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Titelthema: Bartagamen

Forschung NeueArten Die

Forschung NeueArten Die Alpenkreuzotter, Vipera berus marasso, eine neue „alte“ Unterart von Axel K w e t Eines der größten und zugleich das am weitesten nach Norden reichende Verbreitungsgebiet aller Schlangen besiedelt unsere einheimische Kreuzotter, Vipera berus. In Europa findet dieses an Kälte angepasste, lebendgebärende Reptil der Superlative noch über den Polarkreis hinaus sein Auskommen, und die Art ist auch nach Süden über weite Teile Mitteleuropas und der Balkanhalbinsel bis ins nördliche Griechenland verbreitet. Im Westen reicht das Gesamtverbreitungsgebiet von Großbritannien und Nordfrankreich ostwärts über Russland und das nördliche Asien bis zur Insel Sachalin. Entsprechend dieser enormen Gesamtfläche bewohnt die Kreuzotter eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Habitate, von offenen Blockschutthalden und Grasland in geschützten Hochgebirgslagen auf knapp 3.000 m bis zu kühleren, halboffenen Lebensräumen mit hoher Luftfeuchtigkeit und starken Tag-Nacht-Temperaturschwankungen in mittleren und tiefen Lagen, wo die Art noch bis auf Meeresspiegelhöhe vorkommt, z. B. in strukturreichen Dünen- und Heideflächen, Moorrandbereichen, Geröllfeldern, Kahlschlägen oder an Waldrändern. Entsprechend variabel sind auch die Färbung und Morphologie der Kreuzotter, weshalb sich die Unterartgliederung schwierig gestaltet und noch immer nicht sicher geklärt ist. So haben genetische Untersuchungen erst vor wenigen Jahren die taxonomische Eigenständigkeit der isolierten Kreuzotternpopulation in den nordwestitalienischen Alpen belegt und zur Beschreibung der Piemont-Viper, Vipera walser, durch Ghielmi et al. (2016) geführt, worüber wir auch in der elaphe berichtet haben (Trapp 2017). Allerdings wird ihr Status noch kontrovers diskutiert, auch als Unterart Vipera berus walser (Speybroeck et al. 2020). Von den weiteren, aktuell meist fünf anerkannten Unterarten der Kreuzotter besiedelt die Nominatform V. b. berus das weitaus größte Verbreitungsgebiet von Großbritannien bis Russland, die etwas kleinere Balkan-Kreuzotter (V. b. bosniensis) den Balkan von Südwestungarn, Slowenien und Kroatien bis Griechenland, die (umstrittene) V. b. sachalinensis die russischen Inseln Sachalin und Shantar mit der angrenzenden Küstenregion sowie die Waldsteppenotter (V. b. nikolskii) das südwestliche Russland und über die Ukraine bis Ostrumänien. Letztere wird von manchen Autoren auch als eigenständige Art eingestuft, ebenso wie die genetisch kaum differenzierte V. b. barani aus Nordwestanatolien. Beide sind nach einer aktuellen Arbeit von Freitas et al. (2020) aufgrund der genetischen Befunde aber klar Vipera berus zugeordnet und nicht als Arten, sondern als Unterarten anzusprechen. Im Fall der genetisch ähnlich wie andere Unterarten der Kreuzotter differenzierten norditalienischen bzw. ostalpinen Form von Vipera berus bestätigte sich nun, dass diese alpine oder italienische Klade („Northern Italian“ und „Eastern alpine clade“) auch taxonomisch abzugrenzen ist. Den Schritt, die Norditalienische Von südalpiner Herkunft ist die Alpen- oder Italienische Kreuzotter, eine neue Unterart für Deutschland Foto: B. Trapp 52

