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TOURISMUS
BERGBAHNLAND
Nirgends auf der Welt stehen den Gästen so viele Bahnen zur Verfügung wie in der Schweiz. Alte und neue,
kleine und grosse, kühne und einmalige. Ihre Geschichte ist auch die Geschichte des Aufstiegs der Schweiz
zu einer der beliebtesten Feriendestinationen der Welt.
von René Laemmel
Die Jungfraubahn führt seit August 1912 von der Kleinen Scheidegg
durch Eiger und Mönch bis auf das Jungfraujoch mit der höchsten
Eisenbahnstation Europas (Tunnelstation, 3454 M.ü.M.) und überwindet
auf einer Länge von 9,34 Kilometern fast 1400 Höhenmeter.
Etwas mehr als sieben Kilometer der Strecke liegen im Tunnel.
Wir schreiben das Jahr 1870.
Seit einiger Zeit gehört die
Schweiz zu den bevorzugten
Reisezielen der vermögenden
Eliten Europas. Für die
meisten Besucher steht das Bergerlebnis
zuoberst auf der Wunschliste, eine Gipfelbesteigung
gilt als Krönung jeder Schweizer Reise.
Doch nicht alle Touristen wollen oder können
die Strapazen eines Aufstiegs aus eigener Kraft
auf sich nehmen. Und so beginnen sich viele
Ingenieure der Frage zu widmen, wie man
Berge mechanisch erschliessen könnte.
Im Zuge des rasanten technischen Fortschritts
um 1870 schiessen fantastische Projekte wie
Pilze aus dem Boden. Die Vorschläge reichen
von kühnen Eisenbahnen bis zu Kabinen, die an
Seilen hängen und von Luftballonen emporgezogen
werden sollen. Doch die Technik ist unausgereift
und hinkt den hochfliegenden Plänen
hinterher. Niklaus Riggenbach lässt sich
davon nicht entmutigen. Der gebürtige Elsässer,
Chef der Centralbahn-Hauptwerkstätte in
Olten, ist nicht bloss ein Visionär, er ist auch ein
Macher. Da normale Lokomotiven bei einer
Steigung von mehr als zehn Prozent ins Gleiten
kommen, entwickelt Riggenbach ein neuartiges
Antriebssystem: Ein unter der Lokomotive
angebrachtes Zahnrad soll in eine am Boden
befestigte Zahnschiene greifen und so wesentlich
steilere Strecken ermöglichen. Das entsprechende
Patent reicht er, da ihm die Schweizer
Behörden die kalte Schulter zeigen, 1863 in
Paris ein. Zwar kommen ihm die Amerikaner
zuvor und nehmen 1869 am Mount Washington
die erste touristische Zahnradbahn der Welt in
Betrieb. Doch im gleichen Jahr beginnt Riggenbach
mit dem Bau einer Bahn auf die Rigi, den
zu jener Zeit touristisch wichtigsten Berg der
Schweiz. Und dies zu einer Zeit, als sich der
Gotthard bloss mit Kutschen befahren lässt,
das Auto noch gar nicht erfunden ist und die
Schweiz auf ihr erstes Elektrizitätswerk wartet.
REKORDE UND KURIOSITÄTEN
Auch bei den Standseilbahnen beginnt die Entwicklung
zunächst im Ausland. 1845 an den
Niagara-Fällen in den Vereinigten Staaten, 1862
in Lyon, 1870 in Budapest, 1873 bei der Cable
Car in San Francisco.
26 03|2020