Hinz&Kunzt 292 Juni 2017
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Das Hamburger<br />
Straßenmagazin<br />
Seit 1993<br />
N O <strong>292</strong><br />
<strong>Juni</strong>.17<br />
2,20 Euro<br />
Davon 1,10 Euro<br />
für unsere Verkäufer<br />
G20<br />
Was der<br />
Gipfel gegen<br />
Armut und Hunger<br />
tun kann.<br />
Horst im<br />
Glück!<br />
Er war obdachlos und ständig<br />
betrunken. Jetzt feiert Horst Jubiläum:<br />
10 Jahre kein Schluck Alkohol
Ihr kleiner<br />
gr ner Kaktus<br />
Gesucht<br />
Die schönsten Geschichten<br />
veröffentlichen wir in<br />
unserem neuen<br />
Sonderheft,<br />
das im November<br />
erscheinen wird.<br />
Schreiben Sie an<br />
info@hinzundkunzt.de<br />
Einsendeschluss:<br />
28. Juli <strong>2017</strong>.<br />
Oder haben Sie eine andere Lieblingspflanze?<br />
Erzählen Sie uns von ihr und warum Sie sie so lieben!<br />
Dabei ist es egal, wo Ihre Pfl anze wächst – im Topf, im Garten,<br />
im Park – und ob sie jung, alt oder gar verkümmert ist.<br />
Hauptsache, sie hat eine besondere Bedeutung für Sie.<br />
FOTO: ISTOCK
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Editorial<br />
Selfie mit neuem Kollegen<br />
Herbert (links) ist seit Jahren<br />
Hinz&Künztler. Aber<br />
immer noch obdachlos.<br />
Jetzt hat der Pole quasi<br />
einen Sechser im Lotto<br />
gezogen: Er hat eine<br />
Kirchen kate und eine halbe<br />
Stelle bei unserem Projekt<br />
„Spende Dein Pfand“ am<br />
Flughafen bekommen.<br />
Geschäftsführer Jens Ade,<br />
Vertriebsmitarbeiter Sigi<br />
Pachan und Sozialarbeiter<br />
Stephan Karrenbauer (von<br />
links) freuen sich mit ihm.<br />
TITELBILD: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Horst – unser Titelheld,<br />
hier mit Fotograf Mauricio<br />
Bustamante. Der<br />
Hinz&Künztler hat<br />
allen Grund zu strahlen:<br />
Er ist seit zehn Jahren<br />
trocken – und glücklich.<br />
S. 58<br />
Sibel Kekilli<br />
Die Altonaer Schauspielerin<br />
engagiert sich<br />
seit Jahren gegen Armutsprostitution<br />
und Frauenhandel.<br />
Und erhielt dafür<br />
das Bundesverdienstkreuz.<br />
Eine Begegnung. S. 48<br />
Geschichten<br />
aus unserem Alltag<br />
Es ist mehr als zehn Jahre her. Da war Horst stadtbekannt<br />
als „Hamburgs schlimmster Alki“ (Mopo).<br />
Oft saß er vor der Haspa in Ottensen, schnorrte und<br />
unterhielt lautstark die ganze Umgebung. Mein Kollege<br />
Sigi aus dem Vertrieb besuchte ihn öfter und<br />
lud ihn zu Hinz&<strong>Kunzt</strong> ein, wenn auch klar war: In<br />
diesem Zustand kann der Mann nie und nimmer<br />
unsere Magazine verkaufen. Aber eines Tages beschloss<br />
Horst, sein Leben zu ändern … Seit zehn<br />
Jahren ist er trocken – und überhaupt glücklich.<br />
Noch so ein Glückspilz: Hinter unserem Kaffeetresen<br />
steht derzeit manchmal Herbert. Wirkt so, als<br />
sei er um Zentimeter gewachsen. Ende April war<br />
der Obdachlose noch unglücklich. Aber Sozialarbeiter<br />
Stephan Karrenbauer konnte ihm einen Job<br />
in unserem Projekt „Spende Dein Pfand“ anbieten –<br />
und eine Kirchenkate. Jetzt wohnt er direkt neben<br />
seinem Freund Dieter. „Das ist mein Glück“, wiederholt<br />
Herbert immer wieder. „Wohnung und Job,<br />
das ist mein Glück.“ Auch dass die Kirchenkate frei<br />
wurde, ist eine schöne Geschichte: Hinz&Künztler<br />
Ralf ist wieder zurückgezogen zu seiner Familie.<br />
Ansonsten beschäftigt uns natürlich der G20<br />
und was die Gipfelteilnehmer gegen Armut und<br />
Hunger tun können (ab Seite 17): viele Grafiken, ein<br />
Interview und eine Reportage. Und die Polizei hat<br />
uns ihr Sicherheitskonzept in Bezug auf Obdachlose<br />
erklärt. Wir hoffen, dass alles gut geht. •<br />
Ihre Birgit Müller<br />
Chefredakteurin<br />
(Wir freuen uns über Post von Ihnen.<br />
Schreiben Sie uns doch an info@hinzundkunzt.de)<br />
Hühner, fast umsonst<br />
Importierte Hühner<br />
aus Europa, Brasilien<br />
und den USA belasten<br />
den Geflügelmarkt<br />
in Nigeria. Eine<br />
Reportage passend<br />
zum G20. S. 26<br />
Hamburg aus Sicht<br />
junger Flüchtlinge<br />
Kaltes Wetter und<br />
schöne Farben. Viele<br />
Kirchen und nasser<br />
Sand. Hoffnung und<br />
die Angst, nicht bleiben<br />
zu können. Eine<br />
Ausstellung und eine<br />
Fotostrecke. S. 6<br />
Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk
Hinz&Künztler standen Modell<br />
Starke Gemälde<br />
„Eigentlich ist Modell stehen langweilig“, findet Jan. Aber<br />
als die Künstlerin Caroline von Grone ihn und andere<br />
Hinz&Künztler fragte, ob sie sich von ihr malen lassen<br />
würden, fiel ihm seine Geige ein. „In der Woche, in der ich<br />
Modell gestanden habe, habe ich dadurch 15 Stunden<br />
geübt. Und sie hat das ausgehalten!“, lacht der 71-Jährige.<br />
Die Bilder von Jan und den anderen sind jetzt kurz zu<br />
sehen. Von Grone malt häufig Auftragsporträts. Aber:<br />
„Wenn ich tot umfalle, will ich nicht, dass nur eine Schicht<br />
von Menschen in meinen Bildern auftaucht.“ ABI<br />
•<br />
28. <strong>Juni</strong>, Kath. Akademie, kleines Foyer, Eingang neben dem<br />
kleinen Michel, Michaelisstr. 5, 17–19 Uhr, www.von-grone.de
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Gut&Schön<br />
Harburg<br />
Rezepte aus<br />
der Heimat<br />
Manuela Maurer (von links)<br />
mit zwei ihrer momentan acht<br />
Mitstreiterinnen: Rahsan Tütünen<br />
und Shjkri Abdilahi Ibrahim.<br />
FOTOS: CAROLINE VON GRONE (SEITE 4), CHRISTIAN BARTSCH (OBEN),<br />
ASSOCIAÇÃO CONVERSA AMIGA (UNTEN LINKS), PONS GMBH, CHICKPEACE/ANKOMMER (KOLUMNE)<br />
New Hamburg<br />
Kultur öffnet Welten auf der Veddel<br />
Seit Herbst 2014 engagieren sich die Mitarbeiter von<br />
New Hamburg auf der Veddel und arbeiten mit den<br />
Anwohnern monatlich ein Kulturprogramm aus.<br />
Dafür wurde die vom Deutschen Schauspielhaus<br />
gestartete Initiative jetzt mit dem Preis „Kultur öffnet<br />
Welten“ ausgezeichnet. JOF<br />
•<br />
Mehr Infos unter www.new-hamburg.de<br />
Stauraum für Obdachlose<br />
Weil es kaum kostenlose, sichere<br />
Aufbewahrungsmöglichkeiten gibt,<br />
tragen die meisten Obdachlosen ihr<br />
gesamtes Hab und Gut bei sich.<br />
Ein großes Problem, dessen Lösung<br />
man jetzt in Portugal in Angriff<br />
nimmt. In Lissabon wurden im öffentlichen<br />
Raum bereits 48 Schließfächer<br />
speziell für Obdachlose aufgebaut.<br />
Weitere sollen folgen. Zum<br />
Vergleich: In ganz Hamburg gibt es<br />
insgesamt nur 24 Schließfächer für<br />
Obdachlose. JOF<br />
•<br />
5<br />
geflüchtete Frauen Gerichte<br />
aus ihren Herkunftsländern<br />
anbieten? Und die exotische<br />
Speisen servieren, den Gästen<br />
von ihrer Bedeutung erzählen<br />
und darüber mit ihnen<br />
ins Gespräch kommen?<br />
Eine Win-win-Situation für<br />
alle und eine Idee, die mit<br />
dem Projekt „Chickpeace“<br />
Wirklichkeit geworden ist.<br />
Ideengeberin ist Manuela<br />
Maurer. Die Sozialarbeiterin<br />
engagierte sich ehrenamtlich<br />
in einer Harburger<br />
Flüchtlingsunterkunft. Regelmäßig<br />
kochte sie zusammen<br />
mit fünf Geflüchteten<br />
und fünf Deutschen. Die<br />
wechselnde „Chefköchin“<br />
bestimmte das Gericht, und<br />
so gab es von Kartoffelsalat<br />
bis hin zu Speisen aus Afghanistan,<br />
Eritrea oder Syrien<br />
nicht nur Spannendes für<br />
den Gaumen, sondern auch<br />
Gelegenheit, über die Töpfe<br />
hinweg Deutsch zu lernen.<br />
Als die Frauen bei einem<br />
Sommerfest für die Vorspeisen<br />
sorgten und die Gäste<br />
begeistert waren, wurde die<br />
Idee geboren.<br />
Nun braucht Chickpeace<br />
„nur“ noch eine Profiküche.<br />
Bis das Geld zusammengekommen<br />
ist, brutzeln<br />
die Unternehmerinnen in ei-<br />
Ein Cateringservice, in dem<br />
Bildwörterbuch für Kinder<br />
Als 2015 immer mehr Flüchtlinge<br />
nach Deutschland kamen, öffnete<br />
der Langenscheidt-Verlag sein<br />
Onlineangebot und bot Flüchtlingen<br />
und ihren Betreuern mit dem Wörterbuch<br />
„Deutsch-Arabisch“ kostenlos<br />
Hilfe an (www.langenscheidt.<br />
com). Jetzt legt der Pons-Verlag<br />
nach und bietet eine spezielle Hilfestellung<br />
für Flüchtlingskinder. Ende<br />
Mai erschien das Bildwörterbuch<br />
„Arabisch-Deutsch“. Preis: 7,99<br />
ner Küche des Caterers Als-<br />
Euro im Buchhandel. JOF<br />
•<br />
terFood GmbH. ABI<br />
•
Frei sein wie ein Vogel.<br />
Wild durch die Welt fliegen und<br />
sie genießen. Wie wäre das schön.<br />
HUSSEIN IBRAHIM (25), LIBANON
Stadtgespräch<br />
Ein neuer<br />
Blick auf<br />
Hamburg<br />
Wie sehen junge Flüchtlinge unsere Stadt? Für das<br />
Projekt wirsprechenfotografisch haben sie ihre neue<br />
Heimat mit der Kamera erkundet. Die Ergebnisse<br />
erzählen von Träumen, Hoffnungen und Talenten.<br />
Sie sind in der Patriotischen Gesellschaft zu sehen.<br />
TEXT: BENJAMIN LAUFER<br />
FOTOS: WIRSPRECHENFOTOGRAFISCH<br />
Stolze Fotografen (im Uhrzeigersinn): Bahar Ghalani (oben links),<br />
Parichehr Bijani, Mohammed Mohammadi, Majed Darwish,<br />
Negin Fard, Rashed Payam, Mostafa Bagheri und Samer Mardini.<br />
In der Mitte: Abdurahman Hatuev.<br />
7
Hamburg Stadt der vielen<br />
Konfessionen und<br />
Kirchen Ihre Uhren<br />
schlagen im gleichen Takt<br />
MOSTAFA BAGHERI (24), AFGHANISTAN<br />
Als Abdurahman Hatuev vor zwei<br />
Jahren in Hamburg ankam,<br />
war die Sonne längst untergegangen.<br />
Er sah nur die dunkle Seite der<br />
Stadt; Obdachlose und fremde Menschen,<br />
die durch die Nacht irrten. Sein<br />
erster Eindruck von Hamburg verstörte<br />
ihn. „Wo bin ich hier nur gelandet?“,<br />
fragte sich der heute 17-jährige Tschetschene.<br />
Er landete dann in einer Zentralen<br />
Erstaufnahme, eine dieser überfüllten<br />
Massenunterkünfte, in der alle<br />
ankommenden Flüchtlinge zuerst leben<br />
müssen. Enge und Langeweile gehörten<br />
zu Abdurahmans Alltag. Kein guter<br />
Start in Hamburg. Doch dann kam Joceline<br />
Berger in die Unterkunft und<br />
überzeugte ihn, bei ihrem Projekt wirsprechenfotografisch<br />
mitzumachen. In<br />
fast akzentfreiem Deutsch sagt Abdurahman:<br />
„Seitdem sehe ich Hamburg<br />
mit einem anderen Blick.“<br />
Denn mit der Kamera erkundete er<br />
gemeinsam mit anderen jungen Geflüchteten<br />
die Stadt noch einmal ganz<br />
neu, dokumentierte seine frühen Eindrücke<br />
und Erfahrungen im Exil. Darum<br />
geht es bei Bergers wirsprechenfotografisch,<br />
das als Uni-Projekt der<br />
Studentin 2015 seinen Anfang nahm.<br />
„Ich wollte die jungen Leute ein bisschen<br />
aus ihrem Alltag rausholen“, sagt<br />
die Islam- und Politikstudentin und<br />
freie Fotografin. An Jugendliche und<br />
junge Erwachsene richtete sie sich, weil<br />
es für sie kaum Angebote gab. Sie sollten<br />
die Gelegenheit bekommen, sich<br />
kreativ auszudrücken.<br />
Das kam gut an: Es klingt, als hätten<br />
die Flüchtlinge nur darauf gewartet,<br />
endlich eine Kamera in die Hand zu<br />
nehmen. „Mich hat das sehr gefreut,<br />
denn seit ich Syrien verlassen habe, hatte<br />
ich nicht mehr fotografiert“, sagt zum<br />
Als " Roman"* habe ich die rote Frucht<br />
kennengelernt in der Stadt am Nil.<br />
Nie zuvor hatte ich sie gekostet.<br />
Jetzt – in Hamburg –<br />
liebe und schätze ich sie.<br />
MOHAMMED MOHAMMADI (23), AFGHANISTAN<br />
8<br />
*arabisch für Granatapfel
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
Kraft und Hoffnung<br />
kommen von den Menschen,<br />
die hinter dir stehen im Leben.<br />
Aber viele wissen das nicht.<br />
MOSTAFA BAGHERI (24), AFGHANISTAN<br />
9
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>292</strong>/JUNI <strong>2017</strong><br />
Kaltes Wetter, rauschende Wellen,<br />
nasser Sand, Sonnenuntergang.<br />
Bin weit weg von meiner Heimat.<br />
Versuche mich zurechtzufinden.<br />
RASHED PAYAM (28), AFGHANISTAN<br />
10
Schöne Farben – so wie an<br />
der Hütte von Oma.<br />
Verwittert. So wie ich<br />
nach langem Weg.<br />
Gut, dass ich nicht so<br />
ausseh‘, wie ich mich fühl‘.<br />
Ach, egal. Schöne Farben.<br />
PARICHEHR BIJANI (27), IRAN<br />
We locked our love forever;<br />
I wish that every country<br />
could fix their<br />
locks for peace forever.<br />
RADWAN DARWISH (18), SYRIEN<br />
Beispiel der 18-jährige Majed Darwish.<br />
Nach Krieg und Flucht fanden viele hier<br />
erstmals wieder zu sich selbst: „Wir dürfen<br />
unsere Talente, Hoffnungen und<br />
Träume nicht vergessen“, betont die<br />
31-jährige Negin Fard aus dem Iran.<br />
Mehr als 50 Fotografien umfasst die<br />
aktuelle Ausstellung „Lichtblicke“, die<br />
nun in der Stadt gezeigt wird. 17 junge<br />
Menschen aus sechs Ländern haben<br />
Werke dazu beigesteuert, die den ganz<br />
besonderen Blick der Geflüchteten auf<br />
Hamburg zeigen. Sie sollen den Dialog<br />
zwischen Flüchtlingen und Einheimischen<br />
fördern, so hat es sich Initiatorin<br />
Berger gedacht. Nach diesem Austausch<br />
lechzen die Fotografen geradezu:<br />
„Das ist eine große Chance!“, sagt<br />
Abdurahman euphorisch. Endlich<br />
wahrgenommen werden!<br />
Im Mai waren die Bilder im Haus<br />
der Patriotischen Gesellschaft zu sehen.<br />
„Wir betrachten die kulturelle Vielfalt<br />
in Hamburg als Bereicherung und<br />
möchten das Verständnis für die unterschiedlichen<br />
Mentalitäten und Lebensweisen<br />
fördern“, sagt Arnold Alscher,<br />
Sprecher des Arbeitskreises Interkulturelles<br />
Leben der Patriotischen Gesellschaft.<br />
Wer es verpasst hat: Im <strong>Juni</strong> gibt<br />
es an der Trostbrücke eine weitere Gelegenheit,<br />
die Ausstellung zu sehen. •<br />
Lichtblicke: Fotoausstellung am Mo,<br />
26. <strong>Juni</strong>, im Anschluss an die Lesung mit<br />
Mahmood Falaki aus „Ich bin Ausländer –<br />
und das ist auch gut so“. Haus der Patriotischen<br />
Gesellschaft, Trostbrücke 4–6,<br />
18 Uhr, Eintritt frei, Anmeldung erbeten.<br />
www.patriotische-gesellschaft.de<br />
11
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
Zahlen des Monats<br />
Trendwende im sozialen<br />
Wohnungsbau?<br />
400.000<br />
Hamburger Wohnungen wurden seit den 1950er-Jahren bis heute<br />
als Sozialwohnungen gebaut. Nur noch<br />
80.000<br />
davon sind heute Sozialwohnungen, weil Mietpreisbindungen ausliefen.<br />
Die Folge: Bei 320.000 Wohnungen, die aus Steuergeldern mitfinanziert wurden,<br />
hat die Stadt keinen Einfluss mehr auf die Miethöhe. Bis 2020 fallen<br />
weitere 15.000 alte Sozialwohnungen aus der Bindung.<br />
„Jeder zweite Hamburger hat Anrecht auf eine geförderte Wohnung“,<br />
sagte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) Anfang Mai auf einer SPD-Veranstaltung.<br />
„Zwar gibt es die Wohnungsbaugenossenschaften, über die Wohnen nach wie vor<br />
günstig ist. Aber das reicht nicht, denn ein Großteil der Hamburger kann sich nicht<br />
mehr als 8 Euro Miete pro Quadratmeter leisten. Daher brauchen wir mehr<br />
geförderte Wohnungen – und das ist ein Ziel unserer Politik.“<br />
SPD und Grüne wollen dafür sorgen, dass jährlich 10.000 neue Wohnungen in<br />
Hamburg gebaut werden, darunter 3000 geförderte. Vergangenes Jahr kamen<br />
2433 neue Sozialwohnungen auf den Markt, für den Bau von 2290 Wohnungen<br />
bewilligte die Stadt Fördergelder. Außerdem bezuschusste sie den Bau weiterer<br />
1017 Wohnungen, in die zunächst Flüchtlinge einziehen („Perspektive Wohnen“),<br />
die in der Zukunft aber in Sozialwohnungen umgewandelt werden sollen.<br />
Erreicht der Senat diese Zahlen auch in den kommenden Jahren, wäre der Abwärtstrend<br />
zumindest gestoppt. Hoffnung macht zudem ein Vorstoß von Stadtentwicklungssenatorin<br />
Dorothee Stapelfeldt (SPD): In einem Interview mit der „Mopo“ erklärte sie<br />
eine 30-jährige Mietpreisbindung für Sozialwohnungen zu einem „guten Ziel“.<br />
Gespräche mit der Wohnungswirtschaft laufen. Derzeit sind in Hamburg Bindungen<br />
von nur 15 Jahren die Regel. •<br />
TEXT: ULRICH JONAS<br />
ILLUSTRATION: ESTHER CZAYA<br />
Kontakt: ulrich.jonas@hinzundkunzt.de<br />
13
Rubrik<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>292</strong>/JUNI <strong>2017</strong><br />
Als Sören Özer und<br />
seine Frau den<br />
„Wandsbäcker“ eröff neten,<br />
wollten sie auch etwas<br />
für Menschen tun, die<br />
sich keinen Kaffee oder<br />
Kuchen leisten können.<br />
Armut am Haken<br />
Wie Sören Özer und seine Frau Hekmet mit einer sozialen Aktion<br />
in Wandsbek Vorreiter in ganz Deutschland wurden.<br />
TEXT: BIRGIT MÜLLER<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Ob die Armut zunimmt? Da braucht<br />
man eigentlich keine Studien zu lesen,<br />
da muss man einfach Sören Özer fragen,<br />
der jahrelang zusammen mit seiner<br />
Frau Hekmet den „Wandsbäcker“<br />
in der Holzmühlenstraße betrieb. „Bis<br />
Mitte des Monats muss im Laden noch<br />
Wechselgeld von der Bank geholt werden“,<br />
ist die Erfahrung des 69-Jährigen.<br />
„Danach wird bei den Kunden das<br />
Geld knapp und sie bezahlen mit<br />
Kleingeld.“<br />
Und manche Menschen haben so<br />
wenig Geld, dass sie sich noch nicht mal<br />
einen Kaffee oder ein Brot leisten<br />
können.<br />
Die Özers starteten deshalb 2007<br />
die Aktion „Brot am Haken“: Man<br />
kauft zwei Brote, zwei Kuchen oder<br />
zwei Tassen Kaffee. Das eine verputzt<br />
14<br />
Keiner der<br />
Kunden nutzt<br />
das Projekt aus.<br />
man selbst, den Bon für das andere<br />
hängt man an einen Haken. Und dann<br />
kann sich ein Mensch mit Ebbe im<br />
Portemonnaie einen ausgeben lassen.<br />
Mit dieser Aktion, die eigentlich<br />
aus Italien stammt, wurden die Özers<br />
Vorreiter in Deutschland. Oft wurde<br />
Özer in den vergangenen Jahren gefragt,<br />
ob die Menschen die Freigiebigkeit<br />
nicht ausnutzen. „Überhaupt<br />
nicht“, sagt Sören Özer. „Die meisten<br />
muss man anfangs eher überreden, einen<br />
Bon oder einen Kaffee anzunehmen.“<br />
Und: Die Zahl derjenigen, die so<br />
