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Der Humanist und die Spiritualität - Humanistischer Verband ...

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Hugo Gephard<br />

n Für eine solche Distanz gibt es durchaus<br />

gute Gründe, denn was <strong>Spiritualität</strong> heutzutage<br />

bedeuten kann, ist je nach Ansicht<br />

des Nutzers oder Anbieters beliebig <strong>und</strong><br />

häufig esoterischer Hokuspokus. Ferner ist<br />

der Begriff der <strong>Spiritualität</strong> von christlichen<br />

Kirchen <strong>und</strong> Religionsgemeinschaften für<br />

ihren Glauben an Gott <strong>und</strong> Transzendenz<br />

besetzt. Insofern sei zunächst aus religionswissenschaftlicher<br />

Sicht der Frage nachgegangen:<br />

Was ist „<strong>Spiritualität</strong>“?<br />

Zugr<strong>und</strong>e liegt dem Begriff das lateinische<br />

Wort spiritus (Atem, Geist oder Seele).<br />

Das Adjektiv „spirituell“ ist seit dem 3.<br />

nachchristlichen Jahrh<strong>und</strong>ert gebräuchlich<br />

<strong>und</strong> meint „geistig“ im Sinne einer religiösen<br />

Lebensausrichtung. Vermutlich geht<br />

es zurück auf Vorstellungen vom „Heiligen<br />

Geist“ als Vermittler zwischen Mensch <strong>und</strong><br />

Gott. Die Herkunft des Substantivs „<strong>Spiritualität</strong>“<br />

ist in der katholischen Theologie zu<br />

suchen, wo es eine mönchische Lebensweise<br />

beschrieb. Über lange Zeit kaum genutzt,<br />

wird erst im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert, in Deutschland<br />

seit den 50er-Jahren, wieder von <strong>Spiritualität</strong><br />

gesprochen <strong>und</strong> meint einen aktiven<br />

Frömmigkeitsstil für Ordinierte, Ordensleute<br />

<strong>und</strong> Laien.<br />

Unabhängig von der katholischen Tradition<br />

entstand vor allem im angelsächsischen<br />

Sprachraum in protestantischen <strong>und</strong> freireligiösen<br />

Kreisen eine Verwendung des Begriffs<br />

spirituality, der mehr einen individuellen<br />

Glauben <strong>und</strong> eine persönliche Gottesbeziehung<br />

in den Vordergr<strong>und</strong> stellte. Insofern<br />

wurde er auch als Gegenposition zur kirchlichen<br />

Dogmatik verstanden <strong>und</strong> in <strong>die</strong> Nähe<br />

der Mystik gerückt. In Anlehnung an <strong>die</strong>se<br />

Bedeutung wurde der Begriff gegen Ende<br />

des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts einerseits von westlichen<br />

<strong>und</strong> asiatischen Intellektuellen aber<br />

auch von Vertretern neureligiöser Strömungen<br />

auf nichtchristliche Religionen wie den<br />

Hinduismus <strong>und</strong> Buddhismus übertragen.<br />

tItEL<br />

<strong>Spiritualität</strong> unter weltlichen<br />

<strong>Humanist</strong>en – <strong>die</strong> Debatte ist<br />

nicht beendet<br />

<strong>Spiritualität</strong> ist unter <strong>Humanist</strong>en ein Begriff, der eher gemieden wird. Unsere areligiöse<br />

<strong>und</strong> auch antireligiöse freidenkerische tradition zum einen, aber auch unsere bewusste<br />

Entscheidung für <strong>die</strong> rationalen Methoden der Aufklärung <strong>und</strong> für ein naturalistisches Weltbild<br />

hat in der humanistischen Bewegung entweder zu einem „Sich damit nicht beschäftigen<br />

wollen“ oder auch einer deutlichen Ablehnung des sogenannten Spirituellen geführt.<br />

In der religiösen <strong>und</strong> esoterischen Gegenwartskultur<br />

ist <strong>Spiritualität</strong> inzwischen zu<br />

einem Modewort geworden. Fast jede Form<br />

der Sinnsuche gilt inzwischen als spirituell<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> meisten Angebote der Esoterik <strong>und</strong><br />

des sogenannten Psychomarkts werden unterschiedslos<br />

zu spirituellen Wegen erklärt.<br />

Selbsterkenntnis, Bewusstseinserweiterung,<br />

Spontaneität <strong>und</strong> das Betonen der emotionalen<br />

Komponente bei der Sinnsuche kennzeichnen<br />

<strong>die</strong>se Vorstellungen von <strong>Spiritualität</strong>;<br />

eine neue, spirituelle Religiosität wird<br />

somit gegen <strong>die</strong> rituellen Aspekte tra<strong>die</strong>rter<br />

