br />

Die Infrarot-Thermografie ist ein<br />

Verfahren, welches die Temperaturverteilung<br />

einer Gebäudeoberfläche<br />

mit einer sehr hohen Genauigkeit grafisch<br />

darstellt. Ziel der Untersuchung<br />

bei einer Thermografieaktion ist es,<br />

die Oberflächentemperaturverteilung<br />

an einem Gebäude zu dokumentieren.<br />

Um aussagefähige Ergebnisse zu erzielen,<br />

muss das Gebäudescanning unter<br />

Bedingungen durchgeführt werden,<br />

die optimale Ergebnisse gewährleisten.<br />

Das bedeutet, dass die Untersuchung<br />

während der Heizperiode bei einem<br />

Temperaturgefälle von innen nach<br />

außen von mindestens 10°Grad Celsius<br />

durchgeführt wird. In der Praxis<br />

BAUEN & WOHNEN<br />

erfolgen die Untersuchungen bei Außentemperaturen<br />

von maximal 5°Grad<br />

Celsius und weniger. Ein Gebäude,<br />

welches z.B. von Efeu oder dicht stehenden<br />

Bäumen abgeschirmt wird,<br />

erschwert die Messungen bzw. kann<br />

eine Analyse unmöglich machen.<br />

� Ausblick<br />

Um das Potential der energetischen<br />

Altbausanierung ausschöpfen zu können,<br />

ist nicht nur die Vermittlung von<br />

Informationen über die Bedeutung des<br />

Themas, sondern gerade das Aufzeigen<br />

von Schwachstellen des eigenen<br />

Objektes, erforderlich. Das Scanning<br />

dient also als Entscheidungshilfe bei<br />

Gebäudemängeln und als Grundlage<br />

für eine Vor-Ort-Beratung durch einen<br />

Energieberater. Ziel ist es, zunehmend<br />

die Umsetzung einer sinnvollen energetischen<br />

Sanierung des Altbaubestandes<br />

in Gang zu bringen. Denn<br />

ein Ergebnis der bisherigen Arbeit des<br />

Fachforums Wohnungsbau der Lokalen<br />

Agenda ist auch, dass in diesem<br />

Bereich im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> noch großer<br />

Handlungsbedarf besteht.<br />

87


88 PERSONEN<br />

� Biografie: Friedrich von Bodelschwingh<br />

„Es geht immer um<br />

<strong>Natur</strong> und Landschaft“<br />

von Corinna Glück<br />

Wer von Bergkamen-Oberaden<br />

kommend Richtung Kamen fährt,<br />

sieht rechts und links weite Felder<br />

und schöne Waldstücke. Ein wenig<br />

versteckt führt rechts ein kleiner<br />

Feldweg zum Haus Velmede.<br />

Inmitten dieser reizvollen <strong>Natur</strong><br />

ist Friedrich Wilhelm v. Bodelschwingh<br />

groß geworden. Kein<br />

Wunder also, dass sich der nun<br />

70-Jährige mit Leib und Seele für<br />

diese Landschaft einsetzt.<br />

„Ich war nur einer von vielen“ sagt<br />

er bescheiden und nennt beispielhaft<br />

einige Namen von Mitstreitern: Karl-<br />

Heinz Albrecht, Otto Buschmann, Dr.<br />

Heinz-Gerd Büter, Ehepaar Cornelissen,<br />

Heinz Haeske, Helmut July, Wilfrid<br />

Loos, Heinrich Mertens, Herbert Reiss,<br />

Manfred Scholz, Heinrich Schumacher,<br />

Prof. Wilfried Stichmann und Hans<br />

Zakel. „Wir haben gemeinschaftlich<br />

gearbeitet und einiges erreicht.“<br />

Gemeint ist damit vor allem sein jahrelanges<br />

ehrenamtliches Engagement<br />

im Landschaftsbeirat des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong><br />

und in vielen weiteren Organisationen<br />

für den <strong>Natur</strong>schutz.<br />

Diese Verpflichtung wurde dem<br />

gelernten Landwirt sprichwörtlich in<br />

die Wiege gelegt: Als Urenkel des<br />

Gründers der v. Bodelschwinghschen<br />

Anstalten gilt auch für ihn die Familienweisheit:<br />

„Für andere tätig sein“.<br />

Das ist für ihn keine Bürde sondern<br />

selbstverständlich. „Man muss Verantwortung<br />

übernehmen – ganz gleich,<br />

ob in Politik, Kirche oder Berufsstand“,<br />

erklärt er. So gehörte er nicht nur 18<br />

Jahre lang für die CDU dem Stadtrat<br />

Bergkamen an, sondern war auch<br />

40 Jahre als Presbyter aktiv im Kirchenvorstand<br />

und als Vertreter seiner<br />

Gemeinde in der <strong>Kreis</strong>synode <strong>Unna</strong>.<br />

Als Ortslandwirt setzte er sich über<br />

mehr als 20 Jahre für die Belange der<br />

Bauern ein. Seine größten Verdienste<br />

für <strong>Natur</strong> und Landschaft hatte v. Bodelschwingh<br />

allerdings knapp 30 Jahre<br />

lang als Vorsitzender des Landschaftsbeirates.<br />

Dieses Gremium, das aus<br />

Vertretern der <strong>Natur</strong>schutzverbände<br />

einerseits und aus Bauern, Förstern,<br />

Gärtnern und Anglern andererseits<br />

besteht, berät die Landschaftsbehörde<br />

des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>.<br />

� Für die <strong>Natur</strong> gekämpft<br />

„Dabei müssen die Entscheidungen<br />

immer zum Schutz der Landschaft und<br />

frei von anderen Interessen gefällt<br />

werden“, erklärt der <strong>Natur</strong>freund das<br />

Prozedere. Seien hier nur die bedeutendsten<br />

Errungenschaften genannt:<br />

die auf den Weg gebrachten Verfahren<br />

bezüglich der Aufstellung der Landschaftspläne<br />

für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, die<br />

Diskussion um die Nordwanderung<br />

des Steinkohlebergbaus, die streckenweise<br />

verhinderte OW III a, die durch<br />

Massen gebaut werden sollte, der<br />

gestoppte Bau der L 821 n von Werne<br />

nach Holzwickede sowie der B 233n<br />

und der B 61n.<br />

Als so genannter Anwalt für <strong>Natur</strong><br />

und Landschaft lag v. Bodelschwinghs<br />

herausragende Qualität während der<br />

Verhandlungen und Diskussionen<br />

zwischen den widerstreitenden Interessen<br />

darin, möglichst einen Konsens<br />

zwischen <strong>Natur</strong>schützern und


<strong>Natur</strong>nutzern herbeizuführen. Für die<br />

<strong>Natur</strong> setzte sich Friedrich Wilhelm v.<br />

Bodelschwingh in seiner täglichen Arbeit<br />

auch auf seinem Hof Velmede ein<br />

– auf dem er übrigens geboren wurde.<br />

„Ich habe den schönsten Beruf, den<br />

es gibt“, schwärmt er mit strahlenden<br />

Augen.<br />

� Jung den Hof übernommen<br />

Gelernt hat er den Beruf von der<br />

Pieke auf. Nach dem Abitur lernte er<br />

je ein Jahr auf Höfen in der Nähe von<br />

Hannover und Herford und absolvierte<br />

anschließend ein Landwirtschaftsstudium<br />

in Bonn und Kiel. Nachdem v. Bodelschwingh<br />

dann ein Jahr einen Hof<br />

in Schleswig-Holstein verwaltet hatte,<br />

kehrte er nach Bergkamen-Weddinghofen<br />

zurück. Schon als 27-Jähriger<br />

übernahm er den elterlichen Hof, weil<br />

sein Vater ab 1953 zum Abgeordneten<br />

in den Bonner Bundestag gewählt wurde.<br />

Damals lebten noch acht Familien<br />

mit 20 Kindern auf dem Gut. Im Zuge<br />

der Währungsreform und der steigenden<br />

Löhne geriet der Betrieb fast<br />

in die roten Zahlen. So schaffte der<br />

Landwirt Kühe, Schweine und Hühner<br />

ab und stellte den Betrieb komplett<br />

auf Ackerbau um. Diese Entscheidung<br />

erwies sich als richtig: Mit dem Anbau<br />

von Kartoffeln, Zuckerrüben, Getreide,<br />

Raps, Mais und Grassamen gelangte<br />

der Hof wieder in sicheres Gewässer.<br />

Neben der Bewirtschaftung des Hofes<br />

unterrichtete v. Bodelschwingh vier<br />

Jahre lang einmal wöchentlich an<br />

der Realschule Oberaden das Fach<br />

Biologie.<br />

Als sich 1974 die Gelegenheit bot,<br />

in Bönen einen zweiten Hof zu pachten,<br />

schlug der Landwirt zu. Auf Gut<br />

Brüggen spezialisierte er sich aufgrund<br />

seiner guten Erfahrungen ebenfalls auf<br />

den Ackerbau. Beide Höfe wurden<br />

von nur einer zusätzlichen Arbeitskraft<br />

geführt. Aber nach elf Jahren wurde<br />

der Pachtvertrag für diesen Hof nicht<br />

verlängert. „Es war ein Verlust für<br />

mich, als ich 1985 die Arbeit dort<br />

aufgeben musste“, erinnert sich v.<br />

Bodelschwingh. Damit er seine treue<br />

Arbeitskraft nicht entlassen musste,<br />

begann er mit dem Anbau von Gemüse.<br />

„Dadurch gab es wieder Arbeit für<br />

uns beide,“ stellt der Landwirt nüchtern<br />

fest. Bis zu 180 Tonnen Weiß- und<br />

Rotkohl erntete er jährlich, den er von<br />

Oktober bis Ostern frisch verkaufte.<br />

Inzwischen hat er den Hof auf seinen<br />

Sohn übertragen. Gebäude und Ackerflächen<br />

sind heute verpachtet. Richtig<br />

ruhig ist es allerdings noch nicht um<br />

Friedrich Wilhelm v. Bodelschwingh<br />

geworden. Er pflegt das Anwesen und<br />

hält den Wald in Ordnung – also immer<br />

noch ganz im Dienst der <strong>Natur</strong>.<br />

PERONEN<br />

Friedrich Wilhelm von Bodelschwingh<br />

auf Haus Velmede. Foto: Glück<br />

89


90<br />

NATUR ERLEBEN<br />

� Daten zum Lebeweseninventar<br />

Beiträge zur Organismenwelt<br />

des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> IV<br />

von Götz Heinrich Loos, Bernd<br />

Margenburg, Karin Margenburg,<br />

Sebastian Sczepanski und Hans<br />

Jürgen Geyer<br />

Im Anschluss an die Zusammenstellungen<br />

in den vorhergehenden<br />

<strong>Natur</strong><strong>report</strong>-Jahrbüchern (Loos<br />

2002, 2003; Loos & Margenburg<br />

2005) werden nachfolgend<br />

weitere Fundmitteilungen von<br />

Cyanobakterien, Pilzen, Flechten,<br />

Moosen und Tieren aus dem <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> mitgeteilt.<br />

Zur Anordnung und sonstigen<br />

Darstellungsweise vgl. Loos (2002).<br />

Für zukünftige weitere Zusammenstellungen<br />

bitten wir nach wie vor<br />

alle naturkundlich Interessierten um<br />

die Mitteilung beobachteter Organismenarten<br />

sowie von Auffälligkeiten im<br />

Zusammenhang mit diesen (Verhalten,<br />

abweichende Zeiten des Auftretens,<br />

besondere Lebensräume etc.).<br />

Die am Tag der Artenvielfalt 2005<br />

in Bergkamen erhobenen Artenlisten<br />

sollen in einem gesonderten Beitrag<br />

in der Beiheftreihe des <strong>Natur</strong><strong>report</strong><br />

in kommentierter Form veröffentlicht<br />

werden.<br />

Hingewiesen werden soll noch auf<br />

die Homepage der Ornithologischen<br />

Arbeitsgemeinschaft <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

(http://www.oagkreisunna.de/), wo<br />

unter der Rubrik „Gesehen – gehört“<br />

Vogelbeobachtungen zusammengestellt<br />

werden. Weitere ausgewählte<br />

aktuelle Beobachtungen zur Flora und<br />

Fauna werden auf der Homepage des<br />

NABU-<strong>Kreis</strong>verbandes <strong>Unna</strong> (http://<br />

www.nabu-unna.de) präsentiert.<br />

Finderkürzel:<br />

BHe = B. Hennigs (Kamen)<br />

BMg = B. Margenburg<br />

BotAG = Exkursionen der Botanik-AG des<br />

NABU-<strong>Kreis</strong>verbandes <strong>Unna</strong> (meist mit Anke<br />

Bienengräber, BMg, Erika Heckmann, GL,<br />

HJG, KMg)<br />

BSKU = Biologische Station im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

EP = Elisabeth Postler (Kamen)<br />

GL = G. H. Loos<br />

HJG = H. J. Geyer<br />

KMg = K. Margenburg<br />

LB = Lothar Blödow (Herne)<br />

Pfl = H.-J. Pflaume (Lünen)<br />

Scz = S. Sczepanski<br />

WL = Wilfrid Loos (Kamen)<br />

WP = Wolfgang Postler (Kamen)<br />

� Cyanobakterien<br />

� Nostoc commune – Große Gallertalge<br />

Bergkamen-Heil, am Kanal, am<br />

Kraftwerk sowie vielfach an und auf<br />

der Halde Großes Holz – 4311/41, 43<br />

(2004-05 GL); Friedhof Bergkamen-<br />

Rünthe, spärlich – 4311/24 (2005<br />

BotAG).<br />

� Pilze<br />

� Athelia arachnoidea – Große<br />

Algenspinne<br />

Dieser auf baumstammbewohnenden<br />

Flechten und Algen parasitierende<br />

Pilz ist im <strong>Kreis</strong>gebiet weit verbreitet<br />

und oft häufig (nicht nur siedlungsnah<br />

und in Siedlungen), offenbar in den<br />

letzten Jahren häufiger geworden.<br />

Nachweise (2004-05) liegen vor aus:<br />

4311/23-24, 31-34, 41-44; 4411/21-<br />

24, 41-44; 4412/11-14, 21, 23, 24,


31-34, 41; 4413/13; 4511/22-24;<br />

4512/11-14, 21-23 (GL; BotAG).<br />

� Flechten<br />

� Hypogymnia physodes – Hornblatt-Blasenflechte<br />

Hat sich lokal ziemlich stark ausgebreitet,<br />

insbesondere in bewaldeten<br />

oder schattigen Gebieten wie im Kurler<br />

Busch in Kamen-Kaiserau/Dortmund-<br />

Husen – 4411/23 (2004 f. GL), im<br />

Buschholt bei Fröndenberg-Frömern<br />

– 4512/21 (2005 GL), an der Ruhrbrücke<br />

in Fröndenberg – 4512/23<br />

(2005 GL).<br />

� Melanelia glabratula und Melanelia<br />

subaurifera – Feinisidiöse<br />

Trübschüsselflechte und GoldschimmerndeTrübschüsselflechte<br />

Beide Arten haben sich in den<br />

letzten Jahren erheblich ausgebreitet,<br />

dabei scheint M. subaurifera sowohl in<br />

der Individuenzahl als auch in der Zahl<br />

der Vorkommen häufiger zu sein. Seit<br />

2004 wurde M. subaurifera an Bäumen<br />

in folgenden Rasterfeldern nachgewiesen:<br />

4311/23-24, 41-43; 4411/21-24;<br />

4412/11-14, 21, 23, 31-34; Nachweise<br />

nur von M. glabratula: 4511/21-23;<br />

4512/21, 23; Nachweise beider Arten:<br />

4311/34; 4411/42; 4412/22; 4512/12<br />

(GL; BotAG).<br />

NATUR ERLEBEN<br />

Xanthoria parietina – Gewöhnliche Gelbflechte. Foto: Margenburg<br />

� Physcia stellaris – Sternförmige<br />

Schwielenflechte<br />

Neu für das <strong>Kreis</strong>gebiet angegeben<br />

bei Killmann (2002: 56) als „<strong>Unna</strong> (TK<br />

4411/4)“.<br />

� Punctelia subrudecta – Unbereifte<br />

Punktschüsselflechte<br />

Ist gewiss seltener als P. ulophylla,<br />

aber mit Sicherheit in der Lippeaue bei<br />

Bergkamen-Heil – 4311/32 (GL).<br />

� Ramalina farinacea – Sorediöse<br />

Astflechte und Evernia prunastri<br />

– Pflaumenflechte<br />

2004-05 an zahlreichen Stellen<br />

im Kurler Busch in Kamen-Kaiserau/<br />

Dortmund (-Husen/-Kurl/-Lanstrop)<br />

– 4411/21, 23 (GL; KMg, BMg & GL).<br />

R. farinacea ist neu für das <strong>Kreis</strong>gebiet.<br />

� Xanthoria ucrainica – Ukrainische<br />

Gelbflechte<br />

Nach Dobson (2005: 462) gehören<br />

die bisher als Xanthoria candelaria<br />

kartierten Vorkommen zu dieser Art.<br />

Andere Vertreter der X. candelaria-<br />

91


92 NATUR ERLEBEN<br />

Gruppe konnten bisher nicht im <strong>Kreis</strong>gebiet<br />

gefunden werden.<br />

� Moose<br />

Untersuchungen der BotAG in<br />

Kamen und Bergkamen sowie ausgedehntere<br />

Exkursionen von HJG an der<br />

Ruhr in Fröndenberg haben zahlreiche<br />

Moosneufunde, darunter auch eine<br />

Reihe von Erstnachweisen für den <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> ergeben.<br />

Etwa ein Drittel der erfassten<br />

Moosarten wurde ausschließlich,<br />

schwerpunktmäßig oder zumindest<br />

gelegentlich auf der Borke von Laubbäumen<br />

nachgewiesen.<br />

Neben den unten aufgeführten<br />

und näher kommentierten Arten<br />

wurden 2004 bis 05 folgende weitere,<br />

meist häufige Moose als Epiphyten<br />

nachgewiesen: Amblystegium<br />

serpens – Kriechendes Stumpfdeckelmoos,<br />

Brachythecium rutabulum<br />

– Krücken-Kurzbüchsenmoos, B.<br />

velutinum – Samt-Kurzbüchsenmoos,<br />

Bryum argenteum – Silber-Birnmoos,<br />

B. capillare – Haarblättriges Birnmoos,<br />

Ceratodon purpureus – Purpurstieliges<br />

Hornzahnmoos, Dicranoweisia cirrata<br />

– Lockiges Gabelzahnperlmoos,<br />

Hypnum cupressiforme – Zypressen-<br />

Schlafmoos, Orthotrichum diaphanum<br />

– Glashaartragendes Goldhaarmoos,<br />

Tortula muralis – Mauer-Drehzahn-<br />

moos (letzteres zuvor verbreitet an<br />

Mauern und Gestein, erst seit kurzer<br />

Zeit vermehrt an Bäumen, 2005 schon<br />

verbreitet epiphytisch).<br />

Ein ausführlicher Aufsatz über die<br />

Ausbreitung epiphytischer Moose im<br />

<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> wird auf die Homepage<br />

des NABU-<strong>Kreis</strong>verbandes <strong>Unna</strong> unter<br />

der Adresse (http://www.nabu-unna.<br />

de) unter die Rubrik „Moose“ gestellt<br />

werden.<br />

� Brachythecium populeum (s.str.)<br />

–Pappel-Kurzbücksenmoos<br />

Auf basenreicher Steinunterlage in<br />

luftfeuchten Wäldern, so in Bergkamen-<br />

Heil – 4311/31 (2005 BotAG).<br />

Eine oft übersehene Art, die anscheinend<br />

nicht selten ist, allerdings fehlen<br />

noch viele Nachweise.<br />

� Cryphaea heteromalla – Einseitswendiges<br />

Tarnfruchtmoos<br />

Epiphytisch auf einer Bruch-Weide<br />

an der Ruhr südlich Fröndenberg<br />

– 4512/23 (2005 HJG).<br />

� Dicranodontium denudatum<br />

– Bruchblattmoos<br />

Bergkamen-Heil, Friedhof, alter,<br />

schattiger Teil – 4311/32 (2005 Bot-<br />

AG). In der Westfälischen Bucht<br />

äußerst stark zurückgegangen (gilt<br />

als ausgestorben, aber inzwischen<br />

wenigstens an drei Stellen nachgewiesen).<br />

� Dicranum montanum – Berg-Gabelzahnmoos<br />

„Epiphytisch“ auf einer Holzbank<br />

in Kamen, Parkanlage Galgenberg<br />

– 4312/33 (2005 BotAG).<br />

� Dicranum tauricum – Steifblättriges<br />

Gabelzahnmoos<br />

Epiphytisch auf einer Bruch-Weide<br />

an der Ruhr südlich Fröndenberg<br />

– 4512/23 (2005 HJG). Das Moos ist<br />

anhand der leicht abbrechenden Blattspitzen<br />

(dienen der vegetativen Reproduktion)<br />

gut zu erkennen und wurde<br />

in der Vergangenheit durch die sauren<br />

Luftverunreinigungen gefördert.<br />

� Frullania dilatata – Breitblättriges<br />

Sackmoos<br />

Epiphytisch auf einer Bruch-Weide<br />

an der Ruhr südlich Fröndenberg<br />

– 4512/23 (2005 HJG).<br />

� Grimmia pulvinata – Polster-Kissenmoos<br />

Basiphytisches Gesteinsmoos,<br />

mehrfach c. spg. an Laubbäumen<br />

gefunden, z. B. in Kamen, Parkanlage<br />

Galgenberg - 4312/33 (2005 BotAG),<br />

in Bergkamen-Heil an der Ökologiestation<br />

– 4311/41 (2004, 05 BotAG)


und an der Ruhr bei Fröndenberg<br />

– 4512/23 (2005 HJG).<br />

� Leskea polycarpa – Vielfrüchtiges<br />

Leskemoos<br />

Epiphytisch auf einem Berg-Ahorn<br />

in der Parkanlage Galgenberg bei Kamen<br />

– 4312/33 (2005 BotAG) sowie<br />

auf Bruch-Weiden an der Ruhr südlich<br />

Fröndenberg, p.p. c. spg. - 4512/23<br />

(2005 HJG). Auch sonst mehrfach<br />

gefunden, z. B. in Kamen-Methler<br />

– 4411/21 (2005 GL).<br />

� Metzgeria furcata – Gegabeltes<br />

Igelhaubenmoos<br />

Epiphytisch auf einem Feld-Ahorn in<br />

Kamen in der Parkanlage Galgenberg<br />

– 4312/33 (2005 BotAG).<br />

� Orthotrichum anomalum – Stein-<br />

Goldhaarmoos<br />

Basiphytisches Gesteinsmoos,<br />

mehrfach c.spg. an Laubbäumen<br />

gefunden, z. B. am Galgenberg bei<br />

Kamen – 4312/33 (2005 BotAG), in<br />

Bergkamen-Heil neben der Ökologiestation<br />

– 4311/41 (2005 BotAG)<br />

und an der Ruhr bei Fröndenberg<br />

– 4512/23 (2005 HJG).<br />

� Orthotrichum lyellii – Lyells<br />

Goldhaarmoos<br />

Epiphytisch auf einer Bruch-Wei-<br />

Riccia glauca – Blaugrünes Sternlebermoos.<br />

Foto: Margenburg<br />

de an der Ruhr südlich Fröndenberg<br />

– 4512/23 (2005 HJG).<br />

� Orthotrichum pulchellum – Niedliches<br />

Goldhaarmoos<br />

Epiphytisch auf einer Bruch-Weide<br />

an der Ruhr südlich Fröndenberg<br />

– 4512/23 (2005 HJG).<br />

� Orthotrichum speciosum – Ansehnliches<br />

Goldhaarmoos<br />

Epiphytisch auf einer Bruch-Wei-<br />

NATUR ERLEBEN<br />

de an der Ruhr südlich Fröndenberg<br />

– 4512/23 (2005 HJG).<br />

� Orthotrichum stramineum<br />

– Strohgelbhaubiges Goldhaarmoos<br />

Epiphytisch auf Bruch-Weiden<br />

an der Ruhr südlich Fröndenberg<br />

– 4512/23 (2005 HJG).<br />

� Plagiothecium undulatum – Gewelltes<br />

Plattmoos<br />

Im Flachland seltener und in der<br />

Regel nicht außerhalb von Wäldern.<br />

Vermutlich eingeschleppt in der<br />

Parkanlage Galgenberg bei Kamen<br />

– 4312/33 (2005 BotAG).<br />

� Rhizomnium punctatum – Punktiertes<br />

Wurzelsternmoos<br />

An feuchten Stellen auf schattigen<br />

Böden, so mehrfach um Bergkamen-<br />

Heil, auch auf dem Friedhof – 4311/31<br />

+ 32 (2005 BotAG).<br />

� Riccia glauca – Blaugrünes<br />

Sternlebermoos<br />

Stark zurückgegangene Art. In einer<br />

neu angelegten Blänke bei Bergkamen-Heil<br />

– 4311/41 (2005 Pfl).<br />

� Schistidium crassipilum – Dickhaar-Spalthütchen<br />

Epilithisch auf einer Bank in Kamen<br />

93


94 NATUR ERLEBEN<br />

am Galgenberg – 4312/33 (2005<br />

BotAG).<br />

� Tortula latifolia – Breitblättriges<br />

Drehzahnmoos<br />

Epiphytisch auf Bruch-Weiden an<br />

der Ruhr südlich Fröndenberg, oft bestandsbildend<br />

– 4512/23 (2005 HJG).<br />

Häufig im Überschwemmungsbereich<br />

der größeren Flüsse (Lippe, Ruhr) auf<br />

Stämmen von Uferweiden, meist mit<br />

Schwemmsand und Schwemmlehm<br />

imprägniert.<br />

� Tortula ruralis = Syntrichia ruralis<br />

– Erd-Drehzahnmoos<br />

In Fröndenberg an der Ruhr am<br />

Grund von Bäumen – 4512/23 (2005<br />

HJG).<br />

� Ulota bruchii – Bruchs Krausblattmoos<br />

Epiphytisch auf Berg-Ahorn und<br />

Silber-Ahorn in der Parkanlage am Galgenberg<br />

bei Kamen – 4312/33 (2005<br />

BotAG). Epiphytisch auf Bruch-Weiden<br />

an der Ruhr südlich Fröndenberg<br />

– 4512/23 (2005 HJG).<br />

� Ulota crispa – Krauseres Krausblattmoos<br />

Epiphytisch auf einem Feld- in der<br />

Parkanlage am Galgenberg bei Kamen<br />

– 4312/33 (2005 BotAG).<br />

� Heuschrecken<br />

Eine ausführliche Studie zur Heuschreckenfauna<br />

des NSG Holzplatz in<br />

Kamen/Bönen, bei der die Bestände<br />

von Leptophyes albovittata – Gestreifte<br />

Zartschrecke und Phaneroptera<br />

falcata – Gewöhnliche Sichelschrecke<br />

im Mittelpunkt stehen, wurde von S.<br />

Sczepanski (2005) kürzlich publiziert.<br />

� Chorthippus albomarginatus<br />

– Weißrandiger Grashüpfer<br />

Sichere Vorkommen sind aus dem<br />

<strong>Kreis</strong>gebiet nicht bekannt. In den<br />

1990er Jahren konnte die Art in der<br />

Lippeaue an allerdings nicht mehr<br />

lokalisierbaren Stellen nachgewiesen<br />

werden. Aus jüngerer Zeit gibt es lediglich<br />

einen Einzelfund aus dem NSG<br />

„Holzplatz“ bei Bönen – 4412/21<br />

(2003 GL), hier vielleicht eingeschleppt.<br />

� Conocephalus discolor = C.<br />

fuscus – Langflügelige Schwertschrecke<br />

Von dieser sich seit Jahren ausbreitenden<br />

Art konnten seit 1999 vermehrt<br />

Funde im <strong>Kreis</strong>gebiet gemacht<br />

werden. In Lünen in den NSG „In den<br />

Kämpen“ – 4311/32 (1999, 2005 Scz),<br />

„Zwiebelfeld“ – 4310/44 (2002 Scz &<br />

BHe) und „Schleuse Horst“ – 4310/42<br />

(2002 Scz & BHe); Bergkamen-Heil,<br />

Königslandwehr – 4311/34 (2002<br />

Scz); <strong>Unna</strong>, Massener Bach – 4411/24<br />

(2001 Scz & EP); NSG „In der Lake“<br />

– 4311/34 (2002 Scz & BHe); Uferbereich<br />

der Funne nordöstlich von<br />

Selm – 4210/44 (2003 Scz); Bönen,<br />

NSG „Sandbachtal“ – 4412/21 (2003,<br />

05 Scz & BHe); Ufer des Datteln-<br />

Hamm-Kanales in Bergkamen-Rünthe<br />

– 4311/42 (2005 Scz). Unmittelbar<br />

außerhalb auf Hammer Stadtgebiet im<br />

Jahr 2005 im NSG „Eckernkamp/Im<br />

Brauck“ – 4312/13 bereits massenhaft<br />

(Scz).<br />

� Sphingonotus caerulans – Blauflügelige<br />

Sandschrecke<br />

Erstnachweis für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

auf dem Südteil des NSG „Holzplatz“<br />

– 4412/12 (2005 BSKU). Von dieser<br />

vom Aussterben bedrohten Heuschreckenart<br />

sind in den letzten Jahren vermehrt<br />

Vorkommen auf Bahnhöfen und<br />

Industriebrachen gefunden worden.<br />

Bereits 2001 gelang der Erstnachweis<br />

auf Hammer Stadtgebiet nur wenige<br />

Kilometer von der <strong>Kreis</strong>grenze entfernt<br />

(vgl. auch Sczepanski 2005).<br />

� Tetrix subulata – Säbel-Dornschrecke<br />

Öfters als bislang angenommen an<br />

vegetationsarmen Gewässerufern und<br />

auf Feuchtwiesen zu finden. Aufgrund


der geringen Größe und der unscheinbaren<br />

Lebensweise der Tetrix-Arten<br />

sicherlich oft übersehen. Bönen, NSG<br />

„Holzplatz“ – 4412/21 (2003 Scz);<br />

Holzwickede, NSG „Sölder Bruch“<br />

– 4411/43 (2002 Scz & BHe); Süggelbach<br />

bei Lünen-Gahmen – 4410/22<br />

(2001 WL & GL; 2003 Scz & BHe);<br />

Königslandwehr in Bergkamen-Heil<br />

– 4311/34 (2002 Scz); Lünen-Beckinghausen<br />

NSG „In den Kämpen“<br />

– 4311/32 (2005 Scz & BHe); Bönen,<br />

NSG „Sandbachtal“ – 4412/21 (2005<br />

Scz); <strong>Kreis</strong>teich in <strong>Unna</strong>-Mühlhausen<br />

– 4412/14 (2005 Scz).<br />

� Libellen<br />

� Brachytron pratense – Früher<br />

Schilfjäger<br />

Mittlerweile (wieder) im nördlichen<br />

und mittleren <strong>Kreis</strong>gebiet zu finden<br />

(siehe auch Loos 2002). Funde einzelner<br />

Tiere stammen aus dem NSG<br />

„In den Kämpen“ bei Lünen-Beckinghausen<br />

– 4311/32 (2005 EP & WP),<br />

<strong>Unna</strong>-Mühlhausen – 4412/14 (2004<br />

EP & WP) und einem Waldteich am<br />

Datteln-Hamm-Kanal in Höhe Beversee<br />

bei Bergkamen – 4311/42 (2003<br />

EP & WP).<br />

� Coenagrion mercuriale – Helm-<br />

Azurjungfer<br />

Erstnachweis dieser nach der FFH-<br />

Richtlinie europaweit zu schützenden<br />

Art für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>: Der Fundort<br />

ist ein grabenartig ausgebauter Bach<br />

in Bergkamen – 4311/43 (gefunden<br />

2005 von EP & WP). Neben männlichen<br />

und weiblichen Tieren konnte<br />

auch die Paarung und Eiablage in Berle<br />

(Sium erectum) am Fundort beobachtet<br />

werden (EP, WP, Scz, GL). Eine Bodenständigkeit<br />

ist daher wahrscheinlich.<br />

� Cordulia aenea – Gewöhnliche<br />

Smaragdlibelle<br />

Seit den letzten Jahren wieder<br />

häufiger im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> gefunden:<br />