einen Bon gut gebrauchen können,<br />
glaubt er, ist deutlich gestiegen.<br />
Inzwischen ist Özer längst in Rente.<br />
Trotzdem schaut er fast täglich im Laden<br />
vorbei. Seine ehemaligen Kunden<br />
sind fast so etwas wie Freunde geworden.<br />
„Brot am Haken“ hat Nachfolger<br />
Ziyaettin Durmus „selbstverständlich“<br />
übernommen. Dass er sich engagiert, ist<br />
für Özer „als Moslem nichts Besonderes“.<br />
Früher habe sogar vor jeder Moschee<br />
ein „Gabenstein“ gestanden, mit<br />
einem Loch. Wer etwas zu verschenken<br />
hatte, legte es hinein, und wer etwas<br />
brauchte, holte sich etwas heraus.<br />
„Aber letztendlich wird in jeder Religion<br />
erwartet, dass man den Armen<br />
hilft“, sagt er.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
„ Jede Religion<br />
erwartet, dass<br />
man Armen hilft.“<br />
SÖREN ÖZER<br />
Was Armut heißt, hat er als Kind selbst<br />
erfahren. Seine Eltern – Vater Türke,<br />
Mutter Kurdin – kommen aus einem<br />
Dorf in Anatolien. „Ich bin also eine<br />
Mischung“, sagt er. Sein Vater wollte alles,<br />
nur nicht Bauer werden. „Mit einem<br />
Barbierkoffer ging er von Tür zu<br />
Tür, aber es war fast unmöglich, davon<br />
die Familie zu ernähren.“<br />
Also zog die Familie in einen größeren<br />
Ort, nach Sivas. Der Vater arbeitete<br />
dort wieder als Barbier. Sein Sohn Abdurrahman,<br />
wie Sören damals noch<br />
hieß, absolvierte die Grundschule und<br />
danach neben der Schule eine Lehre<br />
zum Tischler.<br />
1971, mit 20, zog Abdurrahman<br />
nach Deutschland. Studieren wollte er<br />
und sich ein neues Leben aufbauen.<br />
„Ich hatte mir vorgestellt, tagsüber zu<br />
arbeiten, abends zu lernen.“ Aber das<br />
hat er nicht geschafft. „Nach drei Monaten<br />
war ich am Ende“, sagt er ohne<br />
jede Bitterkeit. Immerhin: Er fand Arbeit<br />
als Tischlergeselle.<br />
Obwohl er schnell gut Deutsch<br />
sprach und integriert war, fühlte er sich<br />
heimatlos und entwurzelt. „Das habe<br />
ich unterschätzt“, sagt er. Zumal für die<br />
Türken meist klar war, dass sie eines<br />
Tages wieder zurückgehen würden.<br />
Und Özer erlebte auch einige Rückschläge.<br />
Als er nach ein paar Jahren seinen<br />
Meister machen wollte, eröffnete<br />
ihm die Handwerkskammer, seine Ausbildung<br />
würde in Deutschland nicht anerkannt.<br />
Er musste wieder bei null anfangen:<br />
Der Mann, der seit Jahren als<br />
Geselle arbeitete, musste eine dreijährige<br />
Lehre machen. Er biss die Zähne zusammen<br />
und wurde Azubi – im selben<br />
Betrieb, in dem er seit Jahren arbeitete<br />
und sogar drei Männer unter sich hatte.<br />
Eins muss man ihm lassen: Er hat<br />
Durchhaltevermögen.<br />
Seit den 1980er-Jahren hat er die<br />
deutsche Staatsbürgerschaft, was ihm<br />
nicht nur einen deutschen Pass, sondern<br />
auch einen deutschen Namen bescherte.<br />
Wieder schmunzelt er. „Der Beamte, der<br />
uns einbürgerte, las meinen Namen: Abdurrahman<br />
– und sagte trocken: ‚Wenn<br />
Sie sich heute einen anderen Namen<br />
aussuchen wollen, dann kostet das nur<br />
20 Mark, wenn Sie sich später entscheiden,<br />
dann 5000.‘“ Özer überlegte nicht<br />
lange und entschied sich für einen sehr<br />
norddeutschen Namen, Sören. „So hatte<br />
ich eigentlich meinen Sohn nennen wollen,<br />
aber dann wurde es eine Tochter.“<br />
Natürlich fühlt er sich der Türkei<br />
immer noch verbunden, verfolgt die<br />
Entwicklung dort mit Sorge: „In der<br />
Türkei gibt es keine Meinungsfreiheit<br />
mehr“, sagt er traurig. „Da herrscht<br />
Friedhofsstille wie damals in der DDR.“<br />
Ein Zurück in die Türkei gibt es für<br />
ihn sowieso nicht mehr. „Meine Enkelkinder<br />
sind hier, und meine Frau und<br />
ich bleiben da, wo unsere Familie ist.“<br />
Und er liebt Deutschland, auch<br />
wenn er nach wie vor gegen sein Image<br />
als „Ausländer“ ankämpfen muss. „Ich<br />
wurde schon oft aufgefordert, mich aus<br />
der Politik rauszuhalten.“ Er hält es aus<br />
– mit Humor. Für solche Situationen<br />
hat er einen Spruch: „Ich bin staatlich<br />
geprüfter Deutscher – du bist durch<br />
Geburt nur ein Zwangsdeutscher.“<br />
Eine Stammkundin kommt rein.<br />
Bekommt gleich einen Stuhl und ein<br />
Glas Wasser. Von Ziyaettin Durmus.<br />
Der 38-Jährige hatte vor der Übernahme<br />
des Ladens noch nie etwas von<br />
„Brot am Haken“ gehört. „Aber es ist<br />
so ein schönes Projekt, das wollte ich<br />
unbedingt fortführen.“ •<br />
Kontakt: birgit.mueller@hinzundkunzt.de<br />
Sören Özer und sein Nachfolger Ziyaettin Durmus (rechts) im „Wands bäcker“,<br />
Holzmühlenstraße 35. Durmus setzt das Projekt fort.<br />
15
Einige Obdachlose wurden bereits im April<br />
aufgefordert, ihre Platte bis zum Gipfel<br />
zu räumen. „Eine Order dazu gibt es nicht“,<br />
stellt Polizeisprecher Timo Zill klar.<br />
G20: Konzept<br />
für Obdachlose<br />
Wie geht die Polizei während des G20-Gipfels mit Obdachlosen<br />
um, die Sicherheitsvorkehrungen im Weg sind? Ein Treffen mit<br />
Polizeisprecher Timo Zill.<br />
TEXT: BENJAMIN LAUFER<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Endlich gibt es mal jemand zu!<br />
Ja, Obdachlose und ihre Habseligkeiten<br />
können ein Sicherheitsproblem<br />
während des<br />
G20-Gipfels darstellen. Zum Beispiel<br />
wenn sie unter Brücken zelten, über die<br />
die Staatskarossen von Trump, Putin<br />
und Co. rollen werden. Timo Zill, Pressesprecher<br />
der Hamburger Polizei, sitzt<br />
in seinem Büro im Alsterdorfer Präsidium<br />
vor einem großen Foto eines Peterwagens<br />
und erklärt Hinz&<strong>Kunzt</strong> das<br />
Sicherheitskonzept der Polizei während<br />
des Gipfels. „Im Einsatzraum wohnen,<br />
leben und arbeiten viele Menschen, wir<br />
müssen mit ihnen umgehen“, sagt er.<br />
„Das wird aber nicht Hunderte Obdachlose<br />
betreffen.“<br />
Vor Zill liegen Karten mit geplanten<br />
Sicherheitsbereichen in der Innenstadt<br />
mit dem Vermerk „VS – Nur für<br />
den Dienstgebrauch“. Wir wollen wissen:<br />
Wie groß werden diese Bereiche<br />
jenseits der bekannten Sicherheitszonen<br />
um Messehallen und Elbphilharmonie<br />
sein? Wo werden Obdachlose ihre<br />
Plätze räumen müssen, weil deren<br />
Rucksäcke und Schlafsäcke ein Risiko<br />
darstellen? Der Polizeisprecher zeigt es<br />
uns am Beispiel des Park Hyatt Hotels,<br />
zwischen Mönckeberg- und Bugenhagenstraße<br />
gelegen. Hier soll im Juli der<br />
russische Präsident Vladimir Putin<br />
absteigen.<br />
Tatsächlich ist der Bereich, der ab<br />
dem 6. Juli abgesperrt werden soll,<br />
überschaubar. Die Bugenhagenstraße<br />
wird komplett gesperrt sein, der Gehweg<br />
vor dem Levantehaus an der Mönckebergstraße<br />
auf einer Länge von vielleicht<br />
50 Metern. Das war’s. „Wir<br />
brauchen nicht viel Fläche um die Hotels<br />
herum“, sagt Timo Zill. Nebenan<br />
an den Langen Mühren und dem Jakobikirchhof,<br />
wo oft Obdachlose schlafen,<br />
soll das Leben möglichst normal<br />
weitergehen.<br />
Allerdings muss Putin vom Flughafen<br />
ins Hotel kommen und von dort in<br />
die Messehallen. Mehr als ein Dutzend<br />
sogenannter Protokollstrecken wird es<br />
geben, auf denen sich die Staatschefs<br />
durch die Stadt bewegen werden. Für<br />
die Dauer der Durchfahrt werden Fahr-<br />
bahnen und Gehwege von der Polizei<br />
geräumt werden. Zelte wie die, die der<br />
Bezirk Mitte im April am Alsterfleet unter<br />
der Willy-Brandt-Straße hat räumen<br />
lassen, könnten dann ein Problem sein,<br />
sagt Zill. „Das ist aber abhängig vom<br />
Standort.“<br />
Wir können das nachvollziehen.<br />
Bislang hatten die Behörden aber stets<br />
abgewiegelt, wenn wir sie auf drohende<br />
Konflikte mit Obdachlosen hingewiesen<br />
hatten. Eine „Phantomdebatte“<br />
würden wir führen. Hinz&<strong>Kunzt</strong> hatte<br />
eine Ausweichfläche für die Gipfelzeit<br />
gefordert – oder zumindest ein Konzept<br />
für den Umgang mit Obdachlosen.<br />
Das gibt es jetzt. „Es wird einen<br />
direkten Draht von der Polizei zur Sozialbehörde<br />
geben“, sagte Innensenator<br />
Andy Grote (SPD) in der Bürgerschaft.<br />
Er machte aber auch klar: Eine zusätzliche<br />
Unterkunft für Obdachlose, die aus<br />
Sicherheitsgründen ihre Platte räumen<br />
müssen, ist nicht geplant. Bestehende<br />
Einrichtungen wie das Pik As würden<br />
ausreichen. Hinz&<strong>Kunzt</strong> hat nach wie<br />
vor Zweifel – zumal viele Obdachlose<br />
das Pik As grundsätzlich meiden.<br />
Betroffene Obdachlose könnten<br />
auch einfach aufgefordert werden, eine<br />
Straße weiter zu ziehen. Polizeisprecher<br />
Timo Zill spricht von „individuellen,<br />
pragmatischen Lösungen“, die für sie<br />
gefunden werden sollen. Sobald die<br />
Sicherheitsbereiche feststehen, will die<br />
Polizei sie der Sozialbehörde mitteilen.<br />
Und die verspricht nach einem Gespräch<br />
mit Hinz&<strong>Kunzt</strong>, „möglichst<br />
früh verlässliche Informationen“ an die<br />
Obdachlosen zu geben. •<br />
16
Der G20 und die Armut<br />
„Wir könnten<br />
die erste<br />
Generation sein,<br />
der es gelingt,<br />
die Armut<br />
zu beseitigen.“<br />
BAN KI-MOON, UN-GENERALSEKRETÄR 2007 BIS 2016<br />
In den kommenden 13 Jahren wollen die wichtigsten Länder der Welt Hunger und Armut<br />
überwinden. Dass sie diesen UN-Beschluss und ihre Agenda 2030 ernst meinen,<br />
können sie auch beim G20 in Hamburg beweisen. „Wir wollen Lösungen sehen“,<br />
fordert Hamburgs Landespastor Dirk Ahrens. Denn immer noch hungern 800 Millionen<br />
Menschen. Dass die Agenda realistisch ist und es möglich wäre, zu unseren Lebzeiten<br />
den Hunger zu überwinden, das sagt Ralf Südhoff, Deutschlandchef des<br />
Welternährungsprogramms der UNO, im Interview. Man muss es politisch nur wollen!<br />
REDAKTION: BIRGIT MÜLLER, JONAS FÜLLNER<br />
GRAFIKEN/ILLUSTRATIONEN: GRAFIKDEERNS.DE<br />
WELTHUNGERKARTE: WORLD FOOD PROGRAMME<br />
Eine Weltkarte<br />
des Hungers<br />
und Informationen<br />
zum G20<br />
Seite 18 & 19<br />
Zahlen & Fakten<br />
zum Hunger<br />
plus ein Kommentar<br />
von Diakoniechef<br />
Dirk Ahrens<br />
Seite 20 & 21<br />
Experten-<br />
Interview:<br />
Ralf Südhoff vom<br />
UN-Welternährungsprogramm<br />
Seite 22 bis 24
G20 und der Hunger<br />
800 Millionen Menschen weltweit hungern. Wo, das zeigt die Karte des Welternährungsprogramms<br />
(WFP) der UNO. Die weltgrößte Hilfsorganisation soll dabei helfen, den Hunger bis 2030 zu<br />
überwinden. Der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon rief die Zero-Hunger-Initiative ins<br />
Leben, „damit wir dieses Ziel noch zu unseren Lebzeiten“ erreichen. Mehr Infos unter www.wfp.org<br />
WELTHUNGER-<br />
KARTE<br />
Die wichtigsten Ziele der Zero<br />
1. Innerhalb von zwei Jahren leidet kein<br />
Kind mehr unter Wachstumsstörungen<br />
durch Mangelernährung.<br />
2. 100-prozentiger Zugang zu<br />
angemessener Nahrung – für alle<br />
Menschen, das ganze Jahr<br />
18
5 %<br />
sehr geringe<br />
Unterernährung<br />
Anteil der unterernährten Menschen<br />
an der Gesamtbevölkerung, 2014–2016<br />
5–14 % 15–24,9 % 25–34,9 %<br />
geringe<br />
Unterernährung<br />
moderate<br />
Unterernährung<br />
hohe<br />
Unterernährung<br />
35 %<br />
und höher<br />
sehr hohe<br />
Unterernährung<br />
fehlende oder<br />
unzureichende<br />
Daten<br />
Die 20 Länder,<br />
die die Welt<br />
retten könnten,<br />
sind in<br />
Wirklichkeit<br />
19 Länder und<br />
die EU.<br />
Zu den Gipfelteilnehmern<br />
gehören Kanada,<br />
USA, Mexiko, Brasilien,<br />
Argentinien, Türkei,<br />
Saudi-Arabien, Südafrika,<br />
Russland, China,<br />
Indien, Indonesien, Südkorea,<br />
Japan und Australien.<br />
Deutschland,<br />
Großbritannien (noch),<br />
Frankreich und Italien sind<br />
quasi doppelt vertreten,<br />
weil die EU als Ganzes<br />
auch als Land zählt.<br />
-Hunger-Initiative:<br />
3. Alle Nahrungssysteme sind nachhaltig<br />
4. 100-prozentige Steigerung<br />
der Produktion und des<br />
Einkommens von Kleinbauern<br />
5. Kein Verlust und keine<br />
Verschwendung von Nahrungsmitteln<br />
Anteil der G20 an<br />
der Weltbevölkerung:<br />
60 %<br />
Anteil am weltweiten<br />
Bruttoinlandsprodukt (BIP):<br />
80 %<br />
Anteil am<br />
Welthandelsvolumen:<br />
80 %<br />
Anteil an der<br />
weltweiten CO 2 -Emission:<br />
80 %<br />
19
Zahlen & Fakten<br />
zum Hunger<br />
Es hört sich absurd an, dass ausgerechnet Bauern hungern.<br />
Und immer noch sterben Millionen Kinder an Unterernährung. Die gute<br />
Nachricht: Die Zahl ist drastisch gesunken. Was die G20-Länder gegen den<br />
Hunger tun können, lesen Sie im Experten-Interview auf Seite 22.<br />
1990 starben noch<br />
12,7 Millionen Kleinkinder<br />
unter fünf Jahren.<br />
Der Anteil der verhungerten<br />
Kinder ist unbekannt.<br />
Drei von vier Hungernden<br />
weltweit leben als Kleinbauern,<br />
Viehzüchter und Arbeiter auf<br />
dem Land. Die Mehrheit der<br />
Kleinbauern sind Frauen, die mit<br />
dem selbst Erwirtschafteten sich<br />
und ihre Familien ernähren.<br />
(Quelle: Focus on Women, WFP 2016)<br />
1990<br />
2015<br />
6,7 Millionen<br />
Kleinkinder<br />
starben 2015.<br />
3 Millionen von<br />
ihnen verhungerten.<br />
2015 verhungerten<br />
3 Millionen Kleinkinder<br />
Das Millenniumsziel, die Kindersterblichkeit bis 2015<br />
weltweit um zwei Drittel zu senken, wurde zwar nicht<br />
erreicht. Aber 24 der 81 armen und bevölkerungsreichen<br />
Länder wie Äthiopien, Bangladesch,<br />
Kambodscha und Uganda haben es geschafft.<br />
Einer von neun Menschen<br />
weltweit leidet an Hunger.<br />
Auf der Erde<br />
leben fast 7,5 Milliarden<br />
Menschen.<br />
(Quelle: State of Food Insecurity<br />
in the World, FAO 2015)<br />
(Quelle: Unicef; Levels and Trends in Child Mortality Report, 2015)<br />
HUNGER<br />
ist das größte Gesundheitsrisiko<br />
weltweit. Jährlich sterben daran mehr<br />
Menschen als an AIDS, Malaria und<br />
Tuberkulose zusammen.<br />
20
Plus<br />
20%<br />
Klimawandel<br />
Der Klimawandel kann dazu führen, dass bis<br />
zum Jahr 2050 zusätzlich 20 Prozent mehr<br />
Kinder an Hunger und Mangelernährung<br />
leiden als noch heute. Fast die Hälfte von<br />
ihnen lebt in Subsahara Afrika.<br />
(Quelle: Two Minutes on Climate<br />
Change and Hunger, 2015)<br />
Hunger treibt Menschen<br />
in die Flucht<br />
Nimmt der Hunger in einer<br />
Bevölkerung um 1 Prozent zu,<br />
zwingt das 1,9 Prozent mehr Menschen<br />
zu migrieren. Mit jedem weiteren<br />
Krisenjahr fliehen 0,4 Prozent mehr Menschen<br />
aus einem Land.<br />
Quelle: Studie des Welternährungsprogramms, <strong>2017</strong><br />
Was die Überwindung von<br />
Armut und Hunger kostet<br />
Bereits 1970 haben sich die reichen OECD-Länder<br />
darauf verständigt, jährlich 0,7 Prozent ihres Brutto -<br />
sozial produkts für Entwicklungszusammen arbeit bereitzustellen.<br />
Tatsächlich erreichen bislang nur Schweden,<br />
Luxemburg, Dänemark und Großbritannien diese Vorgabe.<br />
Deutschland hat seine Ausgaben 2015 zwar stark erhöht,<br />
bringt es damit aber nur auf rund 0,5 Prozent.<br />
Doch selbst 0,7 Prozent wären noch zu wenig, um den<br />
Hunger bis 2030 zu überwinden. Hinzu kommen die<br />
erheblichen Kosten für Anpassungen an die Folgen des<br />
Klimawandels. Die Initiative „Future for all“ fordert deshalb<br />
von den Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrieund<br />
Schwellenländer: „Beschließt beim G20-Gipfel:<br />
1 Prozent für die Global Goals.“<br />
600 Milliarden US-Dollar (das sind 550 Milliarden<br />
Euro) kämen jährlich zusammen, wenn jeder der<br />
G20-Staaten 1 Prozent seines Bruttoinlands produkts<br />
(BIP) bereitstellte. Dieses Geld reicht aus,<br />
um Armut, Ungerechtigkeit und den Klimawandel<br />
weltweit wirksam zu bekämpfen, so die Initiative. UJO<br />
•<br />
21<br />
FOTO: GUIDO KOLLMEIER<br />
Kommentar zum G20<br />
„Wir erwarten<br />
Lösungen“<br />
Von Dirk Ahrens<br />
Vermutlich gibt es<br />
nur wenige Hamburger,<br />
die sich<br />
freuen, dass der<br />
G20-Gipfel ausgerechnet<br />
bei uns<br />
stattfinden muss.<br />
Jeden Tag lesen wir<br />
von neuen Bündnissen,<br />
die sich gegen<br />
den Gipfel oder für Klimagerechtigkeit,<br />
einen fairen Welthandel oder für<br />
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zusammenfinden.<br />
In einer offenen Gesellschaft<br />
kann das gar nicht anders sein.<br />
Gleichzeitig zeigt die Vielzahl der Bündnisse,<br />
wie schwer es ist, sich auf gemeinsame<br />
Prioritäten zu einigen.<br />
Das ist in der internationalen Politik<br />
nicht anders. Die globalen Herausforderungen<br />
setzen aber ein gemeinsames Handeln<br />
der Weltgemeinschaft voraus. Und<br />
auch, dass Eigeninteressen mal hintenan<br />
gestellt werden müssen.<br />
Nur über Einsicht und Konsens lassen<br />
sich die drängendsten Probleme der Weltgemeinschaft<br />
lösen. Deshalb ist es richtig,<br />
dass die führenden Politiker zusammenkommen<br />
und miteinander reden.<br />
Wir müssen zeigen, dass wir Lösungen<br />
erwarten: Die Teilnehmer des Gipfels<br />
müssen deutliche Zeichen gegen Hunger<br />
und Armut und für Klimagerechtigkeit<br />
setzen. Denn es ist ein Skandal, dass 800<br />
Millionen Menschen hungern und drei<br />
Millionen Kinder verhungern – obwohl es<br />
eigentlich genug für alle gäbe.<br />
Deshalb ist es gut und richtig, den<br />
Gipfel mit Demonstrationen und Versammlungen<br />
zu begleiten. Friedlich. In einem<br />
freiheitlich demokratischen Rechtsstaat<br />
muss es möglich sein, ein solches<br />
Treffen durchzuführen. Wichtig ist mir allerdings,<br />
dass nicht ausgerechnet die Obdachlosen<br />
unter einem solchen Gipfel zu<br />
leiden haben. Das würde das gesamte<br />
Vorhaben diskreditieren. •<br />
Dirk Ahrens ist Hamburger Landespastor,<br />
Diakoniechef und Herausgeber von<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>.
