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Unified Patient Project

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Vor mehr als hundert Jahren etablierten sich an den medizinischen<br />

Universitäten weltweit sämtliche medizinischen<br />

Fächer, welche heute noch die Medizinstruktur dominieren.<br />

Diese fächerorientierte Struktur hat sich nun weltweit auf der<br />

Ebene des medizinischen Unterrichts gewandelt. Der medizinische<br />

Unterricht wurde in den groben Zügen international standardisiert –<br />

als problemorientierter, themenorientierter Unterricht mit starkem<br />

Fallbezug. Mehr Praxisnähe und früher Kontakt mit der Klinik haben<br />

sich durchgesetzt, wenngleich die Adaptation der Unterrichtenden,<br />

der Strukturen und Regelwerke eine ganze Generation beschäftigt.<br />

Gleichauf erweitert sich der Prozess in die medizinische Routine,<br />

wo Transdisziplinarität in Form von klinischen Arbeitsgruppen eine<br />

neue zugkräftige medizinische Routine aufbaut – fallorientiert und<br />

problemorientiert. Die Informationstechnologie spielt als „Master<br />

tool“ unserer derzeitigen Entwicklung<br />

eine bedeutsame Rolle. Die soziale Gra-<br />

nulierung in der medizinischen Routine,<br />

der Aus- und Weiterbildung und der<br />

Wissenschaft wird durch die enormen<br />

Möglichkeiten IT-gestützter Information,<br />

Kommunikation und des Lernens stark<br />

beeinflusst. Mit der radikalen Studienreform<br />

zum Millenium waren diese Zusammenhänge<br />

bereits offensichtlich. Das<br />

war die Motivation, das „<strong>Unified</strong> <strong>Patient</strong><br />

Projekt“ zu gründen, wobei die Medizin<br />

und Informatik gemeinsam federführend<br />

sein sollten.<br />

Das Projektteam hatte sich bei der<br />

Gründung 2001 zum Ziel gesetzt, die<br />

Rolle der IT im Adaptationsprozess der<br />

„Problem“- und „Fall“-Orientierung in<br />

der Medizin zu analysieren. Das sollte<br />

mit Modellprojekten erfolgen, welche<br />

als „real world setting“ im Erfolgsfall für<br />

einen Dauerbetrieb vorgesehen waren.<br />

Dazu wurde eine webbasierte, elektronische<br />

Gesundheitsakte erstellt, welche<br />

im „Cockpitdesign“ für alle Fächer und<br />

Anwendungen gleich konzipiert wurde.<br />

Der Fallvisualisierung wurde eine Datenbank<br />

bereitgestellt, welche sämtliche<br />

Was Wissen schafft ::<br />

<strong>Unified</strong> <strong>Patient</strong> <strong>Project</strong><br />

Was die Informationstechnologie zur Evolution von organisierter<br />

Information, zur Kommunikation und zur Wissensvermittlung<br />

in der Medizin beitragen kann.<br />

Peter Pokieser, Jürgen Brandstätter, Thomas Moritz,<br />

Ricarda Hofmeister, Alexander Hirsch, Evelin Simek<br />

gängigen Medien aufnimmt und Fälle einzeln oder in Sammlungen<br />

darstellen kann. Die Fälle sind mit einem Forum kombiniert, welches<br />

organisierte Großgruppenkommunikationen ermöglicht.<br />

Zwischen 2001 und 2007 wurde das System im AKH Wien im Echtbetrieb<br />

interdisziplinärer Besprechungen eingesetzt, vereinzelt<br />

erfolgte bereits damals der Einsatz in didaktischen Projekten. Das<br />

erste große Modellprojekt im Medizincurriculum der MUW startete<br />

im Oktober 2007 mit der „WebAmbulanz Emergency“ (siehe Abbildung<br />

1). Seit 2007 besteht das Projekt, welches sich im Pflichtunterricht<br />

etablieren konnte. 520 bis 550 Studierende bekommen<br />

wöchentlich einen internistischen Notfall präsentiert, der im Forum<br />

gemeinsam aufgearbeitet wird. Ein interdisziplinäres Team von Unterrichtenden<br />