<strong>Unna</strong>-Mühlhausen – 4412/14 (2003<br />

EP & WP, 2005 Scz); Lünen-Beckinghausen,<br />

NSG „In den Kämpen“<br />

– 4311/32 (2003 EP & WP, 2005 Scz);<br />

Bergkamen, Waldteich am Datteln-<br />

Hamm-Kanal auf Höhe des Beversees<br />

– 4311/42 (2003 EP & WP).<br />

� Crocothemis erythraea – Feuerlibelle<br />

In den letzten Jahren regelmäßige<br />

Einzelfunde im nördlichen und<br />

mittleren <strong>Kreis</strong>gebiet. <strong>Unna</strong>-Mühlhausen<br />

– 4412/14 (2003, 05 EP &<br />

WP); Bergkamen, Bergehalde Großes<br />

Holz – 4311/41 (2005 EP & WP);<br />

Königslandwehr in Bergkamen-Heil<br />

– 4311/34 (2000 EP & WP); Lünen-<br />

Beckinghausen, NSG „In den Kämpen“<br />

NATUR ERLEBEN<br />

– 4311/32 (2005 EP & WP).<br />

� Gomphus flavipes – Asiatische<br />

Keiljungfer<br />

Der Erstnachweis für den <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> stammt aus dem Jahr 2005 vom<br />

Datteln-Hamm-Kanal auf Höhe des<br />

Beversees in Bergkamen – 4311/42<br />

(Exuvienfund: 2005 EP & WP). Ein Jahr<br />

zuvor konnte die Art bereits am Dattel-<br />

Hamm-Kanal auf Hammer Stadtgebiet<br />

durch Exuvienfunde nachgewiesen<br />

werden. Bei den Funden handelt es<br />

sich um die ersten Fortpflanzungsnachweise<br />

der Art in Schiffahrtsstraßen<br />

überhaupt (siehe auch Postler,<br />

Postler & Kilimann 2005).<br />

� Ischnura pumilio – Kleine Pechlibelle<br />

Mittlerweile zerstreut an mehreren<br />

Stellen im nördlichen und mittleren<br />

<strong>Kreis</strong>gebiet nachgewiesen: Bönen,<br />

NSG „Sandbachtal“ – 4412/21 (2003,<br />

2004 EP & WP, 2005 Scz); Süggelbach<br />

bei Lünen-Gahmen – 4410/22 (2003<br />

Scz & BHe); Kamen-Rottum – 4312/33<br />

(2005 EP & WP); Königslandwehr in<br />

Bergkamen-Heil – 4311/34 (2004 EP<br />

& WP, 2005 Scz).<br />

� Lestes dryas – Glänzende Binsenjungfer<br />

Außer den bereits bei Loos (2002)<br />

95


96 NATUR ERLEBEN<br />

gemeldeten Funden aus <strong>Unna</strong>-Mühlhausen<br />

nur ein weiterer Einzelfund<br />

auf dem Südteil des NSG „Holzplatz“<br />

– 4412/12 (2002 Scz).<br />

� Lestes virens vestalis – Kleine<br />

Binsenjungfer<br />

Nach vielen Jahren erstmals wieder<br />

2002 im <strong>Kreis</strong>gebiet in <strong>Unna</strong>-Mühlhausen<br />

– 4412/14 (2002 EP & WP)<br />

gefunden. Weitere grenznahe Funde<br />

existieren aus dem NSG „Eckernkamp/<br />

Im Brauck“ in Hamm-Sandbochum<br />

– 4312/14 (2004 GL) und dem NSG<br />

„Lanstroper See“ in Dortmund-Lanstrop<br />

– 4411/12 (2005 EP & WP).<br />

� Leucorrhinia rubicunda – Nordische<br />

Moosjungfer<br />

In den letzten Jahren gelang lediglich<br />

die Einzelbeobachtung eines<br />

vermutlich umherstreifenden Tieres in<br />

<strong>Unna</strong>-Mühlhausen – 4412/14 (2004<br />

EP & WP).<br />

� Orthetrum brunneum – Südlicher<br />

Blaupfeil<br />

Neuere Nachweise aus dem <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> stammen aus <strong>Unna</strong>-Mühlhausen<br />

– 4412/14 (2003 EP & WP);<br />

Bergkamen, Bergehalde Großes Holz<br />

– 4311/41 (2003 LB); Bönen, NSG<br />

„Sandbachtal“ – 4412/21 (2004 EP<br />

& WP); Bönen, Seseke bei Bramey-<br />

Lennigsen – 4412/21 (2005 EP &<br />

WP); Heidegraben in Bergkamen-<br />

Oberaden – 4311/43 (2005 EP & WP)<br />

und Beverbach bei Bergkamen-Rünthe<br />

– 4312/31 (Exuvienfund 2005 EP &<br />

WP).<br />

� Orthetrum coerulescens – Kleiner<br />

Blaupfeil<br />

Ein einzelnes Männchen 2001<br />

zwischen zahlreichen Männchen des<br />

Südlichen Blaupfeils am Süggelbach<br />

bei Lünen-Gahmen – 4410/22 (2001<br />

Scz).<br />

� Sympecma fusca – Gemeine<br />

Winterlibelle<br />

Seit dem Jahr 2004 mehrfach an<br />

verschiedenen Stellen im <strong>Kreis</strong>gebiet<br />

nachgewiesen. Königslandwehr in<br />

Bergkamen-Heil - 4311/34 (2004 EP<br />

& WP, 2005 EP, WP, Scz, Pfl); Lünen-<br />

Beckinghausen, NSG „In den Kämpen“<br />

– 4311/32 (2005 EP, WP & Scz); <strong>Kreis</strong>-<br />

teich in <strong>Unna</strong>-Mühlhausen - 4412/14<br />

(2004, 2005 EP, WP & Scz); Bönen,<br />

NSG „Holzplatz“ – 4412/21 (2004<br />

BSKU); Lippeaue, NSG „Disselkamp“<br />

– 4311/41 (2004 BSKU).<br />

� Sympetrum fonscolombei – Frühe<br />

Heidelibelle<br />

Neben dem bereits bei Loos (2003)<br />

erwähnten Vorkommen in Bergka-<br />

men-Heil konnte die Art auch im<br />

nahegelegenen NSG „In der Laake“<br />

– 4311/34 (2002 Scz) in einem Individuum<br />

nachgewiesen werden.<br />

� Käfer<br />

� Harmonia axyridis – Asiatischer<br />

Marienkäfer<br />

Diese Art wird zur biologischen<br />

Bekämpfung von Blattläusen in Gewächshäusern<br />

eingesetzt und tritt seit<br />

2004 in Westfalen verwildert auf. Rehage<br />

& Terlutter (2005) nennen einige<br />

der Erstfunde. Unerwähnt bleibt dort,<br />

dass 2004 im Bochumer Westen ein<br />

vorübergehendes Massenauftreten zu<br />

beobachten war. In Bochum-Langendreer<br />

wurden allein an einem etwas<br />

freistehenden Haus in der Dördelstraße<br />

über Wochen Zehntausende von<br />

Exemplaren festgestellt.<br />

Im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> wurde die Art zuerst<br />

im Juli 2004 in Kamen-Westick<br />

im Garten Heidkamp 32 – 4411/21<br />

in einem Exemplar beobachtet (GL),<br />

allerdings kann hier eine direkte Einschleppung<br />

von besagtem Langendreerer<br />

Haus durch den Beobachter<br />

nicht ganz ausgeschlossen werden. Im<br />

Jahre 2005 gelangen weitere Nachweise<br />

in Bergkamen und Kamen, doch<br />

sicherlich noch häufig übersehen. In<br />

Bergkamen-Oberaden konnte die Art<br />

zahlreich auf der Bergehalde Großes


Holz – 4311/41 (2005 EP, WP, BHe &<br />

Scz, GL), auch in Larven- und Puppenstadium,<br />

gefunden werden.<br />

� Hohltiere<br />

� Craspedacusta sowerbyi – Süßwassermeduse<br />

Wurde im Jahr 2004 erstmals im<br />

<strong>Kreis</strong>gebiet in der Lippeaue in Bergkamen-Rünthe<br />

– 4311/24 (2004 BHe<br />

& Scz) zahlreich in einem Überlauf<br />

gefunden. Die Art ist in den letzten<br />

warmem Jahren vermehrt vor allem<br />

im westlichen Ruhrgebiet gefunden<br />

worden (siehe u.a. den Link zu faunistischen<br />

Funden unter http://www.<br />

bswr.de).<br />

� Säugetiere<br />

� Sciurus vulgaris – Eichhörnchen<br />

Hat in den Siedlungsgebieten z. T.<br />

bedeutend zugenommen, worauf auch<br />

mehrere Hinweise aus der Bevölkerung<br />

(aus Kamen, Bergkamen und <strong>Unna</strong>)<br />

hindeuten. Im Bereich Kamen-Lüner<br />

Höhe / B 61 (4411/22) wurden mehr-<br />

fach jeweils an einem Tag (2005) mindestens<br />

fünf Exemplare beobachtet,<br />

davon vier fuchsrote und ein braunes<br />

(GL). Auch im Siedlungsbereich Weißdornweg<br />

/ Rotdornweg / Heidkamp<br />

in Kamen-Westick (4411/21+22)<br />

zeitgleich mindestens vier Tiere (GL).<br />

Die Zunahme äußert sich auch in einer<br />

größeren Zahl an totgefahrenen Tieren<br />

auf den Straßen, so in Kamen 2005 auf<br />

der Lünener Str. in Höhe Tankstelle, am<br />

<strong>Kreis</strong>verkehr am Stadtpark, in Heeren-<br />

Werve auf der Bergstraße, in <strong>Unna</strong> auf<br />

dem Afferder Weg nahe <strong>Kreis</strong>verkehr<br />

sowie gegenüber dem Bahnhof (GL).<br />

Literatur:<br />

Dobson, F. S. (2005): Lichens. An Illustrated<br />

Guide to the British and Irish Species. 5. Aufl.<br />

– Slough.<br />

Killmann, D. (2002): Bemerkenswerte Funde<br />

epiphytischer Flechten in Nordrhein-Westfalen.<br />

– Decheniana 155: 55-58.<br />

Loos, G. H. (2002): Beiträge zur Organismenwelt<br />

des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>. – <strong>Natur</strong><strong>report</strong>, Jahrbuch<br />

NATUR ERLEBEN<br />

der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für den <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> 6: 83-90.<br />

Loos, G. H. (2003): Beiträge zur Organismenwelt<br />

des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> II. – <strong>Natur</strong><strong>report</strong>,<br />

Jahrbuch der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für<br />

den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> 7: 94-96.<br />

Loos, G. H. & Margenburg, B. (2005): Beiträge<br />

zur Organismenwelt des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> III. – <strong>Natur</strong><strong>report</strong>,<br />

Jahrbuch der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />

für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> 9: 66-68.<br />

Postler, E., Postler, W. & Kilimann, N. (2005):<br />

Entwicklungsnachweise von Gomphus flavipes<br />

im Datteln-Hamm-Kanal und im Rhein-Herne-<br />

Kanal (Odonata: Gomphidae). – Libellula 24<br />

(1/2): 83-86.<br />

Rehage, H. O. & Terlutter, H. (2005): Harmonia<br />

axyridis (PALLAS, 1773) neu für Westfalen<br />

(Coleoptera, Coccinellidae). – <strong>Natur</strong> u. Heimat<br />

(Münster) 65 (4): 128.<br />

Sczepanski, S. (2005): Die Heuschreckenfauna<br />

des NSG „Holzplatz“ bei Bönen (<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>)<br />

unter Berücksichtigung der Gestreiften Zartschrecke<br />

(Leptophyes albovittata KOLL.) und der<br />

Gemeinen Sichelschrecke (Phaneroptera falcata<br />

PODA) (Insecta: Saltatoria). – <strong>Natur</strong> u. Heimat<br />

(Münster) 65 (3): 65-76.<br />

97


98<br />

NATUR ERLEBEN<br />

� Pflanzen salzbeeinflusster Standorte und ihre Dynamik<br />

Die Situation der Salzpflanzenflora<br />

im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

von Götz Heinrich Loos und<br />

Dietrich Büscher<br />

Binnensalzstellen zählen zu den<br />

von der Intensivierung der Kultur<br />

am stärksten bedrohten Biotopen<br />

überhaupt – sei es durch<br />

Landwirtschaft, sei es durch<br />

Flächenverbrauch, sei es durch<br />

wasserbauliche Maßnahmen.<br />

Selbst indirekte Eingriffe in diese<br />

empfindlichen Lebensräume können<br />

sie nachhaltig verändern und<br />

naturschutzfachlich entwerten.<br />

Ein kürzlich veröffentlichtes Buch<br />

(Raabe & Lienenbecker 2004)<br />

zeigt die alarmierende Situation<br />

des Zustandes, der Flora, Vegetation<br />

und Fauna der westfälischen<br />

Binnensalzstellen auf.<br />

Vorliegender Aufsatz soll die aktuelle<br />

Verbreitungs- und Gefährdungssituation<br />

der Salzpflanzen im <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> beleuchten. Nebenbei werden<br />

in Zusammenhang damit wesentliche<br />

Befunde des genannten Buches erörtert,<br />

insbesondere dort, wo die Ansich-<br />

ten genannter Autoren nach unserer<br />

Meinung unzureichend erscheinen<br />

oder eindeutig fehlerhaft sind, somit<br />

einer Ergänzung oder Verbesserung<br />

bedürfen.<br />

� Vorbemerkungen<br />

Festzustellen ist zunächst, dass<br />

im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> – wie auch sonst im<br />

Ruhrgebiet – naturlandschaftliche<br />

Binnensalzstellen ebenso auftreten wie<br />

kulturbedingte (vgl. u.a. Büscher 1984,<br />

1999). Letztere beruhen im Wesentlichen<br />

auf bergbaulichen Tätigkeiten:<br />

Austrittsstellen von salzhaltigen Wässern<br />

an Bergehalden sowie (ehemals)<br />

durch Bergwerksabwässer salzbelastete<br />

Fließgewässer. Früher wurde<br />

die Salzbelastung der Fließgewässer<br />

auch durch Salinenabwässer bewirkt.<br />

Erbohrte Salzbrunnen und davon abgehende<br />

Leitungen und Gräben waren<br />

weitere Standorte von Salzpflanzen.<br />

Seit etwa 25 Jahren spielen zudem<br />

Straßenränder, an denen Salzpflanzen<br />

aufgrund der Verwendung von Streusalzen<br />

z. T. in ausgedehnten Beständen<br />

auftreten, eine bedeutende Rolle – und<br />

unter ihnen besonders die Autobahnen,<br />

auf denen im Winter sehr viel Salz<br />

ausgebracht wird. Feuchtgebiete, in<br />

die salzhaltiges Sickerwasser aus den<br />

Bergehalden gelangte (und gelangt),<br />

sind aber nicht minder bedeutsam als<br />

naturlandschaftliche Binnensalzstellen<br />

und zeigen wohl auch Ähnlichkeiten im<br />

Wasserchemismus.<br />

Hier kann man bereits Raabe &<br />

Lienenbecker (2004) kritisieren, weil<br />

sie ausschließlich die naturlandschaftlichen<br />

Binnensalzstellen behandeln. Die<br />

Inkonsequenz einer solchen Auswahl<br />

wird deutlich, wenn man beachtet,<br />

dass man bei vielen Binnensalzstellen<br />

aufgrund jahrhundertelanger Nutzung<br />

zur Kochsalzgewinnung und/oder<br />

anschließendem Aufbau von Kurbadbetrieben<br />

kaum vom ursprünglichen<br />

Zustand sprechen kann. Zudem wurden<br />

neben natürlichen Quellen oft<br />

künstliche Brunnen erbohrt und das<br />

erhaltene Solewasser gemischt. Das<br />

betraf die einzige im Buch aufgeführte<br />

Salzstelle im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, das Salzgebiet<br />

<strong>Unna</strong>-Königsborn, in besonderem<br />

Maße.


NATUR ERLEBEN<br />

Gradierwerk Friedrichsborn in <strong>Unna</strong>-Königsborn; erhalten sind nur das Mühlengebäude und das Salzsiederhaus. Foto: Archiv<br />

� Was sind Salzpflanzen?<br />

Salzpflanzen können definiert werden<br />

als Pflanzen, die regelmäßig an<br />

salzbeeinflussten Standorten vorkommen.<br />

Das hier in der Hauptsache<br />

betrachtete Salz ist Kochsalz (NaCl),<br />

daneben spielt auch Kalisalz (KCl) eine<br />

gewisse Rolle. Der Begriff „Salzpflanze“<br />

ist nicht deckungsgleich mit dem<br />

in der ökologischen Literatur meist<br />

gebrauchten Begriff „Halophyt“ (heißt<br />

allerdings wörtlich übersetzt ebenfalls<br />

„Salzpflanze“), für den es darüber hinaus<br />

keine einheitliche Definition gibt<br />

(Brandes 1999a). Allerdings gebrauchen<br />

wir den Begriff Salzpflanze hier<br />

auch in einem weiteren Sinne als Raabe<br />

& Lienenbecker (2004), denn deren<br />

Gebrauch des Terminus entspricht der<br />

Halophytendefinition der meisten Autoren:<br />

Pflanzen, die ausschließlich oder<br />

fast ausschließlich an salzbeeinflussten<br />

Standorten vorkommen. Im <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> treten keine Pflanzenarten auf,<br />

die auf Salz angewiesen sind, also als<br />

„obligate Halophyten“ anzusprechen<br />

sind. Stattdessen treten hier Arten auf,<br />

die salztolerant sind, also Salz ertragen<br />

oder in ihrer Konkurrenz sogar durch<br />

Salz gefördert werden, ohne dass sie<br />

physiologisch Salz benötigen.<br />

Wo man freilich die Grenze zwischen<br />

„fakultativer Halophyt“ und „salztolerant“<br />

bzw. an salzbeeinflussten Stellen<br />

öfters (aber auch an anderen Standorten)<br />

auftretend ziehen möchte, ist<br />

99


100 NATUR ERLEBEN<br />

willkürlich. Eine sinnvolle Abgrenzung<br />

könnte vielleicht aus den Salzzahlen<br />

entwickelt werden, die Ellenberg & al.<br />

(1992) für sämtliche Farn- und Blütenpflanzen<br />

Mitteleuropas anführen.<br />

Brandes (1999a) hat jedoch gezeigt,<br />

dass diese teilweise nachbesserungsbedürftig<br />

sind und auch eigene Beobachtungen<br />

erbringen diesbezüglich<br />

einige Fragezeichen. Wir verwenden<br />

daher den Begriff Salzpflanzen im<br />

eingangs genannten Sinne: Pflanzen<br />

mit regelmäßigen Vorkommen an salzbeeinflussten<br />

Standorten, auch wenn<br />

sie an anderen Standorten ebenfalls<br />

und überwiegend sogar häufiger auftreten.<br />

Einbezogen werden hier also<br />

sowohl z. B. der Echte Sellerie, Apium<br />

graveolens, der in seiner einheimischen<br />

Ausgangssippe ausschließlich an<br />

Salzstellen vorkommt (bzw. vorkam),<br />

als auch Arten wie Elymus repens, die<br />

Kriechende Quecke, eher bekannt<br />

als wenig beliebte Acker- und Gartenpflanze,<br />

aber auch an sämtlichen<br />

Salzstellen im <strong>Kreis</strong>gebiet vorhanden<br />

und z. T. bestandsbildend.<br />

Bei Arten wie der Quecke, die ein<br />

breites ökologisches Spektrum aufweisen,<br />

liegt nahe, dass an Salzstellen<br />

besondere Varietäten (Ökotypen)<br />

vorkommen, die durchaus Gegenstand<br />

des <strong>Natur</strong>schutzes werden könnten, da<br />

sie bei dieser engeren taxonomischen<br />

Betrachtung ebenfalls als auf Salzstellen<br />

beschränkte Sippen angesehen<br />

werden müssten. Eine Klärung derartiger<br />

kryptischer, d.h. rein äußerlich<br />

nicht erkennbarer Sippen kann jedoch<br />

im Wesentlichen nur im Labor erfolgen<br />

– was bisher kaum durchgeführt wurde,<br />

so dass hierüber praktisch keine<br />

Erkenntnisse vorliegen.<br />

� Das Salzgebiet Königsborn<br />

früher und heute<br />

Das einzige natürliche Salzgebiet<br />

im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> liegt in <strong>Unna</strong>-Königsborn.<br />

Der Name „Königsborn“ war<br />

ursprünglich die Bezeichnung eines<br />

1734 angelegten Salzbrunnens, der<br />

später zunächst auf das neu angelegte<br />

Kurbad und schließlich den gesamten<br />

dort gelegenen Ort Brockhausen übertragen<br />

wurde. Salzgewinnung ist hier<br />

allerdings seit 1389 nachweisbar (u.a.<br />

Timm 1978).<br />

Königsborn reiht sich in die Hellweg-Salzquellen<br />

ein, die perlschnurartig<br />

von <strong>Unna</strong> bis Salzkotten unmittelbar<br />

nördlich des Haarstranges neben<br />

zahlreichen süßwasserführenden<br />

artesischen Quellen auftreten und für<br />

die Begründung und den Aufstieg der<br />

hier vorhandenen Städte (besonders<br />

für <strong>Unna</strong>, Werl, Soest, Erwitte und<br />

Salzkotten, später auch für die Kurbäder<br />

Sassendorf und Westernkotten)<br />

entscheidende Bedeutung hatten.<br />

Auch weiter westlich und nördlich<br />

gab es einzelne Salzquellen oder<br />

zumindest erbohrte Salzbrunnen (im<br />

<strong>Kreis</strong> in den heutigen Kommunalgebieten<br />

von Kamen, Bönen und Werne,<br />

außerhalb in den heutigen Stadtgebieten<br />

von Hamm, Dortmund, Bochum,<br />

vielleicht auch Herne). Zumindest<br />

über die möglicherweise natürlichen<br />

Salzstellen in diesen Gebieten ist<br />

jedoch kaum etwas bekannt, während<br />

die jüngeren Brunnen aufgrund<br />

von technischen Unterlagen gut dokumentiert<br />

sind. Viele der ehemals<br />

natürlichen Salzquellen führen heute<br />

– sofern nicht versiegt bzw. überhaupt<br />

noch vorhanden – Süßwasser. Die<br />

Gradierwerk-Nachbildungen, die man<br />

heute bisweilen besichtigen kann (z.<br />

B. in Werne) sind im Wesentlichen als<br />

Touristenattraktionen gedacht und<br />

stellen keine Salzpflanzenstandorte<br />

dar. Im hydrogeologischen Kapitel des<br />

Buches von Raabe & Lienenbecker, das<br />

von Michel (2004) verfasst wurde,<br />

werden die Hellweg-Salzquellen dem<br />

Münsterland zugeordnet, was etwas<br />

befremdet (das Münstersche Becken,<br />

ohnehin besser als Westfälische Bucht<br />

zu bezeichnen, ist räumlich nicht identisch<br />

mit dem Münsterland!).<br />

Die Geschichte der Salzgewinnung<br />

und Salinenanlagen in Königsborn hat


Timm (1978) ausführlich dargestellt.<br />

Hierauf beziehen sich viele spätere<br />

lokalhistorische Arbeiten, auch bei<br />

Walter (2004), der das Kapitel über<br />

„Salzgewinnung und Salinen“ bei<br />

Raabe & Lienenbecker verfasst hat,<br />

finden sich keine Informationen darüber<br />

hinaus. Walter erwähnt die Soleleitung<br />

von Werries nach Königsborn,<br />

aber nicht den um 1840 angelegten<br />

Rollmannsbrunnen bei Heeren, der<br />

ebenfalls für die Gewinnung zusätzlicher<br />

Sole genutzt wurde, denn in<br />

Königsborn versiegten in Folge des<br />

Bergbaus immer mehr Solequellen.<br />

Ursprünglich war dort nach Steinkohle<br />

gebohrt worden, man stieß jedoch auf<br />

Salzwasser, das dann in einer Röhrenleitung<br />

nach Königsborn abgeführt<br />

wurde. Salzpflanzen wurden auch hier<br />

nachgewiesen (Jüngst 1869 nennt von<br />

hier die Salz-Schuppenmiere, Spergularia<br />

salina, Padberg 1897 den Echten<br />

Sellerie, Apium graveolens). An diesem<br />

Aspekt sieht man deutlich, dass eine<br />

Trennung zwischen natürlichen und<br />

künstlichen Salzstellen willkürlich ist.<br />

Allein die jahrhundertelange Nutzung<br />

der Quellen in Königsborn mit ihrer zunehmend<br />

technischen Verbauung hat<br />

dieses Salzgebiet wesentlich geprägt.<br />

Nach dem ersten Hinweis bei Meigen<br />

& Weniger (1819) sind die ersten<br />

floristischen Angaben aus dem Gebiet<br />

der Saline Königsborn Suffrian (1836)<br />

zu verdanken. Er notierte hier u.a. den<br />

Echten Sellerie, Apium graveolens, den<br />

Abstehenden Salzschwaden, Puccinellia<br />

distans, die Salz-Schuppenmiere,<br />

Spergularia salina, die Botten-Binse,<br />

Juncus gerardii, sowie die Rosen-<br />

Melde, Atriplex rosea. Aber bereits<br />

v. Bönninghausen (1824) fand die<br />

Botten-Binse, Juncus gerardii, und die<br />

Entferntährige Segge, Carex distans<br />

s. lat., bei <strong>Unna</strong>; möglicherweise<br />

beziehen sich diese Angaben auf Königsborn<br />

oder eine andere Salzquelle.<br />

Viele bedeutende Salzpflanzen wurden<br />

hier bis in die 1950er Jahre nachgewiesen,<br />

zuletzt durch die im <strong>Kreis</strong>gebiet<br />

zwischen den 1920er und den 1970er<br />

Jahren intensiv tätigen Floristen W.<br />

Bierbrodt, H. Lange und H. Neidhardt<br />

(vgl. Angaben bei Runge 1990 und<br />

Büscher & Loos, in Vorbereitung:<br />

„Flora des mittleren Westfalen“, vorliegende<br />

Manuskriptteile). Nachdem<br />

inzwischen das Gelände vollständig<br />

verändert ist, finden sich Salzpflanzen<br />

nur noch rudimentär, sind allerdings<br />

nicht ganz verschwunden. So sind<br />

Vorkommen des Salzschwadens an<br />

Straßenrändern, an Ruderalstellen und<br />

in Rasenflächen hier zweifellos auf<br />

das einstige Vorkommen im Salinenbereich<br />

zurückzuführen, während sie<br />

an vergleichbaren Stellen anderenorts<br />

NATUR ERLEBEN<br />

neophytisch sein dürften (vgl. Büscher<br />

1984). Auch ein Restvorkommen des<br />

hier ebenfalls seit langem bekannten<br />

Erdbeer-Klees, Trifolium fragiferum,<br />

konnte im Park in einer Rasenfläche<br />

wiedergefunden werden. Auch von<br />

Colobium taraxacoides (= Leontodon<br />

saxatilis), der Zinnensaat, gibt es in<br />

einer Rasenfläche ein Vorkommen,<br />

wobei aber unbekannt ist, ob es sich<br />

um ein Relikt der Salinenflora oder<br />

eine Neueinwanderung handelt. Die<br />

Entferntährige Segge, welche sich<br />

lange gehalten hat, ist allerdings offensichtlich<br />

erloschen.<br />

Als bemerkenswert und signifikant<br />

für die Ausbreitung über die natürlichen<br />

Vorkommen hinaus, nennen wir<br />

die Nachweise des Echten Sellerie um<br />

Königsborn herum: Im Salinenbereich<br />

wurde die Art (wie erwähnt) schon von<br />

Suffrian (1836) gefunden und dann<br />

über die Jahrzehnte bis 1952 (von H.<br />

Neidhardt) nachgewiesen. Bierbrodt<br />

(1923) gibt sie als „verbreitet“ für<br />

Königsborn an. Am Rollmannsbrunnen<br />

bei Heeren, von wo eine Soleleitung<br />

nach Königsborn ging, fand sie Padberg<br />

(1897). 1921 wurde sie „sehr<br />

üppig“ von W. Bierbrodt in Afferde<br />

westlich Königsborn am Dorfbach,<br />

in den salzhaltiges Abwasser geleitet<br />

wurde, gefunden. 1931 fand Bierbrodt<br />

den Sellerie „am Weg nach Kamen<br />

101


102 NATUR ERLEBEN<br />

nahe Wirtshaus Rehfuß“ ebenfalls<br />

unweit Königsborn, im gleichen Jahr<br />

schließlich in einem „Chausseegraben<br />

am Heerener Weg“ in Kamen-Süd,<br />

nahe der Verkehrsachse nach <strong>Unna</strong><br />

(heute B 233), die direkt durch den<br />

ehemaligen Salinenbereich führt, aber<br />

ebenso unweit des Rollmannsbrunnen<br />

liegt. Es ist anzunehmen, dass der Sellerie<br />

um die Jahrhundertwende 19./20.<br />

Jahrhundert entlang der Leitung vom<br />

Rollmannsbrunnen nach Königsborn,<br />

aber ebenso an der heutigen B 233-<br />

Strecke verschiedentlich verschleppt<br />

wurde bzw. gewandert ist.<br />

� Heutige Salzpflanzenflora im<br />

<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

Der Zusammenhang zwischen natürlichen<br />

und anthropogenen salzbeeinflussten<br />

Gebieten sollte am Beispiel<br />

des Sellerie deutlich geworden sein.<br />

Eine klare Trennlinie ist hier kaum zu<br />

ziehen. Für eine Übersicht eignet sich<br />

dennoch eine Aufteilung, wobei eine<br />

Gliederung nach Brandes (1999a) in<br />

„primäre Binnensalzstellen“, „sekundäre<br />

Salzstellen“ und „salzbeeinflusste<br />

Flora an Verkehrsanlagen“ (im Original<br />

„Vegetation“) von uns favorisiert<br />

wird. In Königsborn findet man alle<br />

drei Typen, wobei das primäre Salzgebiet<br />

nicht mehr vorhanden ist.<br />

Sekundäre Salzstellen im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

Blick nach Norden: die Gradierwerke Friedrichsborn und Lange Wand (im Hintergrund).<br />

