Dr. Friederike Benthaus-Apel, Köln. - Haus kirchlicher Dienste

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Die Frage nach dem Gottesglauben verdeutlicht, dass gut 40% der evangelischen Kirchenmit- glieder den von der Institution Kirche vertreten christlichen Gottesglauben uneingeschränkt teilen, während die Mehrheit der Kirchenmitglieder sich in mehr oder weniger starker Distanz zu diesem Gottesglauben ansiedeln. Es zeigt sich in dieser Frage ein typisches Muster des Eigensinns in der selbstverantworteten Gestaltung der Glaubensüberzeugung. Tabelle 2: Gottesglauben Glaube an Gott Auf dieser Liste stehen fünf Aussagen zum Glauben an Gott. Welche dieser Aussagen trifft am ehesten auf Sie selbst zu? Ich glaube, dass es einen Gott gibt, der sich in Jesus Christus zu erkennen gegeben hat Ich glaube an Gott, obwohl ich immer wieder zweifele und unsicher werde Ich glaube an eine höhere Kraft, aber nicht an einen Gott, wie ihn die Kirche beschreibt Ich glaube weder an einen Gott noch an eine höhere Kraft Ich bin überzeugt, dass es keinen Gott gibt N= Detlef Pollack hat auf die enge Wechselwirkung zwischen christlichen Gottesglauben und Kirchlichkeit hingewiesen: „Von denen, die jeden Sonntag zum Gottesdienst gehen, glauben 94% an einen Gott, der sich in Jesus Christus zu erkennen gegeben hat, von denen, die den Gottesdienst nie besuchen, sind es hingegen nur 10%, die sich zu einem solchen Glauben be- kennen“ (Pollack 2003: 24). Wie wir aus der Lebensstilanalyse wissen, sind es, wie bereits erwähnt, vor allem ältere Men- schen, die mehrheitlich die von Pollack beschriebenen kirchennahen und von der christlichen Lehre überzeugten Christen stellen. Demgegenüber gestalten die jüngeren Kirchenmitglieder auf sehr unterschiedliche Art und Weise ihr Verhältnis zur Kirche, zur religiösen Praxis und zum Gottesglauben. So haben die Auswertungen der Erzählinterviews der dritten Mitglied- schaftsstudie, welche vor allem mit distanzierten Kirchenmitgliedern der jüngeren Generation 14 Evangelische in % 1992 West 2002 West 42 43 26 27 25 26 6 3 2 1 1585 1532
geführt wurden, gezeigt, wie stark die Nähe und Distanz zur Kirche, wie auch die eigene Re- ligiosität in dem Gesamtkontext des Verlaufs der Lebensgeschichte eingebunden gesehen werden muss. „Besonders deutlich lässt unsere Erhebung eine an Lebenslauf-Situationen ori- entierte Mitgliedschaft hervortreten. Diese ist gebunden an die Amtshandlungen und lebens- zyklisch orientierten Gottesdienstformen sowie an die pastorale Begleitung in besonderen Krisenlagen.“ (Engelhardt/Loewenich/Steinacker 1997: 353). In der dritten wie in der vierten Mitgliedschaftsstudie hat sich gezeigt, dass die traditionell geprägte christlich-religiöse Sprache bei der Mehrheit der evangelischen Kirchenmitglieder eher auf Unverständnis und zu Teilen sogar auf Ablehnung stößt, was eine lebendige religiöse Kommunikation erheblich erschwert. Wiederum in den Erzählinterviews der dritten Kirchen- mitgliedschaftsstudie wurde deutlich, dass bei den kirchlich Distanzierten kaum eine Erzähl- passage über die persönliche Religiosität (welche mit großer emotionaler Teilnahme und Le- bendigkeit geführt wurden) in der Tradition explizit christlicher Sprache geführt wurde. „Der weitreichende Plausibilitätsverlust traditioneller dogmatischer Sprachmuster ist hier mit Hän- den zu greifen. Die christliche Sprachtradition, <strong>kirchlicher</strong>seits häufig als einzig legitime Form religiöser Kommunikation akzeptiert, erscheint in den Interviews bestenfalls eine unter vielen Codierungen, mit denen man sein Leben religiös zu deuten versucht. Woran jemand im Letzten glaubt; worin der Sinn des Lebens gesucht und was als religiöse Erfahrung qualifiziert wird, dies alles wird in vielfältigen Sprach- und Bildtraditionen kommuniziert“( Engel- hardt/Loewenich/Steinacker 1997: 63). Hieran wird deutlich, dass die Frage „Wieviel Institution Religion denn brauche“ auch fol- gendermaßen beantwortet werden kann: Die Daten weisen darauf hin, dass für das Selbstver- ständnis der Mehrheit der evangelischen Kirchenmitglieder die Zugehörigkeit zur Institution Kirche von Bedeutung ist, wenngleich die Lebendigkeit und Erfahrungsfülle der persönlichen Religiosität auch häufig in der Differenz zur Institution Kirche erfahren und gelebt wird. Die persönliche Einschätzung einer wachsenden Zahl evangelischer Kirchenmitglieder, sich der Kirche „etwas“ verbunden zu fühlen, bringt dies m.E. zum Ausdruck. Dass dieser auf den ersten Blick widersprüchliche Institutionenbezug evangelischer Kirchenmitglieder nicht zu trennen ist von der sozialgeschichtlichen Bedeutung, welche der Institution Kirche in der BRD zukommt, hatte ich eingangs bereits gesagt. 3. Ausblick: Erwartungen an die Kirche – die Perspektive der Konfessionslosen (West) 15
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