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Hiltruper Monatshefte - Hiltruper Missionare

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Grab des Vaters besuchen, es seinem<br />

Ältesten zeigen, der 15 ist und auch<br />

José heißt. Sie zwängen sich in einen<br />

Kleinbus, und als der Verkehr zusammenbricht,<br />

reihen sie sich ein in die<br />

endlos scheinende Karawane, die durch<br />

die ärmliche Vorstadt zu einem Loch im<br />

rostigen Friedhofszaun zieht. Dann ein<br />

überwältigender Anblick: so weit das<br />

Auge reicht – Gräber. Und zwischen<br />

ihnen heiteres, lebendiges Treiben bunt<br />

gekleideter Menschen jeden Alters. Ein<br />

Bild, das den Hauch von trist-grauer<br />

Einsamkeit wegbläst, den solch ein Ort<br />

erwarten lässt.<br />

Rührende Szenen spielen sich ab.<br />

Geschwister, die sich lang nicht gesehen<br />

haben, liegen einander in den Armen.<br />

Männer klopfen sich freundschaftlich<br />

auf die Schultern und haben einander<br />

ebenso viel zu erzählen wie ihre Frauen.<br />

Das Grab wird von der fingerdicken<br />

Staubschicht befreit, die sich während<br />

der vergangenen zwölf Monate darüber<br />

gelegt hat. Sie gießen Wasser darüber<br />

11<br />

oder Chicha, das traditionelle Maisbier,<br />

denn die Toten sollen nicht durstig<br />

bleiben in diesem Land ohne Regen.<br />

Geschäftstüchtige Maler kommen mit<br />

Pinsel und Farbtopf. Für ein paar Soles<br />

lassen sie die Holzkreuze in glänzendem<br />

Weiß wie neu erstrahlen. Wer mehr ausgeben<br />

will, lässt noch die zusammengesuchten<br />

Steine der Grabeinfassung in<br />

die dickflüssige Ölfarbe tauchen.<br />

Dann beginnt der gemütliche Teil: Der<br />

Picknickkorb wird ausgepackt, und das<br />

Grab verwandelt sich in einen liebevoll<br />

gedeckten Tisch mit Fleisch vom Spanferkel,<br />

mit gefüllten Maistaschen oder<br />

gegrilltem Meerschweinchen. Dazu gibt<br />

es Cuzqueña und für die Kinder die knallgelbe<br />

Inka-Cola. Die Lebenden holen<br />

Fotos hervor, erzählen alte Geschichten<br />

und tauschen Erinnerungen an die<br />

Verstorbenen aus. In ihren Geschichten<br />

werden die Toten lebendig. War der<br />

Vater Raucher, dann rauchen die Söhne<br />

mit ihm am Grab. Trank er, so wird eine<br />

Flasche Pisco geöffnet oder noch mehr

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