Foto: Archiv<br />

sind vor allem die Gewässer an den Füßen<br />

der Bergehalden. Hier finden sich<br />

Gräben und Bergsenkungsgewässer,<br />

teils auch miteinander verzahnt bzw.<br />

die Gräben haben durch Bergsenkungen<br />

eine Verbreiterung hin zu einem<br />

Weiher erfahren. Durch salzhaltige<br />

Sickerwässer aus den Halden bildeten<br />

sich hier Salzpflanzenfluren, meist<br />

dominiert durch den Abstehenden<br />

Salzschwaden. Die große Zeit dieser<br />

Gebiete ist allerdings vielfach vorbei.<br />

Oft sickern keine salzhaltigen Wässer<br />

mehr aus den maturierten Halden oder<br />

sie sind mit häufigen salztoleranten Arten<br />

zugewachsen, so dass die bemer-<br />

kenswerteren, weitgehend auf Salzstellen<br />

beschränkten Sippen verdrängt<br />

wurden bzw. ihre Ansiedlungsmöglichkeiten<br />

stark eingeschränkt sind. Der<br />

bemerkenswerteste Fund gelang an<br />

einem großen Flachgewässer am Fuß<br />

der Halde Großes Holz in Bergkamen,<br />

wo sogar ein spärliches Vorkommen<br />

der Strand-Aster, Aster tripolium, entdeckt<br />

werden konnte. Leider existiert<br />

dieses Gewässer, das anfangs einen<br />

extrem hohen Salzgehalt aufwies<br />

(zunächst lebten hier im Wasser nur<br />

Stichlinge, während sich eine breite,<br />

völlig vegetationsfreie Zone rund um<br />

das Gewässer zog und Dutzende von


toten Molchen im Wasser schwammen,<br />

die anscheinend den hohen<br />

Salzgehalt nicht überlebten), nicht<br />

mehr. Eine ausgedehnte Salzpflanzenflur<br />

entwickelte sich Mitte der 1980er<br />

Jahre auch am Fuß einer Halde südlich<br />

des Zechengeländes Königsborn 3/4<br />

in Kamen-Heeren-Werve. Diese Flur<br />

bestand aus einem großen Bestand<br />

des Salzschwadens, dann siedelte sich<br />

die Kriechende Quecke an und dominierte<br />

den Bereich an den trockeneren<br />

Rändern, während ein kleiner Bestand<br />

des Schilfs, Phragmites australis, der<br />

zunächst durch den hohen Salzgehalt<br />

offenbar modifiziert war und niedrigwüchsig<br />

blieb, sich nachfolgend in die<br />

Fläche ausbreitete und die Pflanzen<br />

wohl aufgrund des abnehmenden<br />

Salzgehaltes ihre durchschnittliche<br />

Größe erreichten. Dazwischen siedelte<br />

sich vor allem das Zottige Weidenröschen,<br />

Epilobium hirsutum, an. Inzwischen<br />

ist das Gebiet zugewachsen.<br />

Heute existieren noch ausgedehntere<br />

Fluren des Salzschwadens an Halden<br />

im Stadtgebiet von Lünen.<br />

Der Salzschwaden wuchs auch auf<br />

den brachgefallenen Zechengeländen<br />

an kleinen Lachen und anderen<br />

Feuchtstellen sowie an Lachen und<br />

Flachgewässern auf Halden und an<br />

Klärteichen der Zechen. Ob hier ein<br />

Zusammenhang mit Salzbeeinflus-<br />

sung vorliegt, ist derzeit noch nicht<br />

grundsätzlich geklärt; zumindest für<br />

die Zechenklärteiche ist es jedoch<br />

anzunehmen. Ähnliches gilt wohl<br />

für Gräben und flache Stillgewässer<br />

auf und an Mülldeponien, die jedoch<br />

heute keine Rolle spielen. Wohl ist der<br />

Salzschwaden aber die prominenteste<br />

Sippe der „salzbeeinflussten Flora an<br />

Verkehrsanlagen“, namentlich Straßenrändern.<br />

Derartige Vorkommen<br />

sind zerstreut im gesamten <strong>Kreis</strong>gebiet<br />

vorhanden, sogar in Schwerte-Bürenbruch,<br />

also in den höheren, kaum<br />

urban-industriell geprägten Bereichen.<br />

Allerdings handelt es sich um eine<br />

typische Landstraßenart, die kaum<br />

dagegen an Autobahnen vorkommt.<br />

Typische Autobahnarten sind hingegen<br />

das Dänische Löffelkraut, Cochlearia<br />

danica, die Stink-Kresse, Lepidium<br />

ruderale, sowie die Melden-Arten<br />

Atriplex heterosperma (= A. micrantha)<br />

und A. sagittata. Von der Salz-Schuppenmiere,<br />

Spergularia salina, konnte<br />

bisher nur ein Vorkommen im Kamener<br />

Kreuz entdeckt werden. Die neueste<br />

Autobahn-Salzpflanze ist die Breitblättrige<br />

Kresse, Lepidium latifolium, die<br />

sich ausgehend vom Autobahnkreuz<br />

Dortmund-Nordwest scheinbar recht<br />

langsam ausbreitet (dort zuerst von<br />

H. Haeupler, Bochum, bemerkt). Bei<br />

anderen neueren Autobahnwanderern<br />

NATUR ERLEBEN<br />

wie dem Klebrigen Alant, Pulicaria (=<br />

Dittrichia, Inula) graveolens, oder Loesels<br />

Rauke, Sisymbrium loeselii, bleibt ein<br />

Zusammenhang mit der Salzstreuung,<br />

die für das Auftreten der Salzpflanzen<br />

an Straßenrändern verantwortlich ist,<br />

noch ungewiss, weshalb sie hier nicht<br />

als Salzpflanzen behandelt werden.<br />

Offensichtliche Salzpflanzenvorkommen<br />

an Eisenbahnanlagen im <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> sind äußerst selten. So wurde<br />

hier der Salzschwaden gefunden, selten<br />

auch der Rote Gänsefuß, Chenopodium<br />

rubrum. Ein Vorkommen der<br />

Rosen-Melde, Atriplex rosea, in Kamen,<br />

das nicht klein war, ist inzwischen auf<br />

unerklärliche Weise wieder erloschen.<br />

Da es sich, vom Salzschwaden abgesehen,<br />

nicht um Arten handelt, die<br />

nahezu ausschließlich an Salzstellen<br />

wachsen, blieben diese Vorkommen<br />

bei unserer vorliegenden Studie unberücksichtigt.<br />

Die folgende Tabelle gibt eine Gesamtübersicht<br />

über die Vorkommen<br />

von Salzpflanzen an Salzstellen im<br />

<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>. Ausgeklammert bleiben<br />

die Vorkommen an anderen Standorten,<br />

so ist z. B. Spergularia rubra an<br />

primären Salzstellen erloschen, kommt<br />

aber (neben massenhaften Beständen<br />

an Autobahnen und hier wohl als Salzpflanze)<br />

hauptsächlich noch auf Bahn-<br />

und Brachgelände vor, was jedoch hier<br />

103


104 NATUR ERLEBEN<br />

Agrostis stolonifera s. lat. - Weißes Straussgras<br />

Anthemis perforata - Geruchlose Kamille<br />

Apium graveolens - Echter Sellerie<br />

Aster tripolium - Strand-Aster<br />

Atriplex heterosperma - Verschiedensamige Melde<br />

Atriplex patula - Ausgebreitete Melde<br />

Atriplex prostrata - Spieß-Melde<br />

Atriplex rosea - Rosen-Melde<br />

Atriplex sagittata - Glänzende Melde<br />

Bolboschoenus laticarpus - Breitfrüchtige Strandsimse<br />

Bolboschoenus maritimus - Salz-Strandsimse<br />

Calamagrostis epigejos - Land-Reitgras<br />

Carex hirta - Raue Segge<br />

Carex distans s. lat. - Entferntährige Segge<br />

Carex otrubae - Falsche Fuchs-Segge<br />

Centaurium pulchellum - Kleines Tausendgüldenkraut<br />

Chenopodium glaucum - Blaugrüner Gänsefuß<br />

Chenopodium rubrum - Roter Gänsefuß<br />

Cochlearia danica - Dänisches Löffelkraut<br />

Colobium taraxacoides - Zinnensaat<br />

Coronopus squamatus - Niederligender Krähenfuß<br />

Elymus repens s. lat. - Kriechende Quecke<br />

Epilobium hirsutum - Zottiges Weidenröschen<br />

Erigeron canadensis - Kanadisches Berufskraut<br />

Festuca arundinacea s. lat. - Rohr-Schwingel<br />

Festuca rubra s. lat. - Rot-Schwingel<br />

Hordeum jubatum - Mähnen-Gerste<br />

Juncus compressus – Zusammengedrückte Binse<br />

Juncus gerardii - Botten-Binse<br />

Juncus inflexus - Blaugrüne Binse<br />

Juncus ranarius - Frosch-Binse<br />

Lepidium latifolium – Breitblättrige Kresse<br />

Lepidium ruderale - Stink-Kresse<br />

Lotus glaber - Schmalblättriger Hornklee<br />

Lythrum salicaria – Blut-Weiderich<br />

Odontites vulgaris - Später Zahntrost<br />

Phragmites australis - Schilf<br />

Plantago lanceolata s. lat. - Spitz-Wegerich<br />

Plantago winteri s. lat. - Winters Wegerich<br />

Poa humilis s. lat. - Bläuliches Rispengras<br />

Potamogeton pectinatus – Kamm-Laichkraut<br />

Potentilla anserina - Gänse-Fingerkraut<br />

Puccinellia distans s. lat. – Abstehender Salzschwaden<br />

Pulicaria dysenterica - Große Ruhrwurz<br />

Ranunculus sceleratus - Gift-Hahnenfuß<br />

Rumex maritimus - Strand-Ampfer<br />

Schoenoplectus tabernaemontani - Stein-Simse<br />

Sonchus arvensis - Acker-Gänsedistel<br />

Spergularia rubra - Rote Schuppenmiere<br />

Spergularia salina - Salz-Schuppenmiere<br />

Trifolium fragiferum - Erdbeer-Klee<br />

Triglochin palustre - Sumpf-Dreizack<br />

Zannichellia pedunculata – Salz-Teichfaden<br />

St SE WE LÜ BK KA BÖ UN HW FB SW<br />

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nicht erwähnt wird, da es sich nicht um<br />

Salzpflanzenvorkommen handelt.<br />

Die Abkürzungen in der nebenstehenden<br />

Tabelle bedeuten:<br />

St = Status (bezogen auf die Verhältnisse in<br />

Westfalen insgesamt; Grundlage sind dabei die<br />

Beobachtungen und Studien der Verfasser):<br />

S = Ausschließlich an Salzstellen vorkommende<br />

Sippen<br />

V = Sippen mit Vorkommen vorwiegend an<br />

Salzstellen, aber auch an nicht kochsalzbeeinflussten<br />

Standorten<br />

N = Sippen, die vorwiegend nicht an Salzstellen<br />

vorkommen, jedoch dort große Bestände bilden<br />

und/oder auf den Salzgehalt durch charakteristische<br />

Modifikationen reagieren<br />

A = „Ambivalente“ Sippen, d.h. in gleicher<br />

Weise an Salzstellen und an nicht kochsalzbeeinflussten<br />

Standorten<br />

Die Städte und Gemeinden: SE = Selm, WE =<br />

Werne, LÜ = Lünen, BK = Bergkamen, KA = Kamen,<br />

BÖ = Bönen, UN = <strong>Unna</strong>, HW = Holzwickede,<br />

FB = Fröndenberg, SW = Schwerte.<br />

Darunter werden Vorkommen an Salzstellen in<br />

den einzelnen Kommunen genannt:<br />

P = Vorkommen an primären Salzstellen (nur<br />

Königsborn und nur noch unmittelbar apophytische<br />

Vorkommen, d.h. in der Nähe ehemaliger<br />

primärer Salzstellen)<br />

H = Vorkommen an sekundären Salzstellen<br />

(Soleleitungen, Haldenfüße, Zechengelände,<br />

Haldengewässer, Klärteiche, Parkteich)<br />

R = Vorkommen an Straßenrändern.<br />

Zusätzliche Häufigkeitsangaben:<br />

+ = ausgerottet, ausgestorben oder verschollen<br />

e = einzelnes Vorkommen<br />

m = an mehreren Stellen im Kommunalgebiet<br />

vorkommend<br />

� Fehleinschätzungen<br />

Viele der weitgehend auf Salzstellen<br />

beschränkten Arten wachsen gleich<br />

„häufig“ auch auf stark verdichteten<br />

Tonböden (oft Mergel) – ein Aspekt,<br />

der bei Raabe & Lienenbecker (2004)<br />

unerklärlicherweise noch nicht einmal<br />

als Fußnote erwähnt wird. Beachtet<br />

man dieses Phänomen nicht, kann<br />

man schnell auf eine falsche Fährte<br />

geführt werden. Eine derartige „duale<br />

Autökologie“ zeigen Arten wie der<br />

Erdbeer-Klee – Trifolium fragiferum, die<br />

Ruhrwurz – Pulicaria dysenterica und<br />

die Zusammengedrückte Binse – Juncus<br />

compressus (sowie die meisten<br />

„A“-Arten in der nebenstehenden Tabelle).<br />

Eine weitere hier einzuordnende<br />

Art ist der Schmalblättrige Hornklee,<br />

Lotus glaber (= L. tenuis, L. tenuifolius),<br />

der bei Raabe & Lienenbecker (2004)<br />

ganz falsch eingeschätzt wird, da er<br />

seine Hauptvorkommen im mittleren<br />

Westfalen auf Tonböden besitzt.<br />

Die Art wurde zuerst in den „Sauren<br />

Kämpen“ bei Hamm-Berge gefunden,<br />

die bei Padberg (1897) und Bierbrodt<br />

NATUR ERLEBEN<br />

(1923) fälschlich als Salzstelle interpretiert<br />

werden. Ein vergleichbares<br />

großes Vorkommen existierte in einer<br />

ehemaligen Mergelgrube an der Grenze<br />

Hamm/Kamen/Bönen, ohne dass<br />

hier Salzbeeinflussung festzustellen<br />

war. In jüngster Zeit erscheint die Art<br />

auch in Ansaaten, so dass der floristische<br />

Status immer mit einiger Vorsicht<br />

beurteilt werden muss.<br />

Die Vorkommen der Strandsimse<br />

an der Lippe wurden bislang oft mit<br />

einer Salzbelastung der Lippe gedeutet.<br />

Tatsächlich gab es jedoch keine<br />

weiteren Hinweise in der Flora darauf.<br />

Die aktuelle taxonomische Klärung des<br />

Komplexes zeigt, dass jene Sippe, zuvor<br />

als Hybridkomplex „Bolboschoenus<br />

yagara x maritimus“ eingeschätzt, davor<br />

als „B. maritimus subsp. maritimus“, eine<br />

eigenständige, stabile Art darstellt,<br />

die jüngst von Marhold & al. (2004)<br />

als Bolboschoenus laticarpus beschrieben<br />

wurde. Diese Art ist salztolerant,<br />

kommt aber sehr viel häufiger an nicht<br />

salzbeeinflussten Standorten vor und<br />

ist kein Zeiger derartiger Standorte.<br />

Die üblicherweise an den Salzstellen<br />

vorkommende Art ist B. maritimus im<br />

engeren Sinne (= B. maritimus subsp.<br />

compactus). Wir haben B. laticarpus<br />

hier zusätzlich aufgenommen, weil sie<br />

auch in <strong>Unna</strong>-Königsborn vorkam und<br />

in Werne am Parkteich in Nähe des<br />

105


106 NATUR ERLEBEN<br />

Gradierwerkes wächst (obwohl hier<br />

ein Zusammenhang zunächst einmal<br />

nachzuweisen wäre), ansonsten tritt<br />

diese Art im <strong>Kreis</strong> nirgendwo an Salzstellen<br />

auf und ist auch sonst in Westfalen<br />

an Salzstellen äußerst selten.<br />

Einige von uns publizierte Angaben<br />

werden von Raabe & Lienenbecker<br />

(2004) in Zweifel gezogen. Der wissenschaftssoziologischen<br />

Redlichkeit<br />

halber ist zu erwähnen, dass diese<br />

Zweifel fachlich irrelevant und für die<br />

Zweifler disqualifizierend sind.<br />

Raabe zog bereits seit Längerem<br />

Funde der Botten-Binse und von<br />

Plantago winteri - Winters Wegerich<br />

im Nachbarkreis Soest durch uns in<br />

Zweifel und bezweifelt im Buch diese<br />

Angaben weiterhin, obwohl bei Loos<br />

(1996) zu den Vorkommen Stellung<br />

genommen worden ist und sie auch<br />

bei Haeupler, Jagel & Schumacher<br />

(2003) berücksichtigt wurden. Es<br />

wird moniert, dass den Autoren von<br />

uns keine Herbarbelege von diesen<br />

Funden vorgelegt wurden. Ob sie nun<br />

die Belege gesehen hätten oder nicht,<br />

ist aber unerheblich. Da der Erstautor<br />

die genannten Sippen selbst in Teilen<br />

ihrer Gesamtverbreitungsgebiete, in<br />

Herbarien und in Kultur über Jahre<br />

hinweg taxonomisch und ökologisch<br />

untersucht hat, bestand keine Veranlassung,<br />

diese Feststellungen den ge-<br />

nannten Autoren, die gewiss nicht als<br />

prüfende Kenner dieser Sippen nach<br />

Art einr letzten Instanz in Betracht<br />

kommen, persönlich zu belegen.<br />

Der Fall von Winters Wegerich verdient<br />

eine eingehendere Betrachtung,<br />

weil auch im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> Biotypen<br />

nachgewiesen wurden, die hier eingeordnet<br />

werden können. Die letzte<br />

Formulierung zeigt schon, dass hier<br />

eine komplexere Problematik vorliegt<br />

als sie gemeinhin dargestellt wird.<br />

Selbstbestäubung (Autogamie) sorgt<br />

dafür, dass in der Gruppe des Breit-<br />

Wegerichs (Plantago major s.latiss.,<br />

d.h. im weitesten Sinne), wozu P. winteri<br />

zählt, einerseits recht streng abgegrenzte<br />

Typen auftreten, andererseits<br />

entstehen in Folge von mehr oder minder<br />

regelmäßiger Durchbrechung der<br />

Autogamie mittels Fremdbestäubung<br />

durch Kreuzung zwischen derartigen<br />

Typen neue Sippen. Die auftretenden<br />

Biotypen lassen sich in der Masse drei<br />

allerdings nicht scharf abgegrenzten<br />

Sammelgruppen innerhalb der Großgruppe<br />

des Breit-Wegerichs zuordnen:<br />

Plantago major, P. uliginosa (= P.<br />

intermedia; der Vielsamige Wegerich)<br />

und P. winteri. Verwischt werden diese<br />

Idealtypen durch Sippen, die dem<br />

einen Typ äußerlich nahestehen, aber<br />

z. B. eine Samenanzahl pro Kapsel<br />

aufweisen wie ein anderer. Eine solche<br />

zwischen dem P. major- und dem P.<br />

uliginosa-Typ vermittelnde Sippe, die<br />

als Hybride zwischen beiden gedeutet<br />

wurde, ist P. (x)moravica Chrtek. Es<br />

existieren – oftmals nur bei genauer<br />

statistischer Betrachtung der Pflanzen<br />

– auch äußerlich sichtbare Merkmalsunterschiede<br />

zwischen einzelnen Sippen<br />

innerhalb der genannten Gruppen<br />

(Details s. bei Loos 1996).<br />

Wisskirchen (1998) bezweifelt einige<br />

der bei Loos (1996) angegebenen<br />

Extremwerte bei sonstigen Merkmalen<br />

einer jeweils anderen Sippe; da jedoch<br />

zu einer Absicherung der Ergebnisse<br />

eine hinreichende Zahl von Fruchtkapseln<br />

untersucht und dabei peinlich genau<br />

beachtet wurde, dass die Zahl der<br />

Samen pro Kapsel vollständig erfasst<br />

werden konnte, ist die Möglichkeit<br />

von Zählfehlern hier ebenso definitiv<br />

auszuräumen wie eine mangelnde Beachtung<br />

der übrigen Merkmale. Vielmehr<br />

erscheint Wisskirchens Vorgehen<br />

äußerst fragwürdig, die Komplexität in<br />

der Großgruppe dadurch reduzieren<br />

zu wollen, indem er ein überholtes,<br />

vielschichtig-inkonsequentes Unterartkonzept<br />

reetabliert (ein konsequentes<br />

und die Phylogenese berücksichtigendes,<br />

sinnvolleres Unterartkonzept wird<br />

hingegen bei Loos 1997 dargelegt).<br />

Durch die weitgehende genetische<br />

Isolierung der elementaren Sippen


sind diese viel besser charakterisierte<br />

Arten als manche der als „gute“ Arten<br />

angesehene Pflanzen; vorausgesetzt,<br />

dass das so genannte „Biologische<br />

Artkonzept“ als strenges (wenn auch<br />

bei weitem nicht einziges, vgl. Loos<br />

1997) Definitionskriterium für den<br />

Artrang angesehen wird – sowie<br />

eine genaue Untersuchung sowohl<br />

der augenscheinlichen wie auch der<br />

kryptischen Merkmale. Leider haben<br />

selbst zuvor in dieser Hinsicht fortschrittlichere<br />

Bestimmungsbücher<br />

Wisskirchens Konzeption übernom-<br />

NATUR ERLEBEN<br />

Wo einst Salz gewonnen und gewerblich für ganz Westfalen aufbereitet wurde, wächst heute im Kurpark <strong>Unna</strong>-Königsborn<br />

eine facettenreiche Vegetation. Foto: Archiv<br />

men. Genau diese Simplifizierung der<br />

Verhältnisse findet sich auch bei Raabe<br />

& Lienenbecker (2004: 132) – ohne jeden<br />

Hinweis auf die Konsequenzen der<br />

Selbstbestäubung, ohne jede Erwähnung<br />

der taxonomischen Problematik.<br />

Spätestens damit wird offensichtlich,<br />

107


108 NATUR ERLEBEN<br />

dass die Zweifel genannter Autoren<br />

unangemessen sind.<br />

� Nachhaltiger Salzpflanzenschutz<br />

– möglich oder nicht?<br />

Salzpflanzenschutz ist in erster<br />

Instanz Biotopschutz. Das gilt naturgemäß<br />

für die primären Salzstellen.<br />

In Königsborn ist diese Möglichkeit<br />

verwirkt, es sei denn, es lässt sich wieder<br />

eine ergiebige Salzquelle freilegen.<br />

Angesichts der finanziellen Engpässe<br />

der Kommunen sind derartige Überlegungen<br />

reinste Utopie. Der Fokus<br />

kann daher nur auf den sekundären<br />

Salzstellen liegen. Ein Schutz von Straßenrändern<br />

bzw. besonders von Autobahnmittelstreifen<br />

erscheint dagegen<br />

zumindest derzeit als kaum denkbar.<br />

Die dort auftretenden Arten sind auch<br />

in der Regel in Ausbreitung begriffen<br />

und die vormalige Gefährdungseinstufung<br />

der betreffenden Arten ist eher<br />

zurückzunehmen.<br />

Der Rückgang der salzbeeinflussten<br />

Gewässer an Haldenfüßen ist zumindest<br />

teilweise nicht aufzuhalten, zumindest<br />

soweit, wie die Aussickerung<br />

von salzhaltigen Wässern nachlässt.<br />

Schutzmaßnahmen können allerdings<br />

für persistent salzbeeinflusste Gewässer<br />

eingeleitet werden, indem:<br />

1. die Ausbreitung von konkurrenzstarken<br />

Arten verhindert wird (zu Pfle-<br />

gemaßnahmen und Verhinderung<br />

von Überwachsung durch Schilf<br />

und Queckenrasen an primären<br />

Salzstellen finden sich z. B. einige<br />

instruktive Aufsätze bei Brandes<br />

1999b – entsprechende Konzepte<br />

müssten für die sekundären Salzstellen<br />

entwickelt werden);<br />

2. die Umgestaltung von Bergehalden,<br />

Zechenklärteichen und ihrer<br />

Umgebung zumindest dort, wo<br />

bemerkenswerte Salzpflanzen-<br />

Vorkommen existieren, verhindert<br />

wird und der Status quo erhalten<br />

bleibt (Beispiele für die Bedrohung<br />

von Salzpflanzenbeständen s. bei<br />

Büscher 1999).<br />

In Werne wurde vor Jahren die Anlage<br />

eines „Salzgartens“ am Gradierwerk<br />

angedacht, um die Bevölkerung<br />

für die Thematik der Salzpflanzen zu<br />

sensibilisieren. Leider konnte keine<br />

politische Mehrheit für eine solche<br />

Anlage gewonnen werden. Tatsächlich<br />

sollte aber auch darüber weiter<br />

nachgedacht werden, um den Schutz<br />

derartiger Fluren an Bergehalden verständlich<br />

darstellen und begründen zu<br />

können. Alternativ zu dem Standort<br />

in Werne könnte ein solcher Garten<br />

auch in <strong>Unna</strong>-Königsborn eingerichtet<br />

werden.<br />

Ein wesentliches Argument der<br />

Gegner des Schutzes sekundärer<br />

Salzstellen ist die Tatsache, dass es<br />

sich bei den dort vorkommenden Salzpflanzen<br />

nicht um primär einheimische<br />

Vorkommen, sondern um neophytische,<br />

wenigstens aber apophytische<br />

Bestände handelt. Und genau hier ist<br />

ein Unterschied anzulegen: Apophytische<br />

Vorkommen sind Überlebende<br />

der ehemaligen primären Salzstellen,<br />

während neophytische Bestände neu<br />

in den Großraum eingewandert sind.<br />

Unterscheiden lassen sie sich in der<br />

Regel nicht augenscheinlich, sondern<br />

nur nach kryptischen, insbesondere<br />

das Genom betreffenden Merkmalen.<br />

Auch hierzu kann man nur von Laborarbeiten<br />

(insbesondere DNA-Sequenzierungen)<br />

Klarheit erwarten. Konsequenter<br />

Salzpflanzenschutz – gleich<br />

welcher Art – erfordert jedenfalls<br />

einige finanzielle Aufwendungen.<br />

Literatur<br />

Bierbrodt, W. (1923): Die Pflanzenwelt unserer<br />

Heimat. Beiträge zur Flora des <strong>Kreis</strong>es Hamm.<br />

– Manuskript. Kamen.<br />

v. Bönninghausen, C. M. F. (1824): Prodromus<br />

Florae Monasteriensis westphalorum.<br />

– Münster.<br />

Brandes, D. (1999a): Flora und Vegetation<br />

salzbeeinflußter Habitate im Binnenland - eine<br />

Einführung. - Braunschweiger Geobotanische<br />

Arbeiten 6: 7-12.