Ralf Südhoff (48) ist Direktor<br />
des UN World Food Programme<br />
(WFP) in Deutschland, Österreich,<br />
Liechtenstein und der<br />
deutschsprachigen Schweiz.<br />
WFP wird über freiwillige Beiträge<br />
der UN-Mitgliedsstaaten,<br />
von Unternehmen und Privatspendern<br />
finanziert und ist die<br />
weltgrößte Hilfsorganisation<br />
zur Überwindung von Hunger.<br />
Ausgaben 2016: 8,85 Milliarden<br />
Dollar. Die Bundesre gierung<br />
zahlte eine Rekordsumme von<br />
884,56 Millionen Dollar und war<br />
damit zweitgrößter staatlicher<br />
Geber nach den USA.<br />
Mehr Infos unter www.wfp.org<br />
„Eigentlich müsste<br />
niemand hungern“<br />
Ralf Südhoff ist optimistisch. Der Direktor des Welternährungsprogramms der UN in<br />
Deutschland glaubt, dass Industriestaaten und Entwicklungsländer gemeinsam ihre Agenda<br />
umsetzen können. Und die besagt: die Überwindung von Hunger bis 2030.<br />
TEXT: BIRGIT MÜLLER<br />
FOTOS: UN WORLD FOOD PROGRAMME (WFP),<br />
CHALLISS MCDONOUGH, REIN SKULLERUD<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>: Herr Südhoff, erst gab es die<br />
Millenniumsziele zur Halbierung des Hungers<br />
bis 2015. Jetzt gilt die Agenda 2030,<br />
mit dem Ziel, Armut und Hunger zu<br />
überwinden. Ist das überhaupt zu schaffen?<br />
RALF SÜDHOFF: Mit diesen hohen Zielen<br />
wollten die Mitgliedstaaten der UN bewusst<br />
ein Zeichen setzen. Man wollte<br />
sehr deutlich sagen: Es gibt eigentlich<br />
keinen nachvollziehbaren Grund, warum<br />
man die Armut, den Hunger, die<br />
Kindersterblichkeit, die Unterdrückung<br />
von Frauen nicht überwinden könnte<br />
bis zum Jahr 2030 – wenn es denn den<br />
politischen Willen gibt.<br />
Im Juli treffen sich die wichtigsten Staaten<br />
der Welt in Hamburg. Ist der Gipfel wichtig<br />
für die Umsetzung der Agenda 2030?<br />
Aus meiner Sicht ist der G20 ein großer<br />
Fortschritt: Die wichtigsten Schwellenländer<br />
und viele afrikanische Länder<br />
sind eingebunden. Aber entscheidend<br />
ist, dass man dann auch die Themen<br />
der Agenda, die eher die Entwicklungsländer<br />
umtreiben, intensiv diskutiert<br />
und genauso ernst nimmt wie finanzund<br />
wirtschaftspolitische Fragen.<br />
Es gibt derzeit viele Hungerkatastrophen.<br />
Woher kommt Ihr Optimismus?<br />
22<br />
Nehmen Sie das Beispiel Hunger: Wir<br />
produzieren heute noch mehr Nahrungsmittel,<br />
als wir weltweit brauchen,<br />
und das trotz wachsender Bevölkerung.<br />
Niemand müsste hungern.<br />
Woran scheitert es denn dann bislang?<br />
Die Nahrungsmittelverschwendung in<br />
den Industriestaaten und Ernteverluste<br />
in den Entwicklungsländern verhindern<br />
zum Beispiel, dass das, was auf den Feldern<br />
wächst, auch auf den Teller<br />
kommt. Viele Nahrungsmittel werden<br />
nicht zu Essen, durch die Bioenergie<br />
oder vor allem einen extrem ineffizien-
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Der G20 und die Armut<br />
ten Fleischkonsum, der einen vielfach<br />
höheren Anbau von Futtermitteln erfordert,<br />
als wenn das Getreide direkt zu<br />
Nahrungsmitteln würde.<br />
Und es gibt eine rasante Zunahme<br />
von großen, langjährigen Konflikten –<br />
wie in Syrien, im Irak, im Südsudan<br />
und im Jemen. Diese Krisen überfordern<br />
uns zum Teil, weil sie in ihrer<br />
Dauer und ihrem Ausmaß eine enorme<br />
Herausforderung für Helfer und Spender<br />
sind und die Gefahr bergen, dass<br />
wir die Ziele nicht erreichen.<br />
Ist das auch ein finanzielles Problem? Eigentlich<br />
sollen die Länder ja 0,7 Prozent des<br />
Bruttosozialproduktes in Entwicklungshilfe<br />
investieren. Aber selbst das reiche Deutschland<br />
zahlt nur 0,5 Prozent (siehe Seite 21).<br />
Ja, es ist auch ein finanzielles Problem.<br />
Und es gibt keinen Grund, warum die<br />
Industriestaaten ihr langjähriges Versprechen<br />
nicht erfüllen könnten. In der<br />
humanitären Hilfe brauchen wir in der<br />
Tat mehr Geld. Durch die großen Krisen<br />
ist der Bedarf explodiert. Im Jahr<br />
2000 brauchten wir 2 Milliarden Dollar<br />
weltweit für alle Hilfsorganisationen.<br />
Heute gehen wir allein für dieses Jahr<br />
von 22 Milliarden Dollar aus, weil es so<br />
viele Großkrisen gibt und die weitreichenden<br />
Folgen des Klimawandels<br />
mehr Hilfe erfordern.<br />
Sie haben gesagt, es ist „auch“ ein<br />
finanzielles Problem. Das hört sich nach<br />
einem „Aber“ an.<br />
Um nachhaltig die Menschen gegen die<br />
Krisen zu wappnen, gegen den Hunger,<br />
die Kindersterblichkeit und um Frauen<br />
faire Chancen zu geben, ist in der Tat<br />
mehr Geld, aber auch mehr Verantwortung<br />
auf Seiten der Entwicklungsländer<br />
selbst vonnöten. Die schlechteste Entwicklung<br />
gibt es in den Ländern, wo<br />
sich die Eliten wenig um das Wohl ihrer<br />
eigenen Bevölkerung kümmern.<br />
Bleiben wir beim Thema Hunger: Wie kann<br />
es angehen, dass drei von vier Hungernden<br />
Kleinbauern sind (siehe Grafik Seite 20)?<br />
Bauern müssten investieren und Saatgut<br />
kaufen können, um wenigstens ihre<br />
Familie ernähren zu können. Aber in<br />
den meisten Ländern können sie nicht<br />
mal zu halbwegs guten Konditionen einen<br />
Kleinkredit bekommen. Das wäre<br />
aber die Voraussetzung dafür, dass sie<br />
auch Überschüsse erwirtschaften und<br />
eine lokale Landwirtschaft aufbauen<br />
könnten. Unter den jetzigen Bedingungen<br />
reicht es oft nicht mal für sie selbst.<br />
Wenn es aber entsprechende Förderung<br />
gibt, haben die Bauern eine echte Perspektive<br />
– die Nachfrage nach Nahrungsmitteln<br />
wächst stetig.<br />
„Der G20 ist<br />
ein großer<br />
Fortschritt“<br />
Woran liegt diese Perspektivlosigkeit?<br />
Die Landwirtschaft wurde in den meisten<br />
Entwicklungsländern sträflich vernachlässigt.<br />
Seit 2003 haben sich die<br />
afrikanischen Staaten verpflichtet, jährlich<br />
10 Prozent des öffentlichen Budgets<br />
wieder in die Landwirtschaft und in den<br />
ländlichen Raum zu investieren, aber<br />
nicht einmal jeder fünfte afrikanische<br />
Staat hatte das nach mehr als 10 Jahren<br />
umgesetzt.<br />
Welche Rolle spielen dabei die Industriestaaten<br />
und ihre Wirtschaftspolitik?<br />
Sie haben die Entwicklungsländer in<br />
den 80er- und noch in den 90er-Jahren<br />
auch in eine falsche Richtung gedrängt,<br />
wie zum Beispiel die Bundesregierung<br />
oder die Weltbank heute auch einräumen.<br />
Es galt das Motto: Die Landwirtschaft<br />
in euren Staaten ist doch gar<br />
nicht so wichtig. Beschränkt euch doch<br />
auf Exportgüter, die nur bei euch angebaut<br />
werden können wie Kaffee, Bananen<br />
und Kakao. Und Getreide wie Weizen,<br />
Mais, das können wir ohnehin viel<br />
besser und in großen Überschüssen im<br />
23<br />
Norden anbauen – und das exportieren<br />
wir dann zu euch. Angeblich sollten davon<br />
alle profitieren. Aber das hat sich<br />
massiv zum Nachteil der Entwicklungsländer<br />
ausgewirkt, weil sie für den Weizen,<br />
den Mais, den Reis, den sie unbedingt<br />
brauchen, heute viel, viel mehr<br />
bezahlen. Das gipfelte in der Welternährungskrise<br />
2007/8, wo auch noch<br />
die Finanzspekulation auf den Kapitalmärkten<br />
hinzukam. Für manche Staaten,<br />
beispielsweise in Asien, wurde der<br />
Reis unbezahlbar, weil er binnen weniger<br />
Monate um 300 bis 400 Prozent<br />
teurer wurde.<br />
Wieso sind die Entwicklungsländer denn<br />
darauf eingegangen?<br />
Teils machten die Industriestaaten<br />
Druck, auf diese arbeitsteilige Politik<br />
einzuschwenken, etwa durch die Vergabe<br />
von Krediten. Teils gilt aber auch bis<br />
heute: Für die Eliten in vielen Entwicklungsländern<br />
spielen die Menschen auf<br />
dem Land keine große Rolle, sie sind<br />
weit weg von der Macht und ihrem<br />
Zentrum.<br />
Gibt es bei den Industrieländern überhaupt<br />
den politischen Willen, auf eine Wirtschaftspolitik<br />
einzuschwenken, von der auch<br />
die Entwicklungsländer profitieren?<br />
Auch rein egoistisch betrachtet hilft es<br />
aus Sicht der Industriestaaten nicht,<br />
wenn die Entwicklungsländer keine<br />
Fortschritte machen und keine neuen<br />
Märkte entstehen.<br />
Wir haben in dieser Ausgabe eine Reportage<br />
über Hühnchen aus Europa, Brasilien und<br />
den USA, die so billig nach Afrika exportiert<br />
werden, dass es den afrikanischen Markt<br />
kaputtmacht (Seite 26).<br />
Die berühmten Exportsubventionen für<br />
EU-Agrarprodukte wurden zwar deutlich<br />
zurückgefahren, aber ein europäischer<br />
Bauer hat immer noch Vorteile.<br />
Doch die wenigen Hühnerfarmen in<br />
Europa, die von dieser Exportförderung<br />
profitieren, sind längst nicht so<br />
wichtig wie zahlreiche Märkte, die in<br />
diesen Ländern entstehen könnten.
Eine Frau kocht für die Schüler. Das WFP finanziert unter anderem Schulmahlzeiten. Sie sind ein wichtiger<br />
Schritt, um den Teufelskreis aus Armut, Hunger und mangelnder Bildung zu durchbrechen. Wie hier in<br />
Kenia können die Kinder in die Schule gehen, statt sich ihr Essen erarbeiten oder gar erbetteln zu müssen.<br />
Man erkennt zudem auch, dass immer<br />
größere Sicherheitsfragen und die Zunahme<br />
des Islamismus mit der mangelnden<br />
Entwicklung vieler Staaten<br />
einhergehen.<br />
Glauben Sie noch daran, dass wir die<br />
erste Generation sein könnten, die die Armut<br />
besiegt, wie Ban Ki-moon sagte?<br />
Ja. Aber wenn man von den Krisen der<br />
Welt und den Hungersnöten hört,<br />
drängt sich einem der Eindruck auf, es<br />
wird alles immer schlimmer. Tatsächlich<br />
fallen die Entwicklungen aber auseinander.<br />
Wir haben die Großkonflikte,<br />
die massive Hilfe erfordern und punktuell<br />
die Entwicklung in diesen Ländern<br />
weit zurückwerfen.Wir haben aber<br />
auch weite Teile in Lateinamerika, in<br />
Asien und auch in Afrika, die es geschafft<br />
haben, den Hunger zu überwinden<br />
oder auch die Armut: Die Armutszahlen<br />
weltweit sind so niedrig wie wohl<br />
nie zuvor. Und die Kindersterblichkeit<br />
konnte massiv reduziert werden durch<br />
eine Verbesserung des Gesundheitssystems<br />
und mehr Bildung und Chancen<br />
für Frauen.<br />
Hat die Staatengemeinschaft da tatsächlich<br />
etwas bewirkt?<br />
Ja, auf jeden Fall. In vielen Fällen hat<br />
man dramatische Fortschritte gemacht,<br />
was die Einschulungsraten und die<br />
Grundschulbildung anbelangt. Selbst<br />
im Kampf gegen den Hunger, der bei<br />
den Millenniumszielen mit am schlechtesten<br />
dastand, ist es ja nicht so, dass<br />
man keine Fortschritte erreicht hat –<br />
auf der Welt werden heute zwei Milliarden<br />
mehr Menschen satt als noch vor<br />
wenigen Jahrzehnten.<br />
„Die Armutszahlen<br />
weltweit sind<br />
so niedrig wie<br />
wohl nie zuvor.“<br />
Gerade Afrika hat aber doch den Hunger<br />
nicht wirksam bekämpfen können, oder?<br />
Man hat den Hunger zwar nicht überall<br />
halbiert, aber man hat ihn in den<br />
meisten Staaten um mindestens 30 bis<br />
40 Prozent gesenkt. Ghana zum Beispiel<br />
hat sogar die Millenniumsziele erreicht<br />
oder Ruanda, Malawi und Nigeria.<br />
Selbst ein Land wie Äthiopien hat<br />
massiv den Hunger zurückdrängen<br />
können. Das ändert nichts daran, dass<br />
24<br />
es jetzt wieder unter einer Dürre leidet.<br />
Diese Dürre ist viel schlimmer als die in<br />
den 80er-Jahren, sie hat aber viel weniger<br />
Folgen, weil die Menschen vor Ort<br />
damit anders umgehen können. Der<br />
Fortschritt ist immens, aber es ist ein<br />
Skandal, dass sich trotzdem 800 Millionen<br />
Menschen immer noch nicht selbst<br />
ernähren und in Würde leben können.<br />
Könnte es für die Industriestaaten ein<br />
Ansporn zum Handeln sein, dass sie nicht<br />
noch mehr Flüchtlinge aufnehmen wollen?<br />
Es gibt zwei Anhaltspunkte, die mich<br />
optimistisch stimmen, weil sie über die<br />
moralische Verpflichtung, den Hunger<br />
zu besiegen, hinausgehen: Das eine ist<br />
die Sicherheitsfrage auch im Zuge von<br />
Migration. Da müssen wir nur ehrlich<br />
sein. Wenn wir über eine bessere Förderung<br />
der Chancen vor Ort Migration<br />
eindämmen wollen, dann ist das ein<br />
langfristiger Prozess, weil man zu viele<br />
Jahre lang zu viel versäumt hat. Das<br />
Zweite, was mich optimistisch stimmt:<br />
Die boomende Nachfrage nach Nahrungsmitteln<br />
und die höheren Preise<br />
bieten auch wirtschaftliche Chancen für<br />
die große Mehrheit der Hungernden<br />
aus Bauern und Landarbeitern. Wir<br />
müssen aber etwas draus machen. •<br />
Kontakt: birgit.mueller@hinzundkunzt.de
Der G20 und die Armut<br />
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Das G20-Protest-<br />
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(Politikwissenschaftler), Staatsrat Wolfgang<br />
Schmidt, Dr. Klaus Seitz (Brot für die Welt) und<br />
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Mo, 12.6., 18.30 Uhr, Ökumenisches Forum<br />
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Wie wirkt Entwicklungspolitik? Ringvorlesung<br />
der Gesellschaft für internationale Entwicklung zu<br />
Mikro krediten, ländlicher Armut und der Umsetzung<br />
der Agenda 2030 in den G20-Staaten.<br />
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ökologische Energietechnik<br />
Für mehr soziale Wärme<br />
und eine klimaschonende<br />
Strom- und Wärmeversorgung.<br />
www.abasto.de<br />
Protestwelle Umweltverbände und der DGB Nord<br />
bilden eine Menschenkette rund um die Alster<br />
und ziehen als Demonstration vor die Messehallen.<br />
So, 2.7., 12–18 Uhr, Treffpunkt Rathausmarkt<br />
Gipfel zur globalen Solidarität Konferenz<br />
der Gipfelgegner u. a. mit Vandana Shiva aus<br />
Indien, Trägerin des Alternativen Nobelpreises,<br />
und Sreko Horvat, Direktor des Subversive<br />
Festivals in Zagreb/Kroatien.<br />
Mi/Do, 5./6.7., 10–21.30 Uhr, Kampnagel,<br />
Jarrestraße 20<br />
Ökumenischer Gottesdienst zu G20 und<br />
Demonstration von „Hamburg zeigt Haltung“ mit<br />
anschließendem Fest auf dem Fischmarkt.<br />
Sa, 8.7., 10.30 Uhr, Hauptkirche Sankt Katharinen,<br />
Katharinenkirchhof 1<br />
Grenzenlose Solidarität statt G20 Groß -<br />
demon stration von mehr als 100 Initiativen und<br />
Nichtregierungsorganisationen gegen den<br />
G20-Gipfel durch die Innenstadt.<br />
8.7., 11 Uhr, Deichtorplatz<br />
Weitere Informationen finden Sie unter<br />
NoG20-Bündnis: www.g20hamburg.org<br />
Hamburg zeigt Haltung:<br />
www.hamburgzeigthaltung.de<br />
25<br />
www.hamburgmuseum.de
Immer<br />
auf die<br />
Kleinen<br />
Wie Hühnerfl eisch aus Europa, Brasilien und den<br />
USA die lokale Wirtschaft westafrikanischer<br />
Länder schädigt, zeigt das Beispiel Nigeria:<br />
Die Märkte der größten Volkswirtschaft Afrikas sind<br />
voll von tiefgefrorenem Gefl ügel. Das Nachsehen<br />
haben vor allem kleine Farmer und Händler.<br />
TEXT: KLAUS SIEG<br />
FOTOS: JÖRG BÖTHLING
Regenzeit in Nigeria. Auf<br />
dem Arena Market in<br />
Lagos’ Stadtteil Oshodi<br />
tobt eine Schlammschlacht.<br />
Menschen<br />
springen über Pfützen, balancieren über<br />
Steine und Bretter. Nur so erreichen sie<br />
trockenen Fußes einen der vielen Stände,<br />
an denen die Händler lautstark Gemüse,<br />
Gewürze, Haushaltswaren oder<br />
Fleisch anpreisen. Wie ein Fels in der<br />
Brandung steht Asinuju Iaybo mit verschränkten<br />
Armen im Gewusel. In den<br />
Käfigen hinter ihr gackern die Hühner<br />
der Marktfrau. „Der Regen ist das geringste<br />
Problem, das gefrorene Hühnerfleisch<br />
dafür umso mehr.“ Mit dem Finger<br />
wischt sie sich ein paar Tropfen aus<br />
dem Gesicht. „Dort drüben verkaufen<br />
sie welches aus England und Spanien.“<br />
Asinuju Iaybo zeigt auf eine der zahlreichen<br />
Baracken. Ein ganzes Huhn für<br />
nur umgerechnet 2,50 Euro. „So viel<br />
bezahle ich im Einkauf bei der Farm,<br />
28<br />
Eigentlich werden<br />
auf Nigerias Märkten<br />
auch lebende<br />
Hühner verkauft<br />
und vor Ort geschlachtet.<br />
Doch<br />
ausländische Tiefkühlware<br />
ist billiger.<br />
Was heimischen<br />
Händlern<br />
schadet, ist zudem<br />
ungesund: Oft fällt<br />
der Strom aus und<br />
die Kühlkette wird<br />
unterbrochen.<br />
hinzu kommen Kosten für den Transport<br />
und die Standmiete.“ Also kostet<br />
bei ihr ein Huhn mindestens ein Fünftel<br />
mehr, wenn es sich um eine ausgediente<br />
Legehenne handelt. Für die Freilandbroiler<br />
im Käfig daneben müssen die<br />
Kunden noch einmal etwas drauflegen.<br />
„Dafür schmecken sie besonders gut“,<br />
sagt die Händlerin mit einem breiten<br />
Grinsen.<br />
Doch das nützt nichts. Nigerias<br />
Wirtschaft befindet sich durch den sinkenden<br />
Ölpreis auf Talfahrt. Viele<br />
Menschen greifen zu den preiswerten<br />
Import-Hühnern. In Einzelteilen kosten<br />
sie umgerechnet kaum mehr als einen<br />
Euro pro Kilogramm.<br />
Die Mäster in der EU, Brasilien<br />
und den USA sind schon mit einem<br />
Preis zufrieden, der ihnen die Entsorgungskosten<br />
für ihre Überschüsse spart.<br />
Ihre Märkte erster Wahl verlangen vor<br />
allem nach Brustfleisch und Schenkeln.<br />
Aber wohin mit dem Rest?<br />
Also landen Flügel, Innereien und<br />
andere Teile in Westafrika – zuneh-
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Der G20 und die Armut<br />
Eigentlich gilt in<br />
Nigeria ein<br />
Importverbot für<br />
Hühnerfleisch.<br />
mend aber auch ganze Tiere, in Großbetrieben<br />
gemästet mit subventioniertem<br />
Getreide, Mais und Sojaschrot.<br />
Sind sie in Westafrika erst einmal vom<br />
Schiff geladen, kann von einer Kühlkette<br />
keine Rede mehr sein. Die Ware<br />
wird bei tropischen Temperaturen über<br />
holperige Landstraßen gefahren, liegt<br />
ungekühlt auf Marktauslagen oder in<br />
veralteten Kühltruhen, die mit täglichen<br />
Stromausfällen zu kämpfen haben.<br />
So breiten sich Salmonellen und<br />
andere Erreger aus. Hinzu kommen<br />
Belastungen mit Formaldehyd, das gelöst<br />
zur Desinfektion sowie Konservierung<br />
benutzt wird, sowie mit Antibiotika.<br />
„Die Regierung muss mehr dagegen<br />
unternehmen.“ Die Augen von Asinuju<br />
Iaybo verengen sich vor Wut.<br />
Mit ihrem Hühnerhandel bestreitet<br />
Asinuju Iaybo fast die Hälfte des Einkommens<br />
der vierköpfigen Familie.<br />
„Mein Geschäft ernährt uns gut, und<br />
ich kann den Kindern Kleidung und<br />
die Schulgebühren bezahlen.“ Doch<br />
das sieht sie zunehmend gefährdet.<br />
Ähnlich geht es Lateef Jimoh. Nur<br />
ein paar Schritte entfernt, schlachtet er<br />
im Auftrag der Kunden die frisch gekauften<br />
Hühner, brüht sie ab und rupft<br />
die Tiere. Pro Huhn verdient Lateef Jimoh<br />
umgerechnet 30 Eurocent. „An<br />
guten Markttagen habe ich 50 Tiere geschlachtet,<br />
jetzt sind es häufig nur noch<br />
20 bis 30 – die tiefgekühlten sind ja<br />
schon tot und gerupft.“<br />
Eigentlich gilt in Nigeria ein Importverbot<br />
für Hühnerfleisch. Erlassen<br />
wurde es bereits im Jahr 2000 vom damaligen<br />
Präsidenten Olusegun Obasanjo,<br />
der als einer der größten Geflügelzüchter<br />
Westafrikas gilt. Seine<br />
Nachfolger haben das Verbot mehrmals<br />
bekräftigt und auf andere landwirtschaftliche<br />
Produkte ausgeweitet,<br />
zuletzt im <strong>Juni</strong> 2015.<br />
Wie wenig das hilft, zeigt ein Gang<br />
über den Ijora Market auf dem Festland<br />
kurz vor Lagos Island. Im Schatten<br />
eines mächtigen Betonviaduktes –<br />
ein chinesischer Konzern baut gerade<br />
die erste Metro der Stadt – ducken sich<br />
niedrige Unterstände, in denen lange<br />
Reihen alter Tiefkühltruhen vor sich<br />
hin brummen. Von den Blechdächern<br />
rauscht das Regenwasser auf die Straße.<br />
Schnell füllen sich die tiefen Schlaglöcher<br />
mit dunklem Wasser, auf dem<br />
Ölflecken schimmern. Hupende Kleinbusse,<br />
Tuc Tucs und Baulaster rumpeln<br />
vorbei.<br />
Der Ijora Market bietet Tiefkühlkost<br />
für Schnäppchenjäger. Auf groben<br />
Holztischen hacken die Händler mit<br />
Macheten gefrorene Fleisch-, Fischund<br />
Garnelenklumpen in Portionen.<br />
Auf die Frage nach importiertem Huhn<br />
wuchtet einer von ihnen drei Kartons<br />
mit gefrorenen Hähnchenschenkeln<br />
auf die Tischplatte. Auf den durchgeweichten<br />
Verpackungen stehen die<br />
Herkunftsländer: USA, Brasilien und<br />
United Kingdom. Das Fleisch einiger<br />
Frisch oder angetaut: Auf diesem<br />
Markt werden die einheimischen<br />
Hühner geschlachtet und direkt verarbeitet<br />
(unten). Was sich aber immer<br />
mehr verbreitet: billige und illegale<br />
Importware aus den Kühlhäusern<br />
Europas und der USA (rechts).<br />
Schenkel ist bereits angetaut. Ob er<br />
auch Huhn aus Frankreich oder<br />
Deutschland besorgen könne? „Kein<br />
Problem, geben Sie mir etwas Zeit.“<br />
Offen erklärt er sein Geschäft. Der<br />
Händler unterhält ein Kühllager in Benin,<br />
nur eineinhalb Stunden Autofahrt<br />
von Lagos entfernt. Im Nachbarland ist<br />
der Import von Fleisch erlaubt. Geschäftspartner<br />
aus den jeweiligen Ländern<br />
schicken ihm die Tiefkühlkost<br />
über den Hafen Cotonou. Täglich fahren<br />
der Händler oder einer seiner Brüder<br />
über die Grenze, um die Ware zu<br />
holen. Den Zollbeamten stecken sie<br />
einfach ein paar Geldscheine zu.