Religionen gesetzt.<br />

Ferner hat sich der Begriff bei einer<br />

zunehmend an Bedeutung gewinnenden<br />

Richtung von Psychotherapie eingebürgert,<br />

der integralen <strong>und</strong> transpersonalen<br />

Psychotherapie. Ihr Verständnis von <strong>Spiritualität</strong><br />

will eine Transformation <strong>und</strong> Integration<br />

von Religion <strong>und</strong> Wissenschaft<br />

sein. Sie kümmert sich nicht um <strong>die</strong> Grenzen<br />

von Kulturen <strong>und</strong> historischen Religionen.<br />

Häufig wird in der Psychologie unter<br />

<strong>Spiritualität</strong> ein Prozess der „Vergeistigung“<br />

verstanden, der sich gegen <strong>die</strong> sogenannte<br />

materialistische Weltsicht <strong>und</strong> <strong>die</strong> vermeintliche<br />

Seelenlosigkeit der Moderne richtet.<br />

Atheistisch-humanistische<br />

<strong>Spiritualität</strong>?<br />

Trotz <strong>die</strong>ser deutlich religiösen Ausrichtung<br />

des Begriffs, gibt es inzwischen auch innerhalb<br />

der atheistischen <strong>und</strong> humanistischen<br />

Bewegung Positionen, <strong>die</strong> klar auffordern,<br />

<strong>die</strong> spirituelle Dimension des Menschen für<br />

<strong>die</strong> humanistische Lebensauffassung zu ak-<br />

zeptieren, <strong>die</strong> <strong>Spiritualität</strong> als ein allgemein<br />

menschliches Bedürfnis nicht den Religiösen<br />

zu überlassen. So hat der humanistische<br />

Philosoph Joachim Kahl Anregungen hinsichtlich<br />

einer zu entwickelnden humanistischen<br />

<strong>Spiritualität</strong> bereits im Jahr 2000 in<br />

<strong>die</strong>seits formuliert.<br />

Für Kahl ist „ein Humanismus, der keine<br />

spirituelle Dimension entfaltet, armselig<br />

<strong>und</strong> steril, verkürzt auf Rationalismus. (…)<br />

<strong>Spiritualität</strong> heißt Geistigkeit, Geistorientiertheit.<br />

Gemeint sei damit: <strong>die</strong> geistige<br />

Einstellung zum Leben, <strong>die</strong> innere Haltung<br />

zur Wirklichkeit, <strong>und</strong> zwar gemüthaft<br />

vertieft, Verstand <strong>und</strong> Gefühl umgreifend.<br />

Insofern ist klipp <strong>und</strong> klar zwischen <strong>Spiritualität</strong><br />

<strong>und</strong> Religiosität zu unterscheiden.<br />

(…) Spirituelle Bedürfnisse sind gemüthafte<br />

Bedürfnisse: das Verlangen nach Sinn,<br />

Ziel, Halt, Ordnung, Trost, Mut im Leben.<br />

Wie alle geistigen Bedürfnisse, <strong>die</strong> zur Natur<br />

des Menschen gehören, können sie eine<br />

religiöse <strong>und</strong> eine nicht-religiöse Antwort<br />

finden.“<br />

Kahl bleibt mit seiner überkonfessionell<br />

gefassten Definition von <strong>Spiritualität</strong> in Kategorien,<br />

<strong>die</strong> in den Humanwissenschaften<br />

eher als seelische, psychische oder mentale<br />

Prozesse beschrieben werden. Zwar versucht<br />

er ein säkulares Verständnis von <strong>Spiritualität</strong><br />

darzustellen, er vermeidet aber eine kritische<br />

Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass<br />

<strong>die</strong>sem Begriff aufgr<strong>und</strong> seiner geschichtlichen<br />

Prägung letztlich eine transzendente<br />

Vorstellung von Geist zu Gr<strong>und</strong>e liegt –<br />

sei es der „Heilige Geist“, ein „Göttlicher<br />

Geist“, ein „Weltengeist“, oder ein „kosmisches<br />

Bewusstsein“.<br />

3/2010 9

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