Brandes, D. (Hrsg.) (1999b): Vegetation salz-<br />

beeinflußter Habitate im Binnenland. – Braun-<br />

schweiger Geobotanische Arbeiten 6.<br />

Büscher, D. (1984): Über das Vorkommen<br />

des Abstehenden Salzschwadens (Puccinellia<br />

distans (L.) Parl.) und der Mähnen-Gerste<br />

(Hordeum jubatum L.) im östlichen Ruhrgebiet.<br />

- Dortmunder Beiträge zur Landeskunde<br />

18: 47-54.<br />

Büscher, D. (1999): Salztolerante Pflanzen in<br />

Mittelwestfalen. - Braunschweiger Geobotanische<br />

Arbeiten 6: 193-200.<br />

Ellenberg, H., Weber, H. E., Düll, R., Wirth, V.,<br />

Werner, W. & D. Paulissen (1992): Zeigerwerte<br />

der Gefäßpflanzen Mitteleuropas. 2. Aufl.<br />

– Scripta Geobotanica (Göttingen) XVIII.<br />

Haeupler, H., Jagel, A. & Schumacher, W.<br />

(2003): Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen<br />

in Nordrhein-Westfalen. - Recklinghausen.<br />

Jüngst, L. V. (1869): Flora Westfalens. 3. Aufl.<br />

– Bielefeld.<br />

Loos, G. H. (1996): Sind Juncus gerardii LOI-<br />

SEL. und Plantago winteri WIRTG. obligate oder<br />

fakultative Halophyten? – Flor. Rundbr. 30 (2):<br />

154-157.<br />

Loos, G. H. (1997): Definitionsvorschläge für<br />

den Artbegriff und infraspezifische Einheiten<br />

aus der Sicht eines regionalen Florenprojektes.<br />

– Dortmunder Beitr. Landeskde. 31: 247-266.<br />

Marhold, K., Hroudová, Z., Duchácek, M. &<br />

Zákravsky, P. (2004): The Bolboschoenus maritimus<br />

group (Cyperaceae) in Central Europe,<br />

including B. laticarpus spec. nova. – Phyton<br />

(Horn) 44 (1): 1-21.<br />

Meigen, J. W. & Weniger, H. L. (1819): Systematisches<br />

Verzeichnis der an den Ufern des<br />

Rheins, der Roer, der Maas, der Ourte und in<br />

den angränzenden Gegenden wild wachsenden<br />

und gebaut werdenden phanerogamischen<br />

Pflanzen. – Rommerskirchen, Köln.<br />

Michel, G. (2004): Hydrogeologie des Salzwassers.<br />

– In: Raabe, U. & Lienenbecker, H.,<br />

Salzstellen in Westfalen und im angrenzenden<br />

Niedersachsen, pp. 15-37. Bielefeld (Ilex-Bücher<br />

<strong>Natur</strong> 4).<br />

NATUR ERLEBEN<br />

Padberg, F. (1897): Zur Flora von Hamm in<br />

Westfalen. – Allgem. Bot. Zeitschr. (Karlsruhe)<br />

3 (7/8).<br />

Raabe, U. & Lienenbecker, H. (2004): Salzstellen<br />

in Westfalen und im angrenzenden Niedersachsen.<br />

– Bielefeld (Ilex-Bücher <strong>Natur</strong> 4).<br />

Runge, F. (1990): Die Flora Westfalens. 3. Aufl.<br />

– Münster.<br />

Suffrian, E. (1836): Beitrag zu genaueren<br />

Kenntnis der Flora von Dortmund. – Flora 19<br />

(1, 20): 305-316; 19 (1, 21): 321-326.<br />

Timm, W. (1978): Von den Brockhauser<br />

Salzwerken zur Saline Königsborn. – Hagener<br />

Hefte 7.<br />

Walter, H.-H. (2004): Salzgewinnung und<br />

Salinen in früherer Zeit – In: Raabe, U. & Lienenbecker,<br />

H., Salzstellen in Westfalen und<br />

im angrenzenden Niedersachsen, pp. 38-72.<br />

Bielefeld (Ilex-Bücher <strong>Natur</strong> 4).<br />

Wisskirchen, R. (1998): Plantago L. – In: Wisskirchen,<br />

R. & Haeupler, H., Standardliste der<br />

Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands, pp.<br />

366-370. Stuttgart.<br />

109


110 NATUR ERLEBEN<br />

� Öko-Landbau als nachhaltiger Schutz für Ackerbeikräuter<br />

Beobachtungen zur Begleitflorendiversität des<br />

ökologischen Ackerbaus im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

von Götz Heinrich Loos und<br />

Klaus-Günter Zander<br />

Der Rückgang der Vielfalt an<br />

Ackerbeikräutern (auch Ackerkräuter,<br />

Ackerunkräuter, „Ackerwildkräuter“,<br />

Ackerbegleitpflanzen<br />

o.ä.) gehört zu den Themen des<br />

Arten- und Zönosenschutzes, die<br />

im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> ehemals vorrangig<br />

aufgegriffen wurden.<br />

Weil durch die inzwischen sehr ungünstigen<br />

Entschädigungsleistungen<br />

das Ackerrandstreifenprogramm, bei<br />

dem äußere Streifen sonst intensiv<br />

bewirtschafteter Äcker aus der Behandlung<br />

mit Herbiziden und Mineraldüngung<br />

genommen werden, nahezu<br />

in die Bedeutungslosigkeit geführt<br />

haben, sind die Überlebensmöglichkeiten<br />

von Sippen, die sich nicht an die<br />

Intensivbehandlung anpassen können,<br />

erneut äußerst problematisch geworden<br />

(s. auch Hitzke 1997).<br />

Bereits Ende der 1980er Jahre<br />

galten von den 250 früher in Nordrhein-Westfalen<br />

als typische Be-<br />

gleiter des Getreides angesehenen<br />

Blütenpflanzenarten 86 (das sind 34,4<br />

% der Gesamtzahl) als ausgestorben,<br />

verschollen oder gefährdet (Kalkkuhl<br />

1991). Besonders betroffen sind die<br />

Pflanzengesellschaften der (Winter-)Halmfruchtbestände<br />

(van Elsen<br />

1989; Hofmeister & Garve 1998).<br />

In zahlreichen vergleichenden Untersuchungen<br />

wurde nachgewiesen,<br />

dass auf ökologisch bewirtschafteten<br />

Getreideäckern bis zu fünffach und im<br />

Bestandesinneren sogar bis zu sechsfach<br />

höhere Artenzahlen der typischen<br />

Ackerbegleitpflanzen zu finden sind<br />

als auf konventionell bearbeiteten<br />

Vergleichsflächen (Frieben 1997; The<br />

Soil Association 2001). Dass in einigen<br />

Bereichen des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> aufgrund<br />

historischer Angaben und Herbarbelege<br />

potenziell mit einer reichen Ackerflora<br />

gerechnet werden kann, belegen<br />

die Zusammenstellungen bei Büscher<br />

(1985). Nachfolgende Auswertungen<br />

von Herbarien sowie des Herbars und<br />

der Botanischen Tagebücher des vormaligen<br />

<strong>Kreis</strong>naturschutzbeauftragten<br />

W. Bierbrodt durch D. Büscher und<br />

den Erstautor (bereits weitgehend<br />

berücksichtigt in den Karten bei Hae<br />

upler, Jagel & Schumacher 2003), die<br />

freundlicherweise Herr Prof. Dr. H.<br />

Ant (Münster) ermöglichte, ergaben<br />

für einige, heute im <strong>Kreis</strong>gebiet akut<br />

vom Aussterben bedrohte oder ausgestorbene<br />

bzw. verschollene Arten<br />

weitere, z. T. überraschende Nachweise<br />

(z. B. Ranunculus arvensis, der<br />

Acker-Hahnenfuß, ehemals verbreitet<br />

in den Kamener Mergelgebieten;<br />

Legousia speculum-veneris, der Große<br />

Frauenspiegel, in einem Acker in Kaiserau/Kamen-Methler;<br />

etc.).<br />

Während sich die Erfolgskontrollen<br />

des Ackerrandstreifenprogramms in<br />

den 1980er/90er Jahren naturgemäß<br />

auf die im Programm befindlichen, außerhalb<br />

der betreffenden Randstreifen<br />

fast immer intensiv bewirtschafteten<br />

Äcker bezogen, blieben die ökologisch<br />

bewirtschafteten Äcker weitestgehend<br />

unbeachtet (zur Definition von Öko-<br />

Landbau vgl. vor allem SRU 1994, UBA<br />

1997 und speziell für Nordrhein-Westfalen<br />

MUNLV NRW 2000). Erst seit<br />

1995 hat der Erstautor im Öko-Land-


au stehende Ackerflächen (Wintergetreide,<br />

selten Hackfrüchte) in Bergkamen<br />

(Weddinghofen), Kamen (Lüner<br />

Höhe, Methler), Bönen (Bramey-Lenningsen)<br />

und <strong>Unna</strong> (nördliches Haarstranggebiet)<br />

systematisch floristisch<br />

untersucht. Der Zweitautor schließlich<br />

unternahm im Rahmen eines Teils seiner<br />

Diplomarbeit (Zander 2004) eine<br />

vergleichende Untersuchung von zwei<br />

Flächen im Öko-Landbau und einem<br />

konventionell bewirtschafteten Acker<br />

in Bergkamen (Weddinghofen) über<br />

die Vegetationsperiode 2001 hinweg.<br />

Wesentliche Ergebnisse dieser Untersuchungen<br />

und Schlussfolgerungen<br />

in Hinblick auf einen nachhaltigen<br />

Schutz von Ackerbeikräutern werden<br />

– im Anschluss auf einen Blick auf die<br />

Situation der Landwirtschaft, insbesondere<br />

den Öko-Landbau – im Folgenden<br />

dargestellt (wissenschaftliche<br />

Pflanzennamen nach Büscher & Loos<br />

mscr., „Flora des mittleren Westfalen“;<br />

bei evtl. mehrdeutigen Sippennamen<br />

ohne Zusatz „s. lat.“ sind diese immer<br />

im engeren taxonomischen Sinne<br />

gemeint).<br />

� Anteil des Öko-Landbaus<br />

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft<br />

bewirkt im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> wie<br />

generell einen erheblichen Rückgang<br />

der landwirtschaftlichen Betriebe.<br />

Von den 1154 Betrieben, die man<br />

im Jahre 1987 im <strong>Kreis</strong>gebiet zählte,<br />

waren 1999 nur noch 780 Betriebe<br />

übrig. Somit hat sich deren Anzahl<br />

innerhalb einer Zeitspanne von lediglich<br />

zwölf Jahren um fast ein Drittel<br />

verringert. Alle Prognosen besagen,<br />

dass sich das „Höfesterben“ in den<br />

kommenden Jahren nicht nur fortsetzen,<br />

sondern noch beschleunigen wird<br />

(Drees 2001). Besonders betroffen<br />

sind hauptsächlich kleinere bis mittlere<br />

und Nebenerwerbsbetriebe. Die überwiegend<br />

verbleibenden Großbetriebe<br />

sind schon derzeit stark technisiert<br />

und rationalisiert, wobei das geregelte<br />

Ausbringen von Herbiziden, Gülle und<br />

Kunstdünger zu den standardisierten<br />

Verfahren im Ablauf der Anbaupflanzenproduktion<br />

gehört. Um einerseits<br />

dem Höfesterben entgegenzuwirken<br />

und andererseits Umwelt und <strong>Natur</strong>schutz<br />

mit der landwirtschaftlichen<br />

Produktion zu verbinden, wurden<br />

im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> verschiedene Projekte<br />

auf den Weg gebracht. Ziele sind der<br />

fortschreitenden Globalisierung auch<br />

in der Landwirtschaft durch Stärkung<br />

und Unterstützung lokaler und regionaler<br />

Wirtschaftsstrukturen entgegenzutreten.<br />

Ein Beispiel war die Aktion<br />

„UNsere Knolle“: Kartoffelanbau nach<br />

strengen Qualitätskriterien, unter<br />

Verzicht auf Herbizide und der Redu-<br />

NATUR ERLEBEN<br />

Papaver rhoeas – Klatsch-Mohn.<br />

Foto: Margenburg<br />

zierung von Düngemitteln, lediglich<br />

unter Einsatz des hofeigenen Mistes<br />

(Helberg-Gödde 2000). Leider musste<br />

das Projekt wegen Schwierigkeiten bei<br />

der Verarbeitung und Vermarktung<br />

111


112 NATUR ERLEBEN<br />

der Kartoffeln im Jahr 2004 eingestellt<br />

werden.<br />

Trotzdem wird mit einem Anteil von<br />

56,7 % an der Gesamtfläche des <strong>Kreis</strong>gebietes<br />

vorwiegend intensiver Ackerbau<br />

betrieben (<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> 2000). Mit<br />

einem Anteil von lediglich 0,55 % oder<br />

knapp 170 ha an der gesamten landwirtschaftlich<br />

genutzten Fläche des<br />

<strong>Kreis</strong>gebietes (mündl. Mitt. BIOLAND<br />

und NATURLAND am 25.09.2000)<br />

liegen die ökologisch bewirtschafteten<br />

Flächen deutlich unter dem NRW-<br />

Landesdurchschnitt von 3 % bzw.<br />

45.039 ha (SÖL 2003) und sind damit<br />

in einem traditionellen Ackerbaugebiet<br />

wie den Hellwegbörden deutlich unterrepräsentiert.<br />

Im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> wirtschaften<br />

weniger als zehn Landwirte<br />

nach den Richtlinien der Verbände BI-<br />

OLAND und NATURLAND. Daneben<br />

gibt es den Erzeugerzusammenschluss<br />

NEULAND Westfalen e.V., der sich die<br />

artgerechte Tierhaltung auf die Fahnen<br />

geschrieben hat.<br />

Ob in Zukunft durch die verschiedenen<br />

Förderprogramme der EU, des<br />

Bundes und des Landes eine Ausbreitung<br />

und Ausweitung des Öko-Landbaus<br />

im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> eintreten wird,<br />

bleibt abzuwarten.<br />

� Die Bodenverhältnisse<br />

Die Bodenverhältnisse in allen<br />

Frucht des Klatsch-Mohns. Foto: Margenburg<br />

untersuchten Bereichen sind für den<br />

Getreideanbau jedenfalls günstig, sie<br />

weisen schon von <strong>Natur</strong> aus einen<br />

hohen Nährstoffgehalt auf. Während<br />

in Bergkamen und Kamen die<br />

Untersuchungsflächen auf sandigen<br />

Löss-Lehmböden, z. T. mit Lössschleier,<br />

der stellenweise über pleistozänen<br />

Geschiebelehm und/oder Emschertonmergel<br />

lagert, liegen, ist der<br />

Lehm- und Tonanteil bei den Flächen<br />

in Bönen und <strong>Unna</strong> höher (in Bönen<br />

noch deutlicher bestimmt durch den<br />

Emschermergel), während der Sand<br />

zurücktritt. Allerdings lassen sich<br />

bereits innerhalb eines Ackers Bodenartenwechsel<br />

erkennen, der ebenso<br />

die Bodentypen bestimmt, welche<br />

von Braunerden bis zu Gleyen und<br />

Pseudogleyen reichen. Abgesehen von<br />

einigen Äckern in Auenlage in Bönen<br />

liegen alle Flächen in seit langem (z.<br />

T. seit der Jungsteinzeit) als Ackerflur<br />

genutzten Abschnitten der Börde. Sie<br />

sind fast sämtlich von ausgedehnten<br />

konventionell genutzten Ackerschlägen<br />

umgeben.<br />

� Gesamtübersicht Ackerflora<br />

Die konventionell genutzten Äcker


weisen in der Regel eine sehr geringe<br />

Sippendiversität aufweisen, die sich<br />

nicht nur durch die Herbizide ergibt,<br />

sondern auch das dichtstehende und<br />

niedrigwüchsige Getreide. Im Allgemeinen<br />

handelt es sich um Sippen,<br />

gegen die Selektivherbizide eingesetzt<br />

werden müssen: Zum einen Gräser,<br />

zum zweiten herbizidresistente Sippen<br />

der Zweikeimblättrigen und zum dritten<br />

solche, die mit den sich im Zuge<br />

des Getreidewachsens zunehmend<br />

ungünstiger gestaltenden Belichtungsverhältnissen<br />

zurecht kommen (wobei<br />

es hier viele Überschneidungen mit der<br />

zweiten Gruppe gibt). An Gräsern sind<br />

es im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> regelmäßig – je nach<br />

Bodenverhältnissen – Elymus repens,<br />

die Quecke, Alopecurus myosuroides,<br />

das Acker-Fuchsschwanzgras, Bromus<br />

sterilis, die Taube Trespe, Apera spicaventi,<br />

der Windhalm, Poa trivialis, das<br />

Gewöhnliche Rispengras, Dactylis glomerata,<br />

das Knäuelgras und bei höheren<br />

Feuchtegraden Holcus lanatus, das<br />

Wollige Honiggras. Im Unterwuchs<br />

kommt noch Poa annua, das Einjährige<br />

Rispengras, hinzu – sowie Festuca<br />

(früher Lolium) perennis, das Deutsche<br />

Weidelgras.<br />

Bei den anderen Pflanzen finden<br />

sich in den Getreideäckern überwiegend<br />

durch Mineraldünger und<br />

Gülle geförderte Stickstoffzeiger wie<br />

Cirsium arvense, die Acker-Kratzdistel,<br />

Galium aparine, das Kletten-Labkraut,<br />

Glechoma hederacea, der Gundermann,<br />

Heracleum sphondylium, der<br />

Wiesen-Bärenklau, Lapsana communis,<br />

der Rainkohl, sowie Urtica dioica, die<br />

Große Brennnessel. Häufig ist auch<br />

die Geruchlose Kamille, Anthemis (=<br />

Tripleurospermum) perforata, während<br />

die Echte Kamille deutlich zurücktritt.<br />

Als schattenverträgliche Arten<br />

wachsen im Unterwuchs meist Stellaria<br />

media s.lat., die Vogelmiere, Viola<br />

arvensis, das Acker-Stiefmütterchen,<br />

Veronica arvensis, der Feld-Ehrenpreis,<br />

überwiegend auf dichteren Böden<br />

auch häufig der Kriechende Hahnenfuß,<br />

Ranunculus repens. Die beiden<br />

häufigsten Arten, die einen besseren<br />

Lichtgenuss erzielen, indem sie am<br />

Getreide hochranken können, sonst<br />

aber auch im Unterwuchs erscheinen,<br />

sind die Acker-Winde, Convolvulus arvensis,<br />

und die Zaun-Winde, Calystegia<br />

sepium. Weitere Sippen, die der Zweitautor<br />

im untersuchten konventionellen<br />

Acker in Bergkamen-Weddinghofen<br />

finden konnte, sind: Achillea millefolium<br />

– Wiesen-Schafgarbe, Alliaria petiolata<br />

– Knoblauchsrauke, Anthriscus sylvestris<br />

– Wiesen-Kerbel, Cardamine hirsuta<br />

– Behaartes Schaumkraut, Crepis capillaris<br />

– Kleinköpfiger Pippau, Lamium<br />

album – Weiße Taubnessel, Plantago<br />

NATUR ERLEBEN<br />

lanceolata s. lat. – Spitz-Wegerich,<br />

Stellaria holostea – Große Sternmiere,<br />

Taraxacum sect. Ruderalia spp. – Löwenzahn<br />

und Trifolium repens – Weiß-<br />

Klee. Während die Große Sternmiere<br />

eine Ausnahmeerscheinung ist, die<br />

vom benachbarten Saum eingewandert<br />

ist, finden sich die anderen relativ<br />

regelmäßig in konventionell genutzten<br />

Äckern des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>, wenn auch<br />

