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Newsletter <strong>06</strong>/<strong>15</strong> (Nr. 351) Oktober 20<strong>15</strong><br />
Führer, der ihn dazu bringt, sich zu<br />
outen. Auch wenn einem die Filme des<br />
Peter Greenaway immer wieder gerne<br />
Bauchweh bereiten, muss man dem<br />
Künstler eines neidlos anerkennen: er<br />
versteht sich auf einnehmende Bilder.<br />
So zaubert er in seinem neuen Film (der<br />
sich auf wahre Begebenheiten stützt)<br />
ganz im Geiste eines Sergej Eisenstein<br />
wuchtige Bilder, schnelle Schnitte und<br />
jede Menge Triptychons im<br />
CinemaScope-Format (eine Referenz an<br />
Abel Gance, den Eisenstein persönlich<br />
kannte und der mit seinem NAPOLE-<br />
ON-Film Wegbereiter für das spätere<br />
Cinerama-Verfahren war). Greenaway<br />
wäre natürlich nicht Greenaway, wenn<br />
er den Zuschauer nicht auch ständig<br />
mit nackten Tatsachen konfrontieren<br />
würde. So gibt es hier immer wieder<br />
männliche Geschlechtsteile zu sehen,<br />
was schließlich in einen fast expliziten<br />
homosexuellen Geschlechtsakt mündet.<br />
Seinen Darstellern fordert Greenaway<br />
hier ebensoviel ab wie dem Zuschauer.<br />
Mittwoch, 30. September 20<strong>15</strong><br />
Eine Liebe in Kriegszeiten<br />
Wenn ich es nicht besser wüsste, dann<br />
hätte ich darauf getippt, dass der heutige<br />
Film nach einem Roman von<br />
Nicholas Sparks entstanden ist..<br />
SUITE FRANCAISE – MELODIE DER<br />
LIEBE (1:2.35, DD 5.1)<br />
OT: Suite Française<br />
Verleih: Universum Film (24 Bilder)<br />
Land/Jahr: Großbritannien, Frankreich<br />
2014<br />
Regie: Saul Dibb<br />
Darsteller: Michelle Williams, Kristin<br />
Scott Thomas, Matthias Schoenaerts,<br />
Lambert Wilson<br />
Kinostart: 14.01.2016<br />
Sommer 1940. Frankreich hat kapituliert.<br />
Deutsche Soldaten übernehmen<br />
die Herrschaft. Auch in dem kleinen<br />
Dorf, in dem Lucile zusammen mit ihrer<br />
dominanten Schwiegermutter wohnt.<br />
Wolfram Hannemanns<br />
Film-Blog<br />
Per Dekret werden die Einwohner verpflichtet,<br />
deutsche Soldaten bei sich<br />
aufzunehmen. Offizier Bruno von Falk<br />
quartiert sich bei Lucile und ihrer<br />
Schwiegermutter ein. Als Lucile bemerkt,<br />
dass der Offizier wie auch sie<br />
selbst Klavier spielt, wird aus der anfänglichen<br />
Feindschaft ganz allmählich<br />
eine zarte Liebesbeziehung... So dramatisch<br />
die Geschichte auch ist, der Film<br />
lässt den Zuschauer irgendwie kalt.<br />
Der Inszenierung von Saul Dibb gelingt<br />
es einfach nicht, den Zuschauer emotional<br />
für sich zu gewinnen. Dabei<br />
braucht diese Liebesgeschichte gerade<br />
eine ausgeprägte emotionale Ebene um<br />
überhaupt zu funktionieren. Was genau<br />
ist es, das Lucile so an dem Nazi-Offizier<br />
Bruno von Falk fasziniert? Diese<br />
Antwort bleibt der Film leider schuldig<br />
und ergeht sich dann doch lieber in<br />
den gängigen Klischees wie den bösen<br />
Nazi mit sadistischer Ader. Kristin<br />
Scott Thomas als Luciles Schwiegermutter<br />
stiehlt Michelle Williams in der<br />
Rolle der Lucile glatt die Schau, spielt<br />
sie doch einmal mehr eine Rolle, für die<br />
sie prädestiniert zu sein scheint: eine<br />
extrem toughe, mitleidslose Frau, die<br />
(fast) über Leichen geht. Da muss ja<br />
ein solch zartes Wesen wie das von<br />
Michelle Williams zwangsläufig verblassen.<br />
Matthias Schoenaerts spielt<br />
Bruno von Falk, einen Komponisten in<br />
Offiziersuniform. Dass er von Lucile<br />
fasziniert ist leuchtet ein. Nur leider<br />
umgekehrt nicht.<br />
Freitag, 02. Oktober 20<strong>15</strong><br />
Verbrechen im Namen der Kirche<br />
Zum Wochenausklang gab es starken<br />
Tobak mit aktuellem Bezug.<br />
EL CLUB (1:2.35, 5.1)<br />
OT: El Club<br />
Verleih: Piffl<br />
Land/Jahr: Chile 20<strong>15</strong><br />
Regie: Pablo Larraín<br />
Darsteller: Roberto Farias, Antonia<br />
Zegers, Alfredo Castro<br />
Kinostart: 05.11.20<strong>15</strong><br />
Den vier Herren, die zusammen mit einer<br />
Nonne in jenem abgelegenen Haus<br />
an der chilenischen Nordküste leben,<br />
geht es eigentlich richtig gut. Fast<br />
könnte man meinen, sie genießen in<br />
dieser Abgeschiedenheit ihren wohlverdienten<br />
Ruhestand. Tagsüber scheffeln<br />
sie mit Hunderennen einen Haufen<br />
Geld, abends sitzen sie zusammen bei<br />
Alkohol und warmen Mahlzeiten.<br />
Nichts deutet darauf hin, dass die vier<br />
Herren in Ungnade gefallene Priester<br />
sind, die die katholische Kirche zur<br />
Buße in dieses verlassene Haus “entsorgt”<br />
hat. Es braucht ein ganzes Weilchen,<br />
bis man als Zuschauer diesen<br />
Sachverhalt erkennt. Spätestens wenn<br />
ein Obdachloser vor dem Haus Stellung<br />
bezieht und lauthals erzählt, wie er von<br />
Priestern über Jahre hinweg missbraucht<br />
wurde. Pablo Larrain zeichnet<br />
kein besonders gutes Bild von dieser<br />
katholischen Kirche, sondern präsentiert<br />
hier stellvertretend für die gesamte<br />
Priesterschaft Verbrecher. Buße tun?<br />
Diesen Typen kommt so etwas gar<br />
nicht in den Sinn. Als ihnen durch die<br />
Anwesenheit von Padre Matias, der<br />
den Selbstmord des kürzlich hinzugekommen<br />
Padres klären soll, das Aus<br />
ihrer idyllischen Gemeinschaft droht,<br />
greifen sie zu ziemlich extremen Maßnahmen,<br />
um den Status Quo zu erhalten.<br />
Passend zum Thema des Films kleidet<br />
Larrain seinen Film in extrem<br />
kontrastarme, farblose und dunkle Bilder<br />
und inszeniert damit eine Art DER<br />
NAME DER ROSE. Ein interessanter<br />
Film, der besonders für Kirchengegner<br />
Wasser auf die Mühlen sein dürfte.<br />
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LASER HOTLINE Seite 16