Der Humanist und die Spiritualität - Humanistischer Verband ...
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n Dies wurde von der B<strong>und</strong>esjustizministerin<br />
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger<br />
(FDP) bestätigt. Sie verwies darauf, dass der<br />
Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen<br />
nun in Deutschland straffrei sei „auch<br />
unabhängig vom Eintritt der finalen Sterbephase“.<br />
Ärzte, Betreuer <strong>und</strong> Pflegeheime<br />
müssten eine lebenserhaltende Maßnahme<br />
abbrechen, wenn <strong>die</strong>s dem Willen des Patienten<br />
entspreche.<br />
Was ist geschehen?<br />
Eine 76-jährige Patientin liegt nach einer<br />
Hirnblutung fünf Jahre lang im Wachkoma<br />
<strong>und</strong> wird im Pflegeheim künstlich ernährt.<br />
Eine Besserung des Ges<strong>und</strong>heitszustandes<br />
war nicht mehr zu erwarten. Die Tochter<br />
weiß, dass ihre Mutter eine solche Behandlung<br />
immer abgelehnt hat. Bevor sie aus<br />
dem Bett <strong>und</strong> dadurch ins Koma fiel, hatte<br />
sie <strong>die</strong>s mehrfach unter Zeugen wiederholt.<br />
Die Tochter hält Rücksprache mit dem<br />
Rechtsanwalt Dr. Putz, der ihr empfiehlt,<br />
den Schlauch für <strong>die</strong> Magensonde durchzuschneiden.<br />
Das Pflegeheim legt jedoch sofort<br />
eine neue Sonde, <strong>die</strong> Frau starb wenige<br />
Wochen später eines natürlichen Todes.<br />
Das Landgericht Fulda verurteilte den<br />
Arzt wegen versuchten Totschlags zu neun<br />
Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung.<br />
Die Tochter wird freigesprochen, da sie sich<br />
aufgr<strong>und</strong> des Rates ihres Anwalts über das<br />
rechtliche Verbot der Sterbehilfe nicht im<br />
Klaren gewesen sei.<br />
Dr. Putz, seit langem intensiv befasst mit<br />
Rechtsfragen r<strong>und</strong> um das Lebensende – mit<br />
Patientenverfügungen, Vorsorgevollmacht<br />
<strong>und</strong> Betreuung – <strong>und</strong> Lehrbeauftragter an der<br />
Ludwig-Maximilians-Uni München für Medizinrecht<br />
<strong>und</strong> Medizinethik, legt Berufung<br />
ein <strong>und</strong> der Fall kommt nach Karlsruhe.<br />
Ich hatte das Glück <strong>und</strong> <strong>die</strong> Ehre, als<br />
Vertreterin der französischen Organisation<br />
„Association pour le droit de mourir dans<br />
la dignitè“, <strong>die</strong> sich für das Recht auf ein<br />
würdevolles Sterben einsetzt, <strong>die</strong>sem sehr bewegenden<br />
Gerichtsverfahren beizuwohnen<br />
<strong>und</strong> zu verfolgen, wie Staatsanwalt <strong>und</strong> der<br />
Anwalt des Beklagten der gleichen Meinung<br />
waren. Am Ende gab es Beifall für das kluge<br />
Urteil: Freispruch für Wolfgang Putz! l<br />
Jacqueline Jencquel ist Generalsekretärin des<br />
ADMD.<br />
Mehr über den Prozess <strong>und</strong> seine gesellschaftlichen<br />
Auswirkungen: http://www.patientenverfuegung.de/info-datenbank/2010-6-25/bgh-sterbehilfe-urteil-vom-25juni-2010<br />
FORUM<br />
Jacqueline Jencquel<br />
25. Juni 2010: wegweisendes<br />
Urteil in der Sterbehilfe-Debatte<br />
<strong>Der</strong> B<strong>und</strong>esgerichtshof in Karlsruhe hat ein wegweisendes Urteil in der Sterbehilfe-Debatte<br />
gefällt. Zum ersten Mal wird das am 1. September 2009 in Kraft getretene Patientenverfügungsgesetz<br />
in der Praxis angewendet. <strong>Der</strong> Wille des Patienten ist ausschlaggebend <strong>und</strong><br />
hat vor jeder anderen Instanz den Vorrang.<br />
Dr. Wolfgang Putz <strong>und</strong> unsere Autorin Jacqueline Jencquel nach der Urteilsverkündung<br />
Ärzte zur Suizidbeihilfe bereit<br />
Jeder dritte deutsche Arzt kann sich vorstellen, Patienten beim Suizid zu helfen. Für<br />
jeden Vierten käme sogar aktive Sterbehilfe in Frage. Das ergab eine Umfrage des<br />
Allensbach-Instituts. Schon seit Ende 2009 liegen <strong>die</strong>se Ergebnisse vor. Die auftraggebende<br />
B<strong>und</strong>esärztekammer hielt sie jedoch bis jetzt unter Verschluss, entspricht doch<br />
das Ergebnis keineswegs der angeblichen Weigerung innerhalb der deutschen Ärzteschaft,<br />
Schwerstkranke beim Sterben zu unterstützen. B<strong>und</strong>esärztekammerpräsident<br />
Hoppe zeigte in einem Interview mit dem „Spiegel“ (http://nachrichten.t-online.de/<br />
sterbehilfe-interview-mit-joerg-<strong>die</strong>trich-hoppe/id_42331416/index) erstmals Verständnis:<br />
„Wenn ein Arzt es ethisch mit sich vereinbaren kann, beim Suizid zu helfen, dann<br />
kann er <strong>die</strong>s unter heutigen Bedingungen schon tun…Es gibt Formen, in denen Ärzte<br />
ihren Patienten helfen können, ohne Angst haben zu müssen, bestraft zu werden –<br />
zum Beispiel durch <strong>die</strong> Ausstellung eines Rezepts…“<br />
Hoppe stellte auch klar, dass <strong>die</strong> Ärzte nicht mehr mit standesrechtlichen Sanktionen<br />
zu rechnen hätten. Ärztlich assistierter Suizid ist damit der Gewissensentscheidung<br />
des Einzelnen freigegeben.<br />
3/2010 15