Scheidegger & Spiess International New Titles Autumn 2023

Burhan Dogançay
Yankees and Beatles (1964)
Tate, London
Presented by Benjamin Kaufmann in memory of the
artist and in honour of his wife Angela Dogançay
Burhan Dogançay
Bi lboard (1964)
Solomon R. Guggenheim Museum, New York
Gift, Consular Corps Committee of the City of
New York, Department of Public Events
Jean Dubuffet
Dévidoir enregistreur (1978)
Albright-Knox Art Gallery, Buffalo
George B. and Jenny R. Mathews
Fund
Burhan Dogançay
Wa ls 70 (Five) (1970)
Private Collection
Jacques Villeglé
Metro de St. Germain (1964)
Museu Coleção Berardo, Lisboa
LES RENDEZ-VOUS BURHAN DOĞANÇAYS
MANQUÉS DE BURHAN VERPASSTE
DOĞANÇAY AVEC LA BEGEGNUNGEN
SCÈNE ARTISTIQUE DE MIT DER KUNSTSZENE
SON ÉPOQUE
SEINER ZEIT
CHRONOLOGIE
“When I visited the State of Israel in 1975,
“When I visited the State of Israel in 1975,
it was destined to be the first country featured it was destined to be the first country featured
in what has since become my monumental
in what has since become my monumental
photographic documentation Walls of the
photographic documentation Walls of the
World.”
World.”
Armed with a letter of recommendation penned by Armed with a letter of recommendation penned by
Thomas M. Messer, the Director of The Guggenheim Thomas M. Messer, the Director of The Guggenheim
Museum in New York, Burhan Doğançay arrived in Museum in New York, Burhan Doğançay arrived in
Israel in 1975. The multilayered social and architectural
fabric there, coupled with the tumultuous sotural
fabric there, coupled with the tumultuous so-
Israel in 1975. The multilayered social and architeccio-political
landscape, would have a lasting impact cio-political landscape, would have a lasting impact
on his artistic practice.
on his artistic practice.
Beginning with his explorations of the walls of New Beginning with his explorations of the walls of New
York in the 1960s, he made the decision to focus on York in the 1960s, he made the decision to focus on
neighborhoods that were largely associated with neighborhoods that were largely associated with
disenfranchised segments of society. This strategic
intentionality in search of “hunting grounds,” gic intentionality in search of “hunting grounds,”
disenfranchised segments of society. This strate-
as he put it, combined with a great deal of serendipity,
took him to areas that reflected the dynamic pity, took him to areas that reflected the dynamic
as he put it, combined with a great deal of serendi-
and shifting nature of urban life in Jerusalem and Tel and shifting nature of urban life in Jerusalem and Tel
Aviv. The walls, doors, and signage that he encountered
were laden with rich and evocative imagery tered were laden with rich and evocative imagery
Aviv. The walls, doors, and signage that he encoun-
and featured at least three languages—Arabic, Hebrew,
and English.
brew, and
and featured at least three languages—Arabic, He-
English.
1929
Burhan Doğançay kommt am 11. September als Burhan Doğançay kommt am 11. September als
erstes der drei Kinder von Adil Doğançay, Maler und erstes der drei Kinder von Adil Doğançay, Maler und
Vermessungsoffizier der türkischen Armee, und Vermessungsoffizier der türkischen Armee, und
seiner Frau Hediye in Istanbul zur Welt.
seiner Frau Hediye in Istanbul zur Welt.
1933–1948
Seine Kindheit verbringt er in der Türkei, wo er bereits
mit vier Jahren zu zeichnen beginnt, ermutigt reits mit vier Jahren zu zeichnen beginnt, ermutigt
Seine Kindheit verbringt er in der Türkei, wo er be-
von seinem Vater, den er auf Reisen begleitet. Als von seinem Vater, den er auf Reisen begleitet. Als
Heranwachsender wird er vom Maler Arif Kaptan Heranwachsender wird er vom Maler Arif Kaptan
unterrichtet. In Ankara studiert er, spielt in der Fussballmannschaft
von Gençlerbirliği und schliesst ballmannschaft von Gençlerbirliği und schliesst
unterrichtet. In Ankara studiert er, spielt in der Fuss-
1948 sein Jurastudium ab.
