50 - Alexander von Humboldt-Stiftung
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19 >> <strong>Humboldt</strong> kosmos 86/2005<br />
Flüssigkristalle unter dem<br />
Polarisationsmikroskop<br />
Liquid crystals seen through<br />
a polarisation microscope<br />
andere Verfahren heran, doch manche Erkenntnis entsteht allein durch<br />
die Interpretation der Bilder.<br />
Der glücklichste Moment für einen Forscher, der ein Material mit<br />
neuen flüssigkristallinen Eigenschaften entwickelt hat, ist gekommen,<br />
wenn er nach monatelangen Laborforschungen seine Probe zwischen<br />
zwei Glasplättchen legt und unter dem Polarisationsmikroskop bei<br />
verschiedenen Temperaturen untersucht: Der Anblick der wie lebendig<br />
wirkenden beweglichen Moleküle ist phantastisch. Legt man die<br />
bei unterschiedlichen Temperaturen und Aggregatzuständen erzeugten<br />
Bilder nebeneinander, kommt man sich beinahe vor wie in einer<br />
Kunstgalerie. Die eindrucksvollen Motive und Farben, die durch die<br />
Umorganisation der beweglichen Moleküle entstehen, zeigen uns<br />
nicht nur, wie lebendig die Wissenschaft sein kann. Sie sind Teil einer<br />
Entwicklung, in der technische und naturwissenschaftliche Bilder mit<br />
den wachsenden technischen Möglichkeiten immer öfter gleichrangig<br />
neben künstlerische Bilder treten. Man denke neben den Flüssigkristallen<br />
etwa an die bizarren Rasterelektronenmikroskopaufnahmen<br />
<strong>von</strong> Insekten, die es auf die Titelseiten <strong>von</strong> Zeitungen bringen oder<br />
ganze Bildstrecken in populärwissenschaftlichen Magazinen füllen.<br />
Oder an Kernspinaufnahmen oder Wärmebilder des menschlichen<br />
Körpers, die es nicht nur in die Medien schaffen, sondern auch die<br />
Kunst und Popkultur inspirieren. Alle diese wissenschaftlichen Bilder<br />
sind längst nicht mehr nur Mittel und Objekt der Forschung, sie bereichern<br />
den ästhetischen Bildfundus der Menschheit und zeigen, dass<br />
die Grenze zwischen Naturwissenschaft und Kunst fließend ist.<br />
new crystalline properties experiences his happiest moment when, after<br />
months of laboratory examinations, he puts his sample onto a slide and<br />
then examines it under the polarisation microscope at different temperatures.<br />
The prospect of the molecules appearing like living creatures is<br />
fantastic. Putting the pictures generated at different temperatures and in<br />
different aggregate states next to one another will almost give the<br />
impression of an art gallery. Not only do the impressive motives and<br />
colours that result from the reorganisation of the mobile molecules show<br />
us how lively science can be. They are part of a development in which,<br />
more and more frequently, technical and scientific pictures are appearing<br />
on a par with artistic pictures. Alongside the liquid crystals, just<br />
think of the bizarre grid electron microscope photos of insects that sometimes<br />
feature on the front pages of magazines or fill entire series of illustrations<br />
in popular science journals. Or of magnetic resonance imaging<br />
or thermal images of the human body which have not only made it into<br />
the media but also inspire art and pop culture. All these scientific<br />
pictures have long ceased to be mere means and objects of research. They<br />
enrich the aesthetic picture fund of humankind and show that the<br />
boundaries between science and art are liquid.<br />
**********************<br />
„Der Anblick der wie lebendig wirkenden<br />
beweglichen Moleküle ist phantastisch.“<br />
**********************<br />
“The prospect of the molecules appearing<br />
like living creatures is fantastic.”