Stadt Museum
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Wie „Radler“ und „Russ“ erfunden wurden<br />
Das berühmteste Bier-Mixgetränk entstand aus einer Notlage - die „Radlermaß“. Und zwar auf der Kugleralm<br />
bei Deisenhofen, 20 Kilometer außerhalb von München.<br />
Franz Xaver Kugler war Ende des letzten Jahrhunderts, als junger Mann, Streckenarbeiter bei der Eisenbahn<br />
in der Nähe von Deisenhofen. Der ständige Durst seiner Kollegen in der Sommerhitze machte ihn zum reichen<br />
Mann. Kugler kündigte bei der Bahn und verkaufte stattdessen von ihm herangekarrtes Bier an die Bahnarbeiter.<br />
Er machte ein Trinkstübchen auf, gründete die „Kugleralm“, hatte Erfolg auf Erfolg und war in den<br />
Zwanzigerjahren nicht nur Münchens, sondern wahrscheinlich auch Deutschlands bekanntester Bierwirt. Bei<br />
seiner schön gelegenen Kugleralm fand vom Sackhüpfen bis zu Galopprennen alles statt, was Kundschaft<br />
brachte und Durst machte.<br />
Als das Fahrrad populär wurde, ließ der schlaue Franz Xaver eigens einen Radfahrweg durch den Wald zur<br />
Kugleralm anlegen - ein für die damalige Zeit ganz neuer Gedanke. Aber Kugler rechnete mit Rad fahrenden<br />
Gästen.<br />
Wie Recht er damit hatte, zeigte sich am ersten Samstag im Juni 1922. Da fielen an die 13000 Radler aus<br />
München in der Kugleralm ein und begehrten Bier. Aber so viel war nicht im Keller. Eine Katastrophe bahnte<br />
sich an: die Kugleralm - leergetrunken!<br />
Doch Franz Xaver, um Ideen nie verlegen, dachte sich geschwind etwas aus. Er hatte einige tausend Flaschen<br />
Zitronenlimonade herumstehen, die eh‘ kaum weggingen. So mischte er halbe-halbe dunkles Bier mit Limonade<br />
und verkündete stolz, dieses Getränk habe er eigens für die Radler erfunden, damit sie nicht schwankend<br />
nach Hause fahren müssten. Es sei eine „Radlermaß“.<br />
Dem Franz Xaver nahm man alles ab, auch diesen Geniestreich. Die anderen Münchner Biergärten mussten<br />
sich, ob sie wollten oder nicht darauf einstellen und ebenfalls die „Radlermaß“ anbieten; sie war über Nacht<br />
zum Modegetränk geworden.<br />
Über die Schöpfung des Begriffs „Russ“ existieren die verschiedensten Theorie. Wahrscheinlich geht er auf<br />
die linksorientierten Genossen der Räterepublik nach dem Ersten Weltkrieg 1918 zurück. Da diese auf ihren<br />
Versammlungen im Münchner Mathäser-Keller nicht zu schnell ermüden wollten, mischten sie ihr Weizenbier<br />
mit Limonade. Im Münchner Volksmund wurden die kommunistischen Anhänger als „Russen“ bezeichnet, ihr<br />
favorisiertes Getränk demnach als „Russ‘n-Maß“.<br />
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