1948 sein Jurastudium ab.
1950–1955
Er reist nach Paris, um Ökonomie zu studieren und Er reist nach Paris, um Ökonomie zu studieren und
die Kunstkurse der Académie de la Grande Chaumière
zu besuchen. Zu Beginn seines Aufenthalts mière zu besuchen. Zu Beginn seines Aufenthalts
die Kunstkurse der Académie de la Grande Chau-
lebt er mehrere Monate in Honfleur, um Französisch lebt er mehrere Monate in Honfleur, um Französisch
zu lernen. Er spielt in der lokalen Fussballmannschaft zu lernen. Er spielt in der lokalen Fussballmannschaft
und stellt seine Werke in einem Fischgeschäft aus. und stellt seine Werke in einem Fischgeschäft aus.
1953 promoviert er über «Die Rolle der Genossenschaft
und die Fortschritte der dänischen Landsenschaft
und die Fortschritte der dänischen Land-
1953 promoviert er über «Die Rolle der Genoswirtschaft»,
was ihn zu einer Forschungsreise nach wirtschaft», was ihn zu einer Forschungsreise nach
Dänemark veranlasst.
Dänemark veranlasst.
Er reist auch nach Schweden, Deutschland, in die Er reist auch nach Schweden, Deutschland, in die
Schweiz und nach Italien und nimmt an Gruppenausstellungen
in der Maison américaine der Cité nausstellungen in der Maison américaine der Cité
Schweiz und nach Italien und nimmt an Gruppe-
universitaire de Paris teil.
universitaire de Paris teil.
1955
Er kehrt nach Ankara zurück, nimmt eine Stelle im Er kehrt nach Ankara zurück, nimmt eine Stelle im
Handelsministerium an und zeigt die erste von drei Handelsministerium an und zeigt die erste von drei
gemeinsamen Ausstellungen mit seinem Vater gemeinsamen Ausstellungen mit seinem Vater
(1957, 1959) im Club der Kunstliebhaber in Ankara. (1957, 1959) im Club der Kunstliebhaber in Ankara.
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Burhan Dogançay
Yankees and Beatles (1964)
Tate, London
Presented by Benjamin Kaufmann in memory of the artist
and in honour of his wife Angela Dogançay
Burhan Dogançay
Yankees and Beatles (1964)
Tate, London
Presented by Benjamin Kaufmann in memory of the artist
and in honour of his wife Angela Dogançay
Urban walls as projection
surfaces of public debate: the
paintings of Burhan Doğançay
MURS DE PEINTURE
GEMALTE WÄNDE
FLORIAN STEININGER
Pour Burhan Doğançay, le tableau est un dispositif Burhan Dogançay versteht das Tafelbild als komplexes
vielschichtiges System, das faktisch flächi-
complexe, qui comporte non seulement des qualités
de surface, mais aussi tactiles et matérielles, ge, taktil materielle sowie illusionistisch räumliche
tout en jouant dans l’espace à la manière d’une illusion.
L’œuvre artistique de Doğançay débute vérita-
Hauptwerk setzt 1963 in New York ein, und ist eng
Qualitäten in sich trägt. Dogançays künstlerisches
blement en 1963 à New York, et elle est étroitement mit der Metropole verbunden. Mauern und Wände
liée à cette métropole. Elle puise son inspiration im öffentlichen Raum der Stadt fungieren hierbei
dans l’observation des murs et façades, dont les als Inspirationsfelder. Es sind die Spuren des Alltags,
die die Bilder der Stadt markieren: Graffitis,
traces – graffitis, affiches arrachées, dans la rue
comme dans le métro – racontent le quotidien de abgerissene Plakatwände auf den Straßen und in
l’espace public urbain. Pour l’artiste, ces vestiges den U-Bahnstationen. Für den Künstler stellen diese
Situationen bereits abstrakte Kunstwerke vol-
représentent en eux-mêmes des œuvres d’art abstraites,
dont la valeur esthétique est évidente. Déjà ler Ästhetik dar, und schon Leonardo da Vinci hatte
Léonard de Vinci attribuait une qualité esthétique den verwitterten Mauern und Wänden eine künstlerische
Qualität zugesprochen. In der Moderne
aux murs et aux parois délabrés, et, dans l’art moderne
du XXe siècle, des artistes comme Jean Dubuffet
ont insisté sur la dimension murale de la pein-
Dubuffet den Fokus auf den Wand- und Mauercha-
des 20. Jahrhunderts legen Künstler wie etwa Jean
ture.
