Rundbrief 20 - Bundesverband für körper
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Netzwerk gegen Selektion durch Pränataldiagnostik, <strong>Rundbrief</strong> <strong>20</strong> - Juni <strong>20</strong>07 Seite 8<br />
dien erprobt worden, die öffentlich finanziert<br />
wurden. Nur Frauen, die im ersten<br />
Trimenon ein erhöhtes Risiko hätten, würden<br />
Folgeuntersuchungen angeboten. Die<br />
Anbieter setzen sich positiv vom FMF ab<br />
und behaupten auch, das Problem der<br />
Fruchtwasseruntersuchung und Spätabbrüche<br />
technologisch minimieren zu können.<br />
Auch auf der Firmen-Homepage ist zu lesen,<br />
was viele im Gesundheitssektor wissen<br />
und beflügelt: „Während es in der Gesetzlichen<br />
Krankenversicherung kein Wachstum<br />
mehr gibt, wächst der freie Markt um 8-10<br />
Prozent.“ Allein nach „individuellem Wunsch<br />
der Schwangeren“ werden die eingeführten<br />
Untersuchung im ersten Trimester <strong>für</strong> 29,14<br />
Euro angeboten, plus Gebühren <strong>für</strong> Beratung<br />
und Interpretation. Das integrierte<br />
Screening kostet 104,92 Euro, das sequenzielle<br />
Screening 90,35 Euro. Leiter der Bioscientia<br />
Healthcare GmbH ist übrigens Dr.<br />
Lothar Krimmel. Als Vertreter der Kassenärztlichen<br />
Bundesvereinigung entwickelte er<br />
das IGeL-Konzept und gründete verschiedene<br />
Unternehmen mit so klingenden Namen<br />
wie „MedWell“. Die GmbH schickt Starterpakete<br />
an niedergelassene MedizinerInnen.<br />
Im Angebot sind 12 Labor-IGeL – Untersuchungen<br />
zum genetischen Thrombose-<br />
Risiko oder eine Hormondiagnostik im<br />
Rahmen von Anti-Aging-Programmen.<br />
Politische Ausblicke<br />
Wenn also nicht nur eugenische, auf vorgeburtliche<br />
Selektion orientierte Politik das<br />
Feld der pränatalen Diagnostik bestimmt,<br />
müssten auch die hier diskutierten Systemregeln<br />
in der Debatte berücksichtigt werden:<br />
Die Dynamik der Markterweiterung<br />
über technologische Innovationen, über<br />
laufend privatisierte Angebote und die immer<br />
selbstverständlicher werdende Haltung,<br />
dass „Gesundheit“ und „Sicherheit“ Waren<br />
sind, die man kaufen kann und muss. Wie<br />
kann unter diesen Bedingungen und an<br />
welchen Stellen, die Pränataldiagnostik inklusive<br />
(Spät)Abbrüchen eingedämmt werden?<br />
Die Bundesärztekammer schlägt Zwangsberatungen<br />
vor, die von ÄrztInnen durchgeführt<br />
werden sollen, weil medizinische Probleme<br />
in der Schwangerenvorsorge überwiegen<br />
würden. Eine unabhängige Beratung<br />
könne, so die StandesvertreterInnen, zusätzlich<br />
einbezogen werden. Die ökonomische<br />
Dynamik, die in den Labors und Pra-<br />
xen greift, wird mit diesem Vorschlag sicher<br />
nicht außer Kraft gesetzt. Die Probleme des<br />
Risikomanagement werden weiterhin rein<br />
individuell am Ende der „Wertschöpfungskette“<br />
– bei der einzelnen Schwangeren –<br />
platziert und ausgetragen.<br />
Annegret Braun von der unabhängigen Beratungsstelle<br />
PUA in Stuttgart fordert, dass<br />
die pränatalen Reihenuntersuchungen aus<br />
den Mutterschaftsrichtlinien und den Richtlinien<br />
der Bundesärztekammer herausgenommen<br />
werden sollten. Eine unabhängige<br />
Beratung müsste schon vor den Untersuchungen<br />
ansetzen – und nicht erst, wenn<br />
das abweichende Ergebnis vorliegt. Das ist<br />
ein überlegenswerter Ansatz, der die Dynamik<br />
der pränatalen Untersuchungen über<br />
ein verändertes, medizinisches Angebot<br />
bremsen möchte. Der etablierte Trend, privatisierte<br />
Dienstleistungen im gesamten<br />
Gesundheitswesen als selbstverständlich<br />
anzusehen, ist damit nicht außer Kraft gesetzt.<br />
Die Gesundheitsgesellschaft folgt zunehmend<br />
dem Motto: Wer zahlen kann,<br />
kauft sich die Diagnostik hinzu.<br />
Eine grundsätzliche Debatte über die Aufgaben,<br />
Orientierungen und vor allem über<br />
die Grenzen der Medizin, sie bleibt<br />
unerlässlich.<br />
Bild aus der Malwerkstatt zum Thema PND