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Hinz&Kunzt 292 Juni 2017

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Das Hamburger<br />

Straßenmagazin<br />

Seit 1993<br />

N O <strong>292</strong><br />

<strong>Juni</strong>.17<br />

2,20 Euro<br />

Davon 1,10 Euro<br />

für unsere Verkäufer<br />

G20<br />

Was der<br />

Gipfel gegen<br />

Armut und Hunger<br />

tun kann.<br />

Horst im<br />

Glück!<br />

Er war obdachlos und ständig<br />

betrunken. Jetzt feiert Horst Jubiläum:<br />

10 Jahre kein Schluck Alkohol


Ihr kleiner<br />

gr ner Kaktus<br />

Gesucht<br />

Die schönsten Geschichten<br />

veröffentlichen wir in<br />

unserem neuen<br />

Sonderheft,<br />

das im November<br />

erscheinen wird.<br />

Schreiben Sie an<br />

info@hinzundkunzt.de<br />

Einsendeschluss:<br />

28. Juli <strong>2017</strong>.<br />

Oder haben Sie eine andere Lieblingspflanze?<br />

Erzählen Sie uns von ihr und warum Sie sie so lieben!<br />

Dabei ist es egal, wo Ihre Pfl anze wächst – im Topf, im Garten,<br />

im Park – und ob sie jung, alt oder gar verkümmert ist.<br />

Hauptsache, sie hat eine besondere Bedeutung für Sie.<br />

FOTO: ISTOCK


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Editorial<br />

Selfie mit neuem Kollegen<br />

Herbert (links) ist seit Jahren<br />

Hinz&Künztler. Aber<br />

immer noch obdachlos.<br />

Jetzt hat der Pole quasi<br />

einen Sechser im Lotto<br />

gezogen: Er hat eine<br />

Kirchen kate und eine halbe<br />

Stelle bei unserem Projekt<br />

„Spende Dein Pfand“ am<br />

Flughafen bekommen.<br />

Geschäftsführer Jens Ade,<br />

Vertriebsmitarbeiter Sigi<br />

Pachan und Sozialarbeiter<br />

Stephan Karrenbauer (von<br />

links) freuen sich mit ihm.<br />

TITELBILD: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Horst – unser Titelheld,<br />

hier mit Fotograf Mauricio<br />

Bustamante. Der<br />

Hinz&Künztler hat<br />

allen Grund zu strahlen:<br />

Er ist seit zehn Jahren<br />

trocken – und glücklich.<br />

S. 58<br />

Sibel Kekilli<br />

Die Altonaer Schauspielerin<br />

engagiert sich<br />

seit Jahren gegen Armutsprostitution<br />

und Frauenhandel.<br />

Und erhielt dafür<br />

das Bundesverdienstkreuz.<br />

Eine Begegnung. S. 48<br />

Geschichten<br />

aus unserem Alltag<br />

Es ist mehr als zehn Jahre her. Da war Horst stadtbekannt<br />

als „Hamburgs schlimmster Alki“ (Mopo).<br />

Oft saß er vor der Haspa in Ottensen, schnorrte und<br />

unterhielt lautstark die ganze Umgebung. Mein Kollege<br />

Sigi aus dem Vertrieb besuchte ihn öfter und<br />

lud ihn zu Hinz&<strong>Kunzt</strong> ein, wenn auch klar war: In<br />

diesem Zustand kann der Mann nie und nimmer<br />

unsere Magazine verkaufen. Aber eines Tages beschloss<br />

Horst, sein Leben zu ändern … Seit zehn<br />

Jahren ist er trocken – und überhaupt glücklich.<br />

Noch so ein Glückspilz: Hinter unserem Kaffeetresen<br />

steht derzeit manchmal Herbert. Wirkt so, als<br />

sei er um Zentimeter gewachsen. Ende April war<br />

der Obdachlose noch unglücklich. Aber Sozialarbeiter<br />

Stephan Karrenbauer konnte ihm einen Job<br />

in unserem Projekt „Spende Dein Pfand“ anbieten –<br />

und eine Kirchenkate. Jetzt wohnt er direkt neben<br />

seinem Freund Dieter. „Das ist mein Glück“, wiederholt<br />

Herbert immer wieder. „Wohnung und Job,<br />

das ist mein Glück.“ Auch dass die Kirchenkate frei<br />

wurde, ist eine schöne Geschichte: Hinz&Künztler<br />

Ralf ist wieder zurückgezogen zu seiner Familie.<br />

Ansonsten beschäftigt uns natürlich der G20<br />

und was die Gipfelteilnehmer gegen Armut und<br />

Hunger tun können (ab Seite 17): viele Grafiken, ein<br />

Interview und eine Reportage. Und die Polizei hat<br />

uns ihr Sicherheitskonzept in Bezug auf Obdachlose<br />

erklärt. Wir hoffen, dass alles gut geht. •<br />

Ihre Birgit Müller<br />

Chefredakteurin<br />

(Wir freuen uns über Post von Ihnen.<br />

Schreiben Sie uns doch an info@hinzundkunzt.de)<br />

Hühner, fast umsonst<br />

Importierte Hühner<br />

aus Europa, Brasilien<br />

und den USA belasten<br />

den Geflügelmarkt<br />

in Nigeria. Eine<br />

Reportage passend<br />

zum G20. S. 26<br />

Hamburg aus Sicht<br />

junger Flüchtlinge<br />

Kaltes Wetter und<br />

schöne Farben. Viele<br />

Kirchen und nasser<br />

Sand. Hoffnung und<br />

die Angst, nicht bleiben<br />

zu können. Eine<br />

Ausstellung und eine<br />

Fotostrecke. S. 6<br />

Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk


Hinz&Künztler standen Modell<br />

Starke Gemälde<br />

„Eigentlich ist Modell stehen langweilig“, findet Jan. Aber<br />

als die Künstlerin Caroline von Grone ihn und andere<br />

Hinz&Künztler fragte, ob sie sich von ihr malen lassen<br />

würden, fiel ihm seine Geige ein. „In der Woche, in der ich<br />

Modell gestanden habe, habe ich dadurch 15 Stunden<br />

geübt. Und sie hat das ausgehalten!“, lacht der 71-Jährige.<br />

Die Bilder von Jan und den anderen sind jetzt kurz zu<br />

sehen. Von Grone malt häufig Auftragsporträts. Aber:<br />

„Wenn ich tot umfalle, will ich nicht, dass nur eine Schicht<br />

von Menschen in meinen Bildern auftaucht.“ ABI<br />

•<br />

28. <strong>Juni</strong>, Kath. Akademie, kleines Foyer, Eingang neben dem<br />

kleinen Michel, Michaelisstr. 5, 17–19 Uhr, www.von-grone.de


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Gut&Schön<br />

Harburg<br />

Rezepte aus<br />

der Heimat<br />

Manuela Maurer (von links)<br />

mit zwei ihrer momentan acht<br />

Mitstreiterinnen: Rahsan Tütünen<br />

und Shjkri Abdilahi Ibrahim.<br />

FOTOS: CAROLINE VON GRONE (SEITE 4), CHRISTIAN BARTSCH (OBEN),<br />

ASSOCIAÇÃO CONVERSA AMIGA (UNTEN LINKS), PONS GMBH, CHICKPEACE/ANKOMMER (KOLUMNE)<br />

New Hamburg<br />

Kultur öffnet Welten auf der Veddel<br />

Seit Herbst 2014 engagieren sich die Mitarbeiter von<br />

New Hamburg auf der Veddel und arbeiten mit den<br />

Anwohnern monatlich ein Kulturprogramm aus.<br />

Dafür wurde die vom Deutschen Schauspielhaus<br />

gestartete Initiative jetzt mit dem Preis „Kultur öffnet<br />

Welten“ ausgezeichnet. JOF<br />

•<br />

Mehr Infos unter www.new-hamburg.de<br />

Stauraum für Obdachlose<br />

Weil es kaum kostenlose, sichere<br />

Aufbewahrungsmöglichkeiten gibt,<br />

tragen die meisten Obdachlosen ihr<br />

gesamtes Hab und Gut bei sich.<br />

Ein großes Problem, dessen Lösung<br />

man jetzt in Portugal in Angriff<br />

nimmt. In Lissabon wurden im öffentlichen<br />

Raum bereits 48 Schließfächer<br />

speziell für Obdachlose aufgebaut.<br />

Weitere sollen folgen. Zum<br />

Vergleich: In ganz Hamburg gibt es<br />

insgesamt nur 24 Schließfächer für<br />

Obdachlose. JOF<br />

•<br />

5<br />

geflüchtete Frauen Gerichte<br />

aus ihren Herkunftsländern<br />

anbieten? Und die exotische<br />

Speisen servieren, den Gästen<br />

von ihrer Bedeutung erzählen<br />

und darüber mit ihnen<br />

ins Gespräch kommen?<br />

Eine Win-win-Situation für<br />

alle und eine Idee, die mit<br />

dem Projekt „Chickpeace“<br />

Wirklichkeit geworden ist.<br />

Ideengeberin ist Manuela<br />

Maurer. Die Sozialarbeiterin<br />

engagierte sich ehrenamtlich<br />

in einer Harburger<br />

Flüchtlingsunterkunft. Regelmäßig<br />

kochte sie zusammen<br />

mit fünf Geflüchteten<br />

und fünf Deutschen. Die<br />

wechselnde „Chefköchin“<br />

bestimmte das Gericht, und<br />

so gab es von Kartoffelsalat<br />

bis hin zu Speisen aus Afghanistan,<br />

Eritrea oder Syrien<br />

nicht nur Spannendes für<br />

den Gaumen, sondern auch<br />

Gelegenheit, über die Töpfe<br />

hinweg Deutsch zu lernen.<br />

Als die Frauen bei einem<br />

Sommerfest für die Vorspeisen<br />

sorgten und die Gäste<br />

begeistert waren, wurde die<br />

Idee geboren.<br />

Nun braucht Chickpeace<br />

„nur“ noch eine Profiküche.<br />

Bis das Geld zusammengekommen<br />

ist, brutzeln<br />

die Unternehmerinnen in ei-<br />

Ein Cateringservice, in dem<br />

Bildwörterbuch für Kinder<br />

Als 2015 immer mehr Flüchtlinge<br />

nach Deutschland kamen, öffnete<br />

der Langenscheidt-Verlag sein<br />

Onlineangebot und bot Flüchtlingen<br />

und ihren Betreuern mit dem Wörterbuch<br />

„Deutsch-Arabisch“ kostenlos<br />

Hilfe an (www.langenscheidt.<br />

com). Jetzt legt der Pons-Verlag<br />

nach und bietet eine spezielle Hilfestellung<br />

für Flüchtlingskinder. Ende<br />

Mai erschien das Bildwörterbuch<br />

„Arabisch-Deutsch“. Preis: 7,99<br />

ner Küche des Caterers Als-<br />

Euro im Buchhandel. JOF<br />

•<br />

terFood GmbH. ABI<br />


Frei sein wie ein Vogel.<br />

Wild durch die Welt fliegen und<br />

sie genießen. Wie wäre das schön.<br />

HUSSEIN IBRAHIM (25), LIBANON


Stadtgespräch<br />

Ein neuer<br />

Blick auf<br />

Hamburg<br />

Wie sehen junge Flüchtlinge unsere Stadt? Für das<br />

Projekt wirsprechenfotografisch haben sie ihre neue<br />

Heimat mit der Kamera erkundet. Die Ergebnisse<br />

erzählen von Träumen, Hoffnungen und Talenten.<br />

Sie sind in der Patriotischen Gesellschaft zu sehen.<br />

TEXT: BENJAMIN LAUFER<br />

FOTOS: WIRSPRECHENFOTOGRAFISCH<br />

Stolze Fotografen (im Uhrzeigersinn): Bahar Ghalani (oben links),<br />

Parichehr Bijani, Mohammed Mohammadi, Majed Darwish,<br />

Negin Fard, Rashed Payam, Mostafa Bagheri und Samer Mardini.<br />

In der Mitte: Abdurahman Hatuev.<br />

7


Hamburg Stadt der vielen<br />

Konfessionen und<br />

Kirchen Ihre Uhren<br />

schlagen im gleichen Takt<br />

MOSTAFA BAGHERI (24), AFGHANISTAN<br />

Als Abdurahman Hatuev vor zwei<br />

Jahren in Hamburg ankam,<br />

war die Sonne längst untergegangen.<br />

Er sah nur die dunkle Seite der<br />

Stadt; Obdachlose und fremde Menschen,<br />

die durch die Nacht irrten. Sein<br />

erster Eindruck von Hamburg verstörte<br />

ihn. „Wo bin ich hier nur gelandet?“,<br />

fragte sich der heute 17-jährige Tschetschene.<br />

Er landete dann in einer Zentralen<br />

Erstaufnahme, eine dieser überfüllten<br />

Massenunterkünfte, in der alle<br />

ankommenden Flüchtlinge zuerst leben<br />

müssen. Enge und Langeweile gehörten<br />

zu Abdurahmans Alltag. Kein guter<br />

Start in Hamburg. Doch dann kam Joceline<br />

Berger in die Unterkunft und<br />

überzeugte ihn, bei ihrem Projekt wirsprechenfotografisch<br />

mitzumachen. In<br />

fast akzentfreiem Deutsch sagt Abdurahman:<br />

„Seitdem sehe ich Hamburg<br />

mit einem anderen Blick.“<br />

Denn mit der Kamera erkundete er<br />

gemeinsam mit anderen jungen Geflüchteten<br />

die Stadt noch einmal ganz<br />

neu, dokumentierte seine frühen Eindrücke<br />

und Erfahrungen im Exil. Darum<br />

geht es bei Bergers wirsprechenfotografisch,<br />

das als Uni-Projekt der<br />

Studentin 2015 seinen Anfang nahm.<br />

„Ich wollte die jungen Leute ein bisschen<br />

aus ihrem Alltag rausholen“, sagt<br />

die Islam- und Politikstudentin und<br />

freie Fotografin. An Jugendliche und<br />

junge Erwachsene richtete sie sich, weil<br />

es für sie kaum Angebote gab. Sie sollten<br />

die Gelegenheit bekommen, sich<br />

kreativ auszudrücken.<br />

Das kam gut an: Es klingt, als hätten<br />

die Flüchtlinge nur darauf gewartet,<br />

endlich eine Kamera in die Hand zu<br />

nehmen. „Mich hat das sehr gefreut,<br />

denn seit ich Syrien verlassen habe, hatte<br />

ich nicht mehr fotografiert“, sagt zum<br />

Als " Roman"* habe ich die rote Frucht<br />

kennengelernt in der Stadt am Nil.<br />

Nie zuvor hatte ich sie gekostet.<br />

Jetzt – in Hamburg –<br />

liebe und schätze ich sie.<br />

MOHAMMED MOHAMMADI (23), AFGHANISTAN<br />

8<br />

*arabisch für Granatapfel


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Kraft und Hoffnung<br />

kommen von den Menschen,<br />

die hinter dir stehen im Leben.<br />

Aber viele wissen das nicht.<br />

MOSTAFA BAGHERI (24), AFGHANISTAN<br />

9


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>292</strong>/JUNI <strong>2017</strong><br />

Kaltes Wetter, rauschende Wellen,<br />

nasser Sand, Sonnenuntergang.<br />

Bin weit weg von meiner Heimat.<br />

Versuche mich zurechtzufinden.<br />

RASHED PAYAM (28), AFGHANISTAN<br />

10


Schöne Farben – so wie an<br />

der Hütte von Oma.<br />

Verwittert. So wie ich<br />

nach langem Weg.<br />

Gut, dass ich nicht so<br />

ausseh‘, wie ich mich fühl‘.<br />

Ach, egal. Schöne Farben.<br />

PARICHEHR BIJANI (27), IRAN<br />

We locked our love forever;<br />

I wish that every country<br />

could fix their<br />

locks for peace forever.<br />

RADWAN DARWISH (18), SYRIEN<br />

Beispiel der 18-jährige Majed Darwish.<br />

Nach Krieg und Flucht fanden viele hier<br />

erstmals wieder zu sich selbst: „Wir dürfen<br />

unsere Talente, Hoffnungen und<br />

Träume nicht vergessen“, betont die<br />

31-jährige Negin Fard aus dem Iran.<br />

Mehr als 50 Fotografien umfasst die<br />

aktuelle Ausstellung „Lichtblicke“, die<br />

nun in der Stadt gezeigt wird. 17 junge<br />

Menschen aus sechs Ländern haben<br />

Werke dazu beigesteuert, die den ganz<br />

besonderen Blick der Geflüchteten auf<br />

Hamburg zeigen. Sie sollen den Dialog<br />

zwischen Flüchtlingen und Einheimischen<br />

fördern, so hat es sich Initiatorin<br />

Berger gedacht. Nach diesem Austausch<br />

lechzen die Fotografen geradezu:<br />

„Das ist eine große Chance!“, sagt<br />

Abdurahman euphorisch. Endlich<br />

wahrgenommen werden!<br />

Im Mai waren die Bilder im Haus<br />

der Patriotischen Gesellschaft zu sehen.<br />

„Wir betrachten die kulturelle Vielfalt<br />

in Hamburg als Bereicherung und<br />

möchten das Verständnis für die unterschiedlichen<br />

Mentalitäten und Lebensweisen<br />

fördern“, sagt Arnold Alscher,<br />

Sprecher des Arbeitskreises Interkulturelles<br />

Leben der Patriotischen Gesellschaft.<br />

Wer es verpasst hat: Im <strong>Juni</strong> gibt<br />

es an der Trostbrücke eine weitere Gelegenheit,<br />

die Ausstellung zu sehen. •<br />

Lichtblicke: Fotoausstellung am Mo,<br />

26. <strong>Juni</strong>, im Anschluss an die Lesung mit<br />

Mahmood Falaki aus „Ich bin Ausländer –<br />

und das ist auch gut so“. Haus der Patriotischen<br />

Gesellschaft, Trostbrücke 4–6,<br />

18 Uhr, Eintritt frei, Anmeldung erbeten.<br />

www.patriotische-gesellschaft.de<br />

11


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Zahlen des Monats<br />

Trendwende im sozialen<br />

Wohnungsbau?<br />

400.000<br />

Hamburger Wohnungen wurden seit den 1950er-Jahren bis heute<br />

als Sozialwohnungen gebaut. Nur noch<br />

80.000<br />

davon sind heute Sozialwohnungen, weil Mietpreisbindungen ausliefen.<br />

Die Folge: Bei 320.000 Wohnungen, die aus Steuergeldern mitfinanziert wurden,<br />

hat die Stadt keinen Einfluss mehr auf die Miethöhe. Bis 2020 fallen<br />

weitere 15.000 alte Sozialwohnungen aus der Bindung.<br />

„Jeder zweite Hamburger hat Anrecht auf eine geförderte Wohnung“,<br />

sagte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) Anfang Mai auf einer SPD-Veranstaltung.<br />

„Zwar gibt es die Wohnungsbaugenossenschaften, über die Wohnen nach wie vor<br />

günstig ist. Aber das reicht nicht, denn ein Großteil der Hamburger kann sich nicht<br />

mehr als 8 Euro Miete pro Quadratmeter leisten. Daher brauchen wir mehr<br />

geförderte Wohnungen – und das ist ein Ziel unserer Politik.“<br />

SPD und Grüne wollen dafür sorgen, dass jährlich 10.000 neue Wohnungen in<br />

Hamburg gebaut werden, darunter 3000 geförderte. Vergangenes Jahr kamen<br />

2433 neue Sozialwohnungen auf den Markt, für den Bau von 2290 Wohnungen<br />

bewilligte die Stadt Fördergelder. Außerdem bezuschusste sie den Bau weiterer<br />

1017 Wohnungen, in die zunächst Flüchtlinge einziehen („Perspektive Wohnen“),<br />

die in der Zukunft aber in Sozialwohnungen umgewandelt werden sollen.<br />

Erreicht der Senat diese Zahlen auch in den kommenden Jahren, wäre der Abwärtstrend<br />

zumindest gestoppt. Hoffnung macht zudem ein Vorstoß von Stadtentwicklungssenatorin<br />

Dorothee Stapelfeldt (SPD): In einem Interview mit der „Mopo“ erklärte sie<br />

eine 30-jährige Mietpreisbindung für Sozialwohnungen zu einem „guten Ziel“.<br />

Gespräche mit der Wohnungswirtschaft laufen. Derzeit sind in Hamburg Bindungen<br />

von nur 15 Jahren die Regel. •<br />

TEXT: ULRICH JONAS<br />

ILLUSTRATION: ESTHER CZAYA<br />

Kontakt: ulrich.jonas@hinzundkunzt.de<br />

13


Rubrik<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>292</strong>/JUNI <strong>2017</strong><br />

