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Titelthema: Bartagamen

Titelthema Die Bartagame

Titelthema Die Bartagame (Pogona vitticeps) – ein Blick über die Terraristik hinaus Auch jenseits der Terraristik gibt es interessante neue Forschungsergebnisse zu Bartagamen, mit durchaus verblüffenden Erkenntnissen. Von der Klimawandelforschung über Lernverhalten bis zur Genetik – ein Überblick über die Neuentdeckungen der letzten Jahre. Klimawandel Eine Studie amerikanischer Ökologen und Geowissenschaftler (Rej & Joyner 2018) untersuchte die Frage, inwieweit sich der Klimawandel auf das Verbreitungsgebiet der sechs Pogona-Arten in Australien auswirken wird. Als Zeithorizont wurde das Jahr 2070 angenommen. Hierbei wurden unterschiedliche Szenarien zugrundegelegt: ein „best-case von Frank Krönke Ein wichtiges Forschungsfeld ist die Genetik, da die Bartagame das (bisher) einzige bekannte Reptil ist, bei dem das Geschlecht sowohl über Temperatur als auch durch Geschlechtschromosomen definiert werden kann. In diesem Zusammenhang wird die Bartagame zu einem „Modell“, an dem zahlreiche bedeutende Fragen untersucht und beantwortet werden, die für viele andere Reptilien Relevanz haben und dazu beitragen, zentrale biologische Mechanismen und deren Evolution zu verstehen. Weitere Forschungsfelder sind physiologische Prozesse und die Untersuchung einzelner Organe, isoliert oder in einem systemischen Zusammenhang. Weiterhin gibt es sowohl unter kontrollierten Laborbedingungen als auch in freier Natur Untersuchungen zu verschiedenen Verhaltensaspekten, wie beispielsweise der Thermoregulation oder dem sozialen Lernen. Und auch hier sticht die Bartagame aus der Masse der meisten Reptilien heraus, indem sie eine der wenigen Vertreterinnen ist, bei der (bisher) gezeigt werden konnte, dass sie zu sozialem Lernen, also Lernen durch Nachahmung, fähig ist – ein Verhalten, das vor allem bei Vögeln und Säugetieren bekannt ist. Auch ökologische Fragestellungen oder jene aus dem Bereich von Fortpflanzung und Sexualität haben in unterschiedlichen Facetten zum Wissensgewinn beigetragen, wobei vor allem der letztere Aspekt eng mit der Genetik verbunden ist. Und schließlich bilden anatomische Untersuchungen einen weiteren Forschungskomplex. Die Bartagame wurde in den vergangenen 20 Jahren wissenschaftlich intensiv untersucht. Zahlreiche Ergebnisse tragen zu einer besseren Haltung bei. Foto: A. Kwet 24

Titelthema Wie wirkt sich der Klimawandel im natürlichen Lebensraum von Pogona vitticeps in Australien aus? Foto: K. Griffiths/Shutterstock scenario“, in dem die aktuellen (2018) klimaschädlichen Emissionen gesenkt würden, und ein „worst-case scenario“, in dem diese Emissionen noch deutlich zunehmen würden. Pogona vitticeps zeigt eine gegenwärtig weiträumige Verbreitung im östlichen Zentralaustralien in halbtrockenen bis trockenen lichten Wald- und Buschländern. Unter Zugrundelegung eines Worst-case-Szenarios ist bei dieser Art ein deutlicher Lebensraumverlust zu erwarten. Dennoch ist dadurch nicht mit einer Bedrohung des Fortbestands zu rechnen. Die Autoren wiesen darauf hin, dass zusätzlich zahlreiche weitere Dynamiken die Lebensräume der Bartagamen bedrohten: der Verlust von Lebensräumen, die Verbreitung invasiver Arten, die zunehmende Umweltverschmutzung oder Krankheiten und Parasiten. All diese Faktoren seien in ihren Modellen nicht berücksichtigt worden (Rej & Joyner 2018). Soziales Lernen Versierte „Barti“-Halter werden es bereits wissen, dennoch möchte ich zwei überaus bemerkenswerte Studien aus den Jahren 2007 und 2014 kurz wiedergeben. (Bart-)Agamen sind auch deshalb interessante Terrarienbewohner, weil sie über differenzierte und verschiedenartige soziale Kommunikationsmittel verfügen. Den „Bart“ und seine Farbigkeit/ Luminanz als Signalgeber habe ich bereits im ersten Beitrag zu diesem Titelthema angesprochen. Das „Kopfnicken“ und „Winken“ dürfte ebenso jedem Halter bekannt sein, ebenso das Aggressions- und Balzverhalten. Ein Team verschiedener europäischer Bio-Wissenschaftler hat ein Verhalten nachweisen können, dass zu großer Überraschung und Aufmerksamkeit unter Biologen geführt hat: Bartagamen sind zu sozialem Lernen fähig (Kis et al. 2014)! Ein Blick in die Literatur zeigt, dass soziales Lernen auch bei Köhlerschildkröten (Chelonoidis carbonarius) (Wilkinson et al. 2010), der Florida-Rotbauch-Schmuckschildkröte (Pseudemys nelsoni) (Davis & Burghardt 2011) oder dem australischen Skink Eulamprus quoyii (Noble et al. 2014) nachgewiesen wurde. Soziales Lernen – das hört sich zunächst ziemlich banal an. Dass dem nicht so ist, möchte ich nachfolgend kurz umreißen: Es bedeutet Lernen durch Abschauen einer zuvor unbekannten Handlung von anderen Individuen derselben Art. Und, damit es in der Biologie nicht langweilig wird, verweisen Szabo et al. (2020) auf eine Arbeit, die nachgewiesen hat, dass soziales Lernen auch von artfremden Individuen möglich ist. Diese Art zu lernen wurde lange Zeit als einzig dem Menschen eigen angenommen. Später, bis in die Gegenwart, wurde diese Fähigkeit vor allem Säugern, vielen Vögeln, zahlreichen Fisch- und Insektenarten zugeschrieben. Da die Komplexität sozialen Verhaltens bei Reptilien (mit Ausnahme der Panzerechsen) im Vergleich zu den genannten Gruppen eher gering ist, wurde soziales Lernen bei ihnen nicht erwartet. Soziale Lebensformen galten – so die Lehrbuchmeinung – als essentielle Vorbedingung hierfür (Wilkinson et al. 2010; Doody et al. 2013; Szabo et 25

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