Bildung Schweiz 1/ 2013 - beim LCH
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Foto: Claudia Baumberger<br />
BILDUNG SCHWEIZ 1 I <strong>2013</strong> ............................................... ZUM NEUEN JAHR<br />
wertvolle Hinweise zum Lernfortschritt<br />
in der Lesekompetenz oder in Mathematik,<br />
aber sie können nicht die Dinge<br />
messen, die in der <strong>Bildung</strong> am wichtigsten<br />
sind.»<br />
Ravitch gibt offen zu, dass sie sich geirrt<br />
hat: «Wir werden die Qualität unserer<br />
Schulen nicht durch die sinnlose Anbetung<br />
von Daten verbessern (...). Und damit<br />
müssen wir uns eingestehen, dass<br />
wir ein paradoxes und erschreckendes<br />
Ergebnis bewirkt haben: Verbesserte<br />
Testwerte und verschlechterte <strong>Bildung</strong>squalität!»<br />
Mit dieser Einsicht relativiert<br />
sich aber auch die Suche nach der «besten»<br />
Schule, ja nach «Best Practice»<br />
überhaupt. Auch Hans-Günter Rolff<br />
kommt zu diesem Schluss, wenn er zur<br />
Pädagogik sagt: «Nichts ist das Beste –<br />
aber vieles ist gut» Es kann daher nur<br />
darum gehen, die vielen guten pädagogischen<br />
Ansätze an den Schulen zu stärken<br />
und sie auf ihrem Entwicklungsweg<br />
zu fördern statt die Schulen mit Leistungstests<br />
in eine bestimmte Richtung<br />
zu drängen.<br />
Von Hans Schwier, dem ehemaligen <strong>Bildung</strong>sminister<br />
von Nordrhein-Westfalen,<br />
stammt das berühmte Zitat: «Die<br />
<strong>Bildung</strong>spolitik ist Teil jener Kraft, die<br />
stets das Gute will und oft Probleme<br />
schafft.» Das gilt zweifelsohne auch für<br />
die <strong>Schweiz</strong>er <strong>Bildung</strong>spolitik. Nach<br />
über 20 Jahren Erfahrung an der Spitze<br />
der grössten Lehrerorganisation der<br />
<strong>Schweiz</strong> darf ich mit Fug und Recht behaupten,<br />
dass die allermeisten <strong>Bildung</strong>spolitiker<br />
nicht in erster Linie sparen<br />
wollen, sondern eine Verbesserung unseres<br />
<strong>Bildung</strong>ssystems beabsichtigen.<br />
Leider ist es aber auch eine Tatsache,<br />
dass einige mit ihren Schulreformen<br />
Unfug treiben und mit ihren Behauptungen<br />
Unrecht haben, wie sich im Rückblick<br />
leicht feststellen lässt. Das vermag<br />
nicht wirklich zu erstaunen und gehört<br />
zu unserem politischen System, beileibe<br />
nicht nur in der <strong>Bildung</strong>. Schon der römische<br />
Philosoph Seneca schrieb dazu:<br />
Errare humanum est – irren ist menschlich.<br />
Und das gilt offensichtlich ganz besonders<br />
bei der Vermessung der <strong>Bildung</strong><br />
und bei der Suche nach der besten<br />
Schule.<br />
Kernauftrag Unterrichten stärken<br />
«Die Hauptaufgabe von Lehrerinnen<br />
und Lehrern ist das Unterrichten.» So<br />
beginnt das Berufsleitbild des Dachverbands<br />
<strong>Schweiz</strong>er Lehrerinnen und Lehrer<br />
(<strong>LCH</strong>). Hinter dem banal tönenden<br />
Satz steht eine Abkehr von der Verzettelung<br />
des Berufsauftrags durch die ständige<br />
Delegation von Nacherziehungsaufgaben<br />
an die Schule. Lehrerinnen<br />
und Lehrer wollen vor allem einen wirksamen<br />
Unterricht machen, der Schwächeren<br />
und Leistungsstarken zu best-<br />
7<br />
möglichen <strong>Bildung</strong>serfolgen verhilft.<br />
Leistungsmessungen und Schulreformen<br />
sind zwar nötig, müssen sich aber<br />
ganz in den Dienst des Kernauftrags Unterrichten<br />
stellen. Bei ungenügenden<br />
zeitlichen, räumlichen oder personellen<br />
Unterrichtsbedingungen muss die Lehrerschaft<br />
die drohenden Nachteile für<br />
die Schülerinnen und Schüler kommunizieren.<br />
Das hat mit Jammern nichts zu<br />
tun, sondern zeugt von einer professionellen<br />
pädagogischen Verantwortung<br />
für die Schülerinnen und Schüler.<br />
Um die Stimmen der Schulpraxis in die<br />
<strong>Bildung</strong>spolitik einbringen zu können,<br />
braucht es einen Dachverband, der die<br />
<strong>Bildung</strong>spolitik immer wieder auf mögliche<br />
Irrtümer aufmerksam macht und<br />
sich gegen ungenügende Ressourcen bei<br />
der Umsetzung von gut gemeinten<br />
Schulreformen zur Wehr setzt. Die vollständige<br />
Übersetzung des lateinischen<br />
Sprichworts von Seneca lautet nämlich:<br />
Irren ist menschlich, aber auf Irrtümern<br />
zu bestehen, ist teuflisch!<br />
Beat W. Zemp, Zentralpräsident <strong>LCH</strong><br />
Wenn nur noch<br />
unterrichtet und<br />
gelernt wird, was<br />
sich gut messen<br />
lässt, stellt sich auf<br />
der Jagd nach Spitzenleistungen<br />
leicht<br />
Nivellierung ein.