Als Sören Özer und<br />

seine Frau den<br />

„Wandsbäcker“ eröff neten,<br />

wollten sie auch etwas<br />

für Menschen tun, die<br />

sich keinen Kaffee oder<br />

Kuchen leisten können.<br />

Armut am Haken<br />

Wie Sören Özer und seine Frau Hekmet mit einer sozialen Aktion<br />

in Wandsbek Vorreiter in ganz Deutschland wurden.<br />

TEXT: BIRGIT MÜLLER<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Ob die Armut zunimmt? Da braucht<br />

man eigentlich keine Studien zu lesen,<br />

da muss man einfach Sören Özer fragen,<br />

der jahrelang zusammen mit seiner<br />

Frau Hekmet den „Wandsbäcker“<br />

in der Holzmühlenstraße betrieb. „Bis<br />

Mitte des Monats muss im Laden noch<br />

Wechselgeld von der Bank geholt werden“,<br />

ist die Erfahrung des 69-Jährigen.<br />

„Danach wird bei den Kunden das<br />

Geld knapp und sie bezahlen mit<br />

Kleingeld.“<br />

Und manche Menschen haben so<br />

wenig Geld, dass sie sich noch nicht mal<br />

einen Kaffee oder ein Brot leisten<br />

können.<br />

Die Özers starteten deshalb 2007<br />

die Aktion „Brot am Haken“: Man<br />

kauft zwei Brote, zwei Kuchen oder<br />

zwei Tassen Kaffee. Das eine verputzt<br />

14<br />

Keiner der<br />

Kunden nutzt<br />

das Projekt aus.<br />

man selbst, den Bon für das andere<br />

hängt man an einen Haken. Und dann<br />

kann sich ein Mensch mit Ebbe im<br />

Portemonnaie einen ausgeben lassen.<br />

Mit dieser Aktion, die eigentlich<br />

aus Italien stammt, wurden die Özers<br />

Vorreiter in Deutschland. Oft wurde<br />

Özer in den vergangenen Jahren gefragt,<br />

ob die Menschen die Freigiebigkeit<br />

nicht ausnutzen. „Überhaupt<br />

nicht“, sagt Sören Özer. „Die meisten<br />

muss man anfangs eher überreden, einen<br />

Bon oder einen Kaffee anzunehmen.“<br />

Und: Die Zahl derjenigen, die so<br />

einen Bon gut gebrauchen können,<br />

glaubt er, ist deutlich gestiegen.<br />

Inzwischen ist Özer längst in Rente.<br />

Trotzdem schaut er fast täglich im Laden<br />

vorbei. Seine ehemaligen Kunden<br />

sind fast so etwas wie Freunde geworden.<br />

„Brot am Haken“ hat Nachfolger<br />

Ziyaettin Durmus „selbstverständlich“<br />

übernommen. Dass er sich engagiert, ist<br />

für Özer „als Moslem nichts Besonderes“.<br />

Früher habe sogar vor jeder Moschee<br />

ein „Gabenstein“ gestanden, mit<br />

einem Loch. Wer etwas zu verschenken<br />

hatte, legte es hinein, und wer etwas<br />

brauchte, holte sich etwas heraus.<br />

„Aber letztendlich wird in jeder Religion<br />

erwartet, dass man den Armen<br />

hilft“, sagt er.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

„ Jede Religion<br />

erwartet, dass<br />

man Armen hilft.“<br />

SÖREN ÖZER<br />

Was Armut heißt, hat er als Kind selbst<br />

erfahren. Seine Eltern – Vater Türke,<br />

Mutter Kurdin – kommen aus einem<br />

Dorf in Anatolien. „Ich bin also eine<br />

Mischung“, sagt er. Sein Vater wollte alles,<br />

nur nicht Bauer werden. „Mit einem<br />

Barbierkoffer ging er von Tür zu<br />

Tür, aber es war fast unmöglich, davon<br />

die Familie zu ernähren.“<br />

Also zog die Familie in einen größeren<br />

Ort, nach Sivas. Der Vater arbeitete<br />

dort wieder als Barbier. Sein Sohn Abdurrahman,<br />

wie Sören damals noch<br />

hieß, absolvierte die Grundschule und<br />

danach neben der Schule eine Lehre<br />

zum Tischler.<br />

1971, mit 20, zog Abdurrahman<br />

nach Deutschland. Studieren wollte er<br />

und sich ein neues Leben aufbauen.<br />

„Ich hatte mir vorgestellt, tagsüber zu<br />

arbeiten, abends zu lernen.“ Aber das<br />

hat er nicht geschafft. „Nach drei Monaten<br />

war ich am Ende“, sagt er ohne<br />

jede Bitterkeit. Immerhin: Er fand Arbeit<br />

als Tischlergeselle.<br />

Obwohl er schnell gut Deutsch<br />

sprach und integriert war, fühlte er sich<br />

heimatlos und entwurzelt. „Das habe<br />

ich unterschätzt“, sagt er. Zumal für die<br />

Türken meist klar war, dass sie eines<br />

Tages wieder zurückgehen würden.<br />

Und Özer erlebte auch einige Rückschläge.<br />

Als er nach ein paar Jahren seinen<br />

Meister machen wollte, eröffnete<br />

ihm die Handwerkskammer, seine Ausbildung<br />

würde in Deutschland nicht anerkannt.<br />

Er musste wieder bei null anfangen:<br />

Der Mann, der seit Jahren als<br />

Geselle arbeitete, musste eine dreijährige<br />

Lehre machen. Er biss die Zähne zusammen<br />

und wurde Azubi – im selben<br />

Betrieb, in dem er seit Jahren arbeitete<br />

und sogar drei Männer unter sich hatte.<br />

Eins muss man ihm lassen: Er hat<br />

Durchhaltevermögen.<br />

Seit den 1980er-Jahren hat er die<br />

deutsche Staatsbürgerschaft, was ihm<br />

nicht nur einen deutschen Pass, sondern<br />

auch einen deutschen Namen bescherte.<br />

Wieder schmunzelt er. „Der Beamte, der<br />

uns einbürgerte, las meinen Namen: Abdurrahman<br />

– und sagte trocken: ‚Wenn<br />

Sie sich heute einen anderen Namen<br />

aussuchen wollen, dann kostet das nur<br />

20 Mark, wenn Sie sich später entscheiden,<br />

dann 5000.‘“ Özer überlegte nicht<br />

lange und entschied sich für einen sehr<br />

norddeutschen Namen, Sören. „So hatte<br />

ich eigentlich meinen Sohn nennen wollen,<br />

aber dann wurde es eine Tochter.“<br />

Natürlich fühlt er sich der Türkei<br />

immer noch verbunden, verfolgt die<br />

Entwicklung dort mit Sorge: „In der<br />

Türkei gibt es keine Meinungsfreiheit<br />

mehr“, sagt er traurig. „Da herrscht<br />

Friedhofsstille wie damals in der DDR.“<br />

Ein Zurück in die Türkei gibt es für<br />

ihn sowieso nicht mehr. „Meine Enkelkinder<br />

sind hier, und meine Frau und<br />

ich bleiben da, wo unsere Familie ist.“<br />

Und er liebt Deutschland, auch<br />

wenn er nach wie vor gegen sein Image<br />

als „Ausländer“ ankämpfen muss. „Ich<br />

wurde schon oft aufgefordert, mich aus<br />

der Politik rauszuhalten.“ Er hält es aus<br />

– mit Humor. Für solche Situationen<br />

hat er einen Spruch: „Ich bin staatlich<br />

geprüfter Deutscher – du bist durch<br />

Geburt nur ein Zwangsdeutscher.“<br />

Eine Stammkundin kommt rein.<br />

Bekommt gleich einen Stuhl und ein<br />

Glas Wasser. Von Ziyaettin Durmus.<br />

Der 38-Jährige hatte vor der Übernahme<br />

des Ladens noch nie etwas von<br />

„Brot am Haken“ gehört. „Aber es ist<br />

so ein schönes Projekt, das wollte ich<br />

unbedingt fortführen.“ •<br />

Kontakt: birgit.mueller@hinzundkunzt.de<br />

Sören Özer und sein Nachfolger Ziyaettin Durmus (rechts) im „Wands bäcker“,<br />

Holzmühlenstraße 35. Durmus setzt das Projekt fort.<br />

15


Einige Obdachlose wurden bereits im April<br />

aufgefordert, ihre Platte bis zum Gipfel<br />

zu räumen. „Eine Order dazu gibt es nicht“,<br />

stellt Polizeisprecher Timo Zill klar.<br />

G20: Konzept<br />

für Obdachlose<br />

Wie geht die Polizei während des G20-Gipfels mit Obdachlosen<br />

um, die Sicherheitsvorkehrungen im Weg sind? Ein Treffen mit<br />

Polizeisprecher Timo Zill.<br />

TEXT: BENJAMIN LAUFER<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Endlich gibt es mal jemand zu!<br />

Ja, Obdachlose und ihre Habseligkeiten<br />

können ein Sicherheitsproblem<br />

während des<br />

G20-Gipfels darstellen. Zum Beispiel<br />

wenn sie unter Brücken zelten, über die<br />

die Staatskarossen von Trump, Putin<br />

und Co. rollen werden. Timo Zill, Pressesprecher<br />

der Hamburger Polizei, sitzt<br />

in seinem Büro im Alsterdorfer Präsidium<br />

vor einem großen Foto eines Peterwagens<br />

und erklärt Hinz&<strong>Kunzt</strong> das<br />

Sicherheitskonzept der Polizei während<br />

des Gipfels. „Im Einsatzraum wohnen,<br />

leben und arbeiten viele Menschen, wir<br />

müssen mit ihnen umgehen“, sagt er.<br />

„Das wird aber nicht Hunderte Obdachlose<br />

betreffen.“<br />

Vor Zill liegen Karten mit geplanten<br />

Sicherheitsbereichen in der Innenstadt<br />

mit dem Vermerk „VS – Nur für<br />

den Dienstgebrauch“. Wir wollen wissen:<br />

Wie groß werden diese Bereiche<br />

jenseits der bekannten Sicherheitszonen<br />

um Messehallen und Elbphilharmonie<br />

sein? Wo werden Obdachlose ihre<br />

Plätze räumen müssen, weil deren<br />

Rucksäcke und Schlafsäcke ein Risiko<br />

darstellen? Der Polizeisprecher zeigt es<br />

uns am Beispiel des Park Hyatt Hotels,<br />

zwischen Mönckeberg- und Bugenhagenstraße<br />

gelegen. Hier soll im Juli der<br />

russische Präsident Vladimir Putin<br />

absteigen.<br />

Tatsächlich ist der Bereich, der ab<br />

dem 6. Juli abgesperrt werden soll,<br />

überschaubar. Die Bugenhagenstraße<br />

wird komplett gesperrt sein, der Gehweg<br />

vor dem Levantehaus an der Mönckebergstraße<br />

auf einer Länge von vielleicht<br />

50 Metern. Das war’s. „Wir<br />

brauchen nicht viel Fläche um die Hotels<br />

herum“, sagt Timo Zill. Nebenan<br />

an den Langen Mühren und dem Jakobikirchhof,<br />

wo oft Obdachlose schlafen,<br />

soll das Leben möglichst normal<br />

weitergehen.<br />

Allerdings muss Putin vom Flughafen<br />

ins Hotel kommen und von dort in<br />

die Messehallen. Mehr als ein Dutzend<br />

sogenannter Protokollstrecken wird es<br />

geben, auf denen sich die Staatschefs<br />

durch die Stadt bewegen werden. Für<br />

die Dauer der Durchfahrt werden Fahr-<br />

bahnen und Gehwege von der Polizei<br />

geräumt werden. Zelte wie die, die der<br />

Bezirk Mitte im April am Alsterfleet unter<br />

der Willy-Brandt-Straße hat räumen<br />

lassen, könnten dann ein Problem sein,<br />

sagt Zill. „Das ist aber abhängig vom<br />

Standort.“<br />

Wir können das nachvollziehen.<br />

Bislang hatten die Behörden aber stets<br />

abgewiegelt, wenn wir sie auf drohende<br />

Konflikte mit Obdachlosen hingewiesen<br />

hatten. Eine „Phantomdebatte“<br />

würden wir führen. Hinz&<strong>Kunzt</strong> hatte<br />

eine Ausweichfläche für die Gipfelzeit<br />

gefordert – oder zumindest ein Konzept<br />

für den Umgang mit Obdachlosen.<br />

Das gibt es jetzt. „Es wird einen<br />

direkten Draht von der Polizei zur Sozialbehörde<br />

geben“, sagte Innensenator<br />

Andy Grote (SPD) in der Bürgerschaft.<br />

Er machte aber auch klar: Eine zusätzliche<br />

Unterkunft für Obdachlose, die aus<br />

Sicherheitsgründen ihre Platte räumen<br />

müssen, ist nicht geplant. Bestehende<br />

Einrichtungen wie das Pik As würden<br />

ausreichen. Hinz&<strong>Kunzt</strong> hat nach wie<br />

vor Zweifel – zumal viele Obdachlose<br />

das Pik As grundsätzlich meiden.<br />

Betroffene Obdachlose könnten<br />

auch einfach aufgefordert werden, eine<br />

Straße weiter zu ziehen. Polizeisprecher<br />

Timo Zill spricht von „individuellen,<br />

pragmatischen Lösungen“, die für sie<br />

gefunden werden sollen. Sobald die<br />

Sicherheitsbereiche feststehen, will die<br />

Polizei sie der Sozialbehörde mitteilen.<br />

Und die verspricht nach einem Gespräch<br />

mit Hinz&<strong>Kunzt</strong>, „möglichst<br />

früh verlässliche Informationen“ an die<br />

Obdachlosen zu geben. •<br />

16


Der G20 und die Armut<br />

„Wir könnten<br />

die erste<br />

Generation sein,<br />

der es gelingt,<br />

die Armut<br />

zu beseitigen.“<br />

BAN KI-MOON, UN-GENERALSEKRETÄR 2007 BIS 2016<br />

In den kommenden 13 Jahren wollen die wichtigsten Länder der Welt Hunger und Armut<br />

überwinden. Dass sie diesen UN-Beschluss und ihre Agenda 2030 ernst meinen,<br />

können sie auch beim G20 in Hamburg beweisen. „Wir wollen Lösungen sehen“,<br />

fordert Hamburgs Landespastor Dirk Ahrens. Denn immer noch hungern 800 Millionen<br />

Menschen. Dass die Agenda realistisch ist und es möglich wäre, zu unseren Lebzeiten<br />

den Hunger zu überwinden, das sagt Ralf Südhoff, Deutschlandchef des<br />

Welternährungsprogramms der UNO, im Interview. Man muss es politisch nur wollen!<br />

REDAKTION: BIRGIT MÜLLER, JONAS FÜLLNER<br />

GRAFIKEN/ILLUSTRATIONEN: GRAFIKDEERNS.DE<br />

WELTHUNGERKARTE: WORLD FOOD PROGRAMME<br />

Eine Weltkarte<br />

des Hungers<br />

und Informationen<br />

zum G20<br />

Seite 18 & 19<br />

Zahlen & Fakten<br />

zum Hunger<br />

plus ein Kommentar<br />

von Diakoniechef<br />

Dirk Ahrens<br />

Seite 20 & 21<br />

Experten-<br />

Interview:<br />

Ralf Südhoff vom<br />

UN-Welternährungsprogramm<br />

Seite 22 bis 24


G20 und der Hunger<br />

800 Millionen Menschen weltweit hungern. Wo, das zeigt die Karte des Welternährungsprogramms<br />

(WFP) der UNO. Die weltgrößte Hilfsorganisation soll dabei helfen, den Hunger bis 2030 zu<br />

überwinden. Der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon rief die Zero-Hunger-Initiative ins<br />

Leben, „damit wir dieses Ziel noch zu unseren Lebzeiten“ erreichen. Mehr Infos unter www.wfp.org<br />

WELTHUNGER-<br />

KARTE<br />

Die wichtigsten Ziele der Zero<br />

1. Innerhalb von zwei Jahren leidet kein<br />

Kind mehr unter Wachstumsstörungen<br />

durch Mangelernährung.<br />

2. 100-prozentiger Zugang zu<br />

angemessener Nahrung – für alle<br />

Menschen, das ganze Jahr<br />

18


5 %<br />

sehr geringe<br />

Unterernährung<br />

Anteil der unterernährten Menschen<br />

an der Gesamtbevölkerung, 2014–2016<br />

5–14 % 15–24,9 % 25–34,9 %<br />

geringe<br />

Unterernährung<br />

moderate<br />

Unterernährung<br />

hohe<br />

Unterernährung<br />

35 %<br />

und höher<br />

sehr hohe<br />

Unterernährung<br />

fehlende oder<br />

unzureichende<br />

Daten<br />

Die 20 Länder,<br />

die die Welt<br />

retten könnten,<br />

sind in<br />

Wirklichkeit<br />

19 Länder und<br />

die EU.<br />

Zu den Gipfelteilnehmern<br />

gehören Kanada,<br />

USA, Mexiko, Brasilien,<br />

Argentinien, Türkei,<br />

Saudi-Arabien, Südafrika,<br />

Russland, China,<br />

Indien, Indonesien, Südkorea,<br />

Japan und Australien.<br />

Deutschland,<br />

Großbritannien (noch),<br />

Frankreich und Italien sind<br />

quasi doppelt vertreten,<br />

weil die EU als Ganzes<br />

auch als Land zählt.<br />

-Hunger-Initiative:<br />

3. Alle Nahrungssysteme sind nachhaltig<br />

4. 100-prozentige Steigerung<br />

der Produktion und des<br />

Einkommens von Kleinbauern<br />

5. Kein Verlust und keine<br />

Verschwendung von Nahrungsmitteln<br />

Anteil der G20 an<br />

der Weltbevölkerung:<br />

60 %<br />

Anteil am weltweiten<br />

Bruttoinlandsprodukt (BIP):<br />

80 %<br />

Anteil am<br />

Welthandelsvolumen:<br />

80 %<br />

Anteil an der<br />

weltweiten CO 2 -Emission:<br />

80 %<br />

19


Zahlen & Fakten<br />

zum Hunger<br />

Es hört sich absurd an, dass ausgerechnet Bauern hungern.<br />

Und immer noch sterben Millionen Kinder an Unterernährung. Die gute<br />

Nachricht: Die Zahl ist drastisch gesunken. Was die G20-Länder gegen den<br />

Hunger tun können, lesen Sie im Experten-Interview auf Seite 22.<br />

1990 starben noch<br />

12,7 Millionen Kleinkinder<br />

unter fünf Jahren.<br />

Der Anteil der verhungerten<br />

Kinder ist unbekannt.<br />

Drei von vier Hungernden<br />

weltweit leben als Kleinbauern,<br />

Viehzüchter und Arbeiter auf<br />

dem Land. Die Mehrheit der<br />

Kleinbauern sind Frauen, die mit<br />

dem selbst Erwirtschafteten sich<br />

und ihre Familien ernähren.<br />

(Quelle: Focus on Women, WFP 2016)<br />

1990<br />

2015<br />

6,7 Millionen<br />

Kleinkinder<br />

starben 2015.<br />

3 Millionen von<br />

ihnen verhungerten.<br />

2015 verhungerten<br />

3 Millionen Kleinkinder<br />

Das Millenniumsziel, die Kindersterblichkeit bis 2015<br />

weltweit um zwei Drittel zu senken, wurde zwar nicht<br />

erreicht. Aber 24 der 81 armen und bevölkerungsreichen<br />

Länder wie Äthiopien, Bangladesch,<br />

Kambodscha und Uganda haben es geschafft.<br />

Einer von neun Menschen<br />

weltweit leidet an Hunger.<br />

Auf der Erde<br />

leben fast 7,5 Milliarden<br />

Menschen.<br />

(Quelle: State of Food Insecurity<br />

in the World, FAO 2015)<br />

(Quelle: Unicef; Levels and Trends in Child Mortality Report, 2015)<br />

HUNGER<br />

ist das größte Gesundheitsrisiko<br />

weltweit. Jährlich sterben daran mehr<br />

Menschen als an AIDS, Malaria und<br />

Tuberkulose zusammen.<br />

20


Plus<br />

20%<br />

Klimawandel<br />

Der Klimawandel kann dazu führen, dass bis<br />

zum Jahr 2050 zusätzlich 20 Prozent mehr<br />

Kinder an Hunger und Mangelernährung<br />

leiden als noch heute. Fast die Hälfte von<br />

ihnen lebt in Subsahara Afrika.<br />

(Quelle: Two Minutes on Climate<br />

Change and Hunger, 2015)<br />

Hunger treibt Menschen<br />

in die Flucht<br />

Nimmt der Hunger in einer<br />

Bevölkerung um 1 Prozent zu,<br />

zwingt das 1,9 Prozent mehr Menschen<br />

zu migrieren. Mit jedem weiteren<br />

Krisenjahr fliehen 0,4 Prozent mehr Menschen<br />

aus einem Land.<br />

Quelle: Studie des Welternährungsprogramms, <strong>2017</strong><br />

Was die Überwindung von<br />

Armut und Hunger kostet<br />

Bereits 1970 haben sich die reichen OECD-Länder<br />

darauf verständigt, jährlich 0,7 Prozent ihres Brutto -<br />

sozial produkts für Entwicklungszusammen arbeit bereitzustellen.<br />

Tatsächlich erreichen bislang nur Schweden,<br />

Luxemburg, Dänemark und Großbritannien diese Vorgabe.<br />

Deutschland hat seine Ausgaben 2015 zwar stark erhöht,<br />

bringt es damit aber nur auf rund 0,5 Prozent.<br />

Doch selbst 0,7 Prozent wären noch zu wenig, um den<br />

Hunger bis 2030 zu überwinden. Hinzu kommen die<br />

erheblichen Kosten für Anpassungen an die Folgen des<br />

Klimawandels. Die Initiative „Future for all“ fordert deshalb<br />

von den Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrieund<br />

Schwellenländer: „Beschließt beim G20-Gipfel:<br />

1 Prozent für die Global Goals.“<br />

600 Milliarden US-Dollar (das sind 550 Milliarden<br />

Euro) kämen jährlich zusammen, wenn jeder der<br />

G20-Staaten 1 Prozent seines Bruttoinlands produkts<br />

(BIP) bereitstellte. Dieses Geld reicht aus,<br />

um Armut, Ungerechtigkeit und den Klimawandel<br />

weltweit wirksam zu bekämpfen, so die Initiative. UJO<br />

•<br />

21<br />

FOTO: GUIDO KOLLMEIER<br />

Kommentar zum G20<br />

„Wir erwarten<br />

Lösungen“<br />

Von Dirk Ahrens<br />

Vermutlich gibt es<br />

nur wenige Hamburger,<br />

die sich<br />

freuen, dass der<br />

G20-Gipfel ausgerechnet<br />

bei uns<br />

stattfinden muss.<br />

Jeden Tag lesen wir<br />

von neuen Bündnissen,<br />

die sich gegen<br />

den Gipfel oder für Klimagerechtigkeit,<br />

einen fairen Welthandel oder für<br />

Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zusammenfinden.<br />

In einer offenen Gesellschaft<br />

kann das gar nicht anders sein.<br />

Gleichzeitig zeigt die Vielzahl der Bündnisse,<br />

wie schwer es ist, sich auf gemeinsame<br />

Prioritäten zu einigen.<br />

Das ist in der internationalen Politik<br />

nicht anders. Die globalen Herausforderungen<br />

setzen aber ein gemeinsames Handeln<br />

der Weltgemeinschaft voraus. Und<br />

auch, dass Eigeninteressen mal hintenan<br />

gestellt werden müssen.<br />

Nur über Einsicht und Konsens lassen<br />

sich die drängendsten Probleme der Weltgemeinschaft<br />

lösen. Deshalb ist es richtig,<br />

dass die führenden Politiker zusammenkommen<br />

und miteinander reden.<br />

Wir müssen zeigen, dass wir Lösungen<br />

erwarten: Die Teilnehmer des Gipfels<br />

müssen deutliche Zeichen gegen Hunger<br />

und Armut und für Klimagerechtigkeit<br />

setzen. Denn es ist ein Skandal, dass 800<br />

Millionen Menschen hungern und drei<br />

Millionen Kinder verhungern – obwohl es<br />

eigentlich genug für alle gäbe.<br />

Deshalb ist es gut und richtig, den<br />

Gipfel mit Demonstrationen und Versammlungen<br />

zu begleiten. Friedlich. In einem<br />

freiheitlich demokratischen Rechtsstaat<br />

muss es möglich sein, ein solches<br />

Treffen durchzuführen. Wichtig ist mir allerdings,<br />

dass nicht ausgerechnet die Obdachlosen<br />

unter einem solchen Gipfel zu<br />

leiden haben. Das würde das gesamte<br />

Vorhaben diskreditieren. •<br />

Dirk Ahrens ist Hamburger Landespastor,<br />

Diakoniechef und Herausgeber von<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>.