rakter der Malerei.
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La traditionnelle « fenêtre sur le monde » que constituait
le tableau se trouve ici refermée ; l’illusion est illusionistische Blick verwehrt zugunsten einer tak-
Das Fenster des Tafelbildes wird verschlossen, der
refusée au profit d’une qualité tactile et d’une inscription
apparemment anonyme de l’œuvre – comme si scheinbar anonymen Handschrift der Arbeit – so
tilen Flächenbeschaffenheit des Bildes und einer
le vent, les intempéries et les interventions extérieures
avaient créé le tableau. Des photographes geschaffen hätten. Die Künstlerfotografen Aaron
als ob Wind, Wetter und Fremdeingriffe das Bild
tels qu’Aaron Siskind et Brassaï ont immortalisé les Siskind sowie Brassaï dokumentierten mit der
murs et les graffitis et transformé des situations Kamera Mauerstrukturen und Graffitis und transformierten
die alltäglichen Situationen in Lichtbilder.
quotidiennes en impressions photographiques. Les
œuvres de Doğançay s’inscrivant dans la série des Dogançays Werke der Urban Walls sind hybride Systeme
zwischen real Materiellem, wie Plakatabrisse
Urban Walls sont des dispositifs hybrides dans lesquels
se côtoient matériaux préexistants (affiches in Form von Collagen und gemalt fingierten Wänden
déchirées utilisées pour les collages) et artefact auf Leinwand, Holztafeln oder Papier.
(faux murs peints sur toile, panneau de bois ou papier).
Billboard von 1964 ist eines der frühesten Exemplare
aus dieser Phase und befindet sich seit dem
Entstehungsjahr im Solomon R. Guggenheim Museum,
New York. Eine Tür- oder Fensterausnehmung
scheint mit braunen Holzlatten beplankt zu sein,
den Blick in die Tiefe versperrt zugunsten der Bildfläche
und materiellen Stofflichkeit des Bildes. Auf
dieser Oberfläche flottieren graffitiartige Kürzel und
Plakatabrisse. Diese Werke sind von einer gewissen
Rohheit bestimmt, die im Laufe des Jahrzehnts von
einer poppigen Farbgebung und glänzenden Glätte
der Bildoberfläche abgelöst werden.
Billboard (1964) est l’un des premiers exemples de
cette période. L’œuvre se trouve depuis l’année de
sa création au Solomon R. Guggenheim Museum
(New York). L’embrasure de la porte ou de la fenêtre
semble recouverte de lattes de bois brun, la perspective
se trouvant comme entravée par la surface
du tableau et sa dimension matérielle. Sur cette surface
semblent se mouvoir des genres de graffiti et
des lambeaux d’affiches. De telles œuvres se caractérisent
par une certaine rudesse, qui laissera place,
au cours de la décennie, à une palette plus pop et à
un polissage de la surface du tableau.
C’est alors l’écriture, ou plutôt des inscriptions fragmentaires,
qui deviennent centraux dans des compositions
picturales au style maniériste. Le tableau
de Doğançay semble procéder du « décollage »,
comme un panneau d’affichage dont les multiples
couches ont été déchirées en différents endroits.
Mais la complexité de cet enchevêtrement est recréée
de toute pièce, avec de la peinture à l’huile
et des pinceaux, formant un véritable trompe-l’œil.
