Ausgabe 10/03 - meins magazin
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Portemonnaie<br />
Köln Vintage<br />
Schöne Kleidung für wenig Geld, und dann bitte noch einzigartig, stilvoll und direkt um die Ecke zu kaufen.<br />
Maximiliane Koschyk testet Second-Hand-Shops in Köln.<br />
Kanariengelb - erst dieses Wort machte<br />
mir klar, wie alt dieses Kleid eigentlich sein<br />
musste, dessen Farbbezeichnung selbst<br />
ja lange Zeit ausgestorben war. Auch der<br />
Stickerei auf der Vorderseite schien ein<br />
Entwurf vorausgegangen zu sein, den ich<br />
mit Sicherheit in den Handarbeits<strong>magazin</strong>en<br />
meiner Großmutter unter "Folklore selbstgemacht"<br />
wieder gefunden hätte. Als Katalogware<br />
findet man so ein "kanariengelbes mit<br />
folkloristisch anmutenden Stickereien verziertes<br />
Kleid aus den Siebzigern" sicherlich<br />
nicht ausgezeichnet, der Beschreibung nach<br />
würde es auch keiner blind kaufen. Aber<br />
das ist das Schöne und auch das Erfolgsrezept<br />
eines guten Second-Hand-Ladens:<br />
Einen Schatz findet man bestimmt, aber ein<br />
bisschen Suche, Geduld und Abenteuerlust<br />
gehören dazu. Und so eine echte, abgewetzte<br />
und weichgetragene Lederjacke, die<br />
ja vielleicht Velvet Underground Sängerin<br />
Nico, als sie noch Christa Päffgen war,<br />
genau hier in Köln getragen haben könnte,<br />
macht den Zauber von Vintage aus.<br />
Die komplette Anonymität hat auch noch<br />
andere Vorteile: keine familiären Anekdoten,<br />
dass jenes Kleid oder Sakko schon getragen<br />
wurde, als die Eltern über das kanariengelbe<br />
Cover des liebsten Folk-Musikers<br />
fachsimpelten. Ebenso keine Abmahnung<br />
über die fachgerechte Haltung und Pflege<br />
des Erbstücks - zwar hat man für die Lederjacke,<br />
das Kleid oder die Schuhe im Laden<br />
bezahlt, aber ihre unbekannte Herkunft gibt<br />
ihnen einen Hauch von Unverwüstlichkeit.<br />
Was aber nicht heißt, dass es sich bei<br />
Second-Hand nur um ausgelatschte Schuhe<br />
und alte Sakkos handelt. Die kleidsamen<br />
Hinterlassenschaften können auch schick,<br />
edel und mondän sein. Ähnlich variabel<br />
verhält es sich mit der Preisscala: Vintage<br />
nennt man solche Kleidungsstücke, die mindestens<br />
eine Generation oder Dachbodenlagerung<br />
überstanden haben. Second-Hand<br />
dagegen kann alles sein, was den Besitzer<br />
wechselt und zwangsläufig nicht einmal<br />
getragen wurde. So sind manch Ettikett-<br />
Fehlkäufe, die des einen Leid waren, nun<br />
des anderen neue Kleiderschrankfreude.<br />
LebensEcht<br />
AA in the Eighties<br />
Vintage und Second-Hand gibt für alles und<br />
jeden und umfassend in Köln.<br />
Das kanariengelbe Kleiderphantom war<br />
meine erste Kölner Errungenschaft aus<br />
dem nur kurzzeitig existierenden American<br />
Apparel-Zweigladen "California Vintage".<br />
In einem Gedenkeckchen im eigentlichen<br />
AA-Geschäft auf der Ehrenstraße führt die<br />
Kette heute noch eine kleine Auswahl an<br />
den allseits beliebten Flanellhemden, Seidenblüschen<br />
und Schulterpolsterjacketts,<br />
welche Statisten der Fernsehsendungen<br />
aus den Achtzigern mitgingen ließen. Doch<br />
ebenso wie bei den allgemeinen AA-Produkten<br />
sind die Preise nicht allzu günstig:<br />
Unter 30 Euro wird man bei den bereits an<br />
die Kollektion angepassten Stücke selten<br />
fündig. Ähnliche Kundschaft ködert der<br />
breiter sortierte Laden "Vintage&Rage" auf<br />
dem Hansaring - schicke Pumps, schrille<br />
Paillettenfetzen, sowie für die Jungs alles<br />
vom Original Adidas-Anzug bis zur Indianer<br />