moderiert das Studentenforum, im Laufe des Falles<br />

werden erweiternde Untersuchungen und entsprechende Medien<br />

1. Modellprojekt: MUW Web Ambulanz seit 2007<br />

„Cockpitdesign“: 250 Studierende, Pflichtunterricht<br />

Abb. 1: Im „Cockpitdesign“ werden Falldaten und Medien präsentiert.<br />

Die uniforme Darstellung für sämtliche Projektanwendungen<br />

über neun Jahre erlaubt Einblicke über mögliche Vereinheitlichungen<br />

von Falldarstellungen in völlig verschiedenen Bereichen.<br />

www.meduniwien.ac.at/unifiedpatient<br />

51. Jg. (2010), 07 | www.schaffler-verlag.com Das österreichische Gesundheitswesen – ÖKZ 31


::<br />

Was Wissen schafft<br />

bereitgestellt. Bei exakter Organisation des Ablaufes konnte die<br />

Interaktivität auf die gesamte Gruppe ausgedehnt werden, sodass<br />

die praktischen Unterrichtsformen am Krankenbett durch die neue<br />

Methode erweitert werden konnten. So werden Fälle, die nicht alle<br />

Studierenden persönlich sehen können, thematisch und multimedial<br />

abgehandelt.<br />

Neben der transdisziplinären Komponente bearbeitet das <strong>Unified</strong><br />

<strong>Patient</strong> Team auch transhierarchische Ansätze, wobei visualisierte<br />

Fallextrakte der Routine von Arbeitsgruppen für klinische Studierende<br />

Verwendung finden. Aus diesen Extrakten werden für Studierende<br />

im ersten Studienabschnitt jene Anteile weiter verwendet,<br />

welche für den Studienanfang geeignet erscheinen (z.B. Röntgenbeispiele<br />

für Anatomie oder Laborwerte für Physiologie). Selbst für<br />

die Kinderuniversität und in Planung für den Schulunterricht lässt<br />

sich bei entsprechender Bewirtschaftung der Ressourcen eine<br />

Ökonomisierung der medizinischen Informations-, Kommunikations-<br />

und Lernmöglichkeiten erarbeiten. Die gleichzeitige, überlappende<br />

Nutzung von Medien in der Routine, Lehre und Wissenschaft<br />

wird wo immer möglich im Projekt angestrebt und weist auf ein<br />

Ökonomisierungspotenzial dieser drei institutionellen Domänen<br />

hin (transdomänale Mediennutzung).<br />

Im zweiten Modellprojekt war es das Ziel, das „Cockpitdesign“ in<br />

eine internationale Lernanwendung zu integrieren. Gemeinsam mit<br />

der Europäischen Gesellschaft für Radiologie wurde auf dem Europäischen<br />

Röntgenkongress 2007 das Projekt „ePACS“ gestartet.<br />

Dabei werden den Kongressteilnehmern auf bis zu 120 Arbeitsmaschinen<br />

das „<strong>Unified</strong> <strong>Patient</strong> Cockpit“ und ein vollwertiges radio-<br />

Midwifery (MSc)<br />

Ziel dieses berufsbegleitenden Lehrgangs ist die Verbindung von traditionellen<br />

Hebammenwissen und persönlicher Erfahrung mit modernen Managementmethoden<br />

und wissenschaftlicher Arbeit. Der Universitätslehrgang richtet<br />

sich an Hebammen und Geburtshelfer mit einer mindestens fünfjährigen<br />

Berufserfahrung, die sich auf Führungsaufgaben in Einrichtungen des Gesundheitswesens<br />

vorbereiten oder als selbstständige UnternehmerInnen tätig<br />

werden wollen.<br />

Abschluss: Master of Science (MSc)<br />

Dauer: 4 Semester, berufsbegleitend<br />

Beginn: 1. November 2010<br />

Gebühr: EUR 11.500,-<br />

Information: michael.ogertschnig@donau-uni.ac.at, Tel. +43 (0)2732 893-2818<br />