Nach den Angaben des nigerianischen<br />
Geflügelverbandes werden so 1,2 Millionen<br />
Tonnen Geflügel illegal eingeführt.<br />
Rund eine Million Jobs in der<br />
Futterindustrie, auf Farmen und in anderen<br />
Berufen entlang der Wertschöpfungskette<br />
könnten entstehen, wenn<br />
diese Menge im Land produziert würde.<br />
Doch davon ist Nigeria weit<br />
entfernt.<br />
Die Situation nicht gerade verbessern<br />
wird das Handelsabkommen Westafrikas<br />
mit der Europäischen Union,<br />
EPA, das vor Kurzem Ghana als eines<br />
der letzten Länder ratifiziert hat. Kritiker<br />
befürchten, dass es Westafrika noch<br />
mehr subventionierte Agrarimporte beschert.<br />
Nigeria weigert sich zwar bislang,<br />
die Vereinbarung zu unterzeichnen.<br />
Aber diese Weigerung sowie das<br />
Importverbot nützen wenig, solange die<br />
Waren aus den Nachbarländern nach<br />
Nigeria geschmuggelt werden.<br />
Warum aber wird der Schmuggel<br />
nicht unterbunden? Der leitende Beamte<br />
der Zollbehörde einer grenznahen<br />
Weil die Regierung<br />
den Farmern nicht<br />
beisteht, versucht<br />
„Brot für die Welt“<br />
zu helfen. Die Hilfsorganisation<br />
vergibt<br />
Kleinkredite und<br />
veranstaltet Kurse<br />
für Hygiene und<br />
Tiergesundheit.<br />
Provinz ist nur zu einem informellen<br />
Gespräch bereit. Immerhin. Nach einer<br />
langen Lobpreisung der Fußballnation<br />
Deutschland versichert er vollmundig,<br />
der Zoll würde alles ihm Mögliche unternehmen.<br />
Zum Beweis legt er Fotos<br />
von verbeulten Kleintransportern auf<br />
den großen Schreibtisch. In ihrem Inneren<br />
stapeln sich durchgeweichte Kartons,<br />
wie wir sie auf dem Ijora Market<br />
gesehen haben. Dass seine Männer nur<br />
selten so einen Fang machen, gibt er zu.<br />
30<br />
Die lange Grenze zu Benin sei schwierig<br />
zu kontrollieren, die Schmuggler<br />
zahlreich und gewieft. Mit medienwirksamen<br />
Aktionen versucht der nigerianische<br />
Zoll die Gemüter zu beruhigen. So<br />
machte eine Einheit vor Kurzem bei<br />
Ibadan im Bundesstaat Oyo, mit rund<br />
5,5 Millionen Einwohnern eine der<br />
größten Städte des Landes, einen Lkw<br />
mit 1600 Kartons geschmuggelten Geflügels<br />
dingfest. Die Ladung wurde im<br />
Beisein lokaler Journalisten verbrannt.
Der G20 und die Armut<br />
„Das bringt doch nichts. Geschmuggeltes<br />
Geflügel wird überall verkauft, ohne<br />
dass Zoll oder Polizei einschreiten“,<br />
sagt Victor Olowe. Der Schaden für die<br />
Mitglieder seiner Farmers Development<br />
Union (FADU) sei groß, so der<br />
Direktor der von „Brot für die Welt“<br />
aus Deutschland unterstützten Vereinigung<br />
mit Sitz in Ibadan weiter.<br />
Der Bundesstaat Oyo ist das Hauptgebiet<br />
nigerianischer Geflügelzucht.<br />
Sozusagen das Niedersachsen Nigerias.<br />
Hier kauft auch Asinuju Iaybo die Hühner<br />
für den Arena Market in Lagos.<br />
Von den 500.000 Mitgliedern der<br />
FADU hält ein Fünftel Hühner für Eier<br />
und Fleischproduktion. Die Organisation<br />
vermittelt ihnen Kunden, vergibt<br />
Kleinkredite und veranstaltet Kurse zu<br />
Tiergesundheit, Hygiene oder Buchhaltung.<br />
So versuchen sie den Mangel an<br />
Unterstützung der Regierung für die<br />
Bauern auszugleichen.<br />
Einer der Farmer ist Joshua Olajide<br />
Olufeme aus Shukuru. Das Dorf liegt<br />
eineinhalb Stunden von Ibadan entfernt.<br />
Die letzten zehn Minuten schwankt der<br />
Allrad wie ein Schiff auf rauer See über<br />
den Weg mit den tiefen Pfützen.<br />
Der Farmer sitzt vor seinem kleinen<br />
Haus. Aus dem Stall gackert der Chor<br />
seiner 850 Hühner herüber. Neben Eiern<br />
und Fleisch produziert der Farmer<br />
Cassava, Mais, Bananen und Zitrusfrüchte.<br />
Die sechsköpfige Familie lebt<br />
ganz gut von der Farm. Die Geflügelzucht<br />
macht die Hälfte des Einkommens<br />
aus. Mit dem Fleisch ausgedienter<br />
Legehennen und einiger Broiler ver-<br />
Zunehmend müssen die<br />
Kleinbauern auch noch<br />
mit Großfarmen konkurrieren.<br />
Diese können in<br />
moderne Technologien<br />
investieren – und<br />
ihre Hühner weit preisgünstiger<br />
anbieten.<br />
„Vielleicht<br />
muss ich die<br />
Geflügelzucht<br />
bald aufgeben.“<br />
JOSHUA OLAJIDE OLUFEME<br />
dient der Farmer vor allem zu den<br />
christlichen und muslimischen Feiertagen<br />
gut.<br />
Doch rasant gestiegene Futterpreise<br />
fressen in letzter Zeit den Gewinn<br />
auf. Zudem muss er zunehmend mit<br />
Großfarmen konkurrieren. Diese<br />
Zuchtbetriebe nigerianischer und libanesischer<br />
Investoren arbeiten zum Teil<br />
mit modernster Technologie, wie etwa<br />
mit Lichtmanipulation zur Wachstumsförderung.<br />
So können sie zu sehr günstigen<br />
Preisen unter anderem die Supermarktketten<br />
im Land beliefern.<br />
Dass die Menschen aufgrund der<br />
Rezession nun auch noch verstärkt nach<br />
geschmuggeltem Hühnerfleisch greifen,<br />
könnte kleinen Farmern wie Joshua<br />
Olajide Olufeme den Rest geben. „Vielleicht<br />
muss ich die Geflügelzucht bald<br />
aufgeben.“ Nachdenklich guckt er über<br />
seine Farm. Für einen kurzen Augenblick<br />
scheint die Sonne durch die Regenwolken.<br />
Schon bald wird es wieder<br />
regnen. Aber auch für Joshua Olajide<br />
Olufeme ist der Regen das geringste<br />
Problem. •<br />
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TAUFEN<br />
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HEIRATEN<br />
Das Leben<br />
steckt voller<br />
Fragen.<br />
31<br />
Wie können wir Ihnen helfen?
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>292</strong>/JUNI <strong>2017</strong><br />
Meldungen<br />
Politik & Soziales<br />
Rigoletto Weiß war elf Jahre alt, als er von<br />
den Nazis deportiert wurde. Seit dem<br />
10. Mai erinnert in Hamburg endlich eine<br />
Gedenkstätte, der „Hannoversche Bahnhof“ im<br />
Lohsepark, an die insgesamt 8071 Roma, Sinti<br />
und Juden, die hier zwischen 1940 und 1945 in<br />
Eisenbahnwaggons gepfercht wurden. Nur ganz<br />
wenige überlebten die Vernichtungslager: zum<br />
Beispiel der heute 88-jährige Rigoletto. SIM<br />
Gewalt gegen Obdachlose<br />
Festnahmen nach Übergriffen<br />
Die Polizei hat in Niedersachsen einen<br />
Mann festgenommen, der am 13. April<br />
den Schlafsack eines Obdachlosen in<br />
St. Georg angezündet haben soll. Nur<br />
durch das Eingreifen von Passanten<br />
war dabei nichts Schlimmes passiert.<br />
Auf die Spur des mutmaßlichen Brandstifters<br />
brachten die Fahnder Aufnahmen<br />
von Videokameras in nahen Geschäften.<br />
Für die Polizei haben sich mit<br />
der Verhaftung Befürchtungen erledigt,<br />
dass der Täter aus Hass gegen Obdachlose<br />
gehandelt haben könnte. „Das war<br />
hier definitiv nicht der Fall“, sagte eine<br />
Sprecherin gegenüber Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />
Der 32-jährige Tatverdächtige und das<br />
49-jährige Opfer hätten sich gekannt,<br />
das Motiv seien Streitigkeiten gewesen.<br />
Nach einem weiteren tätlichen Angriff<br />
auf einen Obdachlosen in der Mönckebergstraße<br />
hat die Bundespolizei am<br />
Hauptbahnhof einen 21-jährigen<br />
Mann festgenommen. Er soll den Obdachlosen<br />
am 20. April so stark verprügelt<br />
haben, dass er im Krankenhaus<br />
behandelt werden musste. Immer noch<br />
unklar war bis Redaktionsschluss die<br />
Brandursache für ein Feuer auf einem<br />
Obdachlosenschlafplatz an der Reeperbahn<br />
am 5. April. BELA<br />
•<br />
32
Stadtgespräch<br />
Hamburg<br />
Zahl der Drogentoten gestiegen<br />
Im vergangenen Jahr starben in Hamburg 75 Menschen an<br />
Drogenkonsum. 16 mehr als im Vorjahr. Das sei im Vergleich<br />
zu anderen Bundesländern ein massiver Anstieg, stellt die<br />
CDU kritisch fest. Schuld daran sei der „Legalisierungswahn“<br />
der Grünen. Die SPD-geführte Gesundheitsbehörde<br />
widerspricht und verweist auf Klaus Püschel, Direktor des<br />
Instituts für Rechtsmedizin am UKE, der gegenüber dem<br />
„Hamburger Abendblatt“ den Anstieg im Vergleich zu den<br />
1990ern als eine „zufällige Schwankung innerhalb eines mäßigen<br />
Niveaus“ bezeichnete. Bei den meisten Drogentoten<br />
handele es sich um Langzeit- und Mischkonsumenten. Die<br />
Hamburger Zahl der Todesfälle sei allgemein hoch, weil hier<br />
in die Statistik Fälle einfließen, bei denen die Betroffenen an<br />
Krank heiten verstarben, die durch den Konsum ausgelöst<br />
wurden. 2016 war das gleich 18-mal der Fall. JOF<br />
•<br />
Rothenburgsort<br />
Bahn räumt Obdachlose aus ihren Hütten<br />
Nach mehreren Monaten Duldung hat die Bahn 30<br />
Obdachlose vertrieben, die an einer Gleisanlage nahe der<br />
Amsinckstraße ein Lager mit provisorischen Hütten errichtet<br />
hatten. Gegen sie laufen nun Verfahren wegen Hausfriedensbruch.<br />
Schon im August 2016 hatten sich Bahn-Mitarbeiter<br />
ein Bild vor Ort gemacht – neun Monate später nun die<br />
Räumung wegen „Gefährdung des Bahnbetriebes“. Eine<br />
Chance auf eine städtische Unterkunft in Hamburg haben<br />
die Obdachlosen aus Rumänien und Bulgarien nicht.<br />
„Diese Menschen werden sich einen Platz in einem anderen<br />
Gebüsch suchen“, vermutet Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Sozialarbeiter<br />
Stephan Karrenbauer. „Sie verelenden vor unser aller<br />
Augen und niemand hilft ihnen.“ BELA<br />
•<br />
Harburger Tafel e.V.<br />
Unsere Spender in Harburg und im<br />
Landkreis Harburg sind sehr großzügig.<br />
Zur Verstärkung suchen wir:<br />
• FahrerInnen<br />
(für Klein-LKW bis 3,5 t) zur Einsammlung der Lebensmittel<br />
• HelferInnen<br />
für die Ausgabestelle in Hamburg-Harburg<br />
Die Lebensmittel werden verteilt an Kindergärten, Obdachlosenhilfen,<br />
weitere gemeinnützige Institutionen und direkt an Bedürftige.<br />
Bei Interesse rufen Sie uns an: 040 – 77 11 08 97<br />
oder per E-Mail: post@harburgertafel.de<br />
Ihr Ansprechpartner: 1. Vorsitzende Thomas Kaul: 0160 – 88 55 500.<br />
FOTO: ROLAND MAGUNIA<br />
Diskussionsreihe „Gerechte Stadt“<br />
Verbände fordern Konzepte gegen Kinderarmut<br />
Ein Bündnis zahlreicher Verbände von der Diakonie über<br />
den Paritätischen bis zur Nationalen Armutskonferenz<br />
fordert die zur Bundestagswahl antretenden Parteien auf,<br />
„überzeugende Konzepte“ vorzulegen, wie sie Kinderarmut<br />
in Deutschland bekämpfen wollen. So müssten nach<br />
Meinung der Organisationen etwa die Hartz-IV-Sätze für<br />
Kinder angehoben werden, um ihr „soziokulturelles Existenzminimum“<br />
sicherzustellen. Über die Forderungen diskutieren<br />
im Rahmen der Reihe „Gerechte Stadt“ Hamburger<br />
Bundespolitiker von SPD, CDU (angefragt), den Grünen<br />
und der Linkspartei zusammen mit der Sprecherin der<br />
Nationalen Armutskonferenz, Barbara Eschen. BELA<br />
•<br />
Apostelkirche Eimsbüttel, Bei der Apostelkirche 2, Di, 13.5.,<br />
17.30 Uhr, Eintritt frei. Mehr Infos: www.huklink.de/kinderarmut<br />
Mehr Infos und weitere Nachrichten unter:<br />
www.hinzundkunzt.de – Post an blog@hinzundkunzt.de<br />
33<br />
1997 – <strong>2017</strong><br />
Das Museum der<br />
Arbeit feiert!<br />
Sa 24. + So 25.06.<br />
12 bis 18 Uhr<br />
Eintritt frei<br />
Historische Museen Hamburg<br />
Museum der Arbeit<br />
Direkt am U/S-Bahnhof Barmbek<br />
www.museum-der-arbeit.de<br />
Mit freundlicher Unterstützung von
Durst löschen mit<br />
gutem Gewissen<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Serie „Die Besser-Verdiener“: Wir stellen Hamburger<br />
Firmen vor, denen es um mehr geht als Gewinne. Sie wollen die Welt ein Stück<br />
besser machen. Teil 2: der Getränkehersteller Lemonaid aus St. Pauli.<br />
TEXT: SIMONE DECKNER<br />
34
SERIE<br />
Die Besser-Verdiener<br />
Kleine, geile Firmen,<br />
die sozial wirtschaften<br />
Wollen trinkend die Welt verbessern<br />
(von links): Lemonaid-Gründer Felix<br />
Langguth, Jakob Berndt und Paul Bethke.<br />
FOTOS: KEVIN MC ELVANEY (SEITE 34), STEFFI ZEPP<br />
Neulich haben sie wieder einmal die<br />
Stadt verlassen. Das tun die Gründer<br />
von Lemonaid mindestens einmal im<br />
Jahr. Sie fahren dann für 14 Tage nach<br />
Paraguay, wo der Rohrzucker für ihre<br />
Limonade angebaut wird. Oder nach<br />
Sri Lanka, wo der Tee für ihren Eistee<br />
wächst.<br />
„Wer einmal einen halben Tag bei<br />
50 Grad Rooibos erntet, bekommt ein<br />
anderes Gefühl für das Produkt“, sagt<br />
Lemonaid-Gründer Jakob Berndt.<br />
Berndt (36), Paul Bethke (36) und Felix<br />
Langguth (37) verkaufen Limonade,<br />
Interessierter Blick auf<br />
das, was am Ende rauskommt:<br />
Kleinbauern,<br />
wie hier in Paraguay,<br />
liefern die Rohstoffe für<br />
Limonade und Eistee.<br />
Eistee und seit einem halben Jahr auch<br />
lose Tees, aber in erster Linie eine<br />
Überzeugung: nämlich die, dass man<br />
auch politisch korrekt konsumieren<br />
kann. „Es geht nicht darum, irgendwann<br />
einen großen Bentley zu fahren,<br />
sondern darum, schöne, soziale Projekte<br />
unterstützen zu können und etwas<br />
möglichst Sinnvolles zu machen“, sagt<br />
Berndt. Das heißt für die Gründer vor<br />
allem: faire Löhne zahlen für die Bauern,<br />
die die Rohstoffe für ihre Getränke<br />
liefern. Und: nur Bio- und Fair-Tradezertifizierte<br />
Waren zu verkaufen.<br />
Berndt, kurze Haare, aufmerksamer<br />
Blick, sitzt in seinem Büro in der Rindermarkthalle.<br />
Früher arbeitete er als<br />
Kommunikationsstratege für die Werbeagentur<br />
Jung von Matt. „Aber ich<br />
hatte da schon immer eine gewisse Distanz<br />
und dachte, das kann nicht alles<br />
sein“, so Berndt. Als sich sein Schulfreund<br />
Paul Bethke vor neun Jahren mit<br />
einer Idee für ein Sozialunternehmen<br />
meldete, ging alles ganz schnell.<br />
Bethke, jungenhafter Typ, ruhige<br />
Ausstrahlung, hatte seinerseits gerade<br />
einen gut dotierten Job als Entwicklungshelfer<br />
gekündigt. Er war für die<br />
Deutsche Gesellschaft für Technische<br />
Zusammenarbeit in Sri Lanka gewesen,<br />
kurz nach dem verheerenden Tsunami.<br />
Übernachtete im Hilton, wurde zu<br />
Meetings in teure Restaurants geladen<br />
und in großräumigen Jeeps herumchauffiert.<br />
„So einen Lebensstil hatte<br />
ich noch nie – und das, obwohl ich als<br />
,Sozialarbeiter‘ da war“, ärgert sich<br />
Bethke heute noch. Gelder, die eigentlich<br />
für den Wiederaufbau des Landes<br />
gedacht waren, wurden anderweitig<br />
verschwendet. Bethke wollte kein Teil<br />
dieses „Apparats“ mehr sein und machte<br />
einen harten Schnitt. Den Menschen<br />
35
Bei der Ernte des Bio-Rooibos in der südafrikanischen Kooperative Heiveld (links). Der Lemonaid & ChariTea-Verein<br />
finanziert Projekte wie diesen Kinderhort in Asunción/Paraguay, den täglich 80 Kinder besuchen.<br />
im Land eine Perspektive geben, so seine<br />
Überzeugung, müsse anders gehen.<br />
Besser. Nachhaltiger. Sinnvoller. Mit Felix<br />
Langguth holten die zwei noch einen<br />
Politikberater und weiteren Freund hinzu.<br />
Er kümmert sich um die Finanzen.<br />
Kleinbauern<br />
eine Perspektive geben<br />
Zuerst waren die Namen da: Lemonaid<br />
und ChariTea. Sprechende Namen (aid<br />
heißt übersetzt aus dem Englischen<br />
übersetzt Hilfe, charity Nächstenliebe),<br />
die mit ihrem Ansinnen elegant in die<br />
Tür fallen. Die Gründer wollten zuerst<br />
eine Limo verkaufen, wie man sie in Sri<br />
Lanka an jeder Ecke bekommt: Direktsaft<br />
aus frisch gepressten Limetten,<br />
Rohrzucker und ein wenig Wasser,<br />
mehr nicht. Wochenlang tüftelten sie<br />
am exakten Mischverhältnis: „Das muss<br />
schon schmecken, aus Mitleid kauft keiner<br />
Lebensmittel“, so Bethke.<br />
Alle Rohstoffe, die sie verwenden,<br />
sind Bio- und Fair-Trade-zertifiziert.<br />
„Bio ist gut“, sagt Bethke, „aber danach<br />
muss automatisch die Frage kommen:<br />
,Was ist eigentlich mit den Leuten auf<br />
dem Feld?‘“ Deshalb beziehen sie die<br />
Rohwaren für ihre Getränke von unabhängigen<br />
Kleinbauern-Kooperativen in<br />
den Erzeugerländern. „Entwicklungszusammenarbeit<br />
soll nicht bloß ein<br />
Schlagwort sein, das wir auf Flipcharts<br />
schreiben“, sagt Berndt, sondern: eine<br />
echte Perspektive. Die Bauern sollen<br />
sich darauf verlassen können, dass ihnen<br />
jemand ihre Erzeugnisse langfristig<br />
und zu guten Konditionen abnimmt.<br />
Bis heute arbeiten sie mit denselben<br />
Kooperativen zusammen wie im Gründungsjahr<br />
2009 – mit einer Ausnahme.<br />
„Die haben es mit dem sozialen Hintergrund<br />
dann doch nicht so ernst genommen,<br />
obwohl sie ein entsprechendes<br />
Zertifikat hatten“, so Bethke. Stattdessen<br />
kooperieren sie in Südafrika nun<br />
mit der ersten, von Schwarzen gegründeten<br />
Kleinbauernkooperative. Neben<br />
den Arbeitsbedingungen stimmt auch<br />
