Sicherheit Sécurité Sicurezza Schwierige Suche nach dem ... - Swissi
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Michael Miersch<br />
ist Publizist, Buch- und<br />
Filmautor und lebt in<br />
München und Berlin.<br />
80 <strong>Sicherheit</strong> 2010_3<br />
RISIKO<br />
Es gibt keine sichere Energie<br />
Der amerikanische Fernsehjournalist John Stossel hält gelegentlich Vorträge zum<br />
Thema Risiko. Dabei macht er gern ein kleines Experiment. «Stellen Sie sich einmal<br />
vor», bittet er seine Zuhörer, «ein neuer Kraftstoff wird erfunden, endlich die gesuchte Alternative<br />
zu Öl und Kohle.» Die Substanz, erklärt er, sei unsichtbar, geruchlos und hochexplosiv.<br />
Sie soll direkt in private Haushalte geleitet werden. «Wären Sie für die Einführung<br />
dieses neuen Energieträgers?», fragt er dann in den Saal. Nur wenige heben den Arm.<br />
«Wie viele Tote pro Jahr dürfte man hinnehmen?» Natürlich keinen einzigen, ist die einhellige<br />
Meinung des Publikums. Und dann verrät er, dass es den von ihm beschriebenen<br />
Stoff längst gibt: Erdgas. Bei Gasunfällen kommen weltweit viele Hundert Menschen pro<br />
Jahr ums Leben. Allein 600 bei der Explosion einer sibirischen Gasleitung im Jahr 1989.<br />
Das ist längst vergessen. <strong>Sicherheit</strong>smassnahmen wurden verbessert, aber die Forderung<br />
<strong>nach</strong> einem generellen Abschied von der Gastechnologie gab es zu keinem Zeitpunkt. Unvergessen<br />
ist dagegen der Atomunfall von Tschernobyl. Millionen Bürger der Schweiz, Österreichs<br />
und Deutschlands halten Atomenergie seither für das Böse an sich. Dabei stellten<br />
die Gesundheitsexperten der UN in ihren Langzeituntersuchungen fest, dass die Folgen<br />
des Unfalls zwar schlimm, aber weitaus geringer waren als befürchtet. Tschernobyl war<br />
eine der grossen Industriekatastrophen des 20. Jahrhunderts, längst nicht die grösste.<br />
Wer die Risiken verschiedener Energieformen miteinander vergleicht, lernt, dass keine ungefährlich<br />
ist. Man denke nur an die vielen Tausend Toten im chinesischen Kohlenbergbau.<br />
Brechende Wasserkraftstaudämme haben schon oft ganze Dörfer hinweggespült. Im<br />
20. Jahrhundert gab es mehrere Dutzend solcher Staudammkatastrophen, die Tausende,<br />
einige sogar Zehntausende Opfer forderten.<br />
Seit <strong>dem</strong> Desaster im Golf von Mexiko rückte wieder einmal verstärkt ins Bewusstsein, wie<br />
unheilvoll Erdölförderung ist. Alle paar Jahre kommt es zu Ölkatastrophen mit schrecklichen<br />
Folgen.<br />
Eine andere – in Europa nahezu unbemerkte – Ökokatastrophe verseucht den Golf von Mexiko<br />
bereits seit Langem. Vor der Mündung des Mississippi stirbt die Meeresfauna in einer<br />
1000 km2 grossen Todeszone. Auch das hat mit Energie zu tun: Der Regen spült Düngemittelreste<br />
in den Golf. Sie stammen von Farmen, auf denen Mais zur Biospritgewinnung<br />
angebaut wird.<br />
Die 100-prozentig saubere, umweltfreundliche, unfallfreie und effiziente Energiegewinnung<br />
wurde noch nicht erfunden. Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Kosten und Risiken<br />
verschiedener Technologien abzuwägen. Je offener und je weniger ideologisch wir<br />
dabei vorgehen, desto besser für unsere <strong>Sicherheit</strong> und die Umwelt. W<br />
Die Kolumnisten sind bei der Wahl des Themas und dessen Bearbeitung frei. Der Inhalt widerspiegelt nicht zwingend die Haltung des <strong>Sicherheit</strong>sinstituts.