Details: www.donau-uni.ac.at/midwifery<br />

Gesundheits- und Pflegepädagogik (MSc)<br />

Beginn: 7. September 2010<br />

Details: www.donau-uni.ac.at/pflegewissenschaft<br />

Gesundheitspädagogik/Health Education (MSc)<br />

Beginn: 29. Oktober 2010<br />

Details: www.donau-uni.ac.at/pflegewissenschaft<br />

Gesundheits- und Krankenhausmanagement (MSc)<br />

Beginn: 18. Oktober 2010<br />

Details: www.donau-uni.ac.at/gesundheitsmanagement<br />

Donau-Universität Krems<br />

Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30, 3500 Krems, Austria<br />

www.donau-uni.ac.at<br />

32 Das österreichische Gesundheitswesen – ÖKZ<br />

logisches, integriertes PACS angeboten. Standardisierte Lehrfälle<br />

mit strukturierten Befunden können direkt am Kongress in Routinequalität<br />

angesehen werden, wiederum fungiert ein integ-<br />

riertes Forum als Kommunikationsmöglichkeit (siehe Abbildung 2).<br />

Ab 2011 ist geplant, das Lehr-Cockpit durch ein IHE-EHR-Routinesystem<br />

zu ersetzen, sodass der Unterricht vorerst am Kongress<br />

und in der Folge auch im WWW mit Routine-Systemen erfolgen soll,<br />

also möglichst praxisnahe.<br />

2. Modellprojekt: ESR ePACS<br />

Abb. 2: ePACS Startbildschirm, wesentliche<br />

Projektmerkmale der Lernumgebung<br />

Als drittes Modellprojekt soll eine Partnerschaft des „<strong>Unified</strong><br />

<strong>Patient</strong> <strong>Project</strong>s“ mit der „World Society on Specialised Studies<br />

of the Esophagus“ Erwähnung finden (www.oeso.org; Sublink<br />

„clinical case discussions“). Die global verankerte Gesellschaft hat<br />

ihren Sitz in Genf und, ausgezeichnet mit einem „UNESCO chair for<br />

distance learning“, hat bereits vor über zehn Jahren mit E-Learning<br />

begonnen. Gemeinsam mit 19 Fachdisziplinen wurde eine Metadatenbank<br />

aufgebaut, welche sämtliche relevanten Erkenntnisse<br />

zum Thema Speiseröhre beinhaltet. Zweijährig erfolgen Treffen der<br />

Gesellschaft in Form einer Fachtagung.<br />

Die Metadatenbank der OESO darf als klassisches „Web 1.0 Repository“<br />

angesehen werden, eine hochwertige, gepflegte Datenbank<br />

mit hohem Nutzwert für die klinische Medizin. Es erschien reizvoll,<br />

die etablierte Web-1.0-Datenbank mit einer Web-2.0-Initiative zu<br />

kombinieren. So wurde das Projekt „OESO clinical case discussions“<br />

entwickelt. Seit Dezember 2009 wird monatlich jeweils ein<br />

Fall mit dem <strong>Unified</strong> <strong>Patient</strong> System weltweit diskutiert, integriert<br />

in das Portal der Gesellschaft. Die Fälle sind wie bei den Studentendiskussionen<br />

