09.11.2012 Views

PSC 4-03 - bei der Föderation der Schweizer Psychologinnen und ...

PSC 4-03 - bei der Föderation der Schweizer Psychologinnen und ...

PSC 4-03 - bei der Föderation der Schweizer Psychologinnen und ...

SHOW MORE
SHOW LESS

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

Die Psychologin Carol<br />

Gachet brach 1992<br />

ein Tabu, als sie einen<br />

Verein für Frauen<br />

gründete, die in ihrer<br />

Kindheit sexuell missbraucht<br />

wurden.<br />

Heute widmet sie sich<br />

mittels Debriefing<br />

<strong>und</strong> «Bientraitance»<br />

<strong>der</strong> Prävention von<br />

Traumata.<br />

Foto: jls<br />

F S P - a k t u e l l<br />

F S P - a k t u e l l<br />

Vom sexuellen Trauma<br />

zur Prävention<br />

Carol Gachet gibt<br />

gerne zu, dass sie zu<br />

jenen Menschen<br />

gehört, die ein wenig<br />

mit ihrer An<strong>der</strong>sartigkeit<br />

kokettieren.<br />

Ihre persönliche Geschichte,<br />

ihre Ausbildung<br />

<strong>und</strong> ihr beruflichesEngagement<br />

auf neuem<br />

Terrain – alles ist<br />

atypisch <strong>bei</strong> dieser<br />

41-jährigen Frau, die<br />

von <strong>der</strong> FSP 1998<br />

als ausserordentliches<br />

Mitglied aufgenommen<br />

wurde.<br />

Erste Beson<strong>der</strong>heit: Carol Gachet wird<br />

sozusagen mit drei Nationalitäten geboren.<br />

Mütterlicherseits ist sie Französin,<br />

väterlicherseits <strong>Schweizer</strong>in, <strong>und</strong> zur<br />

Welt kommt sie in New York. In dieser<br />

Stadt verbringt sie die ersten zehn<br />

Lebensjahre. Danach zieht die Familie<br />

nach Lausanne, wo Carol zur Schule<br />

geht <strong>und</strong> die Matur machte. Mit 19 Jahren<br />

reist sie wie<strong>der</strong> nach New York,<br />

dieses Mal alleine, um am Hunter<br />

College Psychologie zu studieren. Sie<br />

wählt als Hauptfächer Psychologie <strong>und</strong><br />

Kommunikation. 1986 macht sie ihren<br />

Bachelor of Art.<br />

Beziehung zwischen Körper <strong>und</strong> Geist<br />

Mit dem Abschluss in <strong>der</strong> Tasche kehrt<br />

Carol Gachet auf den Alten Kontinent<br />

zurück <strong>und</strong> lebt während zwei Jahren in<br />

Paris. Neben ihrer Tätigkeit in einer<br />

Firma, wo sie im Kommunikations<strong>und</strong><br />

Personalbereich ar<strong>bei</strong>tet, spielt die<br />

junge Frau Theater <strong>und</strong><br />

praktiziert Anti-Gymnastik,<br />

eine ganzheitliche<br />

Körperar<strong>bei</strong>t nach<br />

Thérèse Bertherat.<br />

Diese Aktivitäten führen<br />

dazu, dass sich Carol<br />

Gachet intensiv mit <strong>der</strong><br />

Verbindung zwischen<br />

Körper <strong>und</strong> Geist zu beschäftigen<br />

beginnt. 1988<br />

reist sie wie<strong>der</strong> in die<br />

USA, um an einem Kongress<br />

über körperorientierte<br />

Psychotherapie teil-<br />

zunehmen. Unter den vielen vorgestellten<br />

Methoden tut es ihr die Synergie<br />

Rubenfeld beson<strong>der</strong>s an: «Das war eine<br />

grosse Entdeckung für mich. Dieser<br />

Ansatz, mit dem Körperar<strong>bei</strong>t, Gestalttherapie<br />

<strong>und</strong> Hypnosetherapie verb<strong>und</strong>en<br />

werden, entsprach genau dem, was<br />

ich machen wollte», erinnert sich Carol<br />

Gachet. Zu einer Zeit, da Köpertherapien<br />

in Europa noch nahezu unbekannt<br />

waren, macht sie die dreijährige Ausbildung<br />

<strong>bei</strong> Ilana Rubenfeld in New<br />

York, einer Pionierin auf diesem<br />

Gebiet.<br />

Sexuelle Traumata<br />

Während <strong>der</strong> Ausbildung wird Carol<br />

Gachet stark für alte Traumata sensibilisiert,<br />

vor allem für solche sexueller<br />

Natur. Der Entschluss steht deshalb<br />

fest: Sie will Frauen helfen, die in ihrer<br />

Kindheit sexuell missbraucht wurden.<br />

1991 kehrt sie nach Lausanne zurück<br />