Jones-Jacke. Leider macht auch hier kein<br />
Studentenportemonnaie einen Freudenjauchzer.<br />
Vintage Alaaf!<br />
Richtig Stöbern und Schnäppchenmachen<br />
lässt es sich da viel besser in den vielen<br />
kleinen Nischenläden, die in ganz Köln<br />
verstreut sind. Sobald man einen entdeckt,<br />
lohnt es sich fast immer, auch gleich einen<br />
Blick hineinzuwerfen. Manchmal liegt einem<br />
das Angebot aber auch nicht, was darin<br />
begründet ist, dass sich viele der Second-<br />
Hand-Läden bereits einseitig spezialisiert<br />
haben. Allen voran die Geschäfte für Kinderkleidung<br />
und Spielwaren, deren Halbwertszeit<br />
aufgrund von Wachstum und Interesse<br />
oft gering ist, und die leider auch in der<br />
Erstanschaffung für viele StudentInnen mit<br />
Kind zu teuer sind. Auch für Abendkleider,<br />
Designerstücke und oder einen bestimmten<br />
Modestil gibt es mittlerweile eigene Second-<br />
Hand-Läden. So auch auf der Dürener Straße<br />
im Stadtteil Lindenthal, wo sich gleich<br />
vier Läden finden lassen. Einer von diesen<br />
ist das "La Seconda", welches vor allem<br />
elegantere Mode und Designerstücke für<br />
Damen führt und dessen reizendes Personal<br />
gerne auch beim Kauf eines Blazers fürs<br />
Text: Maximiliane Koschyk<br />
erste Vorstellungsgespräch berät. In den<br />
breiter sortierten Läden erstöbert die Klientel<br />
dagegen alles vom ausgefallenen Pulli<br />
bis zu kaum getragenen Turnschuhen - eine<br />
der größten Geschäfte ist „Katta Katta“ mit<br />
Filialen in der Großen Brinkgasse und auf<br />
der Zülpicher Straße. Hier wird auf Kommission<br />
eingekauft, das heißt: Nostalgische<br />
Stoffschätzchen vorbeibringen, was brauchbar<br />
ist, wird in die Kartei aufgenommen.<br />
Nach 2 Monaten kann man wiederkommen<br />
und für Verkauftes den vorher bestimmten<br />
Preis ausgezahlt bekommen oder nimmt die<br />
Ware wieder mit. Ebenso funktioniert’s bei<br />
„Klamott & Kaffee“, ein Stückchen weiter<br />
auf der Zülpicher Straße, die in der Jecken<br />
Zeit auch einen Extra-Fundus alter Kostüme<br />
der nicht so anhänglichen Karnevalisten<br />
führen. Hier enthüllt der Name die Zweitberufung<br />
des Ladens: nach getaner Suche,<br />
Anprobe, Kauf oder Verkauf lässt sich das<br />
Verdiente noch in eine Tasse fair gehandelten<br />
Kaffee und ein Stück leckeren Kuchen<br />
wunderbar investieren.<br />
Gutes tun und gut aussehen<br />
Mit Kleidung zweiter Hand lässt sich nicht<br />
nur Geschichte kaufen, Geld sparen oder<br />
verdienen, sondern auch gutes tun. Erste<br />
und bekannteste Anlaufstellen der Orgien<br />
des Kleiderschrankaussortierens sind die<br />
beigen Altkleider-Container des Roten<br />
Kreuz, dort wandern die Stücke aber direkt<br />
in die Hilfsgebiete und enden im Zweifelsfalls<br />
als Faserbrei. Wem Kommissionsgeschäfte<br />
zu umständlich sind und der<br />
Groschen in ein bisschen Humanität besser<br />
investiert scheint, der kann seine alten<br />
Stücke bei Oxfam oder Humana abgeben<br />
- beide Hilfsorganisationen führen in Köln<br />
Filialen. Sie nehmen Kleiderspenden - gewaschen<br />
und ordentlich gefaltet – entgegen<br />
und sortieren vor Ort nach Verkaufs- oder<br />
Projekttauglichkeit aus. Ein Teil wird so in<br />
benötigte Einrichtungen gebracht, der Rest<br />
zum Erlös der Humanitären Hilfe verkauft.<br />
In eben jenem Oxfam-Laden habe ich übrigens<br />
mein zweites Kölner Vintage-Unikat<br />
erstanden: ein Paar flache Damenschuhe,<br />
im gleichen Ton der Folklore-Stickerei des<br />
Kanarienkleids. So klein ist die Welt der<br />
Altkleider.<br />
Foto: www.deviantart.com / chuckandchucky<br />
LebensEcht