die zwischenmenschliche Chemie.<br />
„Man muss hinfahren, vom Rechner<br />
aus recherchieren reicht nicht“, sagt<br />
Bethke. Als sie nach Kleinbauern für<br />
ihr neuestes Produkt, den losen Tee,<br />
suchten, klapperten sie alle Bio-Fair-<br />
Trade-Teeplantagen in Ruanda ab.<br />
Berndt: „Von den Bauern haben wir<br />
dann gehört: ,Ihr seid die allerersten<br />
Kunden, die jemals hierhergekommen<br />
sind.‘“ Das sei schon etwas Besonderes,<br />
sagt Bethke, auch wenn sich die<br />
Kleinbauern gewundert hätten, dass<br />
plötzlich ein Haufen junger Leute aus<br />
Deutschland mit „Trinken hilft“-<br />
T-Shirts aufkreuzte.<br />
Sozialunternehmen Lemonaid<br />
Standort: Hamburg-St. Pauli<br />
Gründung: 2009<br />
Motto: „Trinken hilft“ – mit dem Verkauf ihrer Limonaden<br />
(Lemonaid), Eistees und losen Tees (ChariTea) wollen<br />
die Gründer Paul Bethke (36), Jakob Berndt (36) und<br />
Felix Langguth (37) Kleinbauernkooperativen in den<br />
Erzeugerländern stärken, die gerecht für ihre Arbeit<br />
bezahlt werden. Von jedem verkauften Getränk fließen<br />
zudem 5 Cent an den Lemonaid&ChariTea-Verein,<br />
der soziale Projekte in den Herkunftsländern unterstützt.<br />
Rohstoffe: Alle Rohwaren wie Tee, Rohrzucker und Limetten<br />
stammen zu 100 Prozent aus Bio- und Fair-Trade-zertifizierter Landwirtschaft.<br />
Mitarbeiter: 70<br />
Umsatz: 10 Millionen Euro (2016)<br />
Lemonaid&ChariTea-Verein: 1,2 Millionen Euro für soziale Projekte (seit 2010)<br />
Mehr Info: www.lemon-aid.de<br />
36
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Die Besser-Verdiener<br />
„Bio ist gut, aber<br />
was ist mit den<br />
Bauern?“ PAUL BETHKE<br />
Wenn man mit den Lemonaid-Gründern<br />
spricht, fällt häufig das Wort „Herzensangelegenheit“.<br />
Berndt ist es fast<br />
unangenehm, aber er benutzt es einfach<br />
zu gern, um zu beschreiben: Das<br />
hier ist mehr als ein weiterer Job für den<br />
Lebenslauf. Und dann ist da ja auch<br />
noch ihr Lemonaid&ChariTea-Verein.<br />
Den haben sie 2010 gegründet. Von jeder<br />
verkauften Getränkeflasche fließen<br />
5 Cent in die Vereinsarbeit. Mit dem<br />
Geld unterstützen sie soziale Projekte in<br />
den Erzeugerländern. In Paraguay zum<br />
Beispiel eine Landwirtschaftsschule, in<br />
der junge Leute zu Ökobauern ausgebildet<br />
werden und einen Kinderhort. In<br />
Südafrika geben sie Gelder für Mini-<br />
Solaranlagen, die an die Landbevölkerung<br />
verteilt werden, damit diese unabhängig<br />
von der Stromversorgung sind.<br />
Insgesamt hat der Verein seit seinem<br />
Bestehen rund 1,2 Millionen Euro<br />
investiert. Geld, das ankommt: So konnten<br />
schwarze Kleinbauern im südafrikanischen<br />
Heiveld durch einen Mikrokredit<br />
2497 Hektar Land kaufen und ihre<br />
Zukunft dadurch sichern. Trotzdem haben<br />
sie noch viel zu tun, sagen die<br />
Lemonaid-Gründer. Daran ändern<br />
auch „die paar Pokale“ nichts, sagt Paul<br />
Bethke und meint damit Auszeichnungen<br />
wie den Deutschen Gründerpreis<br />
(2016). Gut 70 Mitarbeiter beschäftigen<br />
sie heute, eine bunte Truppe Überzeugungstäter.<br />
„Das totale Familiending,<br />
fast wie eine Sekte“, scherzt Bethke.<br />
Die Kritik, dass nur Großstädter<br />
mit Ökogewissen sich leisten könnten,<br />
„trinkend die Welt zu verbessern“, kennen<br />
sie. Berndt entgegnet, dass sie mit<br />
ihrer Idee, sozialer zu wirtschaften und<br />
Kleinbauern zu stärken, jetzt auch in<br />
Bereiche vordringen, die vorher nicht<br />
sonderlich für solche Themen sensibilisiert<br />
waren: Betriebskantinen, Schulen<br />
oder Musikfestivals etwa.<br />
Im vergangenen Jahr haben die Freunde<br />
rund 10 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet.<br />
Da klingeln auch schon<br />
mal Kaufinteressenten durch. „Da ruft<br />
aber nicht Herr Coca-Cola an und sagt<br />
‚Wir wollen euch kaufen‘. Oft sind das<br />
so bankenartige Firmen mit Kontakten<br />
zu großen Playern“, sagt Bethke. Ihre<br />
Herzensangelegenheit an einen internationalen<br />
Großkonzern verkaufen, so wie<br />
Bionade? Das steht nicht zur Debatte.<br />
„Wir wollen das Projekt, das wir geschaffen<br />
haben, weiter nach vorn treiben“,<br />
sagt Paul Bethke. Jakob Berndt<br />
nickt. „Wir haben so unterschiedliche<br />
Werte und Interessen, dass es keinen<br />
Sinn ergeben würde, sich an einen Tisch<br />
zu setzen.“ Er sieht sehr zufrieden aus,<br />
als er das sagt. •<br />
Kontakt: simone.deckner@hinzundkunzt.de<br />
In dieser Serie bereits erschienen<br />
Bridge&Tunnel – Social Design Label<br />
aus Wilhelmsburg (Mai <strong>2017</strong>)<br />
Was wurde eigentlich<br />
aus der Pfandkiste?<br />
Kurzinterview mit Lemonaid-Gründer Jakob Berndt.<br />
„Debatte<br />
angestoßen“:<br />
Lemonaid-Gründer<br />
Jakob Berndt.<br />
FOTOS SEITE 36: ALBERT RETIEF (OBEN LINKS),<br />
JOANNA BERENDSOHN (OBEN RECHTS), OLE EKHOFF; SEITE 37: ETSY<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>: Vor drei Jahren<br />
sah man plötzlich überall eure<br />
Pfandkisten für Flaschensammler<br />
hängen (Foto im Kasten, S. 36).<br />
Wie kamt ihr auf die Idee?<br />
JAKOB BERNDT: Wir wollten die<br />
Lücke zu „Pfand gehört daneben“<br />
schließen. Eine<br />
Pfandkiste macht da total<br />
Sinn, die gab es bis dahin so<br />
nicht. Wir haben dann die<br />
ersten Kisten in Hamburg<br />
und anderen Großstädten<br />
aufgehängt, ein kleines Handyvideo<br />
gedreht und das online<br />
gestellt. Darauf gab es<br />
großen Zuspruch, auch von<br />
den Pfandsammlern selbst.<br />
Später kamen Workshops an<br />
Unis und Schulen dazu, das<br />
hat sich verselbstständigt.<br />
Aber es lief nicht immer reibungslos:<br />
Wenn Pfandkisten sich<br />
auf öffentlichem Grund befanden,<br />
wurden sie abgenommen.<br />
Das war tatsächlich sehr unterschiedlich.<br />
In Frankfurt<br />
haben sie rigoros alle Kisten<br />
wieder abgehängt und das<br />
mit Verletzungsgefahr begründet.<br />
Aber dann gab es<br />
auch Anrufe wie den der<br />
Sekretärin des Bürgermeisters<br />
von Hagen. Die hat uns<br />
offiziell um Erlaubnis gefragt,<br />
ob sie unsere Pfandkisten<br />
aufhängen dürften (lacht).<br />
In Hamburg hat uns der<br />
HVV auch mal auf die Finger<br />
gehauen, als wir in einer<br />
U-Bahn-Station etwas mit<br />
den Kisten gemacht haben.<br />
Heute gibt es hier einige wenige<br />
Big-Belly-Mülleimer der Stadtreinigung<br />
mit festen Pfandregalen.<br />
Ab dem Moment haben wir<br />
uns da auch ein bisschen<br />
rausgezogen. Wir verbuchen<br />
es als Erfolg, diese Debatte<br />
angestoßen zu haben. Wobei<br />
wir dachten, das würde noch<br />
flächendeckender ausgebaut.<br />
Das Problem bis heute:<br />
Viele packen allen möglichen<br />
Müll in die Pfandregale, nur<br />
keine Flaschen, stimmt’s?<br />
Jeder Mensch, der einen<br />
Fahrradkorb hat, kennt das<br />
Problem. Alles, was irgendwie<br />
rechteckig und im öffentlichen<br />
Raum ist, wird als<br />
Mülleimer benutzt. •<br />
37
Rubrik<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>292</strong>/JUNI <strong>2017</strong><br />
Hamburg liebt<br />
seine Hinterhöfe<br />
Am Tag der Architektur- und Ingenieurbaukunst präsentiert Joachim Jacob einen<br />
Ausschnitt der Hamburger Baugeschichte. Der Rundgang des Experten führt zu<br />
Wohnhöfen, die es so nur in Hamburg gibt. Wir waren vorab mit ihm unterwegs.<br />
TEXT: JONAS FÜLLNER<br />
FOTOS: LENA MAJA WÖHLER<br />
Die Sonne scheint. In den Hinterhöfen<br />
der Wohlwillstraße<br />
und Karolinenpassage auf St.<br />
Pauli sitzen Nachbarn. Sie grillen, trinken<br />
Kaffee und klönen. Die alten Höfe<br />
sind eng, trotzdem hell und vor allem<br />
ruhig. Kein Wunder, dass die sogenannten<br />
Hamburger Terrassen heutzutage<br />
begehrte Wohnorte sind.<br />
38<br />
Joachim Jacob, der Architektur studiert<br />
hat und heute als freischaffender Künstler<br />
arbeitet, ist Baugeschichtsexperte<br />
und führt uns durch die Stadt. Er liebt<br />
die alten Gassen, die es so nur in Hamburg<br />
gibt. Die zeilenförmig angeordneten,<br />
mehrgeschossigen Blockbauten<br />
entstanden in der zweiten Hälfte des<br />
19. Jahrhunderts in den damaligen Vororten<br />
St. Pauli, Eimsbüttel oder auch<br />
dem Karoviertel. Der Raum in Hamburg<br />
war durch die Stadtmauern begrenzt<br />
und so wurden die Hinterhöfe<br />
im rechten Winkel zur Straßenachse<br />
mit flachen, gleichförmigen Arbeiterhäusern<br />
bebaut.<br />
Aber spätestens nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg galten die Höfe als unhygie-
2<br />
3<br />
1 Auch Neubauten können schön sein.<br />
Mitten im Schanzenviertel versteckt sich<br />
dieses kleine Idyll in der Lippmannstraße.<br />
2 Alles nur Fassade? Die Peterstraße<br />
wurde in den 1970ern neu aufgebaut.<br />
Die Häuser standen einst an anderen Orten.<br />
3 Hamburgs Weltkulturerbe ist die<br />
Speicherstadt. Auch schön sind die Häuser<br />
der Jägerpassage in der Wohlwillstraße.<br />
4 Stadtführer Joachim Jacob (links)<br />
und Redakteur Jonas Füllner bei ihrer<br />
Rundtour durch Hamburgs Hinterhöfe.<br />
5 Wirklich nicht schön: In der Becker’s<br />
Passage auf St. Pauli schauen die<br />
Nachbarn auf einen modrigen Graustreifen.<br />
4<br />
5<br />
1<br />
nisch und dunkel. Was nicht zerbombt<br />
war, wurde nach und nach abgerissen<br />
und durch Nachkriegsbauten ersetzt.<br />
Die waren nicht hübsch. Aber praktisch<br />
im Vergleich zu den Hamburger<br />
Terrassen, bei denen oftmals Toiletten<br />
und Wasseranschlüsse noch außerhalb<br />
der Wohnungen lagen.<br />
Natürlich waren die Altbauten problematisch,<br />
räumt Jacob ein. Zum Beispiel,<br />
wenn unbrauchbare Flächen entstanden,<br />
die im schlimmsten Fall zu<br />
Müllablagen werden. Jacob zeigt uns<br />
die Becker’s Passage in der Clemens-<br />
Schultz-Straße. In dem Gang zwischen<br />
zwei Häuserzeilen wuchert Unkraut<br />
zwischen Müllbergen. Der Eigentümer<br />
hat sich offensichtlich seit Jahren nicht<br />
mehr um seine Häuser gekümmert.<br />
Man könne trotzdem von Glück<br />
sprechen, dass sich in den 1980ern unter<br />
Stadtplanern und Architekten die<br />
Einsicht durchsetzte, dass die Altbaubestände<br />
eine besondere nachbarschaftliche<br />
Qualität bergen, meint Jacob. Endlich<br />
wurden die oftmals verfallenen<br />
Häuser saniert und modernisiert. Es sei<br />
kein Zufall, dass Teile von St. Pauli und<br />
das Karoviertel so beliebt seien.<br />
Jacob führt uns weiter ins Schanzenviertel<br />
zu einem Neubau. Er will uns<br />
zeigen, dass auch Neubauten ähnliche<br />
Qualitäten vorweisen können. Tatsächlich<br />
zeigt sich in dem Innenhof eine<br />
wunderschöne Anlage mit ansprechenden<br />
Balkonen, verwunschenen Grünflächen<br />
und einer modernen Architektur.<br />
Die Besonderheit des 1993 von der<br />
Architektin Mirjana Markovi und ihrem<br />
Büro MRLV entworfenen Vorzeigeprojektes:<br />
Es handelt sich um einen<br />
Sozialwohnungsbau. Jacob: „Ich wundere<br />
mich immer, warum nicht viel<br />
öfter so gebaut wird.“ •<br />
39<br />
Architektur- und Ingenieurbau<br />
An dem Wochenende 24. und 25. <strong>Juni</strong><br />
können Sie am „Tag der Architektur- und<br />
Ingenieurbaukunst“ rund 50 Bauwerke<br />
besichtigen, zu denen man sonst selten<br />
Zugang erhält. Außerdem gibt es geführte<br />
Rundgänge. Alle Programmpunkte<br />
sind kostenlos. Die Tour von Joachim<br />
Jakob „So dicht wohnen?“ startet<br />
Sa, 24. <strong>Juni</strong>, um 14 Uhr. Eine Anmeldung<br />
über die Seite www.tda-hamburg.de<br />
ist erforderlich. Dort finden Sie auch<br />
weitere Informationen zum Programm.
Rudolf D. weiß, dass er bipolar ist.<br />
„Ich habe eine Diagnose, aber viele<br />
laufen da draußen rum, die so sind<br />
wie ich. Sie wissen es nur nicht.“
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Freunde<br />
Leben zwischen<br />
den Extremen<br />
Überbordende Energie oder bleierne Schwermut – das Leben mit einer<br />
bipolaren Störung ist extrem anstrengend und oft gefährlich.<br />
Rudolf D. hat das lange nicht erkannt. Jetzt stellt er sich seiner Krankheit.<br />
TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />
FOTOS: ANDREAS HORNOFF<br />
„Das Schweigen spricht. Ich höre meinen<br />
Atem. Selbstgespräche, immer wieder.“<br />
Messerscharf spricht Rudolf D. (52) die<br />
Sätze aus, seine Augen funkeln durch<br />
die Brillengläser, seine Stimme wächst<br />
bis in den hintersten Winkel des Raums.<br />
Früher füllte er Theatersäle mit dieser<br />
Stimme, zum großen Finale des Stücks<br />
„Abwärts zu den Sternen“. Zwölf Jahre<br />
ist es her, dass er mit dem Laienensemble<br />
„Obdach-Fertig-Los“ auf der Bühne<br />
stand. Der Text sitzt immer noch bis ins<br />
letzte Komma. „Ja“, sagt Rudolf D.<br />
und lächelt. „Der passt zu mir.“<br />
Er atmet durch und der Raum, der<br />
eben noch Bühne war, wird wieder zu<br />
seinem Zimmer. Durch das Fenster<br />
zum Balkon fällt graues Tageslicht auf<br />
den PVC-Boden, draußen plätschert<br />
der Regen auf die benachbarte Brachfläche.<br />
Pkw, Laster, Krankenwagen rasen<br />
über die Spaldingstraße. „Es ist<br />
auch ein bisschen wie Kino hier“, sagt<br />
Rudolf D. Seit neun Monaten lebt er<br />
jetzt im Wohnprojekt Münze. Es fühlt<br />
sich genau richtig an, sagt er. „Wir sind<br />
hier alle ein bisschen matschig in der<br />
Birne.“ Darf er so sagen. Er meint sich<br />
ja auch selbst: Bipolare Störung heißt<br />
das in seinem Fall, korrekterweise.<br />
Jahrelang lebte Rudolf D. über seine<br />
Krankheit hinweg. Er arbeitete als<br />
Fahrer für einen Zeitungsverlag, fuhr<br />
1500 Kilometer pro Tag. Als es Streit<br />
gab mit dem Chef, schmiss er hin.<br />
Ging nicht mehr zur Arbeit, nicht<br />
mehr in seine Dienstwohnung. Rudolf<br />
D. wurde obdachlos, ein Alarmzeichen<br />
– doch er wusste es nicht zu deuten. Es<br />
ging ja auch wieder bergauf, als er zum<br />
Obdachlosentheater stieß und dort einen<br />
richtig guten Freund fand. Dann<br />
eine neue Wohnung, ein neuer Job.<br />
Nach außen schien alles im Lot. Nach<br />
innen schaute Rudolf D. nicht gern.<br />
Selbst als die Krankheit ihm akut gefährlich<br />
wurde, wollte er von einer Diagnose<br />
nichts wissen.<br />
„Ich werd euch zeigen, was für ein toller<br />
Kerl ich bin. Alle Geräte werde ich anmachen,<br />
Tag und Nacht volle Lautstärke. Und ich werd<br />
lachen, haaa! Lachen werd ich! Und nachts<br />
um zwei werde ich auf den Balkon gehen und<br />
sagen: Ich lebe! Ich lebe!“<br />
So wie in seinem Bühnentext fühlte sich<br />
für Rudolf D. die Manie an – das eine<br />
Extrem der bipolaren Störung. Die<br />
Krankheit, die früher als „manisch-depressiv“<br />
beschrieben wurde, verläuft in<br />
Phasen, die einen Menschen völlig aus<br />
der Bahn werfen können. „In einer manischen<br />
Phase hat man erst unheimlich<br />
viel Energie und positive Stimmung“,<br />
erklärt Professor Thomas Bock, Psychologe<br />
am UKE und Mitgründer des Vereins<br />
„Irre menschlich“. Das Hochgefühl<br />
ist jedoch trügerisch. „Es beginnt<br />
überzuborden, man fängt ganz viele<br />
Sachen an, bringt sie nicht zu Ende und<br />
wird immer hektischer.“ Was als fröhlicher<br />
Tatendrang anfing, wird zum alles<br />
bestimmenden Chaos.<br />
Den Kontrollverlust habe er selbst<br />
gar nicht bemerkt, sagt Rudolf D. Bis<br />
es eines Tages brenzlig wurde. „Ich<br />
hatte den Zwang, U-Bahn zu fahren.<br />
Egal wohin“, erzählt er. Ständig stieg<br />
er von einer Linie in die nächste um.<br />
„Die Bahn fuhr rein und auf einmal<br />
41<br />
„In einer<br />
depressiven Phase<br />
ist man völlig<br />
hilflos.“ RUDOLF D.<br />
kam mir der Gedanke: Was, wenn du<br />
jetzt einen Schritt vorwärts machst?“<br />
Er stockt. Das war mehr als ein absurder<br />
Einfall damals – der Gedanke<br />
drängte sich auf, wurde übermächtig.<br />
Da merkte Rudolf D., dass er sich<br />
selbst nicht mehr trauen konnte. „Das<br />
hat mir unheimlich Angst gemacht.“<br />
Er riss sich vom Bahnsteig los, versuchte<br />
sich mit Busfahren zu beruhigen.<br />
Dann rief er seinen Freund aus der<br />
Theatergruppe an: „Gerhard, ich weiß<br />
nicht mehr weiter.“ Der lud ihn ins<br />
Auto, fuhr mit ihm nach Ochsenzoll.<br />
Vier Wochen blieb Rudolf D. in<br />
der Psychiatrie. Was ihm das bringen<br />
sollte, war ihm damals schleierhaft.<br />
„Ich habe mich gefühlt wie aufbewahrt“,<br />
sagt er. Es werde schon wieder,<br />
sagten die Ärzte. „Aber in einer depressiven<br />
Phase glaubt man das nicht“,<br />
sagt Rudolf D. An Therapie oder seelischen<br />
Beistand kann er sich nicht erinnern.<br />
„Am Ende hatte es etwas von<br />
Urlaub.“ Ein Urlaub, den er nie gebucht<br />
hatte. Fremde Leute, nichts zu<br />
tun. Nur furchtbare Leere. So kam<br />
ihm das damals vor.
