50 - Alexander von Humboldt-Stiftung
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die Dauer des Studiums. Alle über einen Kamm zu<br />
scheren, ist unsinnig. Es gibt geistes-, aber auch naturwissenschaftliche<br />
Fächer, in denen man keine berufliche<br />
Ausbildung erhält. Man muss auch keine bekommen;<br />
dort wird man zum Denken und Überlegen<br />
ausgebildet, man lernt, Probleme zu lösen und mit<br />
Komplexität umzugehen. Man könnte es Problemwissen<br />
nennen, unabhängig da<strong>von</strong>, ob man mit mathematischen<br />
Formeln, mit physikalischen Experimenten<br />
oder mit einer altgriechischen Handschrift zu tun hat.<br />
Es ist eine Fähigkeit, die heute immer mehr fehlt. An<br />
der Universität sollte man die Gelegenheit bekommen,<br />
sie zu erwerben. Denn oft wird dies die einzige Gelegenheit<br />
sein.<br />
Falsch verstandene Amerikanisierung<br />
Als Rechtfertigung für die meisten Reformideen dient<br />
der Verweis auf die Dominanz der Vereinigten Staaten.<br />
Das europäische System solle und müsse dem angloamerikanischen<br />
angepasst werden. Nur wer die amerikanischen<br />
Verhältnisse nicht kennt, kann diese These<br />
vertreten. Denn ein einheitliches amerikanisches System<br />
existiert als solches nicht. Dennoch kann man viel<br />
<strong>von</strong> den Amerikanern lernen – und aus der eigenen<br />
europäischen Geschichte: In den ersten Jahrzehnten<br />
des 20. Jahrhunderts waren die amerikanischen Universitäten<br />
für die Mehrheit der Studenten kaum mehr<br />
als eine bessere Sekundarschule. Niemand wäre damals<br />
auf die Idee gekommen, demgegenüber die Exzellenz<br />
47 >> <strong>Humboldt</strong> kosmos 86/2005<br />
ences that do not provide vocational training. Neither<br />
does one necessarily need this training! There, one is<br />
trained to think and consider things and learns how to<br />
solve problems and handle complexity. You could call it<br />
learning how to solve problems, regardless of whether you<br />
are dealing with mathematical formulae, physical experiments<br />
or antique Greek writing. It is an ability that<br />
increasingly appears to be lacking nowadays. Universities<br />
ought to offer the opportunity to learn it. For often<br />
enough, this will be the only opportunity people get.<br />
A wrongly understood Americanisation<br />
Most reform ideas are justified by pointing to the dominating<br />
role the United States plays. It is argued that the<br />
European system should, and has to be, adapted to the<br />
Anglo-American one. Such a proposition can only be put<br />
forward by someone who is not familiar with American<br />
conditions. For there is no such thing as a standard<br />
American system. Even so, a lot can be learnt from the<br />
Americans as well as from Europe’s own history. In the<br />
first decades of the 20th century, the American universities<br />
were little more than an advanced secondary school<br />
for the majority of students. In those days, nobody would<br />
have started to draw comparisons with the German university<br />
and question its excellence. That many (but up to<br />
this day by no means all) American universities succeeded<br />
in catching up so swiftly was also due to the red carpet<br />
treatment they gave to top European scientists. American<br />
universities were sufficiently far-sighted and industrious