Ralf Südhoff (48) ist Direktor<br />

des UN World Food Programme<br />

(WFP) in Deutschland, Österreich,<br />

Liechtenstein und der<br />

deutschsprachigen Schweiz.<br />

WFP wird über freiwillige Beiträge<br />

der UN-Mitgliedsstaaten,<br />

von Unternehmen und Privatspendern<br />

finanziert und ist die<br />

weltgrößte Hilfsorganisation<br />

zur Überwindung von Hunger.<br />

Ausgaben 2016: 8,85 Milliarden<br />

Dollar. Die Bundesre gierung<br />

zahlte eine Rekordsumme von<br />

884,56 Millionen Dollar und war<br />

damit zweitgrößter staatlicher<br />

Geber nach den USA.<br />

Mehr Infos unter www.wfp.org<br />

„Eigentlich müsste<br />

niemand hungern“<br />

Ralf Südhoff ist optimistisch. Der Direktor des Welternährungsprogramms der UN in<br />

Deutschland glaubt, dass Industriestaaten und Entwicklungsländer gemeinsam ihre Agenda<br />

umsetzen können. Und die besagt: die Überwindung von Hunger bis 2030.<br />

TEXT: BIRGIT MÜLLER<br />

FOTOS: UN WORLD FOOD PROGRAMME (WFP),<br />

CHALLISS MCDONOUGH, REIN SKULLERUD<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>: Herr Südhoff, erst gab es die<br />

Millenniumsziele zur Halbierung des Hungers<br />

bis 2015. Jetzt gilt die Agenda 2030,<br />

mit dem Ziel, Armut und Hunger zu<br />

überwinden. Ist das überhaupt zu schaffen?<br />

RALF SÜDHOFF: Mit diesen hohen Zielen<br />

wollten die Mitgliedstaaten der UN bewusst<br />

ein Zeichen setzen. Man wollte<br />

sehr deutlich sagen: Es gibt eigentlich<br />

keinen nachvollziehbaren Grund, warum<br />

man die Armut, den Hunger, die<br />

Kindersterblichkeit, die Unterdrückung<br />

von Frauen nicht überwinden könnte<br />

bis zum Jahr 2030 – wenn es denn den<br />

politischen Willen gibt.<br />

Im Juli treffen sich die wichtigsten Staaten<br />

der Welt in Hamburg. Ist der Gipfel wichtig<br />

für die Umsetzung der Agenda 2030?<br />

Aus meiner Sicht ist der G20 ein großer<br />

Fortschritt: Die wichtigsten Schwellenländer<br />

und viele afrikanische Länder<br />

sind eingebunden. Aber entscheidend<br />

ist, dass man dann auch die Themen<br />

der Agenda, die eher die Entwicklungsländer<br />

umtreiben, intensiv diskutiert<br />

und genauso ernst nimmt wie finanzund<br />

wirtschaftspolitische Fragen.<br />

Es gibt derzeit viele Hungerkatastrophen.<br />

Woher kommt Ihr Optimismus?<br />

22<br />

Nehmen Sie das Beispiel Hunger: Wir<br />

produzieren heute noch mehr Nahrungsmittel,<br />

als wir weltweit brauchen,<br />

und das trotz wachsender Bevölkerung.<br />

Niemand müsste hungern.<br />

Woran scheitert es denn dann bislang?<br />

Die Nahrungsmittelverschwendung in<br />

den Industriestaaten und Ernteverluste<br />

in den Entwicklungsländern verhindern<br />

zum Beispiel, dass das, was auf den Feldern<br />

wächst, auch auf den Teller<br />

kommt. Viele Nahrungsmittel werden<br />

nicht zu Essen, durch die Bioenergie<br />

oder vor allem einen extrem ineffizien-


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Der G20 und die Armut<br />

ten Fleischkonsum, der einen vielfach<br />

höheren Anbau von Futtermitteln erfordert,<br />

als wenn das Getreide direkt zu<br />

Nahrungsmitteln würde.<br />

Und es gibt eine rasante Zunahme<br />

von großen, langjährigen Konflikten –<br />

wie in Syrien, im Irak, im Südsudan<br />

und im Jemen. Diese Krisen überfordern<br />

uns zum Teil, weil sie in ihrer<br />

Dauer und ihrem Ausmaß eine enorme<br />

Herausforderung für Helfer und Spender<br />

sind und die Gefahr bergen, dass<br />

wir die Ziele nicht erreichen.<br />

Ist das auch ein finanzielles Problem? Eigentlich<br />

sollen die Länder ja 0,7 Prozent des<br />

Bruttosozialproduktes in Entwicklungshilfe<br />

investieren. Aber selbst das reiche Deutschland<br />

zahlt nur 0,5 Prozent (siehe Seite 21).<br />

Ja, es ist auch ein finanzielles Problem.<br />

Und es gibt keinen Grund, warum die<br />

Industriestaaten ihr langjähriges Versprechen<br />

nicht erfüllen könnten. In der<br />

humanitären Hilfe brauchen wir in der<br />

Tat mehr Geld. Durch die großen Krisen<br />

ist der Bedarf explodiert. Im Jahr<br />

2000 brauchten wir 2 Milliarden Dollar<br />

weltweit für alle Hilfsorganisationen.<br />

Heute gehen wir allein für dieses Jahr<br />

von 22 Milliarden Dollar aus, weil es so<br />

viele Großkrisen gibt und die weitreichenden<br />

Folgen des Klimawandels<br />

mehr Hilfe erfordern.<br />

Sie haben gesagt, es ist „auch“ ein<br />

finanzielles Problem. Das hört sich nach<br />

einem „Aber“ an.<br />

Um nachhaltig die Menschen gegen die<br />

Krisen zu wappnen, gegen den Hunger,<br />

die Kindersterblichkeit und um Frauen<br />

faire Chancen zu geben, ist in der Tat<br />

mehr Geld, aber auch mehr Verantwortung<br />

auf Seiten der Entwicklungsländer<br />

selbst vonnöten. Die schlechteste Entwicklung<br />

gibt es in den Ländern, wo<br />

sich die Eliten wenig um das Wohl ihrer<br />

eigenen Bevölkerung kümmern.<br />

Bleiben wir beim Thema Hunger: Wie kann<br />

es angehen, dass drei von vier Hungernden<br />

Kleinbauern sind (siehe Grafik Seite 20)?<br />

Bauern müssten investieren und Saatgut<br />

kaufen können, um wenigstens ihre<br />

Familie ernähren zu können. Aber in<br />

den meisten Ländern können sie nicht<br />

mal zu halbwegs guten Konditionen einen<br />

Kleinkredit bekommen. Das wäre<br />

aber die Voraussetzung dafür, dass sie<br />

auch Überschüsse erwirtschaften und<br />

eine lokale Landwirtschaft aufbauen<br />

könnten. Unter den jetzigen Bedingungen<br />

reicht es oft nicht mal für sie selbst.<br />

Wenn es aber entsprechende Förderung<br />

gibt, haben die Bauern eine echte Perspektive<br />

– die Nachfrage nach Nahrungsmitteln<br />

wächst stetig.<br />

„Der G20 ist<br />

ein großer<br />

Fortschritt“<br />

Woran liegt diese Perspektivlosigkeit?<br />

Die Landwirtschaft wurde in den meisten<br />

Entwicklungsländern sträflich vernachlässigt.<br />

Seit 2003 haben sich die<br />

afrikanischen Staaten verpflichtet, jährlich<br />

10 Prozent des öffentlichen Budgets<br />

wieder in die Landwirtschaft und in den<br />

ländlichen Raum zu investieren, aber<br />

nicht einmal jeder fünfte afrikanische<br />

Staat hatte das nach mehr als 10 Jahren<br />

umgesetzt.<br />

Welche Rolle spielen dabei die Industriestaaten<br />

und ihre Wirtschaftspolitik?<br />

Sie haben die Entwicklungsländer in<br />

den 80er- und noch in den 90er-Jahren<br />

auch in eine falsche Richtung gedrängt,<br />

wie zum Beispiel die Bundesregierung<br />

oder die Weltbank heute auch einräumen.<br />

Es galt das Motto: Die Landwirtschaft<br />

in euren Staaten ist doch gar<br />

nicht so wichtig. Beschränkt euch doch<br />

auf Exportgüter, die nur bei euch angebaut<br />

werden können wie Kaffee, Bananen<br />

und Kakao. Und Getreide wie Weizen,<br />

Mais, das können wir ohnehin viel<br />

besser und in großen Überschüssen im<br />

23<br />

Norden anbauen – und das exportieren<br />

wir dann zu euch. Angeblich sollten davon<br />

alle profitieren. Aber das hat sich<br />

massiv zum Nachteil der Entwicklungsländer<br />

ausgewirkt, weil sie für den Weizen,<br />

den Mais, den Reis, den sie unbedingt<br />

brauchen, heute viel, viel mehr<br />

bezahlen. Das gipfelte in der Welternährungskrise<br />

2007/8, wo auch noch<br />

die Finanzspekulation auf den Kapitalmärkten<br />

hinzukam. Für manche Staaten,<br />

beispielsweise in Asien, wurde der<br />

Reis unbezahlbar, weil er binnen weniger<br />

Monate um 300 bis 400 Prozent<br />

teurer wurde.<br />

Wieso sind die Entwicklungsländer denn<br />

darauf eingegangen?<br />

Teils machten die Industriestaaten<br />

Druck, auf diese arbeitsteilige Politik<br />

einzuschwenken, etwa durch die Vergabe<br />

von Krediten. Teils gilt aber auch bis<br />

heute: Für die Eliten in vielen Entwicklungsländern<br />

spielen die Menschen auf<br />

dem Land keine große Rolle, sie sind<br />

weit weg von der Macht und ihrem<br />

Zentrum.<br />

Gibt es bei den Industrieländern überhaupt<br />

den politischen Willen, auf eine Wirtschaftspolitik<br />

einzuschwenken, von der auch<br />

die Entwicklungsländer profitieren?<br />

Auch rein egoistisch betrachtet hilft es<br />

aus Sicht der Industriestaaten nicht,<br />

wenn die Entwicklungsländer keine<br />

Fortschritte machen und keine neuen<br />

Märkte entstehen.<br />

Wir haben in dieser Ausgabe eine Reportage<br />

über Hühnchen aus Europa, Brasilien und<br />

den USA, die so billig nach Afrika exportiert<br />

werden, dass es den afrikanischen Markt<br />

kaputtmacht (Seite 26).<br />

Die berühmten Exportsubventionen für<br />

EU-Agrarprodukte wurden zwar deutlich<br />

zurückgefahren, aber ein europäischer<br />

Bauer hat immer noch Vorteile.<br />

Doch die wenigen Hühnerfarmen in<br />

Europa, die von dieser Exportförderung<br />

profitieren, sind längst nicht so<br />

wichtig wie zahlreiche Märkte, die in<br />

diesen Ländern entstehen könnten.


Eine Frau kocht für die Schüler. Das WFP finanziert unter anderem Schulmahlzeiten. Sie sind ein wichtiger<br />

Schritt, um den Teufelskreis aus Armut, Hunger und mangelnder Bildung zu durchbrechen. Wie hier in<br />

Kenia können die Kinder in die Schule gehen, statt sich ihr Essen erarbeiten oder gar erbetteln zu müssen.<br />

Man erkennt zudem auch, dass immer<br />

größere Sicherheitsfragen und die Zunahme<br />

des Islamismus mit der mangelnden<br />

Entwicklung vieler Staaten<br />

einhergehen.<br />

Glauben Sie noch daran, dass wir die<br />

erste Generation sein könnten, die die Armut<br />

besiegt, wie Ban Ki-moon sagte?<br />

Ja. Aber wenn man von den Krisen der<br />

Welt und den Hungersnöten hört,<br />

drängt sich einem der Eindruck auf, es<br />

wird alles immer schlimmer. Tatsächlich<br />

fallen die Entwicklungen aber auseinander.<br />

Wir haben die Großkonflikte,<br />

die massive Hilfe erfordern und punktuell<br />

die Entwicklung in diesen Ländern<br />

weit zurückwerfen.Wir haben aber<br />

auch weite Teile in Lateinamerika, in<br />

Asien und auch in Afrika, die es geschafft<br />

haben, den Hunger zu überwinden<br />

oder auch die Armut: Die Armutszahlen<br />

weltweit sind so niedrig wie wohl<br />

nie zuvor. Und die Kindersterblichkeit<br />

konnte massiv reduziert werden durch<br />

eine Verbesserung des Gesundheitssystems<br />

und mehr Bildung und Chancen<br />

für Frauen.<br />

Hat die Staatengemeinschaft da tatsächlich<br />

etwas bewirkt?<br />

Ja, auf jeden Fall. In vielen Fällen hat<br />

man dramatische Fortschritte gemacht,<br />

was die Einschulungsraten und die<br />

Grundschulbildung anbelangt. Selbst<br />

im Kampf gegen den Hunger, der bei<br />

den Millenniumszielen mit am schlechtesten<br />

dastand, ist es ja nicht so, dass<br />

man keine Fortschritte erreicht hat –<br />

auf der Welt werden heute zwei Milliarden<br />

mehr Menschen satt als noch vor<br />

wenigen Jahrzehnten.<br />

„Die Armutszahlen<br />

weltweit sind<br />

so niedrig wie<br />

wohl nie zuvor.“<br />

Gerade Afrika hat aber doch den Hunger<br />

nicht wirksam bekämpfen können, oder?<br />

Man hat den Hunger zwar nicht überall<br />

halbiert, aber man hat ihn in den<br />

meisten Staaten um mindestens 30 bis<br />

40 Prozent gesenkt. Ghana zum Beispiel<br />

hat sogar die Millenniumsziele erreicht<br />

oder Ruanda, Malawi und Nigeria.<br />

Selbst ein Land wie Äthiopien hat<br />

massiv den Hunger zurückdrängen<br />

können. Das ändert nichts daran, dass<br />

24<br />

es jetzt wieder unter einer Dürre leidet.<br />

Diese Dürre ist viel schlimmer als die in<br />

den 80er-Jahren, sie hat aber viel weniger<br />

Folgen, weil die Menschen vor Ort<br />

damit anders umgehen können. Der<br />

Fortschritt ist immens, aber es ist ein<br />

Skandal, dass sich trotzdem 800 Millionen<br />

Menschen immer noch nicht selbst<br />

ernähren und in Würde leben können.<br />

Könnte es für die Industriestaaten ein<br />

Ansporn zum Handeln sein, dass sie nicht<br />

noch mehr Flüchtlinge aufnehmen wollen?<br />

Es gibt zwei Anhaltspunkte, die mich<br />

optimistisch stimmen, weil sie über die<br />

moralische Verpflichtung, den Hunger<br />

zu besiegen, hinausgehen: Das eine ist<br />

die Sicherheitsfrage auch im Zuge von<br />

Migration. Da müssen wir nur ehrlich<br />

sein. Wenn wir über eine bessere Förderung<br />

der Chancen vor Ort Migration<br />

eindämmen wollen, dann ist das ein<br />

langfristiger Prozess, weil man zu viele<br />

Jahre lang zu viel versäumt hat. Das<br />

Zweite, was mich optimistisch stimmt:<br />

Die boomende Nachfrage nach Nahrungsmitteln<br />

und die höheren Preise<br />

bieten auch wirtschaftliche Chancen für<br />

die große Mehrheit der Hungernden<br />

aus Bauern und Landarbeitern. Wir<br />

müssen aber etwas draus machen. •<br />

Kontakt: birgit.mueller@hinzundkunzt.de


Der G20 und die Armut<br />

Freude schenken ...<br />

Das G20-Protest-<br />

Programm<br />

Neben Demonstrationen und Aktionen<br />

gibt es in den kommenden Wochen ein<br />

reich haltiges Veranstaltungsprogramm zu<br />

Armut und Gerechtigkeit. Eine Auswahl.<br />

Am Katzentisch der Macht? Veranstaltung der<br />

Nordkirche zum G20-Gipfel mit Dr. Rainer Baumann<br />

(Politikwissenschaftler), Staatsrat Wolfgang<br />

Schmidt, Dr. Klaus Seitz (Brot für die Welt) und<br />

Thomas Eberhardt-Köster (attac Deutschland).<br />

Mo, 12.6., 18.30 Uhr, Ökumenisches Forum<br />

Hafencity, Shanghaiallee 12<br />

Mehr unter www.global-gerecht-gestalten.de<br />

Wie wirkt Entwicklungspolitik? Ringvorlesung<br />

der Gesellschaft für internationale Entwicklung zu<br />

Mikro krediten, ländlicher Armut und der Umsetzung<br />

der Agenda 2030 in den G20-Staaten.<br />

Di, 13./20./27.6. und 4.7., jeweils 18 Uhr, Hauptgebäude<br />

der Universität Hamburg, Flügel Ost,<br />

Raum 221, Edmund-Siemers-Allee 1<br />

Mehr unter www.sid-hamburg.de<br />

... mit Produkten aus fairem Handel<br />

• Kaffee, Tee, Schokolade ...<br />

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Tel.: 040 / 890 61 33 • Fax: 040 / 899 74 52<br />

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Öffnungszeiten: Dienstag - Freitag 10.00 - 19.00 Uhr<br />

Samstag 10.00 - 14.00 Uhr<br />

abasto<br />

ökologische Energietechnik<br />

Für mehr soziale Wärme<br />

und eine klimaschonende<br />

Strom- und Wärmeversorgung.<br />

www.abasto.de<br />

Protestwelle Umweltverbände und der DGB Nord<br />

bilden eine Menschenkette rund um die Alster<br />

und ziehen als Demonstration vor die Messehallen.<br />

So, 2.7., 12–18 Uhr, Treffpunkt Rathausmarkt<br />

Gipfel zur globalen Solidarität Konferenz<br />

der Gipfelgegner u. a. mit Vandana Shiva aus<br />

Indien, Trägerin des Alternativen Nobelpreises,<br />

und Sreko Horvat, Direktor des Subversive<br />

Festivals in Zagreb/Kroatien.<br />

Mi/Do, 5./6.7., 10–21.30 Uhr, Kampnagel,<br />

Jarrestraße 20<br />

Ökumenischer Gottesdienst zu G20 und<br />

Demonstration von „Hamburg zeigt Haltung“ mit<br />

anschließendem Fest auf dem Fischmarkt.<br />

Sa, 8.7., 10.30 Uhr, Hauptkirche Sankt Katharinen,<br />

Katharinenkirchhof 1<br />

Grenzenlose Solidarität statt G20 Groß -<br />

demon stration von mehr als 100 Initiativen und<br />

Nichtregierungsorganisationen gegen den<br />

G20-Gipfel durch die Innenstadt.<br />

8.7., 11 Uhr, Deichtorplatz<br />

Weitere Informationen finden Sie unter<br />

NoG20-Bündnis: www.g20hamburg.org<br />

Hamburg zeigt Haltung:<br />

www.hamburgzeigthaltung.de<br />

25<br />

www.hamburgmuseum.de


Immer<br />

auf die<br />

Kleinen<br />

Wie Hühnerfl eisch aus Europa, Brasilien und den<br />

USA die lokale Wirtschaft westafrikanischer<br />

Länder schädigt, zeigt das Beispiel Nigeria:<br />

Die Märkte der größten Volkswirtschaft Afrikas sind<br />

voll von tiefgefrorenem Gefl ügel. Das Nachsehen<br />

haben vor allem kleine Farmer und Händler.<br />

TEXT: KLAUS SIEG<br />

FOTOS: JÖRG BÖTHLING


Regenzeit in Nigeria. Auf<br />

dem Arena Market in<br />

Lagos’ Stadtteil Oshodi<br />

tobt eine Schlammschlacht.<br />

Menschen<br />

springen über Pfützen, balancieren über<br />

Steine und Bretter. Nur so erreichen sie<br />

trockenen Fußes einen der vielen Stände,<br />

an denen die Händler lautstark Gemüse,<br />

Gewürze, Haushaltswaren oder<br />

Fleisch anpreisen. Wie ein Fels in der<br />

Brandung steht Asinuju Iaybo mit verschränkten<br />

Armen im Gewusel. In den<br />

Käfigen hinter ihr gackern die Hühner<br />

der Marktfrau. „Der Regen ist das geringste<br />

Problem, das gefrorene Hühnerfleisch<br />

dafür umso mehr.“ Mit dem Finger<br />

wischt sie sich ein paar Tropfen aus<br />

dem Gesicht. „Dort drüben verkaufen<br />

sie welches aus England und Spanien.“<br />

Asinuju Iaybo zeigt auf eine der zahlreichen<br />

Baracken. Ein ganzes Huhn für<br />

nur umgerechnet 2,50 Euro. „So viel<br />

bezahle ich im Einkauf bei der Farm,<br />

28<br />

Eigentlich werden<br />

auf Nigerias Märkten<br />

auch lebende<br />

Hühner verkauft<br />

und vor Ort geschlachtet.<br />

Doch<br />

ausländische Tiefkühlware<br />

ist billiger.<br />

Was heimischen<br />

Händlern<br />

schadet, ist zudem<br />

ungesund: Oft fällt<br />

der Strom aus und<br />

die Kühlkette wird<br />

unterbrochen.<br />

hinzu kommen Kosten für den Transport<br />

und die Standmiete.“ Also kostet<br />

bei ihr ein Huhn mindestens ein Fünftel<br />

mehr, wenn es sich um eine ausgediente<br />

Legehenne handelt. Für die Freilandbroiler<br />

im Käfig daneben müssen die<br />

Kunden noch einmal etwas drauflegen.<br />

„Dafür schmecken sie besonders gut“,<br />

sagt die Händlerin mit einem breiten<br />

Grinsen.<br />

Doch das nützt nichts. Nigerias<br />

Wirtschaft befindet sich durch den sinkenden<br />

Ölpreis auf Talfahrt. Viele<br />

Menschen greifen zu den preiswerten<br />

Import-Hühnern. In Einzelteilen kosten<br />

sie umgerechnet kaum mehr als einen<br />

Euro pro Kilogramm.<br />

Die Mäster in der EU, Brasilien<br />

und den USA sind schon mit einem<br />

Preis zufrieden, der ihnen die Entsorgungskosten<br />

für ihre Überschüsse spart.<br />

Ihre Märkte erster Wahl verlangen vor<br />

allem nach Brustfleisch und Schenkeln.<br />

Aber wohin mit dem Rest?<br />

Also landen Flügel, Innereien und<br />

andere Teile in Westafrika – zuneh-


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Der G20 und die Armut<br />

Eigentlich gilt in<br />

Nigeria ein<br />

Importverbot für<br />

Hühnerfleisch.<br />

mend aber auch ganze Tiere, in Großbetrieben<br />

gemästet mit subventioniertem<br />

Getreide, Mais und Sojaschrot.<br />

Sind sie in Westafrika erst einmal vom<br />

Schiff geladen, kann von einer Kühlkette<br />

keine Rede mehr sein. Die Ware<br />

wird bei tropischen Temperaturen über<br />

holperige Landstraßen gefahren, liegt<br />

ungekühlt auf Marktauslagen oder in<br />

veralteten Kühltruhen, die mit täglichen<br />

Stromausfällen zu kämpfen haben.<br />

So breiten sich Salmonellen und<br />

andere Erreger aus. Hinzu kommen<br />

Belastungen mit Formaldehyd, das gelöst<br />

zur Desinfektion sowie Konservierung<br />

benutzt wird, sowie mit Antibiotika.<br />

„Die Regierung muss mehr dagegen<br />

unternehmen.“ Die Augen von Asinuju<br />

Iaybo verengen sich vor Wut.<br />

Mit ihrem Hühnerhandel bestreitet<br />

Asinuju Iaybo fast die Hälfte des Einkommens<br />

der vierköpfigen Familie.<br />

„Mein Geschäft ernährt uns gut, und<br />

ich kann den Kindern Kleidung und<br />

die Schulgebühren bezahlen.“ Doch<br />

das sieht sie zunehmend gefährdet.<br />

Ähnlich geht es Lateef Jimoh. Nur<br />

ein paar Schritte entfernt, schlachtet er<br />

im Auftrag der Kunden die frisch gekauften<br />

Hühner, brüht sie ab und rupft<br />

die Tiere. Pro Huhn verdient Lateef Jimoh<br />

umgerechnet 30 Eurocent. „An<br />

guten Markttagen habe ich 50 Tiere geschlachtet,<br />

jetzt sind es häufig nur noch<br />

20 bis 30 – die tiefgekühlten sind ja<br />

schon tot und gerupft.“<br />

Eigentlich gilt in Nigeria ein Importverbot<br />

für Hühnerfleisch. Erlassen<br />

wurde es bereits im Jahr 2000 vom damaligen<br />

Präsidenten Olusegun Obasanjo,<br />

der als einer der größten Geflügelzüchter<br />

Westafrikas gilt. Seine<br />

Nachfolger haben das Verbot mehrmals<br />

bekräftigt und auf andere landwirtschaftliche<br />

Produkte ausgeweitet,<br />

zuletzt im <strong>Juni</strong> 2015.<br />

Wie wenig das hilft, zeigt ein Gang<br />

über den Ijora Market auf dem Festland<br />

kurz vor Lagos Island. Im Schatten<br />

eines mächtigen Betonviaduktes –<br />

ein chinesischer Konzern baut gerade<br />

die erste Metro der Stadt – ducken sich<br />

niedrige Unterstände, in denen lange<br />

Reihen alter Tiefkühltruhen vor sich<br />

hin brummen. Von den Blechdächern<br />

rauscht das Regenwasser auf die Straße.<br />

Schnell füllen sich die tiefen Schlaglöcher<br />

mit dunklem Wasser, auf dem<br />

Ölflecken schimmern. Hupende Kleinbusse,<br />

Tuc Tucs und Baulaster rumpeln<br />

vorbei.<br />

Der Ijora Market bietet Tiefkühlkost<br />

für Schnäppchenjäger. Auf groben<br />

Holztischen hacken die Händler mit<br />

Macheten gefrorene Fleisch-, Fischund<br />

Garnelenklumpen in Portionen.<br />

Auf die Frage nach importiertem Huhn<br />

wuchtet einer von ihnen drei Kartons<br />

mit gefrorenen Hähnchenschenkeln<br />

auf die Tischplatte. Auf den durchgeweichten<br />

Verpackungen stehen die<br />

Herkunftsländer: USA, Brasilien und<br />

United Kingdom. Das Fleisch einiger<br />

Frisch oder angetaut: Auf diesem<br />

Markt werden die einheimischen<br />

Hühner geschlachtet und direkt verarbeitet<br />

(unten). Was sich aber immer<br />

mehr verbreitet: billige und illegale<br />

Importware aus den Kühlhäusern<br />

Europas und der USA (rechts).<br />

Schenkel ist bereits angetaut. Ob er<br />

auch Huhn aus Frankreich oder<br />

Deutschland besorgen könne? „Kein<br />

Problem, geben Sie mir etwas Zeit.“<br />

Offen erklärt er sein Geschäft. Der<br />

Händler unterhält ein Kühllager in Benin,<br />

nur eineinhalb Stunden Autofahrt<br />

von Lagos entfernt. Im Nachbarland ist<br />

der Import von Fleisch erlaubt. Geschäftspartner<br />

aus den jeweiligen Ländern<br />

schicken ihm die Tiefkühlkost<br />

über den Hafen Cotonou. Täglich fahren<br />

der Händler oder einer seiner Brüder<br />

über die Grenze, um die Ware zu<br />

holen. Den Zollbeamten stecken sie<br />

einfach ein paar Geldscheine zu.