Forschung oder Alpenkreuzotter als Unterart wissenschaftlich zu benennen, haben Schmidtler & Hansbauer (2020) vollzogen, indem sie die bereits 1818 von Pollini beschriebene Vipera berus marasso, ein bisheriges Synonym der Kreuzotter mit Typusfundort Legnago (Contorni di Legnago) in der italienischen Provinz Verona, revalidiert, die frühere Unterartbezeichnung also wieder für gültig erklärt haben. Im Vergleich zur Nominatform zeichnet sich die Alpenkreuzotter, deren wissenschaftliche Unterartbezeichnung einfach dem italienischen Trivialnamen für die Kreuzotter („marasso“) entspricht, u. a. dadurch aus, dass ihr dorsales Zickzackband meist weniger gezahnt, sondern vielfach unterbrochen erscheint; v. a. auf der hinteren Körperhälfte ergibt sich häufig ein in einzelne Querstreifen aufgelöstes Rückenband auf braunem Grund. Auch ist ihr Kopf tendenziell dunkler gefärbt. Vipera berus marasso kommt von Norditalien, der südöstlichen Schweiz und Nordslowenien bis ins südliche Österreich und in den äußersten Südosten Deutschlands hinein vor. Lediglich zwei genetisch gesicherte Fundorte sind bisher aus Südostbayern bekannt (Hochmoore bei Inzell und alpine Wildflussauen bei Ruhpolding in den Chiemgauer Alpen), während die weiter westlich angrenzenden Populationen Südbayerns der nördlichen Klade und somit der Nominatform von V. b. berus (hier wiederum der westlichen Subklade) zuzurechnen sind. Traurig ist, dass V. b. marasso an seinem heutzutage anthropogen stark veränderten Typusfundort in der zentralöstlichen Po-Ebene und in der gesamten Umgebung mit ihren ehemaligen Sumpfgebieten schon seit der ersten Hälfte des 20. Jh. ausgestorben ist. Lediglich in den nördlich angrenzenden Alpen konnte sich die Italienische Kreuzotter gut erhalten und postglazial (also nach der Eiszeit) sogar bis nach Bayern ausbreiten. Literatur Freitas, I., S. Ursenbacher, K. Mebert, O. Zinenko, S. Schweiger, W. Wüster et al. (2020): Evaluating taxonomic inflation: towards evidence-based species delimitation in Eurasian vipers (Serpentes: Viperinae). – Amphibia-Reptilia 41: 285–311. Ghielmi, S., M. Menegon, S.J. Marsden, L. Laddaga & S. Ursenbacher (2016): A new vertebrate for Europe: the discovery of a range-restricted relict viper in the western Italian Alps. – J. Zool. Syst. Evolut. Res. 54: 161–173. Schmidtler, J.F. & G. Hansbauer (2020): Die Alpenkreuzotter (Vipera berus marasso), eine neue Unterart in den Bayerischen Alpen. – Zeitschrift für Feldherpetologie 27: 136–148. Speybroeck, J., W. Beukema, C. Dufresnes, U. Fritz, D. Jablonski, P. Lymberakis, I. Martínez-Solano, E. Razzetti, M. Vamberger, M. Vences, J. Vörös & P.E. Crochet (2020): Species list of the European herpetofauna – 2020 update by the Taxonomic Committee of the Societas Europaea Herpetologica. – Amphibia-Reptilia 41: 139–189. Trapp, B. (2017): Auf der Suche nach einer neubeschriebenen Viper in den italienischen Alpen: die Piemont-Viper (Vipera walser). – TERRARIA/Elaphe 2017(1): 78–83. Forscher entdecken Nasenkröte am Straßenrand von Jörn K ö h l e r Auf einer Expedition nach Peru im November 2019, also kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie, entdeckten Forscher um Dr. Jörn Köhler, Zoologe am Hessischen Landesmuseum Darmstadt, eine neue Froschart aus der Gruppe der „Nasenkröten“ (Castillo-Urbina et al. 2021). Die neue Art aus der Cordillera Azul zeichnet sich, wie der deutsche Name vermuten lässt, durch eine besonders lange „Nase“ aus. Anders als die meisten Krötenarten sind die Tiere nicht braun, sondern vornehmlich grün gefärbt. Das Team aus peruanischen und deutschen Wissenschaftlern nannte die neue Art in ihrer Beschreibung in der DGHT-Zeitschrift „Salamandra“ nun Rhinella chullachaki. Chullachaki ist der Name eines mythischen Wesens aus Amazonien, das als Wächter des Waldes beschrieben wird. Der Sage nach kann es verschiedene Gestalten annehmen und Menschen, die nicht respektvoll mit der Natur umgehen, Leid zufügen. „Wir weisen damit auf die anhaltende Lebensraumzerstörung in Amazonien hin“, sagt der Koautor Ernesto Castillo vom Naturhistorischen Museum in Lima. Die Entdeckung der neuen Art war eine Überraschung, denn die Tiere wurden am Rand einer viel befahrenen Straße gefunden, eine der wenigen Hauptverkehrsadern über die Anden, welche die Hauptstadt Lima mit dem Amazonas-Tiefland verbinden. In diesem Fall war es also kein Rhinella chullachaki, die neu beschriebene Nasenkröte aus Peru Foto: J. Köhler unberührter Regenwald, der erst durch tagelange Bootsfahrten und Fußmärsche erreicht werden kann, sondern ein kleiner Bachlauf neben dem geparkten Auto der Forscher. Literatur Castillo-Urbina, E., F. Glaw, C. Aguilar-Puntriano, M. Vences & J. Köhler (2021): Genetic and morphological evidence reveal another new toad of the Rhinella festae species group (Anura: Bufonidae) from the Cordillera Azul in central Peru. – Salamandra 57(2): 181–195. 53

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