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Newsletter <strong>06</strong>/<strong>15</strong> (Nr. 351) Oktober 20<strong>15</strong><br />
Coitus interruptus<br />
Manchmal kriegen auch Filmkritiker<br />
Pornos zu sehen. Wie heute zum Beispiel<br />
LOVE (1:2.35, 3D, 5.1)<br />
OT: Love<br />
Verleih: Alamode (Filmagentinnen)<br />
Land/Jahr: Frankreich 20<strong>15</strong><br />
Regie: Gaspar Noé<br />
Darsteller: Karl Glusman, Klara Kristin,<br />
Aomi Muyock<br />
Kinostart: 26.11.20<strong>15</strong><br />
Am Neujahrsmorgen wird Murphy vom<br />
Telefon aus dem Schlaf gerissen. Es ist<br />
die besorgte Mutter von Elektra, seiner<br />
großen Liebe. Sie macht sich Sorgen,<br />
weil sie schon seit zwei Monaten<br />
nichts mehr von ihrer Tochter gehört<br />
hat. Die Nachricht versetzt Murphy in<br />
einen Schockzustand und ruft längst<br />
vergessene Erinnerungen wieder wach.<br />
Erinnerungen an die Zeit mit Elektra,<br />
die er verließ, als seine jetzige Frau<br />
von ihm schwanger wurde... Würde<br />
Terrence Malick Pornofilme drehen,<br />
dann würden sie wohl so aussehen wie<br />
Gaspar Noés LOVE. Mit einer sehr eigenwilligen<br />
Schnitttechnik, die immer<br />
und immer wieder kurze Schwarzteile<br />
zur Szenentrennung oder auch während<br />
derselben Szene einfügt, verwirrt Noés<br />
Film ziemlich. Ich zumindest habe mich<br />
immer wieder dabei ertappt, dass ich<br />
bei den Schwarzstellen zusammengezuckt<br />
bin, weil ich im ersten Moment<br />
dachte, dass die digitale Projektionsanlage<br />
defekt ist. “The Theatre Management<br />
Warns You” ist gleich zu Beginn<br />
des Films in großen Buchstaben zu<br />
lesen. Und dann steigt Noé auch sofort<br />
in die erste von gefühlten unendlich<br />
vielen Kopulationsszenen ein - und<br />
seine 3D-Kamera verheimlicht dem Betrachter<br />
nichts. Unterlegt werden diese<br />
Bilder mit Musik aus der Konserve,<br />
zumeist klassische Stücke. So also<br />
kommt jetzt der Arthaus-Kinogänger<br />
auch endlich einmal in den Genuss von<br />
Hardcore. Ein bisschen verlogen ist<br />
das Ganze schon. Denn ohne Hardcore-<br />
Einlagen würde Noés Abhandlung aller<br />
Phasen einer obsessiven Liebe genauso<br />
gut funktionieren. Und dann ist da<br />
noch das 3D, das wieder dunkle Bilder<br />
produziert. Ob man nun wirklich in drei<br />
Wolfram Hannemanns<br />
Film-Blog<br />
Dimensionen erleben muss, wie ein<br />
Penis direkt in die Kamera ejakuliert?<br />
Ganz sicher nicht. Ein einfacher, etwas<br />
weniger lang (der Film läuft 135 Minuten!),<br />
aber dennoch sehr intensiver<br />
Liebesfilm hätte es auch getan. Aber<br />
das widerstrebt vermutlich Ausnahmeregisseur<br />
Gaspar Noé.<br />
Donnerstag, 24. September 20<strong>15</strong><br />
Robinson Crusoe auf dem Mars<br />
Unwirtliche Umgebungen gab es in<br />
beiden Filmen heute: die Antarktis und<br />
der Mars<br />
ZWISCHEN HIMMEL UND EIS (1:1.85<br />
& 1:1.33, 5.1)<br />
OT: La Glace Et Le Ciel<br />
Verleih: Weltkino<br />
Land/Jahr: Frankreich 20<strong>15</strong><br />
Regie: Luc Jacquet<br />
Kinostart: 26.11.20<strong>15</strong><br />
“Jetzt da ihr meine Geschichte kennt –<br />
was werdet ihr tun?”. Mit dieser Frage<br />
entlässt der 82jährige Glaziologe<br />
Claude Lorius die Zuschauer aus dem<br />
Kinosaal. Während der vorausgegangenen<br />
85 Minuten erfährt der Zuschauer<br />