Nach den Angaben des nigerianischen<br />

Geflügelverbandes werden so 1,2 Millionen<br />

Tonnen Geflügel illegal eingeführt.<br />

Rund eine Million Jobs in der<br />

Futterindustrie, auf Farmen und in anderen<br />

Berufen entlang der Wertschöpfungskette<br />

könnten entstehen, wenn<br />

diese Menge im Land produziert würde.<br />

Doch davon ist Nigeria weit<br />

entfernt.<br />

Die Situation nicht gerade verbessern<br />

wird das Handelsabkommen Westafrikas<br />

mit der Europäischen Union,<br />

EPA, das vor Kurzem Ghana als eines<br />

der letzten Länder ratifiziert hat. Kritiker<br />

befürchten, dass es Westafrika noch<br />

mehr subventionierte Agrarimporte beschert.<br />

Nigeria weigert sich zwar bislang,<br />

die Vereinbarung zu unterzeichnen.<br />

Aber diese Weigerung sowie das<br />

Importverbot nützen wenig, solange die<br />

Waren aus den Nachbarländern nach<br />

Nigeria geschmuggelt werden.<br />

Warum aber wird der Schmuggel<br />

nicht unterbunden? Der leitende Beamte<br />

der Zollbehörde einer grenznahen<br />

Weil die Regierung<br />

den Farmern nicht<br />

beisteht, versucht<br />

„Brot für die Welt“<br />

zu helfen. Die Hilfsorganisation<br />

vergibt<br />

Kleinkredite und<br />

veranstaltet Kurse<br />

für Hygiene und<br />

Tiergesundheit.<br />

Provinz ist nur zu einem informellen<br />

Gespräch bereit. Immerhin. Nach einer<br />

langen Lobpreisung der Fußballnation<br />

Deutschland versichert er vollmundig,<br />

der Zoll würde alles ihm Mögliche unternehmen.<br />

Zum Beweis legt er Fotos<br />

von verbeulten Kleintransportern auf<br />

den großen Schreibtisch. In ihrem Inneren<br />

stapeln sich durchgeweichte Kartons,<br />

wie wir sie auf dem Ijora Market<br />

gesehen haben. Dass seine Männer nur<br />

selten so einen Fang machen, gibt er zu.<br />

30<br />

Die lange Grenze zu Benin sei schwierig<br />

zu kontrollieren, die Schmuggler<br />

zahlreich und gewieft. Mit medienwirksamen<br />

Aktionen versucht der nigerianische<br />

Zoll die Gemüter zu beruhigen. So<br />

machte eine Einheit vor Kurzem bei<br />

Ibadan im Bundesstaat Oyo, mit rund<br />

5,5 Millionen Einwohnern eine der<br />

größten Städte des Landes, einen Lkw<br />

mit 1600 Kartons geschmuggelten Geflügels<br />

dingfest. Die Ladung wurde im<br />

Beisein lokaler Journalisten verbrannt.


Der G20 und die Armut<br />

„Das bringt doch nichts. Geschmuggeltes<br />

Geflügel wird überall verkauft, ohne<br />

dass Zoll oder Polizei einschreiten“,<br />

sagt Victor Olowe. Der Schaden für die<br />

Mitglieder seiner Farmers Development<br />

Union (FADU) sei groß, so der<br />

Direktor der von „Brot für die Welt“<br />

aus Deutschland unterstützten Vereinigung<br />

mit Sitz in Ibadan weiter.<br />

Der Bundesstaat Oyo ist das Hauptgebiet<br />

nigerianischer Geflügelzucht.<br />

Sozusagen das Niedersachsen Nigerias.<br />

Hier kauft auch Asinuju Iaybo die Hühner<br />

für den Arena Market in Lagos.<br />

Von den 500.000 Mitgliedern der<br />

FADU hält ein Fünftel Hühner für Eier<br />

und Fleischproduktion. Die Organisation<br />

vermittelt ihnen Kunden, vergibt<br />

Kleinkredite und veranstaltet Kurse zu<br />

Tiergesundheit, Hygiene oder Buchhaltung.<br />

So versuchen sie den Mangel an<br />

Unterstützung der Regierung für die<br />

Bauern auszugleichen.<br />

Einer der Farmer ist Joshua Olajide<br />

Olufeme aus Shukuru. Das Dorf liegt<br />

eineinhalb Stunden von Ibadan entfernt.<br />

Die letzten zehn Minuten schwankt der<br />

Allrad wie ein Schiff auf rauer See über<br />

den Weg mit den tiefen Pfützen.<br />

Der Farmer sitzt vor seinem kleinen<br />

Haus. Aus dem Stall gackert der Chor<br />

seiner 850 Hühner herüber. Neben Eiern<br />

und Fleisch produziert der Farmer<br />

Cassava, Mais, Bananen und Zitrusfrüchte.<br />

Die sechsköpfige Familie lebt<br />

ganz gut von der Farm. Die Geflügelzucht<br />

macht die Hälfte des Einkommens<br />

aus. Mit dem Fleisch ausgedienter<br />

Legehennen und einiger Broiler ver-<br />

Zunehmend müssen die<br />

Kleinbauern auch noch<br />

mit Großfarmen konkurrieren.<br />

Diese können in<br />

moderne Technologien<br />

investieren – und<br />

ihre Hühner weit preisgünstiger<br />

anbieten.<br />

„Vielleicht<br />

muss ich die<br />

Geflügelzucht<br />

bald aufgeben.“<br />

JOSHUA OLAJIDE OLUFEME<br />

dient der Farmer vor allem zu den<br />

christlichen und muslimischen Feiertagen<br />

gut.<br />

Doch rasant gestiegene Futterpreise<br />

fressen in letzter Zeit den Gewinn<br />

auf. Zudem muss er zunehmend mit<br />

Großfarmen konkurrieren. Diese<br />

Zuchtbetriebe nigerianischer und libanesischer<br />

Investoren arbeiten zum Teil<br />

mit modernster Technologie, wie etwa<br />

mit Lichtmanipulation zur Wachstumsförderung.<br />

So können sie zu sehr günstigen<br />

Preisen unter anderem die Supermarktketten<br />

im Land beliefern.<br />

Dass die Menschen aufgrund der<br />

Rezession nun auch noch verstärkt nach<br />

geschmuggeltem Hühnerfleisch greifen,<br />

könnte kleinen Farmern wie Joshua<br />

Olajide Olufeme den Rest geben. „Vielleicht<br />

muss ich die Geflügelzucht bald<br />

aufgeben.“ Nachdenklich guckt er über<br />

seine Farm. Für einen kurzen Augenblick<br />

scheint die Sonne durch die Regenwolken.<br />

Schon bald wird es wieder<br />

regnen. Aber auch für Joshua Olajide<br />

Olufeme ist der Regen das geringste<br />

Problem. •<br />

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Das Leben<br />

steckt voller<br />

Fragen.<br />

31<br />

Wie können wir Ihnen helfen?


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>292</strong>/JUNI <strong>2017</strong><br />

Meldungen<br />

Politik & Soziales<br />

Rigoletto Weiß war elf Jahre alt, als er von<br />

den Nazis deportiert wurde. Seit dem<br />

10. Mai erinnert in Hamburg endlich eine<br />

Gedenkstätte, der „Hannoversche Bahnhof“ im<br />

Lohsepark, an die insgesamt 8071 Roma, Sinti<br />

und Juden, die hier zwischen 1940 und 1945 in<br />

Eisenbahnwaggons gepfercht wurden. Nur ganz<br />

wenige überlebten die Vernichtungslager: zum<br />

Beispiel der heute 88-jährige Rigoletto. SIM<br />

Gewalt gegen Obdachlose<br />

Festnahmen nach Übergriffen<br />

Die Polizei hat in Niedersachsen einen<br />

Mann festgenommen, der am 13. April<br />

den Schlafsack eines Obdachlosen in<br />

St. Georg angezündet haben soll. Nur<br />

durch das Eingreifen von Passanten<br />

war dabei nichts Schlimmes passiert.<br />

Auf die Spur des mutmaßlichen Brandstifters<br />

brachten die Fahnder Aufnahmen<br />

von Videokameras in nahen Geschäften.<br />

Für die Polizei haben sich mit<br />

der Verhaftung Befürchtungen erledigt,<br />

dass der Täter aus Hass gegen Obdachlose<br />

gehandelt haben könnte. „Das war<br />

hier definitiv nicht der Fall“, sagte eine<br />

Sprecherin gegenüber Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

Der 32-jährige Tatverdächtige und das<br />

49-jährige Opfer hätten sich gekannt,<br />

das Motiv seien Streitigkeiten gewesen.<br />

Nach einem weiteren tätlichen Angriff<br />

auf einen Obdachlosen in der Mönckebergstraße<br />

hat die Bundespolizei am<br />

Hauptbahnhof einen 21-jährigen<br />

Mann festgenommen. Er soll den Obdachlosen<br />

am 20. April so stark verprügelt<br />

haben, dass er im Krankenhaus<br />

behandelt werden musste. Immer noch<br />

unklar war bis Redaktionsschluss die<br />

Brandursache für ein Feuer auf einem<br />

Obdachlosenschlafplatz an der Reeperbahn<br />

am 5. April. BELA<br />

•<br />

32


Stadtgespräch<br />

Hamburg<br />

Zahl der Drogentoten gestiegen<br />

Im vergangenen Jahr starben in Hamburg 75 Menschen an<br />

Drogenkonsum. 16 mehr als im Vorjahr. Das sei im Vergleich<br />

zu anderen Bundesländern ein massiver Anstieg, stellt die<br />

CDU kritisch fest. Schuld daran sei der „Legalisierungswahn“<br />

der Grünen. Die SPD-geführte Gesundheitsbehörde<br />

widerspricht und verweist auf Klaus Püschel, Direktor des<br />

Instituts für Rechtsmedizin am UKE, der gegenüber dem<br />

„Hamburger Abendblatt“ den Anstieg im Vergleich zu den<br />

1990ern als eine „zufällige Schwankung innerhalb eines mäßigen<br />

Niveaus“ bezeichnete. Bei den meisten Drogentoten<br />

handele es sich um Langzeit- und Mischkonsumenten. Die<br />

Hamburger Zahl der Todesfälle sei allgemein hoch, weil hier<br />

in die Statistik Fälle einfließen, bei denen die Betroffenen an<br />

Krank heiten verstarben, die durch den Konsum ausgelöst<br />

wurden. 2016 war das gleich 18-mal der Fall. JOF<br />

•<br />

Rothenburgsort<br />

Bahn räumt Obdachlose aus ihren Hütten<br />

Nach mehreren Monaten Duldung hat die Bahn 30<br />

Obdachlose vertrieben, die an einer Gleisanlage nahe der<br />

Amsinckstraße ein Lager mit provisorischen Hütten errichtet<br />

hatten. Gegen sie laufen nun Verfahren wegen Hausfriedensbruch.<br />

Schon im August 2016 hatten sich Bahn-Mitarbeiter<br />

ein Bild vor Ort gemacht – neun Monate später nun die<br />

Räumung wegen „Gefährdung des Bahnbetriebes“. Eine<br />

Chance auf eine städtische Unterkunft in Hamburg haben<br />

die Obdachlosen aus Rumänien und Bulgarien nicht.<br />

„Diese Menschen werden sich einen Platz in einem anderen<br />

Gebüsch suchen“, vermutet Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Sozialarbeiter<br />

Stephan Karrenbauer. „Sie verelenden vor unser aller<br />

Augen und niemand hilft ihnen.“ BELA<br />

•<br />

Harburger Tafel e.V.<br />

Unsere Spender in Harburg und im<br />

Landkreis Harburg sind sehr großzügig.<br />

Zur Verstärkung suchen wir:<br />

• FahrerInnen<br />

(für Klein-LKW bis 3,5 t) zur Einsammlung der Lebensmittel<br />

• HelferInnen<br />

für die Ausgabestelle in Hamburg-Harburg<br />

Die Lebensmittel werden verteilt an Kindergärten, Obdachlosenhilfen,<br />

weitere gemeinnützige Institutionen und direkt an Bedürftige.<br />

Bei Interesse rufen Sie uns an: 040 – 77 11 08 97<br />

oder per E-Mail: post@harburgertafel.de<br />

Ihr Ansprechpartner: 1. Vorsitzende Thomas Kaul: 0160 – 88 55 500.<br />

FOTO: ROLAND MAGUNIA<br />

Diskussionsreihe „Gerechte Stadt“<br />

Verbände fordern Konzepte gegen Kinderarmut<br />

Ein Bündnis zahlreicher Verbände von der Diakonie über<br />

den Paritätischen bis zur Nationalen Armutskonferenz<br />

fordert die zur Bundestagswahl antretenden Parteien auf,<br />

„überzeugende Konzepte“ vorzulegen, wie sie Kinderarmut<br />

in Deutschland bekämpfen wollen. So müssten nach<br />

Meinung der Organisationen etwa die Hartz-IV-Sätze für<br />

Kinder angehoben werden, um ihr „soziokulturelles Existenzminimum“<br />

sicherzustellen. Über die Forderungen diskutieren<br />

im Rahmen der Reihe „Gerechte Stadt“ Hamburger<br />

Bundespolitiker von SPD, CDU (angefragt), den Grünen<br />

und der Linkspartei zusammen mit der Sprecherin der<br />

Nationalen Armutskonferenz, Barbara Eschen. BELA<br />

•<br />

Apostelkirche Eimsbüttel, Bei der Apostelkirche 2, Di, 13.5.,<br />

17.30 Uhr, Eintritt frei. Mehr Infos: www.huklink.de/kinderarmut<br />

Mehr Infos und weitere Nachrichten unter:<br />

www.hinzundkunzt.de – Post an blog@hinzundkunzt.de<br />

33<br />

1997 – <strong>2017</strong><br />

Das Museum der<br />

Arbeit feiert!<br />

Sa 24. + So 25.06.<br />

12 bis 18 Uhr<br />

Eintritt frei<br />

Historische Museen Hamburg<br />

Museum der Arbeit<br />

Direkt am U/S-Bahnhof Barmbek<br />

www.museum-der-arbeit.de<br />

Mit freundlicher Unterstützung von


Durst löschen mit<br />

gutem Gewissen<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Serie „Die Besser-Verdiener“: Wir stellen Hamburger<br />

Firmen vor, denen es um mehr geht als Gewinne. Sie wollen die Welt ein Stück<br />

besser machen. Teil 2: der Getränkehersteller Lemonaid aus St. Pauli.<br />

TEXT: SIMONE DECKNER<br />

34


SERIE<br />

Die Besser-Verdiener<br />

Kleine, geile Firmen,<br />

die sozial wirtschaften<br />

Wollen trinkend die Welt verbessern<br />

(von links): Lemonaid-Gründer Felix<br />

Langguth, Jakob Berndt und Paul Bethke.<br />

FOTOS: KEVIN MC ELVANEY (SEITE 34), STEFFI ZEPP<br />

Neulich haben sie wieder einmal die<br />

Stadt verlassen. Das tun die Gründer<br />

von Lemonaid mindestens einmal im<br />

Jahr. Sie fahren dann für 14 Tage nach<br />

Paraguay, wo der Rohrzucker für ihre<br />

Limonade angebaut wird. Oder nach<br />

Sri Lanka, wo der Tee für ihren Eistee<br />

wächst.<br />

„Wer einmal einen halben Tag bei<br />

50 Grad Rooibos erntet, bekommt ein<br />

anderes Gefühl für das Produkt“, sagt<br />

Lemonaid-Gründer Jakob Berndt.<br />

Berndt (36), Paul Bethke (36) und Felix<br />

Langguth (37) verkaufen Limonade,<br />

Interessierter Blick auf<br />

das, was am Ende rauskommt:<br />

Kleinbauern,<br />

wie hier in Paraguay,<br />

liefern die Rohstoffe für<br />

Limonade und Eistee.<br />

Eistee und seit einem halben Jahr auch<br />

lose Tees, aber in erster Linie eine<br />

Überzeugung: nämlich die, dass man<br />

auch politisch korrekt konsumieren<br />

kann. „Es geht nicht darum, irgendwann<br />

einen großen Bentley zu fahren,<br />

sondern darum, schöne, soziale Projekte<br />

unterstützen zu können und etwas<br />

möglichst Sinnvolles zu machen“, sagt<br />

Berndt. Das heißt für die Gründer vor<br />

allem: faire Löhne zahlen für die Bauern,<br />

die die Rohstoffe für ihre Getränke<br />

liefern. Und: nur Bio- und Fair-Tradezertifizierte<br />

Waren zu verkaufen.<br />

Berndt, kurze Haare, aufmerksamer<br />

Blick, sitzt in seinem Büro in der Rindermarkthalle.<br />

Früher arbeitete er als<br />

Kommunikationsstratege für die Werbeagentur<br />

Jung von Matt. „Aber ich<br />

hatte da schon immer eine gewisse Distanz<br />

und dachte, das kann nicht alles<br />

sein“, so Berndt. Als sich sein Schulfreund<br />

Paul Bethke vor neun Jahren mit<br />

einer Idee für ein Sozialunternehmen<br />

meldete, ging alles ganz schnell.<br />

Bethke, jungenhafter Typ, ruhige<br />

Ausstrahlung, hatte seinerseits gerade<br />

einen gut dotierten Job als Entwicklungshelfer<br />

gekündigt. Er war für die<br />

Deutsche Gesellschaft für Technische<br />

Zusammenarbeit in Sri Lanka gewesen,<br />

kurz nach dem verheerenden Tsunami.<br />

Übernachtete im Hilton, wurde zu<br />

Meetings in teure Restaurants geladen<br />

und in großräumigen Jeeps herumchauffiert.<br />

„So einen Lebensstil hatte<br />

ich noch nie – und das, obwohl ich als<br />

,Sozialarbeiter‘ da war“, ärgert sich<br />

Bethke heute noch. Gelder, die eigentlich<br />

für den Wiederaufbau des Landes<br />

gedacht waren, wurden anderweitig<br />

verschwendet. Bethke wollte kein Teil<br />

dieses „Apparats“ mehr sein und machte<br />

einen harten Schnitt. Den Menschen<br />

35


Bei der Ernte des Bio-Rooibos in der südafrikanischen Kooperative Heiveld (links). Der Lemonaid & ChariTea-Verein<br />

finanziert Projekte wie diesen Kinderhort in Asunción/Paraguay, den täglich 80 Kinder besuchen.<br />

im Land eine Perspektive geben, so seine<br />

Überzeugung, müsse anders gehen.<br />

Besser. Nachhaltiger. Sinnvoller. Mit Felix<br />

Langguth holten die zwei noch einen<br />

Politikberater und weiteren Freund hinzu.<br />

Er kümmert sich um die Finanzen.<br />

Kleinbauern<br />

eine Perspektive geben<br />

Zuerst waren die Namen da: Lemonaid<br />

und ChariTea. Sprechende Namen (aid<br />

heißt übersetzt aus dem Englischen<br />

übersetzt Hilfe, charity Nächstenliebe),<br />

die mit ihrem Ansinnen elegant in die<br />

Tür fallen. Die Gründer wollten zuerst<br />

eine Limo verkaufen, wie man sie in Sri<br />

Lanka an jeder Ecke bekommt: Direktsaft<br />

aus frisch gepressten Limetten,<br />

Rohrzucker und ein wenig Wasser,<br />

mehr nicht. Wochenlang tüftelten sie<br />

am exakten Mischverhältnis: „Das muss<br />

schon schmecken, aus Mitleid kauft keiner<br />

Lebensmittel“, so Bethke.<br />

Alle Rohstoffe, die sie verwenden,<br />

sind Bio- und Fair-Trade-zertifiziert.<br />

„Bio ist gut“, sagt Bethke, „aber danach<br />

muss automatisch die Frage kommen:<br />

,Was ist eigentlich mit den Leuten auf<br />

dem Feld?‘“ Deshalb beziehen sie die<br />

Rohwaren für ihre Getränke von unabhängigen<br />

Kleinbauern-Kooperativen in<br />

den Erzeugerländern. „Entwicklungszusammenarbeit<br />

soll nicht bloß ein<br />

Schlagwort sein, das wir auf Flipcharts<br />

schreiben“, sagt Berndt, sondern: eine<br />

echte Perspektive. Die Bauern sollen<br />

sich darauf verlassen können, dass ihnen<br />

jemand ihre Erzeugnisse langfristig<br />

und zu guten Konditionen abnimmt.<br />

Bis heute arbeiten sie mit denselben<br />

Kooperativen zusammen wie im Gründungsjahr<br />

2009 – mit einer Ausnahme.<br />

„Die haben es mit dem sozialen Hintergrund<br />

dann doch nicht so ernst genommen,<br />

obwohl sie ein entsprechendes<br />

Zertifikat hatten“, so Bethke. Stattdessen<br />

kooperieren sie in Südafrika nun<br />

mit der ersten, von Schwarzen gegründeten<br />

Kleinbauernkooperative. Neben<br />

den Arbeitsbedingungen stimmt auch<br />

die zwischenmenschliche Chemie.<br />

„Man muss hinfahren, vom Rechner<br />

aus recherchieren reicht nicht“, sagt<br />

Bethke. Als sie nach Kleinbauern für<br />

ihr neuestes Produkt, den losen Tee,<br />

suchten, klapperten sie alle Bio-Fair-<br />

Trade-Teeplantagen in Ruanda ab.<br />

Berndt: „Von den Bauern haben wir<br />

dann gehört: ,Ihr seid die allerersten<br />

Kunden, die jemals hierhergekommen<br />

sind.‘“ Das sei schon etwas Besonderes,<br />

sagt Bethke, auch wenn sich die<br />

Kleinbauern gewundert hätten, dass<br />

plötzlich ein Haufen junger Leute aus<br />

Deutschland mit „Trinken hilft“-<br />

T-Shirts aufkreuzte.<br />

Sozialunternehmen Lemonaid<br />

Standort: Hamburg-St. Pauli<br />

Gründung: 2009<br />

Motto: „Trinken hilft“ – mit dem Verkauf ihrer Limonaden<br />

(Lemonaid), Eistees und losen Tees (ChariTea) wollen<br />

die Gründer Paul Bethke (36), Jakob Berndt (36) und<br />

Felix Langguth (37) Kleinbauernkooperativen in den<br />

Erzeugerländern stärken, die gerecht für ihre Arbeit<br />

bezahlt werden. Von jedem verkauften Getränk fließen<br />

zudem 5 Cent an den Lemonaid&ChariTea-Verein,<br />

der soziale Projekte in den Herkunftsländern unterstützt.<br />

Rohstoffe: Alle Rohwaren wie Tee, Rohrzucker und Limetten<br />

stammen zu 100 Prozent aus Bio- und Fair-Trade-zertifizierter Landwirtschaft.<br />

