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Compendium Volume 8 German

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Von links: der Showroom

Von links: der Showroom von Joseph Duclos in der Rue du Faubourg Saint-Honoré; Designerin Violante Nessi in ihrem Londoner Salon NUR NACH VEREINBARUNG Der Trend zum hoch personalisierten Einkaufserlebnis hat sich durch die Pandemie noch verstärkt. Mark C. O’Flaherty berichtet über die neu aufgeflammte Liebe der Mode zum privaten Showroom. Die Boutique von Joseph Duclos in der Rue du Faubourg Saint-Honoré verfügt über zwei separate Eingänge. Einige Auserwählte betreten das Geschäft durch die diskrete Hintertür, die in einen Raum im Untergeschoss führt. Dort erhalten sie ein Glas Champagner und Creative Director Ramesh Nair zeigt ihnen Designs mit außergewöhnlichen und farbenprächtigen Materialien. Der Rest des Geschäfts ähnelt einer in Weiß und hellen Farben gehaltenen Kunstgalerie, aber dieser Raum ist eingerichtet wie eine Bibliothek im edwardianischen Stil. Der Kontrast ist so stark, dass es sich um die Installation eines Künstlers handeln könnte – ein Verweis auf einen Raum, der irgendwann in der Vergangenheit an einem anderen Ort in Paris existierte. „Wir ziehen die Vorhänge zu und schaffen eine ungestörte Atmosphäre“, erklärt Nair. „Hierher kommen berühmte Schauspieler oder Mitglieder eines Königshauses, um zu sehen, was wir Individuelles für FOTOS VON LINKS: MARIE-LINE SINA, COURTESY VIOLANTE NESSI 58

Wir ziehen die Vorhänge zu und schaffen eine ungestörte Atmosphäre. Hierher kommen berühmte Schauspieler oder Mitglieder eines Königshauses, um zu sehen, was wir Individuelles für sie anfertigen können. — Ramesh Nair, Joseph Duclos sie anfertigen können.“ Für manche Kunden bedeutet das, eine Krokodil-, Eidechsen- oder Straußenhaut in einem ganz bestimmten Farbton färben zu lassen, mit der Versicherung, dass dieser Farbton keinesfalls reproduziert wird. Duclos’ Handtaschen sind oft echte Unikate. „Einige Kunden wünschen einen Verschluss aus 24 Karat Gold, andere wollen, dass das fertige Produkt per Privatjet geliefert und persönlich übergeben wird“, berichtet Nair. Die private Bibliothek in der Boutique von Duclos, ein paar Schritte vom Mutterkonzern Hermès entfernt, ist ein gutes Beispiel für die Zukunft einer gewissen Art von Luxus. Kaufhäuser werden zunehmend durch den Online-Handel verdrängt, und wir leben heute in einer völlig anderen Welt als der, in der Yves Saint Laurent als erster Designer ein Konfektionsgeschäft unter eigenem Namen eröffnete. Bis zu diesem Zeitpunkt im Jahr 1966 war die Welt der Luxusmode geprägt von der Couture und verschlossenen Türen. Saint Laurent schuf etwas völlig Neues. „Ich hatte genug davon, Kleider für abgestumpfte Milliardäre zu entwerfen“, sagte er damals. „Meine Kundinnen leben in Harems und Schlössern, aber auch in den Vorstädten; sie sind überall auf den Straßen, in den U-Bahnen, in den Läden und an den Börsen.“ Saint Laurent wollte seine Vision für alle zugänglich machen, die es sich leisten konnten. Die Frauen entschieden sich selbst dafür, bei ihm Kundin zu sein. Wenn man zu YSL ging, um etwas zu kaufen, wusste man, wofür Yves stand und was er repräsentierte, und setzte damit ein Statement. Heute hat sich der Luxus auf hochpreisige Markenartikel verlagert. Viele Leute, die für diese Produkte buchstäblich Schlange stehen, verkaufen das, was sie ergattern können, gewinnbringend weiter. Ein Auto verliert mindestens zehn Prozent seines Wertes, sobald es das Autohaus verlässt, während bestimmte Designertaschen nach dem Kauf bereits 130 Prozent ihres ursprünglichen Verkaufspreises wert sind. Wenn die Modewelt überleben will, muss sie sich anpassen. Und genau wie Saint Laurent die Branche auf den Kopf gestellt hat, mischen auch heute einige Designer das Konzept des Einzelhandels auf. Die großen Luxusgüterhersteller haben den Zugang zu einem Großteil ihrer Produkte seit Jahren eingeschränkt und erst kürzlich die Preise für ihre wichtigsten Artikel erhöht, um die Verfügbarkeit noch stärker zu begrenzen. Das ist ein Weg, um die Sättigung des Marktes zu stoppen, aber auch notwendig angesichts der starken Schwankungen auf den Finanzmärkten. Als der Brexit 2016 das britische Pfund zum Einsturz brachte, erhöhten die meisten Marken sofort die Preise, um zu verhindern, dass London zu einem einzigen großen Discounter für Käufer aus dem Ausland wird. Jetzt schränken die Luxusmarken die Wege ein, die Kunden zur Verfügung stehen, um die gewünschten Produkte zu kaufen. Neue Geschäfte verkaufen ihre Ware ausschließlich auf Einladung und nach Vereinbarung. Brunello Cucinelli hat in London, New York, Paris und Mailand Niederlassungen der Casa Cucinelli eröffnet. Cucinelli gilt vielen als erste Adresse für den perfekten, schlichten Kaschmirpullover, aber er möchte mit seinen Shops, die nur nach Vereinbarung geöffnet sind, weiter expandieren und ein riesiges Sortiment anbieten. Der Kunde soll sich nicht wie in einem Laden fühlen, sondern wie in einem Privathaus, in dem man allerdings 59

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