oft nur vereinzelt. Eine repräsentative<br />

Erhebung möglichst vieler konventioneller<br />

Äcker – auch mit Häufigkeiten<br />

innerhalb der Untersuchungsflächen<br />

– steht allerdings noch aus. Generell<br />

sollte allerdings die relative Sippenarmut<br />

auffallen. Viele der genannten<br />

Arten gelten als „Problemunkräuter“,<br />

weil sie nicht auf Breitbandherbizide<br />

ansprechen – aufgrund der oben<br />

genannten Eigenschaften. Neben der<br />

höheren Sippenzahl ist auch die Individuenzahl<br />

und -dichte in den ökologisch<br />

bewirtschafteten Äckern auffällig, die<br />

mitunter eine exakte Erfassung der Gesamtflora<br />

erschwert. Folgende Sippen<br />

wurden in den untersuchten Öko-Flächen<br />

zwischen 1995 und 2005 festgestellt<br />

(Sippen in Fettdruck werden als<br />

Ackerbegleitpflanzen bei Wolff-Straub<br />

1989 geführt; Frequenzangaben: x =<br />

in einem der untersuchten Äcker, xx =<br />

in mehreren Äckern, xxx = in nahezu<br />

allen Äckern):<br />

113


114 NATUR ERLEBEN<br />

Acer pseudoplatanus – Berg-Ahorn (Jungpflanze) x<br />

Bergkamen Kamen Bönen <strong>Unna</strong><br />

Achillea millefolium – Wiesen-Schafgarbe xx xx x x<br />

Aethusa cynapium s. lat. – Hundspetersilie x xx x<br />

Alopecurus myosuroides – Acker-Fuchsschwanzgras xx xxx xxx xx<br />

Alopecurus pratensis – Wiesen-Fuchsschwanzgras x<br />

Anagallis arvensis – Acker-Gauchheil xx x xx xx<br />

Anthemis perforata – Geruchlose Kamille xxx xxx xx xxx<br />

Apera spica-venti – Windhalm xx xx x x<br />

Aphanes arvensis – Acker-Sinau xx xxx xx xx<br />

Arabidopsis thaliana – Acker-Schmalwand xx xx x xxx<br />

Arrhenatherum elatius – Glatthafer xx xx xx<br />

Artemisia vulgaris – Beifuß x x<br />

Atriplex patula – Ausgebreitete Melde xx xx<br />

Brassica napus – Raps xx x x x<br />

Bromus hordeaceus – Weiche Trespe xx xx xx<br />

Bromus inermis – Wehrlose Trespe x<br />

Bromus sterilis – Taube Trespe xxx xxx xxx xxx<br />

Calystegia sepium – Zaun-Winde xx xx xx x<br />

Capsella bursa-pastoris s. lat. – Hirtentäschelkraut xxx xxx xxx xxx<br />

Cardamine hirsuta – Behaartes Schaumkraut xx xx x<br />

Carduus multiflorus – Krause Distel x x xx x<br />

Carex hirta – Raue Segge x<br />

Centaurea cyanus – Kornblume x<br />

Cerastium glomeratum – Knäuel-Hornkraut xx x x<br />

Cerastium semidecandrum – Sand-Hornkraut xx<br />

Cerastium tomentosum – Filziges Hornkraut x<br />

Cerastium vulgare - Gewöhnliches Hornkraut xx xx xx xx<br />

Chaerophyllum temulum – Taumel-Kälberkropf x x<br />

Chamerion angustifolium – Wald-Weidenröschen x<br />

Chenopodium album – Weißer Gänsefuß xx xx x xx<br />

Chenopodium lanceolatum – Lanzettblättriger Gänsefuß xx xx<br />

Chenopodium polyspermum – Vielsamiger Gänsefuß x x x x<br />

Cirsium arvense – Acker-Kratzdistel xxx xxx xxx xx


NATUR ERLEBEN<br />

Bergkamen Kamen Bönen <strong>Unna</strong><br />

Cirsium vulgare – Lanzett-Kratzdistel x xx<br />

Convolvulus arvensis – Acker-Winde xxx xx xxx xxx<br />

Crepis capillaris – Kleinköpfiger Pippau xx xx x<br />

Dactylis glomerata – Knäuelgras xxx xxx xx xxx<br />

Daucus carota – Wilde Möhre x xx<br />

Echinochloa crus-galli – Hühnerhirse x<br />

Elymus repens – Kriechende Quecke xx xx xx x<br />

Epilobium adenocaulon – Drüsiges Weidenröschen xx x x<br />

Epilobium lamyi – Lamys Weidenröschen x<br />

Epilobium parviflorum – Kleinblütiges Weidenröschen x xx x x<br />

Epilobium tetragonum – Vierkantiges Weidenröschen x<br />

Equisetum arvense – Acker-Schachtelhalm xx x x x<br />

Erigeron canadensis – Kanadisches Berufkraut xx xx xx xx<br />

Euphorbia helioscopia – Sonnenwendige Wolfsmilch xxx xx xx x<br />

Fallopia convolvulus – Winden-Knöterich xx x x<br />

Festuca arundinacea s. lat. – Rohr-Schwingel xx xx xx xx<br />

Festuca italica = composita – Welsches Weidelgras xxx xx x<br />

Festuca perennis – Deutsches Weidelgras xxx xxx xx xxx<br />

Fumaria officinalis – Echter Erdrauch x<br />

Galium aparine – Kletten-Labkraut xxx xxx xxx xxx<br />

Geranium dissectum – Schlitzblättriger Storchschnabel xx xx xx<br />

Geranium pusillum – Kleiner Storchschnabel x x<br />

Glechoma hederacea – Gundermann xx xxx xxx xx<br />

Gnaphalium uliginosum – Sumpf-Ruhrkraut xx xx x x<br />

Heracleum sphondylium – Wiesen-Bärenklau x xx xx xx<br />

Holcus lanatus – Wolliges Honiggras xx xx xx xx<br />

Juncus bufonius – Kröten-Binse x x<br />

Lactuca serriola (integrifolia) – Stachel-Lattich x<br />

Lamium album – Weiße Taubnessel xx x xx xx<br />

Lamium maculatum – Gefleckte Taubnessel x<br />

Lamium purpureum – Rote Taubnessel xxx xxx xx xx<br />

Lapsana communis – Rainkohl xxx xxx xxx xxx<br />

Lathyrus pratensis – Wiesen-Platterbse xx x<br />

115


116 NATUR ERLEBEN<br />

Bergkamen Kamen <strong>Unna</strong> Bönen<br />

Lathyrus tuberosus – Erdnuss-Platterbse x<br />

Leontodon autumnalis – Herbst-Löwenzahn x<br />

Lotus sativus – Saat-Hornklee xx x<br />

Lotus uliginosus – Sumpf-Hornklee xx<br />

Matricaria discoidea – Strahllose Kamille xx x x xx<br />

Matricaria recutita – Echte Kamille xx xxx xx xxx<br />

Medicago lupulina s. lat. – Hopfenklee xx x xx<br />

Myosotis arvensis – Acker-Vergissmeinnicht xx xxx x xxx<br />

Papaver rhoeas – Klatsch-Mohn xxx xx xxx xxx<br />

Persicaria amphibia – Wasser-Knöterich xx x<br />

Persicaria hydropiper – Wasserpfeffer x x<br />

Persicaria maculosa – Floh-Knöterich xx xx xx xx<br />

Persicaria pallida – Acker-Knöterich xx xx x xx<br />

Phleum pratense s. lat. – Wiesen-Lieschgras xx xx xx xx<br />

Plantago lanceolata s. lat. – Spitz-Wegerich xx xx x<br />

Plantago major s. lat. – Breit-Wegerich xxx xxx xxx xxx<br />

Plantago uliginosa s. lat. – Vielsamiger Wegerich xxx xx xx xx<br />

Poa annua – Einjähriges Rispengras xxx xxx xxx xxx<br />

Poa trivialis – Gewöhnliches Rispengras xxx xxx xxx xxx<br />

Polygonum arenastrum – Gleichblättriger Vogelknöterich xx xx x x<br />

Polygonum aviculare – Großer Vogelknöterich xx xx xx<br />

Potentilla anserina – Gänse-Fingerkraut xx x xxx x<br />

Potentilla reptans – Kriechendes Fingerkraut xx<br />

Ranunculus arvensis – Acker-Hahnenfuß x<br />

Ranunculus repens –Kriechender Hahnenfuß xxx xxx xxx xx<br />

Rorippa sylvestris s. lat. – Wilde Sumpfkresse x x<br />

Rumex acetosella – Kleiner Sauer-Ampfer xx<br />

Rumex crispus – Krauser Ampfer xx xx xxx xx<br />

Rumex obtusifolius – Stumpfblättriger Ampfer xxx xxx xxx xx<br />

Sagina procumbens – Niederliegendes Mastkraut xx x xx x<br />

Senecio inaequidens – Schmalblättriges Greiskraut xx<br />

Senecio jacobaea – Jakobs-Greiskraut x x<br />

Senecio vulgaris – Gewöhnliches Greiskraut xx xx x x


Silene pratensis – Weiße Lichtnelke x x<br />

NATUR ERLEBEN<br />

Bergkamen Kamen Bönen <strong>Unna</strong><br />

Sinapis arvensis – Acker-Senf xx xxx xx<br />

Sisymbrium officinale – Wege-Rauke xx xx xx xx<br />

Sonchus arvensis – Acker-Gänsedistel x xx<br />

Sonchus asper – Raue Gänsedistel xx xx xx xx<br />

Sonchus oleraceus – Kohl-Gänsedistel x xx x<br />

Stellaria media s. lat. – Vogelmiere xxx xxx xxx xxx<br />

Taraxacum sect. Ruderalia spp. Löwenzahn (u.a. T. alatum, T.<br />

hemicyclum, T. laticordatum, T. pannucium)<br />

xxx xxx xxx xxx<br />

Thlaspi arvense – Acker-Hellerkraut xx x<br />

Trifolium hybridum – Schweden-Klee x x<br />

Trifolium repens – Weiß-Klee xxx xx xxx xx<br />

Trifolium sativum s. lat. – Saat-Rot-Klee xx xx xx xx<br />

Urtica dioica – Große Brennnessel xxx xxx xxx xxx<br />

Veronica arvensis – Feld-Ehrenpreis xx xx xx x<br />

Veronica beccabunga – Bachbunge x<br />

Veronica hederifolia – Efeu-Ehrenpreis xx xxx xx xx<br />

Veronica persica – Persischer Ehrenpreis xx xx x xx<br />

Veronica sublobata – Hain-Ehrenpreis x<br />

Vicia angustifolia – Schmalblättrige Wicke xx<br />

Vicia cracca – Vogel-Wicke xx x<br />

Vicia hirsuta – Behaarte Wicke xx xx xx xx<br />

Vicia segetalis – Getreide-Wicke xx x<br />

Vicia tetrasperma – Viersamige Wicke xx x xx xx<br />

Vicia villosa – Zottel-Wicke xx<br />

Viola arvensis – Acker-Stiefmütterchen xx xxx xx xxx<br />

� Auffälligkeiten und<br />

Besonderheiten<br />

Unter den genannten Sippen fällt<br />

auf, dass praktisch das gesamte<br />

Spektrum an nährstoffbevorzugenden<br />

Ackerbegleitpflanzen vorhanden ist<br />

und diese auch in den meisten Äckern<br />

auftreten. Auch ohne Gülle und Kunstdünger<br />

ist der Boden nährstoffreich<br />

genug, um diese Arten zu fördern.<br />

Arten, die vorwiegend auf ärmeren<br />

Böden zu finden sind (wie Cerastium<br />

semidecandrum, Rumex acetosella und<br />

Vicia angustifolia) treten ausschließlich<br />

auf den Bergkamener Äckern auf, wo<br />

z. T. der Sandgehalt höher ist und die<br />

Nährstoffe folglich eher durch die<br />

Grobporen aus den für Ackerpflanzen<br />

117


118 NATUR ERLEBEN<br />

relevanten Nährschichten des Bodens<br />

nach unten abgeführt werden. Bei einer<br />

Gesamtbilanz fällt jedoch auf, dass<br />

die Stickstoffzeiger hier ebenso und<br />

auch in ähnlichen Mengen vertreten<br />

sind wie an den reicheren Standorten.<br />

Dieser nivellierende Effekt in der floristischen<br />

Zusammensetzung (vgl. Koch<br />

& Hurle 1978, Knauer 1993, Eggers &<br />

Zwerger 1998) ergibt sich zwar auch<br />

natürlicherweise aus dem Übergangs<br />

charakter der Bodenarten zwischen<br />

Sand und Lehm, dürfte jedoch im<br />

Wesentlichen (insbesondere was die<br />

Biomasse betrifft) auf immittierte<br />

Nährstoffe aus den benachbarten<br />

konventionell bewirtschafteten Äckern<br />

beruhen. Auffällig ist weiterhin eine<br />

Konzentration von Feuchtezeigern<br />

auf den Bönener Äckern; diese liegen<br />

z. T. auf Gley- und Pseudogleyböden,<br />

wobei insbesondere die letzteren noch<br />

rezent wasserzügig sind und sich dort<br />

vor allem im Herbst mitunter lokale<br />

Wasserstauungen ergeben, die ein<br />

Auftreten von Arten der Zwergbinsenfluren<br />

(Nanocyperion) ermöglichen.<br />

Allerdings gelangen hier bislang keine<br />

Funde seltener Arten.<br />

Die bemerkenswertesten, auch<br />

überregional bedeutsamen Funde tätigte<br />

der Zweitautor mit zwei Arten der<br />

Roten Liste NRW (Wolff-Straub & al.<br />

1999): Kornblume, Centaurea cyanus,<br />

und Acker-Hahnenfuß, Ranunculus<br />

arvensis, beide in Bergkamen-Weddinghofen.<br />

Die Kornblume ist im <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> nur noch auf Sandböden regelmäßiger<br />

zu finden, war früher aber<br />

auch – anders als in anderen Räumen<br />

– auf reicheren, schwereren Böden<br />

regelmäßig und oft häufig vorhanden<br />

(u.a. nach mündl. Mitteilung von<br />

W. Loos, Kamen). Der Schwerpunkt<br />

der heutigen Bestände liegt auf den<br />

Sandterrassen der Lippe sowie auch<br />

außerhalb derselben im Raum Bergkamen-Rünthe/-Overberge.<br />

Allerdings schwanken die Bestände<br />

stark in Abhängigkeit von den Herbizidgaben.<br />

Der Acker-Hahnenfuß<br />

wurde in den letzten 15 Jahren (von<br />

A. Förster, <strong>Unna</strong>/Haan) in <strong>Unna</strong> und<br />

Fröndenberg am Haarstrang wiedergefunden,<br />

galt jedoch im Bereich der<br />

Mergelhöhen in Kamen und Bergkamen<br />

seit Jahrzehnten als ausgestorben<br />

oder verschollen, obwohl W. Bierbrodt<br />

(nach seinen Tagebuchaufzeichnungen)<br />

ihn hier in der ersten Hälfte des<br />

20. Jahrhunderts regelmäßig nachweisen<br />

konnte.<br />

Als bemerkenswerte Arten für den<br />

<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, weil zurückgegangen oder<br />

-gehend, können ferner die folgenden<br />

Arten gelten: Fumaria officinalis, Lathyrus<br />

tuberosus (allerdings zwischenzeitlich<br />

etwas ausgebreitet, jetzt wieder<br />

rückgängig), Rumex acetosella, Thlaspi<br />

arvense, Vicia angustifolia und V. villosa<br />

(sofern nicht aus Ansaaten stammend).<br />

Im Gegenzug sind folgende Arten erst<br />

in den letzten zehn Jahren häufiger<br />

geworden und breiten sich weiterhin<br />

aus: Cerastium semidecandrum, Echinochloa<br />

crus-galli (beide früher fast nur<br />

in den Sandgebieten), Epilobium lamyi,<br />

Geranium dissectum, G. pusillum (beide<br />

wenigstens regional), Lactuca serriola<br />

und Senecio inaequidens, auch Veronica<br />

hederifolia ist häufiger geworden, was<br />

vermutlich mit der Herausbildung herbizidresistenter<br />

Sippen zu tun hat.<br />

Eine Anmerkung zur Verteilung der<br />

Sippen in den Äckern: Der überwiegende<br />

Teil findet sich – nicht anders<br />

als auf konventionellen Flächen – im<br />

Randbereich, weil hier die Belichtung<br />

und die Einwanderungsmöglichkeit<br />

von benachbarten Ruderalstellen wie<br />

Brachen oder Straßenrändern, wo<br />

viele Ackerbegleitpflanzen ebenfalls<br />

vorkommen, günstiger ist. Auch bei<br />

ökologischer Bewirtschaftung haben<br />

sich die Bestände generell verdichtet,<br />

so dass im inneren Bereich der Äcker<br />

Sippen- und Individuenzahl abnehmen,<br />

allerdings nicht im gleichen<br />

Umfang wie in den extrem dichten<br />

konventionellen Beständen. Immerhin<br />

konnte der Zweitautor in seinen<br />

Untersuchungsflächen von den 64


nachgewiesenen Sippen 45 im Randbereich<br />

und 34 im Bestandesinneren<br />

feststellen.<br />

� Schlussfolgerungen<br />

Die Sippendiversität auf den ökologisch<br />

bewirtschafteten Äckern ist<br />

bedeutend höher als auf den konventionellen<br />

Flächen. Dies ergibt sich<br />

bereits aus den in der obigen Artenliste<br />

geführten Sippen, die fast überall<br />

nachgewiesen werden konnten. Beispielsweise<br />

wurden in Kamen 25 Sippen<br />

in allen untersuchten Äckern des<br />

Öko-Landbaus nachgewiesen, während<br />

in den über die Jahre untersuchten<br />

konventionellen Äckern lediglich 8 Sippen<br />

in allen Flächen festgestellt werden<br />

konnten. Auch der vom Zweitautor<br />

durchgeführte Vergleich eines der<br />

ökologisch bewirtschafteten Weddinghofer<br />

Ackers mit einem benachbarten<br />

Acker konnte eine analoge Situation<br />

aufzeigen. Damit sind die in anderen<br />

Regionen erhobenen Befunde auch auf<br />

den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> übertragbar (vgl. z. B.<br />

Hermann, Hampel & Bachtaler 1986,<br />

Plakolm 1990, Frieben 1990, Frieben<br />

& Köpke 1994 u.a.).<br />

Die ökologische Bewirtschaftungsweise<br />

sorgt allerdings nicht immer<br />

für günstige Lebensbedingungen<br />

insbesondere der gefährdeten Sippen.<br />

Insbesondere das Striegeln der Äcker<br />

Centaurea cyanus – Kornblume. Foto: Margenburg<br />

und Halmfruchtanbau mit Untersaaten<br />

ermöglicht im Wesentlichen robusteren<br />

oder wenigstens konkurrenzkräftigen<br />

Sippen das Überleben und die Vermehrung,<br />

während empfindlichere<br />

Ackerkräuter verschwinden bzw. kaum<br />

über das Keimstadium hinauskommen<br />

und dann verdrängt werden (vgl. auch<br />

Anger & Kühbach 1993). Jene robusten<br />

NATUR ERLEBEN<br />

und konkurrenzstarken Sippen sind<br />

aber wenigstens teilweise diejenigen,<br />

die auch in konventionellen Äckern<br />

regelmäßig vorkommen. Dennoch ist<br />

die Sippenvielfalt und die Individuenzahl<br />

höher – einerseits in Beständen<br />

ohne Untersaaten, andererseits vor der<br />

Striegelung. Die Überlebensstrategie<br />

muss dann eine Verkürzung der Ent-<br />

119


120 NATUR ERLEBEN<br />

wicklungszeit sein, was offensichtlich<br />

auch gelingt. Das Diasporenpotenzial<br />

im Boden reicht derzeit offenbar auch<br />

noch aus, dass gelegentlich empfindlichere<br />

Sippen zur Entwicklung gelangen.<br />

Ob ihnen allerdings gelingt, sich<br />

weiter zu vermehren, muss insbesondere<br />

im <strong>Kreis</strong>gebiet noch eingehender<br />

untersucht werden. Es fällt jedenfalls<br />

auf, dass die bemerkenswertesten<br />

Arten nur in einem Acker und dann in<br />

geringer Individuenzahl aufgetreten<br />

sind, was darauf hindeutet, dass die<br />

Bewirtschaftungsweise für sie auch<br />

nicht optimal ist. Dass sie dennoch<br />

auftreten, scheint vor allem mit dem<br />

Verzicht auf Herbizide zusammen zu<br />

hängen. Der ökologische Landbau ist<br />

für die Erhaltung einer hohen Ackerbegleitpflanzendiversität<br />

somit zwar<br />

in gewissem Umfang geeignet. Wenn<br />

aber die Diasporenbank der stark<br />

zurückgegangenen und gefährdeten<br />

Sippen allmählich ausfällt, bleibt ungewiss,<br />

ob jene in den Öko-Äckern<br />

überleben können. Damit ist die Nachhaltigkeit<br />

dieser Wirtschaftungsweise<br />

im Hinblick auf den Schutz gefährdeter<br />

Sippen zweifelhaft, wenn auch eine<br />

hohe Sippendiversität erhalten bleibt.<br />

Solange der konventionelle Landbau<br />

überwiegt, erscheint es daher sinnvoller,<br />

ein Nebeneinander von Öko-<br />

Landbau und Ackerrandstreifenpro-<br />

gramm auf konventionellen Flächen<br />

zu propagieren. Dazu muss jedoch<br />

das Ackerrandstreifenprogramm wieder<br />

exponiert und die Leistungen für<br />

die Landwirte verbessert werden (zu<br />

Alternativen vgl. Hitzke 1997). Es<br />

erscheint jedoch zunächst sinnvoll,<br />

zwanzig Jahre nach der Arbeit von<br />

Büscher (1985) für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

eine umfassende neue Studie über die<br />

aktuelle Situation der Ackerbeikräuter,<br />

ihre Lebensbedingungen und ihre<br />

Überlebensmöglichkeit in ökologisch<br />

bewirtschafteten Äckern in Auftrag<br />

zu geben.<br />

Literatur:<br />

AGÖL (1996): Rahmenrichtlinien für den<br />

Ökologischen Landbau. 14. Aufl. - SÖL-Sonderausgabe<br />

(Bad Dürkheim) 17.<br />

Anger, M. & Kühbach, W. (1993): Mechanische<br />

Beikrautbekämpfung und ihre Wirkung<br />

auf die Entwicklung von Kulturpflanzen und<br />

Beikrautpopulationen bei biologisch-dynamischer<br />

Bewirtschaftung. - Abschlussbericht<br />

„Forschungs- und Entwicklungsvorhaben Alternativer<br />

Landbau Boschheide Hof 1979-1992“<br />

= Forschung und Beratung (Düsseldorf), Reihe<br />

C 49: 166-176.<br />

Büscher, D. (1985): Ackerwildkräuter im <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong>. - Schrift der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />

für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>. <strong>Unna</strong>.<br />

Drees, P. (2001): Das Höfesterben im <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> schreitet voran. - <strong>Natur</strong><strong>report</strong>, Jahrbuch<br />

der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für den <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> 5: 26-28.<br />

Eggers, T. & Zwerger, P. (1998): Arten und<br />

Biotopschutz im Rahmen von Produktionsverfahren<br />

im Feldbau - Stand und Entwicklungstendenzen.<br />

- Schriftenreihe Vegetationskunde<br />

29: 49-57.<br />

Frieben, B. (1990): Bedeutung des Organischen<br />

Landbaus für den Erhalt von Ackerwildkräutern.<br />

- <strong>Natur</strong> und Landschaft 65 (7/8): 379-382.<br />

Frieben, B. (1997): Arten und Biotopschutz<br />

durch organischen Landbau. In: Weiger, H.<br />

& Willer, H., <strong>Natur</strong>schutz durch ökologischen<br />

Landbau. Ökologische Konzepte 5: 73-92.<br />

Frieben, B. & Köpke U. (1994): Bedeutung des<br />

Organischen Landbaus für den Arten- und<br />

Biotopschutz in der Agrarlandschaft. - In:<br />

Integrative Extensivierungs- und <strong>Natur</strong>schutzstrategien.<br />

Forschungsberichte des Lehr- u.<br />

Forschungsschwerpunktes „Umwelt- und<br />

Standortgerechte Landwirtschaft„ (Bonn) 15:<br />

77-88.<br />

Haeupler, H., Jagel, A. & Schumacher, W.<br />

(2003): Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen<br />

in Nordrhein-Westfalen. - Recklinghausen.<br />

Helberg-Gödde, B. (2000): Frisch auf den Tisch:<br />

Aus der Region - für die Region. - <strong>Natur</strong><strong>report</strong>,<br />

Jahrbuch der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für<br />

den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> 3: 33-36.<br />

Hermann, G., Hampl, U. & Bachtaler, G. (1986):<br />

Unkrautbesatz und Unkrautentwicklung. Ergebnisvergleich<br />

von Regulierungsmaßnahmen bei


ökologischer und konventioneller Wirtschafts-<br />

weise in Winterweizen, Futterrüben, Kartoffeln<br />

und Mais. - Bayerisches Landwirtschaftliches<br />

Jahrbuch 63 (7): 795-805.<br />

Hitzke, P. (1997): Bedrohte Schönheit - Feldblumen<br />

am Hellweg. Hrsg. v. BUND-Landesverband<br />

Nordrhein-Westfalen in Verbindung<br />

mit dem <strong>Kreis</strong> Soest, Soest.<br />

Hofmeister, H. & Garve, E. (1998): Lebensraum<br />

Acker. Pflanzen der Äcker und ihre Ökologie. 2.<br />

Aufl. - Hamburg, Berlin, Wien.<br />

Kalkkuhl, R. (1991): Vorwort. - In: Schutz<br />

der Ackerwildkräuter und ihrer Lebensräume<br />

- Ackerränder in Nordrhein-Westfalen. Hrsg. v.<br />

Landesamt für Agrarordnung NRW, Münster.<br />

Knauer, N. (1993): Ökologie und Landwirtschaft.<br />

Situation - Konflikte - Lösungen.<br />

- Stuttgart.<br />

Koch, W. & Hurle, K. (1978): Grundlagen der<br />

Unkrautbekämpfung. - Stuttgart.<br />

<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> (Hrsg.) (2000): Zahlenspiegel.<br />

- <strong>Unna</strong>.<br />

Munlv NRW (2000): Im Einklang mit der <strong>Natur</strong>.<br />

- Düsseldorf.<br />

Plakolm, G. (1990): Unkrauterhebungen in<br />

biologisch und konventionell bewirtschafteten<br />

Getreideäckern Oberösterreichs. - Veröffentlichungen<br />

der Bundesanstalt für Agrarbiologie<br />

Linz/Donau 20: 41-54.<br />

SÖL (2003): Ökologischer Landbau in Deutschland<br />

und in NRW. - URL: http://www.soel.de/<br />

oekolandbau/deutschland_bulae_stat.html.<br />

SRU (1994): Umweltgutachten. - Stuttgart.<br />

The Soil Association (2001): Größere Artenvielfalt<br />

durch Ökolandbau. - Ökologie & Landbau<br />

117 (1): 46.<br />

UBA (1997): Nachhaltiges Deutschland: Wege<br />

zu einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung.<br />

- Berlin.<br />

van Elsen, T. (1989): Ackerwildkraut-Bestände<br />

biologisch-dynamisch und konventionell bewirtschafteter<br />

Hackfruchtäcker in der Nieder-<br />

NATUR ERLEBEN<br />

rheinischen Bucht. - Lebendige Erde (Darmstadt)<br />

4: 277-282.<br />

Wolff-Straub, R. (1989): Vergleich der Ackerwildkraut-Vegetation<br />

alternativ und konventionell<br />

bewirtschafteter Äcker. - In: König, W.,<br />

Sunkel, R. & al., Alternativer und konventioneller<br />

Landbau. Schriftenreihe der LÖLF 11:<br />

70-112.<br />

Wolff-Straub, R., Büscher, D., Diekjobst,<br />

H., Fasel, P., Foerster, E., Jagel, A., Kaplan,<br />

K., Koslowski, I., Kutzelnigg, H., Raabe, U.,<br />

Schumacher, W. & Vanberg, C. (1999): Rote<br />

Liste der gefährdeten Farn- und Blütenpflanzen<br />

(Pteridophyta et Spermatophyta) in Nordrhein-<br />

Westfalen. 3. Fassung. - Schriftenreihe der<br />

LÖBF/LafAO NRW 17: 75-171.<br />

Zander, K.-G. (2004): Die Auswirkungen des<br />

Ökologischen Landbaus auf die Ackerbegleitflora<br />

im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>. - Diplomarbeit am<br />

Geographischen Institut der Ruhr-Universität<br />

Bochum. Bochum.<br />

121


122<br />

� Orchideen-Report<br />

NATUR ERLEBEN<br />

Neues aus der Orchideenwelt<br />

des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong><br />

von Bernd Margenburg und<br />

Sebastian Sczepanski<br />

Gut kartierte Wälder mit vermeintlich<br />

bekanntem Arteninventar<br />

schließen überraschende<br />

Neufunde wie die Entdeckung<br />

einer Waldhyazinthe, die im <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> als verschollen galt, nicht<br />

aus. Auch über einen weiteren<br />

Standort der Bienen-Ragwurz und<br />

einen dreisten Orchideendiebstahl<br />

kann berichtet werden.<br />

� Waldhyazinthen- Hybride<br />

entdeckt<br />

Die Liste bemerkenswerter Orchideenfunde<br />

im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> kann auch<br />

im Jahr 2005 fortgeführt werden.<br />

Im Rahmen des GEO-Tages der Artenvielfalt<br />

am 11. Juni 2005, an dem<br />

der NABU <strong>Kreis</strong>verband <strong>Unna</strong> zum<br />

ersten Mal teilnahm, wurde auch ein<br />

Waldgebiet untersucht, das schon<br />

für einige interessante botanische<br />

Funde sorgte. Neben vielen anderen<br />

Pflanzenarten finden auch Orchideen<br />

dort einen geeigneten Lebensraum.<br />

Waldhyazinthe –Planthera X hybrida<br />

Foto: Margenburg<br />

Neben unserer häufigsten Orchidee,<br />

der Breitblättrigen Stendelwurz (Epipactis<br />

helleborine), und dem Großen<br />

Zweiblatt (Listera ovata) ist auch ein<br />

Standort mit Vogelnestwurz (Neottia<br />

nidus-avis) bekannt. Eine absolute<br />

Überraschung war jedoch der Fund<br />

von Heinz-Joachim Pflaume, der<br />

erstmals dort eine Waldhyazinthe<br />

entdeckte.<br />

Fundorte der Grünen Waldhyazinthe<br />

(Platanthera chlorantha) wurden<br />

zuletzt 1926 aus <strong>Unna</strong> und Massen<br />

gemeldet (Höppner/Preuss 1926).<br />

Das besondere Merkmal der Grünlichen<br />

Waldhyazinthe ist, dass die<br />

Staubbeutelfächer weit voneinander<br />

getrennt sind und nach oben schräg<br />

zusammenlaufen (trapezförmig). Der<br />

dazwischen liegende Sporneingang ist<br />

gut sichtbar. Der Sporn ist waagerecht<br />

und am Ende etwas abgeflacht. Bei<br />

genauerer Betrachtung der Pflanze<br />

durch Sebastian Sczepanski und Götz<br />

Heinrich Loos zeigte sich, dass diese<br />

Orchidee auch die Merkmale der Zweiblättrigen<br />

Waldhyazinthe (Platanthera<br />

bifolia) besitzt. Hier sind die Staub-


eutelfächer parallel, eng zusammen<br />

stehend und verdecken teilweise den<br />

Sporneingang. Der Sporn ist leicht abwärts<br />

gebogen. Ein historischer Fund<br />

der Zweiblättrigen Waldhyazinthe im<br />

<strong>Kreis</strong>gebiet ist bislang nur aus dem<br />

mittlerweile abgeholzten Buchholz<br />

bei Holzwickede bekannt geworden.<br />

Ein von P. Demandt im Jahre 1876<br />

gesammelter Herbarbeleg ist im Herbar<br />

des Westfälischen Museums für<br />

<strong>Natur</strong>kunde in Münster hinterlegt.<br />

Da die neu entdeckte Waldhyazinthe<br />

die Merkmale beider Elternarten<br />

besitzt, handelt es sich eindeutig um<br />

eine Hybride von Platanthera bifolia x<br />

Platanthera chlorantha (= Platanthera<br />

x hybrida). Nächste Fundorte dieser<br />

Hybride sind aus dem Münsterland<br />

bekannt, wo sie genau wie im <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> in lichten Laubwäldern auch<br />

ohne die Elternarten siedelt.<br />

Offen bleibt die Frage, wie die Samen<br />

bis in den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> gekommen<br />

sind. Da Orchideensamen sehr klein<br />

und leicht sind, können Orchideensamen<br />

durchaus über 100 Kilometer<br />

weit mit dem Wind verdriftet werden<br />

und so ganz natürlich zum Standort<br />

gelangt sein. Vielleicht existiert im<br />

Norden des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> auch noch<br />

ein bislang unentdecktes Vorkommen?<br />

Auch ein Einschleppen z. B. mit Forstfahrzeugen<br />

kann nicht ausgeschlossen<br />

Bienen-Ragwurz Foto: Margenburg<br />

werden. Interessant ist, dass der Wald<br />

sehr schonend durchforstet wurde, so<br />

dass mehr Licht zum Waldboden gelangt<br />

und damit die Pflanze erstmals<br />

genügend Licht zur Blüte erhielt. Die<br />

nicht-blühende Pflanze blieb vielleicht<br />

über Jahre unentdeckt und erst der<br />

auffällige Blütenstand in diesem Jahr<br />

ermöglichte den für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

sehr erfreulichen Pflanzenfund.<br />

� Interessante Erscheinungsform<br />

der Bienen-Ragwurz<br />

An dem im Jahr 2004 entdeckten<br />

Standort der Bienen-Ragwurz (Ophrys<br />

apifera) konnten im Jahr 2005 keine<br />

NATUR ERLEBEN<br />

Pflanzen gefunden werden. Dafür<br />

blühten auf einem benachbarten<br />

Werksgelände über 50 Pflanzen. Besonders<br />

auffällig waren Funde einer<br />

besonderen Erscheinungsform dieser<br />

Orchideenart. Die Pflanzen haben<br />

Petalen, die den Sepalen ähnlich sind.<br />

Bis in die jüngste Zeit werden derartige<br />

Pflanzen als Varietät Ophrys apifera<br />

var. friburgensis (Freyhold) bezeichnet.<br />

Wissenschaftliche Untersuchungen<br />

in der Nordeifel (Baum et. al. 2002)<br />

bestätigen jedoch die oft geäußerte<br />

Vermutung, dass eine taxonomische<br />

Bewertung solcher Erscheinungsformen<br />

nicht zulässig ist, da die Pflan-<br />

123


124 NATUR ERLEBEN<br />

zen von Jahr zu Jahr spontan in ihrer<br />

Gestalt wechseln können. Trotzdem<br />

bleibt die Freude über den Fund, zeugt<br />

sie doch von der Variabilität unserer<br />

heimischen Orchideenarten.<br />

� <strong>Natur</strong>frevler am Werk<br />

Nur drei Jahre überlebte eine neu<br />

entstandene Orchideenpopulation am<br />

Regenrückhaltebecken Schlosserstraße<br />

(ehemaliges Karstadt-Hochregallager)<br />

an der Stadtgrenze zwischen <strong>Unna</strong><br />

und Kamen. Im Juli 2005 wurden die<br />

drei stattlichen Pflanzen von einem<br />

„<strong>Natur</strong>freund“ ausgegraben. Damit<br />

wurde ein für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> einmaliger<br />

Pflanzenstandort zerstört. Stabilisierte<br />

Hybridpopulationen, wie in<br />

diesem Fall zwischen dem Gefleckten<br />

Knabenkraut und dem Breitblättrigen<br />

Knabenkraut, sind eine Besonderheit<br />

Nordrhein-Westfalens und genießen<br />

höchste Schutzwürdigkeit. Hier wurde<br />

der Beginn einer Entwicklung, die<br />

gegebenenfalls bis zur Artentwicklung<br />

führen kann, aus Unkenntnis oder<br />

auch ganz gezielt, um eine attraktive<br />

Pflanze für den Garten zu bekommen,<br />

unwiederbringlich zerstört. Alle einheimischen<br />

Orchideen sind gesetzlich<br />

geschützt. Weder Teile der Pflanze<br />

noch ganze Pflanzen dürfen der <strong>Natur</strong><br />

entnommen werden. Im Garten sind<br />

die Überlebenschancen dieser Orchidee,<br />

die einen passenden Pilzpartner<br />

braucht, äußerst gering. „Die <strong>Natur</strong> ist<br />

kein Selbstbedienungsladen“ sagte der<br />

NABU <strong>Kreis</strong>verband <strong>Unna</strong> und setzte<br />

200,00 Euro Belohnung für sachdienliche<br />

Hinweise, die zur Ermittlung des<br />

Täters führen, aus. Über den Orchideendiebstahl<br />

wurde in der Presse und im<br />

Rundfunk ausführlich berichtet. Leider<br />

bisher ohne Erfolg. Auch die Hoffnung,<br />

dass der „Pflanzenliebhaber“<br />

ein Einsehen hat und die Orchideen<br />

wieder an ihren natürlichen Standort<br />

zurückbringt, erfüllte sich nicht. Somit<br />

können sich andere Bürgerinnen und<br />

Bürger im nächsten Jahr nicht mehr<br />

an den wunderschönen Blüten dieser<br />

Orchideen erfreuen. Der NABU <strong>Kreis</strong>-<br />

verband <strong>Unna</strong> und der Arbeitskreis<br />

Heimische Orchideen NRW bittet<br />

deshalb alle <strong>Natur</strong>freunde sich an das<br />

Motto zu halten: Ansehen ja, pflücken<br />

oder ausgraben nie.<br />

Literatur:<br />

Arbeitskreis Heimische Orchideen Nordrhein-<br />

Westfalen des BUND-NW e.V. (Hrsg.) (2001):<br />

Die Orchideen Nordrhein-Westfalens – Selbstverlag.<br />

Baum, A., H. Baum, J. Claessens & J. Kleyenen<br />

(2002): Ophrys apifera Hudson, eine variable<br />

Art. – Jber. <strong>Natur</strong>w. Ver. Wuppertal 55: 78-<br />

94.<br />

Höppner, H. & H. Preuss (1926): Flora des Westfälisch-Rheinischen<br />

Industriegebietes unter<br />

Einschluß der Rheinischen Bucht. Dortmund<br />

Margenburg, B. (1998): Die Orchideen des<br />

<strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>.-<strong>Natur</strong>kundliche Reihe – Band<br />

1 - <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für den <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> e.V. (NFG).<br />

Margenburg, B. (2005): Die Orchidee des Jahres<br />

1995 – jetzt auch im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>.- <strong>Natur</strong><strong>report</strong>,<br />

Jahrbuch der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für<br />

den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> 9: 64-65.