Mitarbeiter: 70<br />

Umsatz: 10 Millionen Euro (2016)<br />

Lemonaid&ChariTea-Verein: 1,2 Millionen Euro für soziale Projekte (seit 2010)<br />

Mehr Info: www.lemon-aid.de<br />

36


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Die Besser-Verdiener<br />

„Bio ist gut, aber<br />

was ist mit den<br />

Bauern?“ PAUL BETHKE<br />

Wenn man mit den Lemonaid-Gründern<br />

spricht, fällt häufig das Wort „Herzensangelegenheit“.<br />

Berndt ist es fast<br />

unangenehm, aber er benutzt es einfach<br />

zu gern, um zu beschreiben: Das<br />

hier ist mehr als ein weiterer Job für den<br />

Lebenslauf. Und dann ist da ja auch<br />

noch ihr Lemonaid&ChariTea-Verein.<br />

Den haben sie 2010 gegründet. Von jeder<br />

verkauften Getränkeflasche fließen<br />

5 Cent in die Vereinsarbeit. Mit dem<br />

Geld unterstützen sie soziale Projekte in<br />

den Erzeugerländern. In Paraguay zum<br />

Beispiel eine Landwirtschaftsschule, in<br />

der junge Leute zu Ökobauern ausgebildet<br />

werden und einen Kinderhort. In<br />

Südafrika geben sie Gelder für Mini-<br />

Solaranlagen, die an die Landbevölkerung<br />

verteilt werden, damit diese unabhängig<br />

von der Stromversorgung sind.<br />

Insgesamt hat der Verein seit seinem<br />

Bestehen rund 1,2 Millionen Euro<br />

investiert. Geld, das ankommt: So konnten<br />

schwarze Kleinbauern im südafrikanischen<br />

Heiveld durch einen Mikrokredit<br />

2497 Hektar Land kaufen und ihre<br />

Zukunft dadurch sichern. Trotzdem haben<br />

sie noch viel zu tun, sagen die<br />

Lemonaid-Gründer. Daran ändern<br />

auch „die paar Pokale“ nichts, sagt Paul<br />

Bethke und meint damit Auszeichnungen<br />

wie den Deutschen Gründerpreis<br />

(2016). Gut 70 Mitarbeiter beschäftigen<br />

sie heute, eine bunte Truppe Überzeugungstäter.<br />

„Das totale Familiending,<br />

fast wie eine Sekte“, scherzt Bethke.<br />

Die Kritik, dass nur Großstädter<br />

mit Ökogewissen sich leisten könnten,<br />

„trinkend die Welt zu verbessern“, kennen<br />

sie. Berndt entgegnet, dass sie mit<br />

ihrer Idee, sozialer zu wirtschaften und<br />

Kleinbauern zu stärken, jetzt auch in<br />

Bereiche vordringen, die vorher nicht<br />

sonderlich für solche Themen sensibilisiert<br />

waren: Betriebskantinen, Schulen<br />

oder Musikfestivals etwa.<br />

Im vergangenen Jahr haben die Freunde<br />

rund 10 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet.<br />

Da klingeln auch schon<br />

mal Kaufinteressenten durch. „Da ruft<br />

aber nicht Herr Coca-Cola an und sagt<br />

‚Wir wollen euch kaufen‘. Oft sind das<br />

so bankenartige Firmen mit Kontakten<br />

zu großen Playern“, sagt Bethke. Ihre<br />

Herzensangelegenheit an einen internationalen<br />

Großkonzern verkaufen, so wie<br />

Bionade? Das steht nicht zur Debatte.<br />

„Wir wollen das Projekt, das wir geschaffen<br />

haben, weiter nach vorn treiben“,<br />

sagt Paul Bethke. Jakob Berndt<br />

nickt. „Wir haben so unterschiedliche<br />

Werte und Interessen, dass es keinen<br />

Sinn ergeben würde, sich an einen Tisch<br />

zu setzen.“ Er sieht sehr zufrieden aus,<br />

als er das sagt. •<br />

Kontakt: simone.deckner@hinzundkunzt.de<br />

In dieser Serie bereits erschienen<br />

Bridge&Tunnel – Social Design Label<br />

aus Wilhelmsburg (Mai <strong>2017</strong>)<br />

Was wurde eigentlich<br />

aus der Pfandkiste?<br />

Kurzinterview mit Lemonaid-Gründer Jakob Berndt.<br />

„Debatte<br />

angestoßen“:<br />

Lemonaid-Gründer<br />

Jakob Berndt.<br />

FOTOS SEITE 36: ALBERT RETIEF (OBEN LINKS),<br />

JOANNA BERENDSOHN (OBEN RECHTS), OLE EKHOFF; SEITE 37: ETSY<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>: Vor drei Jahren<br />

sah man plötzlich überall eure<br />

Pfandkisten für Flaschensammler<br />

hängen (Foto im Kasten, S. 36).<br />

Wie kamt ihr auf die Idee?<br />

JAKOB BERNDT: Wir wollten die<br />

Lücke zu „Pfand gehört daneben“<br />

schließen. Eine<br />

Pfandkiste macht da total<br />

Sinn, die gab es bis dahin so<br />

nicht. Wir haben dann die<br />

ersten Kisten in Hamburg<br />

und anderen Großstädten<br />

aufgehängt, ein kleines Handyvideo<br />

gedreht und das online<br />

gestellt. Darauf gab es<br />

großen Zuspruch, auch von<br />

den Pfandsammlern selbst.<br />

Später kamen Workshops an<br />

Unis und Schulen dazu, das<br />

hat sich verselbstständigt.<br />

Aber es lief nicht immer reibungslos:<br />

Wenn Pfandkisten sich<br />

auf öffentlichem Grund befanden,<br />

wurden sie abgenommen.<br />

Das war tatsächlich sehr unterschiedlich.<br />

In Frankfurt<br />

haben sie rigoros alle Kisten<br />

wieder abgehängt und das<br />

mit Verletzungsgefahr begründet.<br />

Aber dann gab es<br />

auch Anrufe wie den der<br />

Sekretärin des Bürgermeisters<br />

von Hagen. Die hat uns<br />

offiziell um Erlaubnis gefragt,<br />

ob sie unsere Pfandkisten<br />

aufhängen dürften (lacht).<br />

In Hamburg hat uns der<br />

HVV auch mal auf die Finger<br />

gehauen, als wir in einer<br />

U-Bahn-Station etwas mit<br />

den Kisten gemacht haben.<br />

Heute gibt es hier einige wenige<br />

Big-Belly-Mülleimer der Stadtreinigung<br />

mit festen Pfandregalen.<br />

Ab dem Moment haben wir<br />

uns da auch ein bisschen<br />

rausgezogen. Wir verbuchen<br />

es als Erfolg, diese Debatte<br />

angestoßen zu haben. Wobei<br />

wir dachten, das würde noch<br />

flächendeckender ausgebaut.<br />

Das Problem bis heute:<br />

Viele packen allen möglichen<br />

Müll in die Pfandregale, nur<br />

keine Flaschen, stimmt’s?<br />

Jeder Mensch, der einen<br />

Fahrradkorb hat, kennt das<br />

Problem. Alles, was irgendwie<br />

rechteckig und im öffentlichen<br />

Raum ist, wird als<br />

Mülleimer benutzt. •<br />

37


Rubrik<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>292</strong>/JUNI <strong>2017</strong><br />

Hamburg liebt<br />

seine Hinterhöfe<br />

Am Tag der Architektur- und Ingenieurbaukunst präsentiert Joachim Jacob einen<br />

Ausschnitt der Hamburger Baugeschichte. Der Rundgang des Experten führt zu<br />

Wohnhöfen, die es so nur in Hamburg gibt. Wir waren vorab mit ihm unterwegs.<br />

TEXT: JONAS FÜLLNER<br />

FOTOS: LENA MAJA WÖHLER<br />

Die Sonne scheint. In den Hinterhöfen<br />

der Wohlwillstraße<br />

und Karolinenpassage auf St.<br />

Pauli sitzen Nachbarn. Sie grillen, trinken<br />

Kaffee und klönen. Die alten Höfe<br />

sind eng, trotzdem hell und vor allem<br />

ruhig. Kein Wunder, dass die sogenannten<br />

Hamburger Terrassen heutzutage<br />

begehrte Wohnorte sind.<br />

38<br />

Joachim Jacob, der Architektur studiert<br />

hat und heute als freischaffender Künstler<br />

arbeitet, ist Baugeschichtsexperte<br />

und führt uns durch die Stadt. Er liebt<br />

die alten Gassen, die es so nur in Hamburg<br />

gibt. Die zeilenförmig angeordneten,<br />

mehrgeschossigen Blockbauten<br />

entstanden in der zweiten Hälfte des<br />

19. Jahrhunderts in den damaligen Vororten<br />

St. Pauli, Eimsbüttel oder auch<br />

dem Karoviertel. Der Raum in Hamburg<br />

war durch die Stadtmauern begrenzt<br />

und so wurden die Hinterhöfe<br />

im rechten Winkel zur Straßenachse<br />

mit flachen, gleichförmigen Arbeiterhäusern<br />

bebaut.<br />

Aber spätestens nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg galten die Höfe als unhygie-


2<br />

3<br />

1 Auch Neubauten können schön sein.<br />

Mitten im Schanzenviertel versteckt sich<br />

dieses kleine Idyll in der Lippmannstraße.<br />

2 Alles nur Fassade? Die Peterstraße<br />

wurde in den 1970ern neu aufgebaut.<br />

Die Häuser standen einst an anderen Orten.<br />

3 Hamburgs Weltkulturerbe ist die<br />

Speicherstadt. Auch schön sind die Häuser<br />

der Jägerpassage in der Wohlwillstraße.<br />

4 Stadtführer Joachim Jacob (links)<br />

und Redakteur Jonas Füllner bei ihrer<br />

Rundtour durch Hamburgs Hinterhöfe.<br />

5 Wirklich nicht schön: In der Becker’s<br />

Passage auf St. Pauli schauen die<br />

Nachbarn auf einen modrigen Graustreifen.<br />

4<br />

5<br />

1<br />

nisch und dunkel. Was nicht zerbombt<br />

war, wurde nach und nach abgerissen<br />

und durch Nachkriegsbauten ersetzt.<br />

Die waren nicht hübsch. Aber praktisch<br />

im Vergleich zu den Hamburger<br />

Terrassen, bei denen oftmals Toiletten<br />

und Wasseranschlüsse noch außerhalb<br />

der Wohnungen lagen.<br />

Natürlich waren die Altbauten problematisch,<br />

räumt Jacob ein. Zum Beispiel,<br />

wenn unbrauchbare Flächen entstanden,<br />

die im schlimmsten Fall zu<br />

Müllablagen werden. Jacob zeigt uns<br />

die Becker’s Passage in der Clemens-<br />

Schultz-Straße. In dem Gang zwischen<br />

zwei Häuserzeilen wuchert Unkraut<br />

zwischen Müllbergen. Der Eigentümer<br />

hat sich offensichtlich seit Jahren nicht<br />

mehr um seine Häuser gekümmert.<br />

Man könne trotzdem von Glück<br />

sprechen, dass sich in den 1980ern unter<br />

Stadtplanern und Architekten die<br />

Einsicht durchsetzte, dass die Altbaubestände<br />

eine besondere nachbarschaftliche<br />

Qualität bergen, meint Jacob. Endlich<br />

wurden die oftmals verfallenen<br />

Häuser saniert und modernisiert. Es sei<br />

kein Zufall, dass Teile von St. Pauli und<br />

das Karoviertel so beliebt seien.<br />

Jacob führt uns weiter ins Schanzenviertel<br />

zu einem Neubau. Er will uns<br />

zeigen, dass auch Neubauten ähnliche<br />

Qualitäten vorweisen können. Tatsächlich<br />

zeigt sich in dem Innenhof eine<br />

wunderschöne Anlage mit ansprechenden<br />

Balkonen, verwunschenen Grünflächen<br />

und einer modernen Architektur.<br />

Die Besonderheit des 1993 von der<br />

Architektin Mirjana Markovi und ihrem<br />

Büro MRLV entworfenen Vorzeigeprojektes:<br />

Es handelt sich um einen<br />

Sozialwohnungsbau. Jacob: „Ich wundere<br />

mich immer, warum nicht viel<br />

öfter so gebaut wird.“ •<br />

39<br />

Architektur- und Ingenieurbau<br />

An dem Wochenende 24. und 25. <strong>Juni</strong><br />

können Sie am „Tag der Architektur- und<br />

Ingenieurbaukunst“ rund 50 Bauwerke<br />

besichtigen, zu denen man sonst selten<br />

Zugang erhält. Außerdem gibt es geführte<br />

Rundgänge. Alle Programmpunkte<br />

sind kostenlos. Die Tour von Joachim<br />

Jakob „So dicht wohnen?“ startet<br />

Sa, 24. <strong>Juni</strong>, um 14 Uhr. Eine Anmeldung<br />

über die Seite www.tda-hamburg.de<br />

ist erforderlich. Dort finden Sie auch<br />

weitere Informationen zum Programm.


Rudolf D. weiß, dass er bipolar ist.<br />

„Ich habe eine Diagnose, aber viele<br />

laufen da draußen rum, die so sind<br />

wie ich. Sie wissen es nur nicht.“


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Freunde<br />

Leben zwischen<br />

den Extremen<br />

Überbordende Energie oder bleierne Schwermut – das Leben mit einer<br />

bipolaren Störung ist extrem anstrengend und oft gefährlich.<br />

Rudolf D. hat das lange nicht erkannt. Jetzt stellt er sich seiner Krankheit.<br />

TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />

FOTOS: ANDREAS HORNOFF<br />

„Das Schweigen spricht. Ich höre meinen<br />

Atem. Selbstgespräche, immer wieder.“<br />

Messerscharf spricht Rudolf D. (52) die<br />

Sätze aus, seine Augen funkeln durch<br />

die Brillengläser, seine Stimme wächst<br />

bis in den hintersten Winkel des Raums.<br />

Früher füllte er Theatersäle mit dieser<br />

Stimme, zum großen Finale des Stücks<br />

„Abwärts zu den Sternen“. Zwölf Jahre<br />

ist es her, dass er mit dem Laienensemble<br />

„Obdach-Fertig-Los“ auf der Bühne<br />

stand. Der Text sitzt immer noch bis ins<br />

letzte Komma. „Ja“, sagt Rudolf D.<br />

und lächelt. „Der passt zu mir.“<br />

Er atmet durch und der Raum, der<br />

eben noch Bühne war, wird wieder zu<br />

seinem Zimmer. Durch das Fenster<br />

zum Balkon fällt graues Tageslicht auf<br />

den PVC-Boden, draußen plätschert<br />

der Regen auf die benachbarte Brachfläche.<br />

Pkw, Laster, Krankenwagen rasen<br />

über die Spaldingstraße. „Es ist<br />

auch ein bisschen wie Kino hier“, sagt<br />

Rudolf D. Seit neun Monaten lebt er<br />

jetzt im Wohnprojekt Münze. Es fühlt<br />

sich genau richtig an, sagt er. „Wir sind<br />

hier alle ein bisschen matschig in der<br />

Birne.“ Darf er so sagen. Er meint sich<br />

ja auch selbst: Bipolare Störung heißt<br />

das in seinem Fall, korrekterweise.<br />

Jahrelang lebte Rudolf D. über seine<br />

Krankheit hinweg. Er arbeitete als<br />

Fahrer für einen Zeitungsverlag, fuhr<br />

1500 Kilometer pro Tag. Als es Streit<br />

gab mit dem Chef, schmiss er hin.<br />

Ging nicht mehr zur Arbeit, nicht<br />

mehr in seine Dienstwohnung. Rudolf<br />

D. wurde obdachlos, ein Alarmzeichen<br />

– doch er wusste es nicht zu deuten. Es<br />

ging ja auch wieder bergauf, als er zum<br />

Obdachlosentheater stieß und dort einen<br />

richtig guten Freund fand. Dann<br />

eine neue Wohnung, ein neuer Job.<br />

Nach außen schien alles im Lot. Nach<br />

innen schaute Rudolf D. nicht gern.<br />

Selbst als die Krankheit ihm akut gefährlich<br />

wurde, wollte er von einer Diagnose<br />

nichts wissen.<br />

„Ich werd euch zeigen, was für ein toller<br />

Kerl ich bin. Alle Geräte werde ich anmachen,<br />

Tag und Nacht volle Lautstärke. Und ich werd<br />

lachen, haaa! Lachen werd ich! Und nachts<br />

um zwei werde ich auf den Balkon gehen und<br />

sagen: Ich lebe! Ich lebe!“<br />

So wie in seinem Bühnentext fühlte sich<br />

für Rudolf D. die Manie an – das eine<br />

Extrem der bipolaren Störung. Die<br />

Krankheit, die früher als „manisch-depressiv“<br />

beschrieben wurde, verläuft in<br />

Phasen, die einen Menschen völlig aus<br />

der Bahn werfen können. „In einer manischen<br />

Phase hat man erst unheimlich<br />

viel Energie und positive Stimmung“,<br />

erklärt Professor Thomas Bock, Psychologe<br />

am UKE und Mitgründer des Vereins<br />

„Irre menschlich“. Das Hochgefühl<br />

ist jedoch trügerisch. „Es beginnt<br />

überzuborden, man fängt ganz viele<br />

Sachen an, bringt sie nicht zu Ende und<br />

wird immer hektischer.“ Was als fröhlicher<br />

Tatendrang anfing, wird zum alles<br />

bestimmenden Chaos.<br />

Den Kontrollverlust habe er selbst<br />

gar nicht bemerkt, sagt Rudolf D. Bis<br />

es eines Tages brenzlig wurde. „Ich<br />

hatte den Zwang, U-Bahn zu fahren.<br />

Egal wohin“, erzählt er. Ständig stieg<br />

er von einer Linie in die nächste um.<br />

„Die Bahn fuhr rein und auf einmal<br />

41<br />

„In einer<br />

depressiven Phase<br />

ist man völlig<br />

hilflos.“ RUDOLF D.<br />

kam mir der Gedanke: Was, wenn du<br />

jetzt einen Schritt vorwärts machst?“<br />

Er stockt. Das war mehr als ein absurder<br />

Einfall damals – der Gedanke<br />

drängte sich auf, wurde übermächtig.<br />

Da merkte Rudolf D., dass er sich<br />

selbst nicht mehr trauen konnte. „Das<br />

hat mir unheimlich Angst gemacht.“<br />

Er riss sich vom Bahnsteig los, versuchte<br />

sich mit Busfahren zu beruhigen.<br />

Dann rief er seinen Freund aus der<br />

Theatergruppe an: „Gerhard, ich weiß<br />

nicht mehr weiter.“ Der lud ihn ins<br />

Auto, fuhr mit ihm nach Ochsenzoll.<br />

Vier Wochen blieb Rudolf D. in<br />

der Psychiatrie. Was ihm das bringen<br />

sollte, war ihm damals schleierhaft.<br />

„Ich habe mich gefühlt wie aufbewahrt“,<br />

sagt er. Es werde schon wieder,<br />

sagten die Ärzte. „Aber in einer depressiven<br />

Phase glaubt man das nicht“,<br />

sagt Rudolf D. An Therapie oder seelischen<br />

Beistand kann er sich nicht erinnern.<br />

„Am Ende hatte es etwas von<br />

Urlaub.“ Ein Urlaub, den er nie gebucht<br />

hatte. Fremde Leute, nichts zu<br />

tun. Nur furchtbare Leere. So kam<br />

ihm das damals vor.