alles über das bewegte Leben eines<br />
Mannes, der sein ganzes Leben der<br />
Wissenschaft gewidmet hat. 1956 nahm<br />
er im Alter von 23 Jahren als<br />
Wissenschaftsstudent erstmals an einer<br />
Antarktis-Expedition teil – eine<br />
Zeit, die den jungen Mann prägte und<br />
seine Liebe zur Antarktis besiegelte. Es<br />
folgten viele weitere Expeditionen, die<br />
er später sogar selbst als Leiter durchführte.<br />
In unmenschlicher Kälte, alleine<br />
getrieben vom Wunsch zu forschen,<br />
machte er spektakuläre Entdeckungen<br />
im ewigen Eis. Diese Entdeckungen<br />
ließen letzten Endes keinen Zweifel<br />
daran, dass ein Klimawandel auf der<br />
Erde begonnen hat. Luc Jacquet bebildert<br />
seinen Film vornehmlich mit historischem<br />
Filmmaterial, das Lorius auf<br />
seinen Expeditionen aufgenommen hat.<br />
Jacquet montierte das gesamte Material<br />
so, dass es wirkt, als hätten die<br />
Expeditionsteilnehmer schon immer<br />
eine Dramaturgie damit verfolgt. Den<br />
fehlenden Ton der dokumentarische<br />
Aufnahmen ließ im Studio nachproduzieren.<br />
Über das Ganze wird dann<br />
eine sehr pathetische Filmmusik gelegt.<br />
Jacquet versucht auf diese Weise, den<br />
Zuschauer auf der emotionalen Ebene<br />
anzusprechen. Das freilich wirft Fragen<br />
auf: ist es legitim, eine kleine Märchenstunde<br />
zu veranstalten, um das eigentliche<br />
Thema zu puschen? Spätestens<br />
wenn wir auf der Tonspur erfahren,<br />
dass im ersten Antarktis-Lager nur drei<br />
Personen untergebracht waren, fragen<br />
wir uns automatisch, wer denn dann<br />
die Kamera bedient hat. Neben diesem<br />
“dramatisierten” Dokumentarmaterial<br />
zeigt der Film immer wieder den alten<br />
Claude Lorius, wie er mutterseelenallein<br />
in der Arktis steht, kameratechnisch<br />
umkreist von einer Drone.<br />
Damit gelingen zwar imposante Aufnahmen,<br />
doch wirkt der alte Mann im<br />
Niemandsland irgendwie lächerlich.<br />
Fazit: als Dokumentarfilm nur mit Abstrichen<br />
empfehlenswert<br />
DER MARSIANER – RETTET MARK<br />
WATNEY (1:2.35, 3D, DD 5.1 + 7.1 +<br />
Atmos)<br />
OT: The Martian<br />
Verleih: Fox<br />
Land/Jahr: USA 20<strong>15</strong><br />
Regie: Ridley Scott<br />
Darsteller: Matt Damon, Jessica<br />
Chastain, Kristen Wiig, Jeff Daniels,<br />
Michael Peña, Sean Bean<br />
Kinostart: 08.10.20<strong>15</strong><br />
Als die NASA-Basisstation auf dem<br />
Mars aufgrund eines schweren Sturms<br />
evakuiert werden muss, wird Astronaut<br />
Mark Watney fortgerissen und für tot<br />
geglaubt. Die verbleibenden Crew-Mitglieder<br />
starten mit der Landefähre zum<br />
Rückflug. Doch Watney ist nicht tot.<br />
Ganz alleine auf sich gestellt und ohne<br />
jeglichen Kontakt zur Erde beginnt für<br />
ihn ein Überlebenskampf... Robinson<br />
Crusoe auf dem Mars - inszeniert von<br />
Ridley Scott nach dem Bestseller von<br />
Andy Weir. Scott zieht natürlich alle<br />
Register, um die spektakuläre Rettung<br />
des zurückgelassenen Astronauten<br />
möglichst imposant zu inszenieren. Allerdings<br />
weckt der Film in der letzten<br />
halben Stunde Erinnerungen an<br />
GRAVITY, den weitaus spektakuläreren<br />
der beiden Filme. Scott gelingt es leider<br />
nicht überzeugend, den Zuschauer in<br />
die Geschichte hineinzuziehen. Eine<br />
emotionale Verbindung mit dem Haupt-<br />
LASER HOTLINE Seite 14