Les ombres et les matières sont simulées ; le tableau
redevient l’écran de projection d’une illusion ;
il accueille en lui tout un univers spatial, et non simplement
une surface matérielle factice.
Die Schrift, bzw. die fragmentierte Schrift, tritt mehr
in das Zentrum der Bildgestaltung, die in einer malerisch
manieristischen Art umgesetzt wird. Man hat
das Gefühl als wäre Dogançays Bild eine Décollage,
eine vielschichtige Plakatwand, die an unterschiedlichen
Stellen zerr- und abgerissen wurde.
Diese Vielschichtigkeit fingiert nun der Künstler mit
Ölfarbe und Pinsel – ein gemaltes Trompe-l›œil-Bild.
Schatten und Materie werden vorgetäuscht, das
Bild wird wieder Projektionsfläche der Illusion und
der räumlichen Welt anstelle einer faktischen materiellen
Oberfläche.
Les fausses affiches déchirées de Doğançay ont été Dogançays fiktive Abriss-Plakatbilder wurden 2008
exposées en 2008 au Pera Museum d’Istanbul et en im Pera Museum in Istanbul und 2009 im Centre
2009 au Centre d’art Pasquart en Suisse, en regard d›art Pasquart in der Schweiz in einer Ausstellung
de « décollages » de Jacques Villeglé.
mit den Décollagen von Jacques
Villeglé, Protagonist des Nouveau Realisme, gegenübergestellt:
Destruktion und Realität versus Kreation
und Virtualität als Bild. Abrisse von Logos,
Zahlen und Schriften in kräftigen Farben geraten in
den frühen 1970er-Jahren in den Fokus der Bilder
von Dogançay, in verführerischer Oberflächenpolitur,
der Karosserie eines Rennwagens mit Werbeaufklebern
und Rennnummern ähnlich. Durch deren
Monumentalität und Konzentration auf wenige
Schriftzeichen erhalten sie eine abstrakt minimalistische
Hard Edge-Ästhetik.
Cette figure du Nouveau Réalisme, avait pour programme
: destruction et réalité versus création et
virtualité. Au début des années 1970, les tableaux
de Doğançay montrent des fragments de logos, de
chiffres et de lettres aux couleurs vives, dont la surface
lisse et séduisante rappelle la carrosserie d’une
voiture de course criblée d’autocollants publicitaires
et de numéros de course. Leur monumentalité
et la centralité de certains glyphes leur confèrent
une esthétique hard edge, abstraite et minimaliste.
Parfois, les lambeaux d’affiches apparemment arrachés
s’enroulent et forment des reliefs ornementaux
ou des formes coniques en trompe-l’œil, qui
semblent s’incurver dans l’espace. C’est alors que le
tableau se mue en objet fictif. Souvent – notamment
dans les Cones des années 1980 – Doğançay applique
sur la surface du tableau de petits morceaux
d’affiches qu’il fait lui-même rebiquer, et les com-
Manchmal rollen sich die scheinbar abgerissenen
Plakatfetzen zusammen und bilden ornamentale
Strukturen, sowie optisch illusionistische Trichterformen,
die sich imaginativ in den Raum wölben.
Das Bild mutiert zum fiktiven Objekt. Des Öfteren
– in den Cone-Bildern der 1980er-Jahre – appliziert
aber Dogançay die Bildfläche mit einer Reihe
von faktisch gerollten Plakatstückchen – in Verbindung
mit bildlichem oder zeichenhaften Plakatmaterial.
Ein spannungsreiches Wechselverhältnis im
musterastigem All over. Eine ornamentale Note weisen
ebenso die Gemälde der Ribbon-Serie auf, die
in den 1970er- und 1980er-Jahren entstanden sind.
Figuration und Text tritt zugunsten einer abstrakten
Komposition in den Hintergrund. Aus monochromen
Bildgründen schälen sich komplexe Schleifensysteme
heraus, die deutlich an kalligrafische Strukturen
erinnern. Die Kalligrafie wird zum monumentalen
Image, zum scheinbar gestischen Zeichen. Hierbei
zeigen sich Parallelen zu US-amerikanischen abs-
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