In Ivanas WELT berichtet biber-Redakteurin Ivana Martinović über ihr daily life. IVANAS WELT Foto: Igor Minić PARTEIFARBE WIE HAUTFARBE Der Spuk ist vorbei. Wien hat die Gemeinderatswahl über die Bühne gebracht. Plötzlich ist’s wieder still. Phrasendrescherei auf Plakaten, die Kandidaten in Dauerlächlermodus sind Geschichte. Sie weichen anderen Werbebotschaften. Ja eh. Wie Werbung kommt es einem vor. Ein flotter Spruch, Zähne zeigen für die richtige Parteifarbe. Ab und zu die anderen schlecht reden. Wie ein gewisser Brillenverkäufer, der mit H anfängt und die Konkurrenz sogar beim Namen nennt. “Ja nicht bei dem kaufen! Ich bin besser!” Das Schlechtreden kommt sicher gut an. Bleibt hängen. Anpatzen und Petzen im großen Stil. Dabei kommt mir das Wichtigste zu kurz. Das Gefühl vermittelt zu bekommen, dass es um uns alle geht, wofür sie arbeiten wollen, unabhängig welche Parteifarbe wir wählen oder überhaupt wählen dürfen. Schließlich werden sie gewählt, um uns alle zu vertreten. Auch mich ohne Wahlrecht. Und auch die, deren Partei nicht die meisten Stimmen einsackt. Am Ende geht es doch um uns alle! NUR EINE MANNSCHAFT KANN GEWINNEN Als ob der Wahlkampf das Land spaltet, verschwinden wir zu Wahlkampfzeiten als Gesamtheit, werden wir gegeneinander ausgespielt und die Parteifarbe wird wie zur Hautfarbe. Als ob wir keine Stadt mehr sind, die gemeinsam funktionieren muss. Als ob der Sieg nur für die Parteifreunde- und sympathisanten zählt. “Wir zuerst bla bla. Und dann die!” Die anderen, der Rest, die Depperten, die Loser, müssen gusch sein. Nur eine Mannschaft kann gewinnen. Gibt man dem Wähler inkl. den nichtwahlberechtigten Ausländern und Steuerzahlern so das Gefühl für sie da zu sein? Ihre Interessen zu vertreten? Na, oida! Wirklich net! HÄNDE SCHÜTTELN UND DANN TSCHÜSS! Wahlkampf ist auch die Zeit der big parties. Für Unterhaltung wird gesorgt. Es wird gesagt, es muss sich was ändern. Zu unserem Wohl. Wahlkampfstandl werden aufgestellt, große Reden geschwungen. Es ist die Zeit, wo sich Politiker plötzlich unters Volk mischen. Fleißig werden Hände geschüttelt. Es kommt einem vor, als ob sie sonst die Unnahbaren wären, aus Festungen ihrer heilen Welt kommen und plötzlich für die Sorgen des kleinen Mannes ein offenes Ohr haben. Nur in Wahlkampfzeiten. Des spielts a net wirklich, oder? Es werden bisschen die Hände geschüttelt und tschüss. Und unten steht dann der 08<strong>15</strong>-Wiener, zu dessen Lebenswelt so einer von der Bühne kaum Einblick hat und trotzdem die großen Reden schwingt. Irgendwie kann es passieren, dass dann doch ein Nerv getroffen wird, das Gefühl verkauft wird, der könnte wirklich meine Probleme meinen. Die Worte müssen halt gut gewählt sein. Aber sie sind eben nur gewählt, gut durchdacht. DIE DUMMEN UND DIE GSCHEITEN Das Schlimmste allerdings an so einem Wahlkampf ist dann die Hetzstimmung unter den Wählern. Was man wählt, wird am besten nicht an die große Glocke gehängt. Und wenn ja, dann ist man entweder der Dumme oder der Gscheite. Als ob man den mit der falschen Haut – ups - Parteifarbe aus der Stadt jagen möchte und nur die Gscheiten übrig bleiben dürfen. Bleibt dann die Frage hängen. Wird der “Dumme” nächstes Mal anders entscheiden, wenn man ihn für seine Wahl dumm nennt? Eher nicht. Vielleicht wählt er nächstes Mal anders, wenn er wieder das Gefühl bekommt, gut aufgehoben zu sein. Und das nicht nur in Wahlkampfzeiten. martinovic@dasbiber.at 10 / MIT SCHARF /
POLITIKA Österreich: Kulturschock Foto von Matthias Heschl