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Jahresbericht 2009 Tartaruga

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wesentliche Bedeutung für das grundlegende<br />

Verständnis der Familien- und Lebenssituation<br />

der Jugendlichen:<br />

• Die Eltern (oder nur ein Elternteil) kamen,<br />

teilweise zuerst ohne die restlichen<br />

Familienmitglieder, ursprünglich<br />

nicht freiwillig / geplant nach Österreich,<br />

sondern verließen ihr Herkunftsland<br />

aufgrund von Verfolgung, Krieg,<br />

wirtschaftlichen Gründen usw. In Österreich<br />

arbeiten sie oftmals in ausbildungs-<br />

oder interessensfremden<br />

Berufen, um die finanzielle Existenzsicherung<br />

für die Familie so halbwegs<br />

gewährleisten zu können; oder sie<br />

schafften es bisher nicht, eine fixe Arbeit<br />

zu finden. Damit ihre Kinder eine<br />

finanziell bessere Lebensgrundlage als<br />

Erwachsene haben können, sind die<br />

Erwartungen an sie bezüglich Schul-<br />

oder Ausbildung deshalb besonders<br />

hoch.<br />

• Die Jugendlichen wissen nur selten gut<br />

Bescheid über die Hintergründe der<br />

Migration ihrer Eltern: Sie haben nie<br />

ausführlich nachgefragt, die Eltern haben<br />

von sich aus ihre Kinder nicht ausreichend<br />

informiert.<br />

• Aufgrund des fehlenden Wissens und /<br />

oder Verständnisses für die Gegebenheiten<br />

in Österreich, oder auch der Befürchtung<br />

von „Gefahren“ für die<br />

eigenen Kinder, fließen die (früheren)<br />

Traditionen des Heimatlandes, welche<br />

den Eltern ja noch bekannt sind, oft besonders<br />

einengend in die Erziehung<br />

ein. Vor allem für Jugendliche werden<br />

aufgrund ihrer Orientierung an der<br />

„peer-group“ die Diskrepanz zwischen<br />

diesen Vorgaben und anderen (Lebens-)Möglichkeiten<br />

besonders spürbar.<br />

• Ältere Geschwister haben oftmals eine<br />

bedeutende „moralische“ und erzieherische<br />

Funktion übernommen (beauftragt<br />

von den Eltern oder<br />

selbstgewählt), was von den Jugendlichen<br />

vor allem dann, wenn diese einschränkend<br />

im Sinne der Eltern oder<br />

von Traditionen des Herkunftslandes<br />

handeln, nur schwer auszuhalten ist.<br />

• Viele Eltern mit Migrationshintergrund<br />

empfinden es, aufgrund von Üblichkeiten<br />

in ihrem Herkunftsland, aber auch<br />

12<br />

aufgrund der Selbstwahrnehmung, es<br />

nicht geschafft zu haben, als Schande,<br />

dass der Staat, vertreten durch das Jugendamt<br />

oder eine beauftragte Einrichtung<br />

(in unserem Fall die tartaruga),<br />

sich in ihre Erziehungskompetenz einmischt<br />

oder kontrolliert etc.; oder sie<br />

machen ihren Kindern Vorwürfe, sich<br />

an Außenstehende gewendet zu haben,<br />

und / oder setzen sie unter Druck (teilweise<br />

auch der erweiterte Familienverband),<br />

Aussagen, z.B. bezüglich<br />

Gewalt, zurück zu ziehen oder möglichst<br />

schnell wieder nach Hause oder<br />

in den erweiterten Familienverband zurück<br />

zu kehren.<br />

• Die psychische Befindlichkeit von<br />

unbegleiteten Minderjährigen ist, aufgrund<br />

von fehlender Gewissheit, wie es<br />

den Familienmitgliedern geht, instabil.<br />

• Und bei manchen Jugendlichen (oder<br />

ganzen Familien) geht es um posttraumatische<br />

Belastungen nach Kriegserlebnissen,<br />

Flucht etc.<br />

Damit komme ich zurück zur Ausgangsfrage,<br />

ob es wirklich Unterschiede bei den<br />

Problematiken und den darauf aufbauenden<br />

Betreuungen von Jugendlichen mit<br />

und ohne Migrationshintergrund gibt. Ich<br />

kann sie nicht mit ja oder nein beantworten,<br />

sondern mit: in Einzelfällen ja, in anderen<br />

nein, nicht wesentlich.

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