PDF 1,5 MB - Schultze & Braun GmbH
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1. Berliner Splitter<br />
Infobrief Sanierung & Insolvenz<br />
Berlin II/2011<br />
Das Berliner Parkett brodelt vor lauter insolvenzrechtlicher<br />
Aktivität.<br />
Stand der Insolvenzrechtsrechtsreformen<br />
Beim letztjährigen Deutschen Insolvenzrechtstag<br />
stellte die Bundesjustizministerin Frau Leutheusser-<br />
Schnarrenberger den Drei-Punkte-Plan der Bundesregierung<br />
zur Reform des Insolvenzrechts vor. In diesem<br />
Jahr konnte sie bei der Folgekonferenz von Insolvenzexperten<br />
die ersten Erfolge konstatieren: Das Bankenrestrukturierungsgesetz<br />
ist in Kraft getreten und der<br />
Bundesrat hat bereits zum Gesetzentwurf der Bundesregierung<br />
zum Gesetz zur weiteren Erleichterung<br />
der Sanierung von Unternehmen („ESUG“) Stellung<br />
genommen – die Zeichen stehen also gut, dass es bis<br />
zur Sommerpause Gesetz wird. Eigentlich Grund genug<br />
für ein zufriedenes Zwischenfazit.<br />
Dennoch scheint die erste Reformeuphorie etwas verflogen<br />
zu sein: Zum einen schweigt sich das Bundesministerium<br />
der Justiz (BMJ) mittlerweile in allen<br />
offiziellen Reden zur Prüfung der Sinnhaftigkeit eines<br />
vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens aus. In der<br />
zweiten Stufe der Reformen sollte auch hierüber diskutiert<br />
werden – auch im Hinblick darauf, dass Sanierungen<br />
von deutschen Unternehmen vermehrt im Ausland<br />
stattfinden. Neuestes Beispiel war Ende 2010 die<br />
Sanierung von Telecolumbus mit Sitz in Berlin durch<br />
ein Scheme of Arrangement in London.<br />
Aber auch die Verkürzung der Restschuldbefreiungsphase<br />
als einer der Kernbestandteile der Reform des<br />
Verbraucherinsolvenzrechts (ebenfalls für die zweite<br />
Stufe der Reformen vorgesehen) scheint schon vor dem<br />
Beginn der eigentlichen Diskussion verwässert zu werden.<br />
Zwar soll die Restschuldbefreiungsphase weiterhin<br />
auf drei Jahre halbiert werden, aber nunmehr nur<br />
unter der ergänzend eingeführten Bedingung, dass der<br />
Insolvenzschuldner die Verfahrenskosten sowie eine<br />
Mindestquote von 25 % auf die Insolvenzforderungen<br />
decken kann. Bedenkt man, dass 80 % der Verbraucherinsolvenzverfahren<br />
mit einer Null-Quote enden,<br />
kann man absehen, welche praktische Relevanz die<br />
Reform in dieser Hinsicht haben wird, wenn sie so<br />
kommt.<br />
Interessant ist auch der Zeitplan der weiteren Reformen:<br />
So hat ein zuständiger Beamter des BMJ in einem<br />
Vortrag bei einer Konferenz Mitte April als Zeithorizont<br />
für die zweite Stufe der Reformen Sommer 2011<br />
und für die dritte Stufe Ende 2011 genannt. Angesichts<br />
dieses sehr ambitionierten Zeitplanes bleibt<br />
abzuwarten, ob das bisherige Niveau der Beteiligung<br />
der Fachöffentlichkeit an den Reformen beibehalten<br />
wird oder ob die Reformen mehr oder minder durchgepeitscht<br />
werden.<br />
Staateninsolvenzen<br />
Die nächste Krise wird von Staatsinsolvenzen handeln.<br />
Ein Indikator hierfür ist die mittlerweile rasch wachsende<br />
Anzahl von Konferenzen, Anhörungen oder<br />
Symposien zu diesem Thema alleine in der Hauptstadt.<br />
So fand bereits im Dezember 2010 ein Streitgespräch<br />
zwischen Prof. Dr. Paulus und Prof. Dr. Herdegen über<br />
das „richtige“ Verfahren zur Abwicklung von Staateninsolvenzen<br />
statt. Etliche Veranstaltungen folgten und<br />
folgen, so zuletzt im Ausschuss für wirtschaftliche Entwicklung<br />
und Zusammenarbeit des Deutschen Bundestages,<br />
der sich in einer öffentlichen Anhörung zur<br />
„Schuldenproblematik und internationales Insolvenzverfahren“<br />
am 6. April 2011 des Themas annahm.<br />
Sind damit die Staaten nun auf juristischer Ebene für<br />
eine Staateninsolvenz gerüstet? Mitnichten. Haircut<br />
nicht gewollt, supranationale Insolvenzsysteme Fehlanzeige.<br />
Also sind Szenarien wie in Argentinien oder<br />
in Russland zu befürchten – quasi ungesteuerte Insolvenzen<br />
von Staaten. Wie so etwas in der Geschichte<br />
ablief, verdeutlicht eine von Professor Dr. Herdegen<br />
in der oben genannten Veranstaltung geschilderte<br />
„Anekdote“: In Venezuela weigerte sich die Regierung<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts, die Staatsschulden (unter<br />
anderem auch gegenüber europäischen Mächten) zu<br />
begleichen. Im Zuge der damals gängigen Kanonenboot-Politik<br />
segelten dann deutsche, italienische, englische<br />
und andere Kriegsschiffe einträchtig nach Venezuela<br />
und machten dem Machthaber vor Ort so klar,<br />
dass eine Begleichung der Schulden besser für ihn wäre.<br />
Er kam dieser Aufforderung nach… .<br />
Zugang europäischer Insolvenzverwalter zu deutschen<br />
Insolvenzgerichten<br />
Der Gesetzgeber kommt einem immer mehr wie ein<br />
Zauberer vor: Während er mit der linken Hand den<br />
Zuschauer ablenkt (also z.B. das ESUG einführt), zieht<br />
er mit der rechten Hand das Kaninchen (Art. 102a<br />
EGInsO) aus dem Hut. Ziemlich unbeachtet von der<br />
Öffentlichkeit hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur<br />
Umsetzung der sog. Dienstleistungsrichtlinie in der<br />
Justiz, nämlich ausländischen Insolvenzverwaltern, den<br />
grundsätzlichen Zugang zu deutschen Insolvenzgerichten<br />
eröffnet.<br />
Der Gesetzgeber hat damit die überwiegende Ansicht<br />
in der Literatur übergangen, wonach die Dienstleistungsrichtlinie<br />
auf Insolvenzverwalter nicht anzuwen-<br />
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