Department: Radiomachen 2.0 | Gespräch: Sputnikmoderator ...
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n <strong>Gespräch</strong><br />
20<br />
„Ich erzähl den ganzen Tag nur Geschichten“<br />
Rumrennen. Beobachten.<br />
Schreiben. Geschichten er-<br />
zählen. Und damit die Leute<br />
unterhalten. Das ist die Be-<br />
rufung des Radiomoderators<br />
und Sängers Stephan Michme.<br />
Seinen Mitmenschen kommt<br />
er stets per zutraulichem Du<br />
entgegen, so auch in diesem<br />
Interview. Wir sprachen mit<br />
ihm über seine Liebe zur Mu-<br />
sik, zum Leben und darüber,<br />
wie Träume und Worte eine<br />
eigene Welt schaffen können.<br />
Ein Leben mit Kopfhörer: Stephan Michme<br />
Als Radiomoderator, Sänger, Betreiber eines Plattenlabels und ambitionierten<br />
Fußballspieler kennen dich die Leute. Woher nimmst du die Kraft und Muse, so<br />
viel auf einmal zu stemmen?<br />
Es macht mir alles unglaublich viel Spaß. Jeden Morgen, wenn ich die Augen aufmache,<br />
habe ich das Gefühl, über mir wird ein großer Kasten mit Bausteinen ausgeschüttet.<br />
Und es liegt allein bei mir, wie ich sie zusammensetze. Das mache ich jeden Tag<br />
auf eine neue Art und Weise. Das ist total spannend. Es dreht sich immer um Musik,<br />
selbst wenn ich Fußball spiele, dreht es sich irgendwie um Musik.<br />
Mit deiner Band Scycs macht ihr seit 1993 englischsprachige Musik. Mit deinem<br />
Album „Von Frauen und unterwegs“ bist du als Solokünstler jedoch auf<br />
Deutsch zu hören. Warum jetzt deutschsprachige Musik?<br />
Das ist ein alter Traum gewesen! Mit der Band ist es im Moment so, dass wir nach<br />
wie vor zu fünft zusammenarbeiten und sich die Arbeitsbereiche verlagert haben. Wir<br />
haben ein Studio und einen Verlag miteinander, machen Labelarbeit und auch Musikberatung<br />
für größere Firmen. Momentan ist es so, dass wir kaum Musik machen.<br />
Ich hatte aber nach wie vor Lust, Songs zu schreiben. Auf Englisch zu singen macht<br />
auf Solopfaden keinen Sinn, weil es ähnlich geklungen hätte, schon allein weil ich bei<br />
Scycs die Stimme bin. Da ich<br />
durch die ganze Journalistenarbeit,<br />
durch das Moderieren<br />
und das Schreiben mit<br />
der Sprache rumfummele<br />
und es spannend finde, damit<br />
zu spielen und Bilder zu malen, habe ich gedacht, da versuche ich doch mal die<br />
komische Sprache, die ich im Radio benutze, auch auf Songs aufzuknistern. Es gibt<br />
Interviews aus den neunziger Jahren, wo wir gefragt wurden, ob Scycs nicht mal auf<br />
Deutsch möglich wäre. Und da sagten immer alle, dass Stephan das als Soloprojekt<br />
mal machen wird. Und dann ist das so passiert. Das ist auch ein erster kleiner Schritt,<br />
ein kleiner Testschuss gewesen, wie so eine kleine EP - ist ja noch nicht eine ganze<br />
Platte.<br />
„Wenn ich auf Deutsch schreibe, bin ich<br />
komplett frei“<br />
Du arbeitest in Interviews und Songtexten gerne mit den Begriffen Bauch und<br />
Kopf. Gibt es Unterschiede für dich, wenn du so etwas auf Deutsch singst, gegenüber<br />
deinen englischen Songtexten?<br />
Nee. Da gibt es eigentlich keine Unterschiede. Wenn ich englischsprachige Texte schreibe,<br />
dauert das meistens länger, weil man dann den Anspruch hat, nicht so holprig rüber<br />
zu kommen und da rufe ich schon mal Freunde an und frage, ob die Formulierung<br />
nicht zu verschroben ist. Ich steh‘ auch drauf, als nicht ‚native speaker english texter‘<br />
zu schreiben, weil man manchmal auf Sachen kommt, die ein Amerikaner nie sagen<br />
würde. Ich war gerade da, die benutzen eine ganz arme Sprache - das verkümmert<br />
dort ganz schön. Es gab ein lustiges Erlebnis, da waren Kinder mit Engländern unterwegs<br />
und kamen mit Begriffen nach Hause, die der Vater nicht kannte. Er hat ihnen<br />
dann vorgeworfen, Begriffe zu benutzen, die es dort gar nicht mehr gibt. Dann stritt<br />
sich die Mutter, die Deutsch-Engländerin ist, mit ihm und meinte: „Jetzt spinn mal<br />
nicht rum! Bloß weil ihr Amerikaner nicht mehr die schönen Begriffe benutzt, weil ihr<br />
so eine verarmte blöde Sprache mit nur 20 Vokabeln benutzt, musst du nicht sagen,<br />
dass es die Worte nicht mehr gibt!“ Und in diesem Ding befinde ich mich, wenn ich<br />
auf Englisch schreibe. Wenn ich auf Deutsch schreibe, bin ich komplett frei. Da kommen<br />
seltsame Bilder zustande und da muss man versuchen, nicht abzuschweifen und<br />
nachvollziehbar zu bleiben. Denn das ist das Schöne an der Sprache, wenn man sich<br />
mit ihr beschäftigt und sie viel benutzt - sich damit eine eigene Welt zu schaffen.