Psychologe Thomas Bock wirbt<br />
im Verein „Irre menschlich Hamburg“<br />
für Toleranz im Umgang mit psychischen<br />
Erkrankungen.<br />
„Mich hat noch nie jemand besucht. Noch nie<br />
hat das blöde Telefon geklingelt, es hat sich<br />
noch nicht einmal jemand verwählt und aus<br />
Versehen bei mir angerufen. Ab und zu rufe ich<br />
die Zeitansage an, um eine andere Stimme zu<br />
hören als meine eigene.“<br />
Das ist das andere Extrem: die Talfahrt<br />
in die Depression. Die Gedanken werden<br />
unheimlich schwer. Man ist in sich<br />
gekehrt, manchmal auch aggressiv gegenüber<br />
sich selbst, erklärt Thomas<br />
Bock: „Im schlimmsten Fall schafft man<br />
es nicht mehr, irgendetwas zu wollen.“<br />
Rudolf D. verließ die Psychiatrie,<br />
ohne wissen zu wollen, was mit ihm los<br />
war. Er war nie der Typ, der seine Patientenakte<br />
auswendig lernen würde.<br />
Sein Seelenleben zu ergründen, lag<br />
ihm erst recht fern. Und von den Bekannten<br />
fragte niemand ernsthaft<br />
nach. Vielleicht hätte er sonst gemerkt,<br />
wie schnell er schon früher ins Extrem<br />
verfiel. Dass er dabei war, den Halt zu<br />
verlieren, als er Job und Wohnung aufgab.<br />
Er lief die Mönckebergstraße<br />
hoch und runter, bis er nicht mehr<br />
konnte. „Abends habe ich die Leute<br />
gesehen, die in den Ladeneingängen<br />
lagen.“ Er atmet tief ein und sagt: „Ich<br />
Filmabend: „Die Summe meiner einzelnen Teile“<br />
Martin ist ein genialer Mathematiker, der<br />
Karriere in einem großen Unternehmen<br />
macht. Er führt ein zufriedenes Leben –<br />
bis er einen Zusammenbruch erleidet,<br />
psychisch erkrankt und schließlich<br />
auf der Straße landet. Regisseur Hans<br />
Weingartner hat über Martins Krise einen<br />
bewegenden Spielfilm gedreht.<br />
Er läuft am 20. und 21. <strong>Juni</strong> in der Reihe<br />
„Flexibles Flimmern“. Veranstalter<br />
Holger Kraus zeigt in seinem mobilen<br />
Kino Filme an ungewöhnlichen<br />
Orten. Infos: www. flexiblesflimmern.de<br />
20. <strong>Juni</strong>: Prof. Dr. Peter Ostendorf, Praxis<br />
ohne Grenzen, spricht vor dem Film über<br />
seinen Alltag bei der kostenlosen Behandlung<br />
von Menschen ohne Versicherung.<br />
www.praxisohnegrenzen.de.<br />
21. <strong>Juni</strong>: Annette Antkowiak, Koordinatorin<br />
des Caritas-Krankenmobils und Sozialarbeiter<br />
Thorsten Eikmeyer, Caritas-<br />
Krankenstube, geben Einblicke in die<br />
ambulante medizinische Versorgung von<br />
Obdachlosen. www.huklink.de/caritaskrankenmobil<br />
Für die Stärkung vor dem Film sorgen<br />
zwei Hinz&Künztler: Chris und Reiner<br />
servieren selbst gemachte Kartoffelsuppe<br />
und Kartoffelsalat mit Buletten.<br />
Eintritt: 12 Euro (davon 3 Euro Spende)<br />
Anmeldung erforderlich unter<br />
reservierungen@flexiblesflimmern.de<br />
Einlass: jeweils 19 Uhr, Beginn 20 Uhr<br />
Ort: Medizinhistorisches Museum<br />
Hamburg, Universitätsklinikum Hamburg-<br />
Eppendorf, Fritz-Schumacher-Haus<br />
(Gebäude N30 b), Martinistr. 52<br />
In dem denkmalgeschützten Haus in der<br />
ehemaligen Pathologie des UKE gibt das<br />
medizinhistorische Museum einen Einblick<br />
in 150 Jahre Medizingeschichte. Ein Teil<br />
der Räume ist zum Filmabend geöffnet.<br />
Reguläre Öffnungszeiten: Sa und So,<br />
13 bis 18 Uhr, Öffentliche Führung So,<br />
15 Uhr, Eintritt 6/4 Euro, www.huklink.de/<br />
medizinhistorisches-museum<br />
Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />
42
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
habe die bewundert.“ Sie hatten einen<br />
Platz, wo sie zur Ruhe kommen würden,<br />
dachte er. Er selbst war ohne<br />
Rast. Völlig erschöpft verbrachte er<br />
die Nacht vor dem Hauptbahnhof.<br />
Die neun Monate draußen, die darauf<br />
folgten, sie hätten der finale Tiefpunkt<br />
werden können. Doch Rudolf<br />
D. hatte Glück. Straßensozialarbeiter<br />
der Caritas verschafften ihm eine Bleibe.<br />
Er fing in einer Recyclingfirma an,<br />
hatte einen Chef, der es ihm nachsah,<br />
wenn er es in depressiven Phasen morgens<br />
nicht in die Firma schaffte. Beim<br />
Theater „Obdach-Fertig-Los“ schrieb<br />
er nun die Stücke. Und er traf auf einen<br />
Arzt, der ihn mit seiner psychischen<br />
Erkrankung konfrontierte, als<br />
Rudolf D. bei einem Klinikaufenthalt<br />
eine manische Phase durchmachte.<br />
„Ich dachte erst: Was will der von<br />
mir?“, erzählt Rudolf D. „Heute muss<br />
ich ihm Recht geben.“<br />
„Das Schweigen spricht, ich höre meinen<br />
Atem. Selbstgespräche, immer wieder.<br />
Gleich kommt die Schwester mit den Tabletten.<br />
Aufstehen darf ich noch nicht. Denn jetzt bin<br />
ich ja psychisch krank, hat der Arzt gesagt.“<br />
Freunde<br />
Was hat sich geändert seit der Diagnose?<br />
„Mein Leben ist bedeutend schwieriger<br />
geworden“, sagt Rudolf D. Ständig<br />
ist er nun auf der Hut: Ist das noch<br />
gute Laune, oder will ich schon wieder<br />
mit dem Kopf durch die Wand? „Ich<br />
möchte diesen Kampf nicht mehr haben,<br />
dieses ständige Hinterfragen“, sagt<br />
er. Bald wird er seine erste Therapie antreten.<br />
Dass der Weg dorthin lange dauert,<br />
ist laut Psychologe Thomas Bock<br />
nicht selten – es braucht Vertrauen, ihn<br />
zu gehen. Die Therapie soll Rudolf D.<br />
helfen, sein Mittelmaß zu finden. Und<br />
zu halten. Eine große Kunst, sagt Bock.<br />
Nicht nur kranken Menschen falle es<br />
schwer, sich mit einem gleichförmigen<br />
Leben zufriedenzugeben.<br />
Rudolf D. in seinem Zimmer mit<br />
dem PVC-Boden und dem Verkehr<br />
vor dem Fenster ist schon ziemlich gut<br />
darin. Es klappt jetzt besser, die Seele<br />
in Balance zu halten, sagt er. Seine<br />
Nachbarn und Bekannten helfen ihm<br />
dabei. Sie kennen sich aus mit seelischen<br />
Schwankungen und wollen ihm<br />
Bescheid geben, wenn er sich auffällig<br />
verhält. Bisher haben sie noch nichts<br />
gesagt – ein gutes Zeichen. Außerdem<br />
trifft sich Rudolf D. regelmäßig mit<br />
seiner Recovery-Gruppe, in der er seine<br />
Stärken zur Geltung bringen kann,<br />
seine Offenheit und Kreativität. „Bei<br />
mir ist ja nicht alles krank“, sagt er.<br />
Heute weiß er, dass er sich wegen seiner<br />
Krankheit nicht verstecken muss.<br />
Es kann schließlich jeden treffen. „Wir<br />
haben eine Diagnose“, sagt Rudolf D.<br />
„Aber viele Tausende da draußen laufen<br />
genau so rum wie wir. Die wissen<br />
nur nicht, dass sie krank sind.“ •<br />
Mehr Infos unter:<br />
www.irremenschlich.de<br />
JA,<br />
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Damit unterstütze ich die<br />
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Datum; Unterschrift<br />
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für meine Jahresspende erhalten.<br />
(Sie wird im Februar des Folgejahres zugeschickt.)<br />
Meine Adresse:<br />
Name, Vorname<br />
Straße, Nr.<br />
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Telefon<br />
E-Mail<br />
Beruf<br />
Geburtsjahr<br />
Einzugsermächtigung:<br />
Ich erteile eine Ermächtigung zum<br />
Bankeinzug meiner Jahresspende.<br />
Ich zahle: halbjährlich jährlich<br />
Dankeschön<br />
IBAN<br />
Wir danken allen, die im Mai<br />
an uns gespendet haben, sowie allen<br />
Mitgliedern im Freundeskreis von<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> für die<br />
Unterstützung unserer Arbeit!<br />
DANKESCHÖN EBENFALLS AN:<br />
• IPHH • wk it services<br />
• Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />
• Hamburger Tafel • Axel Ruepp Rätselservice<br />
• Hamburger Kunsthalle<br />
• bildarchiv-hamburg.de<br />
• Treuhandstiftung August Mohr Stiftung<br />
(in Trägerschaft der BürgerStiftung Hamburg)<br />
• Rotary Hilfe des Rotary Club Hamburg Elbe<br />
NEUE FREUNDE:<br />
• Simon Asche • Tina Busch<br />
• Aljosha Deen • Eva Jeberien<br />
• Alexander Klar • Karl-Heinz Kohlschütter<br />
• Elke König • Ingrid und Frank Krüger<br />
• Brigitte Lindenberg • Maren Lorenz<br />
• Stefanie Matz • Isabelle Nini<br />
• Gerhard Rinneberg • Bettina Schneider<br />
• Edgar Seeberg • Klaus Vosgerau<br />
• Werner Wilbert<br />
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Wir versichern, dass Ihre Angaben nur für interne<br />
Zwecke bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> verwendet werden. Ihre<br />
Mitgliedschaft im Freundeskreis ist jederzeit kündbar.<br />
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Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Freundeskreis<br />
Altstädter Twiete 1-5, 20095 Hamburg<br />
Oder online im Freundeskreis anmelden unter<br />
www.hinzundkunzt.de/freundeskreis<br />
43<br />
HK <strong>292</strong>
Fotokunst<br />
für einen<br />
guten Zweck<br />
Zum zweiten Mal verkauft Flo Peters in ihrer Galerie<br />
Fotos – und spendet den Erlös an Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />
TEXT: FRANK KEIL<br />
PORTRÄT FLO PETERS: DMITRIJ LELTSCHUK<br />
Mittagspause über den Dächern<br />
Londons, 1931. Fotograf<br />
unbekannt (links). Der Schriftsteller<br />
T. S. Elliot auf den Bahamas<br />
unter Palmen (rechts), Aufnahme von<br />
Slim Aaron, 1957.<br />
Die Ansage ist klar und eindeutig:<br />
„Es gibt schöne Fotos, es gibt<br />
keine verstörenden Bilder. Und<br />
ich glaube, es ist für jeden was dabei.“<br />
Zwei Jahre ist es her, dass Flo Peters in<br />
ihrer gleichnamigen Fotogalerie im Chilehaus<br />
eine Ausstellung organisierte, deren<br />
Erlös Hinz&<strong>Kunzt</strong> zugutekam. Und<br />
nun wird sie genau dies wiederholen.<br />
„Das Schöne an so einer Ausstellung:<br />
Man muss weder ein bestimmtes<br />
Genre bedienen, noch einer thematischen<br />
Linie folgen.“ Und so hat sie bei<br />
Fotografen nachgefragt, ob sie ihr das eine<br />
oder andere Bild überlassen. Hat in<br />
ihrem Fundus nachgeschaut. Entdeckt<br />
hat sie dort die Aufnahme eines Portiers,<br />
der sich zu einem Dackel tief hinunterbückt,<br />
ihm vielleicht die Welt erklärt.<br />
„Ich habe das Bild vor vielen Jahren<br />
mal irgendwo in London gesehen, fand<br />
44
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Freunde<br />
Galeristin Flo Peters<br />
inmitten ihrer Schätze:<br />
„Amy Winehouse<br />
und Ozzy Osbourne“,<br />
Aufnahme von Ross Halfin,<br />
London, 2007 (linke Seite<br />
oben). „Commissionaire’s<br />
dog“ von Kurt Hutton,<br />
London, 1938.<br />
es sehr berührend“, erzählt sie. „Und als<br />
ich nun überlegte, was kommt bei den<br />
meisten Menschen gut an? Fotos mit<br />
Hunden, ob Sie’s glauben oder nicht“,<br />
sagt Flo Peters.<br />
Spannend ist auch die Geschichte<br />
des Fotografen Kurt Hübschmann, der<br />
ab Anfang der 1930er-Jahre in Berlin ein<br />
Porträtstudio unterhielt. Er reiste 1934<br />
nach Wimbledon, um das Tennisturnier<br />
zu fotografieren. Und er blieb, arbeitete<br />
für englische Zeitungen und nannte sich<br />
bald Kurt Hutton. Sein nächtliches<br />
Hundebild hat er 1938 aufgenommen.<br />
Nach Ausbruch des Krieges wurde er<br />
wie fast alle Deutschen, die sich in England<br />
aufhielten, auf der Insel Isle of<br />
Man interniert. 1941 wurde er wieder<br />
freigelassen und setzte seine Arbeit fort.<br />
Eine nächste Aufnahme wirft einen<br />
Blick auf den Hamburger Hafen und<br />
die damals vereiste Elbe und führt<br />
zurück in eine Zeit, als noch niemand<br />
etwas von Containern ahnte. „Franz<br />
Münster war ein Hamburger Fotograf,<br />
ein ganz ausgezeichneter. Gehörte zur<br />
Hamburger Amateurfotografenvereinigung,<br />
die sich Anfang des 20. Jahrhunderts<br />
gegründet hat.“ Jahrgang 1898,<br />
Spross einer Hamburger Kaufmannsfamilie<br />
und selbst Kaufmann. „Von daher<br />
hatte er das Geld und auch die Zeit,<br />
selber Abzüge zu machen. Das war ja<br />
am Anfang viel schwieriger und langwieriger,<br />
als später in den 1950er- und<br />
1960er-Jahren“, erzählt sie – und sagt<br />
wie nebenher: „Ich habe damals das<br />
ganze Archiv auf gekauft.“<br />
Und auch von Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Fotograf<br />
Mauricio Bustamante kann man<br />
ein Bild kaufen: auch eins mit Hund.<br />
„Wir hoffen, dass was zusammenkommt“,<br />
sagt Flo Peters. Und sie hofft,<br />
auch solche Käufer zu erreichen, die bislang<br />
noch nichts mit Hinz&<strong>Kunzt</strong> zu tun<br />
gehabt haben. „Die haben dann ein gutes<br />
Bild an der Wand hängen und eine<br />
gute Sache unterstützt. Zwei Fliegen mit<br />
einer Klappe, fertig ist.“ •<br />
Eröffnung: Di, 30.5., 18 Uhr.<br />
Die Ausstellung läuft bis zum 3.6. Öffnungszeiten:<br />
Mi–Fr, 12–18 Uhr, Sa, 11–15 Uhr;<br />
Pumpen 8, Chilehaus<br />
45
Buh&Beifall<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>292</strong>/JUNI <strong>2017</strong><br />
Was unsere Leser meinen<br />
„Es ist Zeit für sichere Übernachtungsplätze“<br />
„Reise in die falsche Richtung“<br />
H&K 291, Daten & Fakten zu Armut und<br />
Reichtum<br />
Es zeigt sich eine verfehlte Gesellschafts-<br />
und Steuerpolitik. Gern<br />
wird die Ideologie ewigen Wirtschaftswachstums<br />
als „unsichtbare<br />
Hand“ zur Förderung des sozialen<br />
Ausgleichs beschworen und zum Vorwand<br />
genommen, Kapitalansammlung<br />
bei wenigen zu fördern, weil das<br />
angeblich Arbeitsplätze schafft. Wenn<br />
aber mit Erträgen aus Kapitalanhäufung<br />
mehr Ertrag zu erzielen ist als<br />
mit Investitionen in Produktion, Infrastruktur<br />
und Bildung, geht die Reise<br />
in die falsche Richtung. HARALD GARZKE<br />
„Gut, sozial, gerecht“<br />
H&K 291, Interview mit Thomas Straubhaar<br />
zum Grundeinkommen<br />
Ich finde diese Idee gut, sozial<br />
und gerecht. Leider befürchte ich, da<br />
die „Verrechnung des Grundgehaltes<br />
mit den Einkünften einer politischen<br />
Ausgestaltung“ unterliegen soll, eine<br />
Einflussnahme der Besser- und Bestverdienenden<br />
sowie der Vermögenden<br />
zu Lasten der Geringverdienenden.<br />
Ich habe den Glauben an eine gerechte,<br />
soziale Politik für alle Bürger verloren.<br />
Das jährliche Vorgehen der Sozialbehörde<br />
bei der Winternothilfe<br />
sowie die jetzigen Planungen für G20<br />
verstärken diesen Unglauben. D. SCHÜTT<br />
„Kauf des Heftes ein Gewinn“<br />
H&K 291, Besser-Verdiener Bridge&Tunnel<br />
Vielen Dank für Ihren interessanten<br />
Artikel! Er ließ mich einmal mehr<br />
den Kauf des Heftes als Gewinn einschätzen.<br />
UWE BARTSCH<br />
Großes Lob für die Mai-Ausgabe<br />
der Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Im Besonderen<br />
für die Themen Grundeinkommen,<br />
Armut& Reichtum und ganz<br />
besonders Ihre neue Serie „Besser-<br />
Verdiener“.<br />
SIMON SPRENGER<br />
Schafft sichere Schlafplätze!<br />
H&K Online, „Schlafsack von Obdachlosem<br />
in Flammen“, siehe auch Seite 32<br />
Es wird endlich Zeit, dass es sichere<br />
Übernachtungsplätze für die Obdachlosen<br />
gibt! Es ist nicht auszuhalten,<br />
dass so etwas immer wieder passiert<br />
und nichts geschieht! JM POHL VIA FACEBOOK<br />
Informativ wie eh und je<br />
H&K allgemein<br />
Warum müsst Ihr damit werben,<br />
„noch interessanter und informativer“<br />
zu werden? Das klingt so, als wenn Ihr<br />
das bisher nicht wirklich wart … und<br />
das stimmt ja nicht!<br />
ULRIKE<br />
HAMBURGER NEBENSCHAUPLÄTZE<br />
DER ETWAS<br />
ANDERE<br />
STADTRUNDGANG<br />
Leserbriefe geben die Meinung des<br />
Verfassers wieder, nicht die der Redaktion.<br />
Wir behalten uns vor, Leserbriefe zu kürzen.<br />
Wir trauern um<br />
Klaus-Peter Kuhn<br />
17. Mai 1949 – 21. April <strong>2017</strong><br />
Klaus-Peter kam 2002 zu uns. Seither verkaufte er das Magazin in<br />
Kneipen und Restaurants auf St. Pauli. Er gehörte zu uns und zum Kiez.<br />
Die Verkäufer und das Team<br />
von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
Wollen Sie Hamburgs City einmal mit anderen Augen sehen?<br />
Abseits der teuren Fassaden zeigt Hinz&<strong>Kunzt</strong> Orte, die in<br />
keinem Reiseführer stehen: Bahnhofs mission statt Rathausmarkt,<br />
Drogenberatungsstelle statt Alsterpavillon, Tages aufent halts stätte<br />
statt Einkaufspassage.<br />
Anmeldung: info@hinzundkunzt.de<br />
oder Telefon: 040/32 10 83 11<br />
Kostenbeitrag: 10/5 Euro,<br />
nächste Termine: 11.6. + 25.6.<strong>2017</strong>, 15 Uhr<br />
trostwerk - andere bestattungen
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Gute Sache: Schauspielerin Sibel Kekilli setzt sich für Frauenrechte ein (S. 48).<br />
Flotte Party: 48h Wilhelmsburg – volles Programm von Blasmusik bis Gospel (S. 52).<br />
Feiner Fisch: Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Mitarbeiterin Meike serviert Lachstatar (S. 56).<br />
Mit einer Nachtparade<br />
werden Urban-Art-Künstler<br />
auch beim diesjährigen<br />
STAMP Festival der<br />
Straßenkünste ihr Publikum<br />
verzaubern (S. 55).<br />
FOTO: STAMP
Spielt oft Frauen mit<br />
einem starken Willen und<br />
weiß auch privat genau,<br />
was sie (nicht) will:<br />
Schauspielerin Sibel Kekilli.