� Der Große Brachvogel hat viele Verwandte<br />

Die Schnepfe – ein Name,<br />

der oft missbraucht wird<br />

von Helmut July<br />

„Du alte Schnepfe,“ sagt so<br />

mancher in seiner Wut und weiß<br />

gar nicht, von wem er gerade<br />

spricht. Diese Geschichte, die<br />

nicht wissenschaftlich sein will, soll<br />

einfach nur aufzeigen, wie interessant<br />

doch die <strong>Natur</strong> ist. Wer sich<br />

vernünftig verhält, kann auch mit<br />

dem Fernglas von den Wegen aus<br />

so manches entdecken. Aber nicht<br />

nur bei den Gefiederten ist das so.<br />

Aber Muße gehört dazu. Die <strong>Natur</strong><br />

darf nicht mit dem Fernsehen<br />

verwechselt werden.<br />

Brachvögel gehören zu den Schnepfenvögeln<br />

und sind unsere größten<br />

Schnepfen. Bald 90 Arten gehören<br />

zu dieser formenreichsten Gruppe. So<br />

klein wie Rotschwänzchen und so groß<br />

wie Krähen können sie sein. Schnepfen<br />

brüten in offenem Gelände. Von den<br />

fünf Arten der Brachvögel brüten bei<br />

uns nur der Große Brachvogel, den es<br />

im Münsterland noch gibt.<br />

Im März kommen die ersten Vögel<br />

Rotschenkel. Foto: July<br />

NATUR ERLEBEN<br />

aus wärmeren Gefilden zu uns zurück<br />

und suchen und verteidigen ihre Reviere,<br />

wobei sie ihre wohltönenden Rufe<br />

erschallen lassen, den jeder <strong>Natur</strong>freund,<br />

der sie hört, mit dem Frühling<br />

in Verbindung bringt. Im April ist es<br />

dann soweit. Die Nestmulde ist mit<br />

allen Gräsern ausgepolstert, und es<br />

werden vier hühnereigroße Eier gelegt,<br />

die sich kaum von der Umgebung abheben.<br />

Ebenso ist ein brütender Brachvogel<br />

in der abgestorbenen Vegetation<br />

des Vorjahres wegen seiner Tarnfarbe<br />

kaum auszumachen. Mit seinem<br />

abwärts gebogenen Schnabel ist er<br />

unverkennbar. Nicht vielen Menschen<br />

ist es vergönnt, so etwas erleben zu<br />

dürfen. Etwa dreißig Tage dauert die<br />

Brutzeit auf den vier Eiern. In der Regel<br />

legen Schnepfen vier Eier mit einigen<br />

Ausnahmen – der Seeregenpfeifer legt<br />

beispielsweise nur drei.<br />

Nach dem Schlupf sind Schnepfen<br />

oder Limikolen, wie sie in der Fachsprache<br />

genannt werden, Nestflüchter.<br />

Brachvögel sind mit rund einem Monat<br />

flügge und können ihr Revier verlassen.<br />

Ihre melodischen Rufe behalten<br />

125


126 NATUR ERLEBEN<br />

Brütender Brachvogel, der sich kaum in der Vegetation ausmachen lässt. Foto: July<br />

Sicherlich ein seltener Schnappschuss: Gerade geschlüpfte Brachvogelküken – eines<br />

müht sich noch. Foto: July<br />

sie aber bei. Sie haben dann nichts<br />

mehr mit der Balz zu tun. Wohl wegen<br />

fehlenden moorigen Flächen – siehe<br />

Münsterland – hat man den Großen<br />

Brachvogel, unsere größte Schnepfe,<br />

auch auf Feldern und Wiesen als<br />

Brutvogel entdeckt. Er kommt auch<br />

auf den Nordseeinseln vor. Im August<br />

verlassen sie uns wieder. Ihre Rufe hört<br />

man aber auch noch auf dem Zuge.<br />

Ähnliche Anforderungen an das<br />

Brutrevier wie der Brachvogel stellt<br />

die Uferschnepfe. Sie brütet 24 Tage.<br />

Beide Arten behalten auch nach den<br />

zweimaligen Mausern im Jahr ihre<br />

farblich nicht auffallenden Gefieder<br />

bei. Während der Brutzeit kann der<br />

Kundige die „Gretta-Gretta-Rufe“<br />

vom hohen Himmel hören. In den für<br />

Uferschnepfen interessanten Territorien<br />

brütet auch der Rotschenkel. Wie<br />

der Name sagt, hat er rote Schenkel<br />

(Beine). Er braucht über 20 Tage bis<br />

die Kükchen schlüpfen. Das Gelege<br />

ist gut getarnt. Hohe Gräser werden<br />

während der Brut wie eine Laube zusammengefügt<br />

und verhindern in den<br />

meisten Fällen „Einblicke“. Daher ist<br />

Vorsicht geboten, wenn über Wiesen<br />

gelaufen wird, auf denen Rotschenkel<br />

Gelege sein könnten. In der Regel ist es<br />

aber so, dass sie sich „melden“.<br />

Bei den Jägern ist von jeher die Jagd<br />

auf die Waldschnepfe beliebt, aber


in der heutigen Zeit sehr umstritten.<br />

Früher wurden erlegte Schnepfen<br />

mit den Innereien dem so genannten<br />

„Schnepfendreck“ verzehrt. Das<br />

wird ja wohl heute vorbei sein. Außer<br />

den Waldschnepfen sind bei uns alle<br />

anderen Schnepfenvögel geschützt.<br />

Sie brüten nicht wie andere auf freien<br />

Flächen, sondern im Wald, der kleine<br />

Lichtungen aufweist, und fliegen<br />

während ihrer Balz „puizend und<br />

quorrend“ über den Baumwipfeln.<br />

Gebrütet wird zweimal jeweils etwa<br />

23 Tage. 40 Tage dauert es bis der<br />

Nachwuchs selbstständig ist. Nicht<br />

alle Waldschnepfen verlassen uns im<br />

Herbst. So genannte Lagerschnepfen<br />

bleiben bei uns im Wald und verlassen<br />

uns erst bei strengem Frost. Auch hier<br />

gibt es nach den Mausern keine Unterschiede<br />

in der Färbung von Männchen<br />

und Weibchen. Eigenartig sind die Augen<br />

der Waldschnepfen angeordnet.<br />

Sie sitzen fast oben auf dem Kopf und<br />

können vermutlich so die Freßfeinde<br />

aus der Luft, z.B. den Habicht, besser<br />

erspähen. Alle Schnepfen sind Bodenbrüter,<br />

nur die Waldschnepfe bringt es<br />

fertig, in z.B. Alderfarn eine Nestmulde<br />

anzulegen, die bald zwei Meter vom<br />

Erdboden sein kann.<br />

� Himmelsziegen<br />

Himmelsziegen werden die Bekas-<br />

sinen im Volksmund genannt, weil<br />

die Männchen während der Balzflüge<br />

kleine Federn am Schwanz beim Flug<br />

aus größeren Höhen gegen den Wind<br />

stellen, die dann ein eigenartiges<br />

„Meckern“ hervorrufen. Daher der<br />

Name. Für den <strong>Natur</strong>freund ein schönes<br />

Erlebnis.<br />

Manche Schnepfenvögel sind in der<br />

Lage, beim „Stochern“ im Erdboden<br />

bei der Nahrungssuche den untersten<br />

NATUR ERLEBEN<br />

Flussregenpfeifer auf den Aufschüttungen am Datteln-Hamm-Kanal in Bergkamen-<br />

Rünthe, dort ist heute die Marina. Foto: Rolf Prothmann<br />

Teil des Schnabels zu öffnen. Es ist ein<br />

sehr sensibler Teil und damit in der<br />

Lage, Nahrung im Erdreich aufzuspüren<br />

und aufzunehmen.<br />

Der Säbelschnäbler wird in Norddeutschland<br />

im Volksmund „Schustervogel“<br />

genannt, weil sein aufwärts<br />

gebogener Schnabel an eine Schusternadel<br />

erinnert. Mit diesem Schnabel<br />

ist er in der Lage, in seichten Randbereichen<br />

von salzigem oder brackigem<br />

127


128 NATUR ERLEBEN<br />

Wasser, dieses durchzuseihen und<br />

dabei Nahrung aufzunehmen. Er ist in<br />

seinem schwarzweißen Gefieder und<br />

dem nach oben gebogenem Schnabel<br />

nicht zu verwechseln.<br />

� Lange Flugreise im Winter<br />

Gebrütet wird in Kolonien. Kommt<br />

man so einer Kolonie zu nahe, verleiten<br />

die Vögel den Störenfried mit<br />

hängenden Schwingen. Auch hier kann<br />

Männchen und Weibchen nicht nach<br />

dem Gefieder unterschieden werden.<br />

Den Winter verbringen Säbelschnäbler<br />

im wärmeren Süden bis hin<br />

nach Afrika.<br />

Imposante Erscheinungen sind die<br />

Kampfläufer. Während und vor der<br />

Brut präsentieren sich die Männchen<br />

mit einer bunten Halskrause, bei der<br />

keine der anderen gleicht und zum<br />

Imponiergehabe dieser schmucken<br />

Vögel gehört. Die Weibchen wählen<br />

die Nistmulde aus. Nach der Eiablage<br />

sind die Weibchen allein für die Brut<br />

verantwortlich. Sie brüten 21 Tage.<br />

Wem es vergönnt ist, einen so genannten<br />

„Turnierplatz“ der Männchen zu<br />

beobachten, hat ein ganz besonderes<br />

Erlebnis. Im Herbst verlassen uns auch<br />

diese Vögel. Männchen und Weibchen<br />

können dann nur noch an der unterschiedlichen<br />

Größe unterschieden<br />

werden, den Männchen fehlt dann<br />

Säbelschnäbler, der einen Störenfried zu verleiten versucht. Foto: July<br />

auch in ihrem Schlichtkleid die bunte<br />

Halskrause.<br />

Zu den Schnepfen zählt auch der<br />

allbekannte Kiebitz. Leider ist es so,<br />

dass er und andere der genannten Vögel<br />

durch Landwirtschaft, Rodungen,<br />

Straßenbau, Trockenlegung aber auch<br />

durch den Anspruch der Spaßgesellschaft<br />

(siehe Marina!) immer mehr<br />

zurückgedrängt werden. In unseren<br />

Bereichen fehlt es an <strong>Natur</strong>schutzleu-<br />

ten, die sich intensiv gegen manche<br />

Planungen stellen, wenn es auch aussichtslos<br />

erscheinen mag. Es gibt nur<br />

wenige Ausnahmen. Nur mit großen<br />

Mitgliederzahlen und Blümchen zeigen<br />

ist es nun wirklich nicht getan. Das ist<br />

nur eine Alibifunktion. Es fehlt aber<br />

auch der Einsatzwille.<br />

Zu den kleinsten Schnepfenvögeln<br />

gehört auch der Flußregenpfeifer,<br />

der in Bergkamen vor dem Bau der


Marina in mehreren Brutpaaren dort<br />

am Datteln-Hamm-Kanal jährlich<br />

gebrütet hat.<br />

Auf einer Restfläche, die noch<br />

nicht bebaut wurde, aber 2005 in<br />

die Planung gekommen ist, konnten<br />

letztlich noch ein Paar beobachtet<br />

werden. Es handelt sich ja nur um ein<br />

naturgeschütztes Vögelchen, welches<br />

nicht nur dort vertrieben wird. Es<br />

baut zwischen Steinchen und Kieseln<br />

an Flußufern, aber bei uns auf Bergbauanschüttungen<br />

seine Nestmulde.<br />

Erfreulich ist, dass der Flußregenpfeifer<br />

Ersatzbiotope annimmt, wie sie vor<br />

Jahren zwischen den Flotationsteichen<br />

im Haldenbereich von Schülern der<br />

früheren Harkortschule und Azubis des<br />

Bergbaus angelegt wurden.<br />

Aber durch die so genannte „Dreckerplanung“<br />

sind diese Flächen auch<br />

überplant und hinfällig. Ähnlich gefärbt<br />

ist der Sandregenpfeifer an der<br />

Küste, der selten im Binnenland brütet.<br />

Im Herbst verlassen uns auch diese<br />

Gefiederten.<br />

NATUR ERLEBEN<br />

Anmerkungen:<br />

Meine „Schnepfengeschichte“ soll kein Ersatz<br />

für ein Bestimmungsbuch sein, von denen es<br />

ganz viele gibt. Gute und weniger empfehlenswerte.<br />

Interessenten können sich aber<br />

informieren.<br />

Für den interessierten Leser:<br />

Bernhard Grzimek, Enzyklopädie des Tierreiches<br />

Vögel II, Kindler/Zürich 1969<br />

Hakan Delin / Lars Svensson, Der große Kosmos<br />

<strong>Natur</strong>führer Vögel, Kosmos / Stuttgart 2004<br />

Und andere einschlägige Bestimmungsbücher,<br />

die auch dieser Geschichte zu Grunde liegen.<br />

129


130<br />

� Der Zug der Kraniche (Grus grus)<br />

Die „Vögel des Glücks“<br />

auf Reisen<br />

von Horst Schenkel<br />

NATUR ERLEBEN<br />

Wer kennt sie nicht, die imposanten<br />

Zugformationen der grauen<br />

Kraniche am Himmel wenn sie, im<br />

Frühjahr und Herbst bei entsprechender<br />

Hochdruckwetterlage, in<br />

ihre Brutgebiete oder Winterquartiere<br />

ziehen. Wir werden meist<br />

erst auf sie aufmerksam, wenn<br />

wir ihre trompetenartigen „Kruu<br />

kruu“ Rufe vernehmen.<br />

Wenden wir unseren Blick nach<br />

oben, erkennen wir sie an der keilförmigen<br />

Flugformation (Windschattenprinzip)<br />

- aber Vorsicht bei der<br />

Bestimmung - auch Gänse, Großmöwen<br />

und andere ziehen in ähnlicher<br />

Weise. Nur die Flugsilhouette des<br />

Kranichs, mit dem lang gestreckten<br />

Hals und den gestreckten Beinen ist<br />

unverwechselbar. Bei großen Mengen<br />

verbinden sich einige Flugkeile miteinander.<br />

Wenn man die Gelegenheit<br />

hat, den Flug länger zu beobachten,<br />

erkennt man, dass nur die kräftigen<br />

Tiere sich in der Führungsarbeit ablö-<br />

sen, während der Rest des Zuges sich<br />

„mitziehen“ lässt. Beim Herbstzug<br />

sind die Familienverbände mit ein bis<br />

drei Jungvögeln noch zusammen. Man<br />

erkennt die Jungen, obwohl sie schon<br />

die Größe der Altvögel erreicht haben,<br />

an dem braunen Kopfbereich und der<br />

piepsenden Stimme.<br />

� Daten und Fakten<br />

Die grauen Kraniche sind 110 bis<br />

130 Zentimeter groß und haben eine<br />

Spannweite von 220 bis 245 Zentimetern<br />

bei einem Gewicht von fünf bis<br />

sieben Kilogramm. Die Lebenserwartung<br />

liegt bei 25 bis 30 Jahren und die<br />

Partner leben meist in „Dauerehe“. Die<br />

Fluggeschwindigkeit beträgt 50 bis 60<br />

Kilometer/Stunde, bei sehr günstigen<br />

Bedingungen, guter Thermik und<br />

Rückenwind, erreichen die Vögel die<br />

Richtgeschwindigkeit von Pkws auf<br />

der Autobahn (130 km/h). Die Flughöhe<br />

ist von Witterungsbedingungen<br />

abhängig, sie liegt zwischen 200 und<br />

1.000 Meter und kann bei Überwindung<br />

der Pyrenäen bis 4000 Meter<br />

betragen. Zugverbände in guter Kon-<br />

stitution schaffen nonstop bis 2.000<br />

Kilometer. So fliegen sie in einem Tag<br />

die Strecke von den großen Sammelplätzen<br />

in Mecklenburg-Vorpommern<br />

bis Mittelfrankreich/Lac du Der zu den<br />

ersten Winterquartieren.<br />

� Kranich-Arten<br />

Die Kraniche die bei uns auf dem<br />

Zuge vorkommen, gehören der westlichen<br />

Unterart des Grauen Kranichs<br />

(Grus grus) an. Die Brutgebiete erstrecken<br />

sich von der Elbe im Westen<br />

bis weit in das östliche Sibirien hinein<br />

aber nur die Tiere aus dem europäischen<br />

Bereich überfliegen unseren<br />

heimischen Raum. Der Flug in die<br />

Brutgebiete beginnt Ende Februar,<br />

hat seinen Höhepunkt im März und<br />

klingt im April ab. Den Flug in die<br />

Winterquartiere kann man schon ab<br />

August beobachten, im Oktober sind<br />

die größten Verbände unterwegs<br />

und selbst im Dezember gibt es noch<br />

einige Nachzügler. Neben dem hier<br />

beschriebenen Kranich gibt es vierzehn<br />

weitere Arten auf unserer Erde. Fast<br />

alle fliegen weite Wege zwischen Brut-


Kranichzug bei Vollmond. Foto: Schenkel<br />

und Überwinterungsgebiet. Die Tiere<br />

gelten in den verschiedenen Ländern<br />

als Frühlingsboten, Weisheitssymbol,<br />

Sinnbild für langes Leben und Vögel<br />

des Glücks. Seit 1926 tragen die<br />

Flieger der Deutschen Lufthansa eine<br />

Kranichsilhouette als Wappen. NABU,<br />

WWF und die Deutsche Lufthansa<br />

AG fördern neben vielen regionalen<br />

Verbänden und Privatleuten, den<br />

Kranichschutz.<br />

� Zugrouten<br />

Zwei große Zugrouten über den<br />

NATUR ERLEBEN<br />

europäischen Kontinent sind bekannt.<br />

Der westeuropäische Zugweg der<br />

Tiere aus Mitteleuropa und Skandinavien<br />

tangiert auch den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>.<br />

Die Route führt über Frankreich nach<br />

Spanien und weiter in den westlichen<br />

Teil Nordafrikas. Der osteuropäische<br />

131


132 NATUR ERLEBEN<br />

Beobachtung aus sicherer Entfernung. Foto: Schenkel<br />

Ein beringtes Tier im Zugtrupp. Foto: Schenkel<br />

Zugweg wird von Kranichen aus<br />

Finnland, den baltischen Staaten und<br />

Russland genutzt und führt über Ungarn<br />

und Süditalien nach Nordafrika.<br />

Beringungen haben ergeben, dass es<br />

auch Querstrecken über Mecklenburg-<br />

Vorpommern, Brandenburg und Polen<br />

gibt, die beide Routen miteinander<br />

verbinden. Zugverbände, die wir im<br />

Herbst über unserem <strong>Kreis</strong>gebiet<br />

sehen, können schon in Mittelfrankreich<br />

(Lac du Der Chantecoq) oder<br />

Südfrankreich (Landes de Gascogne)<br />

Winterquartier beziehen oder sie<br />

fliegen weiter nach Nordostspanien<br />

(Laguna de Gallocanta). Weitere<br />

Überwinterungsgebiete befinden sich<br />

in der Extremadura und Andalusien<br />

in Südspanien oder in Marokko/Nordafrika.<br />

� Rastgebiete<br />

Im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> rasteten früher auch<br />

einige Gruppen der durchziehenden<br />

Tiere in den Wiesenauen von Lippe<br />

und Ruhr oder in den Feldfluren der<br />

Hellwegbörde. Die Bepflanzung und<br />

Verdrahtung (Höchstspannungsleitungen)<br />

der Auen, die Flurveränderungen<br />

in der Börde und das geänderte<br />

Zugverhalten der Kraniche hat dazu<br />

beigetragen, dass immer weniger Tiere<br />

hier rasten. Der Schutz der Kraniche<br />

ist zwar gesetzlich geregelt, aber ohne


In der Thermik auf dem Weg nach oben. Foto: Schenkel<br />

ehrenamtliche und private Hilfe sähe<br />

die Zukunft dieser bedrohten Tierart<br />

traurig aus. So gibt es auf den Zugrouten<br />

an einigen Rastgebieten Fütterungsflächen<br />

um die Tiere von den<br />

landwirtschaftlich genutzten Äckern<br />

abzulenken (Ablenkfütterungen), so<br />

werden sie gleichzeitig für die weite<br />

strapaziöse Reise fit gemacht. Zu den<br />

imposantesten Beobachtungsgebieten<br />

zählen Rast- und Sammelplätze der<br />

Vorpommerschen Boddenlandschaft<br />

in der Rügen-Bockregion. Durch gezielte<br />

Besucherlenkung wird hier erreicht,<br />

dass die Tiere relativ ungestört<br />

rasten können. Die Fluchtdistanz, die<br />

normal bei ungefähr 300 Meter liegt,<br />

wird hier weit unterschritten. Hier<br />

lassen sich auch beringte Kraniche<br />

beobachten und identifizieren, im Rahmen<br />

der Schutzmaßnahmen werden<br />

dabei wichtige Erkenntnisse für die<br />

Landschaftsplanung gewonnen.<br />

� Farbmarkierungen<br />

Kraniche, die in unserer Region<br />

schon mal rasten, kann man mit einem<br />

Spektiv (25-60-fach) aus gesicherter<br />

Entfernung gut beobachten. Dabei<br />

sollte man auf Farbmarkierungen an<br />

den Beinen der Tiere achten. Selbst<br />

aus großer Entfernung sind die Farbkombinationen<br />

zu erkennen. Ab 1990<br />

erhalten Jungkraniche am rechten Bein<br />

NATUR ERLEBEN<br />

eine Individualkennung die aus drei<br />

verschiedenfarbigen Kunststoffringen<br />

(je zwei Zentimeter) besteht, das linke<br />

Bein wird mit einem dreifarbigen<br />

Landesring versehen. Für Deutschland<br />

gilt die Farbkennung (links): blau, seit<br />

1997: blau-weiß-blau, seit 1999: blaurot-blau,<br />

seit 2001: blau-schwarz-blau.<br />

Das Beringungsprojekt ist das Ergebnis<br />

von Vereinbarungen innerhalb der<br />

europäischen Kranichschutzgruppe.<br />

Hier wurde für jedes Land in Europa,<br />

in dem Kraniche brüten, ein Farbcode<br />

festgelegt. Wenn Sie ein beringtes Tier<br />

beobachten, bitte die Farbkombinationen<br />

beider Ringe und die Ortsangabe<br />

(Koordinaten) an die im Anhang ange-<br />

133


134 NATUR ERLEBEN<br />

gebene Adresse weiterleiten. Die Ringe<br />

werden von oben nach unten abgelesen.<br />

Der Flugstrecken-Lebenslauf wird<br />

dem Beobachter nachgeliefert und ist<br />

für den <strong>Natur</strong>freund eine Information<br />

über Zugverhalten und Lebensalter des<br />

entsprechenden Tieres.<br />

� Zusammenfassung<br />

Wer mit offenen Augen und Ohren<br />

durch unseren Lebensraum geht, wird<br />

viele Dinge im Umfeld entdecken die<br />

das Zusammenspiel in der <strong>Natur</strong> spannender<br />

und verständlicher machen.<br />

Der Kranichzug gehört zu den großen<br />

und erstaunlichen Ereignissen in unserer<br />

Umwelt. <strong>Natur</strong>freunde genießen<br />

den Anblick der „Vögel des Glücks“<br />

wenn sie ihnen auf ihrer weiten Reise<br />

begegnen.<br />

Rastende Kraniche auf abgeernteten Maisäckern. Foto: Schenkel<br />

Weiterführende Literatur:<br />

Karlsson, Britt u. Sture, „Der Zug der Kraniche“,<br />

ISBN: 3-920220-09-9<br />

Quellenangaben, Daten und Fakten und Adres-<br />

se für Ringfunde:<br />

Kranich-Informationszentrum, Lindenstraße<br />

27,18445 Groß Mohrdorf, Tel.: 0383 23-<br />

80540, E-Mail: gruidae@aol.com, Internet:<br />

www.kraniche.de


� Zauber der Gartenvögel<br />

Ein etwas anderer Beitrag<br />

zur Nachhaltigkeit<br />

von Heinz Herkenrath<br />

Irgendwann vor Jahrzehnten<br />

machte ich meinen großen Garten<br />

zu einem Zauberreich: Nicht<br />

mehr der wie abgeleckt wirkende<br />

Rasen, die Gräser mit der Maschine<br />

geköpft; nicht mehr alte<br />

Bäume beseitigen, sondern stehen<br />

lassen, bis sie von selbst umfallen;<br />

wucherndes Gesträuch an<br />

allen Rändern, Nesselfluren und<br />

<strong>Natur</strong>komposthaufen. Da blieben<br />

sie nicht aus: Igel und Maulwurf –<br />

seine Haufen machten uns Freude<br />

– Hausspitzmaus und Rötelmaus.<br />

Und eines Abends sah ich den<br />

Steinmarder im späten Licht unter dem<br />

Bewegungsmelder. Da war mein Glück<br />

vollkommen; denn ich habe zwölfeinhalb<br />

Jahre einen zahmen Steinmarder<br />

gehabt, den ich als Findling vom <strong>Unna</strong>er<br />

Kurpark aufgezogen hatte, der<br />

mir auf dem Körper kletterte, den ich<br />

wie einen Ball hochwerfen und wieder<br />

auffangen konnte, was er besonders<br />

liebte.<br />

Und dann die Vögel: Von den Fasanen<br />

bis zur achtköpfigen Zaunkönigsfamilie<br />

habe ich sie in allen Größen.<br />

Vorgestern sitzen meine Frau und ich<br />

beim Mittagessen. Plötzliches wildes<br />

Gekrächze der Rabenkrähen, Saatkrähen,<br />

Dohlen. „Da ist was im Busch!“<br />

sage ich, stehe auf und trete ans Fenster.<br />

Ich staune: Da sitzt der Habicht frei<br />

neben der Versteck bietenden Fichte<br />

– einen Moment nur, dann lässt er Kot<br />

fallen, dreht sich und saust niedrig in<br />

Richtung der alten Kläranlage davon.<br />

Im Vorjahr landete ein Habicht (derselbe?)<br />

auf der Beutejagd sogar auf<br />

unserem Gartenhäuschen, das wie<br />

ein Hänsel-und-Gretel-Hexenhaus<br />

aussieht.<br />

Außer dem Habicht kommt des<br />

öfteren sein kleiner Verwandter,<br />

der Sperber: Letzten Winter war ich<br />

gerade am „Knusperhäuschen“ mit<br />

Füttern beschäftigt, als ich Warnrufe<br />

der stets wachsamen Amseln (auch<br />

Schwarzdrosseln genannt) hörte. Ich<br />

drehte mich herum – siehe da: Vier<br />

Meter vor mir saust der Sperber in<br />

den kahlen Holunder, in dem Buch-<br />

NATUR ERLEBEN<br />

finken und Grünlinge hocken, packt<br />

sich einen und fliegt mit ihm zu Boden.<br />

Ich nähere mich ganz langsam,<br />

da fliegt er mit der kleinen Beute ein<br />

Stück weiter, beginnt zu kröpfen, wie<br />

man das Verzehren bei Greifvögeln<br />

und Eulen nennt. Apropos Eulen: Im<br />

Oktober flog „unsere“ schneeweiße<br />

Schleiereule wenige Zentimeter an<br />

meinem Kopf geisterhaft in der Dämmerung,<br />

nur vom Haustürlicht blass<br />

beschienen, vorbei, als ich auf der<br />

Haustreppe stand. Andere Greife: Der<br />

Mäusebussard kreist über Garten und<br />

angrenzender Wiese; der Turmfalke<br />

fängt Mäuse, versucht sich vergeblich<br />

an Vögeln. „Meine“ Meisen sind so<br />

vertraut, dass mir eine Kohlmeise von<br />

der Hand Erdnüsse holte, Blaumeisen<br />

nah herankommen. Eine Dohle fing im<br />

Vorjahr unvorsichtige junge Meisen,<br />

was Rabenkrähen, Elstern und Eichelhäher<br />

nie taten und tun – bisher.<br />

Die Beobachtung „meiner“ Gartenvögel<br />

ist eine tägliche Freude – gerade,<br />

wenn man alters- und gesundheitsbedingt<br />

leider nicht mehr verreisen<br />

kann.<br />

135


136 AKTIONEN<br />

� Kunstaktion auf Haus Rutenborn<br />

Wohltuende Kraft<br />

der Farben und Formen<br />

von Jutta Sucker<br />

Action-Painting: Malen ohne<br />

festes Ziel einfach aus dem Bauch<br />

heraus. Vorgaben und Zwänge<br />

gibt es nicht. Auch beim landaktiv-Workshop<br />

ist erlaubt, was<br />

gefällt. Während der Sommermonate<br />

finden unter Leitung der<br />

Grafik-Designerin Jutta Sucker in<br />

der malerischen Atmosphäre des<br />

Hauses Rutenborn in Schwerte-<br />

Geisecke Kurse statt.<br />

Action-Painting, zu deutsch Aktionsmalerei,<br />

ist eine kreative Selbsterfahrung<br />

für alle, die einige entspannende<br />

Stunden lang aus dem Alltag<br />

aussteigen wollen. Zugleich ist es ein<br />

Event, das an verschiedenen Orten<br />

stattfinden kann. Die urige Atmosphäre<br />

einer alten Scheune, das Fachwerk-<br />

Ambiente eines Bauernhofes oder die<br />

sonnige Blumenwiese. Action-Painting<br />

ist flexibel und kann für die verschiedensten<br />

Orte gebucht werden.<br />

In den bereits gelaufenen Kursen<br />

entdeckten viele Teilnehmer aller<br />

Ein Beispiel für Action-Painting. Foto: Sucker<br />

Altersklassen die wohltuende Kraft<br />

der Farben und Formen. Gleichzeitig<br />

erfuhren sie, wie entspannend und<br />

anregend es sein kann, sich unter<br />

freiem Himmel und auf einladender<br />

Leinwand mal so richtig gehen zu<br />

lassen. Mit Unterstützung von Jutta<br />

Sucker entstehen mit Acrylfarben, Pin-


seln, Schwämmen, Bürsten und vielen<br />

anderen Materialien Werke, mit denen<br />

die kleinen und großen KünstlerInnen<br />

ihren Gefühlen und Empfindungen<br />

ganz spontan Ausdruck verschaffen.<br />

Für die bisherigen Teilnehmer jedenfalls<br />

wurde das Angebot stets zu einem<br />

Happening mit Erlebnis-Charakter und<br />

mitunter sogar Selbsterfahrungswert.<br />

Mit Action-Painting lässt sich die<br />

Angebotspalette der Erlebnis-Landwirtschaft<br />

um eine im wahrsten Sinne<br />

des Wortes „farbige“ Facette bereichern.<br />

Kombiniert mit dem jeweiligen<br />

Angebot des Hofes eröffnen sich so<br />

interessante Synergie-Effekte.<br />

Was ist eigentlich Action-Painting?<br />

AKTIONEN<br />

� Kontakt<br />

Gebucht werden können diese<br />

Kurse über das landaktiv-Servicebüro<br />

bei Sabine Döring, Telefon 02303<br />

962173 oder direkt bei Jutta Sucker,<br />

Telefon 02303 255095 oder Birgit<br />

Schulte/Haus Rutenborn, Telefon<br />

02304 41369.<br />

Der Begriff Action-Painting – Aktionsmalerei – wurde erstmalig 1952 vom amerikanischen Kunstkritiker Harold<br />

