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Raimar Kremer / Jutta Lutzi / Bernd Nagel, Unfall als Krise 2. Unfälle 2.1 Unfall und Krise Der Begriff »Unfall« ist ursprünglich eng mit dem Begriff der »Krise« verwandt. Das griechische Wort krisis meint etymologisch die »entscheidende Wendung, den Umschlagepunkt einer Krankheit«, das mittelhochdeutsche unfal »Krankheit«, auch »Unglück« und »Missgeschick« (Lieb 2009, 15). Beide können glimpflich ausgehen oder gravierende Folgen haben, weil beiden ein ungewisser Ausgang gemein ist. Sie treten plötzlich und ungewollt auf und gehen mit Schäden und Verletzungen einher. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts halten beide Begriffe Einzug in die gebräuchliche Terminologie der Moderne. Fortschritt und Technologie haben das Industriezeitalter eingeläutet, in dessen Verlauf das Automobil für das Individuum eine zentrale Bedeutung gewinnt. So ist es nicht verwunderlich, dass Betriebsunfälle und vor allem Autounfälle ins Zentrum des Interesses und der Diskussionen rücken. Der Begriff »Unfall« erhält eine technische Konnotation und stellt die Kehrseite des Technischen dar. »Unfall« ist die dunkle Seite des Maschinenbaus, der Motoren, des Fahrens, der Machbarkeit und des Fortschritts. »Vor diesem Hintergrund aber wird der Unfall zwangsläufig zum Index einer tiefen Krise. Er hebt die schöne heile Welt der Technik sinn- und zwecklos aus den Angeln« (a.a.O., 13). Daran hat sich bis heute nichts geändert. Auch heute noch beansprucht der Unfall eine technische Dimension. Ein Blick in das XX. Kapitel der ICD-Klassifikation der Weltge- © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525670064 — ISBN E-Book: 9783647670065
Raimar Kremer / Jutta Lutzi / Bernd Nagel, Unfall als Krise 14 Unfälle sundheitsorganisation (WHO) offenbart diese Einteilung: Transportmittelunfall, Unfall durch Exposition gegenüber mechanischen Kräften belebter und unbelebter Objekte, Unfall durch elektrischen Strom, Strahlenunfall, Unfall durch künstliche Hitze oder künstliche Kälte, Unfall durch Luftdruckwechsel, Verbrennung oder Verbrühung durch Hitze oder heiße Substanzen (Dämpfe, Gase), Unfall durch Kontakt mit giftigen Pflanzen oder Tieren, akzidentelle Vergiftung und sonstige und nicht näher bezeichnete Unfälle (Aspiration, Einsturz eines brennenden Gebäudes, Ersticken im Bett usw.). Wird von dieser Einteilung ausgegangen, so ist der Unfall ein Geschehen, das von außen gewaltsam auf den Einzelnen einwirkt, unvorhersehbar geschieht und zu einer unfreiwilligen Gesundheitsschädigung führt. Entsprechend wird bei der Klassifikation von »Unfällen« durch die WHO der allgemeine Begriff »injury« (Verletzungen) verwandt und es werden die unbeabsichtigten (unintentional) von beabsichtigten (intentional) Verletzungen unterschieden. Die unbeabsichtigten Verletzungen sind die so genannten »Unfälle« im engeren Sinne, im Gegensatz zu den beabsichtigten Verletzungen, die durch Gewalttaten (tätlicher Angriff), Suizid, sexueller Missbrauch etc. verursacht sind. Während der Begriff »Unfall« heute im Technischen verortet ist, wird der Begriff der Krise eher im politischen, soziologischen, psychologischen und medizinischen Bereich verwandt. Von einer Staatskrise kann man z.B. häufig hören oder lesen, von einem Staatsunfall hingegen nicht. Eine Krisenregion ist im militärischen Jargon oft ein nicht näher bestimmtes Gebiet, wohingegen eine Unfallstelle ein klar umgrenzter und abgesicherter Ort ist. Der Titel dieses Buches »Unfall als Krise« bringt beide Begriffe derart miteinander in Verbindung, dass der Unfall zum Auslöser für eine Krise wird, die aus beim Unfall erlittenen körperlichen, psychischen und seelischen Verletzungen resultiert, die unbeabsichtigt – im Sinne der WHO-Definition – geschehen sind. © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525670064 — ISBN E-Book: 9783647670065
Seite 2 und 3: Raimar Kremer / Jutta Lutzi / Bernd
Seite 6 und 7: Inhalt Raimar Kremer / Jutta Lutzi
Seite 8 und 9: Vorwort Raimar Kremer / Jutta Lutzi
Seite 26: Raimar Kremer / Jutta Lutzi / Bernd

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