Psychologe Thomas Bock wirbt<br />

im Verein „Irre menschlich Hamburg“<br />

für Toleranz im Umgang mit psychischen<br />

Erkrankungen.<br />

„Mich hat noch nie jemand besucht. Noch nie<br />

hat das blöde Telefon geklingelt, es hat sich<br />

noch nicht einmal jemand verwählt und aus<br />

Versehen bei mir angerufen. Ab und zu rufe ich<br />

die Zeitansage an, um eine andere Stimme zu<br />

hören als meine eigene.“<br />

Das ist das andere Extrem: die Talfahrt<br />

in die Depression. Die Gedanken werden<br />

unheimlich schwer. Man ist in sich<br />

gekehrt, manchmal auch aggressiv gegenüber<br />

sich selbst, erklärt Thomas<br />

Bock: „Im schlimmsten Fall schafft man<br />

es nicht mehr, irgendetwas zu wollen.“<br />

Rudolf D. verließ die Psychiatrie,<br />

ohne wissen zu wollen, was mit ihm los<br />

war. Er war nie der Typ, der seine Patientenakte<br />

auswendig lernen würde.<br />

Sein Seelenleben zu ergründen, lag<br />

ihm erst recht fern. Und von den Bekannten<br />

fragte niemand ernsthaft<br />

nach. Vielleicht hätte er sonst gemerkt,<br />

wie schnell er schon früher ins Extrem<br />

verfiel. Dass er dabei war, den Halt zu<br />

verlieren, als er Job und Wohnung aufgab.<br />

Er lief die Mönckebergstraße<br />

hoch und runter, bis er nicht mehr<br />

konnte. „Abends habe ich die Leute<br />

gesehen, die in den Ladeneingängen<br />

lagen.“ Er atmet tief ein und sagt: „Ich<br />

Filmabend: „Die Summe meiner einzelnen Teile“<br />

Martin ist ein genialer Mathematiker, der<br />

Karriere in einem großen Unternehmen<br />

macht. Er führt ein zufriedenes Leben –<br />

bis er einen Zusammenbruch erleidet,<br />

psychisch erkrankt und schließlich<br />

auf der Straße landet. Regisseur Hans<br />

Weingartner hat über Martins Krise einen<br />

bewegenden Spielfilm gedreht.<br />

Er läuft am 20. und 21. <strong>Juni</strong> in der Reihe<br />

„Flexibles Flimmern“. Veranstalter<br />

Holger Kraus zeigt in seinem mobilen<br />

Kino Filme an ungewöhnlichen<br />

Orten. Infos: www. flexiblesflimmern.de<br />

20. <strong>Juni</strong>: Prof. Dr. Peter Ostendorf, Praxis<br />

ohne Grenzen, spricht vor dem Film über<br />

seinen Alltag bei der kostenlosen Behandlung<br />

von Menschen ohne Versicherung.<br />

www.praxisohnegrenzen.de.<br />

21. <strong>Juni</strong>: Annette Antkowiak, Koordinatorin<br />

des Caritas-Krankenmobils und Sozialarbeiter<br />

Thorsten Eikmeyer, Caritas-<br />

Krankenstube, geben Einblicke in die<br />

ambulante medizinische Versorgung von<br />

Obdachlosen. www.huklink.de/caritaskrankenmobil<br />

Für die Stärkung vor dem Film sorgen<br />

zwei Hinz&Künztler: Chris und Reiner<br />

servieren selbst gemachte Kartoffelsuppe<br />

und Kartoffelsalat mit Buletten.<br />

Eintritt: 12 Euro (davon 3 Euro Spende)<br />

Anmeldung erforderlich unter<br />

reservierungen@flexiblesflimmern.de<br />

Einlass: jeweils 19 Uhr, Beginn 20 Uhr<br />

Ort: Medizinhistorisches Museum<br />

Hamburg, Universitätsklinikum Hamburg-<br />

Eppendorf, Fritz-Schumacher-Haus<br />

(Gebäude N30 b), Martinistr. 52<br />

In dem denkmalgeschützten Haus in der<br />

ehemaligen Pathologie des UKE gibt das<br />

medizinhistorische Museum einen Einblick<br />

in 150 Jahre Medizingeschichte. Ein Teil<br />

der Räume ist zum Filmabend geöffnet.<br />

Reguläre Öffnungszeiten: Sa und So,<br />

13 bis 18 Uhr, Öffentliche Führung So,<br />

15 Uhr, Eintritt 6/4 Euro, www.huklink.de/<br />

medizinhistorisches-museum<br />

Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />

42


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

habe die bewundert.“ Sie hatten einen<br />

Platz, wo sie zur Ruhe kommen würden,<br />

dachte er. Er selbst war ohne<br />

Rast. Völlig erschöpft verbrachte er<br />

die Nacht vor dem Hauptbahnhof.<br />

Die neun Monate draußen, die darauf<br />

folgten, sie hätten der finale Tiefpunkt<br />

werden können. Doch Rudolf<br />

D. hatte Glück. Straßensozialarbeiter<br />

der Caritas verschafften ihm eine Bleibe.<br />

Er fing in einer Recyclingfirma an,<br />

hatte einen Chef, der es ihm nachsah,<br />

wenn er es in depressiven Phasen morgens<br />

nicht in die Firma schaffte. Beim<br />

Theater „Obdach-Fertig-Los“ schrieb<br />

er nun die Stücke. Und er traf auf einen<br />

Arzt, der ihn mit seiner psychischen<br />

Erkrankung konfrontierte, als<br />

Rudolf D. bei einem Klinikaufenthalt<br />

eine manische Phase durchmachte.<br />

„Ich dachte erst: Was will der von<br />

mir?“, erzählt Rudolf D. „Heute muss<br />

ich ihm Recht geben.“<br />

„Das Schweigen spricht, ich höre meinen<br />

Atem. Selbstgespräche, immer wieder.<br />

Gleich kommt die Schwester mit den Tabletten.<br />

Aufstehen darf ich noch nicht. Denn jetzt bin<br />

ich ja psychisch krank, hat der Arzt gesagt.“<br />

Freunde<br />

Was hat sich geändert seit der Diagnose?<br />

„Mein Leben ist bedeutend schwieriger<br />

geworden“, sagt Rudolf D. Ständig<br />

ist er nun auf der Hut: Ist das noch<br />

gute Laune, oder will ich schon wieder<br />

mit dem Kopf durch die Wand? „Ich<br />

möchte diesen Kampf nicht mehr haben,<br />

dieses ständige Hinterfragen“, sagt<br />

er. Bald wird er seine erste Therapie antreten.<br />

Dass der Weg dorthin lange dauert,<br />

ist laut Psychologe Thomas Bock<br />

nicht selten – es braucht Vertrauen, ihn<br />

zu gehen. Die Therapie soll Rudolf D.<br />

helfen, sein Mittelmaß zu finden. Und<br />

zu halten. Eine große Kunst, sagt Bock.<br />

Nicht nur kranken Menschen falle es<br />

schwer, sich mit einem gleichförmigen<br />

Leben zufriedenzugeben.<br />

Rudolf D. in seinem Zimmer mit<br />

dem PVC-Boden und dem Verkehr<br />

vor dem Fenster ist schon ziemlich gut<br />

darin. Es klappt jetzt besser, die Seele<br />

in Balance zu halten, sagt er. Seine<br />

Nachbarn und Bekannten helfen ihm<br />

dabei. Sie kennen sich aus mit seelischen<br />

Schwankungen und wollen ihm<br />

Bescheid geben, wenn er sich auffällig<br />

verhält. Bisher haben sie noch nichts<br />

gesagt – ein gutes Zeichen. Außerdem<br />

trifft sich Rudolf D. regelmäßig mit<br />

seiner Recovery-Gruppe, in der er seine<br />

Stärken zur Geltung bringen kann,<br />

seine Offenheit und Kreativität. „Bei<br />

mir ist ja nicht alles krank“, sagt er.<br />

Heute weiß er, dass er sich wegen seiner<br />

Krankheit nicht verstecken muss.<br />

Es kann schließlich jeden treffen. „Wir<br />

haben eine Diagnose“, sagt Rudolf D.<br />

„Aber viele Tausende da draußen laufen<br />

genau so rum wie wir. Die wissen<br />

nur nicht, dass sie krank sind.“ •<br />

Mehr Infos unter:<br />

www.irremenschlich.de<br />

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• Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />

• Hamburger Tafel • Axel Ruepp Rätselservice<br />

• Hamburger Kunsthalle<br />

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• Treuhandstiftung August Mohr Stiftung<br />

(in Trägerschaft der BürgerStiftung Hamburg)<br />

• Rotary Hilfe des Rotary Club Hamburg Elbe<br />

NEUE FREUNDE:<br />

• Simon Asche • Tina Busch<br />

• Aljosha Deen • Eva Jeberien<br />

• Alexander Klar • Karl-Heinz Kohlschütter<br />

• Elke König • Ingrid und Frank Krüger<br />

• Brigitte Lindenberg • Maren Lorenz<br />

• Stefanie Matz • Isabelle Nini<br />

• Gerhard Rinneberg • Bettina Schneider<br />

• Edgar Seeberg • Klaus Vosgerau<br />

• Werner Wilbert<br />

BIC<br />

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Wir versichern, dass Ihre Angaben nur für interne<br />

Zwecke bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> verwendet werden. Ihre<br />

Mitgliedschaft im Freundeskreis ist jederzeit kündbar.<br />

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Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Freundeskreis<br />

Altstädter Twiete 1-5, 20095 Hamburg<br />

Oder online im Freundeskreis anmelden unter<br />

www.hinzundkunzt.de/freundeskreis<br />

43<br />

HK <strong>292</strong>


Fotokunst<br />

für einen<br />

guten Zweck<br />

Zum zweiten Mal verkauft Flo Peters in ihrer Galerie<br />

Fotos – und spendet den Erlös an Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

TEXT: FRANK KEIL<br />

PORTRÄT FLO PETERS: DMITRIJ LELTSCHUK<br />

Mittagspause über den Dächern<br />

Londons, 1931. Fotograf<br />

unbekannt (links). Der Schriftsteller<br />

T. S. Elliot auf den Bahamas<br />

unter Palmen (rechts), Aufnahme von<br />

Slim Aaron, 1957.<br />

Die Ansage ist klar und eindeutig:<br />

„Es gibt schöne Fotos, es gibt<br />

keine verstörenden Bilder. Und<br />

ich glaube, es ist für jeden was dabei.“<br />

Zwei Jahre ist es her, dass Flo Peters in<br />

ihrer gleichnamigen Fotogalerie im Chilehaus<br />

eine Ausstellung organisierte, deren<br />

Erlös Hinz&<strong>Kunzt</strong> zugutekam. Und<br />

nun wird sie genau dies wiederholen.<br />

„Das Schöne an so einer Ausstellung:<br />

Man muss weder ein bestimmtes<br />

Genre bedienen, noch einer thematischen<br />

Linie folgen.“ Und so hat sie bei<br />

Fotografen nachgefragt, ob sie ihr das eine<br />

oder andere Bild überlassen. Hat in<br />

ihrem Fundus nachgeschaut. Entdeckt<br />

hat sie dort die Aufnahme eines Portiers,<br />

der sich zu einem Dackel tief hinunterbückt,<br />

ihm vielleicht die Welt erklärt.<br />

„Ich habe das Bild vor vielen Jahren<br />

mal irgendwo in London gesehen, fand<br />

44


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Freunde<br />

Galeristin Flo Peters<br />

inmitten ihrer Schätze:<br />

„Amy Winehouse<br />

und Ozzy Osbourne“,<br />

Aufnahme von Ross Halfin,<br />

London, 2007 (linke Seite<br />

oben). „Commissionaire’s<br />

dog“ von Kurt Hutton,<br />

London, 1938.<br />

es sehr berührend“, erzählt sie. „Und als<br />

ich nun überlegte, was kommt bei den<br />

meisten Menschen gut an? Fotos mit<br />

Hunden, ob Sie’s glauben oder nicht“,<br />

sagt Flo Peters.<br />

Spannend ist auch die Geschichte<br />

des Fotografen Kurt Hübschmann, der<br />

ab Anfang der 1930er-Jahre in Berlin ein<br />

Porträtstudio unterhielt. Er reiste 1934<br />

nach Wimbledon, um das Tennisturnier<br />

zu fotografieren. Und er blieb, arbeitete<br />

für englische Zeitungen und nannte sich<br />

bald Kurt Hutton. Sein nächtliches<br />

Hundebild hat er 1938 aufgenommen.<br />

Nach Ausbruch des Krieges wurde er<br />

wie fast alle Deutschen, die sich in England<br />

aufhielten, auf der Insel Isle of<br />

Man interniert. 1941 wurde er wieder<br />

freigelassen und setzte seine Arbeit fort.<br />

Eine nächste Aufnahme wirft einen<br />

Blick auf den Hamburger Hafen und<br />

die damals vereiste Elbe und führt<br />

zurück in eine Zeit, als noch niemand<br />

etwas von Containern ahnte. „Franz<br />

Münster war ein Hamburger Fotograf,<br />

ein ganz ausgezeichneter. Gehörte zur<br />

Hamburger Amateurfotografenvereinigung,<br />

die sich Anfang des 20. Jahrhunderts<br />

gegründet hat.“ Jahrgang 1898,<br />

Spross einer Hamburger Kaufmannsfamilie<br />

und selbst Kaufmann. „Von daher<br />

hatte er das Geld und auch die Zeit,<br />

selber Abzüge zu machen. Das war ja<br />

am Anfang viel schwieriger und langwieriger,<br />

als später in den 1950er- und<br />

1960er-Jahren“, erzählt sie – und sagt<br />

wie nebenher: „Ich habe damals das<br />

ganze Archiv auf gekauft.“<br />

Und auch von Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Fotograf<br />

Mauricio Bustamante kann man<br />

ein Bild kaufen: auch eins mit Hund.<br />

„Wir hoffen, dass was zusammenkommt“,<br />

sagt Flo Peters. Und sie hofft,<br />

auch solche Käufer zu erreichen, die bislang<br />

noch nichts mit Hinz&<strong>Kunzt</strong> zu tun<br />

gehabt haben. „Die haben dann ein gutes<br />

Bild an der Wand hängen und eine<br />

gute Sache unterstützt. Zwei Fliegen mit<br />

einer Klappe, fertig ist.“ •<br />

Eröffnung: Di, 30.5., 18 Uhr.<br />

Die Ausstellung läuft bis zum 3.6. Öffnungszeiten:<br />

Mi–Fr, 12–18 Uhr, Sa, 11–15 Uhr;<br />

Pumpen 8, Chilehaus<br />

45


Buh&Beifall<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>292</strong>/JUNI <strong>2017</strong><br />

Was unsere Leser meinen<br />

„Es ist Zeit für sichere Übernachtungsplätze“<br />

„Reise in die falsche Richtung“<br />

H&K 291, Daten & Fakten zu Armut und<br />

Reichtum<br />

Es zeigt sich eine verfehlte Gesellschafts-<br />

und Steuerpolitik. Gern<br />

wird die Ideologie ewigen Wirtschaftswachstums<br />

als „unsichtbare<br />

Hand“ zur Förderung des sozialen<br />

Ausgleichs beschworen und zum Vorwand<br />

genommen, Kapitalansammlung<br />

bei wenigen zu fördern, weil das<br />

angeblich Arbeitsplätze schafft. Wenn<br />

aber mit Erträgen aus Kapitalanhäufung<br />

mehr Ertrag zu erzielen ist als<br />

mit Investitionen in Produktion, Infrastruktur<br />

und Bildung, geht die Reise<br />

in die falsche Richtung. HARALD GARZKE<br />

„Gut, sozial, gerecht“<br />

H&K 291, Interview mit Thomas Straubhaar<br />

zum Grundeinkommen<br />

Ich finde diese Idee gut, sozial<br />

und gerecht. Leider befürchte ich, da<br />

die „Verrechnung des Grundgehaltes<br />

mit den Einkünften einer politischen<br />

Ausgestaltung“ unterliegen soll, eine<br />

Einflussnahme der Besser- und Bestverdienenden<br />

sowie der Vermögenden<br />

zu Lasten der Geringverdienenden.<br />

Ich habe den Glauben an eine gerechte,<br />

soziale Politik für alle Bürger verloren.<br />

Das jährliche Vorgehen der Sozialbehörde<br />

bei der Winternothilfe<br />

sowie die jetzigen Planungen für G20<br />

verstärken diesen Unglauben. D. SCHÜTT<br />

„Kauf des Heftes ein Gewinn“<br />

H&K 291, Besser-Verdiener Bridge&Tunnel<br />

Vielen Dank für Ihren interessanten<br />

Artikel! Er ließ mich einmal mehr<br />

den Kauf des Heftes als Gewinn einschätzen.<br />

UWE BARTSCH<br />

Großes Lob für die Mai-Ausgabe<br />

der Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Im Besonderen<br />

für die Themen Grundeinkommen,<br />

Armut& Reichtum und ganz<br />

besonders Ihre neue Serie „Besser-<br />

Verdiener“.<br />

SIMON SPRENGER<br />

Schafft sichere Schlafplätze!<br />

H&K Online, „Schlafsack von Obdachlosem<br />

in Flammen“, siehe auch Seite 32<br />

Es wird endlich Zeit, dass es sichere<br />

Übernachtungsplätze für die Obdachlosen<br />

gibt! Es ist nicht auszuhalten,<br />

dass so etwas immer wieder passiert<br />

und nichts geschieht! JM POHL VIA FACEBOOK<br />

Informativ wie eh und je<br />

H&K allgemein<br />

Warum müsst Ihr damit werben,<br />

„noch interessanter und informativer“<br />

zu werden? Das klingt so, als wenn Ihr<br />

das bisher nicht wirklich wart … und<br />

das stimmt ja nicht!<br />

ULRIKE<br />

HAMBURGER NEBENSCHAUPLÄTZE<br />

DER ETWAS<br />

ANDERE<br />

STADTRUNDGANG<br />

Leserbriefe geben die Meinung des<br />

Verfassers wieder, nicht die der Redaktion.<br />

Wir behalten uns vor, Leserbriefe zu kürzen.<br />

Wir trauern um<br />

Klaus-Peter Kuhn<br />

17. Mai 1949 – 21. April <strong>2017</strong><br />

Klaus-Peter kam 2002 zu uns. Seither verkaufte er das Magazin in<br />

Kneipen und Restaurants auf St. Pauli. Er gehörte zu uns und zum Kiez.<br />

Die Verkäufer und das Team<br />

von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

Wollen Sie Hamburgs City einmal mit anderen Augen sehen?<br />

Abseits der teuren Fassaden zeigt Hinz&<strong>Kunzt</strong> Orte, die in<br />

keinem Reiseführer stehen: Bahnhofs mission statt Rathausmarkt,<br />

Drogenberatungsstelle statt Alsterpavillon, Tages aufent halts stätte<br />

statt Einkaufspassage.<br />

Anmeldung: info@hinzundkunzt.de<br />

oder Telefon: 040/32 10 83 11<br />

Kostenbeitrag: 10/5 Euro,<br />

nächste Termine: 11.6. + 25.6.<strong>2017</strong>, 15 Uhr<br />

trostwerk - andere bestattungen


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Gute Sache: Schauspielerin Sibel Kekilli setzt sich für Frauenrechte ein (S. 48).<br />

Flotte Party: 48h Wilhelmsburg – volles Programm von Blasmusik bis Gospel (S. 52).<br />

Feiner Fisch: Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Mitarbeiterin Meike serviert Lachstatar (S. 56).<br />

Mit einer Nachtparade<br />

werden Urban-Art-Künstler<br />

auch beim diesjährigen<br />

STAMP Festival der<br />

Straßenkünste ihr Publikum<br />

verzaubern (S. 55).<br />

FOTO: STAMP


Spielt oft Frauen mit<br />

einem starken Willen und<br />

weiß auch privat genau,<br />

was sie (nicht) will:<br />

Schauspielerin Sibel Kekilli.


