Der Humanist und die Spiritualität - Humanistischer Verband ...
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Weg betreuen können, empfehlen <strong>die</strong> Autoren<br />
des Buches, sie von der Garantenpflicht<br />
zu befreien (auch <strong>die</strong>s im Fragebogen des<br />
HVD bereits vorgesehen, das Buch liefert<br />
dazu ein eigenes Formular). Die Garantenpflicht<br />
verlangt, der Person, <strong>die</strong> man pflegt,<br />
jede nötige Hilfe angedeihen zu lassen,<br />
wie beispielsweise <strong>die</strong> Wiederbelebung bei<br />
Bewusstlosigkeit. <strong>Der</strong> Fürther Palliativmediziner<br />
<strong>und</strong> Hausarzt Dr. Hanke riet, <strong>die</strong><br />
Wünsche der Kranken <strong>und</strong> Alten zu respektieren,<br />
jede Entscheidung individuell<br />
zu bewerten <strong>und</strong> nicht allzu viel Angst vor<br />
rechtlichen Folgen zu haben.<br />
Zwischen Akzeptanz <strong>und</strong> Unterstützung<br />
Die Akzeptanz der von Chabot vorgestellten<br />
FVNF-Methode war bei allen übrigen Podiumsteilnehmern<br />
einhellig. Ihre Rolle als<br />
konkrete Unterstützer müssen <strong>die</strong> jeweiligen<br />
Organisationen aber wohl noch suchen<br />
<strong>und</strong> finden. Elke Baezner, Präsidentin der<br />
DGHS, nahm aus dem Publikum heraus <strong>die</strong><br />
Gelegenheit wahr, von einem „Skandal“ zu<br />
sprechen, dass deutschen Ärzten nicht wie<br />
in der Schweiz das suizidtaugliche Medikament<br />
Natriumpentobarbital zur Verfügung<br />
stehe. <strong>Der</strong> ebenfalls im Publikum anwesende<br />
Ludwig Minelli, Chef der Schweizer Sterbehilfeorganisation<br />
Dignitas, hüllte sich dazu<br />
in Schweigen <strong>und</strong> stellte stattdessen <strong>die</strong> in<br />
seinen Augen höchst verwerfliche Rolle der<br />
Kirche in den Mittelpunkt. Die Schweizer<br />
Dignitas unterhält ein unzensiertes Forum<br />
auch zu <strong>die</strong>ser Suizidmöglichkeit des FVNF,<br />
was darauf hindeutet, dass Minelli das Heil<br />
nicht allein in der Abhängigkeit von Ärzten<br />
sieht, zumal <strong>die</strong>se für nicht tödlich erkrankte<br />
Suizidklienten immer weniger bereit sind,<br />
Natriumpentobarbital zu verschreiben.<br />
Dr. Chabot <strong>und</strong> Dr. Walther legen viel<br />
Wert darauf, Patienten, Angehörigen, Pflegekräften<br />
<strong>und</strong> vor allem auch Ärzten Informationen<br />
über den medizinischen Verlauf<br />
(was passiert z.B. auf der Stoffwechselebene)<br />
sowie juristische, ethische <strong>und</strong> psychologische<br />
Aspekte anzubieten. Insbesondere das<br />
Kapitel zur notwendigen Pflege <strong>und</strong> zum<br />
Feuchthalten des M<strong>und</strong>es enthält eine Reihe<br />
ganz praktischer Tipps <strong>und</strong> Produktinformationen<br />
– von Wasserzerstäuber bis<br />
Zitronenwattestäbchen. Es erinnert an <strong>die</strong><br />
ersten Heftchen von Hospizinitiativen in<br />
den 1980er-Jahren zur häuslichen Sterbebegleitung,<br />
wo es etwa hieß: so<strong>und</strong>soviel<br />
„Bettlaken <strong>und</strong> Handtücher bereitlegen,<br />
ggf. von Bekannten ausleihen“.<br />
Selbstbestimmter Zeitpunkt des<br />
Sterbens<br />
Im hervorragenden Geleitwort zum „Ausweg<br />
am Lebensende“ von dem Medizinethiker<br />
Dieter Birnbacher, Prof. für praktische<br />
Philosophie an der Heinrich-Heine<br />
Universität Düsseldorf, heißt es:<br />
„…Die Mehrzahl der Menschen hat<br />
den Wunsch, zu Hause <strong>und</strong> im Kreis ihrer<br />
Nächsten zu sterben, aber oft ist <strong>die</strong>ser<br />
Wunsch nicht erfüllbar... Auch der Wunsch<br />
nach Selbstbestimmung am Lebensende<br />
stößt oft auf unüberwindliche Hindernisse,<br />
insbesondere dann, wenn ein Mensch<br />
den Zeitpunkt seines Sterbens, soweit es<br />
<strong>die</strong> Umstände zulassen, selbst bestimmen<br />
