PRÄSIDENT HEINZ BRODESSER
W illi O sterm ann, B io g ra p h ieMan schrieb das Jahr 1907. In Köln am Rhein hatte Prinz Karneval wieder seinen Einzuggehalten. Es war ein gemütliches Fest, dieser weltberühmte Kölner Karneval.Die drei tollen Tage gehörten ganz und gar dem Volke, jedoch trafen sich viele Bürgerder Stadt schon Wochen vorher in den Sitzungen der Kölner Karnevalsgesellschaften,um unter der vierfarbenen Narrenmütze in fröhlichem Kreise den Reden und Liedernzu lauschen, die von der Bühne des Frohsinns dargeboten wurden.In diesen Zeitabschnitt des Kölner Karnevals hinein knatterte der Riesenerfolg einesharmlosen neuen Kölner Karnevalsliedes „Däm Schmitz sing Frau es durchgebrannt".Ganz Köln und darüber hinaus das ganze Rheinland sang die Tragikomödie von derdurchgebrannten Frau Schmitz.Ein ganz neuer Mann, den man bis dahin in den Sitzungen des Kölner Karnevals nurwenig gekannt, hatte die berühmte Narrenbühne bestiegen und dieses Lied den Kölnernbeschert. Dieser Mann war W illi Ostermann, von dem man bis dahin eigentlichnur das Lied vom Deutzer Schützenfest und einige andere Lieder aus kölnischemMilieu gehört hatte.Als Krätzchensänger mit einer ganz neuen und eigenen Vortragsweise hatte manOstermann noch nicht gekannt. Helle Freude löste sein neues Lied allüberall, wo eserklang, aus. Die größte Freude aber herrschte in den Kreisen der Männer, in derenHänden seinerzeit die Leitung des großen kölnischen Volksfestes lag. Wußten siedoch, daß W illi Ostermann und seinem über Nacht zum Schlager gewordenen Liedein neuer Weg gewiesen worden war, der allein es ermöglichte, nunmehr dem ordinärenGassenhauer das Lebenslicht auszublasen und dem harmlosen Kölner KarnevalsschlagerPlatz zu machen. Der unerhörte Beifall, der ihm im Jahre 1909 für dasköstliche Familienidyll „E t Stina muß ’ne Mann han" entgegenbrauste, stellt das vorhinGesagte ganz eindeutig unter Beweis. Ein Mann, der so wahrhaftig die Elternsorgender damaligen Zeit um die Verehelichung der Tochter in Liedform dem Volkevermittelte, mußte schon die „Heiratsm ärkte“ von Köln persönlich häufig besuchthaben, um in so trefflicher Weise die Gepflogenheiten der sich in Heiratsnöten befindlichenKölner Familien schildern zu können. So hat W illi Ostermann Jahr für JahrErfolg an Erfolg gereiht. Es war eine Selbstverständlichkeit der Vorkriegszeit, daß derKölner Karneval mit den Klängen eines neuen Ostermann-Liedes eingeläutet wurdeund immer wieder hat er sich tragen und zu neuer Arbeit anfeuern lassen von deralljährlichen Begeisterungswelle, die ihm entgegenbrandete.Aber zweierlei darf mit Genugtuung festgestellt werden: Ostermann ist trotz der gewonnenenungewöhnlich großen Popularität stets ein bescheidener, schlichter Menschgeblieben, und nie hat er die gerade Linie des harmlosen Textes verlassen. Nicht eineinziges seiner außerordentlich zahlreichen Lieder kann auch nur in etwa zweideutigausgelegt werden. Seine Ablehnung der Zote war keine bewußte Methode, sondernein Spiegelbild seiner einfachen persönlichen Haltung, von der er auch dann nicht abwich,wenn der Erfolg zweideutiger Konkurrenzschlager schon einmal den Anreizhierzu geben mochte.Als im Jahre 1914 für lange Zeit der Kölner Karneval zum letzten Male gefeiert wurde,war der Ruf W illi Ostermanns fest begründet. Damals schon stand er unbestritten aufeinsamer Höhe. Er war der Liebling des Kölner Volkes, der populärste Bürger Kölns.Aber nicht etwa, daß Ostermann hierdurch seine Lebensgewohnheiten geändert undvielleicht seine Popularität mit einer falschen Würde zur Schau getragen hätte; er hatseine geradezu verbindliche Naivität stets bewahrt und nie aufgegeben, mochten auchandere, höhere Ziele locken, aber hiernach ging sein Ehrgeiz niemals. Immer wieder,wenn er für eine Zeitlang einem Ruf nach auswärts in die deutschen Gefilde und dar-7