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Die<br />

Unbeugsame<br />

Mit ihrem Job als „Tatort“-Kommissarin macht sie diesen Monat<br />

Schluss. Privat bleibt Sibel Kekilli ihren Zielen treu:<br />

Seit 2004 setzt sie sich für die Selbstbestimmung von Frauen ein.<br />

Dafür bekam sie kürzlich das Bundesverdienstkreuz.<br />

TEXT: SIMONE DECKNER<br />

FOTOS: ANDREAS DAUERER (2),<br />

NDR/CHRISTINE SCHRÖDER, GREGOR FISCHER/DPA<br />

Kellnerinnen wuseln zwischen<br />

den Tischen durch<br />

das volle Café in Ottensen,<br />

Teegläser klappern, Milch<br />

wird aufgeschäumt, aus den Boxen<br />

schwappt Musik herüber. Mittendrin<br />

sitzt, maximal unaufgeregt: Sibel Kekilli.<br />

Im März war das noch ganz anders: Da<br />

war sie ein reines Nervenbündel. Damals,<br />

als sie auf Schloss Bellevue aus den<br />

Händen von Joachim Gauck das Bundesverdienstkreuz<br />

erhielt.<br />

„Ich glaube, ich war noch nie so<br />

aufgeregt wie vor dieser Auszeichnung,<br />

nicht mal beim Vorsprechen zu ‚Game<br />

of Thrones‘“ (in dem internationalen<br />

Serienerfolg spielte sie von 2011–2014<br />

die Kurtisane Shae, d. Red.), sagt die<br />

36-Jährige. Kekilli bekam die Auszeichnung,<br />

weil sie sich seit Jahren für die<br />

Rechte von Frauen stark macht – auch<br />

gegen Widerstände. „Sie nutzt ihre Popularität,<br />

um das Thema Frauenrechte<br />

zu einem öffentlichen Thema zu machen<br />

und dadurch mehr Menschen dazu<br />

zu bewegen, genauer hinzusehen“,<br />

so Gauck. Bei Kekilli flossen Tränen an<br />

diesem Tag. „Dass ich nicht als Schauspielerin,<br />

sondern als Mensch für mein<br />

Engagement ausgezeichnet wurde, hat<br />

mich wirklich berührt“, sagt sie, „das<br />

war eine tolle Anerkennung nach so<br />

vielen Jahren.“<br />

Rückblick: Seit 2004 engagiert sich<br />

die in Deutschland geborene Tochter<br />

türkischer Eltern als Botschafterin für<br />

die Frauenrechtsorganisation Terre des<br />

Femmes. Der Kontakt war in dem Jahr<br />

entstanden, in dem Kekilli zunächst für<br />

„Eine tolle<br />

Anerkennung<br />

nach so vielen<br />

Jahren.“<br />

SIBEL KEKILLI<br />

ihr Debüt in Fatih Akins Drama „Gegen<br />

die Wand“ gefeiert wurde. Tage<br />

später verunglimpfte die BILD sie mit<br />

einer Schmutzkampagne. Das Blatt hatte<br />

alte Pornofilme mit Kekilli ausgegraben.<br />

Diese habe sie zum einen „aus<br />

Geldmangel“ gedreht, sagte sie gegenüber<br />

der FAZ, vielleicht aber auch „aus<br />

Rebellion“. Später sprach sie davon,<br />

dass sich die Negativ-Schlagzeilen wie<br />

eine „mediale Vergewaltigung“ ange-<br />

Kieler „Tatort“ adieu: Borowski (Axel Milberg)<br />

ist Kollegin Sarah Brandt ab <strong>Juni</strong> los.<br />

49


Bei ihrem Besuch in<br />

Bulgarien konnte sich<br />

Sibel Kekilli mit den<br />

Roma-Mädchen, die<br />

zum Projekt Florika<br />

kommen, auf Türkisch<br />

verständigen.<br />

fühlt hätten. Ihr Vater brach damals<br />

den Kontakt zu ihr ab. Sie sei eine<br />

„Schmach für die Familie“.<br />

Kekilli rechtfertigte sich nicht. Als<br />

Botschafterin bei Terre des Femmes<br />

machte sie sich hingegen stark für Frauen<br />

und ihr Recht, selbstbestimmt zu<br />

leben – ganz gleich, zu welchem Kulturkreis<br />

sie gehören.<br />

„Was ist denn so bedrohlich an einer<br />

freien Frau? Warum wird sie von<br />

der eigenen Familie und der muslimischen<br />

Gesellschaft kleingehalten?“,<br />

fragte Kekilli in einer sehr persönlichen<br />

Rede 2015 bei einer Veranstaltung gegen<br />

Gewalt im Namen der Ehre. „Ich<br />

will mich und andere nicht belügen und<br />

alles versteckt machen, nur damit die<br />

Familie und der Kulturkreis mich hoffentlich<br />

irgendwie akzeptieren. Ich<br />

möchte ein selbstbestimmtes Leben<br />

führen, ohne mich dafür rechtfertigen<br />

zu müssen oder gesellschaftlich geächtet<br />

zu werden“, sagte sie damals. Dafür sei<br />

aber noch immer viel Mut nötig. Jeden<br />

Tag. Derart offene Worte nehmen ihr<br />

bis heute viele übel. „Die meisten Türken<br />

mögen mich nicht“, sagt sie in einer<br />

Folge der Arte-Reihe „Durch die Nacht<br />

mit …“. Hier im Café sagt sie: „Seit<br />

,Gegen die Wand‘ bekomme ich immer<br />

mal wieder Drohungen, werde beschimpft<br />

und angefeindet, vor allem<br />

wenn ich mich beispielsweise gegen<br />

Ehrenmorde ausspreche. Dann heißt<br />

es sofort: ,Du machst unsere Kultur<br />

schlecht.‘ Aber ich muss mich äußern,<br />

es ist meine Pflicht. Man kann doch<br />

nicht immer glattgebügelt durchs Leben<br />

gehen.“<br />

„Nicht immer<br />

glattgebügelt<br />

durchs<br />

Leben gehen.“<br />

SIBEL KEKILLI<br />

50<br />

Auch bei Terre des Femmes habe sie<br />

von Anfang an selbst mithelfen wollen.<br />

„Ich wollte nicht nur meinen Namen<br />

hergeben.“ Mithelfen tut sie, etwa in<br />

Burgas, einer Stadt an der Schwarzmeerküste<br />

Bulgariens. Hier leben auch<br />

viele Roma. Kekilli unterstützt das Projekt<br />

Florika. Es will Roma-Mädchen im<br />

Alter zwischen 9 und 15 Jahren eine<br />

Schulbildung und eine bessere Lebensperspektive<br />

ermöglichen.<br />

Zwei Mal war die Schauspielerin bereits<br />

vor Ort. Die Mädchen wussten nicht,<br />

welche Berühmtheit sie besuchen kam<br />

(„Sie haben keinen Fernseher.“). Sie wussten<br />

nur: Die Frau kann so verkehrt nicht<br />

sein, wenn sie Turnschuhe als Geschenke<br />

mitbringt. Burgas wird auch „die Perle im<br />

Schwarzen Meer“ genannt. Reiseveranstalter<br />

werben mit dem „entspannten<br />

Flair der Innenstadt“. Real liegen nur<br />

fünf Kilometer zwischen der Flaniermeile<br />

Alexandrovska und dem Viertel Pobeda<br />

am Stadtrand, wo rund 8000 Roma<br />

teilweise ohne fließendes Wasser leben.<br />

Gefühlt trennen die Viertel Lichtjahre.<br />

Mit 13 schwanger und verheiratet<br />

„Die Mädchen wären verscheucht worden,<br />

wenn sie alleine durch die Stadt gelaufen<br />

wären“, sagt Kekilli. Weil sie Roma<br />

sind, würden sie angefeindet und angegriffen.<br />

„Viele waren mit uns seit langer<br />

Zeit das erste Mal wieder auf einem<br />

Rummelplatz in der Innenstadt.“ Bei Florika<br />

versorgen zwei Sozialpädagoginnen<br />

– selbst Roma – die Mädchen in einer Ta-


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<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

gesstätte einmal pro Tag mit einer warmen<br />

Mahlzeit. Sie unterrichten sie in<br />

Handarbeiten, Tanzen und Kochen. Sie<br />

helfen ihnen bei den Hausarbeiten. Das<br />

sind die vordergründigen Ziele. Dahinter<br />

steht ein größeres: den Mädchen zeigen,<br />

dass es auch ein anderes Leben gibt.<br />

Teenagerschwangerschaften und<br />

Frühehen sind Alltag. Es sei „schon ein<br />

Fortschritt“, wenn ein Mädchen dort erst<br />

mit 17 Jahren heirate und schwanger<br />

werde „und nicht schon mit 13“, sagt Kekilli.<br />

Manchmal kommt es noch schlimmer<br />

– oft aus purem Überlebenskampf.<br />

„Es gibt Fälle, in denen die eigene Familie<br />

die Tochter an einen Zuhälter verkauft“,<br />

sagt Kekilli. Sie habe viel Armut<br />

gesehen. Viele suchten so verzweifelt<br />

nach einer Möglichkeit, Geld für die Familie<br />

zu verdienen, dass sie nach jedem<br />

Strohhalm griffen. Rund 120.000 Frauen<br />

sollen laut EU-Schätzungen jedes Jahr<br />

von Bulgarien aus als Armutsprostituierte<br />

nach Westeuropa kommen. In Hamburg<br />

stammen von den rund 2500 Prostituierten<br />

60 Prozent aus dem Ausland – der<br />

Großteil auch aus Osteuropa. Viele der<br />

Mädchen glauben, sie würden hier kellnern<br />

oder putzen. Wenn sie merken, was<br />

sie wirklich tun sollen, ist es oftmals schon<br />

zu spät zurückzugehen. „Wie auch? Es<br />

fehlt einfach an Perspektiven für sie“, sagt<br />

Kekilli. „Oftmals bleibt ihnen nichts anderes,<br />

als zu stehlen oder ihren Körper zu<br />

verkaufen.“<br />

Projekte wie Florika verstehen sich<br />

auch als Prävention gegen Frauenhandel.<br />

Aber die Mühlen dort mahlen langsam,<br />

so Kekilli. „Es gibt kleine Fortschritte,<br />

etwa dass die Familien<br />

überhaupt ihre Töchter zum Projekt<br />

51<br />

lassen und sie dort in Kontakt kommen<br />

mit Hebammen, die ihnen etwas über<br />

Schwangerschaften und Verhütung erzählen.“<br />

Und es gibt die großen Erfolge:<br />

So berichtet Terre des Femmes, dass<br />

seit dem Beginn des Projekts 2012 kein<br />

Mädchen in die Zwangsprostitution gerutscht<br />

sei. Auch die Zahl der Schulabbrecherinnen<br />

ist zurückgegangen.<br />

Wieso Sibel Kekilli mit dem<br />

„Tatort“ Schluss macht<br />

Dass Abbrüche auch etwas Gutes sein<br />

können, davon ist Sibel Kekilli überzeugt.<br />

So wie ihre Entscheidung, nach sieben<br />

Jahren als Kommissarin und IT-Expertin<br />

Sarah Brandt aus dem Kieler „Tatort“<br />

auszusteigen. „Ich bin damals zum richtigen<br />

Zeitpunkt gekommen und ich gehe<br />

zum richtigen Zeitpunkt“, sagt sie. Sie<br />

habe diese schroffe Sarah Brandt wirklich<br />

gerne gespielt. Weil sie nicht eine dieser<br />

typischen Frauenrollen „als Accessoire an<br />

der Seite eines Mannes“ gewesen sei.<br />

Dennoch habe sie wieder mehr<br />

Freiraum gebraucht: „Einengung finde<br />

ich ganz furchtbar“, sagt Kekilli. Die<br />

Aufregung vor der Ausstrahlung ihres<br />

letzten „Tatorts“ hält sich dann auch in<br />

Grenzen – nur so viel kann sie sagen:<br />

Einen „knalligen Abschluss“ wird Sarah<br />

Brandt nicht hinlegen. „Die Leute<br />

wollen immer alles auserzählt haben,<br />

alles zum Ende bringen“, sagt Sibel<br />

Kekilli und lächelt vielsagend, bevor sie<br />

den Satz beendet: „Aber im Leben wird<br />

auch nicht alles auserzählt.“ •<br />

Infos zu Florika unter www.frauenrechte.de<br />

Tatort „Borowski und das Fest des Nordens“<br />

am 18. <strong>Juni</strong> um 20.15 Uhr in der ARD.<br />

Sibel Kekilli ist bei<br />

der Verleihung des<br />

Bundesverdienstkreuzes<br />

im März<br />

<strong>2017</strong> gerührt.<br />

An ihrer Seite:<br />

der damalige<br />

Bundespräsident<br />

Joachim Gauck.<br />

<br />

HANSON<br />

<br />

SOPHIE ZELMANI<br />

<br />

NIKKI LANE<br />

<br />

IL VOLO<br />

<br />

TOVE LO<br />

<br />

UTE LEMPER<br />

<br />

MAGGIE ROGERS<br />

<br />

MASTODON<br />

<br />

RESIDENTE<br />

<br />

THE AVALANCHES<br />

<br />

NAS<br />

<br />

HOUSE OF PAIN<br />

<br />

ELTON JOHN & BAND<br />

<br />

BAD RELIGION<br />

<br />

JONAS MONAR<br />

<br />

JOHN LEGEND<br />

<br />

PHOENIX<br />

<br />

TORI AMOS<br />

<br />

MIKE + THE MECHANICS<br />

<br />

ROBIN SCHULZ<br />

<br />

CHRIS REA<br />

<br />

JOHANNES OERDING<br />

<br />

TORFROCK<br />

<br />

A-HA<br />

TICKETS: KJ.DE


Kult<br />

Tipps für den <strong>Juni</strong>:<br />

subjektiv und<br />

einladend<br />

Musik<br />

Klingt gut, liebe Nachbarn!<br />

Festivalstimmung auf den Elbinseln –<br />

bei 48h Wilhelmsburg gibt es wieder<br />

Konzerte von Nachbarn für Nachbarn.<br />

Von Blasmusik bis Gospel zeigen fast<br />

140 Musiker und Bands, was sie können.<br />

Das Festival verzichtet auch in diesem<br />

Jahr auf Bühnen und Buden, sondern<br />

spielt in Räumen, die die Stadtteile<br />

bieten. Statt fester Eintrittspreise<br />

geht nach den Konzerten der Hut rum.<br />

Der Festivalauftakt steigt diesmal an<br />

der Veddeler Brückenstraße. Hier spielt<br />

die Weltkapelle Wilhelmsburg, ein gemischtes<br />

Ensemble aus Musikern mit<br />

und ohne Fluchterfahrung, das regelmäßig<br />

offene Jamsessions im Stadtteil<br />

48h Wilhelmsburg kommt ohne<br />

Ticketverkauf, Bühnen und Buden aus.<br />

veranstaltet. Wer dabei schon in<br />

Schwung gerät, kann direkt zum afrikanischen<br />

Tanz übergehen – Tänzerin<br />

Angelina Akpovo zeigt, wie das geht. •<br />

48h Wilhelmsburg, diverse Orte in<br />

Wilhelmsburg und Veddel,<br />

Fr, 9.6., bis So, 11.6., Eintritt gegen<br />

Spende, musikvondenelbinseln.de<br />

52


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Experimentierfreude<br />

eint die Künstler<br />

bei „blurred edges“.<br />

Film<br />

Guck mal, Kurzfilme<br />

Überall auf der Welt entsteht großes<br />

Kino in kleinen Filmen. Das internationale<br />

Kurzfilm Festival Hamburg<br />

zeigt davon mehr als 300, bietet<br />

Workshops an und prämiert die besten<br />

Kurzfilme des Jahres. Passend zum<br />

G20 widmen sich viele Filmemacher<br />

dem Ausnahmezustand. •<br />

Internationales Kurzfilmfestival, Zentrum<br />

Halle 5, Friedensallee 128, Di, 6.6.,<br />

bis Mo, 12.6., Eintritt 8,50/7 Euro,<br />

festival.shortfilm.com<br />

FOTOS: JAN LINNEMANN (S.52), SARAH BERNHARDT, IMAGO/MÜLLER-STAUFFENBERG (S. 53, UNTEN)<br />

Musik<br />

Töne sammeln in der Stadt<br />

Zur Klang-Schnitzeljagd lädt das „blurred edges“-Festival für experimentelle<br />

Musik ein: Teilnehmer durchforsten mit dem Handy die Innenstadt. Wer beim<br />

„Soundcaching“ versteckte QR-Codes aufspürt, kann eigens für den Fundort<br />

komponierte Musik anhören. Darüber hinaus gibt es Livekonzerte und Klanginstallationen<br />

an 32 Orten in der Stadt. Vielfalt über die üblichen Genregrenzen<br />

hinweg gewährleistet das dezentrale Konzept: Einen Kurator gab es nicht, die<br />

Klangkünstler organisierten das „blurred edges“ komplett in Eigenregie. •<br />

blurred-edges-Festival, diverse Orte im ganzen Stadtgebiet, Fr, 2.6., bis So, 18.6.,<br />

Eintritt 45 Euro (Festivalpass), www.vamh.de<br />

Ein Abend für Deniz Yücel<br />

Wir wollen das Meer sehen!<br />

122 Tage! So lange wird Deniz Yücel im türkischen Knast gesessen haben,<br />

wenn Freunde und Kollegen des Türkei-Korrespondenten der „Welt“ im<br />

Uebel & Gefährlich einen Abend der Solidarität für ihn veranstalten. In Ein zelhaft,<br />

weil ihm im Staate<br />

Erdo ans neben „Terrorpropaganda“<br />

auch „Volksverhetzung“<br />

vor geworfen<br />

wird. Die Welle der Solidarität<br />

mit Deniz reißt<br />

nicht ab, sogar ein<br />

Konzert vor dem Brandenburger<br />

Tor gab es schon.<br />

Im „Uebel“ werden Prominenz,<br />

Kultur, Politik,<br />

Lesungen und Konzerte<br />

geboten. Ingo Zamperoni<br />

moderiert. •<br />

Uebel & Gefährlich,<br />

Feldstraße 66, Do, 15.6.,<br />

19.30 Uhr, Eintritt 4 Euro<br />

„Wir wollen endlich das Meer sehen“, sagen Deniz’<br />

Freunde. Denn Meer heißt auf Türkisch „Deniz“.<br />

Ausstellung<br />

Welchen Wert hat unser Müll?<br />

Müll oder Zutat? Beim „Waste Cooking“<br />

kommen zu Unrecht weggeworfene<br />

Lebensmittel in den Kochtopf.<br />

Wozu vermeintlicher Abfall sonst<br />

noch gut ist, zeigt das „Müllprojekt“<br />

in Ausstellungen, Vorträgen und<br />

einer Modenschau. •<br />

Recyclinghof St. Pauli, Feldstraße 69,<br />

Sa, 3.6., bis So, 18.6., Eintritt frei,<br />

www.müllprojekt.de<br />

Lesung<br />

Makabre Mordgeschichten<br />

Jimi Hendrix, Michael Jackson – lang<br />

ist die Reihe der Rocklegenden, die<br />

auf dem Zenit ihrer Schaffenskraft<br />

das Zeitliche segneten. Zufall? Szenekenner<br />

Hollow Skai spinnt eine andere<br />

Erklärung zusammen: In seinem<br />

neuen Roman macht er einen Serienmörder<br />

namens Samuel Hieronymus<br />

Hellborn dafür verantwortlich. •<br />

Polittbüro, Steindamm 45,<br />

Sa, 10.6., 20 Uhr, Eintritt 15/10 Euro,<br />

www.polittbuero.de<br />

Draußen<br />

Kleines feines Hafenfest<br />

Leinen los an der Süderelbe: Der<br />

Frachtensegler Johanna, ein altes Lotsenboot<br />

und ein Schlepper nehmen<br />

Gäste mit auf Fahrt. Dazu gibt es<br />

Flohmarkt, Livemusik und Spiele. •<br />

Harburger Binnenhafenfest, Sa, 10.6., bis<br />

So,11.6., jeweils ab 11 Uhr, Eintritt frei,<br />

www.harburger-binnenhafenfest.de<br />

53


Disco und Imbiss:<br />

Das ChurroMusicCycle<br />

ist eine von vielen Ideen,<br />

die Stadt lebens werter<br />

zu machen.<br />

Ausstellung<br />

Kunst und Knusperkram am Millerntor<br />

Lust auf einen heißen Snack? Das<br />

ChurroMusicCycle bringt zur Millerntor<br />

Gallery ein Stück knusprig-süßes<br />

Urlaubsgefühl nach Hamburg – nicht<br />

nur weil es schmeckt. Mobile Garküchen<br />

vermitteln ein Stadtgefühl, das<br />

bei uns viel zu selten ist, sagen Heike<br />

Bühler und Teresa Majewski. Das heiße<br />

Gefährt aus der Werkstatt von Till<br />

Wolfer, ausgestattet mit Fritteuse und<br />

Plattenspieler, versorgt Gäste mit<br />

südamerikanischem Brutzelwerk und<br />

brasilianischer Musik. Zu finden ist das<br />

ChurroMusicCyle bei der Millerntor<br />

Gallery. Die Kunstausstellung im und<br />

um das Stadion des FC St. Pauli zeigt<br />

auch weitere Ideen zur Verbesserung<br />

des urbanen Lebens. „Youtopic – zeig<br />

uns deine Utopie“ heißt das Motto, mit<br />

dem sich Streetart-Künstler, Musiker<br />

und Aktivisten auseinandersetzen. •<br />

Millerntor Gallery, Harald-Stender-Platz 1/<br />

Heiligengeistfeld, 29.6.–2.7., Eintritt<br />

9 Euro (Tagesticket), millerntorgallery.org<br />

54


FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE (LINKS), STAMP, RECHTS UNTEN: PRIVAT<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Festival<br />

Großer Auftritt für Straßenkunst<br />

Macht mal Platz, hier kommt Kultur – die Altonale schafft wieder öffentlichen<br />

Raum für kreatives Vergnügen. Am 16. <strong>Juni</strong> geht es los mit dem Straßenkunstfest<br />

STAMP, zu dem Künstler aus unterschiedlichen Ländern das Pflaster zur Bühne<br />

erklären. Danach sind Altonas Straßen zum Stöbern und Staunen freigegeben.<br />

Bei der Kunstaltonale ist Hinz&<strong>Kunzt</strong> mit einem eigenen Pavillon dabei, präsentiert<br />

wird die Straßen<strong>Kunzt</strong>Edition mit Bildern von renommierten Streetart-<br />

Künstlern. Ein Werk kommt bei der zentralen Auktion unter den Hammer. •<br />

Altonale, diverse Orte in Altona, ab Fr, 16.6., viele Veranstaltungen zu freiem Eintritt,<br />

www.altonale.de<br />

Das STAMP ist nicht nur buntes Spektakel, sondern auch ein Treffpunkt für die Szene.<br />

Diskussion<br />

Bessere Lebensmodelle finden<br />

Spontan sollen wir sein und top organisiert,<br />

sportlich, engagiert, schön<br />

und dabei auch noch total entspannt<br />

– so weit der verbreitete Anspruch an<br />

ein „perfektes“ Leben. Wieso diese<br />

Ideale nicht zu jedem passen, erörtert<br />

der Entwicklungsforscher Remo<br />

Largo mit weiteren Fachleuten<br />

beim Körberforum. Largo sagt: Jeder<br />

Mensch kann nur auf seine Art<br />

glücklich werden. Es bringt also<br />

nichts, sich nach den Kriterien<br />

anderer optimieren zu wollen. Über<br />

bessere, selbst gemachte Lebensentwürfe<br />

spricht der Autor der Elternratgeber<br />

„Babyjahre“ und „Kinderjahre“<br />

mit Business Coach Antje Gardyan<br />

und Soziologin Karin Jurczyk vom<br />

Deutschen Jugendinstitut. •<br />

Körberforum, Kehrwieder 12,<br />

Di, 20.6., 19 Uhr, Eintritt frei,<br />

www.koerber-stiftung.de<br />

Kinder<br />

An die Pinsel, fertig, los!<br />

Jedes Kind kann Künstler sein – das<br />

zeigt die Lichtwark Schule mit einem<br />

Kinderfest und großer Ausstellung<br />

im Völkerkundemuseum. Nach der<br />

Präsentation aller Werke aus dem<br />

laufenden Schuljahr können kleine<br />

Gäste selbst ans Werk gehen und<br />

den ganzen Nachmittag lang Masken<br />

oder fantasievollen Schmuck entwerfen,<br />

Boote bauen oder mit Licht<br />

und Farben experimentieren.<br />

Inspiration bietet der gemeinsame<br />

Rundgang durchs Museum. •<br />

Museum für Völkerkunde, Rothenbaumchaussee<br />

62, So, 25.6., 14 Uhr, Eintritt<br />

frei für Kinder und ihre Begleiter,<br />

www.voelkerkundemuseum.de<br />

Über Veranstaltungshinweise<br />

freut sich Annabel Trautwein unter<br />

redaktion@hinzundkunzt.de<br />

Kinofilm des Monats<br />

Licht am<br />

Filmende<br />

<strong>Juni</strong>. Lange Tage, kurze<br />

Nächte. Draußen grillen.<br />

Sonne. Rapsgelbe gute Laune.<br />

Ich mag das. Und kann<br />

mir nicht vorstellen, dass es<br />

irgendwann noch einmal anders<br />

sein wird. Der Kopf will<br />

nicht wissen, was das Herz<br />

nicht spürt. Da passt der Titel<br />

des Films „In Zeiten des<br />

abnehmenden Lichts“ hervorragend<br />

ins Bild.<br />

Ostberlin 1989: Bruno<br />

Ganz spielt Wilhelm Powileit.<br />

Der wird 90 Jahre alt.<br />

Mit stoischer Gelassenheit<br />

und eisiger Miene durchleidet<br />

er die Feierlichkeiten.<br />

War ja nicht alles schlecht. 90<br />

Jahre sind eine Menge Zeit,<br />

um Dinge zu verdrängen.<br />

Seit 75 Jahren ist Powileit<br />

überzeugter Kommunist.<br />

Während der Geburtstagsfeier<br />

werden Lobreden auf die<br />

längst zerbröckelte DDR gehalten.<br />

Dabei verlassen die<br />

jungen Menschen längst das<br />

Land. Als Powileit merkt,<br />

dass sein Enkel auf der Feier<br />

fehlt, bekommt seine heile<br />

Welt die ersten Risse …<br />

Das Gefühl, mit den eigenen<br />

Träumen und Hoffnungen<br />

irgendwann die falsche<br />

Ausfahrt genommen zu haben,<br />

verdichten Regisseur<br />

Matti Geschonneck und<br />

Drehbuchautor Wolfgang<br />

Kohlhaase zu einer kammerspielartigen<br />

Gesellschaftsstudie.<br />

Das ist harter Tobak.<br />

Aber Sommer, Sonne und<br />

gute Laune weiß man erst zu<br />

schätzen, wenn das Kontrastprogramm<br />

stimmt. •<br />

André Schmidt geht seit vielen<br />

Jahren für uns<br />

ins Kino. Er ist<br />

Geschäftsführer<br />

einer Hamburger<br />

PR-Agentur.<br />

55


Rezept des Monats<br />

Das Rezept<br />

für Meikes<br />

Lieblingsessen<br />

gibt es auch unter<br />

www.mampf-hh.de<br />

Toasttaler mit<br />

Lachstatar & Pilzrisotto<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Vertriebskollegin Meike Lehmann kocht dieses Mini-Menü<br />

am liebsten mit Freunden. Viele Zutaten braucht man nicht.<br />

TEXT: BEATRICE BLANK<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE (PORTRÄT), BEATRICE BLANK<br />