als transdomänale Hybride zwischen Routine,<br />

Wissenschaft und Lehre angesiedelt. Die Fallauswahl der Autoren<br />

mit höchster Expertise befasst sich automatisch mit Fällen der Evidenz<br />

Level 4, wo eben noch keine gesicherten Erkenntnisse das<br />

Vorgehen bestimmen, sondern wo die Expertenmeinung ausreichen<br />

muss. Naheliegend ist besonders hohe Expertise in diesen<br />

Fällen äußerst hilfreich, speziell dann, wenn mehrere Experten<br />

zusammenkommen. Besonders interessant dabei erschien uns,<br />

dass Experten gegenseitig wertvolle Ergänzungen ihrer eigenen<br />

Problemsicht bestätigten und jüngere Teilnehmer den Falldiskussionen<br />

einen hohen Lehrwert einräumten.<br />

51. Jg. (2010), 07 | www.schaffler-verlag.com


Sämtliche Fälle entstammen der aktuellen Praxis der Fallautoren,<br />

pseudonymisiert und somit problemlos publizierbar. Die akademische<br />

Publikation hat wegen der Dynamik des WWW durchaus eine<br />

Nähe zur Routine, ohne Datenschutzbestimmungen zu verletzen.<br />

Die „Cockpitvisualisierung“ mit Forum hat sich auch hier bewährt,<br />

nach sechs Monaten Betrieb ist eine dauerhafte Institutionalisierung<br />

dieser Aktivität beim Board Meeting der Gesellschaft im Juni<br />

beschlossen worden.<br />

2. Modellprojekt: OESO Case discussions<br />

Ab 2009: Globale Web2.0 Falldiskussionen<br />

Das vierte Projekt ist mehr ein Beispiel für die Interferenz zwischen<br />

Routineanwendungen und Lehrsystemen als ein Modellprojekt,<br />

zumal hier lediglich das Design der Visualisierung in<br />

einem Routinesystem übernommen wurde. In einem Pilotprojekt<br />

Was Wissen schafft ::<br />

der Provinz Gauteng in Südafrika wurde als Viewer der „EHR Explorer“<br />

eingesetzt, welcher sich das Design der Navigationsleiste<br />

mit dem „<strong>Unified</strong> <strong>Patient</strong> System“ teilt (siehe Abbildung 4).<br />

Dieses letzte Beispiel soll eine vorläufige Abrundung der Projektlandschaft<br />

des „<strong>Unified</strong> <strong>Patient</strong> <strong>Project</strong>s“ darstellen. So wie uns die<br />

ständige Überlappung von Routine, Lehre und Wissenschaft im<br />

Projektverlauf begegnet ist, so unscharf erscheinen uns die derzeitigen<br />

und hinkünftigen Abgrenzungen<br />

zwischen sogenannten Routine- und<br />

Lehrsystemen. Spezialanwendungen<br />

werden wohl zunehmen, die Abgrenzungen<br />

aber verschwimmen. Modellkrankengeschichten<br />

des früheren oder<br />

heutigen E-Learnings werden später<br />

als pseudonymisierte Echtkrankengeschichts-Auszüge<br />

(Case extracts)<br />

Verwendung finden, als Modell für Teil-<br />

aspekte eines Routinesystems.<br />

Primäre Routinesysteme haben dadurch<br />

a priori eine Trägerrolle in der Lehre.<br />

Nicht nur technisch, sondern auch per<br />

se, da die „beste Lehre“ am Krankenbett<br />

stattfindet – eben dort, wo alles „echt“<br />

ist.<br />

Eine rezente Umfrage unseres Teams ergab<br />

bei Medizinern zwischen 25 und 65,<br />

dass E-Learning sowohl für die Aus- als<br />

auch für die Weiterbildung eine Gewichtung<br />

von gerade zehn Prozent erreicht, ein<br />

Abb. 3: Kombination des OESO-Portals mit dem <strong>Unified</strong> <strong>Patient</strong> Projekt<br />

uniformes Ergebnis aller Altersgruppen<br />

der MUW Wien.<br />

und ohne Genderdifferenz. Dem persönlichen<br />

Kontakt mit dem Unterrichtenden<br />

wurde der höchste Stellenwert eingeräumt (30 Prozent), der organi-<br />

Design für Gauteng Südafrika<br />

sierte Unterricht durch Institutionen und Organisationen erreichte<br />

20 Prozent, ähnlich schnitten Bücher, Journale und andere repositoriale<br />

Lernmaterialien ab.<br />

Abb. 4: Design-Gemeinschaft zwischen Routine und<br />

Lehre: Navigationsleiste zuerst für die Lehre,<br />

danach Konzeption als Routineanwendung.<br />

Die große Bedeutung der Informationstechnologie für die Evolution<br />

der medizinischen Information, Kommunikation und des<br />

Lernens bleibt außer Zweifel. Wer aber in diesem Bereich erfolgreiche<br />

Projekte betreiben möchte, muss das Primat des direkten<br />

menschlichen Kontaktes bei sozialen Prozessen begreifen und<br />

berücksichtigen. ::<br />

Foto: MedUni Wien<br />

Univ.-Prof. Dr. Peter Pokieser<br />

ist Leiter des Medical Media Service<br />

am Department für medizinische<br />

Aus- und Weiterbildung an der<br />

Medizinischen Universität Wien<br />

peter.pokieser@meduniwien.ac.at<br />

Jürgen Brandstätter<br />

ist technischer Leiter des Projekts,<br />

Thomas Moritz, Ricarda Hofmeister, Alexander Hirsch<br />

und Evelin Simek sind für Forschung, Projektkoordination<br />

und -management zuständig.<br />

51. Jg. (2010), 07 | www.schaffler-verlag.com Das österreichische Gesundheitswesen – ÖKZ 33

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