Rosenberg in der Zeitschrift „Art News“ erwähnt. Kennzeichnend für die Action-Painting ist der auf dynamischer Malgestik<br />

beruhende Handlungsablauf bei der Bildgestaltung. Von Jackson Pollock, einem der Hauptvertreter des Action-<br />

Painting, ist bekannt, dass er den Farbträger häufig auf den Fußboden legte und von allen Seiten her „malte“, wobei er<br />

zum Auftragen der Farben nicht nur Pinsel, sondern auch Spachteln und Holzstücke etc. verwendete. Vielfach wurde<br />

von ihm die Farbe auch getropft, mit Pinseln gespritzt oder aus Behältern geschüttet. Die Maler des Action-Painting<br />

hatten keine konkrete Vorstellung im Sinn, die sie als Bild realisieren wollten, sondern sie betrachteten den Bildträger<br />

(Leinwand etc.), wie Jackson Pollock es ausdrückte, als Arena, wo eine Aktion stattfinden sollte. Sie nahmen das zur<br />

Herstellung eines Bildes nötige Material und stellten sich der Herausforderung, den Bildträger zu modifizieren; das<br />

Ergebnis war dann das Bild. Das verstandesmäßige Bewusstsein wurde bisweilen ausgeschaltet und im Vordergrund<br />

stand immer die Aktion. Komposition, Form, Farbe und Bildträger wurden als zweitrangig angesehen.<br />

137


138<br />

� Weltjugendtag im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

<strong>Natur</strong>schutz<br />

„under construction"<br />

von Ludwig Holzbeck<br />

AKTIONEN<br />

Im August 2005 fand in Köln der<br />

Weltjugendtag der katholischen<br />

Kirche statt. Vor dem Großereignis<br />

mit nahezu 1 Million Teilnehmern<br />

standen die Tage der Begegnung<br />

in den deutschen Diözesen, die<br />

vom 11. bis zum 15. August 2005<br />

im Vorfeld des XX. Weltjugendtages<br />

stattfanden. Rund 130 Jugendliche<br />

und junge Erwachsene<br />

aus Indien, Rumänien, Italien und<br />

dem afrikanischen Malawi waren<br />

Gäste im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>.<br />

Als zentraler Bestandteil der Tage<br />

der Begegnung stand der Tag des sozialen<br />

Engagements - under construction<br />

- am 13. August 2005 im Mittelpunkt<br />

des Aufenthaltes hier in <strong>Unna</strong>, an dem<br />

der Glaube praktische Anwendung erfahren<br />

sollte. Ziel war es, die wesentlichen<br />

Grundelemente der katholischen<br />

Kirche in Liturgie, Verkündigung und<br />

Diakonie in ihrer wechselseitigen Bezogenheit<br />

aufzugreifen und erfahrbar zu<br />

machen. Das Ereignis des Weltjugend-<br />

tages bot dazu eine ideale Möglichkeit.<br />

Der Glaube bekommt Realität, wenn<br />

aus den christlichen Werten heraus<br />

das soziale, politische, kulturelle<br />

und ökologische Umfeld des Lebens<br />

wahrgenommen und mitgestaltet<br />

wird. Hierbei verbinden sich, von der<br />

biblischen Schöpfungsverantwortung<br />

ausgehend, die individuellen Aspekte<br />

des persönlichen Glaubensvollzugs mit<br />

der Aufforderung, gemeinschaftlich<br />

tätig zu werden.<br />

� Praktische <strong>Natur</strong>schutzarbeit<br />

Aus diesem Kontext heraus entschloss<br />

sich der Pastoralverbund <strong>Unna</strong>,<br />

den Jugendlichen, die nach <strong>Unna</strong> kommen<br />

sollten, neben sozialen und kulturellen<br />

Projekten auch Ökologieprojekte<br />

anzubieten. In diesen Projekten<br />

sollte einerseits gemäß dem Motto<br />

„under construction“ praktische <strong>Natur</strong>schutzarbeit<br />

geleistet andererseits<br />

aber auch vermittelt werden, warum<br />

und wie sich <strong>Natur</strong>schützer vor Ort<br />

aus ihrer Verantwortung heraus für<br />

ihre Umwelt engagieren.<br />

Am 13. August 2005, dem Tag des<br />

sozialen Engagements, standen neben<br />

anderen Aktionen diese angedachten<br />

<strong>Natur</strong>schutzprojekte auf dem Programm.<br />

Wie viele Teilnehmer würden<br />

letztlich kommen? Welche Arbeiten<br />

können sinnvollerweise verrichtet<br />

werden? Wo gibt es geeignete Einsatzorte?<br />

Wie kommen die Teilnehmer<br />

dorthin und wie wird die Verpflegung<br />

sichergestellt? Fragen über Fragen,<br />

die es im Vorfeld zu beantworten<br />

galt. Schnell fand sich eine kleine<br />

Organisationsrunde, der Dr. Josef Cornelissen<br />

und Karl-Heinz Albrecht aus<br />

<strong>Unna</strong>-Mühlhausen, Heinz Schlockermann<br />

aus Bönen-Lenningsen, Anke<br />

Bienengräber von der Biologischen<br />

Station, Hermann Knüwer vom <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Unna</strong> sowie der Autor für die <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />

angehörten.<br />

Zunächst galt es, über sinnvolle Projekte<br />

nachzudenken. Aus einer größeren<br />

Auswahl verblieben letztlich drei<br />

Vorschläge: eine Teichentschlammung<br />

in der Öko-Zelle in Mühlhausen, der<br />

Abtransport von Mahdgut aus einer<br />

Feuchtwiese in Lenningsen sowie die<br />

Beseitigung von Grünabfällen aus


einer Hecke in Lünern. Viele fleißige<br />

Hände trugen dazu bei, dass diese<br />

Vorhaben erfolgreich durchgeführt<br />

werden konnten. Die Gesellschaft für<br />

Wertstoff- und Abfallwirtschaft für<br />

den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> stellte kostenlos in<br />

Mühlhausen, Lünern und Bönen Container<br />

auf, so dass Bodenaushub und<br />

Mahdgut ordnungs-gemäß entsorgt<br />

werden konnten.<br />

Die Stadtbetriebe <strong>Unna</strong> lieferten<br />

Schubkarren, Schaufeln, Harken und<br />

sonstige Gerätschaften. Landwirt Karl<br />

Kötter aus Uelzen stellte einen Trecker<br />

mit Anhänger zur Verfügung, das katholische<br />

Krankenhaus <strong>Unna</strong> sorgte<br />

für das leibliche Wohl und zahlreiche<br />

weitere Personen stellten Stiefel und<br />

andere Gebrauchsgegenstände zur<br />

Verfügung und halfen selbst bei den<br />

Aktionen tatkräftig mit. Nicht zu vergessen<br />

ist, dass sehr viele Teilnehmer<br />

am Weltjugendtag während der Tage<br />

der Begegnung in den Familien herzlich<br />

aufgenommen wurden und dort<br />

Unterkunft fanden.<br />

� Drei Einsatzorte<br />

Die Witterungsbedingungen am<br />

Vortag des Aktionstages ließen nichts<br />

Gutes erahnen. Es regnete in Strömen.<br />

Doch Petrus war gnädig und<br />

bescherte am Samstag bestes Wetter<br />

bei strahlendem Sonnenschein. Nach<br />

AKTIONEN<br />

Mahdgut wird von eienr Feuchtwiese in Lenningsen abgetragen. Foto. L. Hoffmann<br />

der offiziellen Begrüßung in <strong>Unna</strong><br />

durch Bürgermeister Werner Kolter<br />

wurden die Gäste mit Bussen zu den<br />

Einsatzorten gefahren, wo sie bereits<br />

von ortsansässigen Helfern erwartet<br />

wurden.<br />

� Mühlhausen<br />

In der „Ökozelle“ in Mühlhausen<br />

waren die Stiefel schnell auf die großen<br />

und kleinen Füße verteilt, die<br />

Arbeitsgeräte ausgegeben und Sinn<br />

und Zweck der Maßnahme erläutert.<br />

Es galt, einen verlandeten Teich als<br />

Lebensraum für Amphibien, Libellen<br />

und andere Lebewesen zu optimieren.<br />

Diese Arbeiten hätten auf Grund<br />

des unwegsamen Geländes nicht mit<br />

Großmaschinen verrichtet werden<br />

können. Ob groß oder eher klein, ob<br />

Junge oder Mädchen, ob praktisch<br />

erfahren oder nicht, es wurde mit<br />

139


140 AKTIONEN<br />

vereinten Kräften zugepackt, gegraben,<br />

geschaufelt, geharkt und Schubkarren<br />

quasi im Akkord bewegt. Das<br />

dabei gelegentlich ein unfreiwilliges<br />

(?) Schlammbad genommen wurde,<br />

förderte letztlich nur die Stimmung.<br />

Überhaupt war die Motivation und<br />

der Zusammenhalt über Nationalitäten,<br />

Sprachen und Kulturen hinweg<br />

überaus beeindruckend. Nachdem<br />

sechs Kubikmeter Schlamm bewegt<br />

worden waren und die Kräfte dann<br />

doch allmählich schwanden, erläuterte<br />

Dr. Josef Cornelissen bei einem<br />

Rundgang durch Mühlhausen die hier<br />

realisierten <strong>Natur</strong>schutzprojekte, die<br />

landschaftlichen Besonderheiten und<br />

gab auch interessante Informationen<br />

zur Geschichte von Mühlhausen.<br />

� Lenningsen<br />

Das Abtransportieren von Mahdgut<br />

aus einer Feuchtwiese stand in Lenningsen<br />

auf dem Programm. Nach den<br />

starken Niederschlägen vom Vortag<br />

hatte sich die Fläche jedoch beinahe<br />

in einen Flachsee verwandelt. Deshalb<br />

machte sich die dortige Arbeitsgruppe<br />

zunächst auf, unter Leitung von<br />

Heinz Schlockermann und Anke Bienengräber<br />

einen kleinen Rundgang<br />

durch Lenningsen zu machen, wobei<br />

den interessiert zuhörenden Gästen<br />

verschiedene <strong>Natur</strong>schutzmaßnah-<br />

Nicht: alle für einen, sondern alle in einem... Foto: Knüwer<br />

men vorgestellt und heimatkundliche<br />

Hintergrundinformationen vermittelt<br />

wurden. Nach der Theorie folgte<br />

anschließend der praktische Teil.<br />

Ausgerüstet mit Planen, Gabeln und<br />

Karren ging es dem Mahdgut zu Leibe.<br />

Die Feuchtwiese war nämlich zu<br />

vernässt, als dass Maschinen für den<br />

Abtransport hätten eingesetzt werden<br />

können. Bei den Handarbeiten kamen<br />

dabei auch äußerst unkonventionelle<br />

Methoden zum Einsatz: Eine Schubkarre<br />

lässt sich eben nicht nur von einer<br />

Person schieben; denn, wenn jeder<br />

einen Holm anpackt und schiebt, geht<br />

es auch mit vereinten Kräften zu zweit.<br />

Auch dies war, wie alle Projekte insgesamt,<br />

ein deutliches und praktisches<br />

Beispiel für gemeinsames, verantwortungsbewusstes<br />

Handeln im Sinne der<br />

Bewahrung der Schöpfung. Der Spaß<br />

und die Lust am gemeinsamen Erleben<br />

war auch hier riesig.<br />

� Lünern<br />

Auch in Lünern wurde kräftig zugepackt.<br />

Hier galt es, verdorbenes Heu,<br />

das vor längerer Zeit in eine Hecke<br />

hineingeschoben worden war und<br />

dort die Bodenvegetation unterdrückt


hatte, in Handarbeit zu beseitigen. Alle<br />

packten kräftig zu und in Nullkommanix<br />

waren auch hier die Arbeiten<br />

verrichtet. Besonderen Gefallen fand<br />

der ungewöhnliche Transfer zum<br />

Mittagessen nach Mühlhausen. Statt<br />

die bereitgestellten PKW zu nutzen,<br />

baten die Jugendlichen Karl Kötter<br />

die Chauffeurdienste zu übernehmen.<br />

Und so fuhren die begeisterten Teilnehmer<br />

wohl erstmalig und vielleicht<br />

auch letztmalig im Viehanhänger,<br />

gezogen von einem Trecker, von<br />

Lünern nach Mühlhausen. Während<br />

der Fahrt wurden natürlich Lieder<br />

gesungen. Unterwegs staunten Passanten<br />

und Anwohner über die große<br />

Begeisterung und Lebensfreude der<br />

jungen Menschen. In der Ökozelle<br />

Mühlhausen trafen sich alle Teilnehmer<br />

zum gemeinschaftlichen Mittagessen.<br />

Es wurden Lieder gesungen und in<br />

zahlreichen Gesprächen, Erfahrungen<br />

ausgetauscht und vertieft.<br />

AKTIONEN<br />

� Resümée<br />

Alles in allem haben die Aktionen<br />

dazu beigetragen, das Verständnis<br />

füreinander, das Miteinander und<br />

unser aller Verantwortung für die Umwelt<br />

und die Schöpfung zu festigen<br />

und neu zu beleben. Viele positive<br />

Eindrücke haben unsere Gäste und<br />

auch die hiesigen Teilnehmer mitnehmen<br />

können. Allen hat es Spaß<br />

gemacht, es waren mehr als nur Tage<br />

der Begegnung.<br />

Im Nachhinein trafen viele positive Rückläufe ein. Eine Reaktion eines Teilnehmers aus Italien erreichte per E-Mail Christine<br />

Loi, die freundlicherweise Dolmetscherdienste übernommen hatte:<br />

Ciao Cristina,<br />

ich bin Eliano, einer der Pilgergruppe, die Du am 13. August in Bönen begleitet hast. Schlussendlich ist es uns doch gelungen,<br />

unsere Arbeiten auf dem Feld in Angriff zu nehmen (und wir haben auch sehr viel Spaß dabei gehabt!). Alles summiert ist der<br />

Einsatz sehr zu unseren Guns ten ausgefallen: 1,5 Stunden Arbeit im Tausch gegen drei Mahlzeiten (Frühstück, Mittagessen<br />

und Kaffeetrinken mit Kuchen). Eine wirklich gute „Sache“!<br />

Danke und vielmals Danke, wir haben uns sehr gut angenommen und aufgehoben gefühlt.<br />

Eliano<br />

141


142<br />

� Hier ist richtig was los<br />

Veranstaltungen auf der<br />

Ökologiestation des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> 2006<br />

von Birgit Manz<br />

AKTIONEN<br />

Unter dem Motto „Hier ist richtig<br />

was los" bietet die Ökologiestation<br />

des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> Fortbildungen<br />

für Pädagogen und <strong>Natur</strong>freunde<br />

sowie Aktionen für Kinder<br />

während der Schulferien.<br />

� Fortbildungen für Pädagogen<br />

und <strong>Natur</strong>freunde<br />

Angeboten von der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />

für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

e.V. und der Umweltzentrum Westfalen<br />

GmbH<br />

� Kräuterwerkstatt<br />

„Nicht durch die Apotheke, sondern<br />

durch die Küche geht der Weg zur<br />

Gesundheit": Von jeher nutzen Menschen<br />

Wildkräuter zur Bereicherung<br />

ihrer Mahlzeiten und zur Heilung von<br />

Krankheiten. Das Wissen um die Kraft<br />

der Wildkräuter ist in den vergangenen<br />

Jahrzehnten weitgehend verlorengegangen,<br />

da ganzjährig Frischgemüse<br />

zur Verfügung steht. Oder wissen<br />

Sie, wie man aus Brennnesselspitzen<br />

eine Suppe bereiten kann, die nicht<br />

nur köstlich schmeckt, sondern auch<br />

blutreinigend wirkt, was unserem<br />

Körper nach dem Winter sehr gut tut?<br />

Die Kräuterwerkstatt informiert über<br />

Wildkräuter, die wir draußen in Feld<br />

und Flur finden können und über ihre<br />

Wirkungen. Außerdem wird gemeinsam<br />

ein Wildkräutermenü zubereitet.<br />

Termin: Montag, 8. Mai 2006<br />

9.00 Uhr – 16.00 Uhr<br />

Kosten: 35 EUR<br />

Anmeldung bis Montag, 24. April 2006<br />

� Wespen und Bienen<br />

„Man muss Sie nicht lieben, kann<br />

aber mit ihnen leben“: Im Haus und<br />

Garten nistende Wespen und Bienen<br />

versetzen jedes Jahr viele Bürger in<br />

helle Aufregung. Gerade ErzieherInnen<br />

und LehrerInnen sind – was den<br />

Kindergarten und Schulbereich angeht<br />

– verunsichert, wenn sich Wespen<br />

oder Bienen hier ansiedeln. Ziel des<br />

Seminars ist es, einen fundierten<br />

Überblick von dieser interessanten<br />

Insektengruppe zu erhalten und fal-<br />

sche Ängste abzubauen. Auch wer<br />

als Ansprechpartner und Berater bei<br />

Wespenproblemen für Bürger arbeiten<br />

möchte, bekommt hier eine fundierte<br />

Wissensbasis vermittelt.<br />

Termin: Dienstag, 30. Mai 2006<br />

von 9.00 – 16.00 Uhr<br />

Kosten: 65 EUR<br />

Anmeldung bis Dienstag, 16. Mai 2006<br />

Weitere Informationen und Anmeldungen<br />

zu den Fortbildungen bei Dorothee Weber<br />

– Köhling, Umweltzentrum Westfalen<br />

GmbH, Tel.: 02389 980913<br />

� Ferienaktionen<br />

Gemeinsames Angebot der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />

für den<br />

<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V., der Umweltzentrum<br />

Westfalen GmbH und der Jugendkunstschule<br />

der Stadt Bergkamen.<br />

� Landart für Kinder von 10 bis<br />

15 Jahren<br />

„... nichts wird für die Ewigkeit gemacht,<br />

sondern für den Augenblick.“:<br />

Bäume und Gräser, Steine und Sand,<br />

Wasser und Eis; Gestaltungsmaterial


kann alles sein, was die <strong>Natur</strong> zur<br />

jeweiligen Jahreszeit bietet. Vier Tage<br />

lang werden die Teilnehmer zu Künstlern<br />

in der <strong>Natur</strong>. Entwickelt werden<br />

kleine Kunstwerke aus allem, was die<br />

<strong>Natur</strong> zu bieten hat. Die Teilnehmer<br />

dringen immer weiter in die <strong>Natur</strong> vor<br />

und prüfen die vielfältigen Materialien<br />

auf Tauglichkeit für ihre Kunstwerke.<br />

Sie suchen geeignete Gestaltungsplätze,<br />

Räume, Zwischenräume und<br />

gestalten sie mit ihrer Fantasie. Das<br />

Ziel soll nicht ein möglichst perfektes<br />

Kunstwerk sein, vielmehr liegt der<br />

Schwerpunkt auf dem spielerischen<br />

Experimentieren.<br />

Termin: 18. – 21. April 2006<br />

Di – Do, 10.00 bis 16.00 Uhr,<br />

Fr., 10.00 bis 14.00 Ur<br />

Kosten: 50 EUR<br />

Anmeldung und weitere Informationen<br />

bei der Jugendkunstschule Bergkamen,<br />

Gereon Kleinhubbert, 02307 965463.<br />

� Mittelalterliches Leben in einem<br />

Prämonstratenserkloster<br />

Historisches Spiel für Kinder ab 8<br />

Jahren und Jugendliche: „Und vergib<br />

uns unsere Schuld...“. Wir denken uns<br />

das Jahr des Herrn 1123. In der Familie<br />

Gottfried von Cappenberg rumort<br />

es schon seit längerer Zeit. Gottfried<br />

trägt sich mit dem Gedanken der<br />

Welt zu entsagen und seine Burg in<br />

ein Prämonstratenserkloster umzuwandeln.<br />

Der Widerstand in seiner<br />

Familie, besonders von Seiten seines<br />

Bruders Odo, gegen dieses Vorhaben<br />

ist stark. Odo möchte das Erbe seines<br />

Bruders, der keine Söhne hat, antreten<br />

können und versucht, mit vielen<br />

Mitteln das Vorhaben seines Bruders<br />

zu verhindern.<br />

Nach einer heftigen Familienauseinandersetzung<br />

platzt der Knoten und<br />

Gottfried von Cappenberg verkündet,<br />

dass mit Hilfe des Bischofs von Münster<br />

die Burg Cappenberg zum Kloster<br />

wird. Ein gesandter Mönch leistet Hilfe<br />

bei der Umgestaltung der Bauten und<br />

AKTIONEN<br />

Wie man Feuer macht, ist eine Fertigkeit, die die Kinder während der Historischen<br />

Spiele lernen.<br />

bei der Einführung der Klosterregeln.<br />

Trotz des Widerstands von Odo, der<br />

zum Prior des Klosters wird, entfaltet<br />

sich langsam eine klösterliche Atmosphäre.<br />

Während einer morgendlichen Andacht<br />

schreckt ein grausiger Fund das<br />

klösterliche Leben jäh auf. Ein schreckliches<br />

Verbrechen ist geschehen!<br />

Termin: 3. – 7. Juli 2006<br />

Kosten: 95 EUR Teilnahme am Spiel<br />

230 EUR incl. Übernachtung<br />

Anmeldung und weitere Informationen<br />

beim Umweltzentrum Westfalen, Dorotheee<br />

Weber-Köhling unter der Telefonnummer<br />

02389 980913<br />

143


144<br />

NATUR DES JAHRES<br />

� Vogel des Jahres 2006<br />

Der Kleiber<br />

NABU und Landesbund für Vogelschutz<br />

(LBV) haben den Kleiber<br />

zum Vogel des Jahres 2006<br />

gekürt. Der Kleiber (Sitta europaea)<br />

steht stellvertretend für einen<br />

Lebensraum in Deutschland und<br />

Mitteleuropa, der ebenso unverzichtbar<br />

für viele andere Vögel wie<br />

Spechte, Meisen oder Greifvögel<br />

ist: Seine Wahl ist also ein Plädoyer<br />

für den Schutz von Buchen-<br />

und Eichenwäldern.<br />

Als Stimme unserer Wälder hört<br />

man die Männchen von Ende Dezember<br />

bis ins Frühjahr mit der lauten<br />

Pfeifstrophe „wi wi wi“ weithin rufen.<br />

Als einziger Vogel kann der Kleiber den<br />

Baumstamm kopfüber hinunterlaufen.<br />

Der Name beschreibt die „handwerkliche“<br />

Fähigkeit des Vogels, den Eingang<br />

der Bruthöhle durch „Kleibern“<br />

(Kleben) von Lehmkügelchen auf die<br />

eigene Körpergröße zu verkleinern.<br />

Mit zwölf bis 15 Zentimetern ist der<br />

Kleiber etwa so groß wie eine Kohlmeise.<br />

Typisch sind die kompakte Gestalt,<br />

der relativ große Kopf, das blaugraue<br />

Für den Menschen unverzichtbar: der<br />

Kleiber. Foto: NABU/M. Delpho<br />

Obergefieder sowie der schwarze<br />

Augenstreif von den Schultern bis zum<br />

langen spitzen Schnabel. Kleiber leben<br />

zur Vegetationszeit hauptsächlich von<br />

Insekten und Spinnen, zum Herbst hin<br />

auch von Samen verschiedener Laub-<br />

und Nadelbäume und von Sonnenblumen.<br />

Lieblingsnahrung der Kleiber<br />

sind allerdings Maden, weswegen sie<br />

auch oft Spechtmeisen genannt werden.<br />

Das Weibchen legt im April oder<br />

Mai sechs bis acht rotbraun gefleckte<br />

Eier. Verlässt der Vogel seine Nisthöhle<br />

auch nur für kurze Zeit, deckt<br />

er die Eier mit Blättern zu. Die Brut<br />

dauert im Schnitt zwischen 14 und<br />

15 Tagen, die Jungvögel bleiben nach<br />

dem Schlüpfen noch 22 bis 25 Tage im<br />

Nest. Beim Ausfliegen sind die jungen<br />

Kleiber schon sichere Flieger, die schon<br />

versuchen, ihr Revier zu gründen. Wie<br />

die Kleiber von Ende April bis Ende<br />

Mai brüten, kommt es vor, dass späte<br />

Fröste zum Tode der gesamten Brut<br />

führen.<br />

Der Kleiber ist in Europa, Asien und<br />

Nordwestafrika verbreitet. Allerdings<br />

lebt acht Prozent der europäischen<br />

Kleiberpopulation in Deutschland.<br />

Damit hat Deutschland eine zentrale<br />

Verantwortung für die Art und ihren<br />

Lebensraum mit höhlenreichen Altholzbeständen<br />

und strukturreichen,<br />

lichten Laub-, Laubmisch- und Nadelwäldern.<br />

Diese sind gleichzeitig ein<br />

Wasserspeicher und nehmen sehr viel<br />

Kohlendioxid aus der Luft auf.