Meikes Lieblingsessen<br />

Hamburg und Fisch gehören für<br />

Meike zusammen. Schon während<br />

der Schulzeit entdeckte die Schwäbin<br />

ihre Liebe zur Hansestadt. Eigentlich<br />

habe sie Polizistin werden<br />

wollen, „um die Welt besser zu machen“,<br />

landete aber in der Textilbranche.<br />

Doch der Wunsch nach<br />

einer besseren Welt blieb, und so<br />

fing sie 2013 im Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Vertrieb<br />

an. „Die Arbeit mit den Verkäufern<br />

lässt mich das Leben mehr<br />

schätzen“, sagt die 41-Jährige. Zum<br />

Genuss gehört auch das regelmäßige<br />

gesellige Kochen mit Freunden:<br />

„Bei meinem Lieblingsmenü<br />

können alle mitschnippeln.“ LEU<br />

ZUTATEN<br />

FÜR ZWEI PERSONEN<br />

Für das Tatar: 200 g frisches Lachsfilet,<br />

1/2 rote Zwiebel, 2 EL Zitronensaft,<br />

3 EL Olivenöl, Salz, Pfeffer, Zucker, 4 Zweige<br />

Dill, 2 Scheiben Toast, 1 EL Butter<br />

Für das Risotto: 250 g Pilze (Champignons,<br />

Steinpilze, Kräuterseitlinge), 200 g Risottoreis,<br />

1 Bund Petersilie, 2 Schalotten,<br />

1 Knoblauchzehe, 75 g Butter, 500 ml Hühneroder<br />

Gemüsefond, 1 EL Zitronensaft,<br />

60 g Parmesan, Salz, Pfeffer, Zucker<br />

ZUBEREITUNG:<br />

1. Für das Tatar: Den Lachs und die rote<br />

Zwiebel ganz fein würfeln, Dill hacken<br />

und alle Zutaten vermengen. Bis zum<br />

Servieren kalt stellen.<br />

2. Toast rund ausstechen. Butter in einer<br />

Pfanne erhitzen und Scheiben darin<br />

rösten. Lachstatar zum Servieren darauf<br />

oder daneben anrichten.<br />

56<br />

3. Für das Risotto: Pilze putzen und in<br />

dünne Scheiben schneiden oder würfeln.<br />

Schalotten und Knoblauch schälen und<br />

fein würfeln.<br />

4. 1 EL Butter in einem Topf schmelzen.<br />

Schalotten und Zwiebeln darin glasig<br />

dünsten. Reis dazugeben und kurz<br />

mitdünsten. Die Pilze ebenfalls.<br />

5. Etwa die Hälfte des Fond angießen<br />

und unter Rühren köcheln lassen. Wenn<br />

die Flüssigkeit fast eingekocht ist, den<br />

Rest des Fond zugeben. Weiterrühren<br />

und köcheln lassen. Nebenbei den<br />

Parmesan fein reiben und die Petersilie<br />

hacken. Nach etwa 15 Minuten den<br />

Topf vom Herd nehmen. Der Reis sollte<br />

gegart, aber bissfest sein.<br />

6. Restliche Butter und Parmesan unter<br />

den Reis heben. Mit Salz, Pfeffer, Zucker<br />

und Zitronensaft abschmecken.<br />

7. Risotto mit Petersilie bestreut servieren.<br />

Guten Appetit! •


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Rätsel<br />

ILLUSTRATION (BLEISTIFT IM IMPRESSUM): BERND MÖLCK-TASSEL<br />

europ. TV-<br />

Satellitensystem<br />

Portier,<br />

Pförtner<br />

Teil des<br />

Mittelmeers<br />

Mittelmeerinsel<br />

Italiens<br />

Tropenbaum<br />

Wellenreiten<br />

Reifeprüfung<br />

(Kurzwort)<br />

Heilpflanze<br />

Heil-,<br />

Pflegestätte<br />

Wasserzusatz<br />

(Körperreinigg.)<br />

häufig<br />

für:<br />

Fußball<br />

englisch:<br />

alt<br />

schwed.<br />

Name ein.<br />

nordfinn.<br />

Sees<br />

7<br />

8<br />

1<br />

Fußballbegriff<br />

(Ballabgabe)<br />

Sammlung<br />

altnord.<br />

Dichtungen<br />

2<br />

6<br />

Oblast<br />

und Stadt<br />

an d. Upa<br />

(Russland)<br />

3<br />

9<br />

Aufstand,<br />

Aufruhr<br />

frei<br />

herabhängender<br />

Faden<br />

englisch:<br />

Ladengeschäft<br />

ugs.:<br />

kleiner,<br />

rundl.<br />

Mensch<br />

Stadt in<br />

Marokko<br />

Anhänger<br />

des Parsismus<br />

Birkengewächs<br />

Gliedmaßen<br />

1 8<br />

2<br />

4<br />

5<br />

2<br />

6<br />

mundartlich:<br />

Widder<br />

„Fliegende<br />

Untertasse“<br />

(Abk.)<br />

Bewohner<br />

einer Republik<br />

im<br />

Baltikum<br />

Gewicht<br />

der Verpackung<br />

6<br />

9<br />

7<br />

7<br />

langweilig,<br />

fade,<br />

geistlos<br />

gründlich<br />

darstellen<br />

kalorienarme<br />

Ernährung<br />

Aussehen,<br />

Haltung<br />

(franz.)<br />

Koch-,<br />

Backanweisung<br />

8<br />

3<br />

jemandem<br />

Achtung<br />

erweisen<br />

anständig<br />

(engl.,<br />

Sport)<br />

Kurort<br />

am Hohen<br />

Venn<br />

(Belgien)<br />

10<br />

9<br />

italienisch:<br />

sechs<br />

4<br />

Anrede<br />

für<br />

Fremde<br />

loser,<br />

zweireihiger<br />

Mantel<br />

10<br />

französischer<br />

Revolutionär<br />

†<br />

Stadt<br />

in Westfalen<br />

Ostsee-<br />

Zufluss<br />

durch<br />

Lübeck<br />

Bezeichnung,<br />

Benennung<br />

5<br />

israelitischer<br />

König<br />

AR1115-0316_5<br />

Füllen Sie das Gitter so<br />

aus, dass die Zahlen von<br />

1 bis 9 nur je einmal in<br />

jeder Reihe, in jeder<br />

Spalte und in jedem<br />

Neun-Kästchen-Block<br />

vorkommen.<br />

Als Lösung schicken<br />

Sie uns bitte die<br />

7436<br />

89 536<br />

489<br />

195<br />

unterste, farbig gerahmte<br />

Zahlenreihe.<br />

762<br />

85<br />

4375<br />

Lösungen an: Hinz&<strong>Kunzt</strong>, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />

per Fax an 040 32 10 83 50 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.<br />

Einsendeschluss: 26. <strong>Juni</strong> <strong>2017</strong>. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Wer die korrekte Lösung für eines der beiden Rätsel einsendet,<br />

kann zwei Karten für die Hamburger Kunsthalle oder einen von zwei<br />

Reiseführern gewinnen: „Hamburg – ganz schön plietsch“ von Edgar S.<br />

Hasse (Ellert & Richter Verlag). Das Lösungswort beim Kreuzworträtsel<br />

war: Astrologin. Die Sudoku-Zahlenreihe war: 792 185 463.<br />

Impressum<br />

Redaktion und Verlag<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH<br />

Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg<br />

Tel. 040 32 10 83 11, Fax 040 32 10 83 50<br />

Anzeigenleitung Tel. 040 32 10 84 01<br />

E-Mail info@hinzundkunzt.de, www.hinzundkunzt.de<br />

Herausgeber<br />

Landespastor Dirk Ahrens, Diakonisches Werk Hamburg<br />

Externer Beirat<br />

Prof. Dr. Harald Ansen (Armutsexperte HAW-Hamburg),<br />

Mathias Bach (Kaufmann), Dr. Marius Hoßbach (Rechtsanwälte M&P),<br />

Rüdiger Knott (ehem. NDR 90,3-Programmchef),<br />

Olaf Köhnke (Ringdrei Media Network),<br />

Thomas Magold (BMW-Niederlassungsleiter i.R.),<br />

Beate Behn (Lawaetz-Service GmbH), Karin Schmalriede (Lawaetz-Stiftung),<br />

Dr. Bernd-Georg Spies (Russell Reynolds),<br />

Alexander Unverzagt (Medienanwalt), Oliver Wurm (Medienberater)<br />

Geschäftsführung Dr. Jens Ade<br />

Redaktion Birgit Müller (bim; v.i.S.d.P.),<br />

Annette Woywode (abi; Stellv., CvD)<br />

Mitarbeit Beatrice Blank (beb), Simone Deckner (sim),<br />

Jonas Füllner (jof), Ulrich Jonas (ujo), Frank Keil (fk),<br />

Benjamin Laufer (bela), Misha Leuschen (leu), Annabel Trautwein (atw)<br />

Uta Sternsdorff und Kerstin Weber<br />

Redaktionsassistenz Sonja Conrad, Dina Fedossova<br />

Online-Redaktion Simone Deckner, Jonas Füllner, Benjamin Laufer<br />

Artdirektion grafikdeerns.de<br />

Öffentlichkeitsarbeit Sybille Arendt, Friederike Steiffert<br />

Anzeigenleitung Sybille Arendt<br />

Anzeigenvertretung Christoph Wahring,<br />

Wahring & Company, Tel. 040 284 09 40, info@wahring.de<br />

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 20 vom 1. Januar 2015<br />

Vertrieb Christian Hagen (Leitung), Marcus Chomse,<br />

Sigi Pachan, Jürgen Jobsen, Meike Lehmann, Sergej Machov,<br />

Frank Nawatzki, Elena Pacuraru, Reiner Rümke, Cristina Stanculescu,<br />

Marcel Stein, Cornelia Tanase, Silvia Zahn<br />

Rechnungswesen/Systemadministration Frank Belchhaus<br />

Spendenmarketing Gabriele Koch<br />

Spendenverwaltung Susanne Wehde<br />

Sozialarbeit Stephan Karrenbauer (Leitung), Ana-Maria Ilisiu, Isabel Kohler<br />

Das Stadtrundgang-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />

Chris Schlapp, Harald Buchinger<br />

Das BrotRetter-Team Stephan Karrenbauer (Leitung), Stefan Calin,<br />

Adam Csizmadia, Gogan Dorel, Alexa Ionut, Vasile Raducan<br />

Das Team von Spende Dein Pfand am Airport Hamburg<br />

Stephan Karrenbauer (Leitung), Uwe Tröger, Georgi Nikolov,<br />

Klaus Petersdorfer, Herbert Kosecki<br />

Litho PX2@ Medien GmbH & Co. KG<br />

Produktion Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />

Druck A. Beig Druckerei und Verlag,<br />

Damm 9–15, 25421 Pinneberg<br />

Umschlag-Druck Neef+Stumme premium printing GmbH & Co. KG<br />

Verarbeitung Delle und Söhne, Buchbinderei<br />

und Papierverarbeitungsgesellschaft mbH<br />

Spendenkonto Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

IBAN: DE56 200505501280167873<br />

BIC: HASPDEHHXXX<br />

Die Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH mit Sitz in Hamburg ist durch den aktuellen<br />

Freistellungsbescheid des Finanzamts Hamburg-Nord, Steuernummer<br />

17/414/00797, vom 15.11.2013 nach §5 Abs.1 Nr. 9<br />

des Körperschaftssteuergesetzes von der Körperschaftssteuer und nach<br />

§3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.<br />

Geldspenden sind steuerlich nach §10 EStG abzugsfähig. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist als<br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH im Handelsregister<br />

beim Amtsgericht Hamburg HRB 59669 eingetragen. Wir bestätigen,<br />

dass wir Spenden nur für die Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong> einsetzen.<br />

Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte weitergegeben.<br />

Beachten Sie unsere Datenschutzerklärung, abrufbar auf www.hinzundkunzt.de.<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist ein unabhängiges soziales Projekt, das obdachlosen und<br />

ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.<br />

Das Magazin wird von Journalisten geschrieben, Wohnungslose und<br />

ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter<br />

unterstützen die Verkäufer.<br />

Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.<br />

Gesellschafter<br />

Durchschnittliche monatliche<br />

Druckauflage 2. Quartal <strong>2017</strong>:<br />

70.000 Exemplare<br />

57


Momentaufnahme<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>292</strong>/JUNI <strong>2017</strong><br />

Unser Titelheld:<br />

Horst ist seit zehn<br />

Jahren trocken – eine<br />

stolze Leistung.<br />

„Ich gebe viel zurück,<br />

auf meine Weise“<br />

Horst (52) verkauft Hinz&<strong>Kunzt</strong> auf dem Blankeneser Wochenmarkt.<br />

TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />

FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Der Mann im Anzug grüßt mit kräftigem<br />

Händedruck: „Tach, ich bin<br />

Horst.“ Er wohnt jetzt mit seinen Wellensittichen<br />

in Jenfeld, erzählt er, ordentliche<br />

Wohnung, tolle Stammkunden auf<br />

dem Blankeneser Wochenmarkt. Seit<br />

Kurzem gibt es sogar wieder eine Frau<br />

an seiner Seite. Und er hatte gerade sein<br />

Doppeljubiläum: Zehn Jahre trocken,<br />

zehn Jahre Hinz&Künztler in Blankenese<br />

– was für ein Erfolg.<br />

Dabei galt er früher als abschreckendes<br />

Beispiel. „Rekord!“ überschrieb<br />

die Mopo vor gut zehn Jahren<br />

den Artikel, der Horst stadtbekannt<br />

machte. Mit 5,19 Promille im Blut war<br />

er mit der Polizei aneinandergeraten.<br />

Heute sehe er viel jünger aus als damals<br />

auf dem Titelfoto, scherzt Horst und ist<br />

froh, dass er überhaupt noch lebt nach<br />

so vielen Abstürzen. Zuletzt bettelte er<br />

vor der Haspa in Ottensen, trank schon<br />

morgens Korn, „um den Klapper wegzumachen“.<br />

Wie das passieren konnte,<br />

habe er bis heute nicht verstanden, sagt<br />

er. Er verlangte doch gar nicht viel vom<br />

Leben.<br />

Nach der Hauptschule fing Horst<br />

im Straßenbau an, zog in ein möbliertes<br />

Zimmer. Mit 22 Jahren stand er<br />

erstmals vor dem Traualtar. „Ich wollte<br />

auf eigenen Beinen stehen“, sagt er.<br />

„Aber das hat leider nicht geklappt.“<br />

Denn an den Alkohol hatte er sich<br />

schon auf dem Bau gewöhnt. Er trank<br />

aus Geselligkeit – und aus Stress. Der<br />

kam dicke, als die Ehe aus dem Ruder<br />

lief. Sein Sohn war gerade geboren.<br />

„Wie ich geschieden wurde“, erinnert<br />

sich Horst, „da ging’s bergab.“<br />

Seine Exfrau bekam das Sorgerecht<br />

und die Wohnung, Horst machte Platte:<br />

„Ich wusste ja nicht wohin.“ Er schaffte<br />

es zum Sozialamt, bekam ein Zimmer<br />

am Hansaplatz, heiratete erneut. Doch<br />

nach sechs Jahren stand er wieder allein<br />

und ohne Bleibe da. Es wurde immer<br />

schwerer, Halt zu finden. 1999 kam er<br />

zum ersten Mal zu Hinz&<strong>Kunzt</strong>, lernte<br />

seine dritte Ehefrau kennen. Doch beim<br />

Zeitungsverkauf nüchtern zu bleiben,<br />

das klappte nicht, und wieder ging alles<br />

in die Brüche.<br />

Bis zu dem Tag, als Horst sich als<br />

Rekordtrinker in der Mopo wiederfand.<br />

Ein heilsamer Schock. Damals fasste er<br />

einen Entschluss: nüchtern werden, für<br />

immer. Tag für Tag trank er etwas weniger,<br />

bis er nichts mehr brauchte. „Ohne<br />

Therapie habe ich das geschafft“,<br />

sagt er. Hilfe hatte er zum Glück doch:<br />

Einer Pastorin vertraute er sich an, „ich<br />

glaube ja auch an den lieben Gott“. Die<br />

Mopo-Reporterin von damals begleitete<br />

ihn zurück zu Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

Auch sein Sohn stand ihm bei. Und<br />

sein früherer Mitbewohner Norbert.<br />

Der machte ihm abends warmes Essen<br />

und nahm ihn in Schutz, wenn andere<br />

ihn zum Trinken drängten. Auch seine<br />

Kunden machten ihm Mut. Schließlich<br />

war er stark genug, dass er sogar das<br />

Ende seiner vierten Ehe überstand.<br />

„Es war doch eine gute Idee von<br />

mir, dass ich mein Leben zum Positiven<br />

umgekrempelt habe“, stellt Horst<br />

fest. Nach sechs Ein-Euro-Jobs hofft<br />

er jetzt auf eine Umschulung zum<br />

Nachbarschaftshelfer.<br />

Er kümmert sich gern um andere.<br />

Für seine Stammkunden schreibt er<br />

Weihnachtskarten, jede ein Unikat –<br />

wie die Einladungskarten für sein Jubiläum<br />

in der Stadtbäckerei Blankenese.<br />

Das ist Horsts Stärke, und das weiß er<br />

auch: „Ich gebe viel zurück, auf meine<br />

Weise.“ •<br />

58


KUNZT-<br />

KOLLEKTION<br />

BESTELLEN SIE DIESE UND WEITERE PRODUKTE BEI: Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH,<br />

www.hinzundkunzt.de/shop, shop@hinzundkunzt.de, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />

Tel. 32 10 83 11. Preise zzgl. Versandkostenpauschale von 2,50 Euro bis 4 Euro,<br />

Ausland auf Anfrage. Versand ab 100 Euro Warenwert kostenlos.<br />

4.<br />

1.<br />

1. „Heiße Hilfe“<br />

Bio-Rotbuschtee, aromatisiert mit<br />

Kakao-Orangen-Note. Zutaten: Rotbuschtee<br />

(k. b. A.), Kakaoschalen, Zimt, Orangenschalen,<br />

natürliches Orangenaroma<br />

mit anderen natürlichen Aromen.<br />

Dose, 75 g, abgefüllt<br />

von Dethlefsen&Balk, Hamburg,<br />

Preis: 7,50 Euro<br />

2. „Macht auch wach!“<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Bio-Kaffeemischung,<br />

100% Arabica gemahlen, 250-g-Beutel<br />

oder Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Bio-Espresso, italienische<br />

Mischung, kräftiger Geschmack,<br />

ungemahlen, 250-g-Beutel, exklusiv von der<br />

Kaffeerösterei Burg aus Hamburg.<br />

Preis: jeweils 5,95 Euro<br />

5.<br />

2.<br />

3. „Lesebrettchen“<br />

Exklusiv für Hinz&<strong>Kunzt</strong> aus der<br />

Serie „Schöne Aussichten“, Pension<br />

für Produkte Hamburg.<br />

Design: Wolfgang Vogler,<br />

Material: Esche geölt (aus heimischen Wäldern),<br />

lasergraviert. Jedes Brett ist ein Unikat,<br />

in Deutschland gefertigt.<br />

Preis: 15,90 Euro<br />

4. „Non urban“-Klappkarten<br />

5 verschiedene Motive mit Umschlag,<br />

DIN A6, Fotograf Dmitrij Leltschuk.<br />

Der Erlös geht zur Hälfte an den Fotografen,<br />

zur Hälfte an das Hamburger Straßenmagazin.<br />

Preis: 8 Euro<br />

6.<br />

3.<br />

5. „Einer muss ja das Maul aufmachen“<br />

T-Shirt vom Modelabel „Fairliebt“ aus<br />

100% Biobaumwolle, sozialverträglich<br />

genäht in Bangladesch und<br />

von Hand bedruckt in Deutschland.<br />

Größen: S, M, L, XL. Farben: Petrol für Herren,<br />

Meerwassertürkis für Damen, Preis: 24,90 Euro<br />

6. „Ein mittelschönes Leben“<br />

Eine Geschichte für Kinder<br />

über Obdachlosigkeit von Kirsten Boie,<br />

illustriert von Jutta Bauer.<br />

Preis: 4,80 Euro


<strong>Juni</strong> <strong>2017</strong><br />

Bündnispartner<br />

und Skandale<br />

und andere Themen, die Hamburger bewegen<br />

Di 13.06. | 18.00 Uhr | Streitgespräch<br />

Körber Debate: Herausforderung Türkei Die Entwicklungen in der Türkei rütteln an den<br />

Beziehungen zwischen Europa und dem NATO-Bündnispartner, jede Kritik scheint zu größerer<br />

Distanz zu führen. Wie geht Europa künftig mit dem Land um? Debatte in Kooperation mit der<br />

Süddeutschen Zeitung. Moderation: Stefan Kornelius, Süddeutsche Zeitung.<br />

Mi 14.06. | 19.00 Uhr | Rede im Rahmen der Hamburger Tage des Exils<br />

Hamburger Rede zum Exil: Ilija Trojanow In einer Mischung aus autobiografischen Erfahrungen,<br />

Beobachtungen und philosophischen Reflexionen des Themas Flucht umkreist der Schriftsteller<br />

Ilija Trojanow die Zumutungen und Chancen eines Neuanfangs, der an die Vergangenheit<br />

gekettet ist. Es moderiert Sven Tetzlaff, Körber-Stiftung.<br />

Di 20.06. | 19.00 Uhr | Diskussion<br />

Perfekt unperfekt Die Imperative des »perfekten Lebens« sind so zahlreich wie wider sprüchlich.<br />

Mit dem Entwicklungsforscher Remo Largo, der Beraterin für Veränderungsprozesse Antje<br />

Gardyan und Karin Jurczyk vom Deutschen Jugendinstitut legen drei Vordenker neue Entwürfe<br />

für das perfekt Unperfekte vor. Heinrich Wefing, Die Zeit, moderiert.<br />

Di 27.06. | 19.00 Uhr | Gespräch<br />

Digital mündig: Die fünfte Gewalt Sie stürzt Politiker, bildet Protestgemeinschaften oder bringt<br />

Konzerne in Bedrängnis: Mit der digital vernetzten Öffentlichkeit ist eine neue Machtsphäre<br />

entstanden. Wie stellen wir inmitten permanenter Empörung ein faires Miteinander sicher?<br />

Mit dem Skandal-Forscher Bernhard Pörksen spricht Christoph Kucklick, GEO.<br />

Stand: Mai <strong>2017</strong>, Änderungen vorbehalten. groothuis.de Fotos: Claudia Höhne, Thomas Dorn, David Ausserhofer, privat<br />

Eintritt frei, Anmeldung erforderlich: www.koerberforum.de<br />

KörberForum – Kehrwieder 12 | 20457 Hamburg | U Baumwall<br />

Telefon 040 · 80 81 92 - 0 | E-Mail info@koerberforum.de<br />

Veranstalter ist die gemeinnützige Körber-Stiftung.<br />

KörberForum<br />

Kehrwieder 12<br />

Für Menschen, die nicht alles so lassen wollen, wie es ist.

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