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Die<br />
Unbeugsame<br />
Mit ihrem Job als „Tatort“-Kommissarin macht sie diesen Monat<br />
Schluss. Privat bleibt Sibel Kekilli ihren Zielen treu:<br />
Seit 2004 setzt sie sich für die Selbstbestimmung von Frauen ein.<br />
Dafür bekam sie kürzlich das Bundesverdienstkreuz.<br />
TEXT: SIMONE DECKNER<br />
FOTOS: ANDREAS DAUERER (2),<br />
NDR/CHRISTINE SCHRÖDER, GREGOR FISCHER/DPA<br />
Kellnerinnen wuseln zwischen<br />
den Tischen durch<br />
das volle Café in Ottensen,<br />
Teegläser klappern, Milch<br />
wird aufgeschäumt, aus den Boxen<br />
schwappt Musik herüber. Mittendrin<br />
sitzt, maximal unaufgeregt: Sibel Kekilli.<br />
Im März war das noch ganz anders: Da<br />
war sie ein reines Nervenbündel. Damals,<br />
als sie auf Schloss Bellevue aus den<br />
Händen von Joachim Gauck das Bundesverdienstkreuz<br />
erhielt.<br />
„Ich glaube, ich war noch nie so<br />
aufgeregt wie vor dieser Auszeichnung,<br />
nicht mal beim Vorsprechen zu ‚Game<br />
of Thrones‘“ (in dem internationalen<br />
Serienerfolg spielte sie von 2011–2014<br />
die Kurtisane Shae, d. Red.), sagt die<br />
36-Jährige. Kekilli bekam die Auszeichnung,<br />
weil sie sich seit Jahren für die<br />
Rechte von Frauen stark macht – auch<br />
gegen Widerstände. „Sie nutzt ihre Popularität,<br />
um das Thema Frauenrechte<br />
zu einem öffentlichen Thema zu machen<br />
und dadurch mehr Menschen dazu<br />
zu bewegen, genauer hinzusehen“,<br />
so Gauck. Bei Kekilli flossen Tränen an<br />
diesem Tag. „Dass ich nicht als Schauspielerin,<br />
sondern als Mensch für mein<br />
Engagement ausgezeichnet wurde, hat<br />
mich wirklich berührt“, sagt sie, „das<br />
war eine tolle Anerkennung nach so<br />
vielen Jahren.“<br />
Rückblick: Seit 2004 engagiert sich<br />
die in Deutschland geborene Tochter<br />
türkischer Eltern als Botschafterin für<br />
die Frauenrechtsorganisation Terre des<br />
Femmes. Der Kontakt war in dem Jahr<br />
entstanden, in dem Kekilli zunächst für<br />
„Eine tolle<br />
Anerkennung<br />
nach so vielen<br />
Jahren.“<br />
SIBEL KEKILLI<br />
ihr Debüt in Fatih Akins Drama „Gegen<br />
die Wand“ gefeiert wurde. Tage<br />
später verunglimpfte die BILD sie mit<br />
einer Schmutzkampagne. Das Blatt hatte<br />
alte Pornofilme mit Kekilli ausgegraben.<br />
Diese habe sie zum einen „aus<br />
Geldmangel“ gedreht, sagte sie gegenüber<br />
der FAZ, vielleicht aber auch „aus<br />
Rebellion“. Später sprach sie davon,<br />
dass sich die Negativ-Schlagzeilen wie<br />
eine „mediale Vergewaltigung“ ange-<br />
Kieler „Tatort“ adieu: Borowski (Axel Milberg)<br />
ist Kollegin Sarah Brandt ab <strong>Juni</strong> los.<br />
49
Bei ihrem Besuch in<br />
Bulgarien konnte sich<br />
Sibel Kekilli mit den<br />
Roma-Mädchen, die<br />
zum Projekt Florika<br />
kommen, auf Türkisch<br />
verständigen.<br />
fühlt hätten. Ihr Vater brach damals<br />
den Kontakt zu ihr ab. Sie sei eine<br />
„Schmach für die Familie“.<br />
Kekilli rechtfertigte sich nicht. Als<br />
Botschafterin bei Terre des Femmes<br />
machte sie sich hingegen stark für Frauen<br />
und ihr Recht, selbstbestimmt zu<br />
leben – ganz gleich, zu welchem Kulturkreis<br />
sie gehören.<br />
„Was ist denn so bedrohlich an einer<br />
freien Frau? Warum wird sie von<br />
der eigenen Familie und der muslimischen<br />
Gesellschaft kleingehalten?“,<br />
fragte Kekilli in einer sehr persönlichen<br />
Rede 2015 bei einer Veranstaltung gegen<br />
Gewalt im Namen der Ehre. „Ich<br />
will mich und andere nicht belügen und<br />
alles versteckt machen, nur damit die<br />
Familie und der Kulturkreis mich hoffentlich<br />
irgendwie akzeptieren. Ich<br />
möchte ein selbstbestimmtes Leben<br />
führen, ohne mich dafür rechtfertigen<br />
zu müssen oder gesellschaftlich geächtet<br />
zu werden“, sagte sie damals. Dafür sei<br />
aber noch immer viel Mut nötig. Jeden<br />
Tag. Derart offene Worte nehmen ihr<br />
bis heute viele übel. „Die meisten Türken<br />
mögen mich nicht“, sagt sie in einer<br />
Folge der Arte-Reihe „Durch die Nacht<br />
mit …“. Hier im Café sagt sie: „Seit<br />
,Gegen die Wand‘ bekomme ich immer<br />
mal wieder Drohungen, werde beschimpft<br />
und angefeindet, vor allem<br />
wenn ich mich beispielsweise gegen<br />
Ehrenmorde ausspreche. Dann heißt<br />
es sofort: ,Du machst unsere Kultur<br />
schlecht.‘ Aber ich muss mich äußern,<br />
es ist meine Pflicht. Man kann doch<br />
nicht immer glattgebügelt durchs Leben<br />
gehen.“<br />
„Nicht immer<br />
glattgebügelt<br />
durchs<br />
Leben gehen.“<br />
SIBEL KEKILLI<br />
50<br />
Auch bei Terre des Femmes habe sie<br />
von Anfang an selbst mithelfen wollen.<br />
„Ich wollte nicht nur meinen Namen<br />
hergeben.“ Mithelfen tut sie, etwa in<br />
Burgas, einer Stadt an der Schwarzmeerküste<br />
Bulgariens. Hier leben auch<br />
viele Roma. Kekilli unterstützt das Projekt<br />
Florika. Es will Roma-Mädchen im<br />
Alter zwischen 9 und 15 Jahren eine<br />
Schulbildung und eine bessere Lebensperspektive<br />
ermöglichen.<br />
Zwei Mal war die Schauspielerin bereits<br />
vor Ort. Die Mädchen wussten nicht,<br />
welche Berühmtheit sie besuchen kam<br />
(„Sie haben keinen Fernseher.“). Sie wussten<br />
nur: Die Frau kann so verkehrt nicht<br />
sein, wenn sie Turnschuhe als Geschenke<br />
mitbringt. Burgas wird auch „die Perle im<br />
Schwarzen Meer“ genannt. Reiseveranstalter<br />
werben mit dem „entspannten<br />
Flair der Innenstadt“. Real liegen nur<br />
fünf Kilometer zwischen der Flaniermeile<br />
Alexandrovska und dem Viertel Pobeda<br />
am Stadtrand, wo rund 8000 Roma<br />
teilweise ohne fließendes Wasser leben.<br />
Gefühlt trennen die Viertel Lichtjahre.<br />
Mit 13 schwanger und verheiratet<br />
„Die Mädchen wären verscheucht worden,<br />
wenn sie alleine durch die Stadt gelaufen<br />
wären“, sagt Kekilli. Weil sie Roma<br />
sind, würden sie angefeindet und angegriffen.<br />
„Viele waren mit uns seit langer<br />
Zeit das erste Mal wieder auf einem<br />
Rummelplatz in der Innenstadt.“ Bei Florika<br />
versorgen zwei Sozialpädagoginnen<br />
– selbst Roma – die Mädchen in einer Ta-
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
gesstätte einmal pro Tag mit einer warmen<br />
Mahlzeit. Sie unterrichten sie in<br />
Handarbeiten, Tanzen und Kochen. Sie<br />
helfen ihnen bei den Hausarbeiten. Das<br />
sind die vordergründigen Ziele. Dahinter<br />
steht ein größeres: den Mädchen zeigen,<br />
dass es auch ein anderes Leben gibt.<br />
Teenagerschwangerschaften und<br />
Frühehen sind Alltag. Es sei „schon ein<br />
Fortschritt“, wenn ein Mädchen dort erst<br />
mit 17 Jahren heirate und schwanger<br />
werde „und nicht schon mit 13“, sagt Kekilli.<br />
Manchmal kommt es noch schlimmer<br />
– oft aus purem Überlebenskampf.<br />
„Es gibt Fälle, in denen die eigene Familie<br />
die Tochter an einen Zuhälter verkauft“,<br />
sagt Kekilli. Sie habe viel Armut<br />
gesehen. Viele suchten so verzweifelt<br />
nach einer Möglichkeit, Geld für die Familie<br />
zu verdienen, dass sie nach jedem<br />
Strohhalm griffen. Rund 120.000 Frauen<br />
sollen laut EU-Schätzungen jedes Jahr<br />
von Bulgarien aus als Armutsprostituierte<br />
nach Westeuropa kommen. In Hamburg<br />
stammen von den rund 2500 Prostituierten<br />
60 Prozent aus dem Ausland – der<br />
Großteil auch aus Osteuropa. Viele der<br />
Mädchen glauben, sie würden hier kellnern<br />
oder putzen. Wenn sie merken, was<br />
sie wirklich tun sollen, ist es oftmals schon<br />
zu spät zurückzugehen. „Wie auch? Es<br />
fehlt einfach an Perspektiven für sie“, sagt<br />
Kekilli. „Oftmals bleibt ihnen nichts anderes,<br />
als zu stehlen oder ihren Körper zu<br />
verkaufen.“<br />
Projekte wie Florika verstehen sich<br />
auch als Prävention gegen Frauenhandel.<br />
Aber die Mühlen dort mahlen langsam,<br />
so Kekilli. „Es gibt kleine Fortschritte,<br />
etwa dass die Familien<br />
überhaupt ihre Töchter zum Projekt<br />
51<br />
lassen und sie dort in Kontakt kommen<br />
mit Hebammen, die ihnen etwas über<br />
Schwangerschaften und Verhütung erzählen.“<br />
Und es gibt die großen Erfolge:<br />
So berichtet Terre des Femmes, dass<br />
seit dem Beginn des Projekts 2012 kein<br />
Mädchen in die Zwangsprostitution gerutscht<br />
sei. Auch die Zahl der Schulabbrecherinnen<br />
ist zurückgegangen.<br />
Wieso Sibel Kekilli mit dem<br />
„Tatort“ Schluss macht<br />
Dass Abbrüche auch etwas Gutes sein<br />
können, davon ist Sibel Kekilli überzeugt.<br />
So wie ihre Entscheidung, nach sieben<br />
Jahren als Kommissarin und IT-Expertin<br />
Sarah Brandt aus dem Kieler „Tatort“<br />
auszusteigen. „Ich bin damals zum richtigen<br />
Zeitpunkt gekommen und ich gehe<br />
zum richtigen Zeitpunkt“, sagt sie. Sie<br />
habe diese schroffe Sarah Brandt wirklich<br />
gerne gespielt. Weil sie nicht eine dieser<br />
typischen Frauenrollen „als Accessoire an<br />
der Seite eines Mannes“ gewesen sei.<br />
Dennoch habe sie wieder mehr<br />
Freiraum gebraucht: „Einengung finde<br />
ich ganz furchtbar“, sagt Kekilli. Die<br />
Aufregung vor der Ausstrahlung ihres<br />
letzten „Tatorts“ hält sich dann auch in<br />
Grenzen – nur so viel kann sie sagen:<br />
Einen „knalligen Abschluss“ wird Sarah<br />
Brandt nicht hinlegen. „Die Leute<br />
wollen immer alles auserzählt haben,<br />
alles zum Ende bringen“, sagt Sibel<br />
Kekilli und lächelt vielsagend, bevor sie<br />
den Satz beendet: „Aber im Leben wird<br />
auch nicht alles auserzählt.“ •<br />
Infos zu Florika unter www.frauenrechte.de<br />
Tatort „Borowski und das Fest des Nordens“<br />
am 18. <strong>Juni</strong> um 20.15 Uhr in der ARD.<br />
Sibel Kekilli ist bei<br />
der Verleihung des<br />
Bundesverdienstkreuzes<br />
im März<br />
<strong>2017</strong> gerührt.<br />
An ihrer Seite:<br />
der damalige<br />
Bundespräsident<br />
Joachim Gauck.<br />
<br />
HANSON<br />
<br />
SOPHIE ZELMANI<br />
<br />
NIKKI LANE<br />
<br />
IL VOLO<br />
<br />
TOVE LO<br />
<br />
UTE LEMPER<br />
<br />
MAGGIE ROGERS<br />
<br />
MASTODON<br />
<br />
RESIDENTE<br />
<br />
THE AVALANCHES<br />
<br />
NAS<br />
<br />
HOUSE OF PAIN<br />
<br />
ELTON JOHN & BAND<br />
<br />
BAD RELIGION<br />
<br />
JONAS MONAR<br />
<br />
JOHN LEGEND<br />
<br />
PHOENIX<br />
<br />
TORI AMOS<br />
<br />
MIKE + THE MECHANICS<br />
<br />
ROBIN SCHULZ<br />
<br />
CHRIS REA<br />
<br />
JOHANNES OERDING<br />
<br />
TORFROCK<br />
<br />
A-HA<br />
TICKETS: KJ.DE
Kult<br />
Tipps für den <strong>Juni</strong>:<br />
subjektiv und<br />
einladend<br />
Musik<br />
Klingt gut, liebe Nachbarn!<br />
Festivalstimmung auf den Elbinseln –<br />
bei 48h Wilhelmsburg gibt es wieder<br />
Konzerte von Nachbarn für Nachbarn.<br />
Von Blasmusik bis Gospel zeigen fast<br />
140 Musiker und Bands, was sie können.<br />
Das Festival verzichtet auch in diesem<br />
Jahr auf Bühnen und Buden, sondern<br />
spielt in Räumen, die die Stadtteile<br />
bieten. Statt fester Eintrittspreise<br />
geht nach den Konzerten der Hut rum.<br />
Der Festivalauftakt steigt diesmal an<br />
der Veddeler Brückenstraße. Hier spielt<br />
die Weltkapelle Wilhelmsburg, ein gemischtes<br />
Ensemble aus Musikern mit<br />
und ohne Fluchterfahrung, das regelmäßig<br />
offene Jamsessions im Stadtteil<br />
48h Wilhelmsburg kommt ohne<br />
Ticketverkauf, Bühnen und Buden aus.<br />
veranstaltet. Wer dabei schon in<br />
Schwung gerät, kann direkt zum afrikanischen<br />
Tanz übergehen – Tänzerin<br />
Angelina Akpovo zeigt, wie das geht. •<br />
48h Wilhelmsburg, diverse Orte in<br />
Wilhelmsburg und Veddel,<br />
Fr, 9.6., bis So, 11.6., Eintritt gegen<br />
Spende, musikvondenelbinseln.de<br />
52
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Experimentierfreude<br />
eint die Künstler<br />
bei „blurred edges“.<br />
Film<br />
Guck mal, Kurzfilme<br />
Überall auf der Welt entsteht großes<br />
Kino in kleinen Filmen. Das internationale<br />
Kurzfilm Festival Hamburg<br />
zeigt davon mehr als 300, bietet<br />
Workshops an und prämiert die besten<br />
Kurzfilme des Jahres. Passend zum<br />
G20 widmen sich viele Filmemacher<br />
dem Ausnahmezustand. •<br />
Internationales Kurzfilmfestival, Zentrum<br />
Halle 5, Friedensallee 128, Di, 6.6.,<br />
bis Mo, 12.6., Eintritt 8,50/7 Euro,<br />
festival.shortfilm.com<br />
FOTOS: JAN LINNEMANN (S.52), SARAH BERNHARDT, IMAGO/MÜLLER-STAUFFENBERG (S. 53, UNTEN)<br />
Musik<br />
Töne sammeln in der Stadt<br />
Zur Klang-Schnitzeljagd lädt das „blurred edges“-Festival für experimentelle<br />
Musik ein: Teilnehmer durchforsten mit dem Handy die Innenstadt. Wer beim<br />
„Soundcaching“ versteckte QR-Codes aufspürt, kann eigens für den Fundort<br />
komponierte Musik anhören. Darüber hinaus gibt es Livekonzerte und Klanginstallationen<br />
an 32 Orten in der Stadt. Vielfalt über die üblichen Genregrenzen<br />
hinweg gewährleistet das dezentrale Konzept: Einen Kurator gab es nicht, die<br />
Klangkünstler organisierten das „blurred edges“ komplett in Eigenregie. •<br />
blurred-edges-Festival, diverse Orte im ganzen Stadtgebiet, Fr, 2.6., bis So, 18.6.,<br />
Eintritt 45 Euro (Festivalpass), www.vamh.de<br />
Ein Abend für Deniz Yücel<br />
Wir wollen das Meer sehen!<br />
122 Tage! So lange wird Deniz Yücel im türkischen Knast gesessen haben,<br />
wenn Freunde und Kollegen des Türkei-Korrespondenten der „Welt“ im<br />
Uebel & Gefährlich einen Abend der Solidarität für ihn veranstalten. In Ein zelhaft,<br />
weil ihm im Staate<br />
Erdo ans neben „Terrorpropaganda“<br />
auch „Volksverhetzung“<br />
vor geworfen<br />
wird. Die Welle der Solidarität<br />
mit Deniz reißt<br />
nicht ab, sogar ein<br />
Konzert vor dem Brandenburger<br />
Tor gab es schon.<br />
Im „Uebel“ werden Prominenz,<br />
Kultur, Politik,<br />
Lesungen und Konzerte<br />
geboten. Ingo Zamperoni<br />
moderiert. •<br />
Uebel & Gefährlich,<br />
Feldstraße 66, Do, 15.6.,<br />
19.30 Uhr, Eintritt 4 Euro<br />
„Wir wollen endlich das Meer sehen“, sagen Deniz’<br />
Freunde. Denn Meer heißt auf Türkisch „Deniz“.<br />
Ausstellung<br />
Welchen Wert hat unser Müll?<br />
Müll oder Zutat? Beim „Waste Cooking“<br />
kommen zu Unrecht weggeworfene<br />
Lebensmittel in den Kochtopf.<br />
Wozu vermeintlicher Abfall sonst<br />
noch gut ist, zeigt das „Müllprojekt“<br />
in Ausstellungen, Vorträgen und<br />
einer Modenschau. •<br />
Recyclinghof St. Pauli, Feldstraße 69,<br />
Sa, 3.6., bis So, 18.6., Eintritt frei,<br />
www.müllprojekt.de<br />
Lesung<br />
Makabre Mordgeschichten<br />
Jimi Hendrix, Michael Jackson – lang<br />
ist die Reihe der Rocklegenden, die<br />
auf dem Zenit ihrer Schaffenskraft<br />
das Zeitliche segneten. Zufall? Szenekenner<br />
Hollow Skai spinnt eine andere<br />
Erklärung zusammen: In seinem<br />
neuen Roman macht er einen Serienmörder<br />
namens Samuel Hieronymus<br />
Hellborn dafür verantwortlich. •<br />
Polittbüro, Steindamm 45,<br />
Sa, 10.6., 20 Uhr, Eintritt 15/10 Euro,<br />
www.polittbuero.de<br />
Draußen<br />
Kleines feines Hafenfest<br />
Leinen los an der Süderelbe: Der<br />
Frachtensegler Johanna, ein altes Lotsenboot<br />
und ein Schlepper nehmen<br />
Gäste mit auf Fahrt. Dazu gibt es<br />
Flohmarkt, Livemusik und Spiele. •<br />
Harburger Binnenhafenfest, Sa, 10.6., bis<br />
So,11.6., jeweils ab 11 Uhr, Eintritt frei,<br />
www.harburger-binnenhafenfest.de<br />
53
Disco und Imbiss:<br />
Das ChurroMusicCycle<br />
ist eine von vielen Ideen,<br />
die Stadt lebens werter<br />
zu machen.<br />
Ausstellung<br />
Kunst und Knusperkram am Millerntor<br />
Lust auf einen heißen Snack? Das<br />
ChurroMusicCycle bringt zur Millerntor<br />
Gallery ein Stück knusprig-süßes<br />
Urlaubsgefühl nach Hamburg – nicht<br />
nur weil es schmeckt. Mobile Garküchen<br />
vermitteln ein Stadtgefühl, das<br />
bei uns viel zu selten ist, sagen Heike<br />
Bühler und Teresa Majewski. Das heiße<br />
Gefährt aus der Werkstatt von Till<br />
Wolfer, ausgestattet mit Fritteuse und<br />
Plattenspieler, versorgt Gäste mit<br />
südamerikanischem Brutzelwerk und<br />
brasilianischer Musik. Zu finden ist das<br />
ChurroMusicCyle bei der Millerntor<br />
Gallery. Die Kunstausstellung im und<br />
um das Stadion des FC St. Pauli zeigt<br />
auch weitere Ideen zur Verbesserung<br />
des urbanen Lebens. „Youtopic – zeig<br />
uns deine Utopie“ heißt das Motto, mit<br />
dem sich Streetart-Künstler, Musiker<br />
und Aktivisten auseinandersetzen. •<br />
Millerntor Gallery, Harald-Stender-Platz 1/<br />
Heiligengeistfeld, 29.6.–2.7., Eintritt<br />
9 Euro (Tagesticket), millerntorgallery.org<br />
54
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE (LINKS), STAMP, RECHTS UNTEN: PRIVAT<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Festival<br />
Großer Auftritt für Straßenkunst<br />
Macht mal Platz, hier kommt Kultur – die Altonale schafft wieder öffentlichen<br />
Raum für kreatives Vergnügen. Am 16. <strong>Juni</strong> geht es los mit dem Straßenkunstfest<br />
STAMP, zu dem Künstler aus unterschiedlichen Ländern das Pflaster zur Bühne<br />
erklären. Danach sind Altonas Straßen zum Stöbern und Staunen freigegeben.<br />
Bei der Kunstaltonale ist Hinz&<strong>Kunzt</strong> mit einem eigenen Pavillon dabei, präsentiert<br />
wird die Straßen<strong>Kunzt</strong>Edition mit Bildern von renommierten Streetart-<br />
Künstlern. Ein Werk kommt bei der zentralen Auktion unter den Hammer. •<br />
Altonale, diverse Orte in Altona, ab Fr, 16.6., viele Veranstaltungen zu freiem Eintritt,<br />
www.altonale.de<br />
Das STAMP ist nicht nur buntes Spektakel, sondern auch ein Treffpunkt für die Szene.<br />
Diskussion<br />
Bessere Lebensmodelle finden<br />
Spontan sollen wir sein und top organisiert,<br />
sportlich, engagiert, schön<br />
und dabei auch noch total entspannt<br />
– so weit der verbreitete Anspruch an<br />
ein „perfektes“ Leben. Wieso diese<br />
Ideale nicht zu jedem passen, erörtert<br />
der Entwicklungsforscher Remo<br />
Largo mit weiteren Fachleuten<br />
beim Körberforum. Largo sagt: Jeder<br />
Mensch kann nur auf seine Art<br />
glücklich werden. Es bringt also<br />
nichts, sich nach den Kriterien<br />
anderer optimieren zu wollen. Über<br />
bessere, selbst gemachte Lebensentwürfe<br />
spricht der Autor der Elternratgeber<br />
„Babyjahre“ und „Kinderjahre“<br />
mit Business Coach Antje Gardyan<br />
und Soziologin Karin Jurczyk vom<br />
Deutschen Jugendinstitut. •<br />
Körberforum, Kehrwieder 12,<br />
Di, 20.6., 19 Uhr, Eintritt frei,<br />
www.koerber-stiftung.de<br />
Kinder<br />
An die Pinsel, fertig, los!<br />
Jedes Kind kann Künstler sein – das<br />
zeigt die Lichtwark Schule mit einem<br />
Kinderfest und großer Ausstellung<br />
im Völkerkundemuseum. Nach der<br />
Präsentation aller Werke aus dem<br />
laufenden Schuljahr können kleine<br />
Gäste selbst ans Werk gehen und<br />
den ganzen Nachmittag lang Masken<br />
oder fantasievollen Schmuck entwerfen,<br />
Boote bauen oder mit Licht<br />
und Farben experimentieren.<br />
Inspiration bietet der gemeinsame<br />
Rundgang durchs Museum. •<br />
Museum für Völkerkunde, Rothenbaumchaussee<br />
62, So, 25.6., 14 Uhr, Eintritt<br />
frei für Kinder und ihre Begleiter,<br />
www.voelkerkundemuseum.de<br />
Über Veranstaltungshinweise<br />
freut sich Annabel Trautwein unter<br />
redaktion@hinzundkunzt.de<br />
Kinofilm des Monats<br />
Licht am<br />
Filmende<br />
<strong>Juni</strong>. Lange Tage, kurze<br />
Nächte. Draußen grillen.<br />
Sonne. Rapsgelbe gute Laune.<br />
Ich mag das. Und kann<br />
mir nicht vorstellen, dass es<br />
irgendwann noch einmal anders<br />
sein wird. Der Kopf will<br />
nicht wissen, was das Herz<br />
nicht spürt. Da passt der Titel<br />
des Films „In Zeiten des<br />
abnehmenden Lichts“ hervorragend<br />
ins Bild.<br />
Ostberlin 1989: Bruno<br />
Ganz spielt Wilhelm Powileit.<br />
Der wird 90 Jahre alt.<br />
Mit stoischer Gelassenheit<br />