� Fisch des Jahres<br />

Die Koppe<br />

Der Verband Deutscher Sportfischer<br />

(VDSF) und das Österreichische<br />

Kuratorium für Fischerei und<br />

Gewässerschutz (ÖKF) haben<br />

erstmals in einer gemeinsamen<br />

Aktion die gleiche Fischart zum<br />

Fisch des Jahres gewählt: die<br />

Koppe (Cottus gobio). Sie wollen<br />

mit der Wahl auf die Gefährdung<br />

dieser wenig bekannten, markanten<br />

und urigen Fischart hinweisen.<br />

In weiten Teilen Deutschlands zählt<br />

die Koppe zu den bedrohten Tierarten.<br />

Die Koppe (auch: Mühlkoppe oder<br />

Groppe) bewohnt sehr saubere, rasch<br />

fließende Bäche und kleinere Flüsse<br />

mit steinigem Grund, aber auch sommerkühle,<br />

sauerstoffreiche Seen. In<br />

den Bächen der Forellenregion lebt sie<br />

in einer Höhe von bis zu 2000 Meter<br />

über dem Meeresspiegel. Sie verbirgt<br />

sich tagsüber zwischen Steinen und<br />

Wasserpflanzen. In der Dämmerung<br />

jagt sie nach Insektenlarven, Bachflohkrebsen<br />

und Fischbrut. Mit ihrem<br />

großen Kopf und ihrem breiten Maul<br />

wirkt sie, trotz ihrer geringen Größe<br />

Die Koppe. Foto: Michel Roggo<br />

von zehn bis 15 Zentimetern, recht<br />

imposant. Dazu tragen auch die<br />

sehr großen fächerförmigen Brustflossen<br />

und zwei Rückenflossen mit<br />

Stachelstrahlen bei. Die Färbung des<br />

keulenförmigen Körpers ist bräunlich<br />

bis dunkelgrau, mit unregelmäßiger<br />

Marmorierung, was die Koppe in Ruhestellung<br />

auf steinigem Untergrund<br />

nahezu unsichtbar macht.<br />

Die Laichzeit fällt – je nach Gewässer<br />

– in die Zeit von Februar bis<br />

Mai. Das Weibchen legt dabei 100<br />

NATUR DES JAHRES<br />

bis 200 Eier unter Steinen oder in<br />

einer Art Laichgrube ab. Das Männchen<br />

bewacht das Gelege und sorgt<br />

durch Fächeln mit den Brustflossen<br />

für Frischwasserzufuhr bis die Larven<br />

geschlüpft sind. Nach dem Schlüpfen<br />

treiben sie mit dem Wasserstrom abwärts<br />

und wandern erst als Jungfische<br />

wieder den Bach aufwärts.<br />

Die Koppe ist sehr empfindlich<br />

gegenüber Verunreinigungen und<br />

kann deshalb als Bioindikator für die<br />

ökologische Qualität eines Gewässers<br />

angesehen werden. Intakte Koppenvorkommen<br />

weisen auf strukturreiche,<br />

naturnahe Fließgewässer mit hoher<br />

Wasserqualität hin. Vielerorts machen<br />

Uferverbau und der Einbau von Wehren<br />

in die Gewässerläufe eine Wiederbesiedlung<br />

früherer Wohngewässer<br />

unmöglich. Koppen gehören zu den<br />

Kurzdistanzwanderfischen. Bei ihren<br />

Aufwärtswanderungen stellen Barrieren<br />

im Bach ein großes Problem dar,<br />

weil sie als bodengebundene Fischart<br />

ohne Schwimmblase selbst Hindernisse<br />

von nur 10 bis 15 Zentimetern Höhe<br />

nicht überwinden kann.<br />

145


146<br />

� Baum des Jahres<br />

NATUR DES JAHRES<br />

Die Schwarz-Pappel<br />

Das Kuratorium Baum des Jahres<br />

hat die Schwarz-Pappel (Populus<br />

nigra) zum Baum des Jahres 2006<br />

ernannt.<br />

Einst Charakterart der Flussauen<br />

– heute vom Aussterben bedroht: Die<br />

Schwarz-Pappel gehört zur Familie<br />

der Weidengewächse und verdankt<br />

ihren Namen der dunklen Baumrinde.<br />

Sie wächst bis zu 35 Meter hoch, der<br />

Stamm kann zwei Meter dick werden.<br />

Die Blätter der Schwarz-Pappel<br />

erinnern in ihrer Form an ein Dreieck.<br />

Sie haben eine schmale, lange Spitze.<br />

Der Blattrand besitzt abgerundete,<br />

nach vorne zeigende Zähnchen.<br />

Die glänzend dunkelgrünen Blätter<br />

sind relativ groß, einige können bis<br />

zu neun Zentimeter lang werden.<br />

Die Schwarz-Pappel kommt fast in<br />

ganz Europa vor, mit Ausnahme von<br />

Skandinavien, Schottland, Irland und<br />

Nordrussland. Laut Kuratorium sind<br />

in Deutschland nicht mehr als 3.000<br />

Altbäume der Schwarz-Pappel sicher<br />

identifiziert. Der Baum soll nur noch<br />

in Reliktvorkommen an Rhein, Elbe<br />

und Oder vorkommen. Die ehemalige<br />

Charakterart der Flussauen ist so selten<br />

geworden, dass sie auf der Roten<br />

Liste bedrohter Pflanzenarten steht.<br />

Vor allem die Rodung von Flussauen<br />

und die Absenkung des Grundwassers<br />

zerstören den Lebensraum des imposanten<br />

Baumes, der bis zu 200 Jahre<br />

alt werden kann.<br />

Voraussetzung für die natürliche<br />

Verbreitung und Erhaltung der<br />

Schwarz-Pappel in den europäischen<br />

Flusssystemen, sind geeignete Biotope.<br />

Die von der Schwarzpappel besiedelten<br />

Standorte werden höchstens eine<br />

Baumgeneration gehalten. Danach<br />

gehen diese Standorte vor allem auf<br />

Grund des bei den regelmäßigen<br />

Überschwemmungen eingetragenen<br />

feinen Bodenmaterials (Sedimentation)<br />

in Hartholzaue über. Deshalb<br />

müssen für ein Überleben dieser Art<br />

geeignete Rohböden immer wieder<br />

neu entstehen.<br />

Die Weichholzauen gehören zu<br />

den am meisten gefährdeten Waldstandorten<br />

Mitteleuropas. In den<br />

vergangenen Jahrhunderten hat die<br />

Trockenlegung der Auenstandorte für<br />

Siedlung, Landwirtschaft, Industrie,<br />

Erholungseinrichtungen, Flussbegradigungen,<br />

Kanalisierung und Eindeichungen<br />

die Biotopfläche drastisch<br />

verringert. Aber auch der verstärkte<br />

Anbau von Hybridpappeln und anderen<br />

Baumarten aus ökonomischen<br />

Gründen hat zu dem Rückgang der<br />

Auenwälder und damit der Schwarz-<br />

Pappel beigetragen.<br />

Seit dem 17. Jahrhundert werden in<br />

Europa auch amerikanische Schwarz-<br />

Pappeln beziehungsweise Schwarzpappelhybriden<br />

angepflanzt, die aus<br />

Kreuzungen der amerikanischen mit<br />

der einheimischen Schwarzpappel hervorgegangen<br />

sind. Von den Schwarzpappelhybriden<br />

ist die heimische<br />

Schwarz-Pappel nur sehr schwer zu<br />

unterscheiden. Weltweit gibt es rund<br />

60 Pappelarten.<br />

Anmerkung<br />

Zur Situation der Schwarz-Pappel im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />

siehe den Aufsatz „Die Schwarz-Pappel - Eine<br />

bedrohte Baumart im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>“ im <strong>Natur</strong><strong>report</strong>-Jahrbuch<br />

4: 53-57.


� Blume des Jahres<br />

Das Wiesen-Schaumkraut<br />

Die Stiftung <strong>Natur</strong>schutz Hamburg<br />

und Stiftung zum Schutze<br />

gefährdeter Pflanzen hat das<br />

Wiesen-Schaumkraut zur Blume<br />

des Jahres 2006 ernannt. Mit<br />

der Feuchtwiesenart Cardamine<br />

pratensis soll auf schleichende Gefährdungstendenzen<br />

aufmerksam<br />

gemacht werden. Hervorgerufen<br />

durch länderübergreifende Entwässerungsmaßnahmen(Eindeichung<br />

der Auenbereiche), aber<br />

auch durch regionale und örtliche<br />

Bewirtschaftungsmaßnahmen<br />

im Binnenland sind immer mehr<br />

Grünlandarten betroffen.<br />

Innerhalb der Kulturlandschaft<br />

kommen Bestände von Cardamine<br />

pratensis in unterschiedlichsten Biotopen<br />

vor: auf gedüngten Feuchtwiesen<br />

und -weiden, in Talauen, in Flachmooren,<br />

auf feuchten Stellen in Wäldern, in<br />

Uferbereichen, auf den feucht- frischen<br />

Wiesen- und Rasenflächen in Grünanlagen<br />

und Gärten. Cardamine pratensis<br />

gehört zur Pflanzenfamilie der Kreuzblütler<br />

(Brassicaceae/ Cruciferae), die<br />

weltweit mit 350 Pflanzengattungen<br />

verbreitet ist. Die bis zu 60 Zentimeter<br />

hohe Feuchtwiesenart besitzt bodennah<br />

rosettenartige Grundblätter und<br />

unpaarig gefiederte Teilblättchen im<br />

Das Wiesenschaumkraut ist essbar.<br />

Foto: Stiftung <strong>Natur</strong>schutz Hamburg<br />

NATUR DES JAHRES<br />

oberen Stängelabschnitt. Der hohle<br />

Stängel ist fast rund, die Blütenstände<br />

blasslila, -rosa oder weiß. Die Blüten<br />

sind sehr nektarreich und werden<br />

durch zahlreiche Insekten wie zum Beispiel<br />

den Aurora-Falter (Anthocharis<br />

cardamines) angeflogen, weil dessen<br />

Raupen sich gern von dem Pflanzensaft<br />

des Schaumkrautes ernähren. Die<br />

Pflanzensamen befinden sich in einer<br />

Schote, welche bei Reife aufspringt.<br />

Wenn die grundständigen Blätter des<br />

Wiesen-Schaumkrautes feuchten Boden<br />

berühren, dann passiert es sehr<br />

oft, dass sich an den Ansatzstellen<br />

der Fiederblättchen wurzelnde Brutknospen<br />

bilden, die zu selbständigen<br />

Pflanzen heranwachsen (vegetative<br />

Selbstverbreitung). Das Wiesen-<br />

Schaumkraut ist essbar. Es hat einen<br />

leicht scharfen, würzigen und bitteren<br />

Geschmack. Auch als Hausmittel findet<br />

die Pflanze Anwendung: Wiesen-<br />

Schaumkraut-Tee gilt als Heilmittel<br />

gegen Rheuma. Außerdem wird ihm<br />

eine belebende Wirkung nachgesagt<br />

und enthält Senfölglykoside, Bitterstoffe<br />

und Vitamin C.<br />

147


148<br />

� Pilz des Jahres<br />

NATUR DES JAHRES<br />

Der Ästige Stachelbart<br />

Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie<br />

(DGfM) hat den Ästigen<br />

Stachelbart zum „Pilz des Jahres<br />

2006“ gewählt, um auf eine seltene<br />

und gefährdete Pilzart hinzuweisen,<br />

deren Lebensraum – alte<br />

Buchenwälder – geschützt werden<br />

sollte. Der Ästige Stachelbart (Hericium<br />

coralloides) beeindruckt vor<br />

allem durch sein exotisch anmutendes<br />

Äußeres. Bizarr geformt,<br />

unendlich verzweigt und blendend<br />

weiß, könnte man den Stachelbart<br />

eher für eine Südseekoralle halten.<br />

Der Ästige Stachelbart erreicht<br />

einen Durchmesser von über 20 Zentimetern.<br />

Er entspringt einem dicken<br />

Strunk, verzweigt sich in immer feinere<br />

Äste, an denen sich seine Sporen bilden.<br />

Jedes kleine Ästchen bildet Hunderte<br />

davon. Sie sind es, die wiederum<br />

an alten Buchen auskeimen, im Holz<br />

ein feines Geflecht entwickeln – das<br />

Myzel – und so den Stamm vermorschen<br />

lassen. Erst in der letzten Phase<br />

der Holzzersetzung bilden sich die<br />

Fruchtkörper des Ästigen Stachelbartes,<br />

also die besagte Koralle.<br />

Er ernährt sich saprotroph, wächst<br />

also nur auf totem Holz und schädigt<br />

damit nicht die lebende Buche. Vielmehr<br />

trägt er dazu bei, den organischen<br />

Abfall des Waldes zu beseitigen<br />

und bereitet damit auch für andere<br />

Organismen einen Lebensraum: Für<br />

Insekten, die im morschen Holz leben<br />

oder für Spechte, die dort leichter ihre<br />

Höhle zimmern können.<br />

Mit dem Verschwinden alter Buchen<br />

engt sich logischerweise auch<br />

sein Vorkommen ein. Zusätzlich muss<br />

er sich gegen seine Konkurrenten,<br />

den Zunderschwamm und den Flachporling,<br />

wehren. Aus diesem Grund<br />

ist sein Vorkommen in Deutschland<br />

stark gefährdet; nur in Regionen mit<br />

alten Buchenbeständen auf nicht zu<br />

trockenen Böden kann man ihm noch<br />

etwas häufiger begegnen – wie zum<br />

Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern.<br />

Die heutigen waldbaulichen Maßnah-<br />

men, die unsere Fichtenmonokulturen<br />

durch Zwischenpflanzen von Buchen<br />

in Mischwälder umgestalten, werden<br />

dem Ästigen Stachelbart künftig<br />

bessere Lebensräume ermöglichen.<br />

Allerdings erst in mehr als 100 Jahren<br />

– dann, wenn die heute gepflanzten<br />

Buchen das nötige Alter erreicht<br />

haben. Deswegen gilt: Absterbende<br />

Buchen nach Möglichkeit stehen<br />

lassen, um dem Ästigen Stachelbart<br />

und anderen Pilzen und Organismen<br />

geeigneten Lebensraum zu erhalten!<br />

Vielleicht kann der Ästige Stachelbart<br />

wie seine Schwesterart – der<br />

Igelstachelbart, auch Affenkopfpilz<br />

genannt – in Zukunft medizinisch genutzt<br />

werden. Die traditionelle chinesische<br />

Medizin setzt den Affenkopfpilz<br />

bereits ein.<br />

Wer weiß, vielleicht wird der Ästige<br />

Stachelbart eines Tages kultiviert und<br />

angebaut, um aus ihm Inhaltsstoffe<br />

und antitumorakitve Substanzen zu<br />

gewinnen, die kranken Menschen<br />

helfen, gesund zu werden.


� Orchidee des Jahres<br />

Die Breitblättrige Stendelwurz<br />

Der Arbeitskreis Heimischer Orchideen<br />

(AHO) hat die Breitblättrige<br />

Stendelwurz (Epipactis helleborine)<br />

zur Orchidee des Jahres 2006<br />

gewählt. Er will damit auf die<br />

Verschlechterungen der Lebensräume<br />

selbst recht häufiger Arten<br />

wie die Breitblättrige Stendelwurz<br />

hinweisen.<br />

Tatsächlich gehört die Breitblättrige<br />

Stendelwurz zu den in der Fläche am<br />

weitesten verbreiteten Orchideen. In<br />

Deutschland kommt sie von der Küste<br />

bis zu den Alpen in fast allen Regionen<br />

vor. In Sachsen allerdings werden die<br />

Bestände als gefährdet eingestuft und<br />

auch in der norddeutschen Tiefebene<br />

und in Schleswig-Holstein verzeichnet<br />

man laut AHO Rückgänge. Das Gesamtareal<br />

bedeckt Europa mit Ausnahme<br />

des Polarkreises, Teile Nordafrikas<br />

sowie Klein- und Vorderasien bis nach<br />

Pakistan an den Rand des Himalaya,<br />

weiter nördlich bis Zentralsibirien.<br />

Im Vergleich zu anderen Orchideen<br />

ist die Breitblättrige Stendelwurz recht<br />

wenig spezialisiert. Sie verträgt mehr<br />

Bei der Breitblättrigen Stendelwurz<br />

kann ein Blütenstand aus bis zu 80 Einzelblüten<br />

bestehen. Foto: Margenburg<br />

Nährstoffe im Boden und kommt mit<br />

weniger Licht aus als die meisten heimischen<br />

Erdorchideen. Hauptlebensraum<br />

sind Laub- und Mischwälder aller Art,<br />

vor allem Buchen- und Hainbuchenwälder;<br />

oft wächst sie an lichten Waldwegen.<br />

Selbst in Nadelholzbestände<br />

dringt die Breitblättrige Stendelwurz<br />

gelegentlich ein, am anderen Rand des<br />

NATUR DES JAHRES<br />

Spektrum gibt es zudem Wuchsorte<br />

auf Trockenrasen. Auch in Parks und<br />

parkähnlichen Friedhöfen findet man<br />

sie gelegentlich.<br />

Die Breitblättrige Stendelwurz<br />

– auch als Breitblättrige Sumpfwurz<br />

oder Breitblättriger Sitter bekannt<br />

– wird im Normalfall etwa 80 Zentimeter<br />

groß, kann auf reichen Standorten<br />

aber auch mehr als einen Meter<br />

Höhe erreichen. Namensgebend<br />

sind die kräftigen, breitblättrigen<br />

und dunkelgrünen Blätter, wobei die<br />

mittleren Blätter am größten werden.<br />

Die Blütenstände tragen ungefähr 15<br />

bis 80 Einzelblüten. Diese wiederum<br />

haben die typische Form der meisten<br />

heimischen Orchideen mit drei äußeren<br />

und drei inneren Blütenblättern.<br />

Das zentrale innere Blütenblatt ist zu<br />

einer großen Lippe umgebildet. Die<br />

Blütenblätter sind außen grünlich,<br />

innen mehr oder minder stark rötlich<br />

oder purpurn überlaufen.<br />

Die enormen Unterschiede der<br />

Erscheinungsform und der Standorte<br />

führen unter Botanikern immer wieder<br />

zu Diskussionen, ob es sich denn<br />

149


150<br />

NATUR ERLEBEN<br />

wirklich um die gleiche Art handelt.<br />

Gelegentlich werden Unterarten, Varietäten<br />

oder sogar ganz neue Arten<br />

benannt. Erschwerend kommt hinzu,<br />

dass allgemein zwischen den heimischen<br />

Orchideen-Arten nur geringe<br />

genetische Fortpflanzungsbarrieren<br />

existieren. Bastarde zwischen zwei<br />

Arten, so genannte Hybride, gibt es<br />

deshalb zuhauf.<br />

Wie von auch anderen Waldorchideen<br />

oder der Türkenbundlilie bekannt,<br />

werden Stendelwurz-Pflanzen<br />

gerne von Rehen verbissen, so dass<br />

nur ein kleiner Teil zur Blüte kommt.<br />

Die vergleichsweise späte Blütezeit<br />

des Breitblättrigen Stendelwurz reicht<br />

von Anfang Juli bis Ende August. Der<br />

Blütenstaub ist in Pollenpaketen versammelt.<br />

Schlüpfen Insekten auf der<br />

Suche nach Nektar in die Blüte, heften<br />

sich die mit Klebescheiben versehenen<br />

Pollenpakete auf deren Rücken oder<br />

Kopf. Besuchen die Insekten – bei<br />

der Breitblättrigen Stendelwurz meist<br />

Wespen – dann die nächste Blüte,<br />

tragen sie den Pollen genau zur Narbe<br />

und die Befruchtung findet statt. Nach<br />

Ausreifen des kapselartigen Fruchtstandes<br />

wird der staubfeine Samen<br />

vom Wind bis zu zehn Kilometer weit<br />

verbreitet. Da die Samen keinerlei<br />

Nährstoffvorräte mit sich tragen, sind<br />

sie zur erfolgreichen Keimung auf bestimmte<br />

Pilze angewiesen, mit denen<br />

sie eine Symbiose eingehen. Die Pilze<br />

versorgen die Samen mit Wasser und<br />

Nährsalzen. Bis daraus blühfähige Orchideen<br />

erwachsen, vergehen Jahre.<br />

Anmerkung<br />

Zur Situation im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> siehe auch „Epipactis<br />

helleborine: Eine Orchidee mit Zukunft“.<br />

In: <strong>Natur</strong><strong>report</strong>-Jahrbuch 1: 85-86


Verzeichnis der Autoren<br />

Arbeitskreise Heimische Orchideen,<br />

Kletterberggürtel 13, 50939<br />

Köln.<br />

Carola Bartelheimer ist Mitarbeiterin<br />

des Bildungs- und Begegnungszentrums<br />

Oase Stentrop.<br />

Anschrift: Stentroper Weg 31, 58730<br />

Fröndenberg-Stentrop.<br />

Karin Baumann ist Diplom-Oecothrophologin<br />

und Umweltberaterin<br />

der Verbraucherzentrale NRW, Beratungsstelle<br />

<strong>Unna</strong>. Anschrift: Rathausplatz<br />

21, 59423 <strong>Unna</strong>.<br />

Heinrich Behrens ist Schulleiter<br />

an der Geschwister-Scholl-Gesamtschule<br />

in Lünen. Anschrift: Gerberweg<br />

1, 59174 Kamen.<br />

Rolf Böttger ist Diplom-Biologe<br />

und Mitarbeiter im Umweltamt der<br />

Stadt <strong>Unna</strong>. Anschrift: Klosterstr. 12,<br />

59425 <strong>Unna</strong>.<br />

Dietrich Büscher ist Regierungsdirektor<br />

bei der Bezirksregierung<br />

Arnsberg (Abteilung Bergbau und Energie<br />

in NRW), Leiter der floristischen<br />

Kartierung des mittleren Westfalens<br />

(ehemals als Regionalstellenleiter<br />

Ruhrgebiet-Ost) sowie der Botanischen<br />

Arbeitsgemeinschaft mittleres<br />

Westfalen mit dem östlichen Ruhrgebiet.<br />

Anschrift: Callenbergweg 12,<br />

44369 Dortmund.<br />

Deutsche Gesellschaft für Mykologie<br />

(DGfM), Informations- und<br />

Pressewart Heinz Ebert. Anschrift:<br />

Kierweg 3, 54558 Mückeln (Eifel).<br />

Sabine Döring ist Ansprechpartnerin<br />

des Vereins landaktiv. Anschrift:<br />

Osterkämpe 20, 59427 <strong>Unna</strong>.<br />

Jutta Eickelpasch ist Diplom-<br />

Oecotrophologin und arbeitet als<br />

Abfall- und Umweltberaterin bei der<br />

Verbraucherzentrale NRW, Beratungsstelle<br />

Kamen. Anschrift: Kirchstr. 7,<br />

59174 Kamen.<br />

Dr. Hans Jürgen Geyer ist Wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter bei der<br />

AUTOREN<br />

Arbeitsgemeinschaft Biologischer<br />

Umweltschutz im <strong>Kreis</strong> Soest e. V.;<br />

Anschrift: Möllerstr. 24, 59555 Lippstadt.<br />

Corinna Glück ist Redakteurin der<br />

Agentur Mediakom. Anschrift: Friedrich-Ebert-Straße<br />

19, <strong>Unna</strong>.<br />

Heinz Herkenrath ist Träger des<br />

Umweltpreises der Gemeinde Holzwickede,<br />

Ehrenmitglied des <strong>Kreis</strong>verbandes<br />

<strong>Unna</strong> des Deutschen Bundes für<br />

Vogelschutz und des Historischen Vereins<br />

<strong>Unna</strong>. Er war Ortsheimatpfleger<br />

für Holzwickede. Anschrift: Rausinger<br />

Str. 45, 59439 Holzwickede.<br />

Ludwig Holzbeck ist Dipl. Ingenieur<br />

und Bauassessor, Geschäftsführer<br />

der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft sowie<br />

Leiter des Fachbereichs <strong>Natur</strong> und<br />

Umwelt des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>. Anschrift:<br />

Platanenallee 16, 59425 <strong>Unna</strong>.<br />

Helmut July ist Landschaftswächter<br />

in Bergkamen. Anschrift: Am Wiehagen<br />

18, 59192 Bergkamen.<br />

151


152 AUTOREN<br />

Kuratorium „Baum des Jahres,<br />

c/o Bund deutscher Baumschulen<br />

(BdB) e. V. Anschrift: Kneippstraße 15,<br />

95615 Marktredwitz.<br />

Elke Kieninger ist Redakteurin<br />

der Agentur Mediakom. Anschrift:<br />

Friedrich-Ebert-Straße 19, <strong>Unna</strong>.<br />

Astrid Linn ist Dipl.-Ingenieurin<br />

Raumplanung, Bauassessorin und<br />

Referentin für Stadtentwicklung in<br />

der Stadt Lünen. Anschrift: Rathaus<br />

Lünen, Willy-Brandt-Platz 1, 44530<br />

Lünen.<br />

Götz H. Loos ist Dipl.-Geograph,<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter an<br />

der Biologischen Station Westliches<br />

Ruhrgebiet und Doktorand an der<br />

Ruhr-Universität Bochum. Anschrift:<br />

Biologische Station Westliches Ruhrgebiet<br />

e. V., Ripshorster Str. 306, 46117<br />

Oberhausen.<br />

Michael Makiolla, Jurastudium<br />

in Bonn, 1987 bis 1990 persönlicher<br />

Referent und Pressesprecher des Regierungspräsidenten<br />

Arnsberg, 1990<br />

bis 2004 Sozial- und Kulturdezernent<br />

des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>, 2000 bis 2004 <strong>Kreis</strong>direktor,<br />

seit Oktober 2004 Landrat<br />

des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>. Anschrift: Friedrich-<br />

Ebert-Straße, 59425 <strong>Unna</strong>.<br />

Bernd Margenburg ist Diplom-<br />

Physiker, Vorsitzender des NABU<br />

<strong>Kreis</strong>verbandes <strong>Unna</strong>, stellvertretender<br />

Vorsitzender der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />

für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> und<br />

<strong>Kreis</strong>beauftragter für Orchideenschutz<br />

des Arbeitskreises Heimische Orchideen<br />

Nordrhein-Westfalen für den<br />

<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>. Anschrift: Auf der Klause<br />

5, 59192 Bergkamen.<br />

Birgit Manz ist Diplom-Ingenieurin<br />

für Landespflege und in der Geschäftsführung<br />

der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft.<br />

Anschrift: Westenhellweg<br />

110, 59192 Bergkamen.<br />

Karin Margenburg ist Diplom-<br />

Geographin, u.a. tätig in der Botanik-<br />

AG des NABU-<strong>Kreis</strong>verbandes <strong>Unna</strong>,<br />

Angestellte am Amt für Agrarordnung<br />

Soest mit dem Zuständigkeitsgebiet<br />

Vertragsnaturschutz; Anschrift: Auf<br />

der Klause 5, 59192 Bergkamen.<br />

Adrian Mork ist Dipl.-Ingenieur<br />

für Raumplanung sowie ehemaliger<br />

Leiter und Gründer der <strong>Natur</strong>schutzjugend<br />

Schwerte im NABU. Anschrift:<br />

An der Körne 6, 59174 Kamen.<br />

<strong>Natur</strong>schutzbund Deutschland<br />

e.V. (NABU), Herbert-Rabius-Straße<br />

26, 53225 Bonn.<br />

Heike Niemand ist <strong>Natur</strong>pädagogin<br />

und Erzieherin in der Kindertagesstätte<br />

Oase in Fröndenberg. Anschrift:<br />

Schröerstr. 13, 58730 Fröndenberg.<br />

Dr. Klaus Reuter ist Geschäftsführer<br />

der Landesarbeitsgemeinschaft<br />

Agenda 21 NRW e.V. (LAG21 NRW).<br />

Die LAG21 NRW versteht sich als<br />

landesweite Aktionsplattform und<br />

als Verbindungsmitglied zwischen<br />

Agenda-Akteuren, Politik und Öffentlichkeit,<br />

für soziale und ökonomische<br />

Gerechtigkeit sowie ökologische Ausgeglichenheit.<br />

Anschrift: Berliner Platz<br />

12, 58638 Iserlohn.<br />

Horst Schenkel ist Arbeitskreissprecher<br />

der Fachgruppe <strong>Natur</strong> &<br />

Heimatkunde – Umweltschutz im NFD<br />

„NATURFREUNDE“ Landesverband<br />

NRW e.V., aktives NABU-Mitglied<br />

und Landschaftswächter bei der Stadt<br />

Hamm. Anschrift: Hülshoffstraße 17,<br />

59071 Hamm.<br />

Dr. Joachim Schmidt ist Diplom-<br />

Geograph und Leiter des Bereichs<br />

Umwelt bei der Stadt <strong>Unna</strong>. Anschrift:<br />

Klosterstr. 12, 59423 <strong>Unna</strong>, E-Mail:<br />

joachim.schmidt@stadt-unna.de.<br />

Wolfgang Schürings ist Inhaber<br />

von raum+LUFT und seit zehn Jahren


in der Lüftungs- und Umwelttechnik<br />

tätig. Er ist Mitglied in verschiedenen<br />

Fachverbänden, wie z.B. Fachverband<br />

Luftdichtung im Bauwesen e.V. Kassel.<br />

Anschrift: raum+LUFT Lünenerstr. 70,<br />

59379 Selm.<br />

Schutzgemeinschaft Deutsches<br />

Wild (SDWi), Godesberger<br />

Allee 108-112, 53175 Bonn.<br />

Stiftung <strong>Natur</strong>schutz Hamburg,<br />

Steintorweg 8, 20099 Hamburg.<br />

Sebastian Sczepanski ist Mitarbeiter<br />

des Arbeitskreises Heimische<br />

Orchideen Nordrhein-Westfalen und<br />

des NABU <strong>Kreis</strong>verband <strong>Unna</strong> e.V. Anschrift:<br />

Oststraße 32, 59174 Kamen.<br />

Verband Deutscher Sportfischer<br />

(VDSF), Siemensstraße 11-13,<br />

63071 Offenbach.<br />

Dr. Johannes Spruth ist Energieberater<br />

bei der Verbraucherzentrale<br />

in Arnsberg. Anschrift: Burgstraße 5,<br />

59755 Arnsberg.<br />

Barbara Streich ist zuständig<br />

für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

der LA21-Gruppe Umwelt- und <strong>Natur</strong>schutz/Landwirtschaft.<br />

Anschrift:<br />

Eberhardstr. 3, 58730 Fröndenberg.<br />

Jutta Sucker ist Grafik-Designerin<br />

und Künstlerin, seit 1996 freiberuflich<br />

tätig und landaktiv-Mitglied. Anschrift:<br />

Platanenallee 11, 59425 <strong>Unna</strong>.<br />

AUTOREN<br />

Matthias Tresp ist Diplom-Verwaltungswirt<br />

und beim <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>,<br />

Fachbereich <strong>Natur</strong> und Umwelt tätig.<br />

Er ist für die Aufgabenbereiche<br />

Geschäftsführung <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />

und Lokale Agenda 21<br />

zuständig. Anschrift: Platanenalle 16,<br />

59425 <strong>Unna</strong>.<br />

Dorothee Weber-Köhling organisiert<br />

den umweltpädagogischen Bereich<br />

des Umweltzentrums Westfalen.<br />

Anschrift: Westenhellweg 110, 59192<br />

Bergkamen.<br />

Klaus-Günter Zander ist Diplom-<br />

Geograph und hat sich auf das Thema<br />

Landschaftsökologie spezialisiert. Er<br />

lebt in Dortmund.<br />

153

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