möchte <strong>und</strong> dafür auf fremde Hilfe angewiesen<br />
ist. Da in Deutschland <strong>die</strong> aktive<br />
Sterbehilfe rechtlich verboten ist <strong>und</strong> eine<br />
ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung als mit<br />
dem ärztlichen Ethos unvereinbar gilt, bleiben<br />
zur Verwirklichung <strong>die</strong>ses Wunsches<br />
nur begrenzte Möglichkeiten. Dazu gehören<br />
<strong>die</strong> Hoffnung, dass ein Verzicht auf weitere<br />
Behandlung <strong>und</strong> eine gute palliative Begleitung<br />
in einen sanften Tod einmünden; <strong>die</strong><br />
Option einer einsamen <strong>und</strong> vielfach gewaltsamen<br />
Selbsttötung; <strong>und</strong> der belastende <strong>und</strong><br />
oft würdelose Weg des ‚Sterbetourismus´…<br />
In <strong>die</strong>ser Situation gewinnen Formen des<br />
Sterbens an Bedeutung, <strong>die</strong> einerseits dem<br />
Bedürfnis nach einem selbstbestimmten Lebensende<br />
entgegenkommen, aber andererseits<br />
<strong>die</strong> Bereitschaft professioneller Helfer,<br />
<strong>die</strong> Wünsche Schwerkranker zu unterstützen,<br />
nicht überfordern.<br />
Eine solche Form ist der in <strong>die</strong>sem Buch<br />
beschriebene Weg des selbstbestimmten<br />
Verzichts auf Nahrung <strong>und</strong> Flüssigkeit.<br />
Dieser Weg ist kein leichter <strong>und</strong> bequemer<br />
Weg… Aber <strong>die</strong>ser – in der Diskussion um<br />
<strong>die</strong> Sterbehilfe bisher vernachlässigte – Weg<br />
scheint wie kein anderer geeignet, das bei<br />
vielen älteren Menschen vorhandene Autonomiebedürfnis<br />
mit den Vorbehalten der<br />
Ärzte <strong>und</strong> der Gesellschaft gegen eine aktive<br />
Mitwirkung am Tod eines Menschen zu<br />
versöhnen...“<br />
Neuerfindung einer entideologisierten<br />
Hospizbewegung<br />
Das Niveau <strong>die</strong>ses (medizin-)ethischen<br />
Tiefsinns von Prof. Birnbacher kann allerdings<br />
im Buch selbst nicht überall gehalten<br />
werden. Einige Stellen erscheinen sogar<br />
im Sinne der deutschen Situation als bedenklich.<br />
So wird auf S. 43 eine „Intensive<br />
Schmerztherapie <strong>und</strong> palliative Se<strong>die</strong>rung“<br />
als eine von vier Möglichkeiten eines legalen<br />
„Auswegs“ aufgeführt, den „Tod vorzeitig<br />
<strong>und</strong> auf humane Weise herbeizuführen“.<br />
Jede absichtlich (!) herbeigeführte Leidensverkürzung<br />
– <strong>und</strong> sei es nur um wenige Tage<br />
– ist in Deutschland allerdings verboten<br />
<strong>und</strong> gilt strafrechtlich als Tötung auf Verlangen<br />
oder aus Mitleid. Im von Walther<br />
verantworteten Teil II wird dann allerdings<br />
speziell auf <strong>die</strong> deutsche Situation eingegangen.<br />
<strong>Der</strong> unterstützte Vollzug von freiwilli-<br />
Anzeige<br />
Michael Bauer / Alexander Endreß<br />
Selbstbestimmung am<br />
Ende des Lebens<br />
Schriftenreihe der <strong>Humanist</strong>ischen<br />
Akademie Bayern, Bd. 1<br />
204 Seiten, kartoniert, Euro 16.-<br />
ISBN 978-3-86569-018-5<br />
<strong>Der</strong> Sammelband nähert sich aus interdisziplinärer<br />
Perspektive der Frage<br />
nach einem selbstbestimmten Lebensende.<br />
Dabei werden nicht nur<br />
<strong>die</strong> medizinischen <strong>und</strong> rechtlichen Aspekte<br />
behandelt, <strong>die</strong> in der konkreten<br />
Situation, wenn eine Entscheidung<br />
ansteht, von Bedeutung sind, <strong>und</strong><br />
das komplexe Thema wird auch nicht<br />
auf <strong>die</strong> Frage (Aktive) Sterbehilfe – ja<br />
oder nein? zugespitzt. Vielmehr lotet<br />
der Band gr<strong>und</strong>sätzliche philosophische<br />
Fragen aus, berücksichtigt sozioökonomische<br />
Aspekte <strong>und</strong> stellt<br />
interkulturelle Vergleiche an.<br />
www.alibri.de<br />
3/2010 17