und eisiger Miene durchleidet<br />
er die Feierlichkeiten.<br />
War ja nicht alles schlecht. 90<br />
Jahre sind eine Menge Zeit,<br />
um Dinge zu verdrängen.<br />
Seit 75 Jahren ist Powileit<br />
überzeugter Kommunist.<br />
Während der Geburtstagsfeier<br />
werden Lobreden auf die<br />
längst zerbröckelte DDR gehalten.<br />
Dabei verlassen die<br />
jungen Menschen längst das<br />
Land. Als Powileit merkt,<br />
dass sein Enkel auf der Feier<br />
fehlt, bekommt seine heile<br />
Welt die ersten Risse …<br />
Das Gefühl, mit den eigenen<br />
Träumen und Hoffnungen<br />
irgendwann die falsche<br />
Ausfahrt genommen zu haben,<br />
verdichten Regisseur<br />
Matti Geschonneck und<br />
Drehbuchautor Wolfgang<br />
Kohlhaase zu einer kammerspielartigen<br />
Gesellschaftsstudie.<br />
Das ist harter Tobak.<br />
Aber Sommer, Sonne und<br />
gute Laune weiß man erst zu<br />
schätzen, wenn das Kontrastprogramm<br />
stimmt. •<br />
André Schmidt geht seit vielen<br />
Jahren für uns<br />
ins Kino. Er ist<br />
Geschäftsführer<br />
einer Hamburger<br />
PR-Agentur.<br />
55
Rezept des Monats<br />
Das Rezept<br />
für Meikes<br />
Lieblingsessen<br />
gibt es auch unter<br />
www.mampf-hh.de<br />
Toasttaler mit<br />
Lachstatar & Pilzrisotto<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Vertriebskollegin Meike Lehmann kocht dieses Mini-Menü<br />
am liebsten mit Freunden. Viele Zutaten braucht man nicht.<br />
TEXT: BEATRICE BLANK<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE (PORTRÄT), BEATRICE BLANK<br />
Meikes Lieblingsessen<br />
Hamburg und Fisch gehören für<br />
Meike zusammen. Schon während<br />
der Schulzeit entdeckte die Schwäbin<br />
ihre Liebe zur Hansestadt. Eigentlich<br />
habe sie Polizistin werden<br />
wollen, „um die Welt besser zu machen“,<br />
landete aber in der Textilbranche.<br />
Doch der Wunsch nach<br />
einer besseren Welt blieb, und so<br />
fing sie 2013 im Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Vertrieb<br />
an. „Die Arbeit mit den Verkäufern<br />
lässt mich das Leben mehr<br />
schätzen“, sagt die 41-Jährige. Zum<br />
Genuss gehört auch das regelmäßige<br />
gesellige Kochen mit Freunden:<br />
„Bei meinem Lieblingsmenü<br />
können alle mitschnippeln.“ LEU<br />
ZUTATEN<br />
FÜR ZWEI PERSONEN<br />
Für das Tatar: 200 g frisches Lachsfilet,<br />
1/2 rote Zwiebel, 2 EL Zitronensaft,<br />
3 EL Olivenöl, Salz, Pfeffer, Zucker, 4 Zweige<br />
Dill, 2 Scheiben Toast, 1 EL Butter<br />
Für das Risotto: 250 g Pilze (Champignons,<br />
Steinpilze, Kräuterseitlinge), 200 g Risottoreis,<br />
1 Bund Petersilie, 2 Schalotten,<br />
1 Knoblauchzehe, 75 g Butter, 500 ml Hühneroder<br />
Gemüsefond, 1 EL Zitronensaft,<br />
60 g Parmesan, Salz, Pfeffer, Zucker<br />
ZUBEREITUNG:<br />
1. Für das Tatar: Den Lachs und die rote<br />
Zwiebel ganz fein würfeln, Dill hacken<br />
und alle Zutaten vermengen. Bis zum<br />
Servieren kalt stellen.<br />
2. Toast rund ausstechen. Butter in einer<br />
Pfanne erhitzen und Scheiben darin<br />
rösten. Lachstatar zum Servieren darauf<br />
oder daneben anrichten.<br />
56<br />
3. Für das Risotto: Pilze putzen und in<br />
dünne Scheiben schneiden oder würfeln.<br />
Schalotten und Knoblauch schälen und<br />
fein würfeln.<br />
4. 1 EL Butter in einem Topf schmelzen.<br />
Schalotten und Zwiebeln darin glasig<br />
dünsten. Reis dazugeben und kurz<br />
mitdünsten. Die Pilze ebenfalls.<br />
5. Etwa die Hälfte des Fond angießen<br />
und unter Rühren köcheln lassen. Wenn<br />
die Flüssigkeit fast eingekocht ist, den<br />
Rest des Fond zugeben. Weiterrühren<br />
und köcheln lassen. Nebenbei den<br />
Parmesan fein reiben und die Petersilie<br />
hacken. Nach etwa 15 Minuten den<br />
Topf vom Herd nehmen. Der Reis sollte<br />
gegart, aber bissfest sein.<br />
6. Restliche Butter und Parmesan unter<br />
den Reis heben. Mit Salz, Pfeffer, Zucker<br />
und Zitronensaft abschmecken.<br />
7. Risotto mit Petersilie bestreut servieren.<br />
Guten Appetit! •
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Rätsel<br />
ILLUSTRATION (BLEISTIFT IM IMPRESSUM): BERND MÖLCK-TASSEL<br />
europ. TV-<br />
Satellitensystem<br />
Portier,<br />
Pförtner<br />
Teil des<br />
Mittelmeers<br />
Mittelmeerinsel<br />
Italiens<br />
Tropenbaum<br />
Wellenreiten<br />
Reifeprüfung<br />
(Kurzwort)<br />
Heilpflanze<br />
Heil-,<br />
Pflegestätte<br />
Wasserzusatz<br />
(Körperreinigg.)<br />
häufig<br />
für:<br />
Fußball<br />
englisch:<br />
alt<br />
schwed.<br />
Name ein.<br />
nordfinn.<br />
Sees<br />
7<br />
8<br />
1<br />
Fußballbegriff<br />
(Ballabgabe)<br />
Sammlung<br />
altnord.<br />
Dichtungen<br />
2<br />
6<br />
Oblast<br />
und Stadt<br />
an d. Upa<br />
(Russland)<br />
3<br />
9<br />
Aufstand,<br />
Aufruhr<br />
frei<br />
herabhängender<br />
Faden<br />
englisch:<br />
Ladengeschäft<br />
ugs.:<br />
kleiner,<br />
rundl.<br />
Mensch<br />
Stadt in<br />
Marokko<br />
Anhänger<br />
des Parsismus<br />
Birkengewächs<br />
Gliedmaßen<br />
1 8<br />
2<br />
4<br />
5<br />
2<br />
6<br />
mundartlich:<br />
Widder<br />
„Fliegende<br />
Untertasse“<br />
(Abk.)<br />
Bewohner<br />
einer Republik<br />
im<br />
Baltikum<br />
Gewicht<br />
der Verpackung<br />
6<br />
9<br />
7<br />
7<br />
langweilig,<br />
fade,<br />
geistlos<br />
gründlich<br />
darstellen<br />
kalorienarme<br />
Ernährung<br />
Aussehen,<br />
Haltung<br />
(franz.)<br />
Koch-,<br />
Backanweisung<br />
8<br />
3<br />
jemandem<br />
Achtung<br />
erweisen<br />
anständig<br />
(engl.,<br />
Sport)<br />
Kurort<br />
am Hohen<br />
Venn<br />
(Belgien)<br />
10<br />
9<br />
italienisch:<br />
sechs<br />
4<br />
Anrede<br />
für<br />
Fremde<br />
loser,<br />
zweireihiger<br />
Mantel<br />
10<br />
französischer<br />
Revolutionär<br />
†<br />
Stadt<br />
in Westfalen<br />
Ostsee-<br />
Zufluss<br />
durch<br />
Lübeck<br />
Bezeichnung,<br />
Benennung<br />
5<br />
israelitischer<br />
König<br />
AR1115-0316_5<br />
Füllen Sie das Gitter so<br />
aus, dass die Zahlen von<br />
1 bis 9 nur je einmal in<br />
jeder Reihe, in jeder<br />
Spalte und in jedem<br />
Neun-Kästchen-Block<br />
vorkommen.<br />
Als Lösung schicken<br />
Sie uns bitte die<br />
7436<br />
89 536<br />
489<br />
195<br />
unterste, farbig gerahmte<br />
Zahlenreihe.<br />
762<br />
85<br />
4375<br />
Lösungen an: Hinz&<strong>Kunzt</strong>, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />
per Fax an 040 32 10 83 50 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.<br />
Einsendeschluss: 26. <strong>Juni</strong> <strong>2017</strong>. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Wer die korrekte Lösung für eines der beiden Rätsel einsendet,<br />
kann zwei Karten für die Hamburger Kunsthalle oder einen von zwei<br />
Reiseführern gewinnen: „Hamburg – ganz schön plietsch“ von Edgar S.<br />
Hasse (Ellert & Richter Verlag). Das Lösungswort beim Kreuzworträtsel<br />
war: Astrologin. Die Sudoku-Zahlenreihe war: 792 185 463.<br />
Impressum<br />
Redaktion und Verlag<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH<br />
Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg<br />
Tel. 040 32 10 83 11, Fax 040 32 10 83 50<br />
Anzeigenleitung Tel. 040 32 10 84 01<br />
E-Mail info@hinzundkunzt.de, www.hinzundkunzt.de<br />
Herausgeber<br />
Landespastor Dirk Ahrens, Diakonisches Werk Hamburg<br />
Externer Beirat<br />
Prof. Dr. Harald Ansen (Armutsexperte HAW-Hamburg),<br />
Mathias Bach (Kaufmann), Dr. Marius Hoßbach (Rechtsanwälte M&P),<br />
Rüdiger Knott (ehem. NDR 90,3-Programmchef),<br />
Olaf Köhnke (Ringdrei Media Network),<br />
Thomas Magold (BMW-Niederlassungsleiter i.R.),<br />
Beate Behn (Lawaetz-Service GmbH), Karin Schmalriede (Lawaetz-Stiftung),<br />
Dr. Bernd-Georg Spies (Russell Reynolds),<br />
Alexander Unverzagt (Medienanwalt), Oliver Wurm (Medienberater)<br />
Geschäftsführung Dr. Jens Ade<br />
Redaktion Birgit Müller (bim; v.i.S.d.P.),<br />
Annette Woywode (abi; Stellv., CvD)<br />
Mitarbeit Beatrice Blank (beb), Simone Deckner (sim),<br />
Jonas Füllner (jof), Ulrich Jonas (ujo), Frank Keil (fk),<br />
Benjamin Laufer (bela), Misha Leuschen (leu), Annabel Trautwein (atw)<br />
Uta Sternsdorff und Kerstin Weber<br />
Redaktionsassistenz Sonja Conrad, Dina Fedossova<br />
Online-Redaktion Simone Deckner, Jonas Füllner, Benjamin Laufer<br />
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Anzeigenleitung Sybille Arendt<br />
Anzeigenvertretung Christoph Wahring,<br />
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Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 20 vom 1. Januar 2015<br />
Vertrieb Christian Hagen (Leitung), Marcus Chomse,<br />
Sigi Pachan, Jürgen Jobsen, Meike Lehmann, Sergej Machov,<br />
Frank Nawatzki, Elena Pacuraru, Reiner Rümke, Cristina Stanculescu,<br />
Marcel Stein, Cornelia Tanase, Silvia Zahn<br />
Rechnungswesen/Systemadministration Frank Belchhaus<br />
Spendenmarketing Gabriele Koch<br />
Spendenverwaltung Susanne Wehde<br />
Sozialarbeit Stephan Karrenbauer (Leitung), Ana-Maria Ilisiu, Isabel Kohler<br />
Das Stadtrundgang-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />
Chris Schlapp, Harald Buchinger<br />
Das BrotRetter-Team Stephan Karrenbauer (Leitung), Stefan Calin,<br />
Adam Csizmadia, Gogan Dorel, Alexa Ionut, Vasile Raducan<br />
Das Team von Spende Dein Pfand am Airport Hamburg<br />
Stephan Karrenbauer (Leitung), Uwe Tröger, Georgi Nikolov,<br />
Klaus Petersdorfer, Herbert Kosecki<br />
Litho PX2@ Medien GmbH & Co. KG<br />
Produktion Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />
Druck A. Beig Druckerei und Verlag,<br />
Damm 9–15, 25421 Pinneberg<br />
Umschlag-Druck Neef+Stumme premium printing GmbH & Co. KG<br />
Verarbeitung Delle und Söhne, Buchbinderei<br />
und Papierverarbeitungsgesellschaft mbH<br />
Spendenkonto Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
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BIC: HASPDEHHXXX<br />
Die Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH mit Sitz in Hamburg ist durch den aktuellen<br />
Freistellungsbescheid des Finanzamts Hamburg-Nord, Steuernummer<br />
17/414/00797, vom 15.11.2013 nach §5 Abs.1 Nr. 9<br />
des Körperschaftssteuergesetzes von der Körperschaftssteuer und nach<br />
§3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.<br />
Geldspenden sind steuerlich nach §10 EStG abzugsfähig. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist als<br />
gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH im Handelsregister<br />
beim Amtsgericht Hamburg HRB 59669 eingetragen. Wir bestätigen,<br />
dass wir Spenden nur für die Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong> einsetzen.<br />
Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte weitergegeben.<br />
Beachten Sie unsere Datenschutzerklärung, abrufbar auf www.hinzundkunzt.de.<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist ein unabhängiges soziales Projekt, das obdachlosen und<br />
ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.<br />
Das Magazin wird von Journalisten geschrieben, Wohnungslose und<br />
ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter<br />
unterstützen die Verkäufer.<br />
Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.<br />
Gesellschafter<br />
Durchschnittliche monatliche<br />
Druckauflage 2. Quartal <strong>2017</strong>:<br />
70.000 Exemplare<br />
57
Momentaufnahme<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>292</strong>/JUNI <strong>2017</strong><br />
Unser Titelheld:<br />
Horst ist seit zehn<br />
Jahren trocken – eine<br />
stolze Leistung.<br />
„Ich gebe viel zurück,<br />
auf meine Weise“<br />
Horst (52) verkauft Hinz&<strong>Kunzt</strong> auf dem Blankeneser Wochenmarkt.<br />
TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />
FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Der Mann im Anzug grüßt mit kräftigem<br />
Händedruck: „Tach, ich bin<br />
Horst.“ Er wohnt jetzt mit seinen Wellensittichen<br />
in Jenfeld, erzählt er, ordentliche<br />
Wohnung, tolle Stammkunden auf<br />
dem Blankeneser Wochenmarkt. Seit<br />
Kurzem gibt es sogar wieder eine Frau<br />
an seiner Seite. Und er hatte gerade sein<br />
Doppeljubiläum: Zehn Jahre trocken,<br />
zehn Jahre Hinz&Künztler in Blankenese<br />
– was für ein Erfolg.<br />
Dabei galt er früher als abschreckendes<br />
Beispiel. „Rekord!“ überschrieb<br />
die Mopo vor gut zehn Jahren<br />
den Artikel, der Horst stadtbekannt<br />
machte. Mit 5,19 Promille im Blut war<br />
er mit der Polizei aneinandergeraten.<br />
Heute sehe er viel jünger aus als damals<br />
auf dem Titelfoto, scherzt Horst und ist<br />
froh, dass er überhaupt noch lebt nach<br />
so vielen Abstürzen. Zuletzt bettelte er<br />
vor der Haspa in Ottensen, trank schon<br />
morgens Korn, „um den Klapper wegzumachen“.<br />
Wie das passieren konnte,<br />
habe er bis heute nicht verstanden, sagt<br />
er. Er verlangte doch gar nicht viel vom<br />
Leben.<br />
Nach der Hauptschule fing Horst<br />
im Straßenbau an, zog in ein möbliertes<br />
Zimmer. Mit 22 Jahren stand er<br />
erstmals vor dem Traualtar. „Ich wollte<br />
auf eigenen Beinen stehen“, sagt er.<br />
„Aber das hat leider nicht geklappt.“<br />
Denn an den Alkohol hatte er sich<br />
schon auf dem Bau gewöhnt. Er trank<br />
aus Geselligkeit – und aus Stress. Der<br />
kam dicke, als die Ehe aus dem Ruder<br />
lief. Sein Sohn war gerade geboren.<br />
„Wie ich geschieden wurde“, erinnert<br />
sich Horst, „da ging’s bergab.“<br />
Seine Exfrau bekam das Sorgerecht<br />
und die Wohnung, Horst machte Platte:<br />
„Ich wusste ja nicht wohin.“ Er schaffte<br />
es zum Sozialamt, bekam ein Zimmer<br />
am Hansaplatz, heiratete erneut. Doch<br />
nach sechs Jahren stand er wieder allein<br />
und ohne Bleibe da. Es wurde immer<br />
schwerer, Halt zu finden. 1999 kam er<br />
zum ersten Mal zu Hinz&<strong>Kunzt</strong>, lernte<br />
seine dritte Ehefrau kennen. Doch beim<br />
Zeitungsverkauf nüchtern zu bleiben,<br />
das klappte nicht, und wieder ging alles<br />
in die Brüche.<br />
Bis zu dem Tag, als Horst sich als<br />
Rekordtrinker in der Mopo wiederfand.<br />
Ein heilsamer Schock. Damals fasste er<br />
einen Entschluss: nüchtern werden, für<br />
immer. Tag für Tag trank er etwas weniger,<br />
bis er nichts mehr brauchte. „Ohne<br />
Therapie habe ich das geschafft“,<br />
sagt er. Hilfe hatte er zum Glück doch:<br />
Einer Pastorin vertraute er sich an, „ich<br />
glaube ja auch an den lieben Gott“. Die<br />
Mopo-Reporterin von damals begleitete<br />
ihn zurück zu Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />
Auch sein Sohn stand ihm bei. Und<br />
sein früherer Mitbewohner Norbert.<br />
Der machte ihm abends warmes Essen<br />
und nahm ihn in Schutz, wenn andere<br />
ihn zum Trinken drängten. Auch seine<br />
Kunden machten ihm Mut. Schließlich<br />
war er stark genug, dass er sogar das<br />
Ende seiner vierten Ehe überstand.<br />
„Es war doch eine gute Idee von<br />
mir, dass ich mein Leben zum Positiven<br />
umgekrempelt habe“, stellt Horst<br />
fest. Nach sechs Ein-Euro-Jobs hofft<br />
er jetzt auf eine Umschulung zum<br />
Nachbarschaftshelfer.<br />
Er kümmert sich gern um andere.<br />
Für seine Stammkunden schreibt er<br />
Weihnachtskarten, jede ein Unikat –<br />
wie die Einladungskarten für sein Jubiläum<br />
in der Stadtbäckerei Blankenese.<br />
Das ist Horsts Stärke, und das weiß er<br />
auch: „Ich gebe viel zurück, auf meine<br />
Weise.“ •<br />
58
KUNZT-<br />
KOLLEKTION<br />
BESTELLEN SIE DIESE UND WEITERE PRODUKTE BEI: Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH,<br />
www.hinzundkunzt.de/shop, shop@hinzundkunzt.de, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />
Tel. 32 10 83 11. Preise zzgl. Versandkostenpauschale von 2,50 Euro bis 4 Euro,<br />
Ausland auf Anfrage. Versand ab 100 Euro Warenwert kostenlos.<br />
4.<br />
1.<br />
1. „Heiße Hilfe“<br />
Bio-Rotbuschtee, aromatisiert mit<br />
Kakao-Orangen-Note. Zutaten: Rotbuschtee<br />
(k. b. A.), Kakaoschalen, Zimt, Orangenschalen,<br />
natürliches Orangenaroma<br />
mit anderen natürlichen Aromen.<br />
Dose, 75 g, abgefüllt<br />
von Dethlefsen&Balk, Hamburg,<br />
Preis: 7,50 Euro<br />
2. „Macht auch wach!“<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Bio-Kaffeemischung,<br />
100% Arabica gemahlen, 250-g-Beutel<br />
oder Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Bio-Espresso, italienische<br />
Mischung, kräftiger Geschmack,<br />
ungemahlen, 250-g-Beutel, exklusiv von der<br />
Kaffeerösterei Burg aus Hamburg.<br />
Preis: jeweils 5,95 Euro<br />
5.<br />
2.<br />
3. „Lesebrettchen“<br />
Exklusiv für Hinz&<strong>Kunzt</strong> aus der<br />
Serie „Schöne Aussichten“, Pension<br />
für Produkte Hamburg.<br />
Design: Wolfgang Vogler,<br />
Material: Esche geölt (aus heimischen Wäldern),<br />
lasergraviert. Jedes Brett ist ein Unikat,<br />
in Deutschland gefertigt.<br />
Preis: 15,90 Euro<br />
4. „Non urban“-Klappkarten<br />
5 verschiedene Motive mit Umschlag,<br />
DIN A6, Fotograf Dmitrij Leltschuk.<br />
Der Erlös geht zur Hälfte an den Fotografen,<br />
zur Hälfte an das Hamburger Straßenmagazin.<br />
Preis: 8 Euro<br />
6.<br />
3.<br />
5. „Einer muss ja das Maul aufmachen“<br />
T-Shirt vom Modelabel „Fairliebt“ aus<br />
100% Biobaumwolle, sozialverträglich<br />
genäht in Bangladesch und<br />
von Hand bedruckt in Deutschland.<br />
Größen: S, M, L, XL. Farben: Petrol für Herren,<br />
Meerwassertürkis für Damen, Preis: 24,90 Euro<br />
6. „Ein mittelschönes Leben“<br />
Eine Geschichte für Kinder<br />
über Obdachlosigkeit von Kirsten Boie,<br />
illustriert von Jutta Bauer.<br />
Preis: 4,80 Euro
<strong>Juni</strong> <strong>2017</strong><br />
Bündnispartner<br />
und Skandale<br />
und andere Themen, die Hamburger bewegen<br />
Di 13.06. | 18.00 Uhr | Streitgespräch<br />
Körber Debate: Herausforderung Türkei Die Entwicklungen in der Türkei rütteln an den<br />
Beziehungen zwischen Europa und dem NATO-Bündnispartner, jede Kritik scheint zu größerer<br />
Distanz zu führen. Wie geht Europa künftig mit dem Land um? Debatte in Kooperation mit der<br />
Süddeutschen Zeitung. Moderation: Stefan Kornelius, Süddeutsche Zeitung.<br />
Mi 14.06. | 19.00 Uhr | Rede im Rahmen der Hamburger Tage des Exils<br />
Hamburger Rede zum Exil: Ilija Trojanow In einer Mischung aus autobiografischen Erfahrungen,<br />
Beobachtungen und philosophischen Reflexionen des Themas Flucht umkreist der Schriftsteller<br />
Ilija Trojanow die Zumutungen und Chancen eines Neuanfangs, der an die Vergangenheit<br />
gekettet ist. Es moderiert Sven Tetzlaff, Körber-Stiftung.<br />
Di 20.06. | 19.00 Uhr | Diskussion<br />
Perfekt unperfekt Die Imperative des »perfekten Lebens« sind so zahlreich wie wider sprüchlich.<br />
Mit dem Entwicklungsforscher Remo Largo, der Beraterin für Veränderungsprozesse Antje<br />
Gardyan und Karin Jurczyk vom Deutschen Jugendinstitut legen drei Vordenker neue Entwürfe<br />
für das perfekt Unperfekte vor. Heinrich Wefing, Die Zeit, moderiert.<br />
Di 27.06. | 19.00 Uhr | Gespräch<br />
Digital mündig: Die fünfte Gewalt Sie stürzt Politiker, bildet Protestgemeinschaften oder bringt<br />
Konzerne in Bedrängnis: Mit der digital vernetzten Öffentlichkeit ist eine neue Machtsphäre<br />
entstanden. Wie stellen wir inmitten permanenter Empörung ein faires Miteinander sicher?<br />
Mit dem Skandal-Forscher Bernhard Pörksen spricht Christoph Kucklick, GEO.<br />
Stand: Mai <strong>2017</strong>, Änderungen vorbehalten. groothuis.de Fotos: Claudia Höhne, Thomas Dorn, David Ausserhofer, privat<br />
Eintritt frei, Anmeldung erforderlich: www.koerberforum.de<br />
KörberForum – Kehrwieder 12 | 20457 Hamburg | U Baumwall<br />
Telefon 040 · 80 81 92 - 0 | E-Mail info@koerberforum.de<br />
Veranstalter ist die gemeinnützige Körber-Stiftung.<br />
KörberForum<br />
Kehrwieder 12<br />
Für Menschen, die nicht alles so lassen wollen, wie es ist.