Ausgabe 10/03 - meins magazin
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Herr Professor Hermanns, was verstehen<br />
Sie unter 'Softwarefehlern'?<br />
Welche Gründe kann es für<br />
Softwarefehler geben?<br />
In den Forschungsprojekten AVACS und<br />
Verisoft XT werden Verfahren entwickelt,<br />
die Softwarefehler verhindern sollen.<br />
Welchen Ansatz verfolgen Sie dabei?<br />
In welchen Bereichen rufen<br />
Softwarefehler die größten Schäden<br />
hervor?<br />
Softwarefehler kosten<br />
Leib und Leben<br />
Interview mit Prof. Dr.-Ing. Holger Hermanns, Arbeitsgruppe für Verlässliche Systeme und Software an<br />
der Universität des Saarlands.<br />
von Thomas Heinen<br />
38 ErkenntnisReich<br />
Bei Softwarefehlern kann man zunächst zwischen Schreibfehlern, Denkfehlern und vor allem<br />
Missverständnissen unterscheiden. Da Programme einfach aus Buchstaben und Zeichen<br />
bestehen, treten Schreibfehler häufig auf. Sie werden aber auch leicht erkannt, zumeist direkt<br />
von der Programmierumgebung. Ein berüchtigter Schreibfehler ist etwa der, bei dem die '1',<br />
also die Zahl Eins, mit 'l', also dem kleinen Buchstaben L, verwechselt wird. Das allein kann<br />
schon katastrophale Folgen haben.<br />
In der Praxis stellen wohl Missverständnisse das wesentliche Problem dar. Sie entstehen,<br />
wenn sich viele Programmierer, die an einem großen Projekt beteiligt sind, nicht gut genug<br />
abstimmen. Das ist ein großes Problem, da das Schreiben großer und kleiner Programme<br />
heutzutage auf mehrere Schultern und sogar auf mehrere Kontinente verteilt wird. Hinzu<br />
kommt der Zeitdruck und oft auch mäßig ausgebildetes und überlastetes Personal, das die<br />
Programmteile im letzten Moment zusammenstöpseln muss.<br />
In beiden Projekte geht es darum, die Korrektheit komplizierter Programme zu beweisen. Verisoft<br />
XT hat sich zum Ziel gesetzt hat, in der Forschung bereits etablierte Techniken im großen<br />
Stil auf aktuelle, große Softwareprodukte anzusetzen wie etwa den Hypervisor von Microsoft.<br />
AVACS hingegen ist ein Sonderforschungsbereich der DFG und daher an grundlegenden<br />
Fortschritten interessiert. Ich bin dort beteiligt und wir entwickeln zum Beispiel Methoden, die<br />
das softwaregesteuerte Bremsen eines Konvois von ICE-Zügen selbst in Grenzsituationen sicher<br />
macht. Unsere Forschungsergebnisse haben dabei großen Einfluss auf die europäische<br />
Entwicklung in diesem Bereich.<br />
Dort wo Leib und Leben bedroht sind, zum Beispiel im Personentransport oder bei der Steuerung<br />
von chemischen Fabriken, ist das Risiko natürlich am höchsten. Allerdings ist man sich<br />
in diesen Bereichen der Problematik bewusst und arbeitet mit deutlich besseren Methoden<br />
als zum Beispiel beim Steuerungsprogramm für einen Rasierapparat.<br />
Gefolgt vom Schienenverkehr und der Automobilindustrie ist die Flugzeugindustrie hier mit<br />
Abstand am weitesten. Es gelten äußerst strenge Standards, wo es um die Sicherheit der<br />
Passagiere geht und ein kleiner Softwarefehler gleich hunderte von Menschen das Leben<br />
kosten kann. Damit die Computersysteme in Flugzeugen und Zügen mit ihren Tausenden von<br />
Mini-Prozessoren garantiert fehlerfrei funktionieren, wird viel Geld investiert..<br />
Die dafür notwendigen Verfahren werden in vielen Facetten an der Universität des Saarlandes<br />
und den Informatik-Forschungsinstituten auf dem Campus erforscht. Dabei geht es zum<br />
Wie werden Ihre Erkenntnisse für die<br />
Praxis nutzbar gemacht?<br />
Welche Möglichkeit haben Studenten,<br />
um an Ihren Forschungen teilzunehmen?<br />
„Es ist wichtig, in die Ausbildung zu<br />
investieren, um die Folgen schlechter<br />
Software zu begrenzen“<br />
Beispiel um äußerst komplexe Anwendungen wie etwa die Steuerung des Riesenflugzeugs<br />
Airbus A 380. Der Hersteller Airbus muss eine Garantie dafür abgeben, dass die Steuerung<br />
unter allen Umständen rechtzeitig und richtig reagiert. Die dafür eingesetzten Methoden sind<br />
natürlich sehr aufwendig und konzentrieren sich auf die Problematik, rechtzeitig reagieren zu<br />
können. Sie sind weltweit einzigartig.<br />
Software spielt heute überall eine Rolle, ob im Kühlschrank, im Auto oder beim Zahnarzt.<br />
Deshalb ist es wichtig, in die Ausbildung zu investieren und eine Basis dafür zu schaffen,<br />
die gesellschaftlichen Folgen schlechter Software zu begrenzen. Auch arbeiten Saarbrücker<br />
Kollegen von mir an der Unterstützung des Programmierers bei der Suche nach Ursachen<br />
für Softwarefehler, die so weit geht, dass Vorschläge gemacht werden, wie und wo das<br />
Programm zu reparieren ist. Das ist extrem innovativ und gleichzeitig auch für den alltäglichen<br />
Programmierer einsetzbar.<br />
Die Saarbrücker Informatik hat das Problem schon früh als Herausforderung erkannt.<br />
Informatikstudenten lernen hier schon im ersten Semester, wie fehlerfreie Softwaresysteme<br />
aufgebaut sein müssen. Deutschlandweit einzigartig ist, dass sie bereits in den ersten<br />
Pflichtvorlesungen die Korrektheit ihrer Programme beweisen müssen. Die Verpflichtung,<br />
Software von hoher Qualität abzuliefern, zieht sich durch das ganze Studium und wird auf<br />
vielfache Weise unterstützt und vertieft.<br />
ErkenntnisReich 39