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1995 - Landzunft Regensdorf

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• •. ... ~ -j‘I<br />

Beck Reinhold Fassnacht mit seinem Motorrad, um 1935.<br />

fallend war seine immerwährende Freundlichkeit. Selbst<br />

wenn ihm nichts abgekauft und auch kein Sonntagsbra<br />

ten in Auftrag gegeben wurde, tat das seinem Benehmen<br />

keinen Abbruch. Das schätzten die Bäuerinnen, denn sie<br />

hatten ohnehin keine Zeit für langes Geschwätz.<br />

Da gab es noch den Samstagsmetzget Der ~‘Wilden<br />

Mann» Metzger Wälchli, übrigens das Gegenteil eines<br />

wilden Mannes, verkaufte in der »Linde«, in einem<br />

speziell von Vater Schibli eingerichteten Verkaufsraum<br />

jeden Samstagabend zur «Hüttenszeit» (Milchannahme)<br />

Fleisch. Das bot den Wattern Gelegenheit, falls die<br />

Woche gut verlaufen war, der Familie einen saftigen Bra<br />

ten zu posten.<br />

Der Samstagsmetzger erinnert uns an den Sonntags-<br />

schmied, namens Hans Frei. Auch ihn gab es damals in<br />

Watt. Sonntagsschmied nannte man den Dorfschmied im<br />

Sand deshalb, weil seine körperliche Erscheinung, aber<br />

auch sein gesellschaftliches Auftreten, im Sonntagsge<br />

wand, besser zur Geltung kam als im Uberblousli und Le<br />

derschurz. Er besass schon damals ein Auto. Um Was<br />

serleitungen zu reparieren, benutzte er dennoch das Veb.<br />

Das Trampen machte ihm aber Mühe. So fuhr er denn ein<br />

Veb das von einem motorangetriebenem Anhänger ge<br />

stossen wurde. Doch nicht deswegen wurde er berühmt.<br />

Sein Erfindergeist verhalf ihm auf einem anderem Gebiet<br />

zu einem gewinnbringenden Patent. Es waren die Wat<br />

terkühe, die sich weltweit, dank ihrem Sonntagsschmied,<br />

als erste den Durst nicht mehr am Brunnen, sondern aus<br />

dem Becken der Selbsttränke löschen konnten.<br />

Da gab es noch den Dorfbäcke, Sein Name war Reinhold<br />

Fassnacht. Er brachte das Brot nicht ins Haus, das wurde<br />

in seinem Laden abgeholt. Zuvor betrieb er eine Bäckerei<br />

in Höngg. Diese Kundschaft gab er nicht auf, er bediente<br />

sie täglich über den Geissberg. Dazu brauchte er ein<br />

Auto. Als das Benzin während des Krieges knapp war,<br />

versuchte er es mit einem Pferdegespann. Seine Freude<br />

am Pferd war unübersehbar, die Zuneigung aber nur ein<br />

seitig. Nach verschiedenen Kapriolen seitens des Vier<br />

beiners gab er das «Rössele« auf. Statt mit Hafer fuhr er<br />

wieder mit Benzin über den Berg. Seine Frau hingegen<br />

bediente die Kundschaft in <strong>Regensdorf</strong> mit dem Veloan<br />

hänger, während in umgekehrter Richtung Beck Keller‘s<br />

Schwester Brot und Guetzli mit dem blauen Kastenwa<br />

gen nach Watt brachte. Keller‘s Marie fuhr immer rassig,<br />

die Beulen am Auto waren Zeugen davon.<br />

Da gab es noch das Schabziegermannli. Es war ein eher<br />

kleingewachsener Mann aus dem Glarnerland. Er kam<br />

einmal im Jahr, kannte sich aus und wusste, in welchen<br />

Häusern der Schabzieger geschätzt und wo auf den auf<br />

dringlichen Geschmack verzichtet wurde. Das erlaubte<br />

ihm, seine Ziegerstöckli nur in jenen Häusern anzubieten,<br />

wo für ihn Verkaufschancen bestanden. Er wurde nicht<br />

als Hausierer eingestuft, denn alle wussten, woher er<br />

kam. Er war ein geselliges Mannli. Ihm gelang es, manche<br />

Hausfrau zu einem Kauf zu bewegen, obschon selbst<br />

dem Grossvater der scharfwürzige Kräuterkäse nicht be<br />

sonders schmeckte.<br />

Da gab es noch den Glase, Das war ein hagerer, langge<br />

wachsener Valser. Er trug stets einen grünen Schurz. Er<br />

klopfte nicht an den Haustüren, sondern ging langsamen<br />

Schrittes dorfauf und dorfab, stets rufend: Glaseeeer,<br />

Glaseeeer. Nur wenn er er eine zerbrochene Fenster<br />

scheibe entdeckte — dafür hatte er ein gutes Auge —<br />

suchte er direkt ins Geschäft zu kommen. Wie das Zie<br />

germannli trug auch er seine Werkstatt am Rücken. Sein<br />

Traggerät war aber nicht eine Krätze, sondern eine Holz-<br />

kiste. Aus dieser ragte das glitzernde Glas weit über<br />

seine an sich schon ansehnliche Körpergrösse hinaus.<br />

Jeweils diese schwere Last, scherben- und katastro<br />

phenfrei, vom Rücken auf den Boden zu stellen, setzte<br />

eine besondere Routine voraus. Dieses flinke Kunsstück<br />

hätte man dem äusserst bedächtigen Bündner eigentlich<br />

nicht zugemutet, doch er schaffte es. Wäre dieses Miss<br />

geschick ihm nur einmal passiert, man hätte ihn deswe<br />

gen noch nach Jahren «gehänselt«.<br />

Da gab es noch dem Lumpenmann. Das war der Stöckli<br />

aus Schlieren. Schon damals ein vermöglicher Mann,<br />

dem es nichts ausmachte, Lumpen zu sammeln. Er kam<br />

mit seinem kleinen Lieferauto. Er fuhr den Häusern ent<br />

lang und rief aus dem alten Karren ganz lapidar aber laut<br />

nach Lumpen und Knochen. Die Knochen lieferte er dem<br />

Geistlich in Schlieren. Mit «Geistlich« ist in diesem Fall<br />

nicht die katholische Geistlichkeit, sondern das heute<br />

noch bestehende gleichnamige Familienunternehmen in

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