<strong>und</strong> eröffnet eine psychologische Praxis.<br />

Neben<strong>bei</strong> entwirft sie ein therapeutisches<br />

Gruppenprojekt, das sie Ärzten<br />

<strong>und</strong> <strong>Psychologinnen</strong> zur Begutachtung<br />

vorlegt. Dieses Vorgehen stösst jedoch<br />

nicht auf das geringste Echo. «Ich<br />

musste feststellen, dass sexueller Missbrauch<br />

im Kanton Waadt noch ein<br />

Tabuthema war. Dies hat mich zur<br />

Gründung eines Vereins bewogen.» Das<br />

Projekt beginnt im Jahr 1992 unter dem<br />

Namen «Faire Le Pas – Parler d’Abus<br />

Sexuels» («Den Schritt wagen – von<br />

sexuellem Missbrauch sprechen»).<br />

Zusammen mit zwei Kolleginnen führt<br />

Carole Gachet Gesprächsgruppen, die<br />

zu Beginn nur Frauen offen stehen,<br />

später auch Männern. Innerhalb von<br />

wenigen Jahren wächst <strong>der</strong> Verein <strong>und</strong><br />

vergrössert seine Strukturen. 1997, als<br />

sie sieht, dass ihr «Baby» laufen gelernt<br />

hat, zieht sich die Grün<strong>der</strong>in<br />

zurück. «Ich wollte nicht, dass <strong>der</strong> Verein<br />

mit meinem Namen verb<strong>und</strong>en<br />

bleibt. Er sollte alleine bestehen können»,<br />

erklärt sie.<br />

Nach diesem Schritt wird Carol Gachet<br />

Koordinatorin von «Familles Solidaires»,<br />

ein an<strong>der</strong>er Lausanner Verein, den<br />

sie 1993 gründen half. Dieser Verein<br />

bietet ebenfalls Austauschgruppen an,<br />

die sich an sexuell missbrauchte Kin<strong>der</strong><br />

<strong>und</strong> Jugendliche richten, an Jugend-<br />

liche, die Missbrauch betreiben, sowie<br />

an die betroffenen Familien. Im Unterschied<br />

zu «Faire le Pas», wo an alten<br />

Traumata gear<strong>bei</strong>tet wird, beschäftigt<br />

sich «Familles Solidaires» mit aktuell<br />

erlittenem o<strong>der</strong> begangenem Missbrauch.<br />

Eine sanfte Wendung<br />

Aber auch diese Aufgabe als Koordinatorin<br />

will Carol Gachet nach einiger<br />

Zeit abgeben. Nach mehr als zehn<br />

Jahren Ar<strong>bei</strong>t mit sexuellen Traumata<br />

sieht sie den Moment gekommen, einen<br />

Schritt weiter zu gehen. «Mit <strong>der</strong> Zeit<br />

ist mir die Fähigkeit abhanden gekommen,<br />

all das Leiden, das mit so schweren<br />

Traumata verb<strong>und</strong>en ist, zu tragen.<br />

Diese Entwicklung begann während<br />

meiner Schwangerschaft, wie wenn<br />

dieses keimende Leben in mir mich<br />

vom Thema Misshandlung fortbringen<br />

wollte.» Deshalb nimmt sie <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />

Geburt ihres heute dreieinhalbjährigen<br />

Sohnes einige Monate Urlaub.<br />

PsychologInnen-<br />

Top-Jobs<br />

Carol Gachet, Grün<strong>der</strong>in<br />

«Faire Le Pas»<br />

Und nach <strong>und</strong> nach drängt sich <strong>der</strong><br />

Entscheid auf: Sie wird ihre berufliche<br />

Laufbahn neu ausrichten <strong>und</strong> sich vermehrt<br />

<strong>der</strong> Prävention widmen. Dazu<br />

gehört die Notfallpsychologie. Diese<br />

Wendung ist keineswegs als Bruch zu<br />

verstehen, präzisiert sie, denn sie will<br />

die verschiedenen Aktivitäten untereinan<strong>der</strong><br />

verbinden. «Von <strong>der</strong> Behandlung<br />

schwer traumatisierter Menschen<br />

bewege ich mich stufenweise zu einem<br />

Ansatz, dessen Ziel es ist, das Auftreten<br />

späterer Störungen zu vermeiden,<br />

zum Beispiel post-traumatischen<br />

Stress.»<br />

Krisenstäbe in Schulen<br />

Diese Neuorientierung führt Carol<br />

Gachet dazu, sich einer kleinen Gruppe<br />

Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen anzuschliessen,<br />

die wie sie im Debriefing ausgebildet<br />

sind. Die Gruppe trifft sich innerhalb<br />

des Waadtländischen PsychologInnen-Verbandes<br />

AVP, um Erfahrun-

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!