Sylvie Boisseau - Strategie zur Konstruktion der Identität funktionaler
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einer rationellen, technokratischen Raumauffassung, die<br />
diesen quantifiziert und zum Objekt <strong>der</strong> Planung und des<br />
Tausches macht und somit alle nicht-kapitalistischen Produktionsweisen<br />
absorbiert, was mit <strong>der</strong> Auslöschung des<br />
Gebrauchswertes gleich bedeutend ist. Der kapitalistische<br />
Raum ist zugleich homogen und zersplittert. „Dieser Raum<br />
ist homogen, weil darin alles äquivalent, weil darin alles<br />
austauschbar und auswechselbar ist; weil es ein Raum ist,<br />
<strong>der</strong> dem Verkauf unterliegt und weil es nur einen Verkauf<br />
von Äquivalenten, von Austauschbarem gibt. Dieser Raum<br />
ist aber ebenso zersplittert, weil er durch Grundstücke<br />
o<strong>der</strong> Parzellen gebildet wird. Und er wird Grundstück für<br />
Grundstück o<strong>der</strong> Parzelle für Parzelle verkauft. Er wird also<br />
fortwährend zersplittert und fragmentiert, mehr noch: pulverisiert.“<br />
11<br />
Lefèbvre differenziert drei Konzepte: Die räumliche Praxis,<br />
die eine Analyse <strong>der</strong> täglichen Routine beinhaltet (spatial<br />
practice), die Darstellung des Raumes d.h. seine Konzeptualisierung<br />
(von Raumplanern beispielsweise) (representations<br />
of space) und den dargestellten Raum, <strong>der</strong> sich eines Systems<br />
von non-verbalen Symbolen und Zeichen bedient (representational<br />
space). Eine kapitalistische Gesellschaft verwirklicht<br />
einen abstrakten Raum, <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um von <strong>der</strong> alltäglichen<br />
Praxis bestätigt wird.<br />
Gleichzeitig produziert <strong>der</strong> Raum Gesellschaft: Eine Untersuchung<br />
über das französische Schulsystem, die die Verteilung<br />
von Schülern auf Schulen vor ihrem sozialen Hintergrund<br />
untersuchte, kam zu erstaunlichen Resultaten. In Vierteln<br />
mit einem erhöhten Anteil an wohlhabenden Familien, gehen<br />
wesentlich mehr Kin<strong>der</strong> aus reichen Familien <strong>zur</strong> Schule<br />
als dort wohnen. Aus Familien mit geringerem Einkommen<br />
aus demselben reichen Viertel gehen deutlich weniger Schüler<br />
auf die Schulen als prozentual in dem Viertel wohnen.<br />
In Vierteln mit einem großen Anteil an einkommensschwachen<br />
Familien zeigt sich eine genau gegenläufige Tendenz:<br />
Die Schulen haben noch mehr Schüler aus Einkommensschwachen<br />
Familien als in dem Viertel wohnen. Die besserverdienenden<br />
vermeiden es, ihre Kin<strong>der</strong> in einkommenschwachen<br />
Vierteln <strong>zur</strong> Schule <strong>zur</strong> schicken, auch wenn sie selbst dort<br />
wohnen. 12<br />
Der Raum produziert eine Gesellschaft, in unserem Beispiel<br />
eine Gesellschaft <strong>der</strong> Armen beziehungweise Reichen.<br />
Nah zu den Überlegungen Lefèbvres agierten als vehemente<br />
Kritiker <strong>der</strong> bourgeoisen Machtausübung im kapitalistisch<br />
determinierten Raum die Situationisten um Guy Debord. Ihr<br />
Bild eines neuen Menschen ging